Skip to main content

Full text of "Griechische und lateinische Sprachwissenschaft"

See other formats


Google 


This  is  a  digital  copy  of  a  book  that  was  prcscrvod  for  gcncrations  on  library  shclvcs  bcforc  it  was  carcfully  scannod  by  Google  as  pari  of  a  projcct 

to  make  the  world's  books  discoverablc  online. 

It  has  survived  long  enough  for  the  Copyright  to  expire  and  the  book  to  enter  the  public  domain.  A  public  domain  book  is  one  that  was  never  subject 

to  Copyright  or  whose  legal  Copyright  term  has  expired.  Whether  a  book  is  in  the  public  domain  may  vary  country  to  country.  Public  domain  books 

are  our  gateways  to  the  past,  representing  a  wealth  of  history,  cultuie  and  knowledge  that's  often  difficult  to  discover. 

Marks,  notations  and  other  maiginalia  present  in  the  original  volume  will  appear  in  this  flle  -  a  reminder  of  this  book's  long  journcy  from  the 

publisher  to  a  library  and  finally  to  you. 

Usage  guidelines 

Google  is  proud  to  partner  with  libraries  to  digitize  public  domain  materials  and  make  them  widely  accessible.  Public  domain  books  belong  to  the 
public  and  we  are  merely  their  custodians.  Nevertheless,  this  work  is  expensive,  so  in  order  to  keep  providing  this  resource,  we  have  taken  Steps  to 
prcvcnt  abuse  by  commcrcial  parties,  including  placing  technical  restrictions  on  automatcd  qucrying. 
We  also  ask  that  you: 

+  Make  non-commercial  use  ofthefiles  We  designed  Google  Book  Search  for  use  by  individuals,  and  we  request  that  you  use  these  files  for 
personal,  non-commercial  purposes. 

+  Refrain  from  automated  querying  Do  not  send  aulomated  queries  of  any  sort  to  Google's  System:  If  you  are  conducting  research  on  machinc 
translation,  optical  character  recognition  or  other  areas  where  access  to  a  laige  amount  of  text  is  helpful,  please  contact  us.  We  encouragc  the 
use  of  public  domain  materials  for  these  purposes  and  may  be  able  to  help. 

+  Maintain  attributionTht  GoogX'S  "watermark" you  see  on  each  flle  is essential  for  informingpcoplcabout  this  projcct  andhclping  them  lind 
additional  materials  through  Google  Book  Search.  Please  do  not  remove  it. 

+  Keep  it  legal  Whatever  your  use,  remember  that  you  are  lesponsible  for  ensuring  that  what  you  are  doing  is  legal.  Do  not  assume  that  just 
because  we  believe  a  book  is  in  the  public  domain  for  users  in  the  United  States,  that  the  work  is  also  in  the  public  domain  for  users  in  other 
countries.  Whether  a  book  is  still  in  Copyright  varies  from  country  to  country,  and  we  can'l  offer  guidance  on  whether  any  speciflc  use  of 
any  speciflc  book  is  allowed.  Please  do  not  assume  that  a  book's  appearance  in  Google  Book  Search  mcans  it  can  bc  used  in  any  manner 
anywhere  in  the  world.  Copyright  infringement  liabili^  can  be  quite  severe. 

Äbout  Google  Book  Search 

Google's  mission  is  to  organizc  the  world's  Information  and  to  make  it  univcrsally  accessible  and  uscful.   Google  Book  Search  hclps  rcadcrs 
discover  the  world's  books  while  hclping  authors  and  publishers  reach  new  audiences.  You  can  search  through  the  füll  icxi  of  ihis  book  on  the  web 

at|http  :  //books  .  google  .  com/| 


Google 


IJber  dieses  Buch 

Dies  ist  ein  digitales  Exemplar  eines  Buches,  das  seit  Generationen  in  den  Realen  der  Bibliotheken  aufbewahrt  wurde,  bevor  es  von  Google  im 
Rahmen  eines  Projekts,  mit  dem  die  Bücher  dieser  Welt  online  verfugbar  gemacht  werden  sollen,  sorgfältig  gescannt  wurde. 
Das  Buch  hat  das  Urheberrecht  überdauert  und  kann  nun  öffentlich  zugänglich  gemacht  werden.  Ein  öffentlich  zugängliches  Buch  ist  ein  Buch, 
das  niemals  Urheberrechten  unterlag  oder  bei  dem  die  Schutzfrist  des  Urheberrechts  abgelaufen  ist.  Ob  ein  Buch  öffentlich  zugänglich  ist,  kann 
von  Land  zu  Land  unterschiedlich  sein.  Öffentlich  zugängliche  Bücher  sind  unser  Tor  zur  Vergangenheit  und  stellen  ein  geschichtliches,  kulturelles 
und  wissenschaftliches  Vermögen  dar,  das  häufig  nur  schwierig  zu  entdecken  ist. 

Gebrauchsspuren,  Anmerkungen  und  andere  Randbemerkungen,  die  im  Originalband  enthalten  sind,  finden  sich  auch  in  dieser  Datei  -  eine  Erin- 
nerung an  die  lange  Reise,  die  das  Buch  vom  Verleger  zu  einer  Bibliothek  und  weiter  zu  Ihnen  hinter  sich  gebracht  hat. 

Nu  tzungsrichtlinien 

Google  ist  stolz,  mit  Bibliotheken  in  partnerschaftlicher  Zusammenarbeit  öffentlich  zugängliches  Material  zu  digitalisieren  und  einer  breiten  Masse 
zugänglich  zu  machen.     Öffentlich  zugängliche  Bücher  gehören  der  Öffentlichkeit,  und  wir  sind  nur  ihre  Hüter.     Nie htsdesto trotz  ist  diese 
Arbeit  kostspielig.  Um  diese  Ressource  weiterhin  zur  Verfügung  stellen  zu  können,  haben  wir  Schritte  unternommen,  um  den  Missbrauch  durch 
kommerzielle  Parteien  zu  veihindem.  Dazu  gehören  technische  Einschränkungen  für  automatisierte  Abfragen. 
Wir  bitten  Sie  um  Einhaltung  folgender  Richtlinien: 

+  Nutzung  der  Dateien  zu  nichtkommerziellen  Zwecken  Wir  haben  Google  Buchsuche  für  Endanwender  konzipiert  und  möchten,  dass  Sie  diese 
Dateien  nur  für  persönliche,  nichtkommerzielle  Zwecke  verwenden. 

+  Keine  automatisierten  Abfragen  Senden  Sie  keine  automatisierten  Abfragen  irgendwelcher  Art  an  das  Google-System.  Wenn  Sie  Recherchen 
über  maschinelle  Übersetzung,  optische  Zeichenerkennung  oder  andere  Bereiche  durchführen,  in  denen  der  Zugang  zu  Text  in  großen  Mengen 
nützlich  ist,  wenden  Sie  sich  bitte  an  uns.  Wir  fördern  die  Nutzung  des  öffentlich  zugänglichen  Materials  für  diese  Zwecke  und  können  Ihnen 
unter  Umständen  helfen. 

+  Beibehaltung  von  Google-MarkenelementenDas  "Wasserzeichen"  von  Google,  das  Sie  in  jeder  Datei  finden,  ist  wichtig  zur  Information  über 
dieses  Projekt  und  hilft  den  Anwendern  weiteres  Material  über  Google  Buchsuche  zu  finden.  Bitte  entfernen  Sie  das  Wasserzeichen  nicht. 

+  Bewegen  Sie  sich  innerhalb  der  Legalität  Unabhängig  von  Ihrem  Verwendungszweck  müssen  Sie  sich  Ihrer  Verantwortung  bewusst  sein, 
sicherzustellen,  dass  Ihre  Nutzung  legal  ist.  Gehen  Sie  nicht  davon  aus,  dass  ein  Buch,  das  nach  unserem  Dafürhalten  für  Nutzer  in  den  USA 
öffentlich  zugänglich  ist,  auch  fiir  Nutzer  in  anderen  Ländern  öffentlich  zugänglich  ist.  Ob  ein  Buch  noch  dem  Urheberrecht  unterliegt,  ist 
von  Land  zu  Land  verschieden.  Wir  können  keine  Beratung  leisten,  ob  eine  bestimmte  Nutzung  eines  bestimmten  Buches  gesetzlich  zulässig 
ist.  Gehen  Sie  nicht  davon  aus,  dass  das  Erscheinen  eines  Buchs  in  Google  Buchsuche  bedeutet,  dass  es  in  jeder  Form  und  überall  auf  der 
Welt  verwendet  werden  kann.  Eine  Urheberrechtsverletzung  kann  schwerwiegende  Folgen  haben. 

Über  Google  Buchsuche 

Das  Ziel  von  Google  besteht  darin,  die  weltweiten  Informationen  zu  organisieren  und  allgemein  nutzbar  und  zugänglich  zu  machen.  Google 
Buchsuche  hilft  Lesern  dabei,  die  Bücher  dieser  Welt  zu  entdecken,  und  unterstützt  Autoren  und  Verleger  dabei,  neue  Zielgruppcn  zu  erreichen. 
Den  gesamten  Buchtext  können  Sie  im  Internet  unter|http:  //books  .  google  .corül  durchsuchen. 


■^a.^ 


e 


HANDBUCH 

^  DER 

KLASSISCHEN 


AMERTüMS-WISSENSCHAn 

in  systematischer  Darstellung 

mit  besonderer  Rücksicht  auf  Geschichte  und  Methodik  der  einzelnen 

Disziplinen. 


In  Verbindung  mit  Gymn.-Rektor  Dr.  Autenrieth  (Nürnberg),  Prof.  Dr. 
Ad.  Bauer  (Graz),  Prof.  Dr.  Blass  (Kiel),  Prof.  Dr.  Bruffmann  (Leipzig), 
Prof.  Dr.  Busolt  (Kiel),  Prof.  Dr.  v.  Christ  (München),  Prof.  Dr.  Flasch 
(Erlangen),  Prof.  Dr.  Gleditsch  (Berlin),  Prof.  Dr.  Günther  (München). 
Prof.  Dr.  Heerdegen  (Erlangen),  Oberl.  Dr.  Hinrichs  f  (Berlin),  Prof. 
Dr.  Hommel  (München),  Prof.  Dr.  Hübner  (Berlin),  Prof.  Dr.  Jul.  Jung 
(Prag),  Priv.-Doz.  Dr.  Krumbacher  (München),  Dr.  Lolling  (Athen),  Prof. 
Dr.  Niese  (Marburg),  Prof.  Dr.  Nissen  (Bonn),  Priv.-Doz.  Dr.  Öhmichen 
(München),  Prof.  Dr.  Pöhlmann  (Erlangen),  Prof.  Dr.  0.  Richter  (Berlin), 
Prof.  Dr.  Schanz  (Würzburg),  Geh.  Oberschulrat  Prof.  Dr.  Scliiller  (Giessen), 
Gymn.-Dir.  Schmalz  (Tauberbischofsheim),  Oberlehrer  Dr.  F.  Stengel 
(Berlin),  Professor  Dr.  Stolz  (Innsbruck),  Prof.  Dr.  Unger  (Würzburg), 
Geheimrat  Dr.  v.  Urlichs  t  (Würzburg),  Dr.  Adolf  Voigt  (Göttingen),  Prof. 
Dr.  Moritz  Voigt  (Leipzig),  Gymn.-Dir.  Dr.  Volkmann  (Jauer),  Dr.  Weil 
(Berlin),  Prof.  Dr.  Windelband  (Strassburg),  Prof.  Dr.  Wissowa  (Marburg) 

henrasgegeben  too 

Dr.  Iwan  von  Müller, 

ord.  Prof.  der  klassischen  Philologie  in  Erlangen. 


••• 


Zweiter  Band. 

Griechische  und  lateinische  Sprachwissenschaft. 


Zweit«  neabcarbclftete  Aallage. 


MÜNCHEN  1890. 
C.  H.  BECK'SCHE  VERLAGSBUCHHANDLUNG  (OSKAR  BECK). 

(Schwabiog.  Wilbelmstranc  0.) 


GRIECHISCHE  UND  LATEINISCHE 


SPRACHWISSENSCHAFT 


Bearbeitet 


von 

Dr.  Karl  Brugmann,  Dr.  G.  Autenrieth, 

ord.  Profesvor  der  iodogennanisrhoTi  HpnchwimeiMchaft  Oymnasial-Rektor  zu  Nüruberg, 

zu  Leipzig, 

Dr.  Friedrieh  Stolz,  Dr.  F.  Heerdegen, 

ord.  Professor  der  vergleichenden  Sprachwissenschaft  aord.  Professor  an  der  UniverKität  ErlauKcn, 

zu  Innsbmck, 

J.  G.  Schmalz,  Dr.  Richard  Volkmann, 

Qymnaaial-Pirektor  zu  Tauberbiichofiiheim,  Oymnasial-Direktor  zu  Jauer, 

und 

Hugo  Gleditsch, 

Professor  und  Oberlehrer  am  Wilhelma-Oymnasiuin  zu  Berlin. 


Zweite  neubearbeitete  Auflage. 


t7..ii*i*i*ci>»:4pia 


«ÄUi^SSii 


MÜNCHEN  1890. 
C.  H.  BECK'SCHE  VERLAGSBÜCHHANDLUNG  (OSKAR  BECK). 


(Schwabiug,  Wilhelmtttraase  9.) 


Vorrede  zur  zweiten  Auflage  des  zweiten  Bandes. 


Der  Wunsch,  dem  wir  in  der  Vorrede  zur  ersten  Auflage  dieses 
Bandes  Ausdruck  gaben,   ist   über  Erwarten  rasch  in  Erfüllung  ge- 
gangen:   Der  Teil,   mit  dem   wir  unser  Unternehmen  eröffneten,   fand 
eine  so  günstige  Aufnahme,   dass   nach   kaum'  vier  Jahren   eine  neue 
Auflage  nötig  wurde.     Ist   auch    in  derselben  Plan  und  Anlage   des 
Ganzen  sowie  die  Methode  der  Darstellung  in  den  einzelnen  Wissen- 
schaften   unverändert  geblieben,    so   weist    doch    die   Neubearbeitung 
nicht  unerhebliche  Unterschiede  der  ersten  Bearbeitung  gegenüber  auf. 
Worin  diese   in  der   Griechischen   Grammatik  bestehen,  darüber 
gibt  der  verehrte  Herr  Bearbeiter    derselben   in    seinen   „Vorbemer- 
kungen"  die  nötigen  rechtfertigenden  Fingerzeige.     Wie  aber  hier,  so 
zeigt  sich  auch  in  den  übrigen  Wissenschaften,    die  in  diesem 
Bande  vorgeführt  werden,  mit   der  gründlichen   Sichtung  und  Durch- 
arbeitung  des  bisher  Gegebenen  eine  mehr  oder  minder  beträchtliche 
Erweiterung   des   Stoffes   verbunden,    die   Niemand    auffallend    finden 
wird,  der  da  weiss,  wie  rasch  die  Litteratur  im  Anwachsen  begriffen 
ist,  und  dass  ihr  gegenüber  um    so  mehr  Stellung  genommen  werden 
muss  als  es  im   Zweck  unseres  Handbuchs  liegt   ein  Bild   von  dem 
jeweiligen  Stand  einer  Wissenschaft  zu  geben. 

Den  Benutzern  der  neuen  Auflage  werden  die  Register  eine 
nicht  unwillkommene  Zugabe  sein;  die  Ausführlichkeit  derselben  be- 
darf vor  Kundigen  keiner  Eechtfertigung,  da  es  sich  hier  um  eine 
ausserordentliche  Menge  sprachwissenschaftlicher  Einzelheiten  handelt, 
deren  sicheres  Auffinden  nur  durch  sorgfältigst  angelegte  alpliabetische 
Verzeichnisse  ermöglicht  wird.     Für  die  Besitzer   der  ersten  Auflage 


Uci«^ 


VI  Spezielles  InhaltsyerzeichiiiB  Ton  Band  n. 

Seite 

Gutturale  und  Dentale  -f  i,  §  42  Verschlusslaute  -|-  if,  §  43  -gn,  -gm-, 
■f9gm-t  -6n-,  -jom-,  -6m-,  -phrn-,  pamph.  -(p)&-  aus  -vr-,  -AX-  aus  -<W-,  dor. 
-yt;  -yd"  aus  -Ar-,  -X^-) 57 

4.  Spiranten  (§44-52). 

Tonloses  und  tönendes  «r  (§  44) 60 

Idg.  «  (§  45) fJO 

Idg.  -J  (§  46) 63 

Unursprttngliches  «^  (§  47) 64 

Verbindungen  von  «r  mit  Verschlusslauten  (§48)  64 

Idg.  i  (§  49) 64 

Spiritus  lenis  und  asper  (§  50 — 51) 65 

Zeta  (§  52) 66 

5.  Sonstiger  kombinatorischer  Lautwandel  (§53^65). 

Prothese  vor  Verscblusslauten  und  vor  <r  (§  53) 67 

Epenthese  (§54) 68 

^Ersatzdehnung**  und  Verwandtes  (§  55  Vok.  -f  vff,  §  56  Vok.  -f  vv^  fifi,  qQj 
AA,  §  57  Vok.  -f  yf,  Qf,  Xf  und  -lyy-,  §  58  Qualität  der  durch  Ersatz- 
dehnung entstandenen  Vokallängen) 68 

Erleichterung  dreifacher  Konsonanz  (§  59)      ; 71 

Dissimilation  (§60  v-  v,  A  -A,  Q—g,  Hauchdissimilation,  Dissimilation  zweier 

Tenues  oder  Mediae,  §  61  Syllabische  Dissim.) 72 

Lautversetzung  (§62) 74 

Auslaut  und  Anlaut  (§  63  Allgemeines,  §  64  Auslaut,  §  65  Anlaut)        .        .  75 

6.  Betonung  (§66  Allgemeines,  §  67  Wortaccent,  Dreisilbengesetz,  Störungen 

der  Betonung  durch  Analogiewirkung,  §  68  Lesb.  und  dor.  Betonung)  81 

c)  Griechische  Flexionslehre. 

1.  Vorbemerkungen  (§69) 89 

2.  Nominal-  und  Pronominalflexion. 
Die  nominalen  Stammklassen. 

1.  Nomina  mit  stammbildenden  Suffixen. 

A.  Suffixe  auf  Vokale. 

I.  Suffixe  auf  -o  und  -ä  (§  70:  1.  -o-  -Ä-,  2.  -jo-  -jd-,  3.  -tio,  -uä-, 
4.  -nO'  -nä;  'Ono-,  5.  -ino-  -mö-  und  -ino-  -fnÄ-,  6.  -avyo-  -avyä-f 
7.  -meno-  metiä-,  8.  -mo'  -mÄ-,  9.  -ro-  -rd-,  10.  -ero-  -erä-  und 
'tero'  'terä't  11.  -lo-  -Zä-,  12.  -dhro-  -dkrä-,  -dhlo-  'dMä-,  IS.-hho- 
-hhä-,  14.  'to-  'ta-,  15.  'ico-  -fei-  und  -qo-  -qä-,  16.  -sfco-  -sfcä-)  .  91 

II.  Suffixe  auf  -t  (§  70«*:  1.  -i-,  2.  -ni-,  3.  -mi-,  4.  -ri-,  5.  -ti')  99 

III.  Suffixe  auf  -u  (§  70*»:  1.  -u-,  2.  -iu,  3.  -nu-,  4.  -ru-,  5.  -M     .         100 

IV.  Suffix   -i-  is-  (§  70^)  und  mehrsilbige  Stämme  auf  -F-  -«,   -m- 

'Uti'  (§  70^) 101 

B.  Suffixe  auf  -n  (§71:  1.  -en-,  2.  -jen-,  3.  -^^en-,  4.  -tnw-)    .         .         103 

C.  Suffixe  auf  -r  (§  71":   1.  nom.  acc.  neutr.  auf  -«p  -wp,  2.  -er-, 

-fer-) 106 

D.  Suffixe  auf  ^«  (§  72:  1.  -t-,  2.  -W«-,  3.  -n^,  4.  -uenU)  107 

E.  Suffix   d'  (§72«) 109 

F.  Die  Suffixe  -X-  und  ->'-  (§72^) 110 

G.  Suffixe  auf  -«  (§73:  1.  -es-,  2.  -ps-,  3.  -jes-,  4.  -i^c«-)  .        .        110 

2.  Nomina  ohne  stammbildende  Suffixe  (§74) 114 

Die  einzelnen  Nominalkasus. 

Nom.  sg.  masc.  fem.  (§  75) 116 

Voc.  sg   masc.  fem.  (%  16) 117 

Acc.  sg.  masc.  fem.  (§  77) 118 

Nom.  acc.  sg.  neutr.  (§  78) 119 

Gen.  sg.  (§79) 119 

Abi.  sg.  (§  80) 120 

Dat.  sg.  (§  81)  121 


Spezielles  InhaltsyerseichniB  Ton  Band  II. 


VII 


Loc.  8g.  (§  82)  

Instr.  8g.  (§  83) 

Nom.  acc.  du.  (§  84) 

Gen.  dat.  du.  (§  85)    ........... 

Nom.  pl.  ma8C.  fem.  (§86) 

Acc.  pl.  masc.  fem.  (§87) 

Nom.  acc.  pl.  neutr.  (§88) 

Gen.  pl.  (§  89) 

Loc.  pl.  (§  90) 

Instr.  pl.  (§  91)  

Suffix  -H*')  (§92) 

Die  pronominale  Flexion. 

Die  geschlechtigen  Pronomina  (§  93  Allgemeines,  §  94  o-  und  ^Stftmme 

§  95  andere  Stämme) 

Die  Personalpronomina  (§  96  Die  Fron,   der  1.  und  2.  Person,  §  97  Re- 

flexivum,  §  98  Possessiva) 

3.  Anhang. 

a.  Komparationsformen  (§  99-100) 

b.  Zahlwörter  (§  101) 

c.  Nominalkom Position  (Form  und  Bedeutung). 

Form  der  Zusammensetzung  (§  102  Allgemeines,  Einteilung  der  Komposita 
nach  der  Form,  §  103  Die  vier  Kompositionsklassen,  §  104  Die  Form 
der  zusammengesetzten  Personennamen) 

Bedeutung  der  Zusammensetzung  (§  105) 

4.   Verbalflexion. 

Person alendungen  (§  106  Allgemeines,  §  107  Aktivendungen,  §  108  Medial- 
endungen)   

Augment  (§  109) 

Bildung  der  Tempusstämme. 

Präsens  (und  starker  Aorist)  (§  110  Allgemeines) 

/.  Themavokallose  Stämme  oder  Verha  auf  -fii  (§111  Allgemeines) 

1.  Kl.  Unerweiterter  Verbalstamm.  , 

a.  Verbalstarom  =  einfache   Wurzel,    mit   Stammabstufung 
(§112) 

b.  Verbalstamm  =  Wurzel  -f  ?  (§  113) 

c.  Verbalstamm  auf  langen    Vokal,    ohne   Stammabstufung 
(§114) 

2.  Kl.  Reduplizierter  Verbalstamra  (§  115). 

a.  Formen  mit  altüberkommener  Stammabstufung 

b.  Stamm  auf  langen  Vokal,  ohne  Abstufung       .         . 

3.  Kl.  Schwache  Wurzelform  -\-  rv  :  rv  (%  116) 

4.  Kl.  Schwache  Wurzelform  -f-  vic  :  j'«  (§  117)      . 

//.  ThemavoJcalische    Stämme  oder  Veiba  auf  -to  (§118  Allgemeines) 

5.  Kl.  Wurzel  +  o  :  e  (§  119). 

a.  Starke  Wurzelform    . 

b.  Schwache  Wurzel  form  (Tiefstufe) 

6.  Kl.  Reduplizierte  Wurzel  +  o  :  f  (§  120). 

a.  Red uplikations vokal  i 

b.  Andere  Reduplikationsweise 

7.  Kl.  Wurzel  -\-  {o  :  u  (§  121)       . 

8.  Kl.  Reduplizierte  Wurzel  +  *o  :  jff  (§  122) 

a.  Reduplikationsvokal  i 

b.  Andere  Reduplikationsweise 

9.  Kl.  Nominalstamm  -\-  ko  :  kB  (Denominativa)  (§  123) 

10.  Kl.  Hochstufige  Wurzelform  -f  eko  :  sie  (Kausativa)  (§  124) 

11.  Kl.  Wurzel  -{- ro  :  re   (§  125) 


8Ht« 

121 
123 
123 
124 
124 
125 
126 
126 
126 
128 
128 


129 
131 

134 
135 


138 
142 


144 

149 

150 
150 


151 
153 

153 

154 
154 
155 
156 
156 

156 
156 

157 
157 
157 

159 
159 
159 
161 
161 


Vni  BpesieUes  InhalterOTMichaiB  tob  Buid  IL 

SHte 

12.  Kl   VerbAktamm  +  no  :  umb  (§  126) 

a.  VerbalsUmm  ==  einfmclie  WiBiel  in  Tiefefaifenform  161 

b.  Verbalstamm  ftof  langen  Vokal                                 .        .  162 

13.  Kl.  Redoplizierter  Verbalstamm  +  <»<> :  <rxf  (§  127). 

a.  RedaplikationsTokal  i 162 

b.  Andere  RedapHkationsweise 162 

Anhang  ni  £1.  12  imd  13:  Yerba  anf  -ttfaret  (§  128)  162 

14.  KL  Wonel  ^  ro  :  ve  und  Wonel  (zom  Teil  mit  Naaalinix) 

-h  aro  :  axe  (§  129) 162 

15.  Kl.  Sehwache  Wimelfonn  +  rp-o  :  yf-t  (§  130)  163 
Perfekt. 

Reduplikation  (§  131) 163 

Stanunabatofiing  (§  132) 164 

Anf&gong  der  Peraonalendungen  (§133) 165 

Nenerangen  durch  Foimflbertragimg  (§  134) 166 

Das  x-Perfekt  (§  135) 167 

8igmati8cher  Aorist. 

Anf&gnng  der  Peraonalendongot  (§  136)               167 

Anfügung  des  s  nnd  VokaKsation  der  Yerbalstammsilbe  (§  137)  167 

Neuerungen  durch  Fonnflbertragung  (§  138) 169 

Flusquamp^ekt  (§139) 170 

Sigmatisches  Futurum  (§  140-141) 170 

Bildung  der  Modi 

Konjunktiv  (§  142) 171 

Injunktiv  (§  143) 172 

Imperativ  (§144) 172 

Optativ  (§145)            173 

Bildung  der  Infinitive  und  Partizipien. 

Infinitive  (§146) 174 

Partinpia  (§  147)        .        .        , 176 

d)  Grieehische  SjMlax. 

1.  Das  Verbum. 

Yerbnm  finitum  und  infinitum  (§  148) 177 

Die  Genera  verbi  (Diathesia). 

Paasivum  (§  149) 177 

Aktivum  (§150) 177 

Medium  (§  151) 17S 

InfinitiT  und  PartiziiMum  (§  152) :        .        .  17S 

Der  sog.  kausative  Gebrauch  des  Aktivums  und  Mediums  (§  153)  179 
Die  Tempusstimme. 

Aktionsart  und  Zeitsbife  im  aDgemeinen  (§  154) 17*^ 

Prisentische  Aktionsart  (§  155  Allgemeines,  §  156  ind.  praes^»  §  157  im- 

perf.,  §  158  conj.  opt  imper.  inl  pait.  praes.) 1>1 

AoristiBche  Aktionsart  (§  159  Aligemeines,  §  160  ind.  aor.,  §  161  Aorist 
formen  in  untergeordneten  Gliedern  scheinbar  mit  der  Bedeutung  der 

Yergangenheit  gegenfiber  d^  Haupthaadlnng) 1>4 

Perfektsiamm  (§162) Iv; 

Futurstamm  (§163) 1S7 

Die  ModL 

Allg^eines  (§  164) 1S^> 

Konjunktiv  (§  165) lb»ö 

Optativ  (§  166  Opt  des  Wunsches  und  Potentialis.  §  167  Opt  der  in> 

direkten  Rede) HH 

Imperativ  (§168) l^^o 

Indikativ  (§169) 1>- 

und  Partizip  (§  170  InL,  §  171  Part.) l^~' 


Spedelles  InhaltsYerzeichnis  yon  Band  ü.  IX 

Seite 

2.  Das  Nomen. 

Geschlecht  der  Sabstantiva  (§  172) 197 

Numeros  (§  173) 198 

Inkongruenz  der  Numeri  zugleich  mit  Bezug  auf  das  Verbum  (§  174)  199 

Die  Kasus. 

Allgemeines:  Ursprung  der  Kasussuffixe;  lokale  und  grammatische  Kasus; 

synkretistische  Kasus  (§  175) 199 

Vokativ  (§  176) 202 

Nominativ  (§  177) 202 

Akkusativ  (§  178  die  verschiedenen  Akknsativklassen,  §  179  die  akkusa- 
tivischen Adverbia,  §  180  Verbundene  Akkusati ve)      ....        203 
Genitiv  (§  181  Der  Genitiv  ein  Mischkasus,  §  182  Echter  Genitiv,  §  183  Ab- 
lativischer Genitiv) .        205 

Dativ  (§  184  Der  Dativ  ein  Mischkasus,  §  185  Echter  Dativ,  §  186  Loka- 
tivischer Dativ,  §  187  Instrumentaler  Dativ) 207 

Die  Formen  auf  -tpi,  -tpiv  (§  188) 211 

Das  Adjektiv  (§189)  212 

3.  Das  Pronomen  (§190— 193) 213 

4.  Die  Präpositionen  (§194  Allgemeines,  §  195—197  Echte  Präpositionen, 
§  198  Unechte  Präp.,  §  199  Zusammenrückung  von  Präp.,  §  200  Vergleichung 
griech.  Präp.  mit  solchen  der  andern  idg.  Sprachen) 214 

5.  Die  Partikeln  (§201) 220 

6.  Satzverbindung  (§  202  Allgemeines.  Parataxis,  §  203—210  Hjpotaxis  und 
hypotaktische  konjunktionelle  Wörter,  §  211  Korrelative  Satzverbindung,  §  212 
Eigentümlichkeiten  im  Gebrauch  der  Verbalformen  als  Charakteristika  der 
Hypotaxis,  §  213  Unterordnung  verbundener  Hauptsätze)       ....        226 

Nachträge  und  Verbesserungen 235 


B.   Lateinisehe   Grammatik,  bearbeitet  von   Prof.   Dr.   Fr.  Stolz   und 

Gymnas.-Dir.  Schmalz. 

a)  Einleitung  in  die  lateinische  Grammatik  (bez.  Laut-  und  Formenlehre). 

1.  Über  Geschichte  und  Methode  der  lateinischen  Grammatik  (§  1)        239 

2.  Obersichtliche  Geschichte  der  lateinischen  Schriftsprache  (§2)        244 

3.  Stellung  des  Lateinischen  zu  den  verwandten  Sprachen  und  zu 

den  übrigen  italischen  Dialekten  (§3) 247 

b)  Lateinische  Lautlehre. 

1.  Schriftzeichen  und  Orthographie  (§4) 249 

2.  Verhältnis  des  lateinischen  Lautbestandes  zu  dem  der  indoger- 
manischen Grundsprache  (§5) 254 

3.  Zur  Aussprache  des  Latein  (§6) 254 

4.  Vokale. 

§7a  A;  §8^  ^;  §  9  a  im  Wechsel  mit  e  und  o ;  §10  oö;§llt;;  %\2uü  256 

Diphthonge  (§13) 259 

Vokale  in  konsonantischer  Funktion  (§14) 260 

Vokalabstufung. 

§  15  Mleihe;  §  16  ^-Reihe;   §  17  d-Reihe;   §  18  ö-Reihe;   §  19  a-Reihe; 

§  20  o-Reihe;  §  21  Die  scheinbaren  Ablautsverbältnisse  {  :  T,  ü  lü^  ä  \  ä        263 
Vokalwandel. 

Wesen  desselben  (§22) 266 

Vokalwandel    in  nicht  zusammengesetzten  Wörtern,    bez.   nur  im  ersten 
Gliede  (in  der  Fuge)  der  Zusammensetzungen :  §  23  Tonsilben;  §  24  Vor- 
tonige Silben;  §25  Nachtonige  Silben:  §26  Endsilben        ...        266 
Schwächung  der  Vokale  in  der  Zusammensetzung  (§  27)  .        269 

Assimilation  von  Vokalen  (§28) 270 


X  Bp9xielLem  Inhalisreneieluds  toa  Baad  IL 

Diwimilation  von  Vokaleo  (§  29) 271 

Geschichte  der  Diphthonge. 

§  30  ai;  §  31  au;  §  32  ft;  §  33  eu;  §34  Of ;  §  35  om  .  271 

Kontraktioo  der  Vokale  (§  3<>) 275 

SvarabhaktiBche  Vokale  (§37) 277 

Prothetische  Vokale  (§38) 278 

Epeotheee  der  Vokale  (§39) 278 

Quantittominderung  und  •Steigerung  der  Vokale  (§  40  und  41)  279 

5.  Liquidae 

all  Konsonanten  (§42) 28;^ 

als  Sonanten  (§43)  284 

6.  Nasales 

als  Konsonanten  (§44) '^^^ 

als  Sonanten  (§45)  287 

7.  Verschlueslaute. 

Tonlose  und  tönende  Gutturalis  (§  46,  47) 288 

Tonlose  und  tönende  Dentalis  (§  48,  49) 291 

Tonlose  und  tönende  Labialis  (§50,  51) 292 

Indog.  Aspiratae  im  Lateinischen  (§  52—57) 294 

8.  Spiranten  (Reibelaute). 

Der  palatale  Spirant  i  (§  58) 297 

Der  dentale  Spirant  «  (§  59) 297 

Der  labiale  Spirant  r  (§  60) 300 

Der  Kehlkopfspirant  A  (§  61) 300 

9.  Lautwandel  in  Konsonantengruppen  und  anderer  kombinatori- 
scher Lautwandel. 

Anlaut  (§  62,  63) 301 

Inlaut  (§  64,  65) 304 

Auslaut  (§  66,  67) 313 

Ausfall  von  Silben  durch  Dissimilation  (§68)  314 

Auslautgesetze  (§69)  315 

10.  Betonung  (§70-74). 

Wesen  des  lateinischen  Accents  (§70) 317 

Formen  des  Accents  (§71) 318 

Enklisis  und  Proklisis  (§72) 319 

Ältere  Betonung  des  Lateinischen  (§73) 319 

Synkope  der  Vokale  (§74) 321 

c)  Lateinische  Formenlehre. 

1.  Deklination  dos  Nomens. 

Allgemeine  Bemerkungen  (§75) 323 

Die  Stämme  der  Nomina. 

Allgemeines  (§76) 323 

Übersicht  der  Stämme. 

Konsonantische  Stämme  (§77) 324 

Vokalische  Stämme  (§78) 328 

Bildung  der  Kasus. 

Nominativ  des  Singulars  (§79) 332 

Nominativ  des  Plurals  (§80) 333 

Akkusativ  des  Singulare  (§81) 335 

Akkusativ  des  Plurals  (§82) 335 

Genetiv  des  Singulars  (§83) 33(3 

Genetiv  des  Plurals  (§84) 339 

Dativ  des  Singulars  (§85) 340 

Lokativ  des  Singulars  (§86) 341 

Ablativ  des  Singulars  (§87) 342 

Dativ-Ablativ  des  Plurals  (§88) 343 


Spezielles  Inhaltsverzzeiolmis  von  Band  ü.  XI 

2.  Deklination  der  Pronomina.  ^**o 

üngeschlechtige  Pronomina  (§89) 345 

Geschlechtige  Pronomina  (§  90) 346 

3.  Anhang. 

a)  Numeralia  (§91) 349 

b)  Steigerung  der  Adjektiva  (§92) 352 

c)  Nominalkomposition  (§  93—95) 354 

4.  Flexion  des  Verbums. 

Vorbemerkungen  (§  96) 356 

Personalendungen : 

Aktivum  (§97) 358 

Passivum  (§98) 359 

Bildung  der  Präsensstämme: 

Allgemeines  (§99) 361 

1.  Hauptkonjugation  (§  100) 362 

2.  Hauptkonjugation  (§  101) 364 

das  Perfektsystem: 

Reduplikation  (§  108) 368 

Stammbildung  (§  109) 368 

die  Perfekta  auf  -«',  -r*  und  -i*t  (§  110) 370 

Flexion  des  Perfekts  (§111) 372 

Die  aus  dem  8-  is-  und  sis-Aonst  hervorgegangenen  Tempora  und  Modi 

(§  112)            • 373 

Das  ^'Futurum  und  -Imperfektum  (§113) 375 

Modi. 

Konjunktiv  (§114) 376 

Optativ  (§  115) 377 

Imperativ  (§116) 378 

Infinitive  und  Partizipien. 

Infinitive  (§  117) 379 

Partizipe  (§118) 381 

d)  Lateinische  Syntax« 

Einleitung 386 

Litteratur  zur  historischen  Syntax 390 

A.  Der  einfache  Satz 397 

1.  Der  Behauptungssatz. 

a)  Subjekt  (§1-5) 397 

b)  Prädikat. 

aa)  Allgemeines  (§  6—10) 399 

bb)  Kongruenz  (§  11     21) 400 

cc)  Tempora  (§  22-29),  Modi  (§30-37),  Genera  Verbi  (§  38-- 42)          .  404 

c)  Attribut  und  Apposition  (§43-48)            410 

d)  Kasuslehre,  allgemeines  (g  49) 412 

Nominativ  und  Vokativ  (§50-52) 412 

Akkusativ  (§53-63) 413 

Genetiv  (§64-79) 416 

Dativ  (§  80-90) 424 

Ablativ  (§  91—104)            429 

Lokativ  (§  105) 437 

e)  Partizipia  (§  106-111) 437 

f)  Präpositionen,  allgemeines  (§112) 440 

aa)  Präpositionen  mit  dem  Akkusativ  (§  113—135)           ....  440 

bb)  Präpositionen  mit  dem  Ablativ  (§  136—147) 448 

cc)  Präpositionen  mit  dem  Akkusativ  und  Ablativ  (§  148  -  152)       .        .  451 

2.  Der  Fragesatz  (§  153-162) 454 

B.  Der  zusammengesetzte  Satz. 

3.  Die  Beiordnung  (§  163— 207) 457 


XII  Spesielles  Inhaltsverzeielinis  von  Band  IL 

Seit« 

4.  Die  Unterordnung  (§208-309). 

a)  Unterordnung  ohne  Pronomina  oder  Konjunktionen  (§  208—216)     .  470 
Vom  Infinitiv  und  Akk.  c.  inf.  (§  217—235) 478 

b)  Unterordnung  mittels  relativer  Pronomina  oder  Konjunktionen  (§  236)  491 

aa)  Relativsätze  (§§  237-247) 494 

bb)  Konjunktiondsfttze. 

1)  Akkusativische  Konjunktionen  (§  248—267) 498 

2)  Lokativische  Konjunktionen  (§  268—307) 510 

3)  Modale  Konjunktionen  (§  308) 529 

4)  Ablativische  Konjunktionen  (§  309) 530 

e)  Lateinische  Stilistik. 

Einleitung 532 

1.  £igentfim]ichkeit  im  Gebrauch  der  Redeteile. 

Substantiva  {§  1—2) 533 

Adjektiva  (§  3-14) 536 

Pronomina:  Refiexivum  und  Reciprocnm  (§15—17) 543 

Demonstrativa  und  Relativa  (§  18-'21) 545 

Indefinita  (§22— 27) 547 

Pronominale  Adjektiva  (§  28—29) 549 

Numeralia  (§  30—33) -        ...  550 

Verba  (§  34-39) 551 

Partikeln  (§  40-41)        • 553 

2.  Wortstellung  (§42— 46) 555 

3.  Satz-  und  Periodenbau  (§47-53)            560 

4.  Reinheit  und  Angemessenheit  der  Sprache  (§54—58)            .        .  565 

5.  Reichtum  und  Mannigfaltigkeit  der  Darstellung  (§  59-72)         .  572 

6.  Einfachheit  und  Kfirze  des  Ausdrucks  (§73—84)       ....  579 

Nachträge  und  Berichtigungen 582 


C.  Lexikographie  der  griechischen  und  lateinischen  Sprache. 

a)  Griechische   Lexikographie,    bearbeitet    von    Gymn.-Rektor    Dr.  6.    Autenrieth. 

1.  Geschichte    und    Litteratur    der    griechischen    Lexikographie 
(§1-22) 587 

2.  Aufgabe  der  heutigen  Lexikographie  der  griechischen  Sprache 
(§23-27) 605 

b)  Lateinische  Lexikographie,  bearbeitet  von  Prof.  Dr.  F.  Heerdegen. 

1.  Geschichte  und  Litteratur. 

Lexikographie  und  Glossographie  des  Altertums  und  des  Mittelalters  (§  1—4)  608 

Die  Humanistenzeit  (§  5  -  7)  611 

Der  Thesaurus  des  Rob.  Stephanus  und  die  Nachtreter  desselben  (§8  —  12)  612 

Das  Lexikon  des  Forcellini  und  die  daraus  abgeleiteten  (§  13—15)  *  616 

Anhang  (§16) 618 

2.  Theorie  der  Lexikographie. 

Die  leitenden  Gesichtspunkte  (§  17—24) 619 

Übersicht  Aber  die  lexikologiscben  Vorarbeiten  und  Versuche  zu  einem  wissen- 
schaftlichen Thesaurus  linguae  Latinae  seit  Fr.  Aug.  Wolf  und  Kritik 
derselben  (§  25—30) 625 

D.  Rhetorik,  bearbeitet  von  Gymn.-Dir.  Dr.  Volkmann. 

1.  Geschichte  und  Einteilung  der  Rhetorik. 

Zur  Geschichte  und  Quellenkunde  (§1) 689 

Einteilung  der  Rhetorik  (§2) 646 

2.  Die  Lehre  von  der  Auffindung  des  rednerischen  Stoffes. 

a)   Die  gerichtliche  Beredsamkeit 648 


Spezielles  Inhaltsverzeichnis  von  Band  IL 


XIII 


Intellectio  (^017^^).    Quaestio  causa  {^iaig  vno^eaig)  (§  3) 
Status  {tnäaig)  oder  constitatio  causae  (§  4)      . 
Asystata,  Genera  and  figorae  causamm  (§  5)    . 

Die  Teile  der  Gerichtsrede  (§6) 

b)    Die  beratende  und  epideiktische  Beredsamkeit  (§  7) 

3.  Die  Lehre  von  der  Ordnung  und  Disposition  des  Stoffes  (§8) 

4.  Die  Lehre  vom  rednerischen  Ausdruck. 

Die  Grunderfordemisse  der  rednerischen  Darstellung  (§9) 

Tropen  und  Figuren  (§10) 

Komposition  und  Rhythmus  der  Rede  (§11) 

Die  Stilarten  und  Ideen  oder  Grundformen  des  Ausdrucks  (§  12) 

5.  Die  Lehre  vom  Gedächtnis  und  dem  Vortrag  (§  13) 


Seite 
648 

650 
658 
655 
659 
660 

662 
663 
669 
671 
674 


E.  Metrik  der  Griechen  und  Römer  mit  einem  Anhang  über  die  Musik 

der  Griechen  bearbeitet  von  Prof.  H.  Oleditsch. 

a)  Einleitang  in  die  Metrik. 

1.  Begriff  und  Einteilung  (§  1)  679 

2.  Rhythmische  und  metrische  Theorie  der  Alten. 

Älteste  Techniker;  Aristoxenos.  —  Die  Alexandriner.  —  Varro,  Caesius, 
Heliodor,  Hephaestio.  —  Die  späteren  lateinischen  Metriker.  —  Die  spä- 
teren griechischen  Metriker.  —  Die  Rhythmiker  nach  Aristoxenos  (§  2)        680 

3.  Bearbeitungen  durch  die  Neueren. 

Bentley,  Person,  6.  Hermann,  Apel,  Voss,  A.  Boeckh.  —  A.  Rossbach  und 
R.  Westphal.  —  J.  H.  Schmidt.  —  C.  Lachmann  und  M.  Haupt  —  Fr. 
Ritsch] .  —  L.  Maller.  —  W.  Christ  und  neuere  Leistungen  (§  3).  — 
Litte  ratur 683 

b)  Bhythmisehe  Fandamentaltheorie  der  Metrik. 

1.  Rhythmus  und  Rhythmizomenon. 

I.  Die  rhythmische  Gliederung  (§4) 688 

IL  Die  Sprache  als  Rhythmizomenon  (§5) 689 

2.  Chronoi  und  Sprachsilben. 
I.  Die  rhythmischen  Chronoi. 

XQoyoi  ^fjTol  (§  6).  —  jif^dyo*  äXoyov  (§  7).  —  jifpoyot  xsyol  (§  8)     .         .        690 
II.  Die  Sprachsilben  als  Chronoi. 

Lange,  kurze,  mittelzeitige  Silben  (§  9).  —  Hiatus  und  Vokalverschmel- 

zung  (§10)  691 

3.  Die  Füsse. 

I.  Die  rationalen  Füsse  (§11) 692 

II.  Die  irrationalen  Füsse  (§12) 694 

4.  Die  Kola. 

I.  Umfang  und  Gliederung  der  Kola  (§13) 695 

IL  KwXtt  xtt&aga  und  fÄixui  (§14) 697 

III.  Katalektische  Kola  (§15) 697 

5.  Die  Perioden. 

I.  Die  rhythmische  Periode. 

Begriff  (§  16).  —  Umfang  und  Gliederung  (§  17).  —  Fügung  (Synaphie) 

(§  18).  —  Apothesis  (§19)  699 

II.  Die  metrische  Periode. 

Metron.  Stiches.  Hypermetron  (§  20).  —  Einfache,  zusammengesetzte, 
gemischte  Metra  (§  21).  —  Monopodische  und  dipodische  Messung 
der  Metra  (§  22).  —  Katalektische  Metra  (§  23).  -  Cäsur  und  Diai- 
resis  der  Metra  (§24) 701 

6.  Systeme  und  Strophen  (§  25)  703 

7.  Poetische  Kompositionsform. 

Allgemeines  (§  26).  -—  Antistrophische  Komposition  (§  27).  --  Freie  Kompo- 
sition (§  28).  —  Stichische  Komposition  (§  29).  —  Litteratur     .  705 


XIV  Spezielles  InhaltsverzeichniB  von  Band  II. 

Seite 

c)  Metrik  der  Griechen. 

1.  Die  Entwickelung  der  metrischen  Kunst  bei  den  Griechen. 
Übersicht.  —  Yorhomerische  Dichtung.  —  Hexameter.  —  Elegeion.  —  Archi- 

lochos.  —  Terpander,  Alkman,  Thaletas,  Tyrtaios.  Stesichoros  und 
Ibykos.  —  A]kaios  und  Sappho.  Anakreon.  —  Hipponax,  Ananios.  — 
Simonides,  Pindar,  Bakchylides.  --Tragödie  und  Komödie.  — Die  jüngeren 
Dithyrambiker.  —  Die  Alexandriner.  -  Die  Dichtung  der  römischen  und 
byzantinischen  Zeit  (§  30)    —  Litteratur 707 

2.  Die  Metra  der  Griechen. 

I.  Die  einfachen  Metra. 
Die  daktylischen  Metra. 

Der  daktylische  Rhythmus  und  sein  Charakter  (§  31).  —  Die  Kola  (§  32)        713 
Die  Versbildnngen : 

Hexameter  (§  33-35).  -   Andere  Verse.  —  Äolische  Daktylen  (§  30)        714 
Systeme  und  Sti'ophen: 

£podische  Systeme  (§  37).  —  Elegeion  (§  38)    —  Systeme  aus  Hexa- 
metern (§  39).  —  Strophen   der  Lyrik  und  des  Dramas  (§  40).  — 

Litteratur  717 

Die  anapaestischen  Metra. 

Der  anapaestischo  Rhythmus  und  sein  Charakter  (§  41).  -  -  Die  Kola 

(§42) 720 

Die  Metra: 

Dipodische  Messung  (§  43).  -  Dimeter  (§  44).  -  Tetrameter  (§  45)        721 
Systeme.  Hypermetra  und  Strophen: 

•Strenge  Systeme   (§  46).  —  Freie  Systeme  und  Strophen  (§  47).  — 

Litteratur 723 

Die  trochäischen  Metra. 

Der  trochäische  Rhythmus  und  sein  Charakter  (§48)  .        .        .        725 

Die  Kola  (§49) 725 

Die  Metra: 

Dipodische  Messung  (§  50).  —  Tetrameter  (§  51).  —  Skazon  (§  52)    .        726 

Hypermetra  und  Strophen  der  Komödie  (§53) 728 

Strophen  der  Tragödie  (§54).  —  Litteratur 729 

Die  iambischen  Metra: 

Der  iambische  Rhythmus  und  sein  Charakter  (§  55)  ...        730 

Die  Kola  (§56) 730 

Die  Metra: 

Dipodische  Messung  (§  57).  —  Dimeter  (§  58).  -  Trimeter  (§  59).  — 

Skazon.     Katalektischer  Trimeter  (§  60).  —  Tetrameter  (§  61)       .        734 
Hypermetra  (§  62).  —  Strophen   der  Lyrik  und  Komödie  (§  63).  —  Iam- 
bische und  iambo-trochäische  Strophen  der  Tragödie  (§64)  --  Lit- 
teratur   738 

Die  ionischen  und  choriambischen  Metra. 

Der  Rhythmus   und  sein   Charakter  (§  65).  ■—  Fussformen  und  Kola 

(§  m).  —  Anaklasis  (§67) 738 

lonici  a  maiore.     Sotadeiou  (§68) 740 

lonici  a  minore: 

Verse  (§  69).  -  Systeme  (§  70).  —  Strophen  (§  71.  72).    -  Litteratur        741 
Die  paeonischen  (kretischen)  Metra. 

Der  Rhythmus  und  sein  Charakter  (§  73).  —  Die  Kola  (§  74).  —  Die 
Verse  und  Hypermetra  (§  75).  ~  Trochäisch-kretische  Verse  (§  76). 

—  Paeonische  Strophen  (§  77).  —   Litteratur      .        .        .        .        743 
II.  Die  zusammengesetzten  Metra. 

Begriff  und  Einteilung  (§78) 746 

Daktylo-Trochäen. 

Bei  Archilochos  und  in  der  Komödie  (§  79).  -     Im  Hyporchem  (§  80). 

—  In  der  Tragödie  (§81) 746 


Spezielles  Inhaltsverzeicluiis  von  Band  II.  XV 

Seite 

Daktylo-Epitriten. 

Die  Gliedformen  (§  82).  —   Die  Versformen  (§  83).  —   Die  Strophen 

(§84).  —  Rhythmische  Messung  (§85).  —  Litteratnr        .        .        749 

III.  Die  gemischten  Metra  (Logaoeden). 

Begriff  (§  86).    -    Umfang  der  Kola  (§  87).   —    Katalexis  der  Kola 

(§  88).  —  Irrationalität.  —  „Basis*  (§89) 752 

Gliedformen : 

Tripodie  (§  90).  —  Tetrapodie  (§  91).   -  Pentapodie  (§  92).  ~  Hexa- 

podie  (§93) 755 

Metra: 

Phalaekischer  Hendekasyllabns  (§  94).  —  Die  Asklepiadeen.  Alkaikon. 
Anakreonteion  (§  95).  —  Priapeion.  Kratineion.  Eupolideion  u.  s.  w. 

(§96) 757 

Hypermetra  (§  97).  —  Strophen:  der  monodischen  Lyrik  (§  98),  der 
Komödie  (§  99),  der  Tragödie  (§  100),  der  chorischen  Lyrik  (§  101). 
—  Litteratnr 759 

IV.  Die  Dochmien. 

Der  Dochmios  und  seine  Formen  (§  102).  —  Charakter  und  Gebrauch 
(§  103).  —  Verse  und  Systeme  (§  104).  —   Dochmische  Strophen 

(§  105).  —  Litteratnr  705 

3.  Metrischer  Bau  und  Vortrag  der  griechischen   Dichtungen. 

Gesang,  Begleitung,  Deklamation,  Rezitativ,  Parakataloge  (§  106)  .        .        770 

1.  Die  vorhomerische  Dichtung  (§  107) 772 

2.  Die  epische  Dichtung  (§  108) 772 

3.  Die  Elegie  (§109) 772 

4.  Die  iambische  Dichtung  (§  110) 778 

5.  Die  lyrische  Dichtung. 

A.  Die  monodische  Lyrik. 

a)  Der  Nomos  (§  113).   -     b)  Das  äolische  Lied  (§  114).  —   c)  Das 

ionische  Lied  (§115) 774 

B.  Die  Chorlyrik. 

Allgemeines  (§  117).  -  Hymnen  (§  118).  —  Paeane  (§  119).  —  Pro- 
sodien  (§  120).  —  Embaterien  (§  121).  —  H>Tnenäen  (§  122).  — 
Tanzlieder  (§  123).  —  Dithyramben  (§  124.)  —  Enkomien  und  Epi- 
nikien  (§  125).  -  Skolien  (§  126).  -  Threnoi  (§  127).  -  Litteratnr        778 

6.  Das  Drama. 

Allgemeines  (§  128) 785 

A,  Di€  Tragödie. 

Bestandteüe  und  Aufbau  (§129) 786 

L  Chorika  (§  130—135).  —  Parodoi  (§  131).  -   Epiparodoi  (§  132).  - 

Stasima  (§  133).   -  Exodoi  (§  134).  -  Epeisodische  Chorika  (§  135)  787 

IL  Die  Kommoi  und  Threnoi  (§  136) 796 

III.  Die  Bühnengesänge  (§137 801 

IV.  Die  dialogischen  Teile  (§  138-142).  --  Prolog  (§  139).  —  Epeisodia 

(§  140).  -   Exodos  (§  141).  --  Symmetrie  der  Dialogpartien  (§  142)        802 

B.  Die  Komödie. 

Bestandteile  und  Anordnung  der  attischen  Komödie  (§  143).  -  Parodos 
(§  144).  -  Agon  (§  145).  —  Parabase  (§  146).  -  Stasima  (§  147). 
—  Dialogpartien  (§  148—150) 806 

Mittlere  und  neuere  Komödie  (§  151).  —  Litteratnr         .  .        813 

d)  Metrik  der  Römer. 

1.  Entwickelung  der  metrischen  Kunst  bei  den  Römern. 

1.  Älteate  Dichtungen.  —  2.  Satumisches  Metium.  --  3.  Die  älteren  Sceniker 
und  Satiriker.  —  4.  Ennius,  Lucilius,  Lucretius.  —  5.  Laevius  und  M. 
Varro.  —  6,  Catull  und  die  Nachahmung  der  Alexandriner.  —  7.  Die 
augusteische  Zeit.  —  8.  Die  nachaugusteischen  Dichter.  —  9.  Die  spätere 
Kaiserzeit.  —  10.  Rhythmische  Dichtung  (§  152).  —  Litteratnr    .        .        816 


XVI  Spezielles  InhaltsverEeichniB  von  Band  TL. 

2.  Die  Metra  der  Römer. 

L  Die  nationale  Form  der  italischen  Dichtung. 

Der  numerus  italicus  (§  153).  —  Der  saturnische  Vers  (§  154)  —  Litteratur         S 
II.  Die  freiere  Nachahmung  der  griechischen  Metra. 

Allgemeines  (§155.)  —  Silbenmessung  und  Wortaccent  (§156).  —  Un- 
reine Senkungen.    Auflösungen  (§  157).  —  Auswahl  der  Metra  (§  158). 

—  Cantica  und  Diverbia  (§  159) 8 

Die  stichisch  gebrauchten  Metra  des  Dialogs. 

Der  iambische  Senar  (§  160).  —  Der  trochftische  Septenar  (§  161).  — 

Der  iambische  Septenar  (§  162).  —  Der  iambische  Oktonar  (§  163).         8 
Die  lyrischen  Versformen  und  Systeme. 

Trochäische  Verse  (§  164).  --  Iambische  Verse  (§165).  —  Anapaeste 
(§  166).  -  Bakchien  (§  167).  -  Kretiker  (§  168).  —  Choriamben. 
Daktylen.    Logaoeden  (§  169).  —  Zusammengesetzte  Verse  (§  170)         8 
Die  Cantica  und  ihr  Bau  (§  171).  --  Litteratur      .        .        .        .         8< 
III.  Die  strengere  Nachbildung  der  griechischen  Metra. 

Vorbemerkungen  (§  172) 8^ 

Die  stichischen  Versmasse. 

Der  Hexameter  (§  173).  —  Der  iambische  Senar  (§  174).  —  Der  iam- 
bische Septenar  (§  175).  —  Der  trochfiische  Septenar  (§  176).  — 
Der  anapaestiache  Septenar  (§  177).  -  Der  Choliamb  (§  178).  — 
Der  iambische  Dimeter,  Hemiamb,  anakreontische  Vers  (§  179).  — 
Der  Sotadeus  (§  180).  —  Der  Oalliamb  (§  181).  -  Der  phalftcische 
Hendekasyllabus  (§  182).  —  Der  Priapeus  (§  183).  —  Die  Askle- 

piadeen  (§184) 8S 

Die  Systeme  und  Strophen. 
Distichische  Systeme: 

Elegisches  Distichon  (§  185).  —  Distichische  Systeme  des  Horaz 

(§186) 84 

Hypermetrische  Bildungen: 

ionische  (§  187),  glykoneische  (§188) 84 

Vierzeilige  Strophen  (§  189—191) 84 

Die  Cantica  der  späteren  Tragödie  (§192).  —  Litteratur    .  84 

Anhang. 

e)  Die  Musik  der  Griechen. 

Einleitung. 

Begriff  der*  fiovüixij  (§  193) 85 

QueUen  (§194) 85 

Musikreste  (§195)           85 

Neuere  Bearbeitungen  (§  196) 85 

Die  Zweige  der  griechischen  Musik  (§  197) 85. 

Geschichtliches. 

1.  Archaische  Zeit.    2.  Altklassische  Zeit.    3.  Klassische  Zeit.    4.  Nachklas- 
sische Zeit  (§  198) 85i 

Theoretisches. 

Die  Töne  und  Intervalle  (§199) Sb{ 

Die  Tonsysteme  (§  200)            86( 

Die  Harmonien  oder  Oktavengattnngen  (§  201) 8(3^ 

Die  Tonoi  oder  Transpositionsskalen  (§  202)            804 

Die  Tongeschlechter  (§  203) SÖC 

Die  Notenschrift  (§204) Sm 

Die  musikalischen  Instrumente  (§  205).  —  Litteratur    .        .        .        .  8G8 
Tab.:  Die  griechischen  Notensysteme. 


Erklärungsbedürftige  Abkürzungen 

zu  Prof.  Dr.  Brugmann's  Griech.  und  Prof.  Dr.  Stolz'  Latein.  Grammatik. 


Abbbks  D.  Gr.  1.  d.  =  De  Graecae  lingoae  dialeciis  scr.  H.  LAhrens,  Gottingae,  1.  Bd. 
1839,  2.  Bd.  1843. 

Akxh  Grundz.  =?  Die  GruDdzQge  der  Lehre  von  Tempos  and  Modus  im  Griechischen  von 
A.  F.  Aken,  Rostock  1861. 

Arch.  f.  lat.  Lex.  =  Archiv  für  lat  Lexikographie,  heraosg.  von  E.  Wölfflin. 

AscoLi  Krit.  Stod.  =  Kritische  Studien  zur  Sprachwissenschaft  von  G.  L  As  coli.  Auto- 
risierte Übersetzung  von  Reinhold  Merzdorf,  Weinuir  1878. 

Babtholoxab  Ar.  Forsch.  =  Arische  Forschungen  von  Chr.  Bartholomae,  drei  Hefte, 
HaUe  1882-1887. 

Bauhack  Stud.  =  Stadien  auf  dem  Gebiete  des  Griechischen  und  der  arischen  Sprachen, 
von  Job.  und  The  od.  Baunack,  L  Band,  Leipzig  1886. 

Baukack  Gortyn.  =  Die  Inschrift  von  Gortyn,  bearbeitet  von  Job.  und  Theod.  Bau- 
nack,  Leipzig  1885. 

Bkrsu  Die  Gutturalen  =  Die  Gutturalen  und  ihre  Verbindung  mit  v  im  Lateinischen  von 
Dr.  Ph.  Bersu.    Gekrönte  Preisschrift     Berlin  1885. 

Bezz.  B.  =  Beitrage  zur  Kunde  der  indogermanischen  Sprachen,  herausg.  von  Ad.  Bezzen- 
berger,  Göttingen  1877  ff.  15  Bde. 

Blass  Ausspr.'  oder  A'  =  Über  die  Aussprache  des  Griechischen  von  F.  Blasn,  3.  Aufl. 
Berlin  1888. 

Brambach  Neug.  =  Die  Neugestaltung  der  lateinischen  Orthographie  in  ihrem  Verhältnis 
zur  Schule  von  W.  Brambach,  Leipzig  1868. 

Bruomakk  Grundriss  oder  Grdr.  1,  2  =  Grundriss  der  vergleichenden  Grammatik  der  indo- 
germanischen Sprachen  von  K.  Brugmann,  I.  Band,  Strassburg  1886;  II.  Band, 
1.  Hälfte  ib.  1889. 

BücBELBB-WiiiDBKiLDE  =  Grundriss  der  lat.  Declination  von  F.  Bücheier.  Mit  des  Verf. 
Erl.  unt.  Ben  d.  franz.  Übers,  von  M.  L.  Havet  aufs  neue  herausg.  von  J.  Winde- 
kilde,  Bonn  1879. 

BOcHBLBB  Lex.  It.  =  Lexicon  Italicum  von  Fr.  Bachelor,  Bonner  Universitätsschrift  1881. 

Bull.  =  Balletino  dell*  institato  di  corrispondenza  arche  )logica. 

Caueb  D.^  =  Delectus  inscriptionum  Graecarum  propter  dialectum  memorabiliura  comp.  P. 
Gau  er,  ed.  H.  Lipsiae  1883. 

CIL.  ==  Corpus  inscriptionum  Latinarum.  Bd.  I  ff . 

CoLUTZ  Gr.  D.  =  Sammlung  der  griechischen  Dialektinschriften  von  J.  Baunack  etc., 
herausgegeben  von  H.  Collitz  und  F.  Bechtel,  Göttingen  1883-1889  (unvol- 
lendet). 

CoBssBN  I  II  =  Über  Aussprache,  Vocalismus  und  Betonung  der  lateinischen  Sprache  von 
W.  Corssen,  2.  Aufl.,  Leipzig  1868— 1870. 

CoBssBK  Beitr.  =  Kritische  Beiträge  zur  lat.  Formenlehre  von  W.  Corssen,  Leipzig  1863. 


XVin  Erklamngsbedürftige  AbkürEungen. 

CoRSSEN  Nachtr.  =  Kritische  Nachträge  zur  lat.  Formenlehre  v.  W.  Gorsse n,  Leipzig  1866. 
CoRSSBV  It.  Spr.  =  Beiträge  zur  italischen  Sprachkunde  von  W.  Co  rasen,  Leipzig  1876. 
CüBTius  6.^  =  Grundzüge  der  griechischen  Etymologie    von  G.   Curtius,   5.  Auflage, 

Leipzig  1879. 
CuBTius  Vb.'  =  Das  Verbum  der  griechischen  Sprache  seinem  Baue  nach  dargestellt  von 

G.  Curtius,  2.  Aufl.,  Leipzig,  1.  Bd.  1877,  2.  Bd.  1880. 
C.  St.  =  Studien  zur  griechischen  und  lateinischen  Grammatik,  herausg.  von  G.  Curtius 

(und  K.  Brugmann),  Leipzig  1868--1878.     10  Bde. 
Delbrück  S.  F.  =  Syntaktische  Forschungen  von  B.  Delbrück,  Halle  1871^1888.  5  Bde. 
Eph.  ep.  =  Ephemeris  epigraphica  corporis  inscr.  Lat.  supplementum,  Bd.  I  f. 
FioK  I  II  III  =  Vergleichendes  Wörterbuch  der  indogermanischen  Sprachen  von  A.  Fick, 

3.  Aufl.,  Göttingen  1874- 1Ö76. 
FicK  Spracheinheit  =  Die  ehemalige  Spracheinheit  der  Indogermanen  Europas  v.  A.  Fick, 

Göttingen  1873. 
Gott.  g.  A.  =  Göttinger  gelehrte  Anzeigen. 

Hartel  H.  St.  1.«  =  Homerische  Studien  von  W.  Hartel,  2.  Aufl.,  Berlin  1873. 
Hehk  Kulturpflanzen  =  Kulturpflanzen  und  Hausthiere  in  ihrem  Übergang  aus  Asien  nach 

Griechenland  und  Italien  von  Y.  Hehn,  3.  Aufl.,  Berlin  1877. 
Hemby  Pr^cis   r=   Pröcis  de  grammaire  compar^e  du   grec  et  du  latin    par  Y.  Henry, 

Paris  1888. 
Hübner  Grundr.  =  Grundriss  zu  Yorlesungen  über  die  lat.  Grammatik  von  E.  Hübner, 

2.  Aufl.,  Beriin  1881. 
Johansson  De  der.  verb.  contr.  =  De  derivatis  verbis  contractis  linguae  Graecae    quae- 

o 

stiones  scripsit  K.  F.  Johansson,  Upsala  Universitets  Arsskrift  1886. 
Jobdan  Krit.  Beitr.  =  Kritische  Beiträge  zur  Geschichte  der  lat.  Sprache  von  H.  Jordan, 

Berlin  1879. 
IRN.  =  Inscriptiones  regni  Neapolitani  ed.  Th.  Mommsen,  Lipsiae  1852. 
Kluge  Z.  G.  d.  g.  C.  =  Beiträge  zur  Geschichte   der  germanischen  Conjugation  von  F. 

Kluge,  Strassburg  1879. 
K.  Z.  =  Zeitschrift  für  vergleichende  Sprachforschung   auf  dem  Gebiete  der  indogermani- 
schen Sprachen,   herausg.   (begründet)  von  A.  Kuhn»  Berlin   1852  ff.    30  Bde. 
KüHNEB  Ausf.  Gr.  =  Ausführliche  Grammatik  der  griechischen  Sprache  von  R.  Kühner, 

2.  Aufl.,  Hannover,  1.  Bd.  1869,  2.  Bd.  1870. 
Leskien  Decl.  =  Die  Declination  im  Slavisch-Iitauischen  und  Germanischen  v.  A.  Les- 

kien,  Leipzig  1876. 
Löwe  Prodr.  =  Prodromus  corporis  glossariorum  Latinorum  ed.  G.  Löwe,  Lipsiae  1876. 
Mahlow  D.  1.  Y.  =  Die  langen  Yokale  A  E  0  in   den  europäischen  Sprachen  v.  G.   H. 

Mahlow,  Berlin  1879. 
Meisteb  Gr.  D.  =  Die  griechischen  Dialekte  auf  Grundlage  von  Ahrens'  Werk  ,De  Graecae 

linguae  dialectis'  dargestellt  von  R.  Meister,  2  Bde.,  Göttingen  1882.  1889. 
Meistebuans  Gr.'  =  Grammatik  der  attischen  Inschriften  von  K.  Meist  erb  ans,  2.  Aufl. 

Beriin  1888. 
M^m.  d.  1.  S.  d.  1.  =  Memoire s  de  la  Soci^t4  de  linguistique,  Paris  1868  ff.    6  Bde. 
G.  Mbteb  Gr.  Gr.*  =  Griechische  Grammatik  von  Gustav  Meyer,  2.  Auflage,  Leipzig  1886. 
L.  Mbyeb  Yergl.  Gramm.  =  Yergleichende  Grammatik  der  griech.  und  lat.  Sprache  von 

Leo  Meyer,  l  IL,  Berlin  1861—1865.    I.  Bd.  2.  Aufl.,  Berlin  1882—1884. 
Mucke  De  cons.  gem.  =  De  consonarum  in  Graeca  lingua  praeter  Asiaticorum  dialectum 

Aeolicam  geminatione  part.  I,  scr.  E.  Mucke,  Budissae  1888. 
M.  ü.  =  Morphologische  Untersuchungen  auf  dem  Gebiete  der  indogermanischen  Sprachen 

V.  H.  Osthoff  und  K.  Brugmann,  Leipzig  1878—81,  4  Teile. 
Neue  I  II  =  Formenlehre  der  lat.  Sprache  von  F.  Neue,  2.  Aufl.,  Berlin  1875—1877. 
N.  .T.  =  Neue  Jahrbücher  für  Philologie  und  Pädagogik,  herausg.  v.  A.  Fl  eck  eisen. 
OsTUOFF  Forsch.  I  II  =  Forschungen  im  Gebiete  der  indogermanischen  nominalen  Stamm- 

bildung  von  Dr.  H.  Osthoff,  Jena  1875.  1876. 
OsTHOPP  V.  i.  d.  Nc.  =;  Das  Yerbum  in  der  Nominal composition  im   Deutschen,  Griechi- 
schen, Slavischen  und  Romanischen  von  H.  Osthoff,  Jena  1878. 


Erklarnngsbedürftige  Abküramgen.  XIX 

Osthoff  Z.  6.  d.  P.  =  Zur  Geschichte  des  Perfekts  im  Indogermanischen  mit  besonderer 

Rficksicht  auf  Griechisch  und  Lateinisch  von  H.  Ost  hoff,  Strassbarg  1884. 
P.-B.  Br.  =  Beiträge  zur  Geschichte  der  deutschen  Sprache  und  Litterator,  heraosg.  von 

H.  Paul  und  W.  Braune,  Halle  1873  ff.    14  Bde. 
Pezzi  =  Grammatica  storico-comparativa  della  lingua  latina  da  Domenico  Pezzi,  To- 

rino  1872. 
Pbzzi  La  1.  gr.  ant.  =  La  lingua  greca  antica,  breve  trattazione  comparativa  e  storica  di 

Domenico  Pezzi,  Torino  1888. 
Philol.  =  Philologus  Zeitschr.  f.  klass.  Altertum,  1  ff. 

Phil.  Woch.  [Berl.  Phil   Woch.]  =  Philologische  Wochenschrift,  Jg.  1-3  [4]. 
Pr.  Lat.  m.  e.  =  Priscae  Latinitatis  monumenta  epigraphica  ed.  F.  Ritschl,  Berolini  1862. 
Rh.  M.  =  Rheinisches  Museum  für  Philologie.    Neue  Folge  1  ff. 
Ribbeck  I  n  =  Scaenicae  Romänorum  poesis  fragmenta  coli.  0.  Ribbeck,  ed.  n  Lipsiae 

1871—73. 
RiTBCHL  Op.  2,  3,  4  =   Frid.  Ritschelii    opuscula   philologica,   Vol.  11— IV,  Lipsiae 

1868—78. 
RöHL  I.  G.  A.  =  Inscriptiones   Graecae  antiquissimae  praeter  Atticas  in  Attica  repertas, 

ed.  H.  Roehl,  Berolini  1882. 
DB  Saussübb  Möm.  =  Memoire  sur  le  Systeme  priroitif  des  voyelles  dans  les  langues  indo- 

europ^ennes  p.  F.  de  Saussure,  Leipsick  1879. 
ScHEBEB  Z.  G.  d.   d.  Spr.   =  Zur  Geschichte   der  deutschen  Sprache  v.   W.   Sc  her  er. 

2.  Aufl.  1878. 
ScHLEicHBB  Gomp.  =  Compeudium  der  vergl.  Gramm,  der  indogermanischen  Sprachen  von 

A.  Schleicher,  4.  Aufl.,  Weimar  1876. 
J.    Schmidt  Voc.    (Vok.)   =    Zur  Geschichte    des    indogermanischen  Vocalismus  von   J. 

Schmidt,  Weimar,  1.  Bd.  1871.  2.  Bd.  1875. 
J.  Schmidt    Verw.    =   Die    Verwandtschaftsverhältnisse   der  indogerm.  Sprachen  von  J. 

Schmidt,  Weimar  1872. 
Schmitz  Beitr.  =  Beiträge  zur  latein.  Sprach-  und  Literaturkunde  von  Dr.  W.  Schmitz, 

Leipzig  1877. 
ScHNEiDEB  =  Dialectorum  Italicarum  aevi  vetustions  exempla  selecta  ed.  £.  Schneider, 

Vol.  I,  Lipsiae  1886. 

ScHBADRB  Sprachvergl.  =  Sprachvergleichung  und    Urgeschichte   von    Dr.  0.  Schrader, 

Jena  1883. 
ScHUCHABDT  Vok.  =  Der  Vokalismus  des  Vulgärlateins  von  H.   Schuchardt,  3  Bände, 

Leipzig  1866-68. 
ScHWETZEB-SiDLEB  Gramm. ^   =    Grammatik    der  lateinischen  Sprache,    bearbeitet  von  H. 

Schweizer-Sidler  und  A.  Surber,  I.  Teil,  Halle  a.  S.  1888. 
Seelmann  =  Die  Aussprache   des  Latein  nach  physiologisch-historischen  Grundsätzen   von 

E.  Seelmann,  Heilbronn  1885. 
SnTL  Die  lok.  Versch.  =  Die  lokalen  Verschiedenheiten  der  lat.  Sprache  von  Dr.  K.  Sittl, 

Erl.  1882. 
Spitzeb  L.  d.  a.  D.  =  Lautlehre  des  arkadischen  Dialektes  von  J.  Spitzer,  Kiel  1883. 
Sprach w.  Abh.  =  Sprachwissenschaftliche  Abhandlungen,  hervorgegangen  aus  G.  Curtius' 

Grammatischer  Gesellschaft,  Leipzig  1874. 
Stadelmakv  De  quant.  voc.  =  De  quantitatc  vocalium  Lat.  voces  terminantium  scripsit  J. 

Stadelmann,  Lucemae  1884. 
Stolz  Verbalflexion  =  Zur  lat.  Verbalflexion  I.    Studien  von  Fr.  Stolz,  Innsbruck  1882. 
Thumb  Spir.   asp.  =   Untersuchungen  über  den   Spiritus   asper  im    Griechischen  von  A. 

Thumb,  Strassburg  1889. 
ToBP  Geschlechtlos.  Pron.  =:  Beiträge  zur  Lehre   von  den   geschlechtlosen  Pronomen  in 

den  indogermanischen  Sprachen   von  A.   Torp  (Christiania  Videnskabs-Selskabs 

Forhandünger  1888,  Nr.  11),  Christiania  1888. 
Weise  =  Die  griechischen  Wörter  im  Latein  von  Dr.  Fr.  0.  Weise,  Leipzig  1882  (Preis- 
schriften d.  fürstl.  Jablonowskischen  Ges.  23). 
Wbstphal  Verbalflexion  =  Die  Verbalflexion  der  lateinischen  Sprache  von  R.  Westphal, 

Jena  1873. 


XX  Berichtigiingen  zur  grieohisohen  Grammatik. 

Wbreler  Nominalacc.  ==  Der  griechische  Nominalaccent,  von  Benj.  I.  Wheeler,  Strass- 

burg  1885. 
WoRDSWOBTH  =  Fragments  and  specimens  of  Early  Latin  by  J.  Wordsworth,   Oxford 

1874. 
Z.  f.  rom.  Phil.  =  Zeitschrift  fttr  romanische  Philologie  herausg.  von  Dr.  £.  Gröber,  1  f. 
ZvET.  Inscr.  It.  med.  =  Inscriptiones  Italiae  mediae  dialecticae  ed.  J.  Zvetajeff,  Lipsiae 

1884. 


Berichtiglingren  zur  grriechlsehen  und  lateinischen  Grammatik. 

S.  43,  1  in  der  letzten  Zeile  lies  otootog  für  r^oro;. 
S.  61,  5,  Zeile  7  lies  nnaato  für  ntiatno. 
S.  91,  §  70  Zeile  7  lies  ij  für  ^. 

S.  187,  Zeile  10  f.  streiche  die  Worte  »oder  =  lit idg.  diiiiU.* 

S.  872  Z.  18  V.  n.  lies  poüex  für  poUux. 


A. 


Griechische  Grammatik 

(Lautlehre,  Flexioiislehre  und  Syntax) 


von 


Dr.  Karl  Brugmann, 

orfl.  PrcifcffHor  der  indogonnaniHohcu  HprachwimcDBchaft  in  Leipzig. 


Uandbnch  der  klani.  AltertumtwiBseMcluit.  IL    2.  Aiifl. 


Inhalt. 

a)  Einleitnng  in  die  griechische  Grammatik. 

b)  Griechische  Lautlehre. 

1.  Allssprache  der  Bnchstabon. 

2.  Vokale,  Nasale.  Liqnldao. 

3.  VerBchlusslaute. 

4.  Spiranten. 

a.  Sonstiger  kombinatorischer  lAntwanilol. 
6.  Betonung. 

c)  Griechische  Flexionslehre. 

1.  Vorbemerkungen. 

2.  Nominal-  und  Pronomiualflexion. 

3.  Anhang:  Komparatlonsforroen,  Zahlwörter.  Noroinalkonipositioii 

4.  Verbalflexinn. 

d)  Griechische  Syntax. 

1.  l>afl  Verbnm. 

2.  Das  Nomen. 

8.  Das  Pronomen. 

4.  Die  Präpositionen. 

5.  Die  Partikeln. 

6.  Satzverbindung. 


Vorbemerkungen  zur  zweiten  Auflage. 


Die  grössere  Bogenzahl,  die  mir  für  diese  zweite  Auflage  de«  Abrisses  der  griechischen 
(irainmatik  zur  VerfQgung  gestellt  wurde,  habe  ich  einesteils  dazu  verwendet,  einige  Kapitel, 
die  sich  in  der  ersten  Auflage  im  Rahmen  knappster  Andeutungen  halten  mussten,  etwas 
näher  auszuführen,  namentlich  dasjenige  der  nominalen  IStammbildung,  anderseits  dazu, 
solche,  die  in  das  wissenschaftliche  Studium  der  altgriechischen  Sprachgeschichte  erst 
eingeführt  sein  wollen,  durch  verständniserleichternde  Erläuterungen  mehr  zu  unterstützen, 
als  es  in  der  ersten  Auflage  geschehen  konnte.  Ich  komme  damit  Wünschen  entgegen, 
die  in  kritischen  Besprechungen  meiner  Arbeit  geäussert  wurden. 

£ine  andere  Methode  für  die  Darstellung  der  Syntax  zu  wählen,  konnte  ich  mich 
nicht  entschliessen,  wenngleich  zwei  angesehene  Kritiker  eine  solche  angewendet  sehen 
möchten.  Warum  in  diesem  Teile  der  Grammatik  ein  näheres  Eingehen  in  die  Mannig- 
faltigkeit der  Erscheinungen  von  Homer  bis  in  die  byzantinische  Zeit  hinein,  mit  Berück- 
sichtigung nicht  bloss  der  zeitlichen,  sondern  auch  der  mundartlichen  Verschiedenheiten, 
ausgeschlossen  war,  hat  bereits  der  Herausgeber  dieses  Handbuches  in  der  Vorrede  zur 
ersten  Auflage  des  zweiten  Bandes  ausgesprochen.  Und  ich  möchte  überdies  folgendes  zu 
erwägeu  geben.  Auch  bei  gewissenhaftester  Benutzung  der  bis  jetzt  erschienenen  Litteratur 
zur  griechischen  Syntax  würden  sich  für  einen,  der  diese  letztere  vollständig  vorführen 
wollte,  80  viele  und  so  grosse  Lücken  in  der  bisherigen  Forschung  ergeben,  die  er  auf 
Grund  eigener  Spezialuntersuchungen  auszufüllen  hätte,  dass  das,  was  er  de  suo  hinzuthun 
niQsste,  gewiss  mehr  wäre  als  was  er  Andern  entlehnen  kann.  Wer  nun  dieses  zu  leisten 
sich  einigermassen  im  stände  fühlt  und  demnach  es  übernehmen  wollte,  eine  Geschichte 
der  syntaktischen  Ausdrucksmittel  des  Griechischen  zu  schreiben,  die  sich  in  Anlage  und 
Ausführung  der  in  diesem  Handbuch  erschienenen  lateinischen  Syntax  zur  Seite  stellte, 
dem  trete  ich  für  etwaige  weitere  Auflagen  im  Interesse  der  Sache  das  in  Rede  stehende 
Kapitel  mit  Vergnügen  ab.  Mir  blieb,  im  Hinblick  auf  meine  Leistungsfähigkeit  und  auf 
den  zu  Gebote  stehenden  Raum,  nur  die  Wahl  zwischen  einer  sehr  lückenhaften  und  überall 
äusserst  knappen  Darstellung  des  Entwicklungsganges  seit  Homer  und  einer  Darstellung,  die, 
mit  AbsehuDg  von  dem  vielgliedrigen  und  mannigfaltigen  Detail,  den  Anfänger  befähigt, 
den  Gesamthabitus  der  griechischen  Syntax  wissenschaftlich  verstehen  zu  lernen.  In  jenem 
Falle  hätte  ich  natürlich  auf  die  Klassiker  der  Poesie  und  der  Prosa  hauptsächlich  Rück- 
sicht nehmen  müssen,  und  so  war  es  nicht  möglich,  erheblich  mehr  zu  geben,  als  was  jede 
gute  Schulgrammatik  bietet.    Daher  entschied  ich  mich  für  das  andere. 

Das  Interesse  derer,  die  sich  in  unserer  Zeit  mit  der  wissenschaftlichen  Grammatik 
der  klassischen  Sprachen  beschäftigen,  ist  zum  Teil  ein  sehr  verschiedenartiges,  und  ich 
mnsste  bei  meiner  Darstellung  der  Geschichte  des  Griechischen  von  vornherein  darauf  ver- 
zichten, den  Ansprüchen  Aller  gerecht  zu  werden.  Manchen  ist  die  Grammatik  kaum  mehr 
als  eine  Dienerin  der  T.ittereraturforschung,  in  specie  der  Textkritik.  Andere  interessiert 
die  Sprache  in  erster  Linie  durch  sich  selbst  als  eine  der  verschiedenen  Bethätigungen  dos 
Volksgeistes,  und  ihnen  liegt  die  Erforschung  ihrer  Gestaltung  im  Geist  und  Munde  des 
gemeinen  Mannes  ebenso  sehr  oder  sogar  noch  mehr  am  Herzen  als  die  Erforschung  der 
fechriflßtellerisch  gepflegten  Sprache.  Ich  gebe  nun  gerne  zu,  dass,  indem  ich  in  meiner  Ar- 
beit vor  allem  die  ^Naturseite"  der  Sprache  im  Auge  hatte,  ihre  ^Kulturseite'^  in  der  Darstel- 
lung nicht  zu  ihrem  Rechte  gekommen  ist.  Aber  nicht  kann  ich  linden,  dass  die  ganze 
Weise  der  Behandlung  der  griechischen  Sprache,  weil  meine  Grammatik  dem  „Philo- 
logen*,   nicht    dem    ^Linguisten*'    dienen  soll,   eine    andere    sein   musste.     Ich    kann   den 

1* 


4  Vorbemerkimgen  zur  iweiten  Auflage. 

Unterschied  zwischen  einer  ^philologischen"  und  einer  „sprachwissenschaftlichen'  Methode,  den 
manche  immer  noch  machen,  nicht  als  berechtigt  anerkennen  und  meine,  er  würde  auch  heutzu- 
tage nicht  mehr  gemacht,  wenn  über  einen  gewissen  Eardinalpunkt  grössere  Klarheit  herrschte 
als  der  Fall  ist  Ich  habe  diesen  in  der  Einleitung  S.  7  ff.  zur  Sprache  gebracht,  erlaube  mir 
aber,  wegen  der  Wichtigkeit,  die  er  nach  meinem  Dafürhalten  hat,  auch  an  dieser  Stelle 
mit  ein  paar  Worten  auf  ihn  einzugehen. 

Was  die  heutige  Sprachwissenschaft  von  der  älteren  unterscheidet,  ist  Vor  allem  das, 
dass  sie  sich  mit  der  „ Sprachphilosophie "  in  engere  Verbindung  gesetzt  und  es  als  not- 
wendig erkannt  hat,  ehe  man  an  die  Beurteilung  der  einzelnen  Erscheinungen  einer  Sprache 
geht,  sich  vom  Wesen  der  Sprache  überhaupt,  von  ihren  allgemeinen  Lebensbedingungen 
und  den  Faktoren,  die  ihre  Fortentwicklung  bestimmen,  eine  klare  Vorstellung  gebildet  zu 
haben;  nur  derjenige  kann  ja  die  geschichtlichen  Thatsachen  richtig  beurteilen,  der  das 
Wesen  der  Kräfte  kennt,  durch  welche  sie  geschaffen  werden.  Diese  Prinzipienfragen  sind 
f^r  den  Philologen  dieselben  wie  für  den  Linguisten,  denn  das  Forschungsobjekt  ist  das 
gleiche  und  die  Wahrheit  ist  nur  eine.  Von  der  Beschäftigung  mit  diesen  Fragen  könnte 
die  Philologie  dann  allein  entbunden  werden,  wenn  sie  sich  in  der  Grammatik  auf  ein  rein 
mechanisches  Stoffsammeln  einschränken  und  sich  alles  und  jedes  Raisonnements  über  das. 
was  der  Stein  oder  das  Manuskript  zu  lesen  gibt,  enthalten  wollte.  Da  die  Denkmälei- 
nicht  die  Sprache  selbst  sind,  sondern  nur  mehr  oder  minder  rohe  und  unvollkommeno 
Abbilder  der  Sprache,  die  ja  einzig  in  der  Seele  der  sprechenden  Menschen  ihre  Existenz 
hat,  so  würde,  streng  genommen,  schon  das  Übersetzen  der  Schriftzüge  in  wirkliche  Sprache 
über  die  Aufgabe  des  Philologen  hinausgehen ;  denn  schon  hier  treten  jene  Prinzipienfragen 
in  Kraft.  Die  Zumutung  einer  solchen  Einschränkung  auf  dem  Gebiete  der  grammatischen 
Forschung  würde  aber  die  Philologie  von  sich  weisen,  und  mit  Recht.  Auch  die  Phihi- 
logie  hat  es  als  eine  ihrer  Aufgaben  anzusehen,  den  Kausalzusammenhang  der  gegebenen 
Spracherscheinungen  zu  erforschen  und  die  Entwicklungsgesetze  festzustellen.  Wenn  nun 
heute  so  oft  Philologen  sich  mit  Sprachforschem  über  diese  oder  jene  grammatische  Frago 
nicht  zu  verständigen  vermögen,  so  liegt  das  zum  guten  Teile  daran,  dass  die  Grund- 
anschauungen verschiedene  sind,  dass  der  Philologe  oft  noch  zu  sehr  an  der  altüberkommenen 
Betrachtungsweise  hängt,  die  von  einem  mehr  naiven  als  wissenschaftlichen  Nachdenken 
über  das  Wesen  der  Sprache  hervorgerufen  wurde  und  sich  nicht  bloss  in  der  traditionellen 
grammatischen  Terminologie  forterbt.  Die  Verständigung  muss  also  dadurch  herbeigeführt 
werden,  dass  man  auch  philologischerseits  zunächst  den  allgemeinen  theoretischen  Fragen 
die  nötige  Aufmerksamkeit  zuwendet.  Freilich  wird  mir  hier  der  eine  oder  andere  Philo- 
loge einwenden:  unter  euch  Sprachforschern  selbst,  denen  die  Beschäftigung  mit  dieser 
Prinzipienwissenschaft  doch  zuvörderst  obliegt,  herrscht  ja  heute  noch  die  grösste  Uneinig- 
keit. Nun,  das  würde  zunächst  nicht  rechtfertigen,  dass  man  solchen  Anschauungen,  die 
unzweifelhaft  falsch,  die  von  der  gesamten  Sprachwissenschaft  längst  als  unrichtig  erkannt 
und  bezeichnet  sind,  in  der  Philologie  eine  I?  ortexistenz  gewährt,  wie  sich  deren  z.  B.  in 
der  als  Stoffsammlung  (leider  eben  nur  als  solcher)  mustergiltigen  und  auch  von  uns  dank- 
barst benutzten  Grammatik  der  attischen  Inschriften  von  Meisterhans  (2.  Aufl.  1888)  viel- 
fach finden.  Und  was  die  Uneinigkeit  unter  den  Linguisten  betrifft,  so  ist  Thatsache,  da:^s 
seit  Bestand  der  indogermanischen  Sprachwissenschaft  in  sachlicher  Beziehung  niemals  eine 
so  grosse  Einhelligkeit  gewesen  ist  als  gerade  heute,  sowohl  was  die  allgemeinen,  als  auch 
was  die  Einzelfragen  betrifft!  Kann  also  die  Abkehr  so  mancher  Philologen  von  den  Grund- 
fragen der  Sprachwissenschaft  auf  diese  Weise  nicht  gerechtfertigt  werden,  so  sehe  ich 
nicht,  wie  es  sonst  geschehen  könnte.  Die  klassische  Philologie  und  die  Spi-achwissen- 
Schaft  sind  einander  von  Jahrzehnt  zu  Jalirzehnt  näher  gerückt,  und  sollte  man  sich  von 
der  Richtigkeit  des  gesagten  überzeugen  und  dieser  Überzeugung  auch  praktische  Folge 
geben,  so  ist,  so  viel  ich  sehe,  die  letzte  Schranke  gefallen,  die  beide  Disziplinen  noch  trennt. 
Es  wird  dann  Niemand  mehr  von  einer  Verschiedenheit  und  einem  Gegensatz  der  Wissen- 
schaft selbst  reden,  sondern  nur  noch  von  einer  Arbeitsteilung,  wie  sie  das  Mass  der 
Arbeitskraft  des  einzelnen  allerdings  verlangt  und  wie  sie  voraussichtlich  immer  muss  be- 
stehen bleiben. 

Leipzig,  29.  Dezember  1888. 

K.  Brugmann. 


Einleitung. 

1.  Gescbichtliches  und  Begriffliches.  Mit  der  griechischen  Sprache 
beschäftigten  sich  zuei*st  die  Griechen  selbst.  Die  ersten  sprachwissenschaft- 
lichen Fragen,  die  man  aufwarf,  bezogen  sich  auf  das  Verhältnis  der  Namen 
zu  den  Dingen,  man  stritt,  ob  zwischen  dem  Wort  und  dem  durch  das- 
selbe bezeichneten  Gegenstand  das  Verhältnis  einer  Naturnotwendigkeit 
(q^wrig)  bestehe  oder  ob  dem  Wort  seine  Bedeutung  durch  einen  willkür- 
lichen Akt  der  Übereinkunft  (i>*<r/g)  beigelegt  sei  (Plato's  Kratylus).  Diese 
—  durch  mehrere  Jahrhunderte  hindurch  in  den  Philosophenschulen  er- 
örterte —  Streitfrage  rief  die  Disziplin  der  hvfiokoyfa  ins  Leben,  deren 
Betrieb  freilich  durch  das  ganze  klassische  Altertum  hindurch  ein  durchaus 
dilettantischer  geblieben  ist. 

Von  Plato  und  Aristoteles  wurde  betont,  dass  nicht  im  einzelnen  Wort, 
sondern  nur  in  der  Verbindung  der  Wörter  zum  Satz  wahres  oder  falsches 
liege.  Dies  führte  dazu,  dass  man  die  Sprachwissenschaft  in  den  Dienst 
der  LfOgik  stellte.  Man  schied  die  Elemente  des  Urteils  und  bestimmte  die 
Redeteile  (iu*"^^/  ^^^  Xt^ecog),  Das  Aufsuchen  der  letzteren  und  Eindringen 
in  ihr  Wesen  (Aristoteles,  Stoiker)  bildet  den  Glanzpunkt  der  gramma- 
tischen Wissenschaft  der  Alten. 

Aus  dem  Dienst  der  Philosophie  trat  die  Sprachforschung  vom  3.  vor- 
christlichen Jahrh.  an  in  den  der  Textkritik  (alexandrinische  Philologie). 
Beobachtungen  über  die  Sprachformen  und  ihren  Gebrauch  bei  den  verschie- 
denen Schriftstellern  (Homer  etc.)  lenkten  die  Aufmerksamkeit  nachhaltig 
auf  chronologische  und  dialektische  Unterschiede  der  Sprache,  und  wenn 
es  hierbei  auch  nicht  zu  einer  lebendigen  Auffassung  der  sprachlichen  That- 
sachen  und  einer  sachgemässen  Erklärung  derselben  kam  (Ahalogisten  und 
Anomalisten),  so  ging  doch  aus  diesen  Studien  die  Grammatik  als  selbstän- 
dige Disziplin  hervor:  des  Dionysius  Thrax  r*x»'i/  YQaiifxaxixr^  (ca.  100 
V.  Chr.).  Seinen  Abschluss  erhielt  das  grammatische  System  durch  Apol- 
lonius  Dyskolus  (2.  Jahrh.  n.  Chr.),  der  die  Syntax  als  besondern  Teil  der 
Grammatik  neben  die  Formenlehre  stellte.  Mit  seinem  Sohn  Herodian, 
der  besonders  orthographische  und  „prosodische**  Fragen  behandelte,  hörte 
das  selbständige  Produzieren  der  griechischen  Sprachwissenschaft  auf,  die 
nun  in  winterlicher  Dürre  bis  zur  Wiedererweckung  der  Wissenschaften  in 
Italien  (14.  Jahrh.)  vegetierte. 


6  A.  Griechische  Grammatik,    a)  Einleitimg. 

Die  erstehende  Altertumswissenschaft,  welche  als  eine  ihrer  Haupt- 
grundlagen genaue  Sprachkenntnis  betrachtete,  förderte  die  griechische 
Grammatik  durch  Vermehrung  der  sprachlichen  Observationen  und  syste- 
matische Ordnung  des  Stoffes.  Die  Vorstellungen  vom  Wesen  und  Leben 
der  Sprache  blieben  dabei  bis  auf  unser  Jahrhundert  im  wesentlichen  die- 
selben wie  in  der  alexandrinischen  Zeit:  die  Sprache  wurde  wie  ein  toter 
Mechanismus  angesehen,  für  das  Verhältnis  der  „regelmässigen**  und  der 
„unregelmässigen**  Spracherscheinungen  zu  einander  fand  man  keine  wissen- 
schaftliche Erklärung  und  wirtschaftete  gerne  mit  den  alttiberkommenen 
hohlen  Kunstausdrücken  (Pleonasmus,  Ellipse,  Enallage  etc.). 

In  unserm  Jahrh.  wetteiferten  und  wetteifern  in  der  Bearbeitung  der 
griechischen  Sprache  zwei  Gelehrtengruppen,  die  klassischen  Philologen  und 
die  historisch-komparativen  Sprachforscher.  Anfangs  nur  in  lockerer  Fühlung 
mit  einander  stehend,  sind  sie  sich  im  Lauf  der  Zeit,  mit  dem  Schwinden 
gewisser  Vorurteile  auf  Seiten  der  Philologen,  immer  näher  getreten,  und 
es  ist  heute  eine  ausgemachte  Sache,  dass  die  wahrhaft  wissenschaftliche 
Aufgabe  der  griechischen  Grammatik  nur  durch  ein  Zusammenwirken  beider 
zu  lösen  ist  und  dass  alle  den  Entwickhmgsgang  der  Sprache  betreffenden 
Fragen  nur  von  solchBu,  die  mit  den  Resultaten  und  der  Methode  der  histo- 
rischen Sprachwissenschaft  vertraut  sind,  beantwortet  werden  können.  Die 
Philologen  förderten  unsere  Disziplin  hauptsächlich  durch  ihre  auf  Fest- 
stellung der  sprachlichen  Thatsachen  gerichtete  Forschung,  die  mit  der 
kritischen  Bearbeitung  der  Denkmäler  Hand  in  Hand  ging  und  der  die 
neu  erschlossenen  Quellen  (Inschriften!)  reichliches  Material  zuführten. 
Daneben  ist  zu  betonen,  dass  der  von  verschiedenen  Seiten  her  unter  den 
Philologen  angeregte  historische  Sinn  auch  schon  vor  der  Verbindung  der 
Philologen  mit  den  historisch-vergleichenden  Sprachforschern  der  griechischen 
Grammatik  zu  gute  kam  und  z.  B.  dem  gedankenlosen  Abthun  der  Erklä- 
rung mit  Eunstausdrücken  Schranken  setzte  (G.  Hermann  u.  A.).  Durch 
die  historische  Sprachforschung,  welche  zeigte,  dass  die  griechische  Sprache 
ein  Glied  der  indogermanischen  Sprachfamilie  bildet,  wurde  der  sprach- 
geschichtliche Gesichtspunkt  überall  zur  Geltung  gebracht  und  nicht  nur 
ein  A'usblick  auf  die  vorgeschichtliche  Periode  der  griechischen  Sprache 
eröffnet,  sondern  auch  ein  wesentlich  richtigeres  Verständnis  für  das  Ver- 
hältnis, in  dem  die  in  der  historischen  Zeit  entgegentretenden  Sprach- 
erscheinungen zu  einander  standen,  und  damit  für  den  Entwicklungsgang 
der  Sprache  auch  in  dieser  Periode  gewonnen. 

Im  engsten  Zusammenhang  mit  der  Betonung  des  Begriffes  der  histo- 
rischen Entwicklung  steht  die  Abweisung  der  unberechtigten  Vermischung 
der  Grammatik,  namentlich  des  syntaktischen  Teiles  derselben,  mit  der 
Logik.  Man  hatte  sich  zu  verschiedenen  Zeiten  dem  Irrtum  hingegeben, 
die  Sprache  folge  denselben  Gesetzen,  wie  das  begriffsmässige  Denken,  die 
Kategorien  des  philosophischen  Denkens  müssten  den  sprachlichen  Kate- 
gorien entsprechen  (Stoiker,  G.  Hermann,  K.  F.  Becker).  Schon  einzelne 
unter  den  Philologen,  mehr  aber  noch  die  Sprachforscher  kamen  zu  der 
Erkenntnis :  Ob  die  sprachlichen  Vorgänge  mit  den  Gesetzen  der  Logik 
harmonieren  oder  nicht,   muss    dem  Grammatiker  als  solchem   gleichgiltig 


1.  Oesohiohtliches  und  Begriflniches.  (§1.)  7 

sein;  er  hat  nur  zu  fragen:  wie  ist  diese  oder  jene  Erscheinung  überhaupt 
möglich  geworden  ?  An  die  Stelle  der  logischen  Betrachtungsweise  hat  die 
psychologische  zu  treten. 

und  noch  zu  einer  andern  wichtigen  Erkenntnis  hat  die  historische 
Sprachforschung  geführt,  einer  Erkenntnis,  die  freilich  in  die  Kreise  der 
klassischen  Philologen  noch  allzu  wenig  eingedrungen  ist.  Es  ist  nicht 
möglich,  den  Entwicklungsgang  einer  Sprache  so  ohne  weiteres  an  den  in 
chronologischer  Ordnung  neben  einander  gestellten  Sprachdenkmälern  ab- 
zulesen, sondern  man  muss  sich  zuvor  über  das  Wesen  der  Sprache  über- 
haupt und  über  die  Faktoren,  welche  ihre  Fortentwicklung  in  der  Geschichte 
bedingen,  gründlich  unterrichtet  haben.  Nicht  das  Studium  des  Sanskiit 
ist  es,  was  die  erste  Grundlage  der  „sprachwissenschaftlichen"  Ausbildung 
auszumachen  hat,  sondern  das  Studium  der  Prinzipienlehre  der  Sprach- 
wissenschaft, wie  sie  ungefähr  s^eit  einem  Jahrzehnt  von  Sprachforschern 
wie  Paul,  Weoener,  Schüchardt  u.  a.  gepflegt  wird.  Hat  man  an  der  Hand 
dieser  Prinzipienwissenschaft  sich  von  den  mannigfachen  irrigen  Anschau- 
ungen befreit,  die  das  naive  Denken  erzeugt  und  die  die  Macht  vielhundert- 
jähriger Gewohnheit  in  uns  nur  allzu  sehr  befestigt  hat  (man  denke  nur 
an  unsere  altüberkommene  grammatische  Terminologie  mit  den  zahlreichen 
in  ihr  abgelagerten  Verkehrtheiten  und  überhaupt  Unwissenschaftlichkeiten!), 
so  kann  man  den  Entwicklungsgang  einer  Sprache  wie  der  griechischen 
schon  zum  guten  Teil  richtig  beurteilen,  auch  ohne  sich  in  andere,  dem 
Spezialphilologen  ferner  liegende  Sprachen  vertieft  zu  haben. 

Znr  Geschichte  der.  griechischen  Grammatik  vgl.  besonders: 
Classeiv.  De  grammaticae  Graecae  primordiis,  1829.  Schoemank,  Die  Lehre  von  den 
Redeteilen,  nach  den  Alten  dargestellt  und  beurteilt,  1862.  Steinthal,  Geschichte  der 
Sprachwissenschaft  bei  den  Griechen  und  Römern,  1868.  Benfey,  Geschichte  der  Sprach- 
wissenschaft und  orientalischen  Philologie  in  Deutschland  seit  dem  Anfange  des  19.  Jahrb. 
mit  einem  Rückblick  auf  die  früheren  Zeiten,  1869.  Bubsian,  Geschichte  der  klassischen 
Philologie  in  Deutschland,  1883.  Delbrück,  Einleitung  in  das  Sprachstudium,  ein  Beitrag 
zor  Geschichte  und  Methodik  der  vergleichenden  Sprachforschung.  2.  Aufl.  1 884.  Pezzt,  La 
lingaa  greca  antica  (ßreve  enciclopedia  sistematica  di  fllologia  greca  e  latina,  vol.  VI), 
18^,  p.  2—80.  Aus  unserm  Handbuch  gehört  das  Kapitel  Geschieht«  der  Philologie  1, 
S.  :iO— 126b  hierher,  ferner  7,  439-460  und  557-572. 

Heryorragendere  znsammenfaesende  Behandlungen  der  griechischen  Gram- 
matik: 

Behandlungen  aus  älterer  Zeit:  Butthann,  Ausführl.  griecb.  Sprachlehre,  Berl. 
Bd.  1.  1819,  2.  Aufl.  1830,  B  2.  1825-1827,  2.  Aufl.  von  Lobeck  1839.  A.  Matthiä, 
Ausführl.  griech.  Grammatik,  Leipz.  2  Teile  1807-1827,  3.  Aufl.  1835.  Fb.  Thiersch, 
Griech.  Grammatik  vorzUgl.  des  homer.  Dialekts,  Leipz.  1812,  4.  Aufl.  1855.  Meul- 
B0B2I,  Griech.  Grammatik  für  Schulen  und  Studierende  [unvollendet],  Halle  1845.  R. 
Kühher,  Ausführl.  Grammatik  der  griech.  Sprache,  2  I3ände,  Hannover  1834—1835, 
2.  Aufl.  1869-1870.  K.  W.  Kbügeb,  Griech.  Sprachlehre  für  Schulen.  Berlin  1842-1846, 
5.  Aufl.  1873-  1875.  Dem  gegenwärtigen  Stande  der  griech.  Sprachwissen- 
schaft entsprechen:  G.  Mbyee,  Griech.  Grammatik  [ohne  Syntax],  Leipz.  1880,  2.  Aufl. 
1886  und  Pezzi's  genanntes  Buch  La  1.  gr. 

In  Verbindung  mit  den  verwandten  Sprachen  wurde  das  Griechische  öfters 
bebandelt.  Im  Zusammenhang  mit  allen  andern  indogermanischen  Sprachen  besonders  in 
folgenden  Werken.  Bofp,  Vergleichende  Grammatik  des  Sanskrit,  Zend,  Armenischen, 
Griechischen,  Lateinischen,  Litauischen,  Altslavischen,  Gothischen  und  Deutschen,  3  Bde., 
d.  Ausg.  1868—1871.  Schleicher,  Compendium  der  vergleichenden  Grammatik  der  in- 
dogenn.  Sprachen,  4.  Aufl.  1876.  Verfasser,  Grundriss  der  vergleichenden  Gramm, 
der  indogenn.  Sprachen,  1.  Bd.  (Lautlehre)  1886,  2.  Bd.  (Wortbildungslehre),  1.  Hälfte, 
1889.  Im  Zusammenhang  mit  dem  Lateinischen  besonders  in  folg.  Werken.  L.  Meyeb, 
Vergleichende  Grammatik  der  Griechischen  und  Lateinischen  Sprache,  1.  Bd.  1861  (2.  Aufl. 


9 


A.  Qriechische  Grammatik,    a)  Einleitung. 


1884),   2.  Bd.  1865.    King  und   Cookson  The  principles  of  sound  and  inflexion    as 
strated   in   the  greek  and  latin   languages,  Oxford   1888.     Ebkby,    Pröcia   de    gram 
compar^e  du  grec  et  du  latin,  Paris  1888  (dieses  Werk  ist  bereiia  vergriffen  und  mir 
zugänglich  geworden). 

Von  den  Schulgiammatiken  sei  G.  Cubtiüs'  Griechische  Schulgrammatik, 
(seitdem  oft  wieder  aufgelegt)  erwähnt,  weil  sie  die  erste  war,  welche  die  firgebniss 
historisch-komparativen  Sprachforschnng  verwertete,  nnd  damit  dem  Betrieb   der  gi 
Grammatik  in  unsern  Schulen  eine  wissenschaftlichere  Haltung  gab. 

Über  das  Verhältnis  der  griechischen  (sowie  der  lateinischen)  Gi 
matik  zur  sogenannten  vergleichenden  Sprachwissenschaft  bestehen  Meinu 
Verschiedenheiten,  *)  und  es  erscheint  angemessen,  hierauf  noch  mit  ein 
Worten  einzugehen.  Statt  „vergleichender  SpraSchwissenschaft"  würde  i 
da  alle  Sprachwissenschaft  vergleichend  ist,  zutreffender  »indogermani! 
Sprachwissenschaft"  sagen.  Ihre  Aufgabe  geht  in  der  Rekonstruktion 
Daretellung  der  indogermanischen  Ursprache  ebenso  wenig  auf,  als  e 
die  der  semitischen  Sprachwissenschaft  in  der  Wiederherstellung  der  st: 
tischen  Grundsprache.  Vielmehr  hat  sie  —  das  gibt  die  Betrachtung 
Dinge  selbst  mit  Notwendigkeit  an  die  Hand  —  die  Geschichte  der  gan 
indogermanischen  Sprachfamilie  von  der  Zeit  der  Urgemeinschaft  bis 
Gegenwart  herab  zu  erforschen  in  derselben  Weise,  wie  die  semitis 
Sprachwissenschaft  die  gesamte  Sprach thätigkeit  der  Semiten  bis  auf 
heutigen  Tag  zum  Gegenstand  hat.  Die  griechische,  die  lateinische,  die 
dische  u.  s.  w.  Grammatik  aber  sind  die  konstitutiven  Teile  der  indoge 
Grammatik  in  gleicher  Weise,  wie  z.  B.  die  dorische,  die  ionische  u.  s. 
Grammatik  die  griechische  Grammatik  ausmachen.  Und  so  wenig  die  \ 
forschung  der  dorischen  Dialekte  und  die  griechische  Sprachwissenscli 
bloss  in  einem  Verhältnis  gegenseitiger  Hilfsleistung  zu  einander  stel 
und  die  griechische  Grammatik  nur  als  eine  Hilfswissenschaft  der  doriscl 
bezeichnet  werden  kann,  ebenso  falsch  ist  es,  der  indogermanischen  Spra« 
Wissenschaft  nur  die  Rolle  einer  Hilfsdisziplin  gegenüber  der  griechisch 
lateinischen  u.  s.  w.  zuzugestehen.  Eine  Hilfswissenschaft,  die  mit  Ke( 
diesen  Namen  trägt,  steht  in  Ansehung  ihres  Forschungsobjektes  irgendv 
ausserhalb  der  Wissenschaft,  der  sie  zu  dienen  hat,  grenzt  an  sie  ii 
an.  Der  Begriff  der  griechischen,  lateinischen  u.  s.  w.  Sprach wissensch^ 
geht  jedoch  jedesmal  ohne  Rest  in  dem  der  indogermanischen  auf.  So  si 
denn  auch  die  verschiedenen  Versuche,  die  man  gemacht  hat,  zwisch 
„philologischer'  und  „linguistischer"  Behandlung  der  Sprache  einen  innere 
sachlichen  Gegensatz  herauszufinden,  der  es  erlaube,  dass  der  Philoloj 
immer  nur  die  fertigen  Resultate  des  Indogermanisten  zu  Rate  ziehe  ui 
umgekehrt,  als  mislungen  zu  bezeichnen.  Man  sagt,  zur  Philologie  gehö 
die  Erforschung  der  Sprachentwicklung  nur  von  dem  Punkt  an,  wo  d 
Überlieferung  beginnt.  Man  spricht  von  der  „historischen''  Grammat 
einer  Sprache  in  dem  Sinne,  dass  das  Leben  der  Sprache  in  vorhistorischi 
Zeit  ausser  Betracht  bleibt,  und  will  so  einen  Gegensatz  gegen  die  „Spracl 
vergleichung''  ausdrücken,  als  ob  deren  Operationsgebiet  jenseits  des  hist( 


')  Ich  denke  hier  nicht  nur  an  Meinnngs- 
verachiedenheiten  zwischen  «Lingnisten*  und 
„Philologen*,  sondern  auch  an  solche,  die 
im  Kreise  der  Linguisten  selbst  in  den  letzten 


Jahren  hervorgetreten  sind.  Sieh  z.  B.  ] 
MxRiirGKB,  Ztsdir.  f.  österr.  Qymn.  1888  1 
128  ff.  (besonders  (S.  131). 


2.  MethodologisoheB  zur  Lautlehre  und  zur  Syntax.  (§  2.) 


9 


Tischen  Bodens  der  Einzelsprache  liege.    Aber  die  Geschichte  einer  indogerm. 
Sprache  von  der  Zeit  der  indogerm.  Urgemeinschaft  bis  auf  unsere  Zeit 
ist  eine  nirgends  zu  zerschneidende  Einheit,  und  mit  dem  Entwicklungsgang 
der  Sprache  selbst  hat  es  nichts  zu  schaffen,  aus  welcher  Zeit  das  älteste 
uns  erhaltene  Denkmal  derselben  stammt.    Griechische  Sprache  gab  es  auch 
schon  vor  Homer,  und  weder  die  Weiterentwicklung  eines  einzelnen  grie- 
chischen Dialektes  noch  das  Verhältnis  der  verschiedenen  Dialekte  zu  einander 
kann  verstanden  werden,    wenn   wir   uns   nur   diesseits  der  Überlieferung 
halten.     Die  griechische  Sprache  begann   als  solche   mit  der  Periode   der 
^echischen  Urgemeinschaft,  und  das  vorgeschichtliche  Leben,  in  den  Haupt- 
zögen wenigstens,   zu  rekonstruieren   haben   wir   die  Mittel.     Ob   wir  die 
nachhomerische  oder  die  vorhomerische  Geschichte  der  griechischen  Sprache 
erforschen,  in  beiden  Fällen  lösen  wir  dieselbe  Aufgabe  und  wenden  dieselbe 
Methode  an,   nur  dass  das  Verhältnis  zwischen   dem  durch  Überlieferung 
Gegebenen  und  der  kombinatorischen  Thätigkeit  sich  verschieden  gestaltet. 
Jene  «historische  Grammatik^  ist  also  ein  schiefer  Begriff.  Ferner  soll  der 
Sprachwissenschaft  ihrem  Wesen  nach  die  Erforschung  der  allgemein  usuell 
feststehenden  Verhältnisse  der  Sprache,   der  Philologie  dagegen  die  Erfor- 
schung ihrer  individuellen  Handhabung  in  der  Litteratur  zufallen,  jene  habe 
die  „Naturseite'',  diese  die  „Kulturseite''  der  Sprache  zu  untersuchen.    Aber 
auch  die  Sprachwissenschaft  verlangt  an  sich  selbst,  dass  der  Forscher  das 
Sprachleben  bis  in  seine  eigentümlichsten  Verzweigungen   hinein  verfolge, 
und  80  gewiss  der  Philologe  als  Archäologe  nicht  allein   die  Entwicklung 
des  Tempelbaues  und  der   sonstigen  Gattungen   des  Kunstbaues,   sondern 
auch  die  Geschichte  des  einfachen  Wohnhauses  zu  verfolgen  hat,  so  gewiss 
hat  er  als  Grammatiker  auch  das  gewöhnliche  Alltagssprechen  des  gemeinen 
Mannes  zu  studieren.    Auch  kann  ja  einerseits  die  Umgestaltung  des  all- 
gemeinen Sprachusus  nicht  ohne   eine  Kenntnis  der  individuellen  Sprach- 
sch5pfungen,derhöherenwieder  niederen,  und  anderseits  können  dieLeistungen 
der  einzelnen  Schriftsteiler  nicht  ohne  richtige  Vorstellungen    von  der  Ge- 
samtorganisation der  Sprache  verstanden   und  gewürdigt  werden.^)    Und 
ebenso  wenig  ist  endlich  die  Behauptung  gerechtfertigt,  der  Philologie  komme 
auf  Grund  ihres  Begriffes   die  Pflege  der  deskriptiven  oder  statistisc)ien 
Grammatik  zu,  der  Sprachwissenschaft  hingegen  die  entwicklungsgeschicht- 
liche Forschung.   Man  braucht  nur  andere  Philologien  als  die  klassische  ins 
Auge  zu  fassen,  um  sich  zu  überzeugen,  dass  auch  diese  Aufstellung  unhaltbar 
ist.    Hier,  wie  bei  den  andern  Versuchen,  Philologie  und  Sprachwissenschaft 
auseinander  zu  bringen,  als  innerlich  gegensätzlich  hinzustellen,   läuft  das, 
was  man  für  eine  wesentliche  Verschiedenheit  ausgibt,  höchstens  auf  eine 
Teilung  der  Arbeit  hinaus,  die  sich  aus  Zweckmässigkeitsgründen,  vor  allem 
im  Hinblick  auf  das  Mass  menschlicher  Einzelkraft,  empfiehlt.^) 

2.  Methodologisches  zur  Lautlehre  und  zur  Syntax.  Von  den 
drei  Teilen  der  Grammatik,  Laut-,  Formenlehre  und  Syntax,  wurde  der 
erste  durch  die  neuere  Sprachwissenschaft  am  bedeutendsten  gefördert  und 


*)  Vgl.    Paul,    Principien    der   Sprach- 
gesch.'  S.  30. 


*)  Vgl.  Verf.,  Zum  heutigen  Stand  der 
SpracbwiBsenschaft  S.  17  ff. 


10  A.  OrieohiBche  Grammatik,    a)  Einleitiing. 

stand  in  den  letzten  Jahren  im  Vordergrund  des  Interesses.  Letzterer 
Umstand,  oft  gerügt,  findet  seine  Erklärung  und  Rechtfertigung  darin,  dass 
die  Lautforschung  der  gründlichsten  Revision  bedurfte,  und  dass  die 
ganze  Morphologie  und  in  der  Hauptsache  auch  die  Syntax  nur  dann  sprach- 
historisch richtig  verstanden  werden  können,  wenn  man  in  den  Stand  ge- 
setzt ist  zu  entscheiden,  welche  in  den  vei'schiedenen  Dialekten  und  den 
verschiedenen  Zeiten  auftretenden  Formationen  einander  etymologisch  gleich- 
zustellen sind;  z.  B.  hängt  die  Lösung  zahlreicher  Probleme  der  Kasussyntax 
im  letzten  Grunde  von  lautgeschichtlichen  Fragen  ab,  wie  die  Entscheidung 
der  Frage,  aus  welchen  Bestandteilen  sich  der  griechische  Dativ  zusammen- 
setzte (vgl.  §  81  flF.,  184  flF.). 

In  der  Lautlehre  spielt  eine  wichtige  Rolle  der  Begriff  „Lautgesetz'', 
der  hier  um  so  mehr  eine  kurze  Erörterung  verdient,  als  in  betreff  seiner 
mancherlei  Missverständnisse  umlaufen.  Es  entsprang  dieser  Begriff  aus 
der  schon  im  Altertum  gemachten  Beobachtung,  dass  in  einer  Sprache  oder 
in  einem  Dialekt  gewisse  Lautübergänge  durch  eine  grössere  Reihe  von 
Wörtern  hindurch  in  derselben  Weise  erfolgen,  z.  B.  böot.  «  für  das  ?;  der 
andern  Dialekte,  O^eiq  für  xyt]Q  u.  s.  w.  (§  8).  Solche  Gleichmässigkeiten 
in  der -^  Lautbehandlung  nannte  man  Lautgesetze.  Oft  schien  aber  in  ge- 
wissen Wortformen  die  Lautaffektion  nicht  eingetreten  zu  sein,  die  man  in 
der  Mehrzahl  der  gleichartigen  Formen  beobachtete  und  demnach  auch  dort 
erwarten  konnte,  oder  es  schien  eine  Änderungsneigung  nur  einige  wenige 
Wörter  ergriffen  und  die  grosse  Mehrzahl  verschont  zu  haben  („sporadischer 
Lautwandel"),  oder  dasselbe  Wort  trat  in  demselben  Dialekt  gleichzeitig 
bald  in  dieser,  bald  in  jener  Gestalt  hervor,  so  dass  die  eine  von  beiden 
Gestalten  als  unregelmässig  erschien.  Indem  nun  die  neueste  Sprachwissen- 
schaft genauer  erwog,  welche  Faktoren  im  Leben  der  Sprachen  thätig  sind, 
unter  welchen  Bedingungen  und  Einflüssen  alle  geschichtliche  Weiterentwick- 
lung der  Sprachen  sich  vollzieht,  und  indem  sie  dabei  berücksichtigte,  wie  sich 
im  Lauf  unseres  Jahrhunderts  immer  mehr  „unregelmässige*  Lautvertre- 
tungen als  regelmässig  erwiesen  haben,  gelangte  sie  zu  dem  Axiom,  das 
man  gewöhnlich  kurz  so  formuliert:  die  Lautgesetze  wirken  ausnahmslos, 
odor:  sie  sind  allgemeingiltig. 

Hiermit  ist  gemeint:  wenn  innerhalb  einer  einheitlichen  Sprachgenossen- 
schaft in  einem  gewissen  Zeitpunkt  eine  Lautbewegung  aufkommt,  so  ist 
für  alle  Wörter,  in  denen  der  Laut  unter  gleichen  Bedingungen  (gleiche 
Betonung,  Silbenstellung,  Beschaffenheit  der  folgenden  oder  der  vorher- 
gehenden Laute  u.  s.  w.)  vorliegt,  die  Veränderungsursache  gleichmässig 
vorhanden,  und  folglich  werden  alle  gleichmässig  von  der  Lautbewegung 
berührt;  nur  durch  ausserhalb  stehende,  von  der  Veränderungsneigung  selbst 
verschiedene  Faktoren  kann  der  Verlauf  der  Bewegung  in  einer  mehr  oder 
minder  grossen  Anzahl  von  Formen  gehemmt  und  durchkreuzt  werden,  und 
man  dürfte  hier,  streng  genommen,  ebenso  wenig  von  „Ausnahmen**  sprechen 
als  man  etwa  die  Erhitzung  des  Wassere  unter  starkem  Druck  auf  über 
100®  eine  Ausnahme  von  dem  Gesetz  nennen  wird,  dass  Wasser  sich  bei 
100®  in  Dampf  verwandelt. 

Dabei  hat  man  ein  doppeltes  zu  beachten.    Einmal,  dass  es  sich  hier 


2.  Ifethodologinches  zur  Lautlehre  und  zur  Syntax.  (§  2.)  H 

nur  um  den  Lautwandel  im  engeren  Sinne,  um  die  ganz  allmählich  vor 
sich  gehenden  Verschiebungen  der  Laute  handelt,  wie  wenn  a  zu  e  oder 
e  zu  i  wird,  nicht  um  die  sprungweise  sich  vollziehenden  Lautmetathesen 
u.  dgl.  (Verf.,  Zum  heutigen  Stand  S.  50,  Paul,  Princip.*  59  f.;  vgl.  jedoch 
Behaouel,  Literaturblatt  für  german.  und  roman.  Philol.  1886  S.  443). 
Zweitens,  dass  man  den  Ausdruck  ^ Gleichheit  der  lautlichen  Bedingungen "" 
nicht  allzu  wörtlich  nehmen  darf.  Absolute  Gleichheit  hat  man  nur  bei 
Homonymen,  sonst  nur  partielle.  ^Wie  es  jedoch  zwischen  a  und  i  eine 
unendliche  Reihe  von  Vokalnüancen  gibt,  von  denen  wir  aber  für  die  laut- 
physiologische und  lautgeschichtliche  Forschung  nur  einige  wenige  fixieren, 
und  wie  wir  aus  der  unendlichen  Menge  von  Dialekten  einer  Sprache  (denn 
streng  genommen  stellt  jedes  Einzelwesen  einen  solchen  dar)  zusammen- 
fassend eine  Anzahl  von  Gruppen  bilden,  so  können  wir  auch  ganz  mini- 
male Verschiedenheiten  in  den  Bedingungen,  unter  welchen  Laute  auftreten, 
ohne  jeden  Schaden  für  die  Forschung  ignorieren  und  auch  dann  von  ,gleichen 
Bedingungen*  reden,  wenn  wirklich  bei  mikroskopischer  Betrachtung  sich 
doch  eine  Differenz  wahrnehmen  lässt.  Der  Rechnungsfehler  wird  gemeinhin 
kein  grösserer  sein,  als  wenn  man  die  tausendste  Stelle  eines  Dezimalbruches 
nicht  mehr  berücksichtigt.*  (G.  Meyer,  Liter.  Centralbl.  1888  Sp.  449  f. 
gegen  H.  Schuchardt,  Über  die  Lautgesetze,  1885,  und  gegen  P.  Regnaud, 
Les  lois  phonetiques  etc.,  1887). 

Aufgabe  der  Sprachwissenschaft  ist  es  nun,  in  jedem  einzelnen  Falle, 
wo  eine  lautliche  Unregelmässigkeit  vorliegt,  den  interkurrierenden  Faktor 
nachzuweisen,  welcher  die  Ausnahme  erklärt,  nicht  aber  dürfen  uner- 
klärte Ausnahmen  zur  Grundlage  von  Schlüssen  gemacht  wer- 
den, welche  die  sonst  beobachtete  Konsequenz  der  Lautbewe- 
gungen aufheben  sollen.  Bei  dem  Suchen  nach  der  Erklärung  hat  man 
besonders  folgende  Punkte  zu  berücksichtigen,  welche  der  Ausnahme  ihren 
Schein  nehmen  und  die  richtige  Deutung  an  die  Hand  geben  können: 

1.  Die  schriftliche  Darstellung  der  Laute  ist  oft  ungenau  und  inkon- 
sequent, während  die  Lautproduktion  selbst  gleichmässig  verfährt.  Z.  B. 
sind  X,  TT  auf  der  grossen  Inschrift  von  Gortyn  ungenaue  Darstellung  der 
tenues  aspiratae  x?  y?  wie  xQovog  =  XQ^^'^^y  nvXd  =  (fvXa.  Vom  2.  Jahrh. 
V.  Chr.  an  finden  wir  bald  ei  bald  /  geschrieben,  wo  nur  i  gesprochen 
wurde,  wie  insidr^  und  inidri^  EiQig  und  iQig  (Blass,  Ausspr.^  58). 

2.  Falsche  Ansichten  über  den  etymologischen  Ursprung  einer  Form 
können  täuschen.  Da  ^fog  nicht  gleich  lat.  deus,  ai.  devd-s  war,  so  ist 
unrichtig,  dass  ursprüngliches  d  sporadisch  vor  Vokalen  zu  v^  geworden  sei. 

3.  Der  Schein  der  Inkonsequenz  entsteht  häufig  durch  Entlehnung  von 
Wörtern  aus  andern  Verkehrskreisen,  sei  es  dass  die  Verpflanzung  auf 
künstlichem  Wege  durch  die  Schriftsprache  oder  infolge  örtlicher  Berührung 
verschiedener  Sprachgenossenschaften  erfolgt  (Dialektmischung,  Lehnwörter). 
Vgl.  die  vielen  „Vulgärformen**  in  dialektischen  Inschriften,  z.  B.  diaxomoi 
neben  Siaxdxioir  auf  den  herakleischen  Tafeln. 

4.  Nachdem  durch  die  Wirksamkeit  eines  Lautgesetzes  ein  Laut  be- 
seitigt ist,  entsteht  oftmals  derselbe  Laut  von  neuem  und  bleibt  nunmehr 
unverändert.     Andre   Zeiten,   andre   Lautgesetze.     So  waren    att.   äiöcoai, 


12  A.  GhrieohiBche  Grammatik,    a)  Einleitung. 

nXovmog  u.  a.  keine  Ausnahmen  von  dem  Gesetz,  dass  intervokalisches  or 
schwand  {ytvsog  aus  *ytrfa'og  §  45),  denn  letzteres  Gesetz  wirkte  nur  in 
urgriechischer  Zeit,  diöwai^  nXovaiog  aber  entstanden  erst  in  einzeldialek- 
tischer Zeit  aus  äiätatt,  nXovxiog  (§  37).  Ähnlich  att.  x^äqiAavaiq  gegenüber 
7iaaa  imug  aus  uratt.-ion.  *navaa  Hifiiavg  (§  55),  und  ttwot  tijuäg  gegen- 
über Tifjii'j  tmi]g  Qtc,  aus  uratt.-ion.  Hi/ia  Hi^iäg  (§  10);  att.  f(rfnr,  /m^ifa- 
lim  gegenüber  tip}  aus  urgriech.  **'<r/iY  (§  45). 

5.  Zwei  neben  einander  wirkende  Gesetze  erzeugen  den  Schein  der 
Ausnahme.  Dass  im  Ionisch-Attischen  in  ^cii,  niaug  u.  a.  i  vor  *  nicht 
in  <r  verwandelt  war  wie  in  äiSiom  ^-=  dor.  didwii,  ist  nicht  als  Ausnahme 
von  dem  Gesetz  zu  bezeichnen,  dass  -n-  in  -ci-  überging;  denn  es  war  selbst 
ein  ausnahmsloses  Gesetz,  dass  t  in  der  Verbindung  -crri-  nicht  spirantisch 
wurde  (§  37). 

6.  Manchmal  werden  zwei  unter  verschiedenen  lautgesetzlichen  Be- 
dingungen entsprungene  Formen  desselben  Wortes,  nachdem  die  Wirksam- 
keit der  beiden  Lautgesetze  erloschen  ist,  promiscue,  ohne  Rücksicht  auf  die 
Bedingungen,  unter  denen  sie  entstanden,  gebraucht.  Im  Attischen  z.  B. 
eig  und  ig,  beide  aus  ivg;  ursprünglich  nur  eig  avxo  und  ig  Tovro,  dann  fig 
auch  vor  konsonantischem  und  ig  auch  vor  vokalischem  Wortanlaut  (§  55). 
Derartige  Erscheinungen  begegnen  oft,  wo  es  sich  um  Satzphonetik  han- 
delt (§  63-65). 

7.  Gewisse  Formkategorien  scheinen  zuweilen  ihie  besonderen,  ihnen 
eigentümlichen  Lautgesetze  zu  haben,  z.  B.  die  Reduplikationssilben.  Der 
Schein  des  Exceptionellen  entsteht  hier  dadurch,  dass  sich  eben  nur  bei 
diesen  Formen  die  betreffende  Lautkonstellation  vorfindet,  welche  für  den 
Wandel  Bedingung  ist.  Die  phonetischen  Gesetze,  welche  Lautverbindungen, 
die  nur  selten  in  der  Sprache  vorkommen,  betreffen  und  deren  Wirksamkeit 
sich  darum  nur  an  wenigen  Wörtern,  vielleicht  nur  an  einem  Wort  be- 
kundet, sind  im  Prinzip  nicht  weniger  generelle  als  die,  welche  an  tausenden 
von  Formen  hervortreten. 

8.  Oft  hat  man,  ohne  dass  dabei  eine  Eonsequenz  sichtbar  wurde, 
Spaltung  eines  Lautes  in  zwei  oder  mehrere  Laute  angenommen,  wo  die 
Verschiedenheit  vielmehr  schon  eine  ursprachliche  war.  So  war  nicht  vor- 
griechisches a  bald  zu  «,  bald  zu  o  geworden  {(piQ^,  ^oQog),  bald  «  ge- 
blieben (ayf),  sondern  schon  die  idg.  Grundsprache  hatte  c,  o,  a  neben 
einander  als  Vorläufer  von  f,  o,  «  (§  5  Anm.). 

9.  Sehr  häufig  erklären  sich  Ausnahmen  als  Analogiebildungen  (Form- 
assoziation). So  war  z.  B.  in  r^re  neben  ryoTf  nicht  „ausnahmsweise  <r  vor 
T  geschwunden*',  sondern  ?;Tf  war  eine  Neuschöpfung  nach  r^fitv,  umgekehrt 
war  in  iaixtv  nicht  „das  ursprüngliche  <r  der  Form  ausnahmsweise  geblieben** 
(vgl.  etfih'),  sondern  das  a  wurde  von  fcrr^  übertragen  (§  45.  112).  Assozia- 
tive (analogische)  Neuerungen  müssen  von  den  „lautmechanischen**  (laut- 
gesetzlichen) überall  scharf  getrennt  werden. 

Durch  Beobachtung  dieser  und  verwandter  Gesichtspunkte  hat  sich 
die  Zahl  der  unerklärten  „Ausnahmen"  von  den  Lautgesetzen  des  Griechi- 
schen wie  seiner  Schwestersprachen  in  den  letzten  Jahren  ganz  erheblich 
vermindert.     Dass  ein  Rest  von  Unerklärtem  immer  bleiben  wird,  versteht 


2.  Methodologisches  zur  Lautlehre  und  snr  Syntax.  (§  ^.)  13 

sich  leicht  bei  der  Spärlichkeit  und  nach  verschiedenen  Richtungen  hin 
Sussorst  mangelhaften  Beschafifenheit  unserer  Quellen  und  bei  der  Sachlage, 
dass  wir  die  Ausnahmen  von  den  Lautgesetzen  auf  bestimmte  Ursachen 
zurückführen  sollen,  während  wir  die  Ursachen  der  Lautgesetze  selbst,  ab- 
gesehen von  unsicheren  Hypothesen,  noch  nicht  kennen.  Es  darf  aber  dieser 
Umstand  ebensowenig  als  Beweis  der  Unrichtigkeit  der  von  der  neueren 
Sprachwissenschaft  befolgten  Forschungsmethode  hingestellt  werden,  als  es 
etwa  einen  Einwand  gegen  die  in  der  neueren  Geschichtsforschung  gel- 
tenden Untersuchungsprinzipien  abgeben  kann,  dass  diese  nicht  alle  über- 
lieferten historischen  Fakta  in  Einklang  mit  einander    zu  bringen  vermag. 

Erst  seit  zwei  bis  drei  Dezennien  ist  die  historisch-vergleichende  Me- 
thode auch  auf  die  Syntax  der  griechischen  Sprache  angewandt  worden. 
Seinen  Orund  hat  dieses  einerseits  darin,  dass  der  jungen  Sprachwissenschaft 
die  auf  die  äussere  Sprachform  sich  beziehenden  Fragen  und  Aufgaben  als 
die  dringenderen  erscheinen  mussten  (vgl.  S.  9  f.),  anderseits  in  dem  Um- 
stand, dass  die  Syntax  des  klassischen  Sanskrit,  bei  ihrer  ganz  eigentüm- 
lichen Beschaffenheit,  zu  einer  Vergleichung  mit  derjenigen  des  Griechischen 
und  andrer  europäischer  Sprachen  wenig  anregte;  erst  durch  die  Erschlies- 
sung des  vedischen  Dialektes,  dessen  Syntax  der  griechischen  sehr  nahe 
stand  (beträchtlich  näher  als  z.  B.  die  lateinische),  wurde  dem  vergleichen- 
den Studium  der  Syntax  ein  kräftigerer  Impuls  gegeben  (das  Hauptwerk 
über  die  ved.  Syntax  ist  B.  Delbrijck's   Altindische  Syntax,   Halle  1888). 

Vor  einer  Herleitung  der  syntaktischen  Kategorien  aus  den  logischen 
Denkformen  braucht  heute  kaum  mehr  gewarnt  zu  werden.  Dagegen  dürften 
mit  Rücksicht  auf  die  heutige  syntaktische  Forschung  folgende  prinzipielle 
Bemerkungen  immer  noch  nicht  überflüssig  erscheinen. 

Man  hat  strenge  zu  scheiden  zwischen  der  allgemeinen  Bedeutung  einer 
Form  und  ihrer  Grundbedeutung. *)  Jene  wird  durch  Zusammenfassen  der 
einzelnen  Gebrauchsweisen  einer  Form  zu  einem  höheren,  gemeinsamen  Be- 
griff gewonnen,  ist  eine  allgemeine  Formel,  auf  die  man  die  einzelnen  Funk- 
tionen zu  bringen  sucht,  und  hat,  als  ein  Produkt  logischen  Abstrahierens, 
nur  einen  Wert  für  die  Orientierung.  Diese  ist  die  ursprüngliche  Funk- 
tion, aus  der  die  einzelnen  Bedeutungen  sich  im  Lauf  der  Zeit  entwickelten, 
also  streng  genommen  immer  die  Funktion,  welche  die  Form  zu  der  Zeit 
hatte,  als  sie  entstand.  Sie  kann  lediglich  auf  historischem  Wege  gefunden 
werden.  Und  muss  sie,  wie  es  meistens  der  Fall  ist,  jenseits  der  durch 
Denkmäler  bezeugten  Periode  der  Sprache  gesucht  werden,  so  kann  nur 
die  Vergleichung  der  anderen  Dialekte  und  Sprachen  die  Mittel  zu  ihrer 
Feststellung  an  die  Hand  geben.  Nun  liegt  aber  der  Ursprung  der  flexi- 
rischen  Elemente,  an  die  sich  in  der  Regel  die  syntaktischen  Funktionen 
knüpfen  (vgl.  z.  B.  das  -/-  in  (f^Qo-i-i^uv,  das  -og  und  -<o  in  nod-og  und 
iT.To-io),  allermeistens  weit  jenseits  des  Sprachzustandes,  den  die  Sprach- 
forschung durch  Vergleichung  der  verschiedenen  idg.  Sprachen  mit  einiger 
Sicherheit  zu  erschliessen  im  stände  ist  (Ausgang  der  idg.  Urgemeinschaft), 
und  die  Versuche,    den  Ursprung  auf  etymologischem   Wege   aufzuklären 

')  Vgl.    KvicALA,    Ztschr.    f.    d.   österr.      4.  1;  Paul.  Princip. '  85. 
Gymnaa.  1863  S.  305;  Delbrück,  S.  F.  1,  11.   , 


14  A.  Qriechische  Chrammatik.    a)  fiinleitiing. 

(vgl.  z.  B.  die  Herleitung  des  optativischen  -i-,  -i-  von  der  Wurzel  ei- 
«gehen^),  sind  zu  unsicher,  um  einen  Anhalt  für  die  Feststellung  des  Orund- 
begriffs  abgeben  zu  können.  Hieraus  erwachsen  der  historischen  Syntax 
grosse  Schwierigkeiten.  Und  diese  mehren  sich,  wo  zum  Ausdruck  der- 
selben Funktion  verschiedene,  etymologisch  nicht  vereinbare  Formationen 
neben  einander  dienen.  Was  etymologisch  verschieden  ist,  hatte  wahr- 
scheinlich im  Anfang  auch  verschiedene,  wenn  vielleicht  auch  nur  sehr 
wenig  verschiedene  Bedeutung.  So  wird  z.  B.  der  sigmatische  Aorist  (ßSti^a) 
von  Beginn  an  nicht  dasselbe  bedeutet  haben  wie  die  starken  Aoriste 
(läofievy  iffvyovy  rjyayov  etc.);  sondern  in  ähnlicher  Weise  wie  im  Latei- 
nischen der  ursprüngliche  Konjunktiv  und  der  ursprüngliche  Optativ  so 
zusammenrannen,  dass  die  Konjunktivformen  (z.  B.  feram)  die  Optativbedeu- 
tungen und  die  Optativformen  (z.  B.  sim)  die  Konjunktivbedeutungen  mit 
übernahmen,  wird  auch  ein  Teil  der  aoristischen  Funktionen  anfänglich  nur 
an  den  5-Formen,  ein  anderer  Teil  an  den  andern  Formen  gehaftet  haben 
und  dann  eine  Funktionsvermischung  eingetreten  sein  (§  159).  In  solchen 
Fällen,  wo  mehrere  altüberkommene  Formationen  mit  gleicher  Gebrauchs- 
weise in  der  historischen  Gräzität  neben  einander  standen,  ist  also  eine 
Zurückführung  der  verschiedenen  Funktionen  auf  einen  einheitlichen  Aus- 
gangspunkt von  vornherein  unzulässig.  Ferner  ist  zu  beachten :  in  den  sehr 
häufigen  Fällen,  wo  eine  Formkategorie  schon  in  uridg.  Zeit  verschiedene 
Bedeutungen  hatte  —  z.  B.  wurde  der  Optativ  schon  damals  zugleich  als 
Potentialis  und  als  Wunschmodus  gebraucht  (§  166)  —  muss  die  einzel- 
sprachliche Grammatik  sich  hüten  die  Funktionen  auf  dem  einzelsprach- 
lichen Gebiete  historisch  vermitteln  zu  wollen.  £s  ist  a  limine  verkehrt, 
zu  fragen:  welches  war  die  Grundbedeutung  des  Optativs  fürs  Griechische 
(im  Gegensatz  zum  Indischen,  Italischen  etc.)?  Aus  allem  dem  ergibt  sich, 
dass  in  der  syntaktischen  Forschung  das  Suchen  nach  den  Grundbegriffen 
die  allerletzte  Aufgabe  ist,  dass  man  meistens  auf  die  Lösung  derselben 
überhaupt  verzichten  muss  und  nur  festzustellen  hat,  welche  Anwendungen 
einer  Formenkategorie  aus  den  Zeiten  der  gemeinsamen  Ursprache  stammten 
und  was  aus  ihnen  im  Verlauf  des  Sonderlebens  der  einzelnen  Sprache  wurde. 

Die  verschiedenen  syntaktischen  Funktionen  einer  Form  bestimmen 
sich  nach  dem  Satzzusammenhang  (vgl.  fSvDxa  in  den  beiden  Sätzen  iSwxa 
ravta  und  sl  slxov^  i6o)x  ar),  und  es  ist  von  Wichtigkeit,  dass  man  überall 
die  immanente  Bedeutung  einer  Form,  d.Ti.  die,  welche  sie  unter  allen  Um- 
ständen hat,  und  die  zufällige,  d.  h.  die,  welche  sie  über  jene  hinaus  hat  und 
welche  ihr  nur  in  einem  gewissen  Zusammenhang  und  nur  durch  diesen  zu- 
kommt, klar  auseinander  halte.  Letztere  wird  oft  mit  der  ersteren  verwechselt. 
So  hatte  z.  B.  das  partic.  aor.  nichts  von  Vergangenheitsbedeutung  an  sich, 
diese  wurde,  wo  sie  vorzuliegen  scheint  (z.  B.  «/rwr  ravra  d/rf^frv),  nur 
erst  durch  die  bestimmte  Verbindung  erzeugt *(§  161),  war  also  zufallig, 
während  dagegen  der  Sinn  der  Aktionsart  (§  159)  der  Form  immanent  war. 

Ein  weiteres,  bei  syntaktischer  Forschung  oft  übersehenes  Erfordernis 
ist,  dass  man  nicht  in  die  Sprache  hineinlege,  was  nicht  dem  Schriftsteller 
selbst,  dessen  Worte  fnan  untersucht,  in  der  Seele  gelegen  hatte.  Dieser 
nach  vielen  Richtungen  hin  zu  beachtende  Grundsatz  soll  hier  nur  auf  einen 


fi.  Methodologisohes  zur  Lautlehre  und  zur  dyntaz.  (§  ä.)  15 

Fall  beispielshalber  angewandt  werden.  Wenn  es  gilt,  den  Verlauf  einer 
syntaktischen  Entwicklung  durch  die  Denkmäler  hindurch  zu  verfolgen, 
so  werden  oft  gewisse  den  Schriftstellern  entnommene  Beispiele  als  solche 
hingestellt,  in  denen  noch  die  ursprüngliche  Bedeutung  hervortrete,  die 
ooch  den  Anfangspunkt  der  Bewegung  zeigten.  Man  nehme  z.  B.  die  Ver- 
suche, in  homerischen  Sätzen  die  alte  parataktische  Fügung  nachzuweisen, 
wie  A  470  deiSw,  fitj  ti  naO^naiv:  „Ich  bin  in  Furcht.  Dass  ihm  nur  nichts 
zustösst!*"  Man  darf  zwar  solche  Beispiele  zur  Erläuterung  des  ursprüng- 
lichen Sprachzustandes  heranziehen,  muss  sich  aber  darüber  klar  sein,  dass 
die  Zurückführung  auf  die  ursprüngliche  Form  an  dem  einzelnen  Beispiel 
nur  insofern  statthaft  ist,  als  dasselbe  den  gesamten  Satztypus  vertritt; 
der  Versuch,  in  jedem  Beispiele  an  und  iur  sich  die  ursprüngliche  Form 
wiederzufinden,  ist  weder  thatsächlich  durchführbar  noch  theoretisch  gerecht- 
fertigt. Denn  sobald  ein  neuer  Typus  in  einer  Anzahl  von  Beispielen  ein- 
mal geschaffen  ist  —  die  Nebensätze  stammten  als  solche  zum  grossen  Teil 
aus  der  idg.  Grundsprache  (§  203)  — ,  wird  das  in  ihnen  vorliegende  Bei- 
spiel von  den  nachkommenden  Geschlechtern  nachgeahmt  und  gedächtnis- 
massig reproduziert,  ohne  dass  die  verschiedenen  Momente  der  Entwicklung, 
welche  die  ersten  Beispiele  durchzumachen  hatten,  ferner  noch  irgendwie 
eine  Rolle  spielen.  Jener  Irrtum  ist  also  von  ähnlicher  Art  wie  der- 
jenige, zu  dem  die  gewöhnliche  Fassung  von  Lautregeln  in  der  praktischen 
Grammatik,  z.  B.  „t,  J,  ^  gehen  vor  ^-Lauten  in  <r  über,  wie  dvva'O^rjvai 
von  ai'vr-w,  neKT'&fjvai  von  Tteix^-a)'*,  so  leicht  führt:  der  betreffende  Laut- 
übergang vollzog  sich  nicht  immer  von  neuem,  sondern  war  in  der  Zeit, 
für  die  man  die  Verwandlungsregel  aufstellt,  bereits  abgeschlossen,  und 
die  damals  Lebenden  hatten  die  betreffenden  Formen  entweder  rein  ge- 
dächtnismässig  aufgenommen  und  reproduzierten  sie  auch  so,  oder  sie  hatten 
dieselben  nach  Analogie  (etwa  nsiad^rivai  zu  insiaa  nt'nfiainai  nach  Sqsi- 
ai^r^ran  r^geiaa  iQjf^Qfiafim  u.  ähnl.)  gebildet.  Vgl.  hierzu  noch  §  203  Anmerk. 
und  Urtel,  Progr.  von  Weimar  1884  S.  4. 

Leskiek,  Die  Decl.  im  Slavisch-litauischen  und  Gernianischen,  1876.  Verf.  M.  U.  1 
Vorwort,  wo  zugleich  andere  ältere  Litteratur  verzeichnet  ist  fp.  XIII).  Misteli«  Ztschr. 
för  V5lkerp8.  11,  365  £F.  12,  1  £F.  Osthoff,  Das  physiologische  und  psychologische  Moment 
in  der  sprachlichen  Formenbildung,  1879.  Delbrück,  Einleitung  etc.  (s.  §  1  S.  7).  Masino, 
Laatgesetz  und  Analogie  in  der  Methode  der  vergleichenden  Sprachwissenschaft  (Jahresber. 
der  St.-ADnenschule  in  St.  Petersburg),  1883.  Bloomfield,  On  the  probability  of  the  exi- 
stence  of  phonetic  law,  Amer.  Journal  of  Philol.  5,  178  ff.  G.  Karsten.  Zur  Gesch.  d. 
altfranz.  Consonanten Verbindungen,  Freiliurg  1884,  S.  14  ff.  John,  Über  die  methodischen 
Prinzipien  der  sog.  Junggrammatiker,  Korresp.-Iil.  f.  d.  Gel.-  und  Realschulen  1884,  3.  u.  4. 
Heft  6.  CuRTius,  Zur  Kritik  der  neuesten  Sprachforschung  1885,  S.  6  ff.  Delbrück,  Die 
neaeste  Sprachforschung,  1885,  S.  8  ff.  Verf.,  Zum  heutigen  Stand  der  Sprachwiss.,  1885, 
8. 47  ff.  SceucHARDT,  Ober  die  Lautgesetze,  1885.  Wukdt,  Über  den  Begriff  des  Gesetzes, 
mit  Rücksicht  auf  die  Frage  der  Ausnahmslosigkeit  der  Lautgesetze,  Philosoph.  Stud.  3, 
195  ff.  Jespersen,  Zur  Lautgesetzfrage,  Techmer's  Internat.  Ztschr.  f.  allgem.  Sprachwiss. 
3,  188  ff.  Gröber  in  seinem  Grundriss  der  roman.  Philol.  1,  209  ff.  Paul,  Principien 
der  Sprachgeschichte.  2.  Aufl.  1886,  besonders  S.  46  ff.  (mit  der  Besprechung  von 
Bkbaguel,  Literaturbl.  f.  germ.  und  roman.  Philol.  1886,  S.  443).  Ascoli,  Sprachwissen- 
BchafÜiche  Briefe,  1887,  S.  173  ff.  Weitere  Littoratumachweise  bei  Schuchabdt  a.  0.  p.  V  sq. 
und  bei  Techmer,  Internat.  Ztschr.  för  allgem.  Sprachwiss.  3,  403  ff.  —  Speziell  über 
Syntax:  L.  Lange,  Über  Ziel  und  Methode  der  syntakt.  Forschung,  Verh.  der  Göttinger 
Philologenvers..  1852;  Delbrück,  Über  die  Resultate  der  vergleichenden  Syntax,  Verh.  der 
Leipziger  Philologen vers.,  1872;  Ziemer,  Junggrammatische  Streifzüge,  2.  Aufl.  1883, 
2.  Abschnitt. 


16 


A.  Orieohiflohe  Grammatik,    a)  Einleitung. 


3.  Die  Stellung  des  Griechischen  im  Kreise  der  idg.  Sprachen 
und  die  griechischen  Hundarten. 

Obwohl  es  a  priori  nicht  unwahrscheinlich  ist,  dass  das  Griechische 
zu  einem  oder  dem  andern  der  übrigen  Glieder  der  indogermanischen  Sprach- 
familie ^)  in  näherer  verwandtschaftlicher  Beziehung  stand  als  zu  den  andern, 
so  ist  doch  eine  solche  Beziehung  von  der  Sprachwissenschaft  bis  jetzt 
weder  bewiesen  noch  wahrscheinlich  gemacht.  Die  beliebte  Annahme  einer 
gräkoitalischen  Sondereinheit  entbehrt  bis  jetzt  jeder  festeren  Grundlage. 

JoH.  Schmidt,  Die  Verwandtschaftsverhältnisse  der  idg.  Sprachen  1872.  Delbrück, 
Einleitung,  2.  Aufl.,  131  ff.  0.  Scbbadeb,  Sprachvergleichung  und  Urgeschichte,  1883, 
S.  66  ff.  Vf.,  Zur  Frage  nach  den  Verwandtschaftsverhftltn.  der  idg.  Sprachen,  in  Tbch- 
mer's  Internat.  Ztschr.  für  allgemeine  Sprach wissensch.  1,  226  ff.  P.  von  Bradke,  Beiträge 
zur  Kenntnis  der  vorhistorischen  Entwickelung  unseres  Sprachstammes,  Giessen  1888. 

Von  den  zahlreichen  Neuerungen,  welche  das  Griechische  in  allen  Ge- 
bieten der  Grammatik  sowie  im  Wortschatz  zur  Zeit  der  griechischen  Ur- 
gemeinschaft erfuhr  und  welche  die  griechischen  Mundarten  gegenüber  den 
andern  indogerman.  Sprachen  als  eine  geschlossene  Einheit  erscheinen  lassen, 
seien  beispielshalber  genannt:  ^a,  ccq  aus  r,  z.  B.  ion.-att.  ^öqccxov  =  ai. 
ddriam  (§  23);  -r  aus  -w,  z.  B.  ion.-att.  ft^or  =  lat.  jugum  (§  20); 
Schwund  von  s  zwischen  Vokalen,  z.  B.  ion.  ytvsog  att.  ytvovg  =  ai. 
jänas-as  (§  45);  -rc-  aus  -nti-,  z.  B.  gen.  kret.  (f€Q6vaag  att.  ifsqovarfi  aus 
^pherontias,  vgl.  ai.  hhdrantyäs  (§  38);  Bildung  einer  Komparativkategorie 
mittels  des  Suffixes  -/en-,  wie  t^^'(a)v  (§  71,  2.  73,  3),  und  einer  Superlativ- 
kategorie  mittels  -Taro-,  wie  (afio-Tavo-g  (§  70,  14b);  Bildung  der  Kategorie 
des  x-Perfekts  wie  i'arrjxa  (§  135);  Umbildung  des  nom.  und  gen.  sg.  der 
männlichen  fl-Stämme  nach  der  Analogie  der  ö-Stämme,  wie  att.  noXixr^^q 
noXtxov  (§  75.  79);  Schöpfung  der  medialen  Imperativform  auf  -<r^a),  wie 
ffsqäad^iüy  nach  dem  Muster  der  aktiven  Form  auf  -reo  (§  114);  Medialisierung 
der  Infinitivendung -c^ai,  wie  (fbQsa&ai  (§  146,  1);  Entwicklung  des  gene- 
tivus  absolutus  (§  171);  Entwicklung  des  Optativs  der  indirekten  Rede  (§  167). 

Von  Beginn  der  Überlieferung  erscheint  die  griechische  Sprache  in 
dialektischer  Variation  und  befand  sich  sicher  auch  schon  Jahrhunderte  vor 
Homer  in  diesem  Zustande.  Die  alte  Dreiteilung  der  Mundarten  in  Äolisch, 
Dorisch  und  Ionisch  ist  wissenschaftlich  ungenügend,  ebenso  aber  auch  jede 
andere  die  Dialekte  im  Sinne  der  „Spaltungs-""  oder  „Stammbaumtheorie' 
sondernde  Einteilung,  die  einige  Hauptgruppen  aufstellt,  diese  wieder  in  so 
und  so  viele  Untergruppen  teilt  u.  s.  f.  Die  dialektische  Differenzierung 
vollzog  sich,  wie  anderwärts,  so  auch  auf  griechischem  Boden  nur  zum 
Teil  infolge  von  Spaltungen  und  geographischen  Trennungen  des  Volkes. 
Vielfach  ging  sie  vor  sich,  ohne  dass  die  geographische  Kontinuität  des 
Sprachgebietes  aufgehoben  und  der  Volksverkehr  wesentlich  beschränkt 
war.  Es  können,  was  früher  oft  unbeachtet  geblieben  ist,  bei  geographi- 
schem Zusammenhang  sprachliche  Neuerungen  in  einem  Gebiete  aufkommen 
und  sich  über  dieses  verbreiten,  dessen  einer  Teil  zu  einem  andern  Dialekt 
oder  einer  andern  Dialektgruppe  gehört  als  der  andre,  so  dass  die  Grenze, 


')  Man  merke  die  Abkürzungen:  ai.  = 
altindisch,  av.  =  avestisch,  air.  =  altiriscli, 
ahd.  =  althochdeutsch,   nhd.   =   neuhoch- 


deutsch, ]it.  ^litauisch,  aksl.  =»  altkirchen 
slavisch. 


d.  Die  Stellaiig  des  GriechiBohen  im  XreiB  der  idg.  Sprachen  etc.  (§  3.)       17 


die  man  sonst  im  Sinne  der  Spaltungstheorie  zieht,  für  diese  Sprach- 
erscheinungen nicht  gilt.  Aber  auch  diese  werden  in  der  Wissenschaft 
als  mundartliche  Erscheinungen  bezeichnet,  und  ihr  Verbreitungsgebiet  ist 
als  eine  Einheit  zu  betrachten.  Man  bringt  also  das  Bild  der  Stammtafel 
nur  zu  stände,  indem  man  willkürlich  eine  Anzahl  von  Verschiedenheiten 
herausgreift  und  über  andere  hinwegsieht.  *)  Was  aber  die  Ermittlung  des 
Verlaufes  der  dialektischen  Differenzierung  noch  besonders  erschwert,  ist 
der  Umstand,  dass  vielfach  die  Sprechenden  in  verschiedenen  Gegenden 
unabhängig  von  einander  auf  dieselbe  Neuerung  verfallen  und  wir  solche 
Übereinstimmungen  nur  bei  bedeutenderer  räumlicher  Trennung  als  zufallige 
zu  erkennen  vermögen.  Zufalliges  Zusammentreffen  in  Neuerungen  gibt  aber 
natürlich  kein   Kriterium  engeren  historischen   Sprachzusammenhangs   ab. 

Über  die  griechischen  Dialekte  im  Allgemeinen.  Ahrbns,  De  Graecae  lin- 
gnae  dialectis,  I.  De  dialectis  Aeolicis,  1839,   II.  De  dialecto  Dorica   1843.    Meister,   Die 

r'echischen  Dialekte  auf  Grundlage  von  Ahrens'  Werk  ,De  Gr.  1.  dial."  dargestellt, 
Asiat isch-Äolisch,  Böotisch,  Thessalisch,  1882.*)  Collitz,  Die  Verwantschaftsverhftitnisse 
der  Griech.  Dialekte  mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  Thessalische  Mundart,  Gott  1885. 
Pkzzi,    La  lingua  greca,  p.  309—474.     JoBANSsoif   Nägra  ord    om   dialekter,  specielt  de 

grekiska,  Aftryck  ur  Upsala  Universitets  Arsskrift  1887.  H.  W.  Smtth,  The  dialects  of 
North  Greece,  Americ.  Joum.  of  Philol.  7,  421  ff.  0.  Hoffmann,  De  mixtis  Graecae 
linguae  dialectis,  Gott.  1888. 

Inschriftensammlungen,  die  dem  Studium  der  Dialekte  dienen.  Sammlung  der 
griech.  Dialekt-Inschriften,  herausgeg.  von  H.  Colutz  (und  F.  Bbchtbl):  I,^Eypro8,  Äolien, 
Thessalien,  Bdotien,  Elis,  Arkadien,  Pamphylien,  1884.  II,  1,  Epirus,  Akamanien,  Gebiet  der 
Anianen  und  Phthiotis,  Lokris  und  Phokis  1885.  III,  1,  Megara,  1888.  IV,  1.  2  Wortregister 
zu  I.  und  zu  II,  1,  1886  und  1888.  Cauer,  Delectus  insciiptionum  Graecarum  propter 
dialectnm  memorabilium,  ed.  II.  1883. 

Es  folgt  eine  Aufzählung  der  Mundarten,  wie  wir  sie  vorzugsweise 
aus  den  inschriftlichen  Überresten  kennen  lernen.  Unsere  Zusammenfassung 
zu  kleineren  und  grösseren  Gruppen  stützt  sich  auf  Spracherscheinungen, 
die  sich  in  mehreren  Mundarten  zugleich  finden,  darf  aber  nach  dem  oben 
dargelegten,  wie  alle  solche  Gruppierungen,  zunächst  nur  einen  Wert  als 
Orientierungsmittel  beanspruchen  und  ist  keine  irgend  genaue  und  er- 
schöpfende Darstellung  des  Entwicklungsganges,  den  die  mundartliche 
Differenzierung  der  griechischen  Sprache  genommen  hatte.  Wir  fügen  bei- 
spielsweise einige  Charakteristika  aus  der  Laut-  und  Formenlehre  hinzu  (die 
anzuführenden  Erscheinungen  waren  jedoch  nicht  jedesmal  ausschliessliches 
Eigentum  des  betreffenden  Dialektes  oder  der  betreffenden  Dialektgruppe) 
und  nennen  neuere  Arbeiten  über  die  einzelnen  Mundarten.^) 

I.  Ionisch-attische  Gruppe,  r]  gegenüber  ä  in  andern  Mundarten, 
2.  B.  lir^xriQ  =  dor.  iicnr^Q  (§  10),  r]iiHg  =  dor.  antg  (§  56.  58).  p  früher 
geschwunden  als  anderwärts  (§  13). 

A.  Ionisch.*)     ij   für   ä   auch  nach    q^  i,  e,  i;,   z.  B.   nqriKsam  =  att. 


0  Vgl.  Paul,  Princip.«  35  flf.  337  ff. 
Mexzdobf,  Sprachwissenschaftl.  Abhandl.  aus 
G.  Curtiufl'  graram.  Gesellsch.  1874  S.  21  ff. 

*)  Der  zweite  Band  dieses  Werkes  be- 
findet sich  im  Drucke.  Die  sieben  ersten 
Bogen  desselben  konnte  ich  durch  die  Güte 
des  Verfassers  bereits  für  diese  Grammatik 
benutzen. 

')  Vollständigere    Aufzählung    der    be- 


züglichen Litteratur  bei  G.  Meybb,  Gr.  Gr.* 
p.  XIX  sqq.  und  bei  Fezzt  a.  a.  0. 

^)  Ermau,  De  titulorum  Ion.  dialecto, 
CuRTiü8'%3tud.  5,  249  ff.  Eabstbn,  De  titu- 
lorum Ion.  dialecto,  Hai.  Sax.  1882.  Bechtel, 
Die  Inschriften  des  ion.  Dialekts,  Abh.  der 
kgl.  Ges.  der  Wiss.  zu  Göttingen  XXXIV, 
1887. 


Buidbuch  der  klMi.  AltertumswiasenBcbAft.  U.    2.  Aufl 


18 


A.  Grioohische  Grammatik,    a)  Einleitiing. 


ngatTO),  xqnfjxovtcc  =  att.  tqiaxovtcc  (§  10).     cc  gegenüber  att.  tt,  z.  B. 
nqriaao)  (§  38). 

1.  Mittlerer  Teil  der  Westküste  Eleinasiens  mit  den  Inseln  Chios 
und  Samos  (ionische  Dodekapolis). 

2.  Kykladen:  Naxos  und  Eeos;  Delos,  Faros  mit  Thasos  und  Pharos, 
Siphnos. 

8.  Euböa:  Chalkis  mit  den  Kolonien  Eyme,  Rhegion  u.  a.;  Eretria 
(Rhotazismus,   wie  in  onogai  =  att.  oTrocrai,  §  39)  und  Styra. 

B.  Attisch.^)  Zeigt  am  häufigsten  von  allen  Dialekten  Eontraktion 
von  Vokalen,  z.  B.  axoov  aus  däxwvy  ^b'Qjj  aus  (f€Q€m  (§  17). 

II.  Dorische  Gruppe.  3.  sg.  auf  -r/,  didiOTi  =  att.  didwai^  3.  pl. 
auf  -IT*,  iftqovu  =  att.  (pe'Qovai  (§  37).  1.  pl.  act.  auf  -fieg,  ^tQOfieg  =  att. 
^äQOfiev  (§  107).  Aktive  Personalendungen  in  den  zu  den  Passivaoristen 
gehörigen  Futura,  z.  B.  kret.  dvayqaq>r^aH  (oder  -rjast)  =  att.  cb'ay^yij- 
aatat,  rhod.  iitifAeXij&r^cevvri  =  att.  imfAsXtjd'r^co^'Tai  (§  150). 

A.  Lakonika  mit  Tarent  und  Herakleia. 

1.  Lakonika.  2)  ü,  ü  =  att.  r,  v,  z.  B.  iiovaiSdei  =  ^fiv&f^ei  (§  7). 
^  (P^)  =  att-  ^j  z.  B.  aio-  =  ^€0-  (§  34).     Intervokalisch   h   =   att.  er, 

Z.  B.  €vt]ß(6aig  =  ivtjßoiaaig  (§  39). 

2.  Tarent  und  Herakleia.^)  Herakl.  dat.  pl.  der  partizipialen  »ir-Stämme 
auf  -«(rc/,  wie  nqaaa6v%-aaai  (§  72,  3.  90). 

B.  Messenien.  Eonjunktivformen  wie  t/'^i^it»  =  att.  fi^ai,  y^a- 
yi^tTi  =  att.  ypaycöcri  (§  142,  1). 

C.  Argolis  und  Ägina.  -vg,  wie  in  Tovg  vtovg  =  att.  rovg  viovg  (§  55). 
Intervokalisch  h  =  att.  c,  z.  B.  dtfjuoii^  =  att.  dr^jnoat^  (§  51). 

D.  Eorinth  mit  Eorkyra  (Syrakus  u.  a.,  s.  F.).  Erhaltung  des  f  auch 
nach    Eonsonanten,    korinth.   Jpsiviä,    S*Tfcür,    Uv^pog^    kork,    nqo^svpog^ 

oQrOS  (§  13). 

E.  Megara  mit  Byzanz  (und  Selinus,  s.  F.).*)     Meg.  ca  =  rira  (§  95). 

F.  Die  peloponnesischen  Eolonien  Siziliens.*)  Vgl.  D,  und  E.  In- 
wieweit die  Mundarten  der  verschiedenen  Städte  die  Eigentümlichkeiten 
der  Mutterstädte  festgehalten  und  inwieweit  sie  sich  durch  Sprachmischung 
in  Sizilien  selbst  verändert  hatten,  ist  bei  der  Dürftigkeit  der  QueUen  nicht 
mehr  zu  ermitteln,  v  aus  A  vor  ^-Laut^n,  wie  ßävviavog  (§  22).  Imperat. 
(syrak.)  Xaßov  (§  144).     Perf.  ohiXw  =  att.  iXwXa  (§  134). 

G.  Ereta.*)  Nicht  unerhebliche  Verschiedenheiten  innerhalb  der  Sprache 
dieser  Insel.     Erhaltung  von  r<r,  wie  Tidraarg  =  att.  Tidaag  (§  55).     v  =  X 


^)  Caukr.  De  dialecto  Attica  Tetustiore, 
CcBTirs*  Stad.  8.  223  ff..  399  ff.  van  Hbb- 
WERDBX,  Lapidum  de  dialecto  Attica  testi- 
monia,  Traj.  ad  Rh.  1880.  Riexakk,  Le 
dialecte  attique  d*apr^  les  inscriptions,  ReTue 
de  pbilol.  5,  145  ff..  9,  49  ff.  Meister- 
HANS,  Grammatik  der  att  Inschriften.  2.  Aufl. 
1888.  Hecht.  Orthographi^h  -  di^ektische 
Forschungen  auf  Grund  att.  Inschriften  188o. 
Kretschmer,  Über  den  Dialekt  der  att.  Vasen- 
inschriften. K.  Z.  *29.  381  ff. 

-)  MÜLLE.VSIEFEN,  De  tituloTum  Laconi- 
comm  dialecto,  Diss.  phil.  Argentor.  6, 131  ff.   . 


')  Meister,  De  dialecto  Heracliensiom 
Italicorum.  Curtics*  Stud.  4,  355  ff. 

*)  Schneider.  De  dialecto  Megarica,  Giss. 
1882. 

')  Ahreks,  De  dialecto  Sicula,  MonasL 
1868. 

«)  Hey,  De  dialecto  Cretica.  Dess.  1869. 
Helbio,  De  dial.  Cret,  Plav.   1873.    J.  und 


phüolog. 

Wochenschr.  7  n.  1  ff.     Herforth,  De  dial. 
Cret,  Hai.  1887. 


8.  Die  Siellimg  des  Ghrieohiechen  im  Kreis  der  idg.  Sprachen  etc.  (§  3.)      1  9 


vor  Konsonanten,  wie  in  avaoq^  adavqfiaC  (§  22).  Lautgruppe  cp  in  piapov 
=  att.  Tfxov  (§  13).  TT  und  f  =  homer.  ccr  att.  <r  aus  urgr.  r/  und  tc, 
z.  B.  inoTTog  o^og  =  orroaaog  ocrcro^,  onoaog  oaoq^  SarraO^d^m  da^ad-ai 
=  Sdaaac&w  (§  38).  -Jd-  rf-  und  t  (rr)  =  ion.-att.  C,  z.  B.  dixaddo) 
=  Axafw,  ^^r«  7^1'«  Tr^va  =  Z^ta  (§41).  ^^  =  att.  <r^,  z.  B. 
iiiox^O-oi}  =  did6ad-(ü  (§  48),  vgl.  täu^  x^vyciräqaq^  ncnqdi  dovrog,  zotk  Xsiovai 
=  att.  Tiig,  noTQogy  roTg  (§  64).  Im  acc.  pl.  Neubildung  -avg  für  -ag, 
z.  B.  emßaXXovT-avg  (§  87). 

H.  Melos  und  Thera  nebst  Kyrene. 

I.  Rhodos  mit  seinen  sizilischen  Pflanzstädten  Oela  und  Akragas.^) 
Inf.  auf  -/i«v  für  -fisv,  z.  B.  ^ä-fieiv  =  &ä'fji€v  (§  146,  2). 

E.  Andere  dor.  Inseln  des  ägäischen  Meeres:  Anaphe,  Astypaläa, 
Telos,  Kos,  Kalymna  u.  a. 

Anmerkung.  Ahrens  schied  die  dorischen  Mundarten»  zu  denen  er  auch  unsere 
nordwestgriecbische  Gruppe  (III)  rechnete,  in  eine  severior  und  mitior  Doris,  je  nachdem 
f  durch  Kontraktion  mit  folgendem  €  oder  durch  „Ersatzdehnung"  zu  rj  oder  zu  et,  und 
entsprechend  o  durch  Eontraktion  mit  folgendem  o,  «  oder  durch  „Ersatzdehnung*  zu  co  oder 
m  ov  geworden  erscheint.  Diese  von  G.  Meter  u.  a.  bekämpfte  Scheidung  kann  man, 
wie  JoHAüssoN  De  derivatis  verbis  contractis  p.  22  sqq.  zeigt,  bei  richtiger  Auffassung 
der  sprachgeschichtlichen  Yorgftnge  auch  heute  noch  gelten  lassen.     Vgl.  §  17  Anm. 

III.  Nordwestgriechische  Gruppe,  ei  aus  €€  und  durch  „Ersatz- 
dehnung*"  aus  f ,  wie  im  lon.-Att.  (§  55.  56.  58).  Neubildung  des  dat.  pl.  der 
konsonantischen  Stämme,  auf  -oic,  wie  fieiov-otg  =  att.  fiefoai  (§  90).  €v 
mit  Akkusativ  (§  178). 

A.  Epirus,  Akamanien,  Atollen,  Oebiet  der  Änianen  und  Ötäer  und 
Phthiotis. 

B.  Lokris  und  Phokis  (besonders  Delphi). 2)  <rr  =:  att.  <r^,  wie  ikäarco, 
d.  h.  ^  blieb  nach  a  Verschlusslaut  (§  34).  Partie.  xaXsifievog  aus  *xaAf(()6- 
fievog  gegenüber  att.  xaXovfisvog  aus  *xaX€(i)ofi€vog  (§  118). 

1.  Lokris.     Übergang   von   *   in   a   vor  q,  z.  B.  acc.   naTaqa  (§  27). 

2.  Phokis.     fSvXr^ovteg,  xXäqwsiv  (§  123). 

Zu  dieser  III.  Gruppe  darf  man  wohl  auch  die  Sprache  von  Achaja 
stellen.  Sie  bietet  die  Nominativformen  auf  -eg  auch  als  Akk.  gebraucht, 
z.  B.  tovg  iXdaaovsg^  wie  delph.  ^väg  Sexaxtxoqsg^  welche  Erscheinung  sich 
freilich  auch  im  El.  und  Messen,  findet  (§  177). 

IV.  Nordostgriechische  oder  äolische  Gnuppe.^)  Verwandlung 
der  Verbindung  eines  kurzen  Vokals  mit  folgendem  antevokalischem  p  in 
einen  Diphthongen,  z.  B.  evidov  aus  e-t^ido-n  (§  13.  14).  -saai  im  dat.  pl. 
der  konsonantischen  Stämme,  z.  B.  avdq-saai  (§  90).  Part.  perf.  act.  auf 
fäv  -ovTog^  z.  B.  lesb.  nsnor^xtav  (§  134).  Angabe  des  Namens  des  Vaters 
mittels  eines  Adjektivs  auf  -lo-g^  wie  böot.  Jiog>dv€iog. 

A.  Lesbos  und  das  äolische  Kleinasien.^)     Barytonesis,  z.  B.  narafiog 


')  BbÜll,  Über  den  Dialekt  der  Rhodier, 
Progr.  Leobschütz  1875. 

')  Allek,  De  dialecto  Locrensium,  Cur« 
nus*  Stud.  3,  205  ff.  Hartmans,  De  dia- 
lecto Delphica,  Vratisl.  1874. 

')  Brand,  De  dialectis  Aeolicis  quae  di- 
eontur,  Berol.  1885. 


^)  YoLKUAVV,  Quaestionum  de  dialecto 
Aeolica  capita  duo,  Hai.  1879.  Führer, 
Ober  den  lesb.  Dialekt,  Arnsberg  1881,  und 
über  die  Stellung  des  Lesbischen  zu  den 
verwandten  Dialekten,  Bezzenberoer's  Beitr. 
6,  282  ff. 


o* 


20  A.  Griechische  Grammatik,    a)  fiinleitimg. 

=  att.  noTajjLog  (§  68).     •««!•-  aus  -avo'-,  -oia-  aus  -ova-  u.  dgl.,  z.  B.  nätacc 
=  kret.  Ttavaa  att.  Trao-a  (§  55).     Psilosis,  z.  B.  o  =  att.  o  (§  51). 

B.  Nordthessalien.  ^)  ov  =  att.  w,  z.  B.  iSovxe  =  Idcox«  (§  9).  Inf. 
auf  'Ceiv  -a&eiv  =  att.  -cxa*  -(r&ai,  z.  B.  ovyQdtpetv  iaata&Biv  =  dvayQaipat 
iaecö^ai  (§  146,  1.  6).  Pronomen  o-r«  (§  94).  Gebrauch  des  loc.  sg.  auf 
'Ol  als  gen.  (§  82.  181). 

C.  Böotien.2)  ü,  ü  =  att.  v,  v,  z.  B.  toiJx«  =  i^i^x^,  Schreibung  »ov 
nach  T  x^  d  V  X,  wie  in  IloXiov^evoq  =  IloXv^evog  (§  7).  a«,  o«  =  att. 
a*5  Ol  und  weitere  Verwandlung  in  rj^  v,  z.  B.  AiaxQtovdog,  r-i  (=  a&i)  und 
^^(TTo-^ofrog,  Ovv-aQxogj  und  Verwandlung  von  «  in  J,  z.  B.  af<fw  =  ion. 
äsidw  (§  15).  TT  =  homer.  cro'  att.  er  aus  urgr.  t/  und  ra,  z.  B.  onottoq 
und  xofJLiTrdfAsvog  (§  38).  -rfrf-  und  rf-  =  ion.-att.  f,  z.  B.  yQafifiauSdw, 
JmXoq  (§  41). 

In  ein  paar  charakteristischen  Spracherscheinungen  stimmten  einerseits 
Lesbisch  und  Thessalisch,  anderseits  Thessalisch  und  Böotisch  zusammen.^) 
Lesbisch-Thessalisch  z.  B.  vv  fifi  XX  qq,  wo  im  Boot,  und  sonst  Verein- 
fachung der  Doppelkonsonanz  und  eventuell  sogen.  Ersatzdehnung  statt- 
fand, wie  lesb.  xqivv(o  thessal.  xgewoo  =  xQtvw,  lesb.  afifis  thess.  a/iju*' 
=  T^l^dg  (§  56.  57).  Thessalisch-Böotisch  z.  B.  Übergang  von  ij  in  ei  (ge* 
schlossenes  e),  z.  B.  thess.  vaxeqonsivvict  =  vareQOfir^viA^  böot.  fAsiva 
=  /ii^va  (§  8);  'Vx^'  für  -W-  in  den  Endungen  der  3.  pl.  med.,  wie  thess. 
iyävovd-o,  böot.  iyQÜipavx^o  (§  107). 

V.  Elis.'*)  «  =  att.  urgr.  *;,  z.  B.  ia  =  «r;  (§  8).  -q  =  att.  s, 
z.  B.  Tip  =  rig  (§  45.  64,  1).  f  d.  i.  d  =  att.  c^,  z.  B.  ^ixaiog,  pei^wg 
=  dixaiog,  Udiag  (§  38). 

VI.  Arkadien  mit  Kypros.^)  Übergang  von  o  in  u,  z.  B.  ark. 
aüi;  =  aXXo^  kypr.  yevoixv  =  ytvoixo^  gen.  sg.  ark.  KaXXiav  kypr.  'Ova- 
cayoQav  (§  9).  3.  pl.  auf  -ai,  z.  B.  ark.  x^AciJwvcr*  =  att.  xtXevwai^  kypr. 
JJwcr«  =  att.  i^ovai  (§  37).  iv  =-  att.  iv  (§  27),  auch  mit  Akk.  (§  178). 
dnv  (=  att.  and)  und  «J  {ig)  mit  Lok. 

A.  Arkadien.  Gen.  sg.  der  fem.  ö-Stämme  auf  -av,  wie  C^fn'av  (§  79, 2  . 
Medialendung  -toi  für  att.  -rai,  wie  ibxaxroi  (§  108).  Pronominalformen  gen. 
sg.  Tö)-n  acc.  sg.  tav-vC  (§  94). 

B.  Kypros.  i-Epenthese,  wie  alXog  =  att.  iiXXog  (§  54).  Gen.  sg. 
der  o-Stämme  auf  -wv,  wie  aQyvqwv  (§  79,  3).  Acc.  sg.  der  konsonantischen 
Stämme  auf  -av  für  -a,  wie  a{v)SQnd{v)Tav  (§  77). 


')  VON  DER  Pfobdten,  De  dialecto  Thes- 
salica,  Monach.  1879.  Keuteb,  De  d.  Th., 
Berol.  1885  (Gegen  Heuteb's  AbtrennuDg 
der  Mundart  von  Pbarsalus  [Thessaliotis] 
vom  Nordthessalischen  p.  77  sqq.  erklärt  sich 
mit  Recht  Caueb  in  der  \Vochenschr.  f. 
klass.  Philo! .  1885,  S.  807).  Pbellwitz,  De 
d.  Th.,  Gott.  1885. 

^)  Brebmann,  De  dialecto  Boeotica,  Cüb- 
Tiüs*  Studien  9,  1  flf.  FOhbeb,  De  d.  B.,  Gott. 
187Ü. 

®)  Vgl.  Smyth,  Am  er.  Journ.  of  Phil. 
422  sqq.,  Reuteb,  p.  81  sq. 

-*)  Dahibl,  De  dialecto  Eliaca,  Hai.  1880. 


Pezzi,  II  dialctto  dell'  £lide  neile  iscrizioni 
testä  scoperte  (Memorie  della  R.  Accad.  delle 
scienze  di  Torino,  ser.  2^,  XXXIV)  1881. 

')  Gelbkb,  De  dialecto  Arcadica,  Güb- 
Tius'  Stud.  2,  1  fif.  Spitzeb,  Lautlehre  des 
arkad.  Dialektes,  Kiel  1883.  Rothb,  Quae- 
stiones  de  Cypriorum  dialecto  et  vetere  et 
recentiore  I,  Lips.  1875.  Dbbcke  und  Siegis- 
MUND,  Die  wichtigsten  kypr.  Inschriften, 
umschrieben  und  erläutert,  Cübtiüs'  Stud.  7, 
217  flf.  Ahbbns,  Zu  den  kypr.  Inschriften, 
Philologus  35,  1  ff.  Voigt,  Quaestionum  de 
titulis  Cypriis  particula,  Leipziger  Stud.  zur 
kiass.  Phil.  1,  251  ff. 


8.  Die  Stellimg  des  Griechisohen  im  Kreis  der  idg.  Sprachen  eto.  (§  3.)      21 

VII.  PamphylienJ)    Übergang  von   o  in  w  in  Flexionssilben,  z.  B. 

EaTpb{v)dnvq  =  'Aantvdioq  (§  9).     Verlust  des  Nasals  in  der  antekonsonan- 

tischen  Gruppe  Vokal  +  Nasal  (wie  in  Kypros),  z.  B.  ns(v)d€xa(d8xa  —  nsv^ 

Tfxaidsxa  (§  20).     -(v)<f-  =  att.  -vt-,  z.  B.  7is{v)d€xaid6xa  (§  43). 

Anmerkung.  Unsere  Gruppierung  der  griechischen  Dialekte  weicht  von  derjenigen, 
die  die  anderen  neueren  Arbeiten  geben,  meist  nur  unwesentlich  ab.  Hervorheben  will  ich 
bloss,  dass  G.  Meter,  Pezzi  und  Johansson  zunächst  eine  Zweiteilung  sämtlicher  Mund- 
arten, in  ionische  und  nicht-ionische,  vorgenommen  haben.  Gegenüber  der  bereits  oben  be- 
merkten Thatsache,  dass  keiner  der  verschiedenen  Gruppierungsversuche  so  angesehen 
werden  darf,  als  fahre  er  die  Entwicklungsgeschichte  der  dialektischen  Differenzierung  in 
einer  irgend  genügenden  Weise  vor  Augen,  sind  derlei  Abweichungen  ohne  Belang 

In  höherem  Masse  als  bei  den  meisten  andern  alten  Sprachen  bestand 
im  Griechischen  ein  Unterschied  zwischen  der  naiven,  volkstümlichen  Sprach- 
entwicklung und  der  litterarischen,  namentlich  der  dichterischen  Sprache 
(Schrift-  und  Kunstdialekte),  ein  Unterschied,  den  wir  freilich,  bei  der  Un- 
zulänglichkeit unserer  Kenntnis  der  naiven  Volksrede,  mehr  nur  vermuten 
als  klar  nachweisen  können.  Schon  das  älteste  auf  uns  gekommene  Orie- 
diisch,  die  Sprache  der  homerischen  Gedichte,  war  ein  Kunstdialekt,  welcher 
Formen  verschiedener  Zeiten  und  stark  auseinandergehender  Mundarten 
gemischt  zeigt  und  nie  und  nirgends  die  gewöhnliche  Verkehrssprache  ge- 
wesen sein  kann.  Von  dieser  Sprache  zeigt  sich  die  ganze  Poesie  der  fol- 
genden Zeiten  mehr  oder  weniger  beeinflusst.  Die  Mischung  der  Dialekte, 
durch  das  Vorbild  der  homerischen  Sprache  gewissermassen  zu  einem  kon- 
stitutiven Element  der  dichterischen  Diktion  geworden,  erscheint  in  der 
dorischen  Lyrik  am  weitesten  getrieben.  Unter  den  Prosaschriftstellern 
der  älteren  Zeiten  zeigen  Herodot  und  die  ältesten  Attiker  am  deutlichsten 
einen  Unterschied  gegen  die  volkstümliche  Umgangssprache,  welcher  bei 
den  letzteren  freilich  nicht  bedeutend  gewesen  sein  kann.  Gegen  Ende  des 
5.  Jahrh.  v.  Chr.  bildete  sich  auf  Grundlage  des  attischen  Dialektes  eine 
allgemeingriechische  Schriftsprache,  die  mehr  und  mehr  die  Fühlung  mit  der 
Volkssprache  verlor. 

MoNBO,  A  Grammar  of  the  Homeric  dialect,  Oxford  1882.  Sayce.  Über  die  Sprache 
der  homer.  Gedichte,  aus  dem  Engl,  übersetzt  von  Imelmann,  Hannover  1881.  van  Leeuwen 
and  Mbsdes  da  Costa,  Der  Dialekt  der  homer.  Gedichte,  aus  dem  Holland,  übersetzt  von 
Mebleb,  Lieipz.  18^6.  Hinbichs,  De  Homericae  elocutionis  vestigiis  Aeolicis,  1875.  Fick, 
Bezz.  B.  7,  139  ff.  Ders.,  Die  homerische  Odyssee  in  der  urspr.  Sprachform  wiederher- 
gestellt, 1883,  und  Die  homerische  Uias  nach  ihrer  Entstehung  betrachtet  und  in  der  urspr. 
Sprachf.  wiederherg.,  1886  (mit  den  Rezensionen  von  Cbbist,  Phil.  Anz.  14,  90  ff.,  Fritsch, 
Ztschr.  f.  d.  Gyron.  38,  610  ff.  und  Caueb,  Jahresberichte  des  philolog.  Vereins  in  Berlin 
10,  290  ff.  und  Berliner  philol.  Wochenschr.  7,  549  ff.).  Rzach,  Der  Dialekt  des  Hesiodos, 
1876.  Ders.,  Grammat.  Studien  zu  Apollonios  Khodios,  1878.  Ahbens,  Über  die  Mischung 
der  Dialekte  in  der  griech.  Lyrik,  Verh.  der  Göttinger  Philologenvers.  1852.  Fübbeb,  Die 
Sprache  und  die  Entwickelung  der  griech.  Lyrik  1885  (mit  der  Rezension  von  Meisteb, 
Berliner  philol.  Wochenschr.  5,  871  ff.).  Renneb,  De  dialecto  antiquioris  Graecorum  poesis 
elegiacae  et  iambicae,  Cubt.  Stud.  1,  1,  133  ff.,  2,  1  ff.  Fick,  Die  Sprachform  der  altion.  und 
altatt  Lyrik,  Bezzenb.  Beitr.  11,  242  ff.  13,  173  ff.  Peteb,  De  dialecto  Pindari,  1866. 
Fübbes,  Der  böot.  Dialekt  Pindar's,  Philologus  44,  49  ff.  Mucke,  De  dialectis  Stesichori, 
Ibjci,  Simonidis,  Bacchylidis  aliorumque  poetarum  choricorum  cum  Pindarica  comparatis, 
18^9.  Spibss,  De  Alcmanis  dialecto,  Cubt.  Stud.  10,  329  ff.  Schubebt,  Miscellen  zum  Dia- 
lekte A]kroan*s,  1879.  Mobsbach,  De  dialecto  Theocritea,  I,  1874,  und  Über  den  Dialekt 
Hieokrits,  Cubt.  Stud.  10,  1  ff .  Gebth,  Quaestiones  de  Graecae  tragoediae  dialecto,  Cubt. 
Stod.  I,  2,  191  ff.  RuTHEBFOBD,  Zur  Gesch.  des  Atticismus,  Jahrb.  f.  klass.  Phil.  Suppl.  13, 
355  ff/ —  Weitere  Litteraturangaben  bei  G.  Meyer  S  p.  XVI  sq.  XXXIII  und  namentlich  bei 
Pbzi,  p.  393  sq.,  404  sq.,  440  sq.,  451  sq.  und  sonst. 

^)  Bbzzekbbbgeb,  Zur  Beurteilung  des  pamphylischen  Dialekts,  in  seinen  Beiträgen  5,  325  ff. 


L  a  u  1 1  e  h  r  e/) 


1.  Aussprache  der  Buchstaben. 

4.  Für  die  Lautlehre  einer  Sprache,  die  uns  nur  durch  das  Medium 
schriftlicher  Überlieferung  zugänglich  ist,  ist  das  erste  Erfordernis,  den 
Wert  der  Schriftzeichen  so  genau  als  möglich  zu  bestimmen.  Die  Frage 
nach  der  Aussprache  eines  Buchstabens  ist  für  jeden  Dialekt  besonders  zu 
stellen,  denn  die  Geltung  der  Zeichen  war  oft  in  den  v^schiedenen  Mund- 
arten eine  verschiedene,  z.  B.  0  wurde  in  den  einen  Dialekten  als  Tenuis 
aspirata  (ih),  in  den  andern  als  Spirant  (p)  gesprochen  (§  34).  Sodann 
sind  auch  die  verschiedenen  Zeiten  zu  unterscheiden,  denn  z.  B.  das  EI 
von  sffHy  Seixvvni  etc.  war  im  Attischen  um  600  v.  Chr.  Diphthong  (ej)^ 
um  400  geschlossenes  ^.  um  200  f  (§  15).  Endlich  ist  zu  beachten,  dass 
dasselbe  Zeichen  in  demselben  Dialekte  und  in  derselben  Zeit  nicht  selten 
zur  Darstellung  verschiedener  Laute  diente;  so  bezeichnete  z.  B.  2  den 
Athenern  in  iaTtofirjv  einen  tonlosen,  in  nQsaßvq  einen  tönenden  Zischlaut 
(§  44),  /  den  Pamphyliern  zugleich  das  sonantische  und  das  konsonantische 
i  {i  und  i),  wie  in  ^EaTpä(v)Snvq  =  Est^e(n)diius  (§  12).  Für  die  Mund- 
arten, für  welche  unsere  Quellen  reichlicher  fliessen,  lässt  sich  die  Geltung 
der  meisten  Zeichen  in  den  verschiedenen  Perioden  so  weit  bestimmen,  dass 
die  Geschichte  der  betreffenden  Laute  im  grossen  Ganzen  festgestellt  werden 
kann.  Häufig  wäre  aber  eine  noch  genauere  Bestimmung  des  Lautwertes, 
als  sie  möglich  ist,  recht  erwünscht.  Am  günstigsten  sind  wir  gestellt, 
wo  man  sich  bestrebte,  der  lautlichen  Fortentwicklung  auch  eine  ent- 
sprechende Veränderung  der  schriftlichen  Darstellung  auf  dem  Fusse  folgen 
zu  lassen.  Dieses  geschah  besonders  in  Böotien,  wo  man  die  vokalischen 
Veränderungen  (z.  B.  den  Übergang  ai  —  a^  —  offenes  E  —  geschlossenes  ff) 
treuer  als  irgendwo  sonst  zur  Darstellung  brachte  (§  15). 

Das  wichtigste  über  die  Aussprache  der  Schriftzeichen  bringen  wir 
bei  der  Darstellung  der  Geschichte  der  Laute. 


')  Vgl.  G.  Meyeb,  Gr,  Gr.*^  S.  1-300. 
Pezzi,  La  lingua  gr.,  p.  81  -  141.  Leo  Meyer, 
Vergleich.  Gramm.    P  27—571.    Kino  und 


CooKsoN,  The  principles  p.  41— -286.    Verf. 
Gnindr.  1.  Bd. 


2.  Vokale,  Nasale  und  liqnidae.  (§  4—5.)  23 

Blass,  Über  die  Aussprache  des  GriechischeD,  3.  Aufl.  1888.  K.  Zacheb,  Die  Aus- 
sprache des  Griechischen  (Vortrag  gehalten  im  wissenschaftlichen  Verein  zu  Breslau), 
Leipz.  1888.    Andere  Litteratur  bei  Blass,  S.  2  fif.,  G.  Meter  S.  2,  Pezzi  p.  83  sqq. 

2.  Vokale,  Nasale  und  Liquidae. 

5.  Bei  der  Betrachtung  der  griechischen  Lautgeschichte  gehen  wir 
von  dem  durch  die  Sprachwissenschaft  ermittelten  uridg.  Lautstande  aus. 
Die  Grundsprache  hatte  folgende  Laute: 

1.  Vokale:  i  F,  u  ü,   e  ^y  o  ö,  a  a,  9  („schwa   indogermanicum").^) 
Nasale:  »  (velarer  Nasal),  n  (palataler  N.),  n  (dentaler  N.),  m  (la- 
bialer N.). 

Liquidae:  r,  L 

Die  Vokale  i  und  u  sowie  die  Nasale  und  Liquidae  fungierten  sowohl 
als  Konsonanten  {(,  tji;  t9,  h,  n.  m;  r.  J)  als  auch  als  Sonanten  ii,  u;  ^,  ^, 
9>  9>"  Vf  D-  W^ö  die  Vokale,  so  kamen  auch  die  Nasale  und  Liquidae 
als  Sonanten  sowohl  kurz  als  auch  lang  (z.  B.  $,  f)  vor;  da  wir  die  Länge 
immer  ausdrücklich  bezeichnen,  so  stellen  unsere  in  Bezug  auf  die  Quantität 
nicht  charakterisierten  Zeichen  {i,  ^,  f  u.  s.  f.)  immer  nur  die  Kürze  dar. 

Anmerkung.  Der  Nachweis,  dass  die  idg.  Ursprache  sonantische  Nasale  und  Li- 
quidae besass  und  dass  die  Vokaldreiheit  a  e  o  {ä  e  ö)  des  Griechischen  und  Italischen 
iltererbt  and  nicht,  wie  man  früher  glaubte,  aus  einer  idg.  Einheit  a  (ä)  hervorgegangen 
war,  bat  in  den  letzten  Jahren  zu  einer  vollständigen  Umgestaltung  der  Vokalismuslehre 
gefnhrt.  Ich  verweise  auf  die  in  meinem  Grundr.  der  vergl.  Gramm.  1,  32  angefühlte 
Utteratar,  femer  auf  Collitz  Bezz.  B.  11,  203  fif.,  meine  Besprechung  dieses  Aufsatzes  Bcrl. 
philo!.  Wochenschr.  1887,  Sp.  293  fif.,  Ostboff,  Die  neueste  Sprachforschung  und  die  Er- 
Idftnmg  des  idg  Ablautes,  1886,  J.  Scbkidt's  Besprechung  dieser  Schrift  in  der  Deutschen 
Lit-ZeituDg.  Die  Versuche,  die  alte  Theorie  zu  retten  (CraTius  G.*  91  ff.,  H.  D.  Müller, 
Sprachgeschichtliche  Studien  1884,  Fb.  Müller,  Grundriss  der  Sprachwissensch.  3,  454  ff.), 
können  nicht  als  Widerlegungen  der  neuen  Lehre  gelten. 

2.  Verschlusslaute  (Explosivae).  Tonlose:  q  (velar),  k  (palatal), 
t  (dental)^  p  (labial);  qh,  kh,  th,  ph.  Tönende:  g  (velar),  g  (palatal),  d,  h; 
gÄ,  gh,  dh,  bh. 

3.  Spiranten  (Reibelaute):  s  (tonlos),  js  (tönend),  j,  v  (vgl.  S.  30 
Anm.  l);  z  fungierte  vielleicht  auch  sonantisch,  als  f  (§  46). 

Phonetische  Erläatenmgen :  ^) 

1.  Tönende  (stimmhafte)  und  tonlose  (stimmlose)  Laute.  Man  nennt 
tönende  oder  stimmhafte  Laute  solche,  bei  deren  Hervorbringung  die  Stimmbänder  im 
Kehlkopf  in  (rhythmische)  Schwingungen  versetzt  sind,  sodass  ein  musikalischer  Klang,  der 
sogen.  Stimmton  oder  schlechthin  Ton,  entsteht.  Alle  Laute,  denen  der  Stimmton  fehlt, 
beiasen  stimmlos  oder  tonlos.  Von  den  aufgezählten  Lauten  der  idg.  Ursprache  wurden 
tönend  gesprochen  die  Vokale,  Nasale  und  Liquidae,  von  den  Verschlusslauten  die  Mcdiae 
b,  d,  g,  g  und  die  Mediae  aspiratae  bh,  dh,  gh,  ahf  endlich  die  Spiranten  z,  j,  r,  tonlos 
dagegen  die  Tenues  jo,  t  £,  q  und  Tenues  aspiratae  ph,  th^  Ich,  qh  und  der  Spirant  8. 

2.  Sonanten  (Selbstlauter)  und  Konsonanten  (Mitlauter).  Jede  Silbe  hat 
einen  Laut,  der  allein  oder  doch  vorzugsweise  Träger  des  Silbenaccentes  (wohl  zu  unter- 
scheiden vom  Wortaccent)  ist,  z.  B.  sind  in  dem  Wort  gi'düld  e  und  u  Träger  dieses 
Accentes.  Man  nennt  einen  Laut,  wenn  er  diese  Funktion  hat,  Sonant.  Dagegen  heissen 
die  andern  Elemente  der  Silbe,  welche  gleichsam  nur  Zugabe  zu  dem  den  Kern  der  Silbe 
aasmachenden  Sonanten  sind,  Konsonanten.  Jede  Silbe  muss  einen  Sonanten  haben  und 
kann  nur  einen  haben;  dagegen  kann  sie  mehrere   Konsonanten   oder  auch    gar  keinen 


^)  Es  empfiehlt  sich,  9  als  ä  (Mittel- 
laut  zwischen  a  und  e)  auszusprechen,  wenn- 
^eich  die  Qualität  dieses  Vokals  nicht  näher 


zu  bestimmen  ist.  I   1885. 


*-')  Vgl.  SiEVEBS,  Grundzüge  der  Phonetik, 
zur  EinfOhrung  in  das  Studium  der  Laut- 
lehre der  indogermanischen  Sprachen,  8.  Aufl. 


24  ^  Grieohisohe  Grammatik,    b)  Lautlehre. 

enthalten.  Ein  Teil  der  Sprachlaute  kann  nun  ebensowohl  sonantisch  als  auch  konsonan- 
tisch fungieren.  In  beiden  Funktionen  kamen  in  der  idg.  Urzeit  i,  u,  die  Nasale  und 
Liquidae,  eventuell  auch  z  (§  46)  vor.  Vgl.  nhd.  Ä-siSn  li-lie  neben  Ä-si-en  U'li-6  bei 
Dichtem,  lat.  d-quäm  stin-g^o  neben  d-cu-dm  dr-gü-ö,  nhd.  hi-rit-tnS  rech^  neben  be- 
rit-tn  re-chnt  (beritten  rechnet),  luin-dle  neben  hdn-dt  u.  dgl.  Folgerichtig  bezeichnen  wir 
%  und  t4  auch  dann  als  Konsonanten,  wenn  sie  den  zweiten  Komponenten  eines  Diphthonges 
bilden,  z.  B.  idg.  3.  sg.  *iiti  =  ft<r*,  *bhe\^dhetai  =  nevS^Btai,  Die  Vokale  i  und  u  hatten 
hier  dieselbe  Funktion  wie  z.  B.  n  in  *8qdndö  =  lat.  acandö  oder  r  in  *dSr&etai  =  dig- 
xetttt.  Man  beachte  ferner,  dass  in  den  zweisilbigen  Verbindungen  wie  ia  im  ^  fa  ein 
i  ;^  n  r  als  Übergangslaut  gesprochen  wurde:  %ia  u^a  i^na  fra.  Daher  setzen  wir  z.  B. 
*pjtriios  *du^ö  *titnu-  *^fru8  als  die  idg.  Grundformen  von  ndtgiog  dv(o  ravth-  (in  tarv- 
yXoHTirog)  ßagvg  an.  Vgl.  kypr.  ij^dirJQay,  pamphyl.  dua  d.  i.  dij,d  (§  12)  und  nhd.  lütie 
{lüie),  OTf^nug,  gpade  [genug,  gerade). 

ä.  Artikulationsstelle  und  Artikulationsart  der  Verschlusslaute. 

Für  die  uridg.  Vorschlusslaute  sind  vier  Artikulation  ss  teilen  (oder-gebiete)  zuunter- 
scheiden, die  labiale,  genauer  bilabiale  oder  labiolabiale  (p-Laute:  Verschluss  zwischen  Ober- 
und  Unterlippe),  die  dentale  (^Laute:  Verschluss  durch  Artikulation  der  Vorderzunge  gegen 
die  innere  Wand  der  Oberzähne  oder  gegen  deren  Alveolen),  die  palatale  (£-Laute:  Ver- 
schluss durch  Artikulation  des  mittleren  Zungenrückens  gegen  den  hinteren  Teil  des  härten 
Gaumens,  vgl.  etwa  das  k  in  nhd.  Kind)  und  die  velare  (g-Laute:  Verschluss  durch  .Ar- 
tikulation des  hinteren  Zungenrückens  gegen  den  weichen  Gaumen,  das  velum  palatiniun, 
vgl.  etwa  das  k  in  nhd.  Kunst).^)  In  den  einzelsprachlichen  Entwicklungen  verliessen 
diese  uridg.  Laute  oft  die  Artikulationsstelle.  Im  Griechischen  traten  sie  dabei  zum  Teil 
über  in  das  labiodentale  Gebiet  (Artikulation  der  Unterlippe  gegen  die  Oberzähnu),  wie 
Spirant  /  aus  dem  uridg.  bh  (s.  §  34),  und  in  das  interdentale  Gebiet  (Verstopfung  des 
zwischen  den  beiden  Zahnreihen  liegenden  Spaltes  durch  den  vorderen  Zungensaum),  wie 
Spirant  p  aus  uridg.  dh  (s.  §  34). 

Der  Artikulationsart  nach  zerfielen  die  urid^.  Verschlusslaute  ebenfalls  in  vier 
Klassen:  unaspirierte  Tenues,  wie  t,  unaspirierte  tönende  Mediae,  wie  d,  aspi- 
rierte Tenues,  wie  th,  und  aspirierte  tönende  Mediae,  wie  dh.  Bei  den  Ver- 
ftnderungen,  die  in  den  einzelsprachlichen  Entwicklungen  die  Artikulationsart  erfuhr,  traten 
an  die  Stelle  der  Verschlusslaute  zum  Teil  Laute  andrer  Gattungen.  Für  das  Griechische 
kommen  als  solche  besonders  die  Spiranten  (Reibelaute)  und  Affricatae  (Verschluss- 
laute mit  nachfolgendem  homorganen  Reibungsgeräusch,  z.  B.  x/  aus  urgr.  kh  =  uridg. 
gh,  Ich)  in  Betracht.  Der  Anfänger  wolle  sich  vor  Verwechselung  der  Begriffe  Spiranten, 
Aspiratae  und  Affricatae  hüten. 

Idg.  Vokale  als  Sonanten. 

6.  Idg.  i  — -  «.  ^'d-i  =  ai.  i-hi  „geh**,  pid-iiev  Tafiev  =  ai.  vid-md  got. 
vit-um  „wir  wissen**,     o-i-g  =  lat.  ov-i-s.     iikve-i  ^^  ai.  rndnas-i  „in  mente^. 

Idg.  i  =  i.  ifiag  (St.  i-fidr-T'),  t-fiov-ia  =  ai.  sT-mdn-  „Haarscheide, 
Scheitel**,  i-g  i'(fi  =  lat.  vis.  xki-vr^^  vgl.  lat.  in-cllnö.  xoQax-Tvo-g  SsX^ax- 
tvi],  vgl.  lat.  haed-inu-s,  got.  gdit-ems  „die  Ziege  betreflfend,  von  ihr  kom- 
mend** gdlt-ein  „Ziegenböcklein**.     sifAsv  aus  "^ia-irfisv  =  lat.  s-T-mus, 

7.  Idg.  M  =  i'.  C^fyo-v  =  lat.  jugu-m,  xXv-To-g  =  lat.  in-cltUu-s 
ai.  SrU'td'S  „berühmt**.  Gen.  xv-v-og  =  ai.  Su-^n-as  lit.  szü-n-s  „des  Hundes **. 
vTTo  =  ai.  dpa,  lat.  s-ub.  iSvTa  aus  ^/^li-va-ia  =  ai.  vid-u^-f  „die  wissende**. 
rd-vv-Tai  =  ai.  tä-mi-te  „dehnt  sich  aus**. 

Idg.  ü  —  V.  vfr-/i6-^  =  lat.  fü-mu-s.  2.  du.  aor.  ^-(pv-rov  =  ai. 
d'bha-tam,  W.  6Ä6w-  „werden,  sein**.  ofpQv-g  =  ai.  hhrA-^  „Augenbraue**. 
YV'V  =^  ai.  n(i  „nun**. 

Im  Urgriechischen  und  vermutlich  auch  noch  zu  der  Zeit,  als  der 
Buchstabe  F,  V  eingeführt  wurde  (s.  unser  Handb.  1,  301  f.),  sprach  man 
allgemein  in  Griechenland  u.     Ein  Teil  nun  der  Griechen  wandelte  sonan- 


')  Bei  der  Schreibung  der  vorgriechischen      Verschlusslaut  palataler   oder    velarer  Arti- 
Sprachfonnen  gebrauchen  wir  k,  kh,  g,  gh      kulation  war. 
nur  dann,  wenn  nicht  ermittelt  ist,   ob  der 


2.  Vokale,  Nasale  und  Liqnidae.  (§  6—8.)  25 

tisches  u  (vgl.  §  15)  in  ü,  ohne  das  Zeichen  zu  ändern  (vgl.  franz.  u); 
ü  ging  in  christlicher  Zeit  (»vor  dem  10.  Jahrh.  keine  sicheren  Spuren", 
FoY,  Bezz.  B.  12,  57)  weiter  in  i  über.  Die  Aussprache  u  blieb  bis  tief 
in  die  historische  Zeit  hinein  sicher  im  Böotischen  und  Lakonischen,  wo 
die  Ersetzung  des  V  durch  O  V  nach  Einführung  des  ion.  Alphabets  den 
Beweis  für  diese  Aussprache  liefert  (böot.  inschr.  vovx^  =  ^vx'/j  trovvStxog 
=  avvdixog^  Ev&ovfiog  =  Evd-vfAog^  lak.  ^ovycoveQ  •  ßoeg  iqydzai  Hesych 
=  *^vyfov'€g^  fjLovaiddei  •  XaXei  ders.  =  *fivx^{^€i  u.  a.),  wahrscheinlich  auch 
im  Kyprisch- Arkadischen,  Pamphylischen ,  Chalkidischen  und  Lesbischen; 
auch  für  das  Thessalische  sucht  sie  zu  erweisen  Prellwitz,  De  dial. 
Thess.  15.  Im  Böotischen  ist  nach  r,  x^^  S,  r,  X  oft  lov  statt  ov  geschrieben, 
wie  Holiov^evog  (Meister,  Gr.  D.  1,  233  flF.),  einmal  auch  im  Anlaut,  roj 
toviw  =  xov  vlov;  der  Wert  dieser  Schreibung  ist  nicht  sicher  zu  bestimmen, 
gewiss  war  es  aber  nicht  der  Laut  des  att.  v. 

Wann  im  Ionisch-Attischen  u.  s.  w.  u  zu  w  wurde,  ist  nicht  genau 
festzustellen.  Ohne  Zweifel  aber  hatte  der  Vokal  seine  ursprüngliche  Stufe 
%  bereits  verlassen,  als  aus  oo  und  o€  durch  Eontraktion  (§  17)  und  aus  o  durch 
^Ersatzdehnung**  (§  55)  u  {ov)  entstand;  sonst  wäre  dieses  ü  mit  idg.  ü 
zasammengefallen.  Dass  in  Attika  schon  zur  Zeit  der  ältesten  Inschriften 
nicht  mehr  u  gesprochen  wurde,  darf  auch  daraus  geschlossen  werden, 
dass  auf  diesen  Inschriften  die  gutturale  Tennis  vor  v  nicht  durch  9i  sondern 
durch  K  ^  ausgedrückt  ist  (Meisterhans,  6r.^  22). 

Der  Spir.  asper  in  vno^  vtisq,  v(TT€Qog^  vScdq  u.  a.  bei  ursprünglichem 
Anlaut  tt-  (ai.  tipa  u.  s.  f.)  ist  noch  nicht  genügend  aufgeklärt,  s.  Mahlow, 
D.  1.  V.  16,  6.  Meyer,  Gr.  Gr.^  243,  Darbishire,  Notes  on  the  spir.  asp.  5. 
Dass  diese  Lauterscheinung  mit  dem  it-Laut  als  solchem  zusammengehangen, 
sich  also  erst  nach  dem  Übergang  von  u  in  ü  eingestellt  habe,  darf  man 
aus  dem  böot.  ovSwq  keineswegs  schliessen  (vgl.  Curtius,  G.^  688,  Dar- 
bishire a.  0.,  Thumb,  Spir.  asp.  42),  weil  die  Böotier  auch  ovkrj  {=  vXai) 
und  ovfitg  sprachen,  welche  Wörter  seit  vorgriechischer  Zeit  s-  und  {-,  im 
Urgriech.  also  '  im  Anlaut  gehabt  hatten.  Das  böot.  inschr.  loviio  (s.  o.)  hilft 
auch  nicht  weiter.  Über  die  von  Grammatikern  behaupteten  lesb.  iTttg, 
i^iog  etc.  s.  Mahlow  a.  0.,  Meister,  Gr.  D.  1,  46  f.,  G.  Meyer,  Gr.  Gr.'-^ 
107,  FoY,  Bezz.  B.  12,  58,  Thumb  a.  0.  46  f. 

8.  Idg.  e  =  f.  ^axi  =  lat.  est^  ai.  ästi^  idg.  *es-^i  „ist",  ^n-e-rm 
=  lat.  sequ-v-tur,  xk  =  lat.  que,  ai.  ca  „und**,  yär-s-og  -=  lat.  gm-er-is, 
Bi.  jän-ds-as  „generis**.  (ftq-e-xe  =  aksl.  ber-e-te,  ai.  hhär-a-tha,  W.  hher^ 
»tragen*.  no-xeQo-v^  vgl.  lat.  i-teni-m.  ^dei  ^  ai.  srdvati,  idg.  "^srcti-e-ü 
«strömt*.  7i€Vv^ofAai=  got,  biuda,  ai.  hödhami,  W.  hhey^dh-  „wachen,  auf- 
merken*, diog  =  ^dpsfrog  von  W.  d^ej-,  eliii  =  lit.  eimt^  ai.  emi,  idg. 
*n-wu'  „gehe*. 

Im  Elischen  wurde  e  sehr  offen  gesprochen,  was  aus  inschr.  Schrei- 
bungen wie  siaaßboi  =  svasßoT,  Infin.  yvwfiav  —  yvcofiev  (Meister,  Gr.  D. 

2,  20.  30),  ficiv  =  [xäv,  Gen.  axevdoov  neben   axsisa  folgt.     Ob  in  den  el. 

3.  pl.  avv'tav  dno'xivoiav  a  ebenfalls  aus  e  entstanden  war,  oder  ob  -ar 
die  erhaltene  urgriech.  Endung  war  (§  107),  lässt  sich  nicht  entscheiden; 
hatte    auch    das   Elische    einmal    die   Neubildung   -sv^    so  liegt,  bei  der 


L 


26  A.  Orieohische  Grammatik,    b)  Lautlehre. 

Regelmässigkejt  der  Schreibung  -av  (6  Beispiele),  die  Vermutung  nahe, 
dass  der  Lautwandel  sich  nicht  ohne  assoziative  Einwirkung  der  Singular- 
forroen  wie  ia  =  etr]  (s.  u.)  vollzog,  vgl.  Bechtel,  Phil.  Anz.  1886,  S.  19, 
Meister,  Gr.  D.  2,  30. 

Über  el.  onoraQoi  u.  a.  und  lokr.  natdqa  u.  a.,  in  denen  das  folgende 
Q  beim  Übergang  von  s  in  a  beteiligt  war,  s.  §  27. 

Idg.  ^  =  ij.  W.  i>i;-  (t/'-^j;-/«)  =  got.  d^-,  lit.  d^-,  ai.  dAo-,  idg. 
*dÄ^-  „ponere*.  v^iia  =  lat.  n^-wien.  Stamm  jur^v-  „Monat**  (lesb.  Gen. 
liijvv'oq),  lat.  n^mS'i'S,  Homer,  rju  „eram",  ai.  dsam,  idg.  *^s-jp  „eram*.  «r/^, 
lat.  5-i^-s.  dva'fxsvtfi  =  ai.  dur-manas  „missmutig,  betrübt**.  Zsvg  aus 
♦Zry^^  =  ai.  dyaüi,  idg.  ^die^-s  „lichter  Himmel**  (§  26). 

Dieser  Vokal,  urgriechisch  wahrscheinlich  offen  gesprochen  und  so  im 
Lesbischen  bezeichnet  (durch  die  Schreibung  a»,  atfii'aewvy  Aiaiodoq^  G.  Meter, 
Gr.  Gr.*  45,  Meister,  Gr.  D.  1,  83),  ging  im  Elischen  in  a  über:  /i«,  /a, 
ßamläeg  u.  a.,  s.  Vf.  M.  ü.  1,  53  f.,  Daniel  Bezz.  B.  6,  245,  Meister,  Gr. 
D.  2,  35  f.  Dagegen  im  Böotischen  und  Thessalischen  in  geschlossenes  ?, 
das  nach  Annahme  des  ion.  Alphabets  ei  geschrieben  wurde,  wie  böot. 
ficTva^  thess.  (peiQ  (Meister,  Gr.  D.  1,  218  ff.  295  f.).  Die  letztere  Aus- 
sprache ist  auch  in  ion.  Dialekten  nachweisbar  (§  10).  Sie  führte  im 
2.  Jahrh.  n.  Chr.  zu  i  (G.  Meyer,  Gr.  Gr.^  88  f.,   Meisterhans,   Gr.*  15). 

9.  Idg.  0  =  0.  x€xXo(p€  für  *x€xXo7t€  (§  134)  =  got.  hlaf  „er  stahl", 
idg.  ^qe-qlop'Cf  W.  qlep-  „stehlen**.  a-Xoxo-g  =  aksl.  sa-hgü  „consors  tori*. 
oxtto  =  got.  vagja  „bewege**,  aksl.  voza  „lasse  fahren**,  W.  ^egh-  „vehere**. 
ysvog  =  lat.  genm,  ai.  jdnas,  idg.  *genos,  3.  pl.  dor.  tfe^-o-vri  =  lat. 
fer-u-nt,  ai.  hhär-ornti.  iifhqexov  =  ai.  dbharatam,  idg.  ^e-bhere-tom,  g>&ir] 
aus  *(f&oirä^  zu  W.  ip&€i-  in  (p&iai-g  u.  a.  olde  =  got.  vart,  ai.  vcda^  idg. 
*^oid'e  „er  weiss**,  noi-vrj  ■=  av.  kaena-  „Strafe**,  idg.  ^qoi-na.  ^äQoi-^ 
=  got.  baireis  ai.  bhdres,  idg.  ^bher-oi-s,  ^of^a,  ^orj  =  lit.  sravä,  idg. 
*srof^-a  „das  Fliessen**.     Homer.  elXriXov&a  neben  ilevaofAai. 

Im  Aolischen,  Arkadisch-Ky prischen  und  Pamphylischen  wurde  o  ent- 
weder vollständig  oder  annähernd  zu  u  (geschrieben  v),  z.  B.  thess.  dnv- 
axtXXavtog^  arkad.  ixXXv^  pamphyl.  ßu)Xt^fi€vvg.  Die  Grenzen  dieses  Wandels, 
der  in  keinem  dieser  Dialekte  ein  durchgehender  gewesen  zu  sein  scheint, 
sind  teils  wegen  der  Eärglichkeit  des  Materials,  teils  wegen  schwankender 
Schreibung  (o  und  v)  nicht  genau  zu  bestimmen.  Vgl.  G.  Meyer,  Gr.  Gr.* 
73  ff.,  Meister,  Gr.  D.  1,  234  f.  2,  91,  Spitzer,  L.  d.  a.  D.  17,  Bezzen- 
BERGER  in  seinen  Beitr.  5,  332  f. 

Idg.  0  =  0).  W.  So)'  {dtO'Qo-v)  =  lat.  dö'  (dö-ww-m),  lit.  du-,  ai.  da-, 
idg.  *dö-  „geben**.  ^oxXTo-g,  vgl.  \it  jüMa  f.  „Gürtel**,  av.  yasta"  „gegürtet*, 
idg.  pai't.  *jöS't0'S.  yi'Yvoi^xooy  lat.  gnöscö.  d^äco-xa  =  got.  sai^sö,  idg. 
Perfektstamm  *5e-sö-,  W.  se-  „werfen,  säen**,  «x/iwr,  wie  lat.  homö,  lit. 
ak-mu,  ai.  aima  (§  75).  (peg-cD  =  lat.  fer^ö.  (f€Q6T(o^  wie  lat.  vehitöy  ai. 
bhdraiad,  idg.  *bhere'töd.  Lokr.  «  „unde**  abl.,  wie  lat.  Gnaivöd  Gnaeö. 
Tnmiyy  wie  osk.  Abellanüi,  av.  haomai  („Somapflanze**),  idg.  *-öj.  iTtnoig, 
wie  osk.  Nuvlanüis,  ai.  dhaU,  idg.  "^ck^öis  (§  26).  ßovg  aus  "^ßfot^g 
:==  ai.  gaüi  „Rind**,  idg.  *gcw-s  (§  26). 


2.  Vokale«  Nasale  und  Liqmdae.  (§9—11.)  27 

Im  Thessalischen  wurde  (o  zu  ü  (ov),  z.  B.  ^Sovxs,  yvovi-i&q^  ^AqiCTovv 
(Meisteb,  Gr.  D.  1,  296  flf.). 

10.  Idg.  a  =  a.  aytü  =  lat.  agü,  armen,  occiw,  ai.  djami,  idg.  *dgö 
«treibe,  führe*,  ano  =  lat.  ab,  ai.  dpa  „von  weg,  ab".  aXXo-g  =  lat. 
aUthS^  air.  aile  „aUus**.  afcor,  vgl.  lat.  aji-s.  Vok.  rii/iya,  wie  aksl.  iet^o, 
ai.  amba  (§  76).  ou^co^  lat.  o^d^s,  air.  aed  „Feuer",  ai.  edha-s  „Brenn- 
holz*, W.  aidh-,  laio-g  =  lat.  laevo-s,  aksl.  levu  „link",  rai' =  lat.  wae. 
naih-qo^.  nav-ffoD,  vgl.  lat.  pau^cunS  (got.  fav-di  „wenige"),  W.  pa^-.  av 
av-rc  at;-Ti^,  vgl.  lat.  atht  au-tem. 

Idg.  a  =  Ä.  adv-g  =  lat.  svardjv-i-s,  ai.  svadü-s  „suavis".  fAazrjQ  = 
lat.  wW^,  ai.  iwÄÄf  „Mutter".  <rTä-,  dvarävog  (=  Jrg  -[-  <y^«»'o-),  vgl.  lit.  stona-s 
„Stand",  ai.  sthdna-  „das  Stehen,  Standort",  idg.  ^sta-no-,  (pd-fil  (pa-fiä^ 
vgl.  lat.  fa-rf  fa-ma  fa-bula,  St.  x^Qd-^  wie  lat.  equä-,  ai.  a^vö-.  iifsqtxäv 
=  ai.  dbharatam,  idg.  ^e^-hhere-täm,  St.  vä/?-  =  lat.  nav-i-s,  ai.  növ-;  nom. 
rav$  =  ai.  ndiW,  idg.  *wrf?^-5  „Schifif"  (§  26).  ai-f^t  wfi  amv^  vgl.  lat.  aevo-m, 
idg.  *öt-?ia-  *ai-ues-  "^ayurn-  (§  26),  vgl.  ai.  rfj^-M^*-.    x«??^?  idg.  -di  (§  81). 

Das  ion.-att.  ry  (jjdiJ^  u.  s.  w.)  war  in  den  Mundarten  von  Keos,  Naxos 
und  wohl  auch  Amorgos  offenes  ^  gegenüber  dem  das  idg.  ^  vertretenden, 
geschlossener  gesprochenen  ij  von  d^rj-aw  etc.  (§  8),  wie  die  verschiedene 
Darstellung  durch  H  und  E  ergibt,  z.  B.  JHM02  —  dor.  daiio-g^  ME  = 
dor.  ^jy  (DiTTENBEBGER,  Horm.  15,  225  flf.,  Blass,  Ausspr.*  25  f.);  vgl.  auch 
Bechtel  (Die  Inschr.  des  ion.  Dial.)  zu  der  delischen  Inschrift  n.  53.  Dieser 
Übergang  von  ä  in  i;  war  älter  als  die  Entstehung  des  ä  in  ion.  att.  nag 
ndaa  aus  ^Ttavg  ^navaa  u.  dgl.  {§  58).  Die  Frage,  ob  das  «  in  att.  laao- 
fiaiy  xaqdiäy  yevsa,  aixvd,  TiQavzü),  x^Qd  u.  dgl.  (ion.  irj<TOfiaiy  xQaSirj  u.  s.  w.) 
unverändertes  urgriech.  ä  gewesen  sei,  oder  ob  Rückverwandlung  von 
oflTenem  e  in  ä  stattgefunden  habe,  ist  mit  Rücksicht  auf  vyid,  ivded  neben 
aatfi^  aus  *-«(<r)flf  u.  a.  zu  Gunsten  der  Rückverwandlung  zu  entscheiden. 
Wenn  seit  ca.  355  v.  Chr.  neben  vyid  die  Form  vyifj  erscheint  (Meisterhans 
Gr.*  118),  so  ist  diese  letztere  Form  als  Neubildung  nach  tray^  anzusehen. 
Aus  att.  ^yxfjüQ  mit  urgriech.  r;  ergibt  sich,  dass  der  Übergang  in  d  zu 
einer  Zeit  geschah,  als  der  e-Laut  in  uratt.  *nQt]<T(To)  noch  offen  und  noch 
nicht  mit  dem  geschlossener  artikulierten  urgr.  rj  zusammengeflossen  war 
(vgl.  G.  Meyeb  Gr.  Gr.*  p.  XXXIII  Fussn.  1).  Und  aus  xoQrj  =  (thess.  ?) 
x^f^d  (§  13)  folgt,  dass  er  dem  Schwund  des  f  in  der  Gruppe  -^f-  vorausging. 

Anmerkung.  Die  Formen  wie  ^f«,  'Egfieiäg,  'JiQeldüo  bei  Homer  dürfen  schwer- 
lich als  echt  ionisch  gelten.  S.  Fick  Bszz.  ß.  7,  139.  144  f.,  Bechtel,  Phil.  Anz.  1886, 
S.  20  ff. 

11.  Idg.  9.  Dieser  idg.  Vokal,  dessen  Qualität  nicht  näher  zu  be- 
stimmen ist  (vgl.  S.  23  Fussn.  1)  und  den  Fick  Bezz.  B.  3,  157  ff.  5,  166  ff. 
sSchwa  indogermanicum''  nennt,  erscheint  im  Griechischen: 

1.  in  Wurzelsilben  als  der  Sonant  der  sogen,  nebentonigen  Tiefstufe 
(§  24);  seine  lautgesetzliche  Gestalt  war  a,  na-TtjQ  =  ai.  pitdr^  „pater". 
axa-^o-g  ard-ci-g  =  ai.  sthi-td-s  „stehend"  sthi-U-s  „das  Stehen,  Stand**,  lat. 
sta-tu^s  sta-tiö,  W.  sta-,  a-dr^v,  vgl.  ai.  a-si-rivd-s  „unersättlich",  lat.  sa-tur 
sor-tis.  dd'Yog^  vgl.  ai.  3.  sg.  med.  d-di-ta  {^6oto),  lat.  da-mus  da-in-s,  W. 
dö-,     vax-fQo-g  tax-ivai  zu  rryx-fiv,  W.  tax-.     Mehrmals  ei'scheinen  s  und  o 


28  A.  Chrieohisohe  Grammatik,    b)  Lautlehre. 

statt  a,  in  welchen  Fällen  dieser  Vokal  durch  analogische  Einwirkung  der 
Qualität  der  Hochstufenvokale  /;  und  o>  verändert  war,  z.  B.  ^f-  in  Oe-xo-q  etc. 
statt  *c^a-  nach  ^ij-  (vgl.  lat.  fa^ciö),  «-  in  i-to-g  etc.  statt  *«-  nach  ij- 
(vgl.  lat.  sa-tU'S),  ds-  in  avY-deto-q  etc.  statt  *Ja-  nach  rfr^-,  Jo-  in  do-To-g 
etc.  statt  rf«-  nach  rf«-  (vgl.  Sd-voq^  lat.  da-tu-s).  Auf  diese  qualitative 
Anlehnung  waren  aber  sicher  auch  einige  Formen  von  Einfluss,  in  denen  €  und  o 
auf  griechischem  Boden  lautgesetzlich  aus  rj  und  o)  hervorgegangen  waren, 
wie  x^ävT'Sq  66it'fq  aus  *0^r^'VT'€q  ^Sco-vr-eq  (§  26);  nach  dem  Verhältnis 
atavT' :  araxo-q  konnten  sich  zu  d^evr-  dort-  leicht  d^exo-q  doro-q  einstellen. 
Fick's  Hypothese  (Bezz.  B.  9,  313  flf.),  nach  der  die  Vokaldreiheit  a,  «,  o 
in  atato^  v^sro-q  doxo^q  drei  uridg.  verschiedene  Vokale  fortsetzte,  hat 
nichts  überzeugendes. 

2.  unmittelbar  hinter  Wurzelsilben.  x^vy-d-Tr^Q,  ai.  duhr-i^tdr-  „Tochter*. 
nav'daiii'd'TiOQ,  lat.  dom-i-tor,  ai.  dam-i-idr"  „Bezähmer**.  yer-e-n^Q^  lat. 
gefii-tor,  ai.  jan-i-tdr-  „Erzeuger**,  ar-s-^o-q^  lat.  an-i-nius,  xQbaq^  ai. 
kravi^"  „rohes  Fleisch**  (§  73,  2).  rc^-a-^wr,  a-r«^a-/iro-^,  «^-«-/«wv,  wie 
lat.  col'U-men,  coUn-mna,  monu-men-tti-m.  Tsv-t-u)  xsvd^  vgl.  ai.  tan^i-syämi; 
x^€jU-a-ö)  xQS/jidi;  hom.  6fA0i\uai  aus  *6in-6-oijtai  {dfi-o-zriq),  s.  §  140.  f^d-e-a^ 
ai.  dvSd'i'^am,  vgl.  lat.  vert-is-tj,  vert-e-r-ö^  s.  §  137b.  Wodurch  hier  die 
verschiedene  Vokalfarbe  (a,  e,  o)  bedingt  war,  bedarf  noch  näherer  Unter- 
suchung, vgl.  Vf.  M.  U.  3,  77  flf.  Besonders  schwer  ist  es,  das  9  in  -a-^o- 
'9'ter-  u.  dgl.  von  dem  idg.  e  in  den  suffixalen  Ausgängen  -e-to — e-/i-  u.  dgl., 
wie  in  cx-e-ro-q  cx-i-ai-q  (§  70,  14,  Vf.  Grdr.  2,  206.  216.  282),  zu  trennen. 

ADmerkang.  Einige  Gelehrte,  z.  B.  A.  Fick  (Bezz.  B.  1,  1  ff.),  ziehen  das  am 
Schluss  der  Wurzelsilbe  auftretende  9  als  integrierenden  Bestandteil  zur  Wurzel,  indem  sie 
zweisilbige  Wurzeln  annehmen  (W.  y^vB-  in  yeye'iiJQ),  wie  sie  auch  z.  B.  *bhercte,  {(pegere) 
aus  Wurzel  hfiere-  und  Personalendung  -te,  *^ogho8  [oxo-g)  aus  W.  ^oßho-  und  Nominativ- 
endung  -s  zusammengesetzt  sein  lassen.  Sie  erklären  demgemfiss  die  Wortteilungen  yBy-^-tjqq^ 
{p€^€-T€f  ox'O-g  für  falsch.  Diese  sind  jedoch,  auch  den  Fall  angenommen,  dass  jene 
Wurzeltheorie  das  richtige  trifft  (was  immer  fraglich  bleiben  wird),  statthaft,  insofern  man 
durch  die  Teilungsstriche  überall  zunächst  nur  die  morphologische  Gleichartigkeit  oder 
stoffliche  Gleichheit  gewisser  Wortelemente  her\'orhebt  (z.  B.  gi^Q-e-re  :  ay-e-te),  Dass  es 
der  Sprachwissenschaft  je  gelingen  werde,  die  ursprüngliche  (jlestalt  der  uridg.  «Wurzel- 
wörter' sicher  zu  bestimmen,  ist  kaum  anzunehmen,  und  um  so  eher  ist  es  erlaubt,  die 
Teilungsstriche  in  dem  eben  angegebenen  Sinne  zu  gebrauchen.  Vgl.  auch  unsere  Defini- 
tion des  Terminus  «Suffix"  in  g  69. 

3.  9  scheint  auch  in  Flexionssilben  vorzuliegen,  (ftgorr-a,  vgl.  ai. 
bhdrant-L  -fie&a  ist  vielleicht  mit  dem  ai.  -mahi  (Sekundärendung)  zu  identi- 
fizieren.    Vgl.  auch  8  108  über  das  -a*  von  -fiaij  -aai^  -vai  ->rai. 

Idg.  Vokale  als  Konsonanten. 

12.  Die  idg.  Ursprache  hatte  zwei  konsonantisch  fungierende  Vokale, 
{  und  Ui  wohl  zu  scheiden  von  den  infolge  stärkerer  Engenbildung  mit  Rei- 
bungsgeräusch gesprochenen  Spiranten  j  und  v  (Sievers,  Phon.*  146); 
über  /  =  f  s.  §  49. 

Idg.  7.  Erscheint  im  Anlaut  als  Spir.  asper,  der  die  Zwischenstufe 
von  tonlosem  t  voraussetzt,  z.  B.  oq  ,qui**  =  ai.  yd-s  ^qui**,  t^rraQ  =  av. 
yakar^  ^Leber**.     äyvo-q  =  ai.  yajnd-s  , Opfer",  i'.afr;  =  ai.  yusma-  »ihr*. 

Intersonantisches  -i-,  sofern  es  nicht  hinter  sonantischem  t  nur 
den  Übergang  zu  einem  folgenden  sonantischen  Laut  bildete  (s.  u.),  fiel  im 
Urgriechischen  aus,    w^enn  der  erste  Sonant  ein   andrer  Vokal  als  u   war. 


2.  Vokale,  Nasale  und  Liqnidae.  (§  12.)  20 

di'o^  =  *dp€i'og,  homer.  isdw  aus  *d€df:o{jtya  von  W.  d^ei-,  Eonj.  xkmiiai 
aus  *x€i-io~iiaij  zu  xa-rai.  zliidta  zlfio)  aus  *T?/ia-jfw.  T^^fg  aus  *T'p*(()-f$ 
(gortyD.  T^4«$)  =  ai.  tray-as.  Wo  {  in  solcher  Stellung  erhalten  zu  sein 
scheint,  liegt  vielmehr  Neubildung  vor,  z.  B.  war  homer.  xeiarai  statt  des 
lautgesetzlichen  xäaxai  nach  xsT/xai  u.  s.  w.  neu  gebildet;  arkad.  teio)  „büsse, 
zahle*  war  nicht  die  lautgesetzliche  Fortsetzung  des  idg.  *qei'^  (vgl.  ai. 
cdy^ii^)^  sondern  Umbildung  von  t^w  t/'w  nach  xsi-aw  i-xH-aa  etc.  oder 
ursprüngliches  Hs^-^(a  (§  121).  Ursprüngliche  sonan tische  Nasale  und 
Liquidae  vor  -{-:  aus  *T€XTi}'i((ja  (zu  TtxTwy)  entstand  *Texxavi(o^  rexTai'vü) 
(§  21,  3.  53);  aus  ^an^-k^  (=  lit.  spir-iü  „stosse  mit  dem  Fusse")  ^anagitOj 
cnaiQw  (§  23,  3.  54);  aber  aus  *<rx^-jfw  (=  lit.  skil-iü  „schlage  Feuer  an**) 
*axaXifa^^  axdkX(o  (§  23,  3).  Ursprünglicher  sonantischer  Nasal  hinter  (: 
imperf.  ra  für  lautgesetzliches  *rja  (g-  durch  Ausgleichung  mit  f^fiev  etc.) 
=  idg.  *e|-^  „ich  ging";  homer.  q>€Qoiavo  für  lautgesetzliches  *y>€Qoato  (-o£- 
durch  Ausgleichung  mit  (fcQoißs&a  etc.)  =  idg.  *hh€roi-^to, 

Verbleiben  des  t  in  ui-,  Kypr.  yi5-K;,  vgl.  av.  Optativstamm  bu-ya-, 
El.  ^i^viO'W  Lak.  vtv-g  kret.  vlv-q,  Lesb.  yww,  dXvi(o^  ued^vito.  Da  i'i  im 
Lesb.  eine  lange  Silbe  ausmachte,  so  ist  anzunehmen,  dass  i  sich  hier  mit 
dem  vorausgehenden  Vokal  in  derselben  ^eise  zum  Diphthongen  verbunden 
hatte,  wie  antesonantisches  u,  d.  h.  ulia  war  zu  uvia  geworden  wie  a'ma 
zu  aif/ifa  (vgl.  §  14  und  Sievers  Phon.^  146).  Dieselbe  Erscheinung  im 
German.,  wie  ahd.  zweijo,  s.  Vf.  Grdr.  1,  128  f.O 

Postkonsonantisches  -j-.  Aus  *xAa/^-iKö  (fut.  xkavao/xm)  wurde 
xlatWy  xXdo)  (§  18.  54).  (Tjf-  wurde  A-;  v/iiji»,  zu  ai.  syuman-  „Band".  Aus 
♦ro-irio  hom.  toio^  att.  tov;  aus  Heksa-kw  hom.  reXetw^  att.  t^Aw  (§  45). 
Man  beachte,  dass  att.  ^tio-g^  dkrj^eia  nicht  aus  *i>«<rfo-g,  ^dkäx^sa-ict^  son- 
dern aus  *^€(no'g  *dXa^6a-ia  hervorgegangen  waren  (vgl.  Smyth,  Der  Diph- 
thong EI  S.  34  f.,  W.  Schulze,  Quaest.  hom.  4);  für  att.  sTijv  dürfte  aber 
Hervorgang  aus  *€criiji'  und  analogisches  Eindringen  des  tt-  aus  ti-fiev  ei-ts 
wahrscheinlicher  sein  als  Entstehung  aus  *€airjv  (vgl.  ved.  siyd-m  neben 
syd-m).  Aus  *xT€V'ko)  lesb.  xTarvco,  att.  xtsivo)  ;  aus  *(fO^€Q-iu)  lesb.  (pO^tQQm^ 
att.  (fx/eiQü)  arkad.  (fO^riqw  (§  50);  aus  ^dk-ko-q  att.  u.  s.  w.  dXXo-q^  aber 
kypr.  a/Ao-g  (§  3u).  xi,  xi  wurden  zu  crcr,  rr;  tj^  ,>i  zu  aa,  a  (§  38);  yi, 
d|  zu  C  («f<^)5  ^^  (§  41).     Aus  TTi  wurde  nr  (§  40). 

.  Anmerkung.  Die  Annahme  Ascou's  (Sprachwiss.  Briefe  50  ff.),  'iq-  sei  nach 
Konsonanten  zu  -Sio-,  weiter  zu  -eo-  geworden,  z.  B.  in  eteo-g  xeyeo-s  ategco-g^  im  fut. 
dor.  7iQä^e<a  und  in  den  Verbaladjektiven  auf  -rfo-j,  überzeugt  mich   nicht   im  mindesten. 

Zwischen  i  und  folgendem  Vokal  erscheint  i  als  Übergangslaut.  Kypr. 
ikäxr-QaVy  Ilaifikd  u.  a.  Im  Pamphylischen  ist  u  als  ii  zu  lesen,  z.  B.  in 
^EaTf!i(v)duvq  =  Uant'vdiog,  Uaqoiai^  6ud\  hiernach  ist  vielleicht  auch  argiv. 
[5]>Uio$  --  dXioq  (RöHL,  I.  G.  A.  n.  34)  zu  beurteilen.  Durch  y  war  dieses 
i  dargestellt  in  den  in  Papyri  sich  findenden  vyiycctriq  =  vyiaivsiq,  ^agani- 
yf^(n',  ixifoqr^ya  =  ixffOQia  u.  a.,  oder  k  war  im  Lauf  der.  Zeit  spirantisch 
geworden  und  mit  y  war,  wie  sonst  in  damaliger  Zeit,  der  Spirant  gemeint 
(Krcmbacher,  Sitzungsber.  d.  k.  bayer.  Akad.  1886,  S.  365  ff.),  vgl.  §  33. 

*)  Ist  aus  einem  ahnlichen  Herftberziehen  "  XlxQoog  u.dgl.  bei  äol.  Dichtern  und  ander- 
des  Nasals  und  der  Liquida  zur  vorher-  wärts  (Meister,  Gr.  D.  1,  188,  G.  Meyeb, 
gehenden    Silbe    «avyyitrjfii,  iyyoxXrjg,  f^eX-      Gr.  Gr.'**  l80  f.)  zu  erklären? 


30  A.  Griechische  Grammatik,    b)  Lantlehre. 

Der  Übergangslaut  i  wurde  sicher  auch  sonst  vielfach  gesprochen,  ohne 
besonders  geschrieben  zu  werden,  und  er  kann  in  den  aus  der  idg.  Periode 
stammenden  Verbindungen  von  i  mit  folgendem  Vokal  als  altererbt  gelten, 
z.  B.  TidvQikog  =  idg.  ^potr-iio-s  (ved.  pitriyors),  ihnikog  =  idg.  *e^-ito-s 
(ved.  dSvif/a-s);  vgl.  Vf.  Grdr.  1,  110.  112.  120. 

Über  i  in  Fällen  wie  oiog  (=  hoios)  N  275,  [noi  ivvene  (==  moienn.) 
a  1  und  -ü  in  solchen  wie  xovi  ayx^  (=  koniia.)  s.  §  64,  5,  Hartel,  H. 
St.  3,  7  flf.,  G.  Meyer,  Gr.  Gr.«  164  f.,  Osthoff,  M.  U.  4,  384  f.  Über 
*  =  1  in  homer.  Alyvmirj  d  229  u.  dgl.  Habtel,  a.  0.,  G.  Meter,  Gr.  Gr.* 
158  f.,  W.  Schulze  Quaest.  homer.  p.  17  sq. 

13.  Idg.  M>  {vY)  war  als  p  A.i.  ^  erhalten.  Als  graphische  Vertreter 
von  p  erscheinen :  K,  z.  B.  avaxav  Pind.  P.  2,  28,  vsa^  '  atoXrj  Hesychius 
von  W.  f6<r-;  B,  z.  B.  el.  inschr.  ßoixiaq  und  oft  bei  Hesych.;  r,  z.  B. 
ytxoq  '  iroq  Hesych.;  bei  demselben  lediglich  durch  Unverstand  auch  T 
{TQrifaXtov  '  dicQQtoyoTay  zu  pQtjvtfXi)  und  P  {rQt  •  <rt,  vgl.  §  96).  Dass 
das  auf  pamphyl.  Inschriften  neben  /?  auftretende  Zeichen  V\  (Röhl,  I.  G.  A. 
n.  505)  einen  besonderen  Lautwert  darstellte,  ist  nicht  wahrscheinlich;  vgl. 
über  dasselbe  unser  Handb.  1,  399-  419. 

f  schwand  am  frühesten  im  Ionisch- Attischen.  Die  Hypothese,  dass 
das  f  bei  Homer  Äolismus  gewesen  sei  (Fick,  Bezz.  B.  7,  139  flf..  Die  hom. 
Odyssee  S.  7  flf.),  ist  nicht  genügend  begründet  (vgl.  A.  Frisch,  Ztschr. 
f.  d.  Gymn.  38,  612,  Cauer,  Jahresb.  d.  philolog.  Ver.  10,  294  f.,  Kretschmer 
K.  Z.  29,  390  f.).  In  den  meisten  andern  Dialekten  blieb  der  Laut,  wie 
die  Inschriften  zeigen,  bis  tief  in  die  historischen  Zeiten  hinein  lebendig. 
Beispielsammlungen  bei  Tudeer,  De  dialectorum  Graecarum  digammo  testi- 
monia  inscriptionum,  Helsingfors  1879  und  G.  Meyer,  Gr.  Gr.*  229  flf. 

Anlautendes  ^  vor  Sonanten.  pixaxi  peixan  eTxoai  =  lat.  fjüginih 
pkTioq  Inog  =  ai.  vdcas  „Rede",  pouo-g  olxo-g  =  ai.  vsSd-s  „Haus*.  pda%v 
aatv  =  ai.  vdstu  „Sitz,  Ort*.  St.  paqv-  in  dem  böot.  E.  N.  pdqvtav^  im  Gen. 
aQv-og  U.-S.  w.  aus  ursprünglichem  *f/f-n-  (§  71,  1).  pataXat  (yttxdXaiy 
ovkai  Hesych,  d-pata  {avdvA)  Pind.,  vgl.  got.  vunds,  idg.  ^^^-tö-.  Als  laut- 
gesetzliche Fortsetzung  des  /?-  hat  sicher  im  allgemeinen  '  zu  gelten,  wie 
in  att.  iiKoaiy  iriog  etc.  In  manchen  Fällen  war  '  nur  scheinbar  Nachfolger 
von  f-,  z.  B.  in  ^'Axw,  das  sich  nicht  mit  lit.  velku  „ich  schleppe*  deckte, 
sondern  aus  ^apeXxu)  entsprungen  war  (s.  u.).  Unklar  ist  noch '  in  i'vvvim, 
oQo^g  (herakl.  oQo-g)  u.  a.  Wörtern,  die,  wie  es  scheint,  einst  mit  f-  anlauteten 
(s.  G.  Meyer  Gr.  Gr.^  244);  Darbishire's  in  §49  zu  erwähnender  Erklärungs- 
versuch hat  nur  schwache  Unterlage. 

Intersonantisches  w.  Jip-i  =  ai.  div-i  „im  Himmel*.  xXäpog  =  ai. 
irdvas  „Ruhm*.  qhopaXai  (korkyr.)  =  lit.  sravä  „das  Fliessen,  Bluten*.  Im 
Lesbisch-Äolischen  verband  sich  ^  mit  vorausgehendem  kurzen  Vokal  zum 


*)  Da  idg.  1*  und  t*  reinlich  zu  scheiden   '  wurde,  z.  B.  *v^go«  =  fcnogy  so  schreiben 


bis  jetzt  noch  nicht  gelungen  ist  (vgl.  Ost- 
hoff, Phil.  Rundsch.  1881  ijp.  1591.  Z.  G. 
d.  P.  135  und  die  in  §  49  zu   ermähnende 


wir  überall  idg.  ii.  —  übrigens  ist  es  ein 
Misbrauch,  schlechthin  vom  Spiranten  f 
zu  sprechen,  wie  oft   geschieht.     Der  Laut 


Hypothese    Dabbisbibe's),    weitaus   in    den      wurde  sicher  allermeistens  ohne   Reibnngs- 
meisten    Fällen    aber   sicher   tc  gesprochen      geräusch  artikuliert. 


2.  Vokale,  Nasale  und  Liqoidae.  (§  13.) 


31 


Diphthongen  (vgl.  alviu)  u.  dgl.  §  12  und  den  analogen  Prozess  im  German., 
wie  ahd.  treuwa,  Vf.  Qrdr.  1,  158),  eine  auch  bei  Homer  als  Äolismus  sich 
findende  Erscheinung:  cr^vw  (ai.  cydv-a-t^  „bewegt  sich,  entfernt  sich**),  idg. 
*2i^"^  (§  38);  svidov  (att.  sldov)  =  ai.  dvidam  „ich  traf  an",  idg.  *e'^id'0-m; 
aveXXa^  ion.  asXka,  zu  ci{f:)riiii  =  ai.  vämi  (Meister,  Gr.  D.  1,  93  flf.  109  flf., 
Wackebnaoel,  K.  Z.  25,  276  ff.).  Nach  langem  Vokal  schwand  p  im  Les- 
bischen, gen.  va(pyog^  =  hom.  viy-og,  ßaaiXrj{f:yog  =  homer.  ßamkrj-og;  ob 
das  av  von  lesb.  avwg  (ion.  ijwg)  und  vavo^g  (ion.  vrjo-g)  daher  rührte,  dass 
hier  ein  er  mit  im  Spiele  war  {rwg  aus  ^a^awg^  vrjo-g  wohl  aus  *i'ä(r-/ros), 
oder  ob  eine  andere  Stufe  des  Wurzelvokals  zu  Grunde  lag  {*a^<x-^  vgl. 
oQufTfn'  aus  ^a^afQfaro-v,  und  racr-),  lasse  ich  unentschieden,  i)  Wegfall  des 
/:  ion.-att.  Ju,  xXeog,  St.  ateäT-  {creaQ)  aus  *<rTijar-  (§  19),  "^(fräpax'  aus 
^sta-un-t'  (Vf.  M.  U.  2,  225).     ?x«a  aus  *^x*/^-jp  (§  112). 

Antekonsonantisches  ^.  El. /^^ar^ä,  kypr.  pQriräg,  att.  ^lyr^ä,  idg. 
♦j^rg^.  Lesb.  (Alkaios)  f^Qrj^i-g  und  daneben  öfter  nach  den  Grammatikern 
ß^j  wie  ßQi^vfoQ,  ßqtada ;  da  die  Inschriften  nur  ^-  bieten  {^ijtcdqj  Ende  des 
4.  Jahrh.  v.  Chr.),  so  ist  jenes  ßQ-  als  /?^-,  nicht  als  &r-  zu  lesen  (Bechtel, 
Phil.  Anz.  1886  S.  24  f.).  Im  Inlaut  bei  vorausgehenden  a-  e-  o- Vokalen 
war  u-Diphthong  die  lautgesetzliche  Vertretung  (ausser  vor  {),  z.  B.  evQv-g 
aus  *i'f!Qv-  mit  prothetischem  i-  (:  ai.  urü"  aus  *^^r-ti-  =  ai.  d-gru-  : 
^rw-)*),  TaAa-i;^^yo-$  (vgl.  y^U'og  •  dbQfia  Hesych,  d.  i.  pQivog),  ano-vqäg, 
€üXrjQa  (vgl.  avltjQov  und  aßXrjQa  bei  Hesych).  Dagegen  beruhten  kypr. 
l'fQs^a^  i'pQTjfidaatv^  ferner  das  qq  in  i-QQij^a^  a-p^ryro-g,  äTTo-qqriTO'g^  sowie 
das  (seltnere)  einfache  ^,  wie  in  lao-qono-g  neben  laihQQono-g^  auf  Einwir- 
kung der  unkomponierten  Wortform  mit  pq-  {qq-  q-)  im  Anlaut  (vgl.  ^^- 
=  sr--  §  45  und  Solmsen,  K.  Z.  29,  87.  349  f.),  welche  Einwirkung  auch 
für  noXv-qqrjV^  noXv-qqiio-g^  noXv-qi^o-g^  o^V'qsmi]g  anzunehmen  ist,  da  bei 
ungestörter  Lautentwicklung  -v^q-  in  -iq-  übergegangen  wäre;  a-qqrjxTo-g 
Icd-qoTto-g  :  a-vqrjxto-g  =  cc'ßqoTo-g  :  a'/ißqoTo-g,  Aus  a^s-  'e^s•'  -oj^5-  vor 
sonantischen  Vokalen  entstand  im  lon.-Att.  a-  e-  o-,  z.  B.  axori  i^^hen 
oxotHS-vo-g;  Neubildungen  waren  axovw  (nach  axovao^ai  etc.),  ysvw  (nach 
yiVfSfo^  a-yeva'TO'g  etc.)  u.  s.  w.,  s.  Solmsen  a.  0.  92  ff.;  in  den  Fällen,  wo 
bei  Homer  Diphthong  erscheint,  kommt  mit  in  Frage,  ob  ein  Äolismus  vor- 
liege, z.  B.  bei  ovata.^)  Über  t^i  in  xXaio)  xXao)  aus  *xAaf-jfö)  u.  a.  sieh 
§  12.   18.  54. 

Postkonsonantisches  iL 

n^:  kork.  nqo-^BVfo-g^  el.  gen.  Sevp-dqsoq^  lesb.  ^evvog^  ion.  ^etvog^ 
att.  ^£vog;  mt^  vielleicht  in  lesb.  ^vvexa,  ion.  shexa,  att.  i'v€xa  aus  *k'in-f:€xa 
(OsTHOFP,  Z.  G.  d.  P.  334);  n/:  xoqpä  (Collitz,  Gr.  D.  n.  373),  ion.  xovqrj^ 


')  ScHULZK,  Qua  est.  hom.  p.  1  sqq.  will 
l/«p«r,  devofiat  u.  dgl.  bei  Homer  nicht 
ate  /lolismus  gelten  lassen.  Ich  kann  seiner 
Theorie  schon  am  des  öinen  devofim  willen 
nicht  folgen,  da  die  Zusammengehörigkeit 
dieses  Wortes  mit  dem  völlig  gleichbedeu- 
tenden devtego-s  {devTaro-g)  und  weiter  mit 
ai.  dü-rd-,  wie  ich  meine,  evident  ist  (s. 
K.  Z   25,  299  f.). 


^)  Hierzu  ohne  prothetischen  Vokal  das 
Fem.  'Peta  (ion.  'Peit])  aus  *fQ'ef'ia,  Beiwoii; 
der  Erde  (Pott,  Et.  Forsch.  2\  178). 

®)  Der  nom.  acc.  att.  ovg  dor.  tSg  kann 
ebenso  gut  auf  *ou-o8  als  auf  *o\fS'08  zu- 
rückgeführt werden.  *o^o8  verhielte  sich 
zu  *ou8-en',  wie  ai.  iir'a8  zu  iirs-an-.  Vgl. 
Wackernagel,  K.  Z.  29,  141. 


32  A.  Qrieohische  Grammatik,    b)  Lautlehre. 

att.  xoQtjy  el.  ^HQpaoioig;  lu:  kypr.  aXpov,  wozu  aXova  (=  aXf^a?)  '  xiJTroi. 
KvnQioiy  Hesych  (Deecke  bei  Collitz,  Gr.  D.  1,  30),  *3Afo-^  (=  ai.  sdrvct-s 
„all**),  homer.  ovXog^  att.  okog.  Vgl.  §  30.  57.  ?<-Epenthe8e  bei  Stellung 
des  ^  nach  Nasalen  und  Liquidae  ist  nicht  sicher  nachgewiesen;  vgl.  §  54. 

kt/,  inno-q  =  ai.  äSva-s,  idg.  *eA'iiO'S  (vgl.  Mucke,  De  consonarum 
in  Gr.  lingua  geminatione,  Budissae  1883,  p.  34).  Im  Anlaut  tt-:  nag 
(Trarr-)  =  ai.  Sd-Svant^  (aus  *sd'Svant')  „vollständig,  ganz,  jeder**,  idg.  *^U'nt' 
(§  72,  3);  dor.  nä-fia  „worüber  man  Verfügung  und  Gewalt  hat,  Besitz* 
aus  *Arwa-mew-,  wozu  auch  el.  ifi-TtacD  „bringe  zur  Geltung,  vollstrecke"; 
Ilav'Oipia  aus  Ht^ano-,  *)  Jünger  als  die  Assimilation  zu  ^nTt-  {tv-)  war  die 
zu  -XX- :  ntXsxxO'V  zu  neXcxv-g,  Xdxxo-g  zu  lat.  lacu^s^  fiixxo-g  zu  fuxv-g  u.  dgl., 
wonach  wohl  zu  ixxo-g,  der  Nebenform  von  Inno-g  (Herodian  II,  548,  11  L.), 
eine  in  die  griech.  Sprachentwicklung  hineingekommene  Stammform  *lxv^ 
*eku-  angenommen  werden  muss;  s.  §  70*»,  I  Anm.,  G.  Meyer,  Gr.  Gr.* 
270.  276,  Bechtel,  Phil.  Anz.  1886  S.  15  f.,  Vf.  Grdr.  2,  148. 

tu.  Kret.  TfSh  (bei  Hesych  TQt  geschrieben,  s.  o.),  dor.  rt,  lesb.  ion.- 
att.  <Tty  böot.  T/r,  vgl.  ai.  tvd-d  (über  enklit.  roi  §  96.  201,  2).  Boot. 
TttitaQfg,  att.  TbTxaqsg^  dor.  tiroQsg^  hom.  Ttaaageg^  herod.  xtaasQsg^  arkad. 
TsaasQaxovxa^  vgl.  ai.  catvdras  §  101  (Wackernagel,  K.  Z.  24,  592  ff., 
Alfr.  Müller,  De  2  litera,  Lips.  1880,  p.  66  sqq.,  G.  Meyer,  Gr.  Gr.*  258). 

Anmerkung.  In  einigen  Wörtern  soU  tu-  allgemeingriechisch  durch  o-  vertreten 
gewesen  sein,  z.  B.  <Tei<a  (gortyn.  iy-aeia),  das  man  mit  ai.  tvis-a-ti  «ist  in  heftiger  Bewegung, 
ist  erregt*  verbindet.  Vgl.  K.  Z.  22,  263.  28,  280.  29.  98,  Bkzz.  B.  12,  240.  14,  100. 
Man  müsste  entweder  einen  doppelten  Anlaut  tt^-  (rfi)  und  tv-  mit  Spirans  v  (asiio)  statuieren, 
oder  annehmen,  als  im  Urgriech.  tw  in  c-  tiberging,  sei  das  r  in  tfi  durch  die  Analogie 
von  TV  gehalten,  bezieh,  wiederhergestellt  worden.  Unklar  ist  übrigens  auch  noch  das 
Verhältnis  von  -ovyo-  zu  ai.  -tvanä-  (§  70,  6).  —  Homer,  tirga^ct  neben  teaaugeg  erklftrt 
sich  daraus,  dass  *jerfQa-  =  *qett^f'  bereits  im  Urgriech.  das  f  einbüsste  (§  59). 

d^.  Von  W.  duei--  korinth.  JpsiviAc^  bei  Hesych  dedpoixwg  (dsÖQoixtig 
geschrieben,  s.  o.  S.  30),  homer.  i-iieiaev.  Für  homer.  deidißfv,  x^eovörfi  ist 
mindestens  SäSSifiev,  x^eodSr^g  zu  schreiben,  doch  wurde  in  hom.  Zeit  viel- 
leicht noch  dp  gesprochen.  Ebenso  ist  homer.  iiSaq  in  ^ddaQ  {idpaq)  zu  ändern, 
vgl.  ai.  -ad-van-  .essend"  (Vf.  K.  Z.  25,  218  f.  M.  U.  2,  226  f.).  Attisch 
und  sonst  bloss  rf,  äsivog^  dtdoixcc^  idaQ-ßQüOfia  Hesych,  dm-dexa  Sig  vgl.  ai. 
dvd,  dvi^. 

dhu.  oQ^-o-g,  vgl.  ai.  ürdhvd-s  „aufrecht**  lat.  arduo-s,  idg.  ^^dh-^^ö^s 
(§  70,  3).     -^f,  vgl.  ai.  'dhve  (%  108). 

pti:  vr^Tiio-g  (neben  vr^-nv-rio-g)  aus  *vi;-7rf-io-$.  hh^:  vnsQffiaXo-g  aus 
*i7i€q-(fp'iaXo-g  von  W.  Iheii-  (Osthoff,  M.  U.  4,  67.  148.  358). 

sif.  wurde  im  Anlaut  zu  tonlosem  p,  dieses  zu  A.  /?  bei  Homer  und 
sonst:  poi^  /?«,  ps-xdg  („für  sich,  abgesondert**)  von  idg.  ^s^ie-,  ai.  svd-  (§  97), 


^)  Samisch   xvttvo-  in   Kvayotpiojy  (vgl.  '   ai.  iu-  (CuRTirs.  G*  157),  zu   der  auch  die 

xvafÄog  mit  >/i-Suffix)  entstand  aas  *kuuanO'  \   im  Texte    genannten    Tiiig  und   näfia    (vgl. 

und  verhielt  sich  zu  Tiaro- in  ilai'-oU'/«  (ausser-  ntifKoxog  -  6  »vgiog  Hesych)  gehörten.     Von 

halb  Attika  gebrauchte  Form,  Harpokrat.  p.  derselben  Wurzel  leitet  man  auch  xv<oy  ab 


161, 30)  wie  *fv(a  =  yed.  dura  zu  cfw-cff x«  (aus 
♦cf/ro>)  =  ved.  dvd,  wie  iffvtjy  {hhuu-)  zu 
vTteQ'tfiaXos  aus  vitSQ-fff-iaXo-g  (6/iit-)  u.  a. 


(nach  Benfey  ,der  hSufig  und  viele  Junge 
gebärende*),  dessen  alte  Nebenform  ^Tiojy 
(acc.  *rt6y(e)  =  ai  ivä  lit.  sziY  (*7i loy  :  xvtoy  = 


(§  24).  Die  Form  nvayog  (llvay-oipia,  lltuy-  \  navo-  :  xrcrro-)  man  wohl  wegen  des  zu  grossen 
i%pia)  war  eine  jüngere  Mischbildung.  Die  '  formalen  Abstandes  von  xvy-  in  xvy-^g  etc. 
Wurzel  war  xi»-  m  xvog,  xvaQy  xtQog  etc.  =    ,   fallen  Hess. 


8.  Vokale,  Nasale  und  Liqnidae.  (§  14—15.)  33 

f  ^  =  kymr.  chwech  (§  101).  Die  Tonlosigkeit  des  /?  war  durch  beigesetztes 
h  bezeichnet  im  böot.  phexa-ddiios  und  im  pamph.  phä  (Collitz  Gr.  D. 
n.  1267),  das  allerdings  nicht  sicher  steht  (vgl.  PH  =  tonlosem  ^  §  22 
und  §  51).  Blosses  h :  of^  f,  ixdg^  1^,  i^dvg  ==  ai.  svadu-^,  Dass  daneben 
auch  er-,  aus  <r/?-,  erscheine,  ist  wohl  trotz  Bechtel,  Phil.  Anz.  1886  S.  14 
anzuerkennen:  z.  B.  adlog  (hom.  xovi-affaXog)  zu  ahd.  swellan  „schwellen", 
(fiyfj  zu  ahd.  swlgBn  „schweigen"  (W.  st/ia'ik'  stfa'ig-),  a-iaXo-g  zu  v-g  (av-6g 
av^  nach  ^ap^og).  Freilich  ist  es  um  die  Erklärung  noch  misslich  bestellt, 
s.  Osthoff,  M.  U.  4,  356  ff.  und  G.  Meyeb,  Gr.  Gr.«  220  f.  247,  der 
ursprünglich  verschiedenen  Anlaut  (52^-  und  st;-)  annimmt.  Unklar  ist  auch 
noch  die  Geschichte  des  -s^*  nach  Sonanten:  es  ist  trotz  Bechtel  a.  0. 
noch  kein  sicheres  Beispiel  für  Schwund  und  trotz  Osthoff,  M.  U.  4,  187 
noch  kein  sicheres  für  Übergang  in  -crcr-  -<r-  beigebracht  (über  piapo^g  lao-g 
8.  §  70,  3  und  §  73,  1). 

Zwischen  v  und  folgendem  Vokal  erscheint  p  als  Übergangslaut,  z.  B. 
chalk.  FaQvpovTjgy  böot.  Baxsvpai^  kypr.  dvpdvoi,  xaxeaxevpaae^  durch  ß 
d.  i.  V  (§  33)  ist  dieses  p  dargestellt  in  Evßdlxrjg  (lak.  Cauer  D.^  n.  25), 
Evßavdqog  (dodon.  Cauer  D.*  n.  250).  Dieser  Übergangslaut  wurde  sicher 
auch  sonst  gesprochen,  ohne  besonders  geschrieben  zu  werden,  und  er  kann 
in  den  aus  der  idg.  Ursprache  stammenden  Verbindungen  von  u  mit  fol- 
gendem sonantischen  Vokal  als  altererbt  gelten,  z.  B.  dvpon  (ved.  duvd) 
=  idg.  *dut0. 

Über  t;  =  ff  in  Fällen  wie  lxv€vwv  Pind.  P.  8,  35  und  xXv&i  iiev 
(=  fne^)  aQyvQOTo^  A  37  sowie  in  'HXsxTQvwvog  Hes.  Schild  3  u.  a.  vgl. 
§  12  extr.  und  G.  Meyer,  Gr.  Gr.^  160  f.  168. 

Diphthonge  und  andere  Vokalverbindungen. 

14.  Die  idg.  Diphthonge  (d.  h.  Verbindungen  von  zwei  Vokalen, 
die  derselben  Silbe  angehören  und  deren  zweiter  im  Verhältnis  zum  ersten 
konsonantisch  fungiert)  hatte'  das  Griechische  treuer  als  alle  Schwester- 
sprachen erhalten.  Beispiele  s.  §  6  ff.  Zu  den  ursprünglichen  Diphthongen 
kamen  durch  gewisse  Lautprozesse  neue  hinzu:  1.  durch  sog.  „Epenthese'', 
wie  T€xxaiYw  aus  HexTav-kw  (§  12.  54);  2.  durch  Eontraktion,  wie  naig 
aus  natg  (§  17);  3.  durch  sog.  „Prothese"  vor  w,  wie  svqv'-g  aus  "^i-pqv-g 
(§  13.  28);  4.  dadurch,  dass  i  und  f«,  im  Silbenanlaut  stehend,  bereits  mit 
dem  Exspirationsstoss  des  vorausgehenden  Vokals  hervorgebracht  wurden 
(a'i^a  z.  B.  wurde  zu  atf/ifa):  so  lesb.  dXvibn  aus  ''^dXvkw^  svidov  aus  Hpidov 
(§  12.  13);  5.  beim  Schwund  von  v  vor  <r  im  Lesbischen,  wie  nalaa  aus 
orlesb.  *ndvaa  (§  55). 

Im  einzelnen  ist  zur  Geschichte  der  Diphthonge  im  Griechischen  fol- 
gendes zu  bemerken. 

15.  Diphthonge  mit  kurzem  ersten  Komponenten. 

In  «v,  ovy  av  wurde  der  zweite  Komponent  nicht  zu  ö  (vgl.  §  7), 
sondern  blieb  u.  Daher  ist  nicht  auffallend,  dass  man  ihn  öfter  durch  p 
ausdrückte,  wie  lokr.  Napnaxritov  Colutz,  Gr.  D.  n.  1478,  40  neben  Navn. 
auf  ders.  Inschr.,  korinth."£/r^f[Tog],  Röhl  I.  G.  A.  n.*20,  101,  kret.  dptog, 
'AflMvt,  anopdddv   (Baünack,  Berl.  phil.  Wochenschr.   1887   S.  59).     Und 

Handbtush  der  Ua«.  ÄltertununriaseDachaft.  U.    2.  AoH.  3 


34 


A-  Griechische  Grammatik,    b)  Lautlehre. 


daher  ist  auch  leicht  verständlich  die  mehrere  Male  vorkommende  Darstel- 
lung von  e^  durch  €ov,  wie  'Axi^^fovg  (G.  Meyeb,  Gr.  Gr.^  135),  wo  ov 
ebenso  Kürze  meint  wie  in  böot.  rovxä  u.  dgl.  (§  7).  Die  zweilautige  Gel- 
tung von  av  und  6t;  blieb  bis  ins  Neugriechische,  ^  wurde  spirantisch,  und 
zwar  zum  tönenden  Spiranten  vor  tönenden,  zum  tonlosen  vor  tonlosen 
Konsonanten,  z.  B.  svvrj  =  evni,  avrog  =  aftos;  dass  die  spirantische  Aus- 
sprache in  vorchristliche  Zeit  hinaufreicht  und  damals  wenigstens  in  gewissen 
Gegenden  und  in  gewissen  Verkehrskreisen  bestand,  darf  aus  Schreibungen 
wie  ivdo/iog  =  i'ßSofiiog,  ^avSog  =  ^dßdog,  ijxßXevaavteg  =  i^ßXtipavrhg 
gefolgert  werden  (vgl.  Blass,  Ausspr.^  79). 

Dass  u  in  «r,  av  im  Ionischen  dem  q  nahe  kam  (vgl.  nhd.  haqs  = 
haus^  Sievers,  Phon.^  142),  zeigen  inschr.  Formen  (vom  5.  Jahrh.  an)  wie 
(f'Soysiv^  aoTov  (Karsten,  De  titulorum  Ion.  ,dial.,  Hai.  Sax.  1882,  p.  20, 
Blass,  Ausspr.^  72). 

Aus  €v  wurde  im  Kretischen  or,  z.  B.  tfioväta  =  tpsvSf^,  initadoviia 
(Hey,  Quaest.  de  dial.  Cret.  23).  Vgl.  zu  diesem  assimilatorischen  Prozess 
dor.  w,  att.  ov  {ü)  aus  fo  §  17  und  lat.  doucö  aus  *deucö. 

Das  idg.  0^  in  anovdrj,  eth'^kov&a  etc.  war  im  Ionischen  und  Attischen 
im  5.  Jahrh.  zu  ü  geworden  (spüde),^)  doch  behielt  man  das  Doppelzeichen 
OV  bei  und  verwandte  dieses  auch  zur  Darstellung  des  von  Anfang  an 
monophthongischen,  durch  Kontraktion  oder  „Ersatzdehnung*"  entstandenen 
ü  z.  B.  in  nüs  vovg  =  voug  (§  17),  düs  Sovg  =  *(for(T)-$  (§  55),  s.  Dietrich, 
K.  Z.  14,  48  flf.,  Vf.  C.  St.  4,  81  ff.  Kyprisch  o-vo  =  ov,  a-ro-u^ra-i  ^ 
aqovQtti  u.  a.  und  die  Darstellung  des  ov  durch  op  in  kret.  anopddav  lassen 
Erhaltung  des  of^  als  Diphthong  in  diesen  Mundarten  erkennen. 

Das  idg.  ei  in  fz/ir,  ns({>m  etc.  war  in  Korinth  bereits  im  6.  Jahrh. 
V.  Chr.  geschlossenes  e  geworden,  wie  der  Ausdruck  mittels  E  zeigt,  z.  B. 
nOTEJAN  Jloreidav. 

Derselbe  Übergang  ist  für  das  lon.-Attische  als  im  5.  Jahrh.  voll- 
zogen anzuerkennen  (für  das  Attische  schon  bedeutend  früher,  falls  auf  die 
für  so  frühe  Zeit  ganz  vereinzelt  stehende  Schreibung  EIMI  =  sl^i  auf 
der  Stele  von  Sigeion,  Röhl  n.  492  aus  der  Zeit  600—550,  etwas  zu  geben  ist). 
Das  Zeichen  El  blieb  und  wurde  auch  zur  Darstellung  des  von  Beginn 
monophthongischen,  durch  Kontraktion  oder  „Ersatzdehnung''  entstandenen 
geschlossenen  e  z.  B.  in  dHe  dstre  aus  dtexe  (§  17),  ^mi  eipl  aus  *i(ffn^ 
tUs  &Hg  aus  *^€v{Tyg  (§  55)  gebraucht.  S.  Vf.  a.  0.  und  G.  Meyer,  Gr.  Gr.» 
82  f.*)     Im  3.  Jahrh.  wurde  das  geschlossene  e,  zu  dem  sich  das  „echte* 


^)  Daher  versteht  man  rov  ßov  nagd 
XoffoxXil  iy  'lydx(o  xal  Ttagd  JÜJX^'Xf^  Herod. 
II,  704,  39,  eine  *  Analogiebildung  nach  rov 
yov  u.  dgl.  (G.  Meyer,  Gr.  Gr.=^  332).  ßov<; 
und  yovg  (aus  Poog)  waren  gleichlautend  ge- 
worden. Eine  Stammform  ßof-o-  für  dieses 
ßov  anzunehmen  scheint  mir  unstatthaft. 

'^)  Anders  Blass,  Aus8pr.^29  f.,  Meister- 
hans, Phil.  Rundsch.  1886,  S.  249  und  Gr.« 
16.  28,  die  annehmen,  urgr.  ej  sei  noch  im 
*4.  Jahrh  Diphthong  gewesen  und  das  e  von 
^€Tt€  eifil  etc.  habe  sich  diphthongisiert.  Die 


vorgeführten  Gründe  scheinen  mir  völlig 
kraftlos.  Wenn  für  urgr.  e^  fast  regelmässig 
El  geschrieben  ist,  während  man  bei  dem 
e  von  dette  etc.  so  lange  zwischen  E  und  FA 
schwankte,  so  ist  zu  bedenken :  von  der 
Schreibung  El  für  urgr.  ei  abzugehen,  hatte 
man  keinen  Anlass,  wohl  aber,  wegen  der 
Mehrdeutigkeit  des  E,  von  der  Anwendung 
dieses  Zeichens  für  das  geschlossene  e  in 
dehe  etc. ;  das  El  musste  für  öeTre  etc.  will- 
kommen sein,  und  dass  man  sich  nur  all- 
mählich  von    £    trennte,    kann    nicht    auf- 


2.  Vokale,  Nasale  und  Liqoidae.  (§  15.)  35 

und  das  „unechte''  €$  vereinigt  hatten,  zu  i  (Blass,  Ausspr.^  57  f.,  R. 
Waoneb,  Quaest.  de  epigrammatis  grammaticae,  1883,  p.  35).  0 

Im  Böotischen  war  der  Wandel  von  ei  zu  i  schon  im  5.  Jahrh.  voll- 
zogen, vgl,  ^AQiatoylToviog  =  'AgiaroyetTonog^  atiovxog  ■■:=■  äetdovrog  (Meister, 
6r.  D.  1,  227  flf.).  Über  denselben  Übergang  im  Arkadischen  s.  Spitzer, 
L.  d.  a.  D.  22. 

Kypr.  pe-i-se-i  =  neiaei  (att.  tefaet)  zeigt  Bewahrung  der  diphthon- 
gischen Aussprache. 

Aus  Ol  entstand  im  Kret.  und  Lesb.  wj,  z.  B.  kret.  o-nvi  =  o-ttoi, 
lesb.  TvT^Se  (vgl.  lesb.  dnv  =  aTto).  In  Böotien  entstand  o^,  z.  B.  'Agiaro- 
tko€vo-^  (Tanagra),  daraus  im  3.  Jahrh.  v.  Chr.  (wohl  durch  ö  hindurch) 
Ä,  z.  B.  Ovv-aQxo-gy  fiWä,  und  in  den  jüngsten  böot.  Inschriften  neben 
t'  auch  €1  (d.  i.  T  oder  wenigstens  ein  diesem  sehr  nahe  liegender  Vokal), 
z.  B.  amsTg  =  avrotg  (vgl.  Meister,  Gr.  D.  1,  235  flf.,  BtASS,  Rhein.  Mus. 
36,  611,  Ausspr.*  56).  Wandel  von  oi  in  v  fand  später,  doch  nicht  vor 
dem  2.  christl.  Jahrb.,  auch  in  den  andern  Mundarten  statt  (doch  bleibt 
zweifelhaft,  ob  durch  dieselben  Mittelstufen  wie  Jahrhunderte  vorher  in 
Böotien)  und  führte  im  9.  und  10.  Jahrh.  zu  t  (G.  Meyer,  Gr.  Gr.^  131, 
Blass,  Ausspr.*  69  f.,  Foy,  Bezz.  B.  12,  57,  Krumbacher,  Ber.  d.  k.  bayer. 
Akad.  d.  Wiss.  1886  S.  443  f.). 

ai  erscheint  vor  400  in  Böotien  als  ai  oder  as  (Tanagra)  geschrieben, 
z.  B.  A€axQ<^v6äg;  dieses  ae  wie  nhd.  «^  in  Jcaiser,  leid  (Sievers,  Phon.^  142). 
Mit  der  Einführung  des  ion.  Alphabetes  tritt  in  demselben  Lande  r;  für  ai 
auf,  z.  B.  Tji  =  cci{p)€{y  Innotii  =  innorai^  und  die  jüngsten  Inschriften 
zeigen  ei  d.  i.  geschlossenes  ^,  z.  B.  ^Al^äveTov  (Meister,  Gr.  D.  1,  238  ff.); 
ebenso  «*  =  ai  im  Thessal.  (Collitz  Gr.  D.  n.  345):  ßtXXsi'Tsi  (dor.  6r]- 
Xrjftat  „velit*),  itpavyQe-v&eiv,  orygaipstv,  eaatax^eiv^  EtfAovveiog.  Später, 
wohl  nicht  vor  dem  2.  Jahrh.  n.  Chr.  Geb.,  ging  auch  anderwärts  in  Grie- 
chenland ai  in  ^  über  (Blass  ä.  0.  62  flf.,  R.  Wagner  a.  0.  40  f.,  Meister- 
hans, Gfr.2  26  f.). 

Diphthongisches  ui  scheint  der  idg.  Ursprache  fremd  gewesen  zu  sein. 
Im  Griech.  entstand  der  Diphthong  vi  durch  Konsonantschwund  und  Kon- 
traktion, z.  B.  idvTa  aus  ^fudvtr-ta  (§  45),  hom.  vtxvi  (§  82),  durch  Über- 
gang von  0%  in  ui,  z.  B.  kret.  onvi  (s.  o.),  durch  Vorausnahme  von  silben- 
anlautendem i,  z.  B.  lesb.  (f^vfoo  (§  12  S.  29). 


fallen.   Auch  die  Berufung  auf  xXeig  aus  xXpg  |   antevokalischem  E",  wie  inschr.  deir^rm  = 


besagt  uichts.  Denn  auch  einmal  zugegeben 
(vgl.  aber  §  16)»  hier  sei  (ca.  400  v.  Chr.) 
ei  ans  ei  iei)  entstanden,  womit  sollte  man 
denn  diesen  Diphthong  ausdrücken,  wenn 
nicht  mit  £/?  EI,  sonst  Zeichen  für  geschl. 


difiTM.  Denn  auch  angenommen  (vgl  aber 
§  18),  es  sei  -erj-  in  eii-  (  ^  -  )  übergegan- 
gen, so  wäre  hier  doch  immer  kein  Diph- 
thong (vgl.  §  14)  entstanden  gewesen,  das 
El  wäre  also  mit  dem  antekonsonantischen, 


e,  musste  jetzt,  wo  ein  Diphthong  neu  ent-      auf  das  allein  es  ankommt,  gar  nicht  kom- 
Bpraogen  war,   für  diesen  mitgelteii.     Dass      mensurabel.   M.^s  weitere  Einwände  erledigen 


dasselbe    Zeichen    für    verschiedene    Laute 


sich  hiemach  von  selbst. 


diente,  daran  waren  die  Griechen  doch  ander-  *)  In  dem  ion.  Icfcia  dno-de^ig  u.  s.  w. 

wärtB  schon  gewöhnt,  z.  B   Y  =  tf  in  «vrog,  war  nicht   et  in   b  übergegangen,    sondern 

=  ff   in   vnOf    -J   =   «  in   axtjvni,   =   z  m  diese  Formen    gehörten  zu  der  Wurzel   des 

c߀yyvvM.    Femer  beruft  sich  M.    mit  Un-  lat.  doc-eö.    S.  G.  Meyer,  Gr.  Gr.^  130. 

recht  auf  «die  Entstehung  von  EI  aus  kurzem  | 


36 


A.  (hieohische  Grammatik,    b)  Lautlehre. 


16.  Diphthonge  mit  langem  ersten  Komponenten.  Die  Di- 
phthonge e^  ö^  a^  H  öi  ai  erfuhren  vor  Konsonanten  im  Urgriechischen 
Kürzung  des  ersten  Komponenten,  z.  B.  Zevg  aus  idg.  *dj[^-s  (§  26).  Wo 
in  den  Dialekten  ijv  cov  etc.  vor  Konsonanten  auftreten,  war  der  Diphthong 
unursprünglich,  z.  B.  in  herod.  icowov  (§  98),  in  homer.  vrjvg  (§  26),  in 
rjv^dfir^Vy  jjzovvy  lyte^  (pxovv  (§  109),  in  ^rfo)  aus  ä{f:)€(d(o,  afti^a)  aus  atot^o)^ 
xXf^g  aus  xXrji'g,  h^airfi  aus  Xr/iCTtjg  (§  17).  Im  Auslaut  erscheinen  vorgriech. 
-öjt  und  -fl{  mit  erhaltener  Länge  des  vorderen  Komponenten:   Dat.   ihrm;», 

X^?^  (§  81). 

Das  i  von  m  und  äi  verstummte  in  den  verschiedenen  Gegenden  zu 
verschiedenen  Zeiten,  im  Attischen  vollständig  wohl  erst  im  2.  Jahrh.  v. 
Chr.  (G.  Meyer,  Gr.  Gr.«  132,  Meisterhans,  Gr.«  52  f.).  Für  rjt  (sowohl 
in  eiTtj]  fjQb&rjv  rrj  etc.  als  in  den  durch  Kontraktion  entstandenen  xljjg 
Xnaxrfi  XrjtovQyeiv  etc.)  erscheint  im  Att.  seit  Beginn  des  4.  Jahrh.  v.  Chr. 
EI  geschrieben  (Meisterhans  a.  0.  28  ff.):  es  ist  anzunehmen,  dass  ^  zu 
geschlossenem  ^  geworden  war.^ 

17.  Kontraktion  nennt  man  die  Vereinigung  zweier  mit  gesondertem 
Exspirationshub  gesprochenen  Sonanten  unter  einem  Silbenaccent,  wobei 
entweder  ein  Monophthong  entsteht  {dO^Xov  aus  iie&Xovy  (piXeTve  dor.  ^X^re 
aus  (fiXt€T€)  oder  ein  Diphthong  {Ttatg  aus  nätg^  ßtXevg  aus  ßäXsog), 

Bei  Kontraktionserscheinungen  muss  die  Chronologie  genau  berück- 
sichtigt werden.  Ein  Teil  derselben  war  uridg.,  z.  B.  ?;«•=  idg.  *ßs-^ 
aus  *e-es-^,  inno;>  =  idg.  *ek^öi  aus  ^ek^o-ai  (vgl.  Osthoff,  M.  U.  2, 
113  ff.,  Vf.  Grdr.  1,  106  ff.),  oixei  =  idg.  *-c{  aus  *-e-/  (§  82).  Als  ur- 
griech.  darf  gelten  die  Kontraktion  von  e(sji  zu  ei,  wie  in  «?,  g>äQ€ig  (§  107), 


^)  Manche,  wie  Riexann,  Blass  und 
Meisterhans,  nehmen  Übergang  von  ei  in 
ei  an,  das  noch  im  3.  Jahrh.  v.  Chr.  ge- 
sprochen worden  sei.  Mir  scheint,  mit  Un- 
recht. Metrische  Inschriften  mit  dreisilbigem 
BgtaHIg  u.  dgl.  aus  dem  4.  und  3.  Jahrh., 
auf  die  sich  Meisteshans  beruft  (Phil. 
Rundsch.  1886,  S.  249  f.),  beweisen  nichts, 
weil  sie  nicht  die  Umgangssprache  ihrer  Zeit 
zu  repräsentieren  brauchen.  Dagegen  be- 
weist für  mich  die  Darstellung  des  n  durch 
E  in  ;^«Axo^//xp,  avrji  C.I.A.  2,  61  nach  357 
V.  Chr.  (von  Meistebhaks  a.  0.  angeführt) 
und  in  ßaaikfig  BQia^g  auf  Vasen  (s.  Kbbtsch- 
MEK,  K.  Z.  29,  415,  in  BPllEEI  der  Vokal 
doppelt  geschrieben  zur  Bezeichnung  der 
Länge).  Johansson,  De  der.  verb.  165  führt 
die  (inschriftlich  unbelegten)  Konjunktiv- 
formen fito^oTg  -Ol  ebenfalls  zu  Gunsten  von 
ei  aus  €%  an,  indem  er  sagt,  nach  jnia^re 
aus  fHG96tjT6  wären  in  der  2.  3.  sg.  -(ftg  -^ 
zu  erwarten,  -otg  -ot  wiesen  also  auf  -o^ 
-oei.  Aber  dann  wäre  zu  tpiX^U  -^i  als  Konj. 
auch  -eh  -ff  zu  erwaiten,  nicht  -^?  fj. 
Ausserdem  darf  die  Änderung  des  ti  im  Att., 
welcher  Art  sie  auch  immer  gewesen  sein 
mag,  nicht  in  die  Zeit  hinaufgerückt  werden, 
wo  die  verba  contracta  noch  die  offenen 
Formen  hatten  (Ind.  fiia^oT  z.  B.  schon  570 


—560  V.  Chr.,  Meistebhans  139).  Die  Sache 
liegt  so:  in  ffiX^g  -p,  fpiquig  -p  wurde,  wie 
im  Ind.,  geschlossenes  e  gesprochen,  ebenso 
waren  tifi^g  -4  zugleich  Ind.  und  Konj.,  und 
die  1.  ps.  sg.  war  für  beide  Modi  dieselbe, 
€pi.ho  q>iQto  xiutu  und  fiur&iü;  daher  gebrauchte 
man  auch  die  Indikativformen  fiio&oig  -oi 
zugleich  konjunktivisch,  ein  Vorgang,  der, 
wie  das  von  Mkisterhans,  Gr.^  140  miss- 
verstandene  inschr.  wy  äv  ngoadehai  (320 
V.  Chr.)  zeigt,  auch  auf  das  Medium  Über- 
griff; zu  dieser  Nichtunterscheidung  von  Ind. 
und  Konj.  vgl.  auch  inschr.  ^oxp  als  Ind. 
(368  V.  Chr.)  u.  dgl.  bei  Meistebhans  fS.  31. 

Bechtel's  Vermutung  (Inschr.  des  ion. 
Dial.  S.  14),  dass  zwischen  tji  und  ei  ein  ei  in 
der  Mitte  gelegen  habe,  will  ich  wenigstens 
erwähnen;  dass  sich  ihr  jemand  anschliessen 
werde,  bezweifle  ich. 

Endlich  bleibt  noch  zu  erwähnen,  dass, 
wie  Wackebnagel,  Phil.  Anz.  1886,  S.  69  f. 
feststellt,  die  Formen  der  Kaiserzeit  fiovX^ 
(dat.),  Xvtj  (conj.),  ijqt^tjv  (p  mit  t  subscr. 
war  nur  archaisierende  Schreibung)  Neu- 
schöpfungen waren.  ^ovXrj  nach  den  andern 
Kasus  des  Paradigma's  etc.  Das  n  der  ausser- 
halb analogetischer  Einflüsse  stehenden  xXftg 
XijTovQyety  ging  seinen  Weg  über  ge6ch](»s* 
senes  e  zu  i  weiter. 


2.  Vokale,  Nasale  und  Liqoidae.  (§  16—17.)''  37 

atsi  (§  73,  1),  fJi€V€t,  dkrj&€ta  (ion.  -fiV;,  s.  Fritsch,  Zum  Vokalismus  des 
Herod.  Dial.  19  flf.)  aus  *-f<r-«(a;  homer.  Formen  wie  jU*v«i'  und  die  von 
Naück  u.  a.  angenommenen  'Agyäiogy  ävmSsirj^  noXvd-eqaeidrjq  u.  dgl.  be- 
greifen sich  leicht  als  Neubildungen.  Die  allermeisten  der  auf  griechischem 
Boden  vollzogenen  Kontraktionen  gehörten  unstreitig  dem  einzeldialek- 
tischen Leben  an  und  waren  hauptsächlich  durch  den  Ausfall  der  inter- 
sonantischen  t,  ^  (f ),  c  veranlasst.  Diese  Konsonanten  schwanden  aber  nicht 
zur  selben  Zeit,  daher  Ungleichmässigkeiten  wie  att.  gen.  sg.  ccc<fovg  nom. 
acc.  pl.  aa^Ti  (aus  -«(cr)-©^,  -f(o')-a)  neben  -qdäog  r^ita  (aus  -«(f)-©^,  -«(f)-a). 
Auch  bewirkten  noch  andere  Faktoren  manche  Ungleichheit,  vgl.  z.  B. 
Wackebnagel,  K.  Z.  29,  138  flf. 

Kein  Hiatus,  den  die  historische  Gräzität  im  Wortinnern  zeigt, 
stammte  als  solcher  aus  der  idg.  Ursprache.  Die  hom.  Konjunktivformen 
arrfifievy  v^i^ofAcv  u.  dgl.,  in  denen  Curtius  und  andere  altüberkommenen 
Hiatus  finden  wollten,  waren  griechische  Neubildungen,  die  idg.  Formation 
war  durch  ark.  latavoiy  messen,  tid^r^vri  u.  dgl.  repräsentiert  (§  142,  1). 
Ebenso  waren  3.  pl.  wie  att.  Ti&säai  böot.  M&sav^  part.  pf.  fem.  wie  hom. 
xBd^rivTa  u.  dgl.  m.  griech.  Neuschöpfungen.  Auch  bestand  in  Verbindungen 
wie  «a,  ua  (itttt^o^,  dvw)  kein  alter  Hiatus,  denn  es  wurden  hier  von  idg. 
Urzeit  her  i  und  u  als  Übergangslaute  gesprochen  (idg.  *ekuiiO'S,  *dutio), 
8.  §  12.  13.  Wohl  aber  hatte  das  Urgriechische  wahrscheinlich  in  der  Fuge 
von  Nominalkomposita  noch  uridg.  Hiatus,  wie  in  ^Inno-aymyog  (vgl.  ai. 
ved.  t/ukta^(iharS  „dem  die  Rosse  angeschirrt  sind'',  aksl.  dobro-okü  „schön- 
äugig*"),  welcher  Hiatus  damals  durch  die  gleiche  Elision  (inTi-aycoyog)  be- 
seitigt wurde,  die  in  tavTo  u.  dgl.  geschah  (Vf.  Grdr.  1,  455.  458  f.  und 
2,  45),  vgl.  §  64,  6. 

In  weitestem  Umfang  duldete  die  unkontrahierten  (offenen)  Formen 
das  Ionische,  am  wenigsten  das  Attische. 

Bei  qualitativer  Gleichheit  der  beiden  Kontraktionsvokale  entstanden 
stets  einfache  Längen,  z.  B.  'AO^rjvä  ^A^rivda,  iTiTifjg  aus  tTjnrjsg,  el.  u.  sonst 
Ji  aus  Ju.  es  und  oo  ergaben  im  Ion.- Att.,  zum  Teil  in  den  dorischen 
Dialekten  sowie  im  Nordwestgriechischen  geschlossenes  e  (st)  und  geschlos- 
senes ö,  das  sich  weiter  bis  zu  ü  (ov)  verdumpfte  (§  15). 

Anmerknng.  Man  darf  nicht  annehmen,  dass  itflXu  aus  icplXrj  {i(piXe€)y  Xnnov 
am  Xnnio  (Ynnoo)  entstanden  waren,  wofern  man  deren  *;  und  p)  den  tj  und  a>  in  xL^rjfn  und 
HStafii  gleichsetzt.  Denn  es  wäre  unverständlich,  waium  dann  nicht  auch  xi&eifAi,  und 
iidovfii  erwuchsen,  e  und  c,  o  und  ö  hatten  im  Urgriech.  die  gleiche  Qualitiit.  In  ver- 
schiedenen Teilen  des  griech.  Sprachgebietes  wurden  später  e  und  o  geschlossener  ge- 
sprochen als  e  und  ö,  zuerst  wohl  im  Ton.-Att.,  und  als  diese  e  und  o  Kontraktion  oder 
.Ersatzdehnang"  erfuhren,  entstanden  Längen,  die  geschlossener  waren  als  die  urgr.  e  und  ö. 
Es  fragt  sich  nun,  in  wie  weit  die  geschlossenen  e  und  o  in  den  betreffenden  dorischen 
Mundarten  und  im  Nordwestgriechischen  selbständig  aufkamen,  ob  nicht  vielleicht  die  Laut- 
beweguog  sich  erst  vom  ion.-att.  Gebiete  auf  diese  Dialekte  fortgepflanzt  hatte.  Dabei  sind 
eventuell  chronologische  Unterschiede  in  diesen  Mundarten  anzunehmen.  Wenn  z.  B.  eine 
lokr.  Inschrift  gen.  ddfiu)  (aus  -oo)  und  acc.  rovg  (aus  royg)  neben  einander  hat,  so  ist 
denkbar,  dass  die  Verduropfung  des  o  aufkam,  als  die  Kontraktion  von  -oo  zu  -cu  be- 
reits stattgefunden  hatte  und  daneben  noch  xoys  gesprochen  wurde,  so  dass  nur  bei  diesem 
ein  ü  (ov)  entspringen  konnte.     Vgl.  §  3  Anm.  S.  19  und  Johansson,  De  der.  verb.  22  ff. 

Entstand  bei  qualitativer  Verschiedenheit  der  beiden  Vokale  ein 
Monophthong,  so  war  die  Assimilation  bald  eine  progressive  (att.  ri/tar« 
ans  Tifiäste,  dor.  tav  aus  racov),  bald  eine  regressive  (dor.  riiirixs,  att.  rwv). 


38  A.  Griechiflohe  Chrammatik.    b)  Lautlehre. 

€0  wurde  durch  Angleichung  des  ersten  Vokals  an  den  zweiten  in  dor. 
Mundarten  zu  cd,  im  Attischen  zu  ü  (ov):  (f^iiMfieg,  g>iXovfi€v  aus  fpikäa-iAsg 
-/ifv;  das  att.  ü  setzt  geschlossene  Aussprache  des  o  voraus  (vgl.  oben 
att.  ü  aus  00),  oe  wurde  nach  vollzogener  Assimilation  wie  oo  behandelt, 
z.  B.  nom.  dor.  eXdaawg  att.  eXattovg  aus  -o(cr)-f$.  Ein  Diphthong  entsprang 
stets,  wenn  i  und  v  das  zweite  und  ein  o-,  c-  oder  o-Vokal  das  erste 
Element  waren,  wie  natg  aus  natg,  ev  aus  ev.  Homer.  IdvTa  aus  * piSv{a)Ha^ 
aber  Optat.  ixivfiev  aus  *dv'i'fi€v;  ob  im  letzten  Fall  v,  weil  ein  Konsonant 
folgte,  oder  ob  Analogiebildung  nach  dvrjv,  ist  unklar.  €v  aus  «o  im  Lesb., 
Ion.,  Rhod.  etc.,  wie  noievvtai  (Merzdorf,  C.  St.  8,  163  flf.,  G.  Meyer,  Gr. 
Gr. 2  135  f.),  av  (äv)  aus  ao  {äo)  in  arkad.  'AnoXXwviiav  und  sonst 
(G.  Meyer  a.  0.  136). 

Besondere  Schwierigkeiten,  die  zum  Teil  noch  ungelöst  sind,  machen 
die  bei  der  sog.  „epischen  Zerdehnung**  (XafinetofovTiy  ogdaa&ai)  vorliegen- 
den Ausgleichungserscheinungen.  S.  u.  a.  Mangold,  G.  St.  6,  139  ff., 
Wackernagel,  Bezz.  B.  4,  259,  Cürtius,  Leipz.  St.  3,  192  flf.,  Fick,  Die 
homer.  Odyssee  1883  S.  2  f.,  Johansson,  De  der.  verb.  139  sqq. 

18.  Sonstige  Modifikationen  der  Qualität  und  der  Quantität. 
In  dor.  Dialekten,  im  Lesb.,  Thess.,  Pamphyl.  und  Kypr.  ging  s  vor 

Vokalen,  namentlich  vor  o-  und  a- Vokalen  in  i  über,  z.  B.  lak.  x^iog  = 
&€6gy  kypr.  ptnua  --  inea.  Im  Böotischen  treten  in  diesem  Fall  «,  «*,  # 
neben  einander  auf,  z.  B.  d^eo^  x^eio-^  d-io-  (Meister,  Gr.  D.  1,  243  flf.), 
diese  Schreibungen  sind  als  verschiedene  Versuche  zur  Darstellung  eines 
sehr  geschlossenen  ^  zu  betrachten.  Denselben  Wert  hatte  si  (vgl.  ov  =  ü 
§  7)  in  att.  und  ion.  inschriftl.  Formen  wie  idgrasKog,  etavTov^  ivvs(a  (Blass, 
A.3  33  f.,  Meisterhans,  Gr.^  35  flf.).    Vgl.  J.  Schmidt,  K.  Z.  27,  295. 

ä  aus  m{p)  vor  c,  i  und  a  im  Attischen:  aexog  (atßsTog  Hesych), 
d&r^Q  (auch  homerisch;  vgl.  ai.  devär-,  idg.  *dai^er'),  ^Vro)  =  homer. 
aiaaco  aus  * pai-pix-ia)  (§  122),  äei  neben  =  alpBi\  iXda  aus  *iXaipa  u.  a. 
(Wackernaoel,  K.  Z.  27,  276  f.).')  Dieser  Wandel  nicht  vor  o- Vokalen: 
«rö)v,  vgl.  lat.  aevo-m,  Xatog  =  lat.  laevo-s,  'Axctiog  aus  (kypr.)  ^Axccipog^ 
alwQu  (gebildet  wie  nai-naXtj,  dai-daXo-g)  zu  a(f)«^o}.  Daher  wird  das 
Nebeneinander  von  xccoa  xXä(o  und  xaico  xXafio  (aus  ^xaij^io  *xap'^a)  §  54) 
auf  Ausgleichung  im  Paradigma  {xatco  xdsig  xdei  xaiofuev  etc.)  und  werden 
ateC  eXai'a  neben  aei  iX^a  (Meisterhans,  Gr.^  25)  auf  Einfluss  von  atair 
^Xaiov  beruhen.  Die  Form  dsC  (a)  steht  wohl  auf  gleicher  Linie  mit  noeXv 
neben  nomv  (argiv.  sTioi^rje),  und  man  beachte,  dass  dieses  Verbum  auf 
den  att.  Inschriften  sein  i  vor  o-Lauten  immer  aufweist,  wie  nom  noiovc^ 
(entsprechend  isQonotoi),  während  das  i  vor  e-Lauten  oft  fehlt,  wie  rroeV 
noiflfü  (Meisterhans,  Gr.^  44). 

19.  Öfters  wurden  Vokale  vor  Vokalen  verkürzt,  z.  B.  att.  vb(üv  aus 
i'rwr,  herod.  vktg  aus  irf g,  herod.  dor.  ßaaiXeog  aus  ßamXr.og^ herod. ia aus ra. 

über  die  sog.  .»quantitative  Metathesis"  oder  „Umspringen  der  Quan- 
tität"  im  Ionischen   und  Attischen,   z.  B.  ion.   att.   xeO^vtdrog  (homer.   t«- 

')  Wackkknagel  a.    0.   vermutet,   dass   I   lieh  tdiaaio  und  ^wriq  gestanden  habe, 
bei   Homer  für   uiotrw  und    ddtJQ  Ursprung-   , 


2.  Vokale,  Nasale  und  Liqnidae.  (18-20.)  39 

^fijaro^),  herod.  iffvetoTog  (dagegen  att.  iatwxog  aus  io'ra{/?)orog,  Osthoff, 
Z.  G.  d.  P.  368  flf.),  att.  InTttiog  Innta,  sieh  Cü^tius,  St.  3,  399,  Vf.  ebend. 
4,  140  flF.,  Mangold  ebend.  6,  165  flf.,  Merzdorf  eb.  9,  199,  Misteli,  Ztschr. 
f.  Völkerps.  11,  394  flf.,  G.  Meyer,  Gr.  Gr.»  148  flf.,  Wackernaoel,  K.  Z. 
27,  262  flF.  Die  MERZDORF'sche  Ansicht,  dass  im  Neuionischen  ijo  =  urgr. 
üo  za  sm  wurde  (eazetarog),  dagegen  urgr.  i;o  zu  eo  (ßaaiXeoq),  ist  umstritten 
und  zweifelhaft  (s.  Osthoff,  Phil.  Rundsch.  1,  933,  Johansson,  De  der. 
verb.  154),  aber  jedenfalls  nicht  so  hinfällig,  wie  Bechtel,  Inschr.  d.  ion. 
Dial.  S.  107  sie  erscheinen  lässt.  Mit  Rücksicht  auf  ion.  noXswg  in  einer 
Inschr.  des  5.  Jahrh.  und  auf  des  Archilochus  ^'Aq€(ü  (vgl.  §  79)  hat  man 
das  BfERZDORF'sche  Gesetz  vielleicht  dahin  einzuschränken,  dass  unbetontes 
urgr.  -ijo-  zu  -fw-  wurde,  wonach  auch  herod.  llsmg  richtig  wäre.  Auch 
über  den  ion.  gen.  Ilv&evy  den  Bechtel  ebenfalls  dazu  benutzt,  um  jenes 
Gesetz  „in  die  Brüche  gehen''  zu  lassen  (Bezz.  B.  10,  282),  und  über 
ABVTvxdrfi  (neben  kewq^  'Ava^i-Xewg),  thas.  d^svQog  und  Hesych's  nvksvQog^ 
wo  €o  SV  in  auffälligster  Weise  lautgesetzliche  Fortsetzung  von  fco  sein 
soll,  ist  noch  nicht  das  letzte  Wort  gesprochen.  Für  Ilvd^ev  kommt  in 
Frage,  ob  nicht  Umbildung  von  -fco  in  -so  nach  der  unkontrahierten  Form 
des  Gen.  der  o-Stämme  (vgl.  vsog  nach  Genitiven  wie  nodog)  stattgefunden 
hatte  (vgl.  §  79,  2  über  att.  noXhov);  Aeo-,  Aev-  könnte  Neubildung  nach 
^fo-,  vso-  u.  dgl.  sein;  Schwierigkeit  bereiten  nur  d^svqog  und  nvkevQog 
(s.  Wackernagel  a.  0.  263).  Die  quantitative  Metathesis  war  im  Att.  bei 
vorausgehendem  *  Vorstufe  zur  vollen  Kontraktion,  z.  B.  gen.  IloXmg  acc. 
DoliS;  im  4.  Jahrh.  v.  Chr.  dann  auch  wieder  'UO)g  -ua  durch  analogische 
Neubildung  (Meisterhans,  Gr.^  111).  Im  Ion.  erscheint  gen.  -w  aus  -tw 
auch  nach  Konsonanten,  wie  IIvO^o),  worüber  Bechtel  a.  0.  281  f. 

Dass  das  e  in  den  ion.  Formen  wie  JeivoSixsta,  dXXtcov  ein  offenes  e 
war,  zeigt  die  Darstellung  dieses  Lautes  durch  H  auf  der  Inschrift  von 
Naxos  Caüer,  D.*  n.  516  (vgl.  Dittenberger,  Hermes  15,  229). 

Idg*.  Nasale  als  Konsonanten. 

20.  In  der  idg.  Ursprache  gab  es  vier,  der  Artikulationsstelle  nach 
verschiedene  Nasale,  f9  (velar),  n  (palatal),  n  (dental),  m  (labial),  ent- 
sprechend  den  vier  Klassen  der  Verschlusslaute  {q,  k,  t,  p).  Die  beiden 
ersten  Nasale  kamen  nur  vor  den  gleichartigen  Verschlusslauten  vor  und 
machten  alle  Organveränderungen  mit,  die  diese  erlitten  (§  35),  z.  B.  nkvrs 
aus  *pei9qe  (ai.  pdhca),  nafimog  aus  *pef9qto-s  (lit.  penkta-s),  cty^ia  aus 
idg.  *anghö  (av.  az-ah-  „Bedrängnis").  Die  andern  Nasale  erscheinen  auch  in 
anderen  Lautkombinationen,  vttpog,  ai.  ndbhas  „Gewölk,  Luftraum",  ögcoip  • 
av^Qfonog  aus  ^vQ-oaip  (§  30),  zu  aviqQ  ai.  ndr"  „Mann",  ^vr]^  lat.  senex. 
jdvvTa$y  ai.  tanute,  idg.  ^tn-nu-tdi  „streckt  sich,  dehnt  sich",  yvoi-aofiai, 
lat.  gnö-scö  nöscö,  vn-vo-g^  lat.  somnu-s  (aus  "^ s^ep-no-s),  3.  pl.  dor.  (ptgo-vn^ 
lat.  feru-nL  Vok.  xvov,  ai.  ^van  (nom.  hä  „Hund").  l^r'r^rjQ,  lat.  mä-ter. 
/ii'rj-<rcö,  ai.  part.  mnO-ta-s.  r/fii-y  lat.  semi-,  ax-fioyv,  ai.  dS-^man-  „Stein, 
Donnerkeir.     to-v,  lat.  istu-m,  ai.  td-ni,  idg.  *tö'm  „den,  diesen". 

Die  älteste  Bezeichnung  des  gutturalen  Nasals  war,  wie  es  scheint, 
v:  avxvQa,  ^^yvc,  tvvxccvw.     Die  Darstellung   durch    y   kam   daneben    auf, 


40  A«  Ghrieohisohe  Grammatik,    b)  Lautlehre. 

da  Y  (9)  ^^  y*'  u^d  Yf^  {avvYvog,  ayfiog)  zum  gutturalen  Nasal  (von  den 
Alten  agma  genannt)  geworden  war,  ein  Wandel,  der  dem  von  ßv  in  fiv 
(§  43)  entspricht  und  ins  Urgriech.  zu  setzen  ist.  Ebel,  K.  Z.  13,  264, 
Westphal,  Meth.  Gr.  I,  1,  17,  Vf.  C.  St.  4,  103  f.,  L.  Havet,  Mem.  d.  1. 
S.  d.  1.  4,  276.  Auch  vor  labialen  Verschlusslauten  wurde  öfters  v  (statt  fi) 
geschrieben,  z.  B.  'Okvvnia^  Xavßdvo),  ävg>6t€Qog.  Die  drei  Nasale  wurden 
vor  den  entsprechenden  Verschlusslauten  wohl  auf  dem  ganzen  griech. 
Sprachgebiet  schon  frühe  stark  reduziert  gesprochen,  und  zwar  nicht  bloss 
im  eigentlichen  Wortinneren,  sondern  auch  im  bedingten  Auslaut,  z.  B.  in 
avv  ToiTf»),  €V't€iva)y  Toy  xakov^  iy-xaXeWy  riijfA  noXiVy  ixavofi'TteSog.  Das 
zeigen  Nichtschreibungen  des  Nasals,  wie  UtaXa{v)Trjy  Tifid{v)SQa,  ftuya- 
Xr^(v)  T€y  Ad{ii)Tifav^  ^'^(f^)^^^  f(iii)7Ta<nvy  und  Schriftformen  wie  Aannaltav 
neben  Aafinafoav,  ^vßßdXXea&at  neben  ^vfiß.  (s.  G.  Meyer,  Gr.  Gr.*  266  f. 
284  f.,  Kretschmer,  K.  Z.  29,  435  flf.).  Im  Pamphylischen  und  Kyprischen 
deutet  die  regelmässige  Nichtschreibung  des  Nasals  auf  völlige  Angleichung 
an  den  folgenden  Konsonanten,  z.  B.  pamph.  adgudva,  näds  =  nävtSy 
kypr.  (h-Jca-tO'Se  =  '0(y)xa(v)Togy  na-o-to-te  =  va6{v)  T6(v)d€;  schwerlich 
wurden  hier  Nasalvokale  gesprochen  (vgl.  G.  Meyer  a.  0.  und  Clermont- 
Ganneaü,  Rev.  crit.  1887  S.  471).  Hiernach  versteht  man  nun  leicht  die 
Schreibungen  wie  avxvga  und  'OkvvTtia:  weil  man  bei  dem  reduzierten 
Nasal  im  bedingten  Auslaut  vor  Gutturalen  und  Labialen,  ebenso  wie  vor 
Dentalen,  oft  die  Form  auf  -v  schrieb,  welche  von  alters  her  im  absoluten 
Auslaut  (§  64)  und  vor  Vokalen  und  einigen  andern  Lauten  ihre  Stelle 
hatte,  also  z.  B.  tov  xaXov^  iv-xccXäw^  ttjv  noXiv^  avv^ßdXXo),  so  übertrug 
man  dies  auch  auf  das  Wortinnere,  v  wurde  Zeichen  für  den  reduzierten 
Nasal  aller  drei  Artikulationsstellen.  Und  es  konnte  das  um  so  leichter 
geschehen,  weil  bei  der  reduzierten  Aussprache  des  Nasals  die  Verschieden- 
heit der  Artikulationsstelle  weniger  hörbar  war  als  bei  den  unreduzierten 
Nasalen.  Denjenigen,  die  dann  die  Schreibung  des  gutturalen  reduzierten 
Nasals  durch  y  {ayxvga,  rrjy  yrjv)  aufbrachten,  kam  es  darauf  an,  den 
gutturalen  Charakter  nicht  unbezeichnet  zu  lassen,  gleichwie  man  durch 
die  Schreibungen  ^OXvfimay  Ttjfx  jtoXiv  dem  labialen  Charakter  schon  vorher 
gerecht  geworden  war. 

Idg.  -mt-  wurde  im  Urgriechischen  zu  -vr-:  uv-tXo-v  zu  dfidw,  ßgov-tiij 
zu  ßgäficD,  yavTo  „fasste"  zu  vyycjnog  •  avXXaßrj  (Hesych).  Ebenso  -ms  zu  -vg: 
sfg  aus  (kret.)  i'vg  für  *seni'S  (§  74.  101).  Über  urgriech.  -vi-  aus  -mi  s.  §  30. 
Über  urgriech.  Schwund  von  v  vor  a  -|-  Konsonant  s.  §  55.  Als  urgriech. 
darf  wohl  auch  gelten  die  Assimilation  von  -vfi-  zu  -fifi-  wie  in  ijaxvfiiiiai. 
Einzeldialektisch  wurde  -jur-  hie  und  da  zu  -jw^i-,  z.  B.  gortyn.  iangäfAfAiTTev 
=  €x7tQ€fiviX€tv  (Kretschmer,  K.  Z.  29,  439  ff.).  Einige  andere  einzel- 
mundartliche Veränderungen  der  Nasale  kommen  unten  zur  Sprache. 

Idgr.  Nasale  als  Sonanten. 

21.  Alle  vier  Nasale  fungierten  in  der  Grundsprache  auch  als  Sonanten 
(§  5  S.  23  f.),  ^  und  n  nur  vor  den  organgleichen  Explosivae.  Als  Sonanten 
wurden  sie  im  Griechischen  überall  beseitigt. 

Kurze  sonantische  Nasale  (Vf.  Grdr.  1,  192  ff.). 


2.  Vokale,  Nasale  und  Liqnidae.  (§  21.)  41 

1.  Unbetont  vor  Yerschlusslauten,  Spiranten,  Nasalen,  Liquidae  und 
im  Auslaut  wurden  ^,  rgt,  p,  9  zu  a.  tatog^  Tccvvrai  .--  idg.  *t^tö'S, 
^hf-nu~tdi,  W.  ten-,  rjovai  =r:  idg.  ^^-ntdi,  maqo-g  aus  *2)H<^-ro-s 
(§  70,  9  Anm.).  oyo^iia  =  idg.  -m^.  ßcctog  =  idg.  *g^-^'-s,  W.  gew-. 
f-a«nro-r  =  idg.  ^krprtö-m^  lit.  szmta-s,  dtxa  =  idg.  *dekm  oder  *dekmi 
(§  101).  ila^Qoq  =  idg.  *Z^Ä-ro-s  (ahd.  lungar  ^flink").  rfax- in  Jax-r«i' 
c^cuc-fivaus^d^X'-,  ai.  dai-a-5  ,,Biss",  ahd.  zangar  ,,beissend,  scharf"  {dti^ofiai 
J^j^fitt  waren  jüngere  Neubildungen  nach  Formen  von  unnasalierten  Wurzeln). 
Vf.  C.  St.  9.  285  ff.,  K.  Z.  24,  255  ff.,  M.  U.  2,  151  ff.,  Osthoff,  K.  Z. 
24,  415  ff.,  FiCK,  Bezz.  B.  4,  167  ff.,  de  Saüssure,  M^m.  18  ff.  Über  das 
für  «  =  nas.  son.  eingetretene  o  in  eixoai  (f/'xan),  dia-xwnoi  (-xarioi), 
lesb.  arkad.  öäxotog  und  arkad.  ixotovßoia  (Mebiter,  Gr.  D.  1,  51)  s.  §  101. 

2.  Hochbetontes  9  erscheint  als  «r,  z.  B.  ion.  ictai  aus  *(*)o'-avri  = 
idg.  *S'nHy  ai.  s-dnti,  umbr.  5-en^.  Entsprechend  T-öcri,  ai.  y-dnti,  äyvv-aaty 
wie  ai.  Saknuv-dnti  „sie  können",  /ravr-  aus  *^?f-/5^-,  ai.  Sd-SvanU  (§  13 
S.  32,  §  72,  3).  Vf.  C.  St.  9,  304,  Osthoff,  K.  Z.  24,  420  ff.,  M.  U.  4, 
290  ff.,  G.  Meyer,  Gr.  Gr.«  12.     Über  Stitcc  §  101. 

AnmerkuDg  1.  Unhaltbar  scheint  mir  die  Ansicht  von  J.  Schmidt  und  Merinoer,  die 
laotgesetzliche  Verti'etang  von  betontem  9,1  sei  ey  gewesen  (K  Z.  25,  591,  Ztschr.  f.  österr. 
Gymn.  1888,  S  149  f.),  und  ebenso  diejenige  von  Becbtel  und  Hartmann,  sie  sei  a  gewesen 
(Phil.  Anz.  1886,  S.  16  f.,  Deutsche  Lit-Zeit.  1887,  S.  375).    Vgl.  Vf.  Grdr.  2,  p.  XIV. 

3.  ^  und  jp  wurden  vor  i  zu  av,  z.  B.  rtxtaivcc  aus  *rfxrflfv|a, 
*T€xr9-ia  (gen.  rextaivrjg  wie  got.  laühmunjös  „des  Blitzes");  Texvaivu)  aus 
♦«xrai'ia),  *T6XT^''i(ü  (vgl.  got.  glitmunja  „glänze");  ßcciv(ü  aus  */?ai'jta),  idg. 
*gjp-lU  Vf.  M.  ü.  2,  195  flf.,  206  flf.,  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  452.  Über 
'Vk-  aus  -nj{-  §  30.  Man  darf  vermuten,  dass  sonantisches  wi,  n  auch  vor 
u  zu  av  wurde  (vgl.  ai.  -anv-  aus  -^w-,  -tju-y  Vf.  M.  U.  2,  211  f.)  und  dass  also 
ßeßawg  ysyacig  (W.  gern-  gen-),  als  Neubildungen  nach  der  Analogie  von 
hxatog^  für  ^ßsßavpaig^  ^ysyarptag  eintraten,  so  wie  /«yöxa  bei  Pindar  nach 
liTTöxa  geschaffen  war  (Vf.  K.  Z.  24,  279.  25,  223,  Grdr.  1,  195,  Osthoff, 
Z.  G.  d.  P.  365). 

4.  Vor  Sonanten  wurden  n  und  ^  mit  konsonantischem  Übergangs- 
laut, als  ^n  und  ^w,  gesprochen  (vgl.  iia,  u^a  mit  i  und  w  als  Übergangs- 
laut, §  12.  13.  17);  daraus  «i»,  afi:  z.  B.  tuv-v-  in  Tavv'yXcoaao-g  (lat. 
^-M-1-5)  =  idg.  *^^«-?i-,  xrai'Cöv  zu  W.  xTav-,  böot.  /Java  =  ved.  gan4 
aisl.  iona,  idg.  *g9wa-  ^Weib",  dfio-  (dfiMg)  =  got.  suma-,  idg.  ^srgLm-ö" 
«irgend  einer*  von  W.  s&m-,  laiimv  zu  W.  Tf,a-.  Osthoff,  M.  XJ.  2,  14  f. 
143  f.  4,  362.  367.  398,  Vf.  ebd.  2,  154  flf. 

Lange  sonantische  Nasale  werden  wohl  mit  Recht  für  die  idg. 
Urzeit  neben  den  kurzen  angenommen.  Im  Ablautsystem  verhielten  sie 
sich  zu  diesen  wie  I  ü  zu  /  u,  fßare  fßrjre  =  ai.  dgata,  idg.  *e  Qm-te, 
W.  gern-,  navo-g  nfjvo-g  =  lat.  pannu-s,  idg.  "^pn-no-Sy  W.  {s)pcn'  (Vf. 
Grdr.  2,  136).  IlQofia&evg  IlQoiir^d^evg  vereinigt  sich  vielleicht  so  mit  ai. 
pra-^antha-s  „Stab  zum  Feuerreiben*"  (Moulton,  Amer.  Journ.  of  Phil.  8, 
212).  Im  Anlaut  va-:  va-  „un-'*  in  dor.  VQ^-Troivo-g  hom.  vr^'XfgSt'jg;  vr^aaa 
ans  *vöTjKJf,  ai.  ati-^  ein  Wasservogel,  lit.  dntUs  „Ente",  de  Saüssure, 
Mem.  239  ff.,  Osthoff,  M.  U.  4  p.  IV  und  S.  280,  Z.  G.  d.  P.  367.  374  f., 
W.  Schulze,  K.  Z.  27,  606,  Vf.  Grdr.  1,  208  f. 


42  -A»  Oriechische  Grammatik,    b)  Lantlelire. 

Anmerkung  2.  Eine  in  der  att.  Vulgftrsprache  entstandene  nasalis  sonans  folgert 
KBBT8CBMBB,  K.  Z.  29,  424  aus  den  auf  Vasen  öfters  vorkommenden  Schreibungen  wie 
inoitjiXM  (für  inoiijoey),  indem  er  hierin  einen  Ausdruck  fttr  die  Aussprache  inoitjcn  (vgl. 
nhd.  Ia89^  =  lassen)  sieht.  Bei  der  Beschaffenheit  der  Orthographie  dieser  Denkmäler 
ein  nicht  sehr  sicherer  Schluss. 

Idg.  Liquidae  als  Konsonanten. 

22.  Die  Frage,  wie  viele  Liquidae  und  welcher  Art  (Sievers,  Phon.^ 
104  ff.)  die  idg.  Grundsprache  gehabt  habe,  ist  ungelöst.  Auf  mindestens 
zwei  weist  der  Umstand,  dass  die  europ.  Sprachen  und  das  Armenische 
in  vielen  Fällen  übereinstimmend  r  und  in  vielen  übereinstimmend  l  zeigen. 
Wir  schreiben  die  idg.  Grundformen  im  ersten  Fall  mit  r,  im  zweiten  mit  l 

Idg.  r.  iQvO^-Qo-g  ==  lat.  ruber  aksl.  rüdrüy  idg.  ^rudh-rö-s  „rot*. 
yib'QOj  =  lat.  ferö  got.  batm,  idg.  ^bherö  „trage".  (irj-reQ-a^  lat.  mairem 
air.  mathir  aksl.  matere  armen,  mair,  idg.  ^ma-ter-  „Mutter*. 

Idg.  /.  Xsi'no),  lat.  linquö  air.  Ucim  got.  leihva  lit.  leM  armen. 
W-anem,  W.  leiq-  „lassen*.  xAc'/t-tw,  lat.  clepö.  x^rj-Xrj^  lat.  felare,  lett, 
de-l'S  „Sohn*. 

Spontaner  Übergang  von  q  in  X  oder  von  k  in  q  auf  griechischem 
Boden  ist  nicht  sicher  nachgewiesen  (über  kombinatorischen  Übergang 
durch  Dissimilation  s.  §  60).  In  äjüLäQym  oiioqyvvii^  und  äfiäkyo)^  Suffix 
"TQO"  und  -rio-,  -iS^po-  und  -^Ao-  u.  dgl.  war  die  Doppelgestalt  aus  vor- 
griech.  Zeit  mitgebracht  (vgl.  Vf.  Grdr.  1,  227  f.). 

Anlautendes  r-  entwickelte  einen  Vokal  vor  sich,  z.  B.  igvO^go-g  = 
lat.  ruber,  ^Qeßog  =  ai.  rdjas  „Dunstkreis",  oQvaaw  vgl.  lat.  runcö.  Da- 
gegen wurden  sr-  und  t/r-  (f^)  zu  ^,  z.  B.  ^to)  =  ai.  srav-ami,  qrjQa 
=  el.  fsgarga;  der  Spir.  asp.  (vgl.  kork,  inschr.  gho/^cuai)  bezeichnete  Ton- 
losigkeit  des  r  (vgl.  §  43.  51).  Froehde,  K.  Z.  22,  263  flf..  Hassencamp, 
Über  das  anlaut.  q  im  Griech.,  Posen  1876,  G.  Meyer,  Gr.  Gr.*  113.  173  ff. 
Doch  kommt  auch  ^  =  idg.  r-  vor,  z.  ß.  ^vofiai  neben  igvoi^ai  von  W. 
re^',  worüber  §  28.  65.  Nicht  lautgesetzlich  war  das  qq  in  Fällen  wie 
i'QQfi  (s.  §  45)  und  äno^Qt/rog  (s.  §  13  S.  31). 

Auch  U  erhielt  Prothese,  z.  B.  ikaxv-g  =  ai.  laghü-s  „rasch,  behende, 
leicht*,  aXivw,  lat.  Uno;  daneben  ohne  solche  Xfvxog  vgl.  lat.  lux,  A*y«  = 
lat.  legö  u.  a.,  worüber  §  28.  65.  Xrja  aus  *akrj(a  von  W.  sfeg-  u.  a,  dgl.; 
nicht  lautgesetzlich  war  Xk  in  a-Xit^xro-g,  s.  §  45. 

Antekonsonantisches  X  wurde  im  Eret.  zu  u:  avxa,  avaoc^  x^fvyecx^at 
(Hey,  Quaest.  de  dial.  Cret.  29).  ddev^im  neben  zwölfmaligem  ddtX^^  auf 
der  grossen  Inschrift  von  Gortyn  (V,  18)  lässt  für  die  Mundart  dieser  Stadt 
gutturales  l  (slav.  „hartes*  1),  die  Vorstufe  zu  u,  erschliessen;  die  Schreibung 
dieses  /  mit  v  war  durch  denselben  akustischen  Eindruck  veranlasst,  der 
manche  Ostlitauer  z.  B.  saudüs  neben  saldus  („süss*)  schreiben  lässt. 

Aus  -Ar-,  'Xd^  entstanden  in  einigen  Mundarten  des  Dorischen  -rr-^ 
->'^,  z.  B.  fj^/iTOTog,  j^r^or,  s.  MoRSBACH,  C.  St.  10,  30  f.,  G.  Meyek,  Gr. 
Gr.«  178,  Kretschmer,  K.  Z.  29,  443. 

IdfiT*  Liquidae  als  Sonanten. 

23.  Die  idg.  f ,  /  wurden  im  Griechischen  durch  Lautwandel  beseitigt. 
Kurze  sonantisehe  Liquidae  (Vf.  Grdr.  1,  228  £F.). 


2.  Vokale,  Nasale  und  Liqnidae.    (§  22—23.)  43 

1.  Im  Inlaut  vor  Konsonanten  (ausser  i)  entstanden  ga  oder  ag  und  Xn 
oder  aX.  Mgoxo-v  =  ai.  d^l^Sa-mf  W.  derk-  ^sehen*.  dgaro-g  und  iagvo-g 
=  av.  defta-  ^geschnitten,  gemäht",  idg.  *rff-fo-5,  W.  der-,  iiciQvaiiai,  und 
kork.  ßagvdfAevog^)  (zunächst  aus  ^ßgava/isvog  §  30)  =  ai.  mp^nä-ti  „zer- 
malmty  zerschlägt*,  xgai'irj  und  xagd^ia  =  lat.  cord-,  lit.  szird-i^s,  idg. 
*kfd-.  natga-ai,  vgl.  ai.  pit^-su.  tärgatO'g  rtragro-g  =  lit.  ketvirta-s,  idg. 
* qett^f'to-s  „quartus*.  TrAarrs  =  ai.  ppthü-^  „breit",  itätakro  aus 
*e-i€-'t^to  von  W.  fe/-.  Worauf  die  Verschiedenheit  der  Stellung  der  Li- 
quida beruhte,  ist  nicht  sicher  ermittelt;  zum  Teil  scheint  die  Stellung  ccg 
aX  durch  das  Danebenstehen  von  Formen  mit  sg  eX  oder  og  oX  veranlasst 
worden  zu  sein,  z.  B.  Sagro-g  neben  itgo),  dogd.  Bei  tätgarog  :  Tbxagxog 
erweist  sich  ga  durch  den  urgriech.  Wegfall  des  ^  {Terga-  aus  ^Terpga-) 
und  bei  tgd-na^a  :  TagTrjfidgiov  (•  TCTagtrjfiogiov  Hesych.;  der  cod.  hat  rgi- 
tr^fiogtov  statt  Tsragr.)  dieselbe  Lautgruppe  durch  den  urgriech.  Wegfall  des 
TT  {rga-  aus  ^ntga-)  als  das  ältere,  s.  §  59.  Osthoff,  P.-Br.  B.  3,  52,  M. 
U.  2,  144  f.,  Vt.  C.  St.  9,  325.  385,  K.  Z.  24,  258  f.,  M.  U.  2,  151  flf., 
FiCK,  Bezz.  B.  4,  167  flf.,  de  Saüssübe,  Mem.  6  ff.  Im  Äol.  ging  a  bei  g 
in   o   über,  z.  B.  lesb.  cxgorog  fjiifiogd^aij  böot.  rgorog,  s.  §  27. 

2.  Bei  anlautender  liquida  sonans  stand  a  regelmässig  voran:  agxto-g 
=  ai.  ihionS  „Bär",  ag-vv-fiaiy  ai.  ^-m-mi  „erreiche,  erlange".  Dass  auch 
auslautendes  -f  zu  -ag  wurde,  hat  man  aus  ov&ag,  ^nag  u.  a.  geschlossen, 
indem  man  z.  B.  für  ersteres  *oudhp  als  Grundform  annahm.  Diese  Grund- 
form auf  -f  steht  aber  nicht  sicher,  s.  §  71*,  1  und  §  78.  ^d  (neben  dg)  =  lit. 
ir,  idg.  *|"  (§  201,  1)  würde  nicht  widersprechen,  weil  diese  Form  im  Zu- 
sammenhang mit  konsonantischem  Anlaut  des  folgenden  Wortes  kann  ent- 
wickelt worden  sein. 

3.  Vor  i  wurden  f,  /  zu  ag,  aX.  aitafgo)  {daTtaigco)  aus  ^aTiagio)  = 
lit.  spiriti  „stosse  mit  dem  Fusse",  idg.  *S2)^'iÖ,  sx^ccfgo)  aus  *fx^f-|tfj. 
axdXXü)  aus  *(XxaX^(o  =  lit.  skiliü  „schlage  Feuer  an",  idg.  *sql-i6.  Kluge, 
Z.  G.  d.  g.  C.  146,  Vf.  M.  ü.  2,  207,  Bezzenberger  in  seinen  B.  3,  160, 
Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  89. 

4.  Aus  den  vor  Sonanten  gesprochenen  yr,  II  (vgl.  §  21,  4)  ging  ag^ 
(tX  hervor,  ßagv-g  =  ai.  gurii-^,  idg.  ^^rr-ii-s  „gravis",  nxagwv  aus 
urgr.  *ptfr'ö-nt-.  Kork,  tagog  el.  in-iagog  =  ai.  i^ird-s  „eilend,  regsam, 
frisch",  idg.  *i5-fro-s.  ßaXoiv  =  idg.  *g|W-t?^-.  Osthoff,  M.  U.  2,  14  f. 
143  f.  4,  362.  367.  398,  Z.  G.  d.  P.  439,  450,  Vf.  M.  ü.  2,  154  ff. 

Lange  sonantische  Liquidae  sind  für  die  idg.  Ursprache  in  wei- 
terem Umfang  zu  belegen  als  die  gleichartigen  Nasale  (§  21).  Im  Griech. 
entstanden  gca  Xco  und  (og  mX,  woraus  nach  §  26  og  oX;  im  Anlaut  stets 
(og  {og).  argw'To-g,  arog-vv-fit,  lat.  strä-tu-s  ai.  sttr-nd-s,  idg.  stf-  zu  W.  ster- 
•ausbreiten"*.  ßi-ßgci-axta  ßgco'Trjg^  ai.  gir-nu-s,  idg.  gf-  zu  W.ger-  „schlingen". 
xoga-Tjj  ai.  Slrs-d-m  „Kopf",  idg.  k^s-,  ogn-r^^^  lat.  sarp-ö,  idg.  Sfp-, 
ßXio^-go-g,  ai.  mürdh-an-  „Höhe,  der  höchste  Teil,  Kopf",  idg.  ^m^dh-, 
ovXo^g    „kraus"    aus   *foA-i'o-g,    ai.   ür-ria    „Wolle"    lat.   lä-na  (aus   urlat. 


')  Diese   Form   ist  auch   aus  einer  att.   j   Meisterhans,  Gr.^  59  nachgewiesen, 
poetischen    Inschrift   (c.   409   v.   Chr.)    von   ■ 


44  ^'  Griechisohe  Grammatik,    b)  Lautlehre. 

^ula-iia)^  idg.  *ifl-no-  *t^f-n<Z-.  Lesb.  ßoXXofiai  att.  ßovXoiiai  aus  *j^oA-i'o- 
juar,  idg.  *gj-  zu  W.  ge?-,  vgl.  dor.  dt]Xoiiai  (§  35).  oQO^o-g  =  ai.  ürdhvd-8 
lat.  arduo-s^  idg.  *fdh'iiö'S  ^aufrecht",  ö^y-aco,  ai.  ?Tr;-  „fettreicher  Trank, 
Kraft,  Labung**.  oQ'VVjiu,  aJß-ro  (augmentiert),  x^ä-oQro-g,  ai.  fr-  (3.  sg.  med. 
7r-^e)  „sich  in  Bewegung  setzen,  sich  erheben,  entstehen ''.  de  Saussube, 
M^m.  239  ff.,  Osthoff,  M.  U.  4  p.  IV  und  S.  280,  Z.  G.  d.  P.  251.  3G6. 
448,  W.  Schulze,  K.  Z.  28,  281,  Vf.  Grdr.  1,  243  ff.  In  i&oQov  neben 
x>0Qvviiai  i^^crxeo,  ßokofiai  neben  ßovXofiai  u.  dgl.  war  o  analogische  Neuerung, 
s.  Vf.  a.  0.  246. 

Abiauto 

24.  Unter  „Ablaut"  oder  „Vokalabstufung"  verstehen  wir  solche 
quantitative,  qualitative  und  accentuelle  Verschiedenheiten  des  sonantischen 
Elementes  einer  W^urzel-  oder  SufSxsilbe,  die  nicht  durch  Lautgesetze, 
welche  zur  Zeit  der  Einzelentwicklung  der  idg.  Sprachen  wirkten,  hervor- 
gerufen wurden,  sondern  in  bereits  uridg.  Verschiedenheiten  wurzelten. 
Z.  B.  Xm-eXv  :  Xsin-siv  :  Xä-Xotn-a;  dqcc-tog  :  ieq^eiv  :  doQ^a;  i'^t&^m  : 
crra-Tog;  Xv-ai-g  :  ^Xv^aeii-sg  (Xvaeiq)\  Tta-VQÜ'^i  :  Tta^täg-eg;  vvfifpä  :  Vok. 
vvfig^-ä.  Nichts  mit  dem  Ablaut  hatte  demnach  z.  B.  die  Verschiedenheit 
o)  :  0  in  i'Y^'co-iiiev  :  i-y^o-v  yvo-vr-eg  zu  thun;  denn  yro-  war  hier  erst  in 
der  speziell  griech.  Sprachentwicklung  aus  yvco-  verkürzt  (§  26).*) 

i  und  ^  mit  vorausgehendem  oder  folgendem  Vokal  (ei,  (e)  standen 
auf  einer  Linie  mit  den  konsonantischen  Nasalen  und  Liquiden  in  gleichen 
Verbindungen  (ew,  we),  z.  B.  bheidh^  bhoidh-  (tt«^-«,  TTt-TtoiO^-e)  wie  spend- 
spond"  (antvd'COy  anovS-rj)  und  derk-  dork-^  {dsqx^srai^  dt-doQx^e);  sijep^  (aisl. 
svef-n  „somnus")  wie  prek-  (lat.  prec-or).  Daher  entsprachen  sich  auch 
z.  B.  i-md-'e  und  ^-dQax-e  (ai.  d-dpS^-f),  vn^vo-g  und  lat.  poscö  (aus 
*P1[{kysko), 

V?ir  unterscheiden  zwischen  Tiefstufe  und  Hochstufe  und  nennen 
in  der  Wortbildungslehre  die  morphologischen  Einheiten,  welche  Tiefstufen- 
vokalismus  aufweisen,  schwache  Formen,  die,  welche  Hochstufenvokalismus 
aufweisen,  starke  Formen. 

Die  Tiefstufenformen  waren  durch  Vokalreduktion  infolge  der  Hoch- 
tonigkeit   der  folgenden   Silbe  entsprungen,   z.   B.  *pt-€-   (Ttv-ä^tfO^ai)  aus 


')  S.  Osthoff,  P.-Br.  B.  3,  1  ff.,  M.  U.  1   und  Vf.  Grdr.  1,  32.  246. 

4,  1  ff.  Vf.  C.  St.  9,  3(51  ff.,  M.  U.  2.  148  ff.,  *)  Idg.  Vokallängen,  die  sich  der  ety- 
Grdr.  1,  246  ff  Masing,  Das  Verhältnis  der  |  mologischen  Betrachtung  als  Kontraktions- 
griech.  Vokalahstufung  zur  sanskritischen,  produkt  zweier  Vokale  darstellen  (Vf.  Grdr. 
Petersh.  1878.  de  Sacssure,  Mt^m.  sur  le  1,  100  ff.),  setzt  man  nicht  als  hesondere 
Systeme  primitif  etc.,  1879.  Möller.  P.-Br.  |  Glieder  in  die  jeweilige  Ahlautreihe  ein.  So 
B.  7,  492  ff.  FicK,  Bezz.  B.  4,  167  ff.,  Gott.  |  stellt  man  z.  B.  beim  o-Sufiix  trotz  der 
gel.  Anz.  1881,  S.  1425  ff.  Bloomfield,  Amer.  Formen  wie  inmo  Xnnmiv  ovno  (mit  ö)  nur  die 
Joum,  of  Phil.  1,  281  ff.  Collitz,  Bezz.  B.  Ablautglieder  c  :  o  {ygl.Vnne  i'nnos)  SLuf,  weil 
10,  1  ff .  11,  203  ff.  Hübschmann,  Das  idg.  |  nichts  der  Annahme  entgegensteht,  dass  ö 
Vocalsystem  1885.  G.  Meyer,  Gr.  Gr.'^  4  ff.  erst  durch  Kontraktion  entstanden  war,  z.  B. 
Bremer,  P.-Br.  B.  11,  262  ff.  Merlo,  Ren-  !  -0%  im  dat.  sg.  aus  -o-ai.  Freilich  sind  wir 
diconti  del  R.  Istituto  Lombarde,  vol.  XX,  ■  keineswegs  sicher,  dass  nicht  auch  hier  in 
fasc.  15—16  (1887),  vol.  XXI,  fasc  8  (188S).  I  gewissen  Kasus  von  Anfang  an  e  und  ö  neben 
Merinoer,    Ztschr.    f.   österr.    Gymn.    1887,  e  und  o  gestanden  hatten  (vgl.  SuMz  -meti-, 

5.  363  ff.  Pbzzi,   La  1.  gr.  ant.  97  ff.  Weitere  |   -mon-f  -men-,  -mön-,  u.  dgl.) 
Litteratumachweise  bei  HübschmanN;  S.  1  f.  | 


2.  Vokale»  Nasale  und  Liqoidae.  (§  24.) 


45 


♦pe^e-  (vgl.  7i:«T-€-cr^ai),  ^liq-e"  [Xin-stv)  aus  ^leig^e-  (vgl.  Isin-eiv),  *p9^tr  ± 
{na-^Q^v)  aus  -po^ter  ±  (vgl.  na-xhQ'eq),  Die  Tiefstufe  hatte  zwei  Ge- 
stalten, die  man  nach  Osthoff  als  die  „tonlose**  und  die  „nebentonige** 
Form  bezeichnet.  Erstere  z.  B.  in  yr-cri-$  {hhu-)  und  viTSQ-tf-taXo-g  aus 
^vnfQ^p'iaXo-q  {bh^-)^  letztere  in  ^-yv-ju« v  {Jbhu-)  und  i-^v-rjv  (bhut^-),  von 
W.  bhe^^.  Wie  solche  Doppelheiten  entstanden  waren,  darüber  sind  heute 
nor  erst  Vermutungen  möglich.  Zum  Teil  scheint  die  Gleichung  zu  gelten : 
u,  l:  €u,  el  und  ^e  le  ^  *,  J :  ^?^  ^'  und  ue,  le,  vgl.  z.  B.  o^Qv-g  :  ahd. 
brätva  „Braue**  und  das  Optativsuffix  -f-  :  -t^-  (§  145,  1). 

Die  Hochstufenphasen  innerhalb  der  sechs  Ablautsreihen,  die  wir 
unterscheiden,  bezeichnet  man  vorläufig  lon  besten  ganz  äusserlich  als  1. 
2.  etc.  Hochstufe.  Ob  die  gleichbezifferten  in  den  verschiedenen  Reihen 
stets  unter  gleichen  Bedingungen  (der  Betonung  etc.)  entstanden  waren, 
weiss  man  nicht. 

1.  c-Reihe.  Hochstufen:  1.  e,  2.  o,  3.  e,  4.  ö.  Der  Wechsel  zwischen 
e  und  0,  &  und  ö  scheint  hier  ursprünglich  so  geregelt  gewesen  zu  sein, 
dass  0  ^  in  haupttoniger,  o  o  in  der  Silbe  nach  dem  Hauptton  standen, 
vgl.  ifQtv-sq  g>Q7p'  :  a(fQ0V'€g  citpQiov;  nartg-eg  nati^Q  :  fir/t^QO-TTcctogsg  -Trar«^, 
8.  §  71.  71»,  2  und  G.  Meyer,  K.  Z.  24,  248,  Mahlow,  D.  1.  V.  161, 
FiCK,  Gott.  gel.  Anz.  1880  S.  421  ff.,  Möller,  P.-Br.  B.  7,  492  ff.  Wir 
geben  einige  Beispiele  für  diese  Ablautreihe  mit  Berücksichtigung  der 
drei  am  häufigsten  erscheinenden  Phasen: 


Tonlose  Tiofstufe: 
pt-:  i-m^O'firjy 
Uq-:  e-Xin-o-v 

dft".  B'&Qax-o-y  (§  23,  1) 
j'tr-i  na-TQ^y  { 

Uf".  na-xQdai  (§  23,  1)  I 


1.  Hochstufe: 
pet-:  nh'O^fjiai 

deric-:  ^^Qx-o-fiac 
'ter-:  na-riQ-eg 
'€-:  oiX'C'ij  olx-e 


2.  Hochstufer 
poU:  not-ttofitti 

sroW'  ^o/:-u 
dorfc'i  de-doQx-s 

-tor-:  sv-Ttä-roQ-eg 


'0 

noy& 


otX'O-g 


geri'i  yty-og 


(jon- 


sem-i  iy  aus  *i/i 


-mon-:  ccx-fdoy-eg 


som-:  ofi'O-g 


nn^:  i-na&'O'y  (§  21,  1) 
yi-yy-o-fdai  \ 

^-:  ye^tt^f^ey  (§  21,  1)    f 
hmn~:  ytoyv-uy-O'g  \  . 

i-mn-:  oyo-jua-r-  (§  21, 1),  ;jf«-|M«ti'üi  (§  21,  3)  /  r        > 

ism-:  fiia  aus  *<ffz-ia   ^ 
\^-:  ä^na^  (§  21,  1)  ( 

Die  nebentonige  Tiefstufenform  zeigen  ausser  den  genannten  «-yv-^ufv 
(bhü-)  und  f-yv-ijv  {bhu^-)  noch  z.  B.  xki-ixa^  xXi^vrj  xe-xki-axai  zu  W. 
X-fej-,  i^ßa-Ts  ßä-O^i  (g^-)  neben  ßa-ro-g  (g^-)  von  W.  ge/w-,  aTQw-Tog 
(stf-)  neben  arga-to-g  (s/f-)  von  W.  ster-,  dfi-o-  {srpm^)  neben  den  ge- 
nannten /«-/«  (sw-)  und  cc-7va^  (^^")»  ''^ceX-ag  (t^l-)  neben  noXv-rlräg  von 
W.  tel'.  Als  nebentonig  tiefstufige  Formen  sind  mit  Osthoff  auch  solche 
wie  nen-Tog  =  ai.pak-td-s,  idg.  *peq-to-s  (von  Yf.peq-)  anzusehen;  tonlos 
tiefstufig  war  ^pq-tö-s  (etwa  in  o-mo-g,  mit  „prothetischem"  Vokal?). 

Die  2.  und  3.  Hochstufe,  e  und  ö,  erscheinen  am  häufigsten  im  nom. 
8g.,  z.  B.  (fQTjv  ä^QcoVj  narrjQ  ev^naTmQ^  dva'iievr]g  aiSoig,  eidwg  aus  *ffirf- 
fft5$;  ferner  in  xhaip^  axcoip^  (pwg,  denen  die  Denominativa  wie  xkwndoiAai, 
TQoindü),  7io)Tdofiai  sich  zugesellen,  mit  Verkürzung  nach  §  26  in  Zevg  aus 


46  ^-  OrieohiBche  Orammatik.    b)  Lautlehre. 

*Zr^^g  (ai.  dyaü-§)  neben  Zev  =  idg.  *die^  (§  74,  1),  wohl  in  den  cr-Aoristen 
wie  ^-r«-cra  M-xeQn^aa  (vgl.  ai.  d-jüi-^am  d-bhär-^nt,  §  137)  und  noch  in 
andern  mehr  isoliert  stehenden  Formationen. 

2.  Ö^Reihe.  Höchst.:  1.  o,  2.  ö,  oipofxai  ofifia  :  on-von-e  ätp,  ofo?  : 
od-(üi'€.  (jofio^g  aus  ^dii-a^o-g  (aus  einem  St.  *e>w-e5-  erwachsen),  vgl.  lat. 
umer-u-s,  J.  Schmidt,  K.  Z.  25,  17  flf.,  Vf.  M.  ü.  3,  112  f.,  Osthoff,  M. 
U.  4,  343  ff.,  SoLMSEN,  K.  Z.  29,  62  f.  {ßovg  ziehe  ich  zur  c-Reihe,  s.  §  74,  1). 

3.  a-Reihe.  Höchst.:  1.  a,  2.  fl.  ay-w  :  dor.  ay^ay-oxa  argar^ayo^g.^) 
Sdog^  da((a  :  dt-ör^-e^  dap-io-v  ii'jio-Vy  Tiefst,  iv-vj.  Zu  dieser  Reihe  das 
Femininsuffix  -ö-,  wie  voc.  vvfi^ä  :  nom.  vvfi^-a  vviiif-r}, 

4.  e-Reihe.  Höchst.:  1.  (T,  2.  ö;  nebentonige  Tiefst,  d,  ^ly-crcö  :  v^w- 
/to-g  :  d^€-v6-g,  Sy-cro)  :  dtf-sco-xa  :  i^ro-g  (lat.  sa-^u-s).  ar^-fii  :  ttoj-ro-r,  W. 
?/e-.  A/yy-cö  :  Aay-a^o-^,  W.  s/i'g-  (lat.  luocunS  :  ?i"^wa  aus  ^Ivg-^-snä).  pqij^i-g  : 
€QQ(oy'€  :  ^ay-fjvai.  ^t-,  t-  für  *i^a-,  *a-,  s.  §  11,  1.  Vgl.  de  Saussure, 
Mem.  141  f.,  Vf.  M.  U.  3,  101  f.  Ob  lay-  und  fpay-  die  tonlose  oder  die 
nebentonige  Tief  stufenform  darstellen,  ist  unklar,  da  sie  die  lautgesetzliche 
Fortsetzung  sowohl  von  s^g-  ^f jr-  als  auch  von  sfog-  i^rdg-  gewesen  sein 
können. 

5.  ö-Reihe.  Höchst.:  ö;  nebentonige  Tiefst.  9.  Jco-o'ft)  dß-go-v  :  id^vog 
do^To-g.  Ttd'fia  Tte-TTCD-xa  :  no-xo-v.  ßd^Ttog  :  ßo^To-g  ß(MSx(a.  Jo-,  no^,  ßo- 
für  rfa-,  *7ra-,  */?«.,  s.  §  11,  1.    Vgl.  Vf.  a.  0.,  J.  Schmidt,  K.  Z.  26,  335. 

6.  ö-Reihe.  Höchst.:  1.  a,  2.  ö;  nebenton.  Tiefst.  9.  gjä-fit  (yij-iui) : 
ifio^rij :  (fu^^lv,  i-atct-v  aTa-fitav  [e-arrj-v  arri^fxwv)  :  cTTa-ro-g  (fTa-Ti/JQ.  raxHa 
(r/yx-co)  :  Tax-sQo-g.  Die  tonlose  Tiefstufe  wäre  durch  J-crr-6-g  (f-or-io-v) 
vertreten,  wenn  dieses,  was  fraglich  ist,  eine  altererbte  Bildung  war.  Ost- 
hoff's  arvct)  aus  *(rr-TtWft)  (vgl.  ai.  savyö-^ihar-  aus  *'St-ter-  und  lat. 
sta-tu'ö)  ist  recht  zweifelhaft  (M.  U.  4,  p.  XII). 

25.  Die  ursprünglichen  Ablautverhältnisse  wurden  im  Griechischen 
oft  durch  analogische  Neubildung  verdunkelt.  Namentlich  sind  drei  Fälle 
zu  berücksichtigen: 

1.  Die  einer  Form  von  alters  her  zukommende  Stufe  wurde  durch 
Angleichung  an  andere  Formen  mit  einer  andern  Stufe  durch  diese  letztere 
ersetzt,  z.  B.  ne-ffevy-s  statt  ^ne-tpovy-s  nach  nB'ifsvy-wg  ytiJy-w 
^ev^'Ofiai  (§  132),  hom.  na-täq-og  statt  na-TQ-og  nach  na-Tiq-a  na^Tt'Q-eg 
(8  69.  71),  sHT^'iiBv  statt  e-i'fiev  nach  f-nj-r  (§  145,  1). 

2.  Die  Wurzel  trat  aus  einer  Ablautreihe  in  eine  andere  über.  So 
gab  ^ano/ioff,  aus  ^m^-io-mai  von  W.  wen-  i;§  21,  3),  den  Anlass  zur  Bil- 


')  Nach  DE  Saussurk,  M^langes  Graux  '.  formen  dürften  namentlich   auch   imter   den 

739  und  Bezzekbergeb,  Gott.  gel.  Anz.  1887,  |  es-Stämmen,   z.   B.  dvO'fjxearo'S  :  axos,    dvc- 

S.  415  dürften  aiQaT'dyog  o^-üyog  hier  nicht  ,  rjxvi  :  ^X^^   (wenn   diese  Zusammenstellung 

genannt  werden,   weil  sie  in  ^ine  Kategorie  '  richtig  ist),  ev-wdrjg  :  lat.  odor  (vgl.  ai.  vid- 

rait  den  Fällen  wie  ay-tjywg  :  ayfJQ  gehören  l  man-dpas-  :  ajids-  dpaS')^    zu  suchen  sein, 

können.     Ich    vermute,    die    eigentümliche  '  Der  Verbreitung  dieser  Neubildung  war  die 

Sitte    der   Griechen,    den  Vokal   im    Beginn  i  Abneigung  gegen   die  Folg«;  von   mehreren 

des  zweiten  Kompositionsgliedes  zu  dehnen  i  kurzen  Silben  günstig,  die  auch  den  Gegen- 

(vgl.    noch    dfitp-rjQiaxoq  :  iQÜ^ta,    vn-tjQixrig,  satz  der  Formen  wie  aoq>iü-Teqoq  :  tofio-rego^ 

v%lj-t]Qt(fijg,  fi-wyv^  yafixp'Wt'v^y  Tiodtjyefiog),  I  zur  Regel  machte  (vgl.  Vf.  K.  Z.  27,  590  f.). 

hatte  sich  gerade  an  einigen   Verhältnissen  '  Homer,  lyv^^ofcc  kann  man  als  in  Anknüpfung 

wie    aiQaT-K'yog  :  iiyog  entwickelt.     Muster-  .  an  nod-rjyefio-g  gebildet  betrachten. 


2.  Vokale,  Nasale  und  Liqnidae.  (§  25-26.)  47 

düng  von  fiefAäva  fisfir^va  nach  Analogie  von  Perfekta  wie  XäXäO^a  ktXr^&a 
(Vf.  M.  U.  3,  115),  ähnlich  fujiäXs  fiäfir^Xe  zu  fiäXei  von  W.  weZ-  (Osthoff 
Z.  6.  d.  P.  109  f.).  Zuweilen  veranlasste  zufällige  Formgleichheit  noch 
fundamentalere  Neuerungen,  z.  B.  pindar.  y^'y^xa  zu  y^v-,  hom.  nefftiaexai 
(O  140  /y  nk^a%  ?y  xai  Inhixa  netf^t'jaerai)  zu  l-nt-^v-o-v  infolge  des  Neben- 
einanders  von  yiyaiiev  (aus  ^gegi^-men)  und  hataiiev^  nä-tfa-Tat  (aus  *gÄe- 
qhß^tai)  und  fbrarat  (W.  ctö-)  u.  dgl.*),  ähnl.  hora.  Konj.  xnfiofuv  zu 
ixiafisv  von  xirtr-  (Vf.  K.   Z.  24,  264.  279). 

3.  Es  entstanden  neue  Ablautverhältnisse  durch  „proportionale  Neu- 
bildung*^. So  wurde  das  ursprüngliche  Verhältnis  *o/i-rfv-jiii  ;  ofA-vv-fxsi' 
nach  Massgabe  von  dccfi-va-fii  :  idii-vd-^tv  u.  a.  in  oii-vv-iii  :  ofi-vv-iiuv 
umgebildet  (Osthoff  ,  M.  U.  2,  139) ;  nach  rax^io  :  Tax-tjvai  entsprang 
Tivif-fo  :  nvlY-rjvai,  Try-co  :  Tv^-f^vm,  Hierher  gehören  auch  die  Ver- 
hältnisse ightr^-g  :  vn^rjQtzr^g  u.  s.  w.,  wofern  unser  Erklärungsversuch 
S.  46  Fussn.  1  das  rechte  trifft. 

Vokalkürzung:  vor  i,  v»  nas.,  liqu.  -f  Konson. 

26.  Diese  trat  in  der  urgriechischeu  Periode  ein.  ihnoig  aus  *i7r7r«(s 
=  ai.  (iivais  (§  91).  alfsei  al{f:)(ov  aus  *fl{t^-,  vgl.  ai.  instr.  sg.  äyun-a  „mit 
dem  Leben*  (Vf.  M.  U.  2,  190,  Grdr.  2,  340  f.).  nXeiato-g  aus  *nXr^'ka'Tog 
(§  73,  3).  Zsvg  aus  ^Zrfl^g^  ßovg  aus  ^ßco^g,  vavg  aus  *vaug  (§  75,  1).  ev^ato 
aus  '^t]^aTo  (§  109).  avtri  aus  *sa^ta  d.  i.  *sa  u  ta  (§  94).  yvoiT-  aus 
♦yi'OöiT-,  ifAiyev  aus  *£/UiyijrT  (§  114).  ntbqva  wohl  aus  *nT7jQara,  vgl.  ai. 
pdrsni-^.  CTOQvvfn  aus  *CT(joQ-vv'fii  (§  23  S.  43).  Die  c-Aoriste  hsiaa 
^Sei^a  i^€v^a  iregipa  ireiva  wohl  aus  *€-Trji-<fcc  *€'dr]tX'aa  *€'^rjtiX'(Ta  etc. 
(§  24  S.  46  und  §  137).     Osthoff,  Phil.  Rundsch.  1,  1593  ff. 

Dieses  Lautgesetz  kam  erst  in  Wirksamkeit,  als  -ns-  bereits  zu  -vr- 
ge worden  war,  wie  Gen.  ,aiji'-6g  lesb.  ixt]vv'Og  aus  *fir^va-og  =  lat.  mens-is 
(gegenüber  Nom.  ion.  megar.  kork,  fiffg  aus  *fi€vg,  *fxrivg)  zeigt,  s.  §  45.  56. 
73,  1.  Auch  war  es,  wie  tjoig  aus  *a^{syös  (§  73,  1)  beweist,  jünger  als 
der  Ausfall  des  intervokalischen  -s-  (§  45),  s.  Solmsen,  K.  Z.  29,  348. 
Es  darf  also  nicht  mit  Bremer,  Berl.  phil.  Wochenschr.  1887  S.  502  f.  in 
die  Zeit  der  vorgriechischen  Urgemeinschaft  hinaufgerückt  werden. 

Durch  Analogiebildung  wurden  diesem  Lautgesetz  viele  Ausnahmen 
geschaffen:  z.  B.  ion.  vr^vg  nach  vrj{py6g  etc. 2),  kret.  3.  pl.  SieXayrjv  nach 
di€Xtyr^f.iBv  etc.  (Vf.  M.  U.  1,  72  f.),  (pegcavTi  (dor.),  (pa'Qwvrai  nach  ^egw- 
fjiev  etc.  (die  lautgesetzlichen  Formen  auf  *-oiti  *'Ovtm  waren  mit  dem 
Indik.    zusammengefallen,  daher  die  Neubildung). 

Dasö  die  Wirksamkeit  dieses  Gesetzes  in  einzelmundartlicher  Zeit 
erloschen  war,  zeigen  auch  die  Dative  auf  -jjci  (§  90),  ^^atog  (aus  ^atarog), 
rifioh'Tfg  (aus  TifidovTfg)  und  vieles  andere.    Indess  kam  in  einzelnen  Teilen 


*)  Mit  ÜDrecht  ändert  Wackebkaoel, 
K.  Z.  27,  279,  dem  G.  Meyer  ^  474  folgt, 
n€<f>ijc€Tai  in  netpelaBrat  (*ne(feyaejai),  eine 


unsere  obige  Auffassong  von  netfijaejM  mög- 
lich ist,  darf  man  7i€(p€icerai  nicht  als  Stütze 
für  das  von  Wackernaoel  a.  0.  angenommene 


Anomah'e     durch     die    andere    austreibend.  Lautgesetz  gelten  lassen. 
Fieilich  versucht  Wackebnagel  jetzt  (K.  Z.  -'j  Das  zweisilbige  yrjvg  wurde  erst  split 

29,    136)    neqBiasTai,    als    Fortsetzung    von  nach  der  Analogie  von  yQf}v?  gebildet 
*7t€<pfyüeTai  zu  rechtfertigen.   Aber  so  lange 


48  ^»  Griechische  Grammatik,    b)  Lautlehre. 

des  griech.  Sprachgebietes  in  jüngerer  Zeit  ein  analoges  Lautgesetz  neu 
auf,  vgl.  detiiiOQyog  neben  iäfiKOQyog  und  dgl.  (Johansson,  De  der.  verb. 
p.  19  sq.)  und  die  inschr.  Formen  in-sv^r^iAbvov  (zu  av^dvio)  und  svxovfiijv 
(zu  avxtü))  mit  ev  aus  r^v  (§  109). 

Einwirkung  von  Nasalen  und  Liquiden  auf  die  Qualität  benachbarter 

Vokale. 

27.  Ark.  kypr.  Iv  aus  «r,  G.  Meyer,  Gr.  Gr.*  67  f.,  Spitzer  L.  d. 
a.  D.  14  flf. 

Lesb.  thess.  ov-  =  ara-,  lesb.  ovta  =  driä,  Meister,  Gr.  D.  1,  50  f. 
295,  G.  Meyer,  Gr.  Gr.«  63. 

Lesb.  atQOTogy  fitfiogO^ai,  thess.  ^EQoxoxXi&q,  böot.  ctQotog^  Meister, 
Gr.  D.  1,  48  flf.  216.  295. 

Q  verwandelte  vorausgehendes  «  in  a  im  Lokr.  und  El.  Lokr.  naxoQa^ 
dviforagogy  el.  f^dgyoVy  g>dQr^Vy  ndq  (=  ntQi)^  onoxaqog,  Vf.  C  St.  5,  329 
flf.  9,  376,  G.  Meyer,  Gr.  Gr.«  28  f.,  Meister,  Gr.  D.  2,  29.  Dabei  ist  zu 
berücksichtigen,  dass  in  Elis  s  auch  schon  ohne  Einfluss  konsonantischer 
Umgebung  eine  sehr  offne  Aussprache  hatte  (§  8).  Die  beiden  Schreibungen 
xax'iaQavaeis  und  XaTQaioyfiev'  lassen  die  Frage  aufwerfen,  ob  q  im  EI. 
nicht  auch  nachfolgendes  s  in  a  veränderte  (vgl.  Meister  a.  0.  30.  38). 

Eine  dem  ^  sich  nähernde  Aussprache  des  i  scheint  durch  q  hervor- 
gerufen und  durch  e  ausgedrückt  zu  sein  in  el.  noleg  Collitz,  Gr.  D.  n. 
1172,  16  (neben  noXiv  auf  derselben  und  ^img  oq-tiq  auf  andern  Inschr.) 
und  in  thess.  xgewaper,  '^Yßqbatäg  Collitz,  Gr.  D.  n.  345,  14.  71  (YßQiaxmog 
auf  ders.  Inschr.). 

Vgl.  auch  §  10  über  att.  x^9^  =  ^on,  x^Q^r 

Prothese  vor  t^  (f),  Nas.  und  Liqu.  und  Anaptyxis. 

28.  Prothese.  Die  sogen,  prothetischen  Vokale  sind  noch  in  man- 
cher Hinsicht  unaufgeklärt.  Kret.  asqaa,  hom.  fV^c?;  neben  ^ar^  =:  ai. 
var^d-s  „Regen",  är^fii  aus  ^dprjui  =  ai.  vdmL  evqv^g  aus  *«Vp*'"5.  s« 
§  13  S.  31.  oivt]Q  =-=;  ai.  när-,  dvsxpio^g  aus  *a-rf7rr-io-^,  vgl.  ai.  napUU 
„Enkelin".  dfibXyo)  =  lit.  melzu  „melke",  ofiix^rj  OjU^x*co,  inf.  aor.  dfu^ai 
(Hesych),  vgl.  lit.  tniylä  „Nebel",  lat.  mingö.  igvO-go-g  =  ai.  rudhird^s. 
oQvaao),  vgl.  lat.  runcö,  ikaxv-g  =  ai.  laghu'$  (§  22).  Curtius,  G.*  578  flf. 
720  flf.,  Fröhde,  Bezz.  B.  7,  87,  G.  Meyer,  Gr.  Gr.«  113  flf.O  Dass  die 
Prothese  bald  erscheint,  bald  nicht  (z.  B.  hgatj  :  ^Qarj^  dvrjQ  dvdQog :  dQiixp 
aus  *r(i)Q-(oif>,  ofioQyvvfu  :  /lo^favro,  iQuofiai  :  ^uofim,  dXsifffo  :  Xina),  mag 
zum  Teil  auf  urgriechischer,  ursprünglich  nach  verschiedener  Stellung  im 
Satze  geregelter  Doppelformigkeit  beruhen,  s.  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  304. 
Bei  ar^lx^  und  dvrjQ  kann  in  Frage  kommen,  ob  a-  nicht  vielmehr  erhaltener 
Wurzelvokal  gewesen  sei  (Vf.  C.  St.  9,  387  f.  M.  U.  1,  29  f.,  J.  Schmidt, 
K.  Z.  27,  396  f.).  Auch  müssen  Erscheinungen  wie  onoV  azta  aus  onoid 
xTct  (§  65,  7.  95)  und  das  in  §  53  dargelegte  davor  warnen,  hier  alles  nach 
einer  Schablone  zu  beurteilen. 


^)  Dass   auch  langer  Vokal  prothetisch  |  ioqvytj  u.  a.  s.  §  200. 
auftrete,  ist  UDerwiesen.    über  das   cJ-  von  | 


2.  Vokale,  Nasale  nnd  Liqoidae.  (§  27  -30.) 


49 


29.  Anaptyxis  oder  Svarabhakti  heisst  die  Entfaltuug  eines  kurzen 
oder  reduzierten  Vokals  aus  einem  Konsonanten  vor  oder  nach  einem  an- 
dern Konsonanten.  Am  sichersten  ist  sie  nachgewiesen  bei  Liquidae  und 
Nasalen,  z.  B.  ßfXQctyxog  =  ßQ^^YX^^j  auf  att.  Vasen  ^Aqenviä  =  ^A^nvia 
(Dual),  *^EQ€fi^g  =  'Egfi^Qy  TegoTitov  =  TegnoaVy  lesb.  dXkovsQQO-g  aus 
*dXXoT€QiO'g  =  aAAor^io-g,  ^)  yaAaxr-  neben  yXaxto-ipdyo-g ,  äX^ysivog  von 
«iyog,  i'ßSofnog  und  epidaur.  ißdefiato-g  herakl.  delph.  ißisfxrjxovTa  von  idg. 
^septm-o-  oder  ^sebäm-o-  (§  101).  Cürtius,  6.»  727  flf.,  G.  Meyer,  Gr. 
Gr.*  109  ff.,  Kbetschmer,  K.  Z.  29,  427.  Die  Entwicklung  des  Vokals 
setzt  ein  Sonan  tisch  werden  des  konsonantischen  Dauerlautes  voraus,  z.  B. 
aus  ßQccyxog  zunächst  ^b^rafakhoSy  daraus  ßdgayxog,  aus  dlko-TQiog  im  Lesb. 
HfioSy  daraus  *'terios,  -teggog  (vgl.  Sievers,  Phon.^  241  f.).  Bei  nicht 
wenigen  der  in  sprachwissenschaftlichen  Werken  hierher  gezogenen  Formen 
ist  zweifelhaft,  ob  nicht  eine  bereits  vorgriechische  sonantische  Aussprache 
des  Lautes  (§  21,  4.  23,  4)  anzunehmen  ist,  z.  B.  bei  iTChn-a-afisv  (vgl. 
ai.  dk^ip'S-^ia),  wo  man  eine  urgriech.  Form  -S'fpmen  mit  idg.  tptn  an- 
setzen kann  (§  136). 

Die  Lautgruppen  wr,  ml,  nr,  ni,  n,  1%,  mi,  ^r,  n^i,  rj*,  Z^,  In,  im, 

30.  Aus  mr,  ml,  nr  entstanden  in  urgriech.  Zeit  fißQyjißX,  v6q:  im 
Anlaut  ging  mit  der  Entwicklung  des  Verschlusslautes  der  Nasal  verloren: 
a-fißgoTog,  ßgorog  (wahrscheinlich  Kompromiss  zwischen  inogrog  =  ai.  märta-s 
und  */?^aTo-$  =  ai.  mf^td-s);  fitfißXcoxay  ßkoiaxo);  dvÖQog,  ÖQ-dip,  G.  Meyer, 
Gr.  Gr.*  185  f.  277.  Anders,  aber  mich  nicht  tiberzeugend,  Johansson,  De 
der.  verb.  59.  Einige  Schreibungen  auf  Vasen  wie  "OfiQixogy  'AvQOfidxy] 
(Kretschmer,  K.  Z.  29,  451)  dürften  beweisen,  dass  der  Übergangskonsonant 
im  Volksmund  schwach  oder  selbst  gar  nicht  artikuliert  wurde. 

Aus  *xT€V'i!(o  lesb.  xTivrw,  mit  „Ersatzdehnung"  ion.-att.  xteivco,  aus 
*ifd^€^i(ü  lesb.  (fO^tQQCDy  mit  „Ersatzdehnung"  ark.  <fx>i]QWy  att.  (f^siqm  (§  12. 
56).  Dagegen  fand  bei  -lir  im  Kyprischen  „Epenthese"  statt,  während  die 
andern  Dialekte  -ü-  zeigen:  kypr.  aiXo-g  =  att.  etc.  «AAo-g,  kypr.  'Ansi- 
l(üv  =  arkad.  pamphyl.  dor.  'AnäXkwv  (§  54) ;  doch  gesellt  sich  zum  Kyp- 
rischen vielleicht  noch  das  Elische,  da  Collitz,  Gr.  D.  n.  1154,  2  atXiyvQia 
steht  (s.  Meister,  Gr.  D.  2,  38.  58). 

Vor  {  wurden  ursprüngliches  postsonantisches  m  und  ^  =  a/t  zu 
dentalen  Nasalen.  In  allen  Fällen  erfolgte  dabei  Epenthese  des  {  (§  54): 
xoivig  aus  *xo/i-|o-$  zu  lat.  cum,  umbr.  osk.  coni^)^  X^^*^'"  zu  x^ofjut'^g,  ßahco 
=  idg-  ^gfp'i^  von  W.  gern-,  xaivoD  zu  ai.  Sani-  (caus.  „zum  Tode  bringen, 
vernichten").  Kluge,  Z.  G.  d.  g.  C.  146,  Vf.  M.  U.  2,  207,  Mahlow,  D. 
1.  V.  63,  Thürneysen,  Über  Herkunft  und  Bildung  der  lat.  Verba  auf  -io 
S.  30,    Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  505  flf.,  G.  Meyer,  Gr.  Gr.»  185. 


>)  dXXoreQQo-g  auf  *«ÄAo-t«^o-,  eine  Neben- 
form von  *«AAo-T^o-,  zu  beziehen  (s.  §  70,  10), 
verbietet  sich  durch  die  mit  ihm  zusammen 
von  den  Grammatikern  überlieferten  fiereQ- 
Qo-i,  x6n€QQa  =  fiiiQ^o-g,  xonqia,  man  müsste 
denn  annehmen,  diese  letzteren  Formen  seien 
▼on    den   Grammatikern   nach    dem  Muster 


von  dXkotBQQog  erfunden  worden. 

^)  Schwerlich  richtig  zieht  J.  Baünack, 
Stud.  1,  44  unser  Wort  zur  Wurzel  von 
xoi-Ttj.  Nur  so  viel  kann  ich  zugeben,  dass 
hio  und  da  eine  volksetymologische 
Verknüpfung  von  avyxoivo-g  mit  avyxoixo-g 
u.  dgl.  stattfand.  « 


H4ndbiich  der  kla«.  Altertumswlmenochaft.  II.    2.  Aufl. 


50  A.  Grieohisoke  Grammatik,    b)  Lautlehre. 

Noch  im  Einzelleben  der  Dialekte  bestanden  die  Lautgruppen  tj 
kyprisch  i-pQe^a;  w^,  kork.  TtQo-^evfso^;  rt^,  xoqpa;  l^,  kypr.  aXfov  (§  13.  57 

Schwierig  ist  die  Geschichte  der  Lautgruppe  In,  Dreifache  Behanc 
lungsweise.  1.  Lesb.  thess.  -AA-,  sonst  -A-,  eventuell  mit  ^Ersatzdehnung^ 
Lesb.  ßoXXsrai,  att.  ßovlerai  aus  ^ßol-vs-zai  Gruudf.  *f^''ne-tai,  thess.  ßti 
AfiTff,  dor.  irjXcrai,  lokr.  delph.  isiXcTat  Grundf.  "^gelrue-tai,  W.  gel-,  ovXo 
aus  ^pok'vo-g  (§  23  S.  43  f.).  Lesb.  än-äkXto,  dor.  fijA«,  homer.  etlo)  an 
♦ffA-vo).  ovXofjievo-g  neben  oXXvfii  (s.  u.).  2.  Allgemeingriech.  -AA-.  oXX{\u 
iXXo-g  aus  *«U-f-o-g,  vgl.  eXatpo-q  aus  Hl^-hho-s  und  lit.  eUn-i-s  „Hirsch' 
caAAor  •  %iQV  %ov  ß^axiovog  xafinijv  (Hesych)  aus  *(öA-v-o-v  (Vf.  M.  U.  2,  173 
3.  -Av-.  mXvafxai  (zu  Tr^Xag).  TriXrcv  •  9at6i^.  Kvtiqioi  Hesych  (zu  neXo- 
neXii-g).  Ich  betrachte  die  1.  Behandlung  als  die  altertümlichste.  Als  ds 
aus  vorgriech.  Zeit  überkommene  -In-  und  das  -Xv-  von  -oXv  =  idg.  -Jr 
schon  eine  gewisse  Veränderung  erlitten  hatten,  kam  durch  Neubildun 
(beziehungsweise  durch  analogetische  Wiederherstellung)  die  Gruppe  -Xv-  zui 
zweitenmale  auf  und  führte  zu  allgemeingr.  XX  (2) ;  man  beachte  das  tu  vo 
(oXXiv  gegen  §  26.  Wieder  in  einer  jüngeren  Periode  entstand  -Ar-  vo 
neuem  (nlXvafxai  nach  nirvafAai  u.  dgl.)  und  blieb  nun  unverändert  (3). 

-m-  blieb  ausser  im  Kretischen:  gortyn.  ävvioiTo  =  aQväoito. 


S.  Verschlusslaute. 

31.  Artikttlationsart  der  Ver schlusslaute.  Keine  Veränderung  de 
Artikulationsart  durch  spontanen  Lautwandel  erlitten  bis  zum  Einzellebe 
der  ^iechischen  Dialekte  die  idg.  Tenues  (g,  l,  t,  p)j  Tenues  aspirata 
{qh,  AA,  th^  ph)  und  Mediae  (g,  g,  d,  6).  Z.  B.  i-xatov  =  lat.  centun 
naräQeq  =  ai.  pitdras  , Väter";  ola-xha  =  ai.  vet-iha  „scis";  fvyov  =  a 
yugä-m  Jugum**,  aide  =  ai.  veda  „seit".  Dagegen  wurden  die  idg.  Media 
asp.  (gÄ,  gh,  dh,  bh)  bereits  im  Urgriechischen  zu  Tenues  asp.  und  fiele 
so  mit  den  ursprünglichen  Tenues  asp.  zusammen,  z.  B.  ivg-x^fio-g  =  a 
himd'S  „Kälte",  idg.  *ghim6^s,  ^vfio-g  =  ai.  dhümd-s  »Rauch",  Q^ipqv-g - 
ai.  hhrü-^  »Braue". 

Mancherlei  Modifikationen  erlitten  die  verchiedenen  Artikulationsarte 
durch  kombinaterischen  Lautwandel  im  Urgriechischen  (z.  B.  urgriecl 
Hithemi  tix^-rj/xi  aus  Hhirthe-mi)  und  durch  spontanen  und  kombinatorische 
Wandel  im  Sonderleben  der  Mundarten. 

32.  Dass  die  Tenues  in  einigen  Mundarten,  besonders  im  Attischer 
Aspiration  erfuhren  (Roscheb,  C.  St.  I,  2,  63  flf.,  Curtiüs,  Q.^  500  ff.,  vo 
DEB  MüHLL,  über  die  Aspiration  der  Tenues  vor  Nas.  und  Liqu.  im  Zem 
und  Griech.,  Leipz.  1875,  G.  Meyer,  Gr.  Gr.«  207  ff.),  kann  nicht  abge 
leugnet  werden.  Doch  ist  noch  genauer  zu  untersuchen,  in  welchen  Grenze] 
sich  diese  Affektion  bewegte,  in  wie  weit  sie  rein  lautmechanisch  ein 
trat.  Dass  in  vielen  Fällen,  wo  man  bisher  rein  lautliche  Entstehung  de 
Aspirata  annahm,  z.  B.  aXsiifta  neben  Xina  (ai.  limpämi  „beschmiere,  be 
streiche*),  dexofiai  neben  ion.  dor.  lesb.  rf^xo/im,  vielmehr  Analogiebildun; 
vorliegt,  zeigt  Osthoff,  Z.  6.  d.  P.  284  ff.;  vgl.  auch  itfWQXhw,  effi  ItQto 


8.  Verschlasslaate.    (§  31—33.)  51 

durch  Ausgleichung  von  iifOQxäw  und  ini-oqxäfü^  von  iif  tsQtcog  und  ini 
tsQäfog  (Thumb,  Spir.  asp.  72). 

Was  den  Wechsel  zwischen  Tenuis  und  Media  betriflFt,  so  war  in 
Fällen  wie  nriy-vv^m  :  ncttsaaXo-q  (aus  ^nax-iako-q),  [iiy-vv-in  :  ai.  miS-rd- 
vgemischf  die  Media  aus  der  Zeit  der  idg.  Urgemeinschaft  mitgebracht, 
indem  damals  bereits  die  Tenuis  unter  gewissen  Bedingungen  zur  Media 
wurde  (Zimmer,  Nominalsuffix  a  und  a  S.  288  f.,  Osthoff,  M.  U.  4,  325  fif., 
Z.  G.  d.  P.  316,  Kluge,  P.-Br.  B.  9,  180  flF.,  G.  Meyer,  Gr.  Gr.«  201,  Vf. 
GIrdr.  1,  190  f.  348);  auch  war  aus  vorgriech.  Zeit  die  Media  mitgebracht 
in  Formen  wie  im-ßd-ai  zu  ^p^dr-  (J.  Schmidt,  K.  Z.  25,  55),  nXhyitjv  zu 
nXexiOy  xJU'ßirjv  zu  xXonij  (s.  Vf.  Grdr.  1 ,  346  f.).  In  andern  Fällen  kam  im 
Griech.  die  Media  an  die  Stelle  der  Tenuis  durch  analogische  Neubildung, 
z.  B.  messen.  xexXsßwq  zu  xXen-  „stehlen**,  (OQvyrjV  oQvyrj  zu  oqvx"  „graben** 
(Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  284  ff.,  G.  Meyer,  Gr.  Gr.«  201  f.).  Zuweilen  ist 
schwer  festzustellen,  ob  die  Media  nach  der  ersten  oder  nach  der  zweiten 
Weise  entsprungen  war,  z.  B.  bei  Triyaro-v  neben  rrjx(o  und  bei  ßXäßrj, 
das  man  nach  Wiedemann,  Bezz.  B.  13,  306  ff.  mit  ai.  m^c-  „Beeinträch- 
tigung, Schädigung**  zu  verbinden  hat. 

Tenues  aspiratae  sind  nur  in  wenigen  Wortformen  als  uridg. 
gesichert.  Wir  erwähnen  noch  atpdXXw  :  ai.  skhdlami  „strauchle,  gehe  fehl**, 
^tkra  :  ai.  phut  Interjekt.  des  Pustens  und  Blasens,  ovvx-  :  ai.  nakhd^s 
,Nagel**.  Vieles  ist  strittig.  Sieh  G.  Meyeb,  Gr.  Gr.  ^  206  f.  und  die  dort 
zitierte  Literatur,  ferner  Vf.  Grdr.  1,  406  ff.  und  Moulton,  On  the  treat- 
ment  of  original  hard  aspirates,  Amer.  Journ.  of  Phil.  8,  207  ff.,  dessen 
Ansicht,  dass  im  Griech.  die  idg.  Tenuis  asp.  die  Aspiration  verloren  habe 
ausser  bei  vorausgehendem  Hochton,  mir  nicht  genügend  begründet  zu  sein 
scheint  (wegen  des  Superlativsuffixes  -«rro-  =  ai.  -i^tha-  s.  Vf.  Grdr. 
2,  229  Anm.  2  und  zu  dem  dort  erwähnten  Xota&o-g  Danielsson,  Pauli's 
Altital.  Stud.  4,  172). 

33.  Für  die  Mediae  ist  Wandel  in  tönende  Spiranten  nachweisbar; 
auf  diesem  beruht  die  neugriechische  Aussprache.  Auf  Übergang  von  y  in 
Spirans  j  (in  irgend  welchen  Lautkombinationen)  weisen  die  im  2.  Jahrh. 
V.  Chr.  vorkommenden  Schreibungen  vyiyaCviq^  2aQa7iiyrjov,  xXaiyo)  u.  a. 
(Blass,  A.^  107)  mit  y  als  ungenauem  Ausdruck  für  i  oder  eine  aus  i 
entwickelte  Spirans  (§  12).  Spirantische  Geltung  ist  auch  Voraussetzung 
für  den  Ausfall  des  y  nach  *  in  böot.  loiv  =  iywv,  tarent.  und  sonst  oXfog 
=  oXi'yog^  d^iaXsvg  =  <i>iyaX€vg  u.  a. ;  in  verschiedenen  nichtattischen  Mund- 
arten mag  y  nach  i  schon  vor  dem  5.  Jahrh.  v.  Chr.  zur  Spirans  geworden 
sein.  Weiteres  s.  bei  G.  Meyer,  Gr.  Gr.^  218  f.,  Meisterhans,  Gr.*  58  f. 
Der  Wandel  von  i  in  d  (interdentaler  Spirant)  ist  am  frühesten  im  Elischen 
nachzuweisen,  wo  man  den  neuen  Laut  durch  f  darstellte:  f«,  ^ixaia, 
pii^wg.  Wenn  auf  den  jüngeren  elischen  Inschriften  rf,  nicht  f  geschrieben 
ist  (Daniel,  Bezz.  B.  6,  243),  so  erklärt  sich  dies  daraus,  dass  mittler- 
weile auch  in  andern  Mundarten  (I  zu  ^  geworden  war,  ohne  dass  man  den 
Buchstaben  änderte;  man  drückte  also  nunmehr  auch  in  Elis  d  durch  6 
aus.  Für  S  =  idg.  g  wurde  im  Arkad.  auch  f  geschrieben,  was  auf  spiran- 
tische Aussprache  hinweist,  z.  B.  ^tXX(ü  =  deXXo)  , werfe".    Der  Übergang 

4* 


52  ^  Griechische  Grammatik,    b)  Lautlehre. 

von  ß  in  V  ist  schon  in  vorrömischer  Zeit  für  das  Lakonische  und  das 
Elische  dadurch  erweislich,  dass  ^  (/?)  durch  ß  dargestellt  wurde,  was  nur 
bei  spirantischer  Aussprache  des  ß  (als  v)  begreiflich  ist,  z.  B.  lakon.  Ev^i- 
dkxi]g^  el.  ßoixiaQ  (§  13).  Im  Attischen  wurde  ß,  wie  es  scheint,  erst  um 
den  Beginn  der  christl.  Zeitrechnung  Spirant  (Meisterhans,  Gr.^  60). 

In  Formen  wie  C^v^to  ^evxTo-g  neben  ^evyvviii  ^vyo-v  wurde  bereits 
im  üridg.  Tennis  für  Media  gesprochen  (Vf.  Grdr.  1,  346),  und  es  ist  ein 
Misbrauch  namentlich  unserer  Schulgrammatiken,  urgriech.  Formen  wie 
*ffvy-o'(o  *f£t;y-ro-$  ^nod-ai  anzusetzen.  Üb§r  den  angeblichen  Übergang 
der  Mediae  in  Tenues  im  Kret.  und  Boot.  s.  G.  Meyer,  Gr.  Gr.^  203.  217, 

Dass  die  Mediae  öfter  lautmechanisch  zu  %  d-  q>  geworden  seien,  ist 
zwar  wiederholt  behauptet  worden  (s.  namentlich  Cürtius,  G.*  521  ff.,  Fick, 
K.  Z.  22,  110  f.),  aber  nur  für  Änen  Fall  ist  dieser  Wandel  zuzugeben. 
Wenn  ein  rf,  hinter  dem  ein  auslautender  Vokal  elidiert  worden  war,  mit 
folgendem  h  zusammentraf,  so  wurde  der  Verschlusslaut  tonlos  und  es 
entstand  ^  (vgl.  tonloses  p  aus  s^  §  13  und  tonloses  q  aus  sr  §  22),  vgl. 
att.  Inschr..  OY&Ol  =  ovd'ol  373  v.  Chr.,  neuatt.  ovx^eig  (neben  ovrf^-juYc^) 
aus  oif6*€ig,  und  vielleicht  schon  im  6.  Jahrh.  v.  Chr.  oy'EQ/Lirjg  =  orf^^E^/iTc, 
s.  Wackernaoel,  Phil.  Anz.  1886  S.  67,  Meisterhans,  Gr.^  80.  Es  ist 
nicht  kühn,  hieraus  auch  die  Aussprache  oxi]Q(og  für  o  y  rJQwg  u.  dgl.  zu 
erschliessen.  Durch  Analogiebildung  kam  die  Ten.  asp.  an  die  Stelle  der 
Media  in  Fällen  wie  sIXpxcc  zu  Aty«,  s.  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  284  ff. 

34.  Die  urgriech.  aspirierten  Tenues  (=  idg.  gh,  gh,  dh,  bh  und 
qh,  kh,  th.  ph)  blieben  wohl  in  den  meisten  Dialekten  bis  in  die  historische 
Zeit  hinein  unverändert.  Mehrfach  aber  ist  schon  im  Altertum  der  Über- 
gang in  tonlose  Spirans  (ch,  fr,  f)  nachweisbar,  welcher  tonlose  Affrikaten 
{kch,  tpf  pf)  als  Mittelstufe  voraussetzt.  Diese  ganz  allmählich  vorrückende 
Verschiebung  in  ihren  einzelnen  Stadien  Örtlich  und  zeitlich  genau  zu  be- 
stimmen sind  wir,  bei  der  Ungenauigkeit  der  Darstellung  der  Laute,  niclit 
im  stände.  Verbleiben  des  explosiven  Elementes  ist  überall  da  anzunehmen, 
wo  für  Xy  ^j  (f  Xy  T,  n  geschrieben  wurde  und  umgekehrt  (z.  B.  kret. 
xQr'ifiaTa  für  xQ^fJ^ceva),  auch  weisen  die  Transskription  der  griech.  AspiratiMi 
durch  c,  t,  p  bei  den  Römern  und  die  Wiedergabe  von  lat.  p  durch  c/ 
{SoXifixio-g  u.  dgl.,  s.  Meisterhans,  Gr.*  60)  noch  auf  Verschlusslaut  hin. 
Die  Affrikatenstufe  tritt  in  Schreibungen  wie  oxxog,  axvTtfpog  und  in  Mes- 
sungen wie  oifiv  (Homer),  ßQÖxov  (Theogn.)  hervor.  Röscher,  C.  St.  I,  2, 
63  ff.,  Progr.  von  Meissen  1879  S.  56,  G.  Meyer,  Gr.  Gr.«  207  ff.,  Blass 
A.^  99  ff.  Spirantische  Geltung  ist  im  weitesten  Umfang  für  ^  nachzu- 
weisen. Lak.  er  =  ^,  z.  B.  ato-ffOQo-g  (Müllensiefen,  Diss.  phil.  Argeiit. 
6,  185  ff.,  249),  wobei  es  zweifelhaft  bleibt,  ob  tf  ein  ungenauer  Ausdruck 
für  p  war,  auf  den  Fremde,  denen  p  gegenüber  ihrem  einheimischen  fh 
auffiel,  leicht  kommen  konnten,  oder  ob  p  wirklich  weiter  in  s  übergegangen 
war;  die  Verwandlung  in  p  und  eventuell  weiter  in  s  scheint  aber  in  diesem 
Dialekte  auf  die  Stellung  im  Anlaut  vor  Vokalen  und  im  Inlaut  zwischen 
Vokalen  beschränkt  gewesen  zu  sein  (Blass,  A.^  108  f.).  y  für  »>  =  idg. 
dh  beweist  den  Übergang  von  th  in  p  und  weiter  in  f  (vgl.  neugr.  diai. 


8.  VerschlasBlaüte.  (§  34.)  53 

q:fX4o  =  ^äXw  u.  dgl.):  z.  B.  böot.  Oio-q^efttog  (Dissimilation?),  dodon.  Inschr. 
9foc,  yticö  (=  x^vo)y  ai.  rfÄü-),  Alkman  (Aolismus)  (potva  [z=^o{vr],  zu  ai. 
dW-);  die  Darstellung  durch  y  beweist  zugleich,  dass  i^Ä  {pherö  =  idg. 
♦ftÄA-ö)  zu  /*  geworden  war  (§  35).  Vgl.  J.  Schmidt,  K.  Z.  25,  174.  Ferner 
deutet  ötr  =  er^  in  böot.  «V^^^*^^^»  ß'-  ^«^cacrr«,  lokr.  eXtaro)  u.  dgl.  (auch 
auf  einer  lak.  Inschrift,  Röhl,  I.  G.  A.  n.  72,  scheint  ein  Infin.  auf  -a%ai 
=  -cr^^a«  zu  stehen)  auf  0-  =  [i  ausserhalb  der  Verbindung  mit  voran- 
gehendem er  hin:  nachdem  O-  im  allgemeinen  (in  ^«og,  iXvx^rjv  etc.)  zu  ß 
geworden  war,  gewöhnte  man.  sich  daran,  in  der  Verbindung  <r^,  wo  th 
wegen  des  c  geblieben  war  (vgl.  «V-ri  neben  Sidca-tfi  §  37),  diesen  Ver- 
schlusslaut durch  T  darzustellen  (vgl.  Meister,  Gr.  D.  1,  261).  Minder 
sicher  scheint  mir,  dass  im  gortyn.  Dialekt  p  entstanden  war.  Zwar  haben 
wir  hier  fv  und  vtq  =  d-v  und  Vx)^q,  tvßtxfav  =  &vrjTi3vy  avTQfanov  = 
av&Qmnov'^  aber  vielleicht  handelt  es  sich  in  diesen  Fällen  um  Übergang 
von  th  in  ^,  und  dass  r^-d-  in  SidoO-O-oi  =  SiSotTd-fo,  rd^  O-vyartQag  =  rag 
d^vycntqag  als  pfi  und  nicht  vielmehr  als  tth  oder  etwa  tp  gesprochen  worden 
sei,  ist  trotz  Baunack,  Gortyn  34  f.  und  Blass,  A.^  110  sehr  fraglich,  vgl. 
gortyn.  furreg  mit  tt  =  av  und  Tarf  St  aus  rd^  St  (§  48). 

Lautmechanischer  Wandel  der  Tenues  aspiratae  in  Tenues  fand  im 
Urgriech.  durch  das  Hauchdissimilationsgesetz  statt,  s.  §  60.  Dass  sie  in 
irgend  einem  Zeitpunkt  der  griechischen  Sprachentwicklung  in  dieser  oder 
in  jener  Lautverbindung  zu  Mediae  geworden  seien  (Curtius,  G."'  527  f., 
6.  Meyer,  Gr.  Gr.^  205  f.),  ist  mir  unerwiesen.  In  artfißa)  :  d-arffiipilg,  nvv^ 
da^  :  nvO-firiv^  h'Svo^v  :  ai.  vadhA-^  „Braut",  eyci  :  ai.  ahdm  „ich**  u.  a.  liegt 
wahrscheinlich  eine  uridg.  Doppelheit  der  Artikulationsart,  Media  und  Media 
asp.,  vor,  s.  Vf.  Grdr.  1,  348  f.  Dagegen  waren  homer.  xaraktyiiuro-g 
{Ihxog)  und  Formen  der  späteren  Gräzität  wie  ex^vßrjv  {xQvtpa),  eO^gvßrjv 
(O^Qvnro)  zuTQV(f'=  *O^QV(f')  Neubildungen,  s.  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  298  f.  317. 

35.  Artikulationsstelle  der  Verschlusslaute.  Die  dentalen  und 
labialen  Laute  änderten  im  allgemeinen  ihre  Artikulationsstelle  nicht, 
z.  B.  naitQfg  =  ai.  pHdras,  idg.  "^pdier-cs;  Tiqnto^  ai.  turpäyürni  „sättige, 
befriedige";  dtxa  =  lat.  decem;  cgv^go-g  =  ai.  rudhird-s  „rot";  ßdgßaQo-g, 
lat.  balbu'S;  oifQV-g  =  ai.  bkrü-^  „Braue".  Von  assimilatorischen  Prozessen 
wie  kret.  vvtti  =  vvxii  abgesehen,  haben  wir  nur  folgende  Modifikationen 
der  Artikulationsstelle.  6  wurde  frühzeitig  im  Elischen,  später  auch  ander- 
wärts, zum  interdentalen  Laut  #  (§  33).  Ebenso  wurde  t>  in  mehrei'en 
Mundarten  frühe  interdental  (^),  und  p  wurde  teilweise  weiter  zu  y,  einem 
labiodentalen  Laut  (§  34).  Diese  Schreibung  mit  y,  z.  B.  (peag,  gibt  zwar 
keinen  sicheren  Beweis,  lässt  aber  doch  vermuten,  dass  auch  das  urgriech., 
bilabiale  (f  (ph  =  idg.  bh,  ])h)  in  den  betreffenden  Gegenden  des  griech. 
Sprachgebietes  über  bilabiales  f  zu  labiodentalem  f  geworden  war. 

Die  palatalen  Laute  (idg.  k,  kh^  </,  gh)  erscheinen  regelmässig  als 
«5  Xi  y»  X?  z.  B.  «xaro-v,  ai.  iatd-m,  idg.  "^kr^tö-m  „100";  dtxa,  ai.  dd^a, 
idg.  ^df'kfß  „10";  «yw,  ai.  a/-  av.  az-,  idg.  "^agö  „ago";  ivg-x^fio-g^  ai.  himd- 
,Kälte,  Schnee",  av.  zima-  „Winter",  idg.  *ghimö-. 

In  sehr  mannigfaltiger  Gestalt  treten  die  velaren  {q,  qh,  g,  gÄ)  auf. 


54  A.  Griecliiache  Grammatik,    b)  Lautlehre. 

Die  Griechen  gingen  in  der  Art  der  Behandlung  dieser  Laute  im  allgemeinen 
mit  den  Italikem,  Kelten  und  Germanen  Hand  in  Hand,  und  wir  haben  für 
diese  Sprachen  eine  doppelte  Entwicklung  der  Velarlaute  zu  unterscheiden 
(während  z.  B.  im  Ar.  q  überall  zu  k  geworden  war,  woraus  erst  in  der 
ar.  Sonderentwicklung  vor  palatalen  Vokalen  c  wurde): 

1.  Fälle,  in  denen  die  g-Laute  als  2;-Laute  ohne  Zusatz  von  u  auf- 
treten. xaQTfo-q  :  lat.  carpö,  ai.  k^pana-s  , Schwert*,  ayxiav  oyxa-g  :  lat. 
ancU'S  uneu-s,  ai.  af^kd^s  , Haken*.  aysiQm  :  lat.  greXj  ai.  gränia-s  , Schar, 
Dorf*.  igevYOfiiai  :  lat.  e-rügö^  lit.  rügiu  ^rülpse*,  ^xog^  a-loxf^g  •  got. 
Kgan  fliegen*,  aksl.  sa-logu  „consors  ton*. 

2.  Fälle,  in  denen  die  ^-Laute  u  hinter  sich  hatten,  z.  B.  tto-  {no&si^ 
etc.)  aus  *A'*o-,  lat.  quo-d,  kymr.  ptcy  »wer,  was?*  (aus  *kuei)j  got.  hva-s 
,wer?*  gegenüber  ai.  kd-s,  lit.  käs  ,wer?*  etc. 

Wie  diese  beiden  Gruppen  sich  geschichtlich  zu  einander  verhielten, 
ist  noch  nicht  ganz  klar,  s.  Vf.  Grdr.  1,  289  ff.  Die  ku,  g^  waren  überall, 
wie  es  scheint,  nicht  positionswirkende  Doppelkonsonanten,  und  k^  fiel  im 
Griech.,  wie  der  Gegensatz  Vnno-g  =  ai.  äiva^s  und  Stistm  =  ai.  sdcaf*^ 
zeigt,  mit  idg.  ^  nicht  zusammen.  Die  urgr.  hk^  g\k,  kh»  wurden  teils 
zu  TT,  /?,  y,  teils  zu  %  c,  6  f ,  v^,  teils  zu  x,  y,  ;|f. 

Aus  urgriech.   k^  wurde 

a)  71  vor  0- Vokalen,  vor  sönantischen  und  konsonantischen  Nasalen 
und  Liquiden,  vor  t,  th,  s.  Stamm  no-  in  Tto-^ev  etc.,  s.  o.  noi^vr  :  av. 
kae-na  ^Strafe*,  noi^po-  „machend*  noipäto  noiäw  zu  ai.  et-  „aneinander- 
reihen, schichten,  aufbauen*.  i'n-o-fAai :  lat.  sequ-or.  ijnav-  aus  H'^qn-t-, 
vgl.  lat.  jecin-or-is  ai.  yakn-ds.  nciinaq,  Grdf.  ^pet^qi^  (§  72*).  o^^iit 
aus  ^on-fia^  vgl.  lit.  akA-s  „oculus*.  i'Tt^-afirjv  :  sd.  kri-nd-mi  „kaufe*. 
f'Tik'S^o  noX'O^q  :  lat.  colö  aus  *queUöj  in-quüfnu-s.  ne/imog  :  lit.  penkta-s 
„quintus*.  nen^o^g  i^nsn-tsa  :  ai.  pak-td^s  „coctus*  aor.  pdk-^-^-t,  i'i'7r-r^r, 
vitpü):  ai.  nik-td'S  „abgewaschen*  fut.  nSk-^yd-ti,  W.  ne{g-,  vgl.  acc.  ;t«^ri/?-a. 

Manche  Neubildungen  nach  6.  Z.  B.  nevtdg  für  neiundg^  Tisvtwßoko-r 
für  (hom.)  nenndßoXo-v  nach  ntvTs  (vgl.  Meister,  Studia  Nicolaitana  1884, 
S.  10);  ävcc-ToXrj  für  *'7ioXrj  nach  -t*'AAco. 

Anmerkung.  Schwierigkeiten  bereitet  ion.  xo-^ey  xiog  etc.  neben  noiyrj,  nouta. 
enofAM.  Ich  habe  in  der  1.  Aofl.  S.  33  vermutet,  *kV'tt'  sei  im  Griech.  lautgOBetzlich  zu 
xtt',  xü'  geworden,  es  hätten  also  einmal  no-  (masc  neutr.)  und  xä-  (fem.)»  letzteres  in  denAd> 
verbien  *xä  *x^,  neben  einander  gestanden,  und  dann  sei  in  den  verschiedenen  Mundarten 
Ausgleichung  des  Anlautes  in  verschiedener  Richtung  erfolgt:  im  Ion.  x<y-  nach  xä-  (xfj-), 
im  Der.  u.  s.  w.  nä-  nach  no-.  Man  kann  zu  Gunsten  dieser  Auffassung  xai  =  lit  hu' 
«wie*  (§  201)  geltend  machen,  da  diese  Partikel  ebenfalls  zu  qo-  gehörte.  Eine  andere 
Möglichkeit  wäre,  dass  das  Ionische  einmal^  wie  das  Thessal.,  xig  oder  vielmehr  in  älterer 
Gestalt  *x/!ig  =  rig  besass.  und  dass  damals  dessen  Anlaut  auf  no-  aberging,  v^l.  die  um- 
gekehrte Analogiebildung  in  kypr.  öni-üig  mit  n  nach  no-:  während  dann  *xfi'g  zu  dem 
historischen  ilg  wurde,  entstand  aus  dem  neugebildeten  *xfo-  das  historische  xo-,  vgl.  ni- 
Xexxo-y  aus  *n6Xexfo-v  u.  dgl.  §  13,  S.  32. 

bj  T  vor  e-  und  sönantischen  i- Vokalen,  t^  :  lat.  que.  Hom.  räo, 
gortyn.  o^eif  und  tsTov  '  nolov.  KQrjTsg  (Hesych),  St.  qe-,  xtaaaQsg  :  lit.  ketun 
„vier".  TT^vr«  :  lat.  quinqt^.  %i^g  :  \bX.  qui-s.  ri^ai-g  :  b,\.  dpa^cUi-}  »Ver- 
geltung*, zu  TTOi-vrj  (a). 

Thess.  xt-g  als  Vorstufe  für  das  vi-g  der  andern  Dialekte  zu  betrachten 
geht  nicht  an.     Vermutlich  stand  xZ-g   zu  ti-g   ähnlich  wie  nhd.  quängen 


8.  VerBchlasBlante.  (§  35.)  55 

zu  mhd.  twetigen.  Noch  vor  dem  Schwund  des  ^  der  urgriech.,  im  Anlaut 
bereits  palatal  affizierten  Form  **  i*'i-s  bewirkte  der  w-Laut  Rückverwand- 
lung des  Je   in  Ä-.     Kyprisch  cri-^  zunächst  aus  ti-^,  s.  §  37. 

Vielfach  wurde  r  analogisch  durch  n  verdrängt.  Z.  B.  ine-  {i'ne^ai 
etc.)  nach  ino^  (IVro-jua*  etc.),  iireog  etc.  nach  inog  (ai.  vdccis)^  dor.  ttsT 
statt  *r*T  nach  no-;  böot.  näitccQeq  nirqaToq  lesb.  ntavqeq  aber  wohl  kaum 
nach  *7TTQa-  [TQcc'Tie^a)  *nTQv^  (rpi;-yaA«a) ,  wie  J.  Schmidt,  K.  Z.  25, 
48  f.  138  will,  sondern  nach  Ttäite. 

c)  X  vor  und  nach  v,  welches  zum  Teil  erst  durch  das  u  von  kn  scheint 
hervorgerufen  worden  zu  sein.  Ivxo-g  :  ai.  vfka-s  „Wolf*,  otvo-iplv^ 
(fkvxti^g  neben  (pktifj.  xvxko-g:  ags.  hweowol  „Rad",  ai.  cakrd-s  „Kreis, 
Rad'',  idg.  *qeqlo-.  Hierher  wohl  auch  vvx%-6g^  vgl.  ai.  näkti-^  „Nacht*. 
Erklärt  sich  das  x  in  arqaxxo-q  und  ä-r^exäwg  d-tQexsg  neben  TQ^nca  aus 
dem  ehemaligen  Vorhandensein  eines  w-Stammes  (vgl.  ai.  tark-^ur^  „Spindel*)? 

War  X  auch  lautgesetzliche  Fortsetzung  vor  (i,  a  ?  S.  die  Anm.  S.  54. 

d)  Mit  folgendem  i  entstand  aa^  rr.  Urgriech.  fcift  fiel  mit  ki  —  idg. 
H  zusammen,     näacfo  ntTrco  neben  näipcD  u.  a.     S.  §  38. 

Aus  urgriech.  gu  wurde 

aj  ß  vor  0- Vokalen  und  vor  sonantischen  und  konsonantischen  Nas. 
und  Liqu.  ßov-g  :  ai.  güu-s  „Rind".  /?oA-r;  :  ahd.  quellun  „quellen".  iQfßog: 
gqi.riqis  „Finst^miss".  er^/^o^ai  ursprünglich  „ich  trete  zurück  vor  etwas* 
(vgl.  aoßhw)  :  ai.  tycLJ-a-ü  „verlässt,  verzichtet*,  ßa-to-g  ßd-axe  ßaivw  :  ai. 
ffa^td'S  gd-chami,  lat.  venia  von  Wurzelform  gjp-  „gehen*,  firdofiat  von 
♦jixrö-  aus  *ßva-  „Weib*  (Osthoff,  K.  Z.  26,  326,  Vf.  Grdr.  1,  317, 
SoLMSEN,  K.  Z.  29,  102  f.):  air.  mna  gen.  „der  Frau*,  ai.  ^rnrf-  „Frau  eines 
Gottes*,  idg.  *g»a-;  daneben  böot.  ßavd  :  aisl.  kona  „Frau*,  idg.  *g^wfl-. 
ccftvo-g  aus  ^dß-vo-g  :  lat.  av-illa  agnu-s.  ßag-v-g  :  ai.  gur-ü-s,  idg.  ^qir-ü^s 
^gravis*.  ßi-ßQw-axw  ßQw-rr^Q  :  ai.  gTr-nd-  „verschlungen*,  idg.  Wurzel- 
form gf-.  ßdXXcö  ßaXetv  ßXrjvai  aus  g^^-,  g/-,  W.  gel-,  Lesb.  ßolXopiai^ 
att.  ßoilofiai,  Grundf.  ^q^l-no-mai,  vgl.  dor.  St'jkofiai  (6.),  W.  ge/-  (Vf.  bei 
DE  Saussure,  Mem.  265,  Fick,  Bezz.  B.  6,  211  f.,  Blass,  Rhein.  Mus.  36,  610). 

Auffallend  ist  ß  vor  i.  ßio-g  :  lat.  vivo-s,  got.  qit4rS  „lebendig*,  ßio-g 
.Bogen*:  ai.  jyd-  „Bogensehne*,  ßict  ßiitoo  :  ai.  jj/d-  „Übergewalt*.  Vgl. 
J.  Schmidt,  K.  Z.  25,  159.  161,  Osthoff,  M.  U.  4,  173  f.,  Vf.  ebend.  410  f. 

Ein  paar  Neubildungen  nach  6,  wie  doXifc-g  nach  dsXffi-g  u.  a.  :  ai. 
gdrblui-s  „Mutterleib,  Schooss*. 

bj  S  vor  e- Vokalen.  Dor.  dr^Xoinat,  lokr.  delph.  SftXofAtu  aus  *JfA-ro- 
fiat,  Grundf.  ^qd-no-mai,  vgl.  ßoidofiai  (a),  Arkad.  dtklw,  Nebenform  von 
ßdXkw  (a),  Delph.  gortyn.  odeX6-g^  Nebenform  von  oßoXo-g.  Arkad.  StQeO^Qo-v 
neben  att.  ßd^aO^qo-v.  6t  :  aksl.  ze  „6b\  aber*.  d6i]v  ^tvog  :  lat.  inguen, 
Grundf.  *pg-cw-.  Im  Arkad.  muss  dieses  rf,  da  es  auch  durch  f  dar- 
gestellt wurde  (^tXX(o,  ^tQ€&Qov),  von  rf  =  idg.  d  noch  verschieden  gewesen 
sein;  folglich  waren  idg.  ge-  und  de-  auch  noch  im  Urgriechischen  geschieden. 

Zahlreiche  Neubildungen  nach  a,  ßt'Xog  nach  ßdXXto  etc.  Thess. 
ßeXXoiAfvoc,    böot.  ßfiXofitvog    nach  ßoXXofiai,      oßeXo-g   nach  oßoXo-g.^)     El. 

•)  Da   das  /?  von   oßeXo-g   seine    ungc-   !   6ßoX6-g  findet,  so  kann  ich  Meisterhans,  Gr.* 
zwangone   Erklärung   durch  die  Nebenform  j    18  und  G.Meyer,  Gr. Gr. '^32  nicht  folgen,  die 


5G  A.  Griechische  Grammatik,    b)  Lautlehre. 

ßsvt'cü^  im  Sinne  von  fiiayoinai  (Meister,  Gr.  D.  2,  22.  31),  nach  (böot.) 
ßavd^  vgl.  aksl.  zena  got.  qinö  und  air.  hen  neben  gen.  mna  (vgl.  Vf.  Grdr. 
1,  196.  317.  330).  (feße-  (atßeai  etc.)  nach  asßo-  {(fäßofiai  etc.).  i^äßeog 
etc.  nach  egeßag. 

c)  y  vor  und  nach  i^  (vgl.  die  Tennis).  Gen.  olvo-cpXvY'og,  s.  o.  cwVo- 
(flv§.  sy-yvi;,  vgl.  lat.  voveö  aus  ^g^ou^eö,  W.  gew-.  yoy-yv'^w^  zu  /?or  aus 
*ßof:-a.  yvri]  neben  böot.  /?«i«  honi.  ^ivdo^iai  el.  ßertto.  Hierher  wohl  auch 
TrQta-yv-g  neben  nQta-ßv'g  ngtcßct  (Vf.  Grdr.  1,  319.  567)  und  ij^tiyj;,  das 
Bezzenberger  in  s.  Beitr.  1,  340  mit  ahd.  tvokhan  „Wolke*  und  aksl. 
vJügüku  „feucht**  verbindet. 

d)  Mit  folgendem  i  entstand  f  (erJ,  rfrf).  ürgriech.  g^i  fiel  mit  gi  = 
idg.  (ji  zusammen,     f/;  :  av.  jt/äiti-  jj/ätu-  „Leben**,     ri^co  neben  vimQO-r, 

Aus  ürgriech.  iÄi*  wurde 

a)  9>  vor  o- Vokalen  und  son.  und  konson.  Nasalen  und  Liquiden. 
<jpor-o-$  (pa'to^g  i'Ttf.'fpr'O^v  :  ai.  hän^ti  „schlägt**,  W.  gAcn-.  r^Xtp^o^v  aXif- 
dvo)  (aus  *-/*Mö)  :  lit.  alg-ä  „Lohn**,  W.  a//jA-.  oya-ra  •  isaiioi  d^orgon' 
(Hesych)  aus  *</ogA?»-,  zu  preuss.  wagni-s  „ Pflugmesser **  (Fick,  Bezz.  B.  12, 
162.  168).     iXct^-Qo-g  :  ahd.  lungar  „behend**,  Grundf.  ^Ip^h-rös. 

Analogische  Ersetzung  des  (f  durch  0-  {b),  O^av-tTv  (*gÄ^M-)  re^d-r^aai, 
nach  ^*iVw,  zu  (for-o-g^  W.  ghen-  (Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  366  f.). 

bj  0^  vor  c-Vok.  ^€tv(Oj  W.  gÄeii-.  d-cQ/^io-g  ^ägog  :  armen,  jerm  „warm**, 
ai.  hdms  n.  „Glut**,  W.  gÄcr-.  ^€(f)-o-^  :  ai.  ghö-rä-  „scheueinflössend, 
ehrfurchtgebietend,  hehr**   (Götterbeiwort),  vielleicht  auch  got.  gu-p  „Gott**. 

Analogische  Ersetzung  des  v>  durch  y.  vixp-€i  v€i(p-€i  nach  Formen  wie 
ri(f'6fi€V0'g  viif-a  ;  got.  snaiv-s  „Schnee**,  W.  sneig^.    rjX(f€  nach  tjX^o-v  etc. 

c^  X  vor  und  nach  i^  (vgl.  Tennis  und  Media).  ori»x-  :  lat.  unguis, 
eXaxi-g  neben  eXatp^o-g;  das  x}  von  eXaO^Qo-g  (Hesych)  war  vielleicht  aus 
einem  ^iXad-ep-  (neben  sXaxv")  und  aus  ^iXaO^iato^g  übertragen  worden. 

d)  Mit  folgendem  {  entstand  a^s,  tt.  eXäaaiov  iXarxcov^  zu  iXaxv-c, 
vgl.   §  73,  3. 

AscoLi,  Vorles.  Über  die  vergleichende  Lautl.  25  ff.  Fick,  Die  ehemalige  Sprach- 
einheit 15  ff.  CüRTiüs,  St.  7,  267  ff.  Froehde,  Bezz.  B.  3,  12  ff.  J.  Schmidt,  K.  Z.  25, 
135  ff.  G.  Meyer,  Gr.  Gr.^  188  ff.  Vf.  Grdr.  1,  201  ff.,  wo  (S.  289)  weitere  Litt<5ratur- 
angaben. 

Als  Vertreter  eines  ursprünglichen  Velarlautes  ist  auch  anzusehen 
das  y  in  (f^ircD  (ai.  k^i-nd-ti  „vernichtet*'),  Ttf-D-mo-g  (ai.  h^dyati  „ist  herr- 
schend, vermögend,  mächtig",  s.  Collitz,  Amer.  Journ.  of  Phil.  8,  214  flF.), 
(pO^&tQü)  (ai.  k$drati  „zerfliesst,  zergeht")  u.  a.  Doch  ist  in  solchen  Fällen 
die  ui-sprüngliche  Artikulationsart  des  Lautes  noch  nicht  sicher  ermittelt. 
Sieh  Bartholomae,  Ar.  Forsch.  1,  18  ff.  2,  54  flf. 

Verbindungen  von  Verschlusslauten  mit  Verschlusslauten. 
36.   Welche  Konsonantengruppen  für  xr,  ar,  ttt   in  Fällen  wie  ixxig 
zu    «x^,   (i^7TV(fTo-g   zu   7rfr,>o/cai,   ^orrro^    zu   ^o(ftu)    (Wurzeln   auf   Media 

oßoXog  aus  6ßeX6-g  durch  Vokalangleichung  ;  des  Vokals  der  folgenden  Silbe.   Dass  ander- 
entstanden sein  lassen.     Das  Nebeneinander  |  wärts  auch   wirkliche  Assimilationen  vorge- 
von  'tjßfXioy  und  -wßoXoy  u.  dgl.  im  Att.  er-  kommen  seien,  leugne  ich  nicht,  vgl.  TQinro- 
klärt  sich  aus  einer  Bevorzugung  der  einen  .  Xo^og,  ua(f6äoXov  K.  Z,  21),  411. 
oder  der  andern  Form  je  nach  der  Qualität  | 


3.  VerschlaBslaate.    (§  36  -38.)  57 

aspirata)  in  vorgriechischer  Zeit  gesprochen  wurden,  ist  noch  nicht  sicher 
ermittelt.  Bartholomae  (Arische  Forschungen  1,  3  flF.)  vermutet  z.  B.  für 
ixrog  als  idg.  Grundform  ^segdhö-s.  Vgl.  auch  Kluge,  P.-B.  B.  9,  153, 
Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  320  ff.,  Bartholomae,  K.  Z.  27,  206  f.,  Vf.  Grdr. 
1,  404  ff.,  Meringer,  Ztschr.  f.  österr.  Gymn.  1888,  S.  142  ff. 

Das  (scheinbar  auf  urgriech.  *-rT-  zurückgehende)  -err-  in  Formen  wie 
(i^nacTo^g  zu  nar-^ofAm^  Taxe  zu  Ti-fiev  beruhte  wahrscheinlich  auf  vorgriech. 
't't'^  mit  urgriechischer  Assimilation  des  ersten  t  an  den  folgenden  die 
beiden  Explosivae  trennenden  Zischlaut  (§  48).  Vgl.  Vf.  M.  U.  3,  131  ff., 
Kluge,  P.-B.  B.  9,  150  ff.,  Meringer  a.  0.  146  ff.  In  entsprechender 
Weise  TcvA*  (zu  oiSa)  aus  vorgriech.  \iid*dhi  (ai.  vid-dht)^  wobei  es  zweifel- 
haft bleibt,  ob  aus  dieser  Form  zunächst  *t/iizdki  oder  *uitsthi  wurde  (Vf. 
Grdr.  1,  365). 

Die  in  inläx&ijv  von  ttA^x-,  eTVipS-tjv  von  tvtt-  u.  ähnl.  (inschriftl. 
auch  €%  d^rjxiüv  u.  dgl.,  s.  Meisterhans,  Gr.*  82)  vorliegende  Assimilation 
des  X  und  n  an  das  folgende  ^  betrachtet  man  wohl  mit  Recht  als  eine 
bloss  graphische;  gesprochen  wurde  kth,  pth  (vgl.  gort.  O-v^  ~  tth  §  34). 
VON  der  Mühll,  Über  die  Aspiration  der  Tenues  S.  21  ff.,  Cürtius,  G.^ 
418  f.,  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  614  ff.,  G.  Meyer,  Gr.  Gr.«  211  f.  Anders 
J.  Schmidt,  K.  Z.  28,  176  ff. 

-TT-  aus  -xr-  im  Kretischen,  z.  B.  Avtrioi  =  Avxxioi^  vvrti  =  vvxtt\ 
entsprechend  iädir^xai  =  iy-dir^xai  (Blass,  Rhein.  Mus.  36,  615).  -tt-  aus 
-TTT-  im  Kret.,  iyQccxxai  •=  ytyqanxai^  ntvxoq  aus  "^Jievxxog.  =  TTt'fiTtxo-g^  und 
im  Thessalischen,  Asxxivcciog  zu  Afjtxi'vag,  ot  xxolfagxoh  otQXi'-xxoXia^xtvxog 
(vgl.  atxag  =  aji  xag),  vgl.  auch  thess.  'AxO^ovfixog  =  'Aif^orrixog, 

Verbindungen  von  Verschlusslauten  mit  Vokalen,  Nasalen  und 

Liquiden. 

37.  Für  ursprüngliches  -ti^  wenn  ihm  nicht  s  vorherging,  erscheint 
fast  in  allen  Mundarten  -ce  neben  -ri.  Z.  B.  ion.-att.  6ido)at,  sixotri,  nlov- 
(X/oc,  Xvaic^  ß^(ftg,  Xiyovai,  dveipiog,  ^*?'$,  dagegen  iaxi^  maxig;  daneben 
Ausnahmen  wie  (parng  (neben  y«<ri$),  fnaQnxig,  fidvxig,  x«^«n,  navxi,  hi^ 
aixio^g.  'XI  war  vielfach  im  Boot.,  Thess.,  EL,  Dor.,  Pamphyl.  erhalten, 
wo  das  lon.-Att.  -er*  hatte,  z.  B.  nXovxio-g,  rfi'rfwri,  pixaxi^  aber  daneben 
Nominalsuffix  -ai-  aus  -ri-.  Das  Kyprische  hatte  überdies  aig  aus  x\g^ 
dessen  x  ja  nicht  im  absoluten  Anlaut  stand  (xä  mg^  oni-aig);  vielleicht 
nahm  nach  a\g  in  diesem  Dialekt  auch  xig  a  an  (vgl.  G.  Meyer,  Gr.  Gr.^ 
290).  Wie  alle  diese  Ungleichmässigkeiten  aufzufassen  sind,  ist  zur  Zeit 
noch  rätselhaft.  Vgl.  Osthoff,  V.  i.  d.  Nc.  173  ff.,  Z.  G.  d.  P.  465  f., 
Alfr.  Müller,  De  2  litera  p.  69  sqq.,  G.  Meyer,  Gr.  Gr.^  288  ff.,  Vf.  Grdr. 
1,  362  f. 

Hom.  Jloaeiddwv  arkad.  Jloaoidävog  lak.  Ilootdavog  mit  er  statt  x  (vgl. 
böot.  lloxsiidwv  Jloxoidaixo-g)  nach  der  Analogie  von  Jloaid'  in  hom.  //o- 
(5idi]iO'g  u.  a.  (Prellwitz,  Bezz.  B.  9,  328  f.). 

38.  Die  urgriech.  -Ä-j-  -ÄÄi-,  -Avj-  -l^hui-  (§  35)  wurden  noch  zur 
Zeit  der  griech.  Urgemeinschaft  zu  einer  geminierten  Spirans  (^^  ?),  die  im 


58 


A.  Grieohische  Grammatik,    b)  Lautlehre. 


Boot.,  Thess.,  Att.  als  -rr-,  sonst  als  ^a-  erscheint.')  fidttawr^  zu  fnax^Qo-g. 
7TM<falo'gy  W.  jyäi'.  7i6'<f(f(jü  nsTxcü  zu  nfitto-q.  o(f(f€  zu  oipoiiai.  raQuacta 
taQatTO}  zu  Taqaxr.  Wie  urgr.  -S5-  =  -/j-  nach  Konsonanten  zu  -s-  wurde 
(z.  B.  urgr.  *7ravaa  aus  ^rcavTio)^  so  muss  man  annehmen,  dass  auch  jene 
von  ihr  verschiedene  Doppelspirans  in  gleicher  Lage  damals  vereinfacht 
wurde;  daraus  folgt,  dass  iXa^atov  «Aarrwr,  d^ctaawv  x^axrtov^  attaov,  in 
denen  ä  durch  „Ersatzdehnung**  aus  av  hervorgegangen  war  (vgl.  die 
§  73,  3  extr.  zitierte  Litteratur),  ihr  aa  rr  statt  einfacher  Spirans  von 
rjatfiov  iJTTO)v,  ndaawv  u.  dgl.  bezogen  hatten  (Bartholomae,  Bezz.  B.  12,  86). 
Dass  die  Behandlung  jener  urgriech.  Lautgruppen  im  Anlaut  prinzipiell 
dieselbe  war  wie  im  Inlaut,  zeigt  d-aaa  a-rra^  s.  §  95,  wozu  megar.  ad 
{uva).  Vgl.  ferner  hom.  (fevo)  (vgl.  ore  aaevaixo  P  463,  ^-aasva,  kao- 
aaoo-g),  zu  ai.  cj/av-  cyiin  „in  Bewegung  setzen";  hierzu  nach  Fick,  Bezz. 
B.  6,  236  att.  revfidofiai  Tsvrd^o),  Unsere  Lautgruppe  auch  in  cdoo  att. 
Sia-TzdcD,  dessen  Herkunft  freilich  unermittelt  ist  (vgl.  Wackernaoel,  K. 
Z.  28,  121  f.,  G.  Meyer,  Gr.  Gr.^  221),  und  in  err^iyj,  das  Bezzenberger 
in  s.  Beitr.  13,  299  ansprechend  mit  lit.  kiür-ti  „Löcher  bekommen**  verbindet. 
Urgr.  -^1-  'thi'  wurde  damals  nach  Sonanten  zu  -ss-.  Hieraus  bei 
Homer,  im  Dor.  und  anderswo  -crer-,  im  jüngeren  Ion.  und  im  Att.  -c-,  im 
Boot.,  Kret.  -rr-.  toatro-g  octro-g,  totro-g  oao-g  böot.  o-norro-g  gortyn.  o-ttotto-^, 
urgr.  *ro'TiO'g,  fxtaao-g  fxtxfo-g  aus  ^iisd^-^o^g  :  ai.  mddhya-s  „medius**. 
nqöaao)  ngotro)   zu  nQog  aus  *nQOT{  (wie  hom.  eh  aus  *fVi,  Osthoff,  M.  U. 

4,  382  f.,  anders  und  mich  nicht  überzeugend  Bechtel,  Bezz.  B.  10,  287). 
Dieses  -aa-  war  von  urgr.  Zeit  an  mit  idg.  ss  und  idg.  ts  zusammengefallen, 
vgl.  hom.  xofiKfadfievog  att.  xofinfdfievog  böot.  xo/iirra/i^i'og  (§  45.  48); 
man  beachte  auch  die  kret.  Schreibung  mit  C  neben  rr,  die  zeigt,  wie 
schwer  es  ist,  über  die  Aussprache  unserer  gedehnten  Spirans  ins  Klare 
zu  kommen:  o^og  =  orrog  oaao-g  mit  urspr.  ti  neben  dv-dd^aO^ai  =  -ödTta^ 
{if^d-ai  ddaaatf&ai  mit  urspr.  ts;  vgl.  Trfjva  =  Zrjva  §  41.  Nach  Kon- 
sonanten entstand  aus  ti  im  Urgriech.  ebenfalls  -(Ter-,  das  aber  damals 
bereits  zu  -<r-  vereinfacht  wurde  (vgl.  dieselbe  Reduktion  bei  -crc-  =  idg. 
'SS-  §  45  und  bei  -crer-  =  idg.  -fs-  §  48).  Kret.  ndraa  dor.  ion.  att.  Ttäaa 
lesb.  natisa  aus  *7r«rT-/a.  do^ct  aus  *(Jox-Tfa;  6(ipa  aus  ^din-j^a;  xaimpo-g 
(Hesych)  aus  *xaiii7r'Tj^0'C;  ion.  Si^o-g  tQi^o-g  aus  ^dpix-rko-g  H^ix-rko-g 
(§  70,  15);  noch  anderes  dieser  Art  bei  Röscher,  Progr.  von  Meissen  1879 

5.  56  flf.,  wo  aber  diese  Formen  falsch  beurteilt  sind  (wie  auch  schon 
Angermann,  Progr.  v.  Meissen  1883  S.  13  sah).  Im  Anlaut  <r-:  atßo^iai 
0oßb(ü  zu  ai.  tyaj-  (§  35  S.  55),  wo  freilich  Zweifel  bleibt,  ob  die  W.  als 
tieq-  oder  als  f/eg"  anzusetzen  ist  (§  49). 

Allerdings  erecheint  nun  im  Inlaut  als  Fortsetzung  von  ti  tJii  häufiger 
derselbe  Laut,  den  wir  als  Fortsetzung  von  ZV  kennen  lernten.  Zuver- 
sichtlicher als  ich  in  der  1.  Aufl.  dieser  Grammatik  (S.  36  Fussn.  1)  that, 
möchte  ich  jetzt  behaupten,  dass  in  allen  diesen  Fällen  Analogiebildung 
vorliegt  (s.  auch  Wackernagel,  K.  Z.  29,  136  f.  und  Meisterhans,   Gr.'^ 


^)  Das  -<T<T-  der  älteren  att.  Schriftsteller 
halte  ich  mit  andern  fUr  einen  lonisnius, 
dessen  Herübcrnabmc  sich  leicht  erklärt,  wenn 


wir,  was  statthaft  ist,  annehmen,  dass  die 
Aussprache  der  durch  -rt-  und  -<T<r-  darge- 
stellten Laute  eine  nur  wenig  verschiedene  war. 


3.  VerBchliuMilaate.  (§  39—43.)  59 

75):    iiiaacfo    (iiuof(r)r-) ,   kiacofiai    (X*r-)   u.   a.    nach    (.laXaaam    (fAakax-), 

aicfSfo  (a*x-)  u.  dgl.,  durch  welche  Neuerung  ein  formaler  Unterschied 
zwischen  der  Präsens-  und  der  Futurform  erzielt  wurde,  die  zusammen- 
gefallen waren;  xqäaaoiv  xQsiacmv  {^q^t-)  nach  fidaacov  {ficcx-)  u.  dgl.,  wie 
wir  oben  auch  das  a<y  von  iXaaafav  u.  dgl.  als  analogische  Neuerung  kennen 
lernten;  iitXicaa  (fiehx-)  nach  aiKfi-ehcaa  (ihx-)  u.  dgl. 

Vgl.  Ascou,  Studj  crit.  2,  410  ff.,  Cubtius,  G.*  m^  ff.,  G.  Mbykb.  Gr.  Gr.«  272  ff., 
282  f.,  Vf.  Grdr.  1,  361  f.  367. 

39.  Im  Lakon.  und  Kypr,  ging  -er-  =  -^|-  und  im  letzteren  Dialekt 
zugleich  das  -c-  von  -c*-  =  -//-  in  -ä-  über:  lak.  ivrjßoialg,  kypr.  Stficiolg, 
^Qov^wt  (Deecke,  Bezz.  B.  6,  81.  147);  vgl,  §  51.  In  der  Mundart  von 
Eretria  wurden  dieselben  er  zu  p:  ofivvovQag,  naqaßaivfOQiv^  KTrjQi-ßidSrjg 
(Weissschuh,  De  rhotacismo  linguae  Qr.  1881,  S.  28,  J.  Baunack,  Stud. 
1,  299);  dieselbe  Erscheinung  ist  aus  Oropos  belegt:  druioqmv. 

40.  Urgriech.  pi  wurde  /rr,  z.  B.  nxv^  in  mim  aus  *(<r)7rift;-  (Osthoff, 
M.  U.  4,  19.  33.  317),  xaltmo),  dtfTQOTttco  (§  123.  125).  Vgl.  Cürtius, 
G.5  497  f. 

41.  Aus  urgriech.  gvij  gi,  di  entstand  f,  wie  in  v/fw  zu  viti-tqü-v 
(§  35),  a^ofiM  zu  5y*o-g,  Zevg  =  ai.  dyäii^,  ne^og  zu  ntd-o^w  Im  Les- 
bischen neben  f  auch  <rrf:  eixdaico  (Meister,  Gr.  D.  1,  129  ff.).  Im  Lakon., 
Kret.,  Megar.,  Boot.,  El.  66:  lak.  na(66(a^  gortyn.  6ixd66w^  meg.  XQV^^^h 
bdot.  6oxi/Ad66a),  el.  ßQai66a);  im  Anlaut  6:  /^tvg^  6o)6g  (vgl.  Meister,  Gr. 
D.  1,  263).  Seltsam  ist  r,  tt  für  f  im  Kretischen,  z.  B.  Trjva,  Ttfjvcc 
(==  Zrjva)  geschrieben  (vgl.  G.  Meyer,  Gr.  Gr.^  217.  256.  274  f.,  J.  Baunack, 
Berl.  phil.  Wochenschrift  1887,  S.  56),  welche  Schreibung  unzweifelhaft 
mit  dem  graphischen  Nebeneinander  von  h^og  und  ovrog  =  Zatrog  oaog  im 
Zusammenhang  stand.  Über  die  Aussprache  aller  dieser  Schriftformen, 
^,  <rrf,  66,  r,  tt,  sieh  §  52.  Vgl.  auch  Ascou  a.  a.  0.  432  flf.,  Curtius, 
G.5  615  flF.  669  f. 

42.  Über  idg.  hi  (TnTiog),  tu  {ftTraQeg,  et),  d^i  (Jpsmüg)^  dhu  {o^&og), 
}m  (iTjTTÄog),  bhu  {v7ji:€Q^g)talog)  s.  §   13. 

43.  Aus  -gn — gm^  entstand  im  Urgriech.  -fan-  -tBrn-,  z.  B.  yiyvonai 
d.  i.  yim'Ofxai,  arvyvog  d.  i.  arvtavog,  dyfiog  d.  i.  df9fi6g  (§  20).  Diesen 
Nasal  vertrat  y  auch  in  ^<fi>Byiitti,  ilr^Xf^yiiai  u.  a.  (neben  -yjat  -yxia/), 
d.  h.  -f9gm'  war  durch  '•f9f^m'  zu  -f9»i-  geworden,  gleichwie  'i^iTifi-  durch 
"litfiiA'  zu  'fifi'  ward  (s.  u.);  ebenso  vielleicht  iyvvä  aus  *lf9'yvvä  (Curtius, 
6.5  180).  'irni-  wurde  im  Dor.,  Thess.,  Boot,  weiter  zu  -fn-,  yirofiaiy 
yivci(fx(Oy  so  auch  in  der  Keine  (§  57). 

Aus  bn-  entstand  im  Urgriech.  /ur-.  fivdofiai  aus  * ßvct-io^f^iai  „suche 
mir  ein  Weib"   (§  35,  S.  55).     (xefivog  zu  aäßofiai. 

Aus  '71  fi-  entstand  -ju^u-:  ofifia,  xXsfifua.  Ebenso  aus  -ßfi-,  -(pfi-:  Titgifn- 
fiai,  yqdima.  xexan^im  aus  *xfxa/i7r-jua*,  wie  ^(fd-eyiiai  (s.  o.).  Wacker- 
nagel's  Ansicht  (K.  Z.  30,  294),  dass  diese  -/i^tt-  nach  langen  Vokalen  laut- 
gesetzlich verkürzt  worden  seien,  scheint  mir  von  ihm  zwar  theoretisch 
aasreichend  begründet,  aber  nicht  durch  sichere  Beispiele  zur  Evidenz  er- 
hoben zu  sein.    Die  lesb.  onnara^  ahnna  nebst  Balbilla's  yqonnaTa  dürften 


60  A.  Griechische  Grammatik,    b)  Lautlehre. 

durch  Neubildung  nach  den  Formen  mit  on^^i  "Un-^  y^an-  entstanden  sein, 
wofür  auch  das  i  von  aXinna  (vgl.  ci^fififia)  spricht. 

Die  oft  vorgetragene  Behauptung,  r,  t>,  6  seien  vor  /*  zu  c  geworden, 
z.  B.  in  TibTivafiai,  ist  falsch,  s.  Vf.  M.  U.  1,  81,  J.  Schmidt,  K.  Z.  27, 
313  f.  329  und  unten  §  70,  8  Anm. 

Intervokalisches  -it-  =^  idg.  -nt-  -faq-  wurde  im  Pamph.  zu  -rrf-: 
f*^ayö)(r)rf*,  nB{v)d6-xai-dexa,     Über  die  Nichtschreibung  des  v  s.  §  20. 

^5  d.  i.  tonloses  r  (§  22),  verwandelte  vorausgehende  Tenues  in  Aspi- 
ratae,  z.  B.  red-qmnov  aus  rer^iTiTio-v,  *T6XQ-tnno~v,  ifQovdog  aus  n^ovioq^ 
*7iQo-6So'g,  Diese  Affektion  ist  lautphysiologisch  ebenso  selbstverständlich, 
wie  die  Entstehung  von  i(fodog  aus  Mn-oio-g, 

-AA-  aus  'dl'  in  lak.  eXla  „Sitz**  zu  i'dog^  wohl  auch  in  vklo-g  „Ich- 
neumon* (CuRTius,  G.5  248).    Vgl.  auch  Fick,  Bezz.  B.  1,  333  f. 

In  dorischen  Dialekten  wurde  Ar,  Xd^  zu  rr,  vd^  (§  22). 

4.  Spiranten. 

44.  Tonloses  und  tönendes  a.  6r.  or,  das  teils  Fortsetzung  von 
idg.  5  und  z,  teils  durch  Assimilationsprozesse  aus  andern  Lauten  ent- 
standen war,  wurde  meist  tonlos  gesprochen,  z.  B.  in  ^cri.  Die  Geltung 
z  hatte  es  vor  Mediae  und  vor  /*,  wie  die  Schreibungen  wie  JleXa^yixov^  ttqc^- 
߀vrrjg,  ZfivQva^  iprj(ft^fxa  zeigen  (Q.  Meyer,  Gr.  Gr.*  224  f.,  Blass,  A.*  89), 
und  worauf  auch  der  dialektische  Übergang  in  p,  thess.  GeogSoreiog  neben 
OeoaSoiog,  l^uQY'cißcoQ  =  fiuaY'rjoog  Hesych,  kret.  xoQ/twg  u.  a.  (Weissschuh, 
De  rhotacismo  p.  24  sqq.),  hindeutet.  Auch  wo  sonst  p  für  er  erscheint 
(eretr.  ofivvovQag  §  39,  el.  rig  §  45),  muss  dem  ß,  wenn  damit  ein  stimm- 
hafter r-Laut  gemeint  war,  zunächst  z  vorausgegangen  sein. 

Unklar  ist,  was  die  Alten  mit  der  in  den  verschiedensten  Dialekt- 
gebieten nicht  selten  vorkommenden  Doppelschreibung  des  antekonsonan- 
tischen  o*  ausdrücken  wollten,  z.  B.  cigtaaro-g^  /^«(/^«ccri^ai.  ^AaaxXaTndSagy 
AiaaxvXog,  "^Eaansqidec,  Dass  nicht  der  tonlose  5-Laut  als  solcher  gemeint 
war,  zeigen  z.  B.  ^äaaßog  xoaafiog  und  a^  für  f ,  da  f  =  zd  war  (§  46). 
Ein  Erklärungsversuch  bei  G.  Meyer,  Gr.  Gr.^  227. 

Idg*.  s  (tonlos). 
46.  Dieses   war  als  s-Laut   erhalten: 

1.  In  Verbindung  mit  tonlosen  Verschlusslauten.  axdvSaXov  von  W. 
sqand'.  ßdaxe^  idg.  1.  sg.  *g§l-sAo.  «Jcwr,  vgl.  lat.  axi-s,  anaiQm  von  W.  sper-, 
l'aneqog  =  lat.  vespcr,  altiipw^  ai.  lepsydmi  „werde  beschmieren,  bestreichen". 
araxo-g  z=.  lat.  staiU'S.  ^ari  =  ai.  dsti  „ist**.  ndaaaaO^ai  aus  ^Ttax-aaCx^ai; 
(§  48).  Unaufgeklärt  ist  noch  xr  gegenüber  ai.  1(^  lat.  ks  in  aQxro-g  =  ai. 
fk^ü'S  lat.  ursU'S  aus  *orcsO'S,  texron'  :  ai.  tdk^an-  „Zimmermann**.  Vgl. 
Vf.  Grdr.  1,  409  f. 

2.  Mit  vorausgehendem  q  (idg.  r  p  f).  Lesb.  ^tQtxog  {GeQakrfi)  von 
W.  dhets-,  (igar^v  =  ai.  tj^an-,  idg.  *wfs-ew-.  xo^a-t)  :  ai.  kr^-d^m  „Haupt*. 
Hom.  ^(fO^BQ'ffa  wie  ai.  dbhar^am;  aus  -gC'  im  Att.  -^,  wie  aq^r^v.  Wohl 
auch  mit  X,  xtXaov^  das  entweder  die  durch  -o-  erweiterte  sohwaobe  Stamm* 
gestalt  von  xtXog  {TeX{e)(f')  enthielt  oder  w  «n  «•  kdrfami 


i* 


4.  Spiranten.  (§  44-45.)  Gl 

„furche,  pflüge"   (W.  qels-)  gehörte  und  volksetymologisch   mit  TtXog  ver- 
knüpft wurde.     Hom.  ixclaa. 

Über  die  von  Wackernaoel,  K.  Z.  29,  127  ff.  bezüglich  der  Formen 
wie  iifd^BiQa  itfreika  aufgestellte  Hypothese  s.  S.  63. 

3.  Mit  (f.  Hom.  ^taaev  von  ffcr-.  hhXsaaa  von  thkea-.  ^nea-ai. 
Vereinfachung  des  aa  von  Homer  an.  Bereits  im  Urgriech.  geschah  die 
Vereinfachung  bei  vorausgehendem  Konsonanten,  wie  im  loc.  pl.  *firjvai 
(kret.  iir^vai,  att.  iirfli)  aus  ^fxr^vaai  für  lautgesetzl.  ^fisvaai  (nach  §  26). 
Vgl.  die  gleichartige  Reduktion  bei  aa  =  ti  (§  38)  und  cr<r  =  ts  (§  48). 

4.  Mit  folgendem  u  oder  v  im  Anlaut,  wie  adXoq  zu  ahd.  swelJan, 
Ob  in  derselben  Verbindung  auch  im  Inlaut  o*  erhalten  war,  ist  sehr  zweifel- 
haft.    S.  §  13. 

5.  In  der  Verbindung  -nsi-,  woraus  -c-.  vürofiai  aus  *v^-y(r-^o-ju«* 
(§  122)  nach  Osthopf,  V.  i.  d.  Nc.  339  flF.  Durch  das  nachfolgende  i 
blieb  a  vor  der  Assimilation  an  v  bewahrt,  durch  die  z.  B.  *ifji€vaa  zu 
lesb.  ifnewa  att.  ifAsiva  wurde;  später  wurde  dann  *v*v<ro/tcf*  zu  rt<fofiai. 
Anders,  aber  mich  nicht  überzeugend,  Wackernagel,  K.  Z.  29,  136  (über 
Wackernaoel's  angeblich  homerisches  n€(f6(asTaL  s.  S.  47  Fussn.  1).  Auch 
für  nTia<S(o  nvittoa  ist  *nTiv(T'i(o  (vgl.  lat.  plnsiö),  ^mivaw  *7ixia(a  voraus- 
zusetzen. Hier  vollzog  sich  wegen  des  l  der  andern  Tempora  {JBmtaa  emia^ 
^ifV,  s.  §  55)  eine  Neubildung  nach  den  Verba  wie  ntiatfa)  ntTKa  und 
ilidaaca  u.  dgl.  (§  38  S.  58).  Bei  dem  Präsens  vttfofiai  war  zu  dieser  Neu- 
bildung kein  Orund  gegeben  (auch  ^  76  ist  viaoiiai  Präsensform,  nicht 
tf-Futurum);  die  Schreibweise  viaaoiiai  (La  Roche,  Hom.  Textkr.  316  f.) 
wurde  später  eingeführt,  als  man  sich  an  der  morphologisch  isoliert  stehenden 
Präsensform  stiess. 

6.  Im  Auslaut.  Vnno-q  ==  ai.  cUva-s,  ^(fSQs-g  =  ai.  cibhara-s.  Kret. 
rar^  (rovg)  =  got.  f)ans.  dkg.  Im  El.  ging  -g  als  -z  in  -q  über:  liq,  toTq, 
s.  Osthoff,  Lit.  Centr.-Bl.  1879  Sp.  1096,  Z.  G.  d.  P.  26  flf.,  Weissschuh, 
De  rhotac.  p.  3  sqq.,  6.  Meyer,  Gr.  Gr.^  227  f.  Über  den  gleichen  Rho- 
tazismus  im  Lak.  s.  Müllensiefen,  Diss.  phil.  Arg.  6,  184  f.  119,  G.  Meyeu, 
Gr.  Gr.  2  228.  Über  den  der  Theräer  und  andrer  Griechen  Cauer,  D.^  zu 
n.  147  und  G.  Meyer  a.  0.  Vermutlich  war  in  diesen  Fällen  -z  (-^)  nicht 
erst  in  der  griech.  Sonderentwicklung  aus  dem  tonlosen  -s  entstanden, 
sondern  bereits  in  uridg.  Zeit  wurde  vor  tönendem  konsonantischen  Anlaut 
-^  gesprochen,  so  dass  Verbindungen  wie  *x^€oz  Sidoou  (vgl.  thess.  0*o^- 
Sor€iog  §  44  Jio^orog  d.  i.  Jioz-doTog  §  102.  171,  'Axhyva^e  d.  i.  'AO^r^vaz-de 
§  55.  87)  idg.  z  repräsentierten  (vgl.  §  64). 

7.  In  der  Anlautgruppe  sm-,  z.  B.  ai^iegdal^og  vgl.  ahd.  smerzan. 
Daneben  auch  Assimilation,  wie  in  iieiddw  {(pilo-fifietär-g)  zu  ai.  smi-  „lächeln", 
fua  aus  ^Cfi-ia,  was  aus  verschiedenen  Bedingungen  der  Satzphonetik  zu 
deaten  ist  (§  65). 

Wandel  des  s  in  urgriech.  Zeit: 

Im  Anlaut  vor  Souanten  und  zwischen  Sonanten  wurde  s  im  Urgriech. 
3DP  *    mn  dann  im  letzteren  Fall  ganz  zu  schwinden:  o  =  ai.  sd,  ig  =  lat. 

^•»ai.  jänas-as  „generis",  ra  =  ai.  äs-am   „eram",   andw   aus 


62  A.  Griechische  Chrammatik.    b)  Lautlehre. 

*sp^S  (SoLMSEN,  K.  Z.  29,  108);  über  die  Nachwirkung  des  -ä-  aus  -5-, 
die  sich  in  Formen  wie  avcD  in  der  Gestaltung  des  Anlauts  zeigt,  s.  §  60. 
Dass  das  a  in  avg^  inoirjaa,  Ti&saai  u.  a.  auf  Analogiebildung  beruhte, 
zeigt  OsTHOFP,  V.  i.  d.  Nc.  344  ff.,  M.  ü.  2,  38  ff.  4,  356  ff.;  über  trvc 
s.  auch  AscoLi,  Sprach wissensch.  Briefe  78  f.  Bezzenbeboer's  Hypothese 
(Gott.  gel.  Anz.  1887,  S.  422),  -s-  sei  im  Urgriech.  nur  bei  vorausgehendem 
Hauptton  geschwunden  (vgl.  (f€Q€{(T)ai  =  ai.  bhdrase^  aber  vi&saai  =  dJiatse), 
hat  gar  nichts  überzeugendes. 

s^:  f!ot  oly  rjdtng  aus  *s^oiy  *s^adu'$  neben  adXog  zu  ahd.  sweUan  u.  dgl. 
s.  oben  in  diesem  §  unter  4  und  §  13. 

Aus  anlautendem  si-  entstand  h-:  v^i^rjv  zu  ai.  spü^man-  „Band, 
Riemen''.  Inlaut:  hom.  roTo  att.  tov  aus  Ho^aj^o,  hom.  Teksito  att.  reA^  aus 
HeXetf-ifo.   S.  §  12.  79.  123. 

Aus  anlautendem  5n-  entstand  im  Urgriechischen  rv-  v-,  wie  in  i'iy-« 
v€i<f€i  zu  got.  sndiv^s,  W.  sneigh^.  Dagegen  schwand  das  s  in  sni-,  wie 
wir  oben  sahen,  nur  teilweise,  wie  in  fieiSaw.  Die  vv  und  fifn  in  hom. 
Formen  wie  öya-vviyoj  i-vvsov  ^iXo^/xfieiii^g  i-fifioQe  waren  nicht  rein  laut- 
gesetzliche Fortentwicklung  des  Ionischen  (durch  solche  wären  *äyrjVig>og 
*€Tv€ov  *g)iXovfi€i6rjg  *€ifxoQ€  entsprungen),  auch  schwerlich  Äolismen;  son- 
dern zu  der  Zeit,  als  im  Anlaut  noch  nn-  mm--  gesprochen  wurde  und  im 
Inlaut  schon  das  Ersatzdehnungsgesetz  zu  wirken  begonnen  hatte  (s.  u.), 
richtete  sich  in  jenen  Formen  der  Inlaut  nach  dem  Anlaut,  und  der  Doppel- 
konsonant blieb  weiterhin  lautgesetzlich  erhalten.  Aber  auch  der  geminierte 
Nasal  wurde  weiterhin  noch  analogisch  beeinflusst:  wie  man  ve/xo) :  i-vsfjior 
(W.  WCIW-),  fA6V(a  :  i-fikvov  (W.  mew-)  hatte,  so  entstand  zu  v^w  i-veov,  zu 
fiäXdco  (ahd.  smüzu)  M-iisXSov.  Solmsen,  K.  Z.  29,  86  f.  Inlautendes  -s-, 
zwischen  einem  Sonanten  und  folgendem  Nasal  oder  zwischen  einem  Nasal 
und  folgendem  Sonanten  stehend,  wurde  im  Urgriech.  dem  Nasal  assimiliert; 
in  den  meisten  Mundarten  trat  dann  Vereinfachung  des  Doppelkonsonanten, 
eventuell  mit  „ Ersatzdehnung ",  ein,  z.  B.  lesb.  asXavva  att.  asXrjvtj  aus 
*cr€^a(r-rÄ,  lesb.  ^/ijui  att.  «jui  aus  ^ea-fjiij  lesb.  fiijvvog  att.  firjvog  aus 
*firjva'og.  S.  §  56.  Wie  fi^vv-og  zeigt,  war  die  Assimilation  des  a  an  den 
vorausgehenden  Nasal  älter  als  die  §  26  besprochene  urgriechische  Yokal- 
kürzung.  Wackerxaoel's  Hypothese  (E.  Z.  29,  136),  dass  das  er  von  ra 
nach  dem  Hauptton  nicht  assimiliert  worden  sei,  scheint  mir  nicht  aus- 
reichend begründet.  Wo  in  der  historischen  Gräzität  -ctju-  erscheint,  z.  B. 
7jfX(pi'€Cfiaiy  Saaimogy  war  diese  Lautgruppe  entweder  überall  durch  Analogie- 
bildung neu  entstanden,  wie  z.  B.  Seiacfim  ijfxy^i-eafiai  nach  itdacTui 
riixifi-eatai  gebildet  worden  waren  für  ^deSaTfim,  -Hpiai^  oder  zum  Teil, 
bei  gewissen  Nominalformen,  lag  vielleicht  -fem-  zu  Grunde,  z.  B.  iaafio-g 
vielleicht  aus  ^iaz-afio-g,  s.  §  70,  8  Anm.  und  Solmsen,  K.  Z.  29,  117  ff. 
Während  nun  in  diesem  -afA-  der  Zischlaut  blieb,  nur  dass  er  als  tönender 
Laut  im  Kretischen  dem  Rhotazismus  verfallen  erscheint,  xoQfno-g  =  x6<rfio-g 
(§  44),  wurde  -«rr-,  wo  es  neu  aufkam,  z.  B.  in  H'avvi.u  (das  neben  das 
alte  lautgesetzliche  (ion.)  eivv^ii  getreten  war  als  Analogiebildung  nach 
i'tf-aai  ia'&jjvai  etc.)  zu  -rr-,  l'vvtffAi,  eine  Assimilation,  die  zu  derselben 
Zeit  geschah,  als  ntXonog-vf^aog  zu  JleXonovvrfiog   wurde.     Dieses  jüngere 


4.  Spiranten.  (§  46.)  63 

'W'  erfuhr  im  Gegensatz  zu  dem  älteren  (vgl.  att.  iir^v-ig  =  lesb.  fAfjvv-oc) 
keine  Vereinfachung,  z.  B.  ^cirviffii.  S.  Vf.  K.  Z.  27,  589  ff.,  Solmsen, 
ebend.  29,  74. 

Aus  sr-  sl"  im  Anlaut  entstanden  im  Urgriech.  tonlose  qq-  AA-,  q-  A-, 
wie  ^fecö  aus  *sre^-ö,  A/Jyw  aus  *sIvqö.  S.  §  22.  Durch  analogische  Ein- 
wirkung dieser  Anlaute  entsprangen  die  Formen  wie  xata-ggeco^  ngo-gäw 
und  a-XXr^xto-g,  a-^xTü-gy  die  genau  wie  i-rveov,  i-veov  (s.  o.)  zu  beurteilen 
sind.  Solmsen  a.  0.  87.  350.  Inlautende  -sr-  und  -sh  wurden  wie  -sw- 
-5111-  behandelt:  avQio-v  aus  *av(r-^-fo-v;  tqrjQwv  aus  HQua-q-mv^  W.  frc5-; 
x^qavXog  aus  *^pai;(r-Ao-$;  lesb.  xtlhoi  lak.  ;fi/A«o*  ion.  xsiXioi  aus  "^xeclHo-, 
91.  sa-hasra- ;  iXtjfJii  aus  ^m-akri-^u  (§  115).   Solmsen  a.  0.  348  f.,  350  f. 

-rs-  und  -fo-  blieben  in  einer  Anzahl  von  Formen  sicher  bis  ins  einzel- 
dialektische Leben  der  Sprache  erhalten,  wie  wir  oben  sahen.  Im  Attischen 
wurde  -^cr-  zu  -qq-^  z.  B.  ccQQrjv^  ^a^Qäco  (Meisterhans,  6r.^  76  f.);  die 
abweichenden  Formen  wie  O-riqai,  ^t^ro^ai  erklären  sich  als  Wirkungen  des 
Systemzwangs.  Die  Formen  wie  lesb.  ^^d^sQqa  att.  i<fx>€iQa  dor.  iipd-r^Qa^ 
lesb.  iateXXa  att.  iateda  dor.  iavrjXa  erklärte  Osthoff,  Phil.  Rundschau 
1,  1591  für  Neubildungen  nach  dem  Muster  von  Aoristen  wie  ixreiva  und 
Ivsißa^  in  denen  lautgesetzlich  „Ersatzdehnung"  stattgefunden  hatte.  Dagegen 
sucht  Wackernaoel,  K.  Z.  29,  127  flf.,  dem  Solmsen  ebend.  352  beistimmt, 
zu  zeigen,  dass  -rs-,  -?s-  im  Urgriech.  eine  verschiedene  Behandlung  er- 
führen nach  den  verschiedenen  Betonungsverhältnissen:  die  Lautgruppen 
blieben  bei  vorangehendem  Hauptton,  bei  nachfolgendem  unterlagen  sie 
derselben  Veränderung  wie  -ws-  -ms-.  Ein  Hauptgewicht  wird  dabei  auf 
einige  Fälle  wie  oqqo-^  (uratt.  *oQao-g)  :  ovqa  und  xoqarj  :  xovgev-g  gelegt; 
bei  den  c-Aoristen  trat  Uniformierung  in  verschiedener  Richtung  ein. 
Völlig  überzeugt  bin  ich  nicht;  die  Zugehörigkeit  von  ovQa  zu  oggo-g  und 
diejenige  von  xovgevg  zu  xogarj  kann  mit  Fug  bestritten  werden. 

Idg.  z  (tönend). 

46.  Idg.  z  war  vorhanden  in  Verbindung  mit  folgenden  tönenden 
Verschlusslauten,  ;2rg,  jergA  u.  s.  w.,  und  im  Auslaut  (§  45.  03.  64).  aßkvvvim 
mit  ursprünglichem  Anlaut  zq-  (Vf.  M.  U.  1,  19  f.).  Lesb.  naq-iadM^  att. 
Jfo)  =  lat.  sidö,  idg.  *$i-zd'ö  von  W.  sed-  (vgl.  Bartholomae,  K.  Z.  27, 
357,  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  4);  ob  ilofiai  und  nu^co  (ursprünglich  „aufsitzen**, 
vgl.  ai.  pid'  „drücken,  pressen**  aus  *}n-zdr)  aus  ^ae-ad-o-iiai  ^ni-ae-ad-u) 
oder  aus  ^afS-j^o-fjiai  *7r*-(rfrf-jfa)  entstanden  waren,  ist  zweifelhaft.  Lesb. 
vaSogj  att.  o^og  =  got.  ast^s  „Ast**,  idg.  *ozdO'S,  ßi'C^jv  ßv^vv  (Hesych) 
d.  i.  ßvZ'6rjv  ßvz-Sov  zu  ßva-to-g.  JioadoTo-g  Ji^oxog  {Jiog-  gen.  sg.,  §  171). 
U&i}vä^B  =  'Axhrjvä(f'i€  (§  55).  Vor  tönenden  idg.  Mediae  aspiratae  wurde 
z  mit  diesen  zugleich  tonlos.  fnaO^og^  vgl.  got.  mizdö  „Lohn**,  idg.  *mizdhO', 
la&i  »sei**,  vgl.  av.  zdt  **sei**,  idg.  *Z'dhi  von  W.  es-  (vgl.  §  53).  icxov  aus 
^e'Zffh'O-m  von  W.  *segh-.  ogeatpi  aus  *-cZ'hhi.  Vgl.  Osthoff,  K.  Z.  23, 
87  flF.  579  ff.,  Z.  G.  d.  P.  13  flf..  Kluge,  K.  Z.  25,  313  f.,  G.  Meyer,  Gr. 
Gr. 2  219  f.,  Vf.  Grdr.  1,  448  fif.  Auf  einer  idg.  Lautgruppe  mit  z  mag 
auch  das  x^  von  x^wr  (ai.  k^am-  av.  zem-  aksl.  zemlja  „Erde**)  beruhen, 
8.  Babtholomae,  Ar.  Forsch.  1,  18  flf.  2,  54  flf. 

Vgl.  hierzu  TaO^i  (von  W.  ?^ej[d-)  aus  vorgriech.  *^id'dhij  §  36. 


64  A.  Qrieohisohe  Grammatik,    b)  Lautlehre. 

Nicht  ohne  Wahrscheinlichkeit  nimmt  Thubkeysen,  K.  Z.  30,  351  ff. 
an,  dass  in  uridg.  Zeit  neben  dem  konsonantischen  z  auch  sonantisches  z 
ig)  bestanden  habe,  daraus  im  Griech.  i.  i&v-g  aus  *gdhü-Sj  zu  ai.  sadhu-^ 
, gerade'.  xQix^ij  aus  *ghrgdha^  zu  ahd.  gersta  , Gerste*.  xtXnoi  aus  *ghgl-iiO', 
neben  lesb.  ;(£AA4oi. 

Unursprüngliches  <r. 

47.  Solches  war  in  folgenden  Fällen  entstanden:  1.  üevco,  ßätfaog  iitüoc 
u.  8.  w.  mit  idg.  velaren,  palatalen,  dentalen  Yerschlusslauten  -f~  t  §  3^- 
2.  er«,  reaaoQeg  u.  s.  w.  mit  idg.  t^  §  13.  3.  diioHrt  =  dor,  didiaxt  u.  dgl. 
§  37.  4.  Lak.  tr  =  &,  wenn  hier  a  nicht  bloss  Ausdruck  des  Lautes  p  war,  §  34. 

Verbindungen  von  a  mit  Yerschlusslauten. 

48.  Vorgriech.  ts  wurde  zu  cro",  woraus  von  Homer  an  er;  diese  Gruppe 
fiel  schon  im  ürgriech.  mit  idg.  ti  (§  38)  und  idg.  s$  (§  45)  zusammen. 
ndaüaa&ai  7taaatr&a$  zu  Trar-ifojuai.  iip^attafievoq  dvätravreg  zu  iS-j  noaai 
noai  zu  tto*-;  denn  aus  d  -^  s  war  schon  in  der  idg.  Grundsprache  ts  ge- 
worden (§  33).  Boot,  undkret.  rr,  z.  B.  böot.  xojüiiTTafjLfvog  kret.  -rfarTa(^)^af, 
gleichwie  in  böot.  o-ttotto-^  kret.  o-nitTo-g  mit  urspr.  /{ ;  und  die  kret.  Schrei- 
bung mit  f  in  ^a^ad^m  gleichwie  in  o^o-g  (§  38).  Schon  im  ürgriech.  wurde  cr<r 
zu  a  nach  Konsonanten,  z.  B.  aor.  kret.  iansvtra  att.  icTtaffa  aus  *ian€vzGcc 
zu  (f7V€v3wy  dat.  kret.  gisQovtn  att.  q^^vci  aus  *q>€QovT<rt,  hom.  ilueQcct 
aus  *afi€Qv<ra  zu  äfjiä^fo;  vgl.  nrgr.  *7iavaa  (kret.  Trebtra  att.  nätsa)  aus 
^avaaa  *nav%-ia  (§  38)  und  urgr.  *fijjvcrt  (kret.  /iijrö'i'  att.  jui^ai')  aus 
*(*tp*c-ci  für  lautgesetzliches  */w«»ö-<r»  (§  45,  3). 

Dieselbe  Assimilation  wie  in  nrnttsaftd-m  war  in  a-;Ta(rro-g7  arrf ,  ola&u 
geschehen,  s.  §  36. 

Welche  Konsonantengruppen  für  f,  V,  crcr  in  Formen  wie  ^Jw  von  W. 
5c^A-,  cv^ojuai  von  W.  ^gA-,  /vl^«  von  W.  swatgA-,  ixa^if;a  von  W.  skrebh-, 
mvüofAm  von  W.  bheifdh-  in  vorgriech.  Zeit  gesprochen  wurden,  ist  noch 
nicht  recht  klar.     Vgl.  «xros  §  36  und  die  dort  zitierte  Litteratur. 

Lakon.  oxxoq  =  acxog^  kret.  nQ^yyevtcu  neben  7iQ€Cy€vvai,  Aus  er 
im  Lak.,  Böot.  und  Kret.  tt:  lak.  attaai  -  waarr^x^i  Hesych,  bööt.  irto}, 
irre;  auf  der  grossen  gortyn.  Inschrift  /i*TT*g  ,bis  zu*  =  \uf<ncg  (/i*Vrr'fc 
oder  ikh'inB-g  wie  «x^-^  ay«i>s  u.  dgl.?),  aber  daneben  fixacjog  u.  dgl. 
Aus  tf^  im  Böot.  t^:  oTriT^orilorv,  im  Kret  d^\  anopHiia^^my  /^i^i^c^ai, 
nQo^^a;  dass  dieses  i^i^  als  tth  (tp?)  gesprochen  wurde,  ist  mir  wahr- 
scheinlicher als  die  Annahme  der  Aussprache  pp  (§  34). 

49.  Dieser  Spirant,  der  von  t  d.  i.  i  consonans  (§  12)  scharf  geschieden 
werden  muss,  ist  für  die  idg.  Ursprache  anzunehmen,  wo  dem  griech.  an- 
lautenden C-  ai.  y-,  lat.  j-  gegenüberstanden,  z.  B.  fvyi-i'  ==  yugä-m,  jugu-m^ 
Cem  =  ai.  ifdsami  (vgl.  dagegen  vfA^g,  o^  »qui*  mit  idg.  Anlaut  t-).  G, 
Schulze,  Über  das  Verhältnis  des  C  zu  den  entsprechenden  Lauten  der 
verwandten  Sprachen,  Qött.  1867,  Vf.  M.  U.  1,  4  f.,  Grdr.  1,  453  f.  In- 
lautend stand  j  vielleicht  in  W.  tje^  cäßofwi  {cfnti^  =  w.  tyaktä-^),  §  as. 

Das  idg.  j'  fiel  mit  ursprünglichem  Ji-  schon  im  Ui^riechischen  zu- 


4.  Spiranten.  (§  48—51.)  65 

saminen,    daher  z.  B.  dvyov  wie  Jsvq^  rciva  (fwvij)   wie  Trjva  (6.  Meyer, 
Gr/Gr.«  217,  oben  §  41).     Vgl.  §  52. 

Anm.  Über  idg.  v,  das  wir  in  dieser  Grammatik  von  tf  nicht  scheiden,  s.  S.  30 
Foasn.  1.  Dabbishibb,  Notes  on  the  spir.  asp.  24  gründet  die  Annahme  der  uridg.  Doppel- 
heit  t^  und  v  auf  den  vermeintlichen  Fand,  dass,  wo  im  Griech.  Spir.  lenis  für  /  erscheme, 
das  Armenische  g  habe  {a^y  armen,  ga'n),  dass  dagegen  dem  griech.  Spir.  asp.  fQr  f 
armen,  v  entspreche  {ixoyr-  armen,  vcisn).  Mit  dem  ßeweismaterial  für  '  =  t?  ist  es  aber 
recht  misslich  bestellt,  und  ich  bin  nicht  überzeugt. 

Aach  F.  Habtmann's  Hypothese  (Dentsche  Lit.-Zeit.  1887,  Sp.  375),  die  eine  Unter- 
scbeidong  von  %  und  j,  tf  und  v  beseitigen  soll,  vermag  ich  mir  nicht  anzueignen. 

Spiritus  lenis  und  asper. 

Dabbishise,  Notes  on  the  Spiritus  asper  in  Greek  eiymologically  considered,  Cam- 
bridge 1888.    Tbttmb,  Untersuchungen  über  den  Spir.  asp.  im  Griech.,  1889. 

50.  Das  Spir.  lenis  genannte  Schriftzeichen  hatte  nicht  etwa  nur 
den  Zweck,  die  Abwesenheit  des  asper  anzuzeigen,  sondern  der  Spir.  lenis, 
z.  B.  in  fori,  ffJLeVj  ayu),  war  ein  wirklicher  Sprachlaut,  ein  tonloser  Explosiv- 
laut des  Kehlkopfs  (Sievers  Phon.^  131).  In  Fällen  wie  den  angeführten 
begann  das  Wort  in  der  idg.  Grundsprache  vokalisch.  Als  die  lautgesetz- 
liche Vertretung  von  /?-  erscheint  der  Spir.  lenis  in  inog,  oixog,  mtv  u.  s.  w. 
(§  13).  TJrgriech.  ion.  etc.  ^x«  aus  *i'x(o  u.  dgl.,  s.  §  60.  Lesbisch  u. 
sonst  o  aus  o,  s.  §  51. 

51.  Der  Spir.  asper,  dessen  Aussprache  nicht  überall  und  zu  allen 
Zeiten  die  gleiche  war  (Thumb  90),  wurde  von  den  Griechen  anfänglich 
durch  0,  H  bezeichnet.  Im  ion.  Alphabet  bekam  aber  g,  H  den  Wert 
eines  e-Lautes  (auf  Naxos  wurde  durch  Q  ofifenes  e  dargestellt  und  zwar 
sowohl  langes,  z.  B.  in  NixavSQrj,  als  auch  kurzes,  z.  B.  in  äXXtwv  gen. 
pl.  fem.)  und  h  blieb  meist  unbezeichnet.  Mit  der  Einführung  des  ion. 
Alphabetes  um  400  v.  Chr.  liessen  auch  die  meisten  anderen  Stämme,  z,  B. 
die  Attiker,  das  Zeichen  für  h  fallen;  man  opferte  die  Bezeichnung  des  h^, 
weil  ein  notwendigeres  Bedürfniss,  die  Bezeichnung  des  ^,  zu  befriedigen 
war,  und  that  es  vielleicht  um  so  leichter,  weil  man  schon  damals  die 
Aspiration  nur  als  eine  Modifikation  des  Vokals  ansehen  mochte.  Erst  von 
den  alexandrinischen  Grammatikern  wurde  dieser  Laut  wieder  ausgedrückt, 
durch  das  aus  H  gekürzte  (auf  den  herakleischen  Tafeln  vorliegende) 
Zeichen  h.  Tonlose  q,  A,  fi,  v  und  f  findet  man  inschriftlich  ausgedrückt 
durch  pH  (kork,  ghopattfi,  vielleicht  auch  HR  in  ion.  'AhQaiwv^  s.  Bechtel, 
Inschr.  d.  ion.  Dial.  S.  133  mit  den  einschränkenden  Bemerkungen  Thumb's, 
S.  52),  AH  (att.  Xhäwv,  aegin.  Xhaßwv),  MH  (korkyr.  Mhei^ioq  att.  fihsydXov), 
NH  (att.  Uvha^iXew)  und  FH  (böot.  phexa-Safios).  S.  Hinrichs,  Handb. 
1,  420,  Kretschmer,  K.  Z.  29,  445  f.,  Thumb  S.  19.  40.  So  weit  die 
Tonlosigkeit  nicht  durch  die  Einwirkung  tonloser  Nachbarlaute  desselben 
Wortes  erzeugt  war  (vgl.  §  13.  22),  ist  ihr  Ursprung  noch  unklar.  Bei 
anlautendem  Konsonanten  kann  an  satzphonetische  Verhältnisse  gedacht 
werden.  Im  Pamphyl.  zweimal  (pixazi  für  pixau  nach  -g  (vgl.  Breal,  Mem. 
d.  I.  S.  d.  1.  6,  333) :  war  mit  g>  tonloses  f  gemeint? 

Als  selbständiger  Laut  war  h  der  idg.  Ursprache  fremd.  Es  entstand 
in  griech.  Zeit  aus  s-,  z.  B.  o  =  ai.  sd  (§  45),  aus  tonlosem  f-  =  idg. 
«V-,  z.  B.  Ol  zu  ai.  sva-  (§  13),  aus  {-,  z.  B.  og  =  ai.  yd-s  (§  12)  und  aus 

IfmflKiiAh  der  klMi.  AltertmniwiMeiiMliAft.  O.   2.  Aufl.  5 


QG  A.  Griechische  Grammatik,    b)  Lautlehre. 

si",  z.  B.  vfxrjv  zu  ai.  syänmn-  (§  12).  Durch  Dissimilation  schwand  es 
dann  in  ^x«  aus  *hekhö  u.  dgl.  (§  60). 

Für  den  Spir.  asp.  erscheint  in  einzelmundartlicher  Zeit  häufig  der 
Spir.  len.  Dieser  (die  sogen.  Psilosis)  muss  dem  Lesbischen,  dem  Elischen, 
einem  Teil  der  kret.  Dialekte  (sicher  dem  von  Gortyn  und  Lyttos,  viel- 
leicht auch  dem  einiger  andern  Städte)  und  dem  Asiatisch-Ionischen  seit 
den  ältesten  Zeiten  ihrer  Überlieferung  zugeschrieben  werden.  Die  andern 
Mundarten  verloren  aber  ebenfalls  in  der  historischen  Periode  den  Spir. 
asp.,  und  zwar  wahrscheinlich  zuerst,  schon  in  vorchristlicher  Zeit,  das 
Lokrische  und  der  Dialekt  von  Kalymna;  in  der  christlichen  Zeit  breitete 
sich  das  Schwinden  des  Hauches  über  ganz  Oriechenland  aus,  ein  Prozess, 
der  seinen  Abschluss  im  5.  Jahrh.  erreicht  zu  haben  scheint.  Vgl.  Cubtius, 
G.5  683,  G.  Meyer,  Gr.  Gr.»  241  flf.,  Fick,  Bezz.  B.  U,  245  flf.,  Blass, 
Ausspr.^  90  flf.,  Thümb  a.  0. 

Inwieweit  die  Interaspiration  der  Kompositionsfuge  (ausser  nach  Tennis) 
in  älterer  Zeit  hörbar  war  (vgl.  Schreibungen  wie  ndqhsdQog  neben  noQeSQog), 
ist  bei  der  ungenauen  Schreibweise  schwer  zu  sagen.  Thumb  S.  69  ver- 
mutet ansprechend,  dass  das  Sprechen  oder  Nichtsprechen  des  Spir.  asp. 
davon  abhing,  ob  das  Kompositum  in  der  Vorstellung  bereits  zu  einem 
einfachen  Worte  geworden  war,  oder  ob  noch  die  einzelnen  Glieder  der 
Zusammensetzung  als  einzelne  Wörter  vorgestellt  wurden,  wozu  z.  B.  gut 
stimmt,  dass  die  Alexandriner  eval'fKov,  aber  Evaifiwv  vorschrieben. 

In  einzeldialektischer  Zeit  entstand  h  neu  aus  unursprünglichem  c  im 
Lakonischen,  z.  B.  Hooldavi^  ivrißmaig^  ivixai  (die  letzte  Form  aus  der  für 
^ivixAB  eingetretenen  Neubildung  ^irixätre^  §  45),  im  Argiv.,  z.  B.  inolpr^i 
(wie  lak.  ivixai  zu  beurteilen),  und  im  späteren  Kypr.,  z.  B.  ^Qovätal  (§  39). 
Im  El.  auf  den  älteren  Inschriften  Aoristformen  mit  -a-  wie  Xvtfwtxio,  da- 
gegen auf  der  jüngeren  Inschr.  Coll.,  Gr.  D.  n.  1172  inoirja;  auf  dieser 
Inschrift  daneben  näaav^  äva-O'taioQ,  so  dass  man  folgern  möchte,  das  a  des 
Aoristes  müsse  von  dem  aus  t  (in  den  Verbindungen  -rij  t^)  entstandenen 
verschieden  gewesen  sein  (Meister,  Gr.  D.  2,  51). 

Durch  Formassoziation  war  der  Spir.  asp.  öfters  für  den  Spir.  len. 
eingetreten,  z.  B.  afieg  i^fieTg  (ai.  asnia-)  nach  vfiäg  vfietg  (ai.  yu^nia-);  att. 
ianofjLrjv  stcTtofirp^  nach  inofiai;  €vw  (idg.  *e^s-ö  lat.  ürö)  wohl  nach  Formen 
mit  VC-,  vgl.  vvx^ov '  t6  nvQi€<p&ov  Hesych.;  äXxviiv  (lat.  alcedö)  nach  aXg; 
att.  inschr.  ^xw  nach  ijw,  äxovaia  nach  ex(ov\  herakl.  oxrd  (lat.  octö)  nach 
ema;  hom.  etc.  rmai  (ai.  üs-)  nach  Formen  von  irf-.  Curtius,  G.*  690  f., 
G.  Meyer,  Gr.  Gr.»  243,  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  484  flf.,  Darbishire  S.  13 
flf.,  Thumb  S.  64  f.  und  sonst. 

In  einer  Reihe  von  Formen,  in  denen  man  statt  des  Spir.  asp.  den 
len.  erwartet,  lässt  jenen  J.  Baunack,  Stud.  1,  240  flf.  ansprechend  aus 
der  Verbindung  mit  den  vorgesetzten  Artikelformen  o,  a  (ry)  entstanden 
sein,  z.  B.  oqo-g^  l'tfneqo-g^  teQo-gy  inno-g^  fnAhqa  (neben  rjfiaQ), 

Zeta. 

62.  Mit  dem  Zeichen  Z  sind  in  verschiedenen  Mundarten  ynd  zu  ver^ 
ßchiedenen  Zeiten  verschiedene  Laute  ausgedrückt  worden,  und  es  ist  noch 


5.  Sonstiger  kombinatorischer  Lautwandel.  (§  52—53.)  67 

nicht  gelungen,  die  verschiedenen  Werte  überall  genau  zu  bestimmen.    Als 
feststehend  darf  gelten : 

1.  der  Wert  xid  für  das  lon.-Att.,  für  das  Nordwestgriechische  und 
Aolische,  und  zwar  sowohl  in  Wörtern  wie  oCog^  i^co  mit  idg.  0d  (§  45.  46), 
als  auch  in  den  Fällen,  wo  idg.  j  und  di,  gi  zu  Grunde  lagen,  wie  ^vyov 
(§  49)  und  ne^iq,  v(^(o  (§  12.  41).  S.  Blass,  A.^  114  flf.  Im  Lesb.  wurde 
in  jüngerer  Zeit  ad  geschrieben,  was  G.  Meyer,  Gr.  Gr.^  275  so  deutet, 
dass  man  zu  dieser  Schreibung  überging,  weil  C  anderwärts  in  Griechen- 
land mittlerweile  zu  z  geworden  war.  zd  bereits  der  urgriech.  Zeit  zuzu- 
schreiben, empfiehlt  manches,  vor  allem  der  Wegfall  von  v  in  (fv^vyoq^ 
aaXni^fMi  u.  a.  Präsentien  dieser  Art  (Solmsen,  E.  Z.  29,  331  f.);  denn  da 
der  vorausgehende  Vokal  nicht  gedehnt  war,  so  müssen  wir  diesen  Nasal- 
wegfall mit  dem  urgriechischen  in  ^Axh^vä^e,  xearog  u.  s.  w.  (§  55)  zusammen- 
bringen. >)  Die  -id-  {i')  des  Lakon.,  Kret.  u.  s.  w.  (s.  §  41)  waren  hiernach 
aus  zd  assimiliert,  vgl.  gortyn.  räS  Sä  =  rdz  St,  Ob  freilich  -W-  überall 
-dd-  geblieben  war,  ist  zweifelhaft.  Für  gewisse  Gegenden  in  Kreta  weisen 
die  Schreibungen  tt,  t  {ia-nQb'fifiiTrev,  sfi-naiTovraiy  Tvfjva  Tfjva)  auf  einen 
andern  Laut  hin,  und  zwar  wird  hier,  wie  die  Schreibung  o^og  neben  ortÖTTog 
vermuten  lässt,  ein  ähnlicher  Spirant  gesprochen  worden  sein  wie  er  als 
Fortsetzung  des  urgriech.  ss  =  ti,  ts  gesprochen  wurde,  nur  dass  derselbe 
das  eine  Mal  tönend,  das  andere  Mal  tonlos  war. 

2.  der  Wert  z  in  den  seit  dem  4.  Jahrh.  v.  Chr.  vorkommenden 
Schreibungen  wie  HeXa^yMov^  \pri<fi^iia  (§  44). 

3.  der  Wert  d  für  das  Elische  in  ^ä  =  Sä  u.  s.  w.  (§  33).  Die  Ver- 
wendung des  C  zur  Darstellung  dieses  Spiranten  hing  damit  zusammen, 
dass  zd  zu  dd  geworden  war  (ßQcctddw^  vTia-ävyioig)^  das  f  also  in  seinem 
ursprünglichen  Werte  nicht  mehr  gebraucht  werden  konnte;  vgl.  die  Ver- 
wendung des  C  in  kret.  o^og  (2).  Auch  in  arkad.  ^tkXo}  (§  35  S.  55) 
mag  C  ein  d  gewesen  sein. 

Vgl.  noch  AscoLi,  Studj  critici  2,  451  ff.,  Cubtius  6.^  615  ff.,  Mondbt  Beaüdouin, 
Aonoles  de  la  faculiä  des  iettres  de  Bordeaux  8,  313  ff.,  L.  Havet,  Mäm.  d.  1.  S.  d.  1.  3, 
192  ff.,  G.  Meykb,  Gr.  Gr.*  274  ff.,  Meister,  Gr.  D.  1,  129  ff.  262  ff..  2,  52  ff.  105  f. 


5.  Sonstiger  kombinatorischer  Lautwandel. 

Prothese  vor  Verschlusslauten  und  vor  a. 
63.  Prothese  vor  Verschlusslauten  nimmt  man  an  in  l-xtig^  *-X^*5j 
f-X^vg,  ?-9^f/io-5,  ä'ffXoiafiog  u.  a.;  vor  cr+Kons.  in  a-analQw^  a-trraxvg, 
uHTTTfi,  I-Cx^i  =  av.  zdt  (§  46)  u.  a.  Sieh  Lobeck,  Pathol.  Graeci  serm.  elem. 
1,  13  sqq.,  CüRTiüs,  G.»  721  flf.,  G.  Meyer,  Gr.  Gr.«  116  f.  Viele  von  den 
hierher  gezogenen  Fällen  sind  aber  ganz  unsicher,  namentlich  diejenigen 
mit  «-.    Dieser  Vokal  kann  in  einigen  wie  z.  B.  ä-axaqiXo}  Rest  einer  Prä- 


')  Dass  «rcATiifoi,  nXaJ^ia  (enXay^tt)  ge- 
sprochen wurde»  ergebeo,  ausser  nXa^e,  Jtid- 
Cw  u.  dgJ.  (Dicht  nXttCs,  nXd^oy),  die  Neu- 
bildiingeii    wite    aaXTiixtijg    für^  (faXniyxxijg, 


QiCto  u.  dgl.  Hätte  man  ffttXntCta  gesprochen, 
welches  eintreten  musste,  wenn  die  Form 
*aaXmvzdiü  erst  in  einzeldialektiscber  Zeit  zu 
Stande  kam,  so  wäre  flir  jene  Neuschöpfungen 


Diese  volkogeii  sich  nach  tsxriqLxxriq  zu  axti-   j  kaum  ein  Muster  zu  finden. 


Ö* 


08  A.  Griechische  Grammatik,    b)  Lautlehre. 

Position,  in  lesb.  aa<fi,  Mffs  Analogiebildung  nach  aiipn  aitifxe  (vgl.  neugr. 
€(fv  nach  eyoi)  gewesen  sein.  Auch  kommen  satzphonetische  Verhältnisse 
in  Betracht,  vgl.  a-Tta  (§  95)  und  was  Foy,  Bezz.  B.  12,  38  ff.  aus  dem 
Neugriechischen  beibringt.  Wirklich  aus  dem  Anlaut  entwickelt  war  viel- 
leicht nur  das  i  in  den  Wörtern,  die  einst  mit  einer  0  enthaltenden  Kon- 
sonantengruppe begannen,  wie  i-aO'i  =  av.  jsd%  i-xx^vg  =  lit.  zuv-\-s. 

Epenthese. 

64.  Durch  i  wurde  vorausgehendes  v  und  q  mouilliert,  und  indem  die 
f-Artikulation  noch  über  r  und  q  hinausgriff,  entstand  in  der  vorhergehenden 
Silbe  ein  i-Diphthong,  während  i  selbst  schwand.  So  ipaivto  aus  *yav-4(ö, 
xoivoq  aus  "^xov'ko-g  (§  30),  fidxaiQa  aus  ^fnaxag-^a.  Die  Mouillierung  konnte 
sich  auch  auf  einen  dem  v  unmittelbar  vorausgehenden  Explosivlaut  mit 
erstrecken:  alxvov  aus  *axv4o-v  (ai.  ai-nd-ti  „isst"),  Setnvov  aus  ^denvio^v 
(ahd.  ginzehön  „anordnen,  richten",  W.  deq-),  e^-atfpvrjg  aus  *-ayriÄg  (vgl. 
ag>v(o  bei  Hesych);  so  auch  bei  postkonsonantischem  fi:  cclxfii]  aus  *axfAiä 
(zu  lyx^Q)'  Dieselbe  Erscheinung  bei  postvokalischem  A  nur  dialektisch: 
kypr.  aiXog  aus  *dXiO'g  (att.  aXXog),  'Äneiktov  aus  **Ä7iekk(av  (arkad.  *ÄnäXiMv) ; 
alXo-  auch  im  Elischen,  s.  §  30. 

Mit  Wackernaoel  (K.  Z.  25,  268)  ist  z-Epenthese  auch  bei  p  anzu- 
nehmen: *xXa/=-j^a)  '^xXaipw  xXa((o.     Vgl.  §   18. 

An  in.  Dagegen  ist  Epenthese  abzuleugnen  für  xoelrrtoy  neben  ion.  XQemrtoy  aus 
*XQer-i(oy  und  fXBi^tav  neben  ion.  fi^^tay  aus  *fi6y-itoy.  Diese  Formen  mit  bi  waren  Um- 
bildungen derer  mit  e  nach  Analogie  von  /elQOßyy  äfiiiytoyf  olsiCay  (Osthoff,  Jen.  Lit- 
Zeitung  1878,  S.  485,  Z.  G.  d   P.  449,  Vf.  Ber.  d.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  1883,  S.  193). 

Epenthese  nahm  man  öfters  da  an,  wo  vielmehr  «Ersatzdehnung*  vorliegt,  z.  B.  in 
xreiyta,  tp&eiQot,  ufXBlvoty,  /ft^cov  (§  15.  55.  58).  Diese  Formen  in  Verbindung  mit  lesb. 
niqqoxog  aus  *TtBqjcoxo-g  zeigen,  dass  auch  in  hom.  Biy  und  vnBiq,  die  aus  ^iy^  und  *vneQt 
vor  vokalischem  Wortanlaut  entstanden  waren  {eiyi  war  Mischbildung  aus  iyi  und  ciy), 
nicht  Epenthese,  sondern  .Ersatzdehnung''  zu  suchen  ist  (vgl.  Osthoff,  M.  U.  4,  382), 
vgl.  §  56. 

Ob  es  im  Griechischen  auch  eine  u-Epenthese  gegeben  habe,  ist  strittig. 
Jedenfalls  ist  keines  der  für  diese  Erscheinung  vorgebrachten  Beispiele,  wie 
TavQo-g,  xävtavQo-gy  Hesych 's  y€vvwv,  von  der  Art,  dass  es  jede  andere  Deu- 
tung ausschliesst. 

CüBTiüS  G.*^  678  fif.  Bezzenberger  in  s.  Beitr.  3,  160,  Gott.  gel.  Anz.  1887,  S.  416. 
Frankfurter,  Über  die  Epenthese  von  j  (^)  f  (v)  im  Griechischen,  Hamburg  1879.  Vf. 
Lit.  Centr.  1880,  Sp.  913  f.  Meikck,  De  epenthesi  Graeca,  Lips.  1881.  Osthoff,  Z.  G. 
d.  P.  457  f.    G.  Meyer,  Gr.  Gr.«  121  fif. 

..Ersatzdehnung:"  und  Verwandtes. 

65.  Vor  -g  und  vor  dem  sekundären,  durch  Assimilationsprozesse 
entsprungenen  a  (§  47)  ging  in  den  meisten  Dialekten  v  mit  vorausgehendem 
kurzen  Vokal,  infolge  von  Vorausnahme  der  Gaumensegelsenkung,  in  langen 
Nasal  vokal  über,  der  dann  seine  Nasalierung  verlor:  z.  B.  dor.  rag,  zoigj 
ryg,  nqknoaaa^  ion.  att.  Tag,  Tovg^  €ig,  nqhjiovtfa^  3.  pl.  Xäyovai,  Daneben 
XtyaxTi  aus  *Xeyu)vaiy  ntjai  aus  ^fir^vai  u.  dgl.  Das  urgriech.  va  wurde  in 
einigen  Gegenden  von  Kreta,  in  Argos  und  im  Nordthessal.  festgehalten, 
z.  B.  rdrg^  tovg^  xiü^bvg^  nqbnovaa^  dat.  Xayovai^  {anevaa^  ebenso  bei  voraus- 
gehender Vokallänge,  wie  kret.  firjvai.  Aus  dem  Arkadischen  sind  mit  t'C 
nur  Konjunktivformen  wie  xeXevcovci  tiberliefert,  wo  diese  Lautgruppe  erst 


5.  Sonstiger  kombinatoriflcher  Lautwandel.  (§  54—55.) 


69 


in  einzelmundartlicher  Zeit  aus  vr  entstanden  war;  aber  da  in  den  in« 
schriftlichen  Formen  wie  daqxiidq  das  a  wahrscheinlich  kurz  zu  lesen  ist 
(vgl.  unten),  so  steht  nichts  der  Annahme  entgegen,  dass  im  Arkad.  auch 
nrgriech.  vc,  z.  B.  in  nQänovaa^  erhalten  war  (Solmsen,  K.  Z.  29,  343). 
Wo  im  ion.-att.  Zweig  nach  Vollzug  jenes  Lautgesetzes,  welches  v  vor  a 
vernichtete,  die  Lautgruppe  va  neu  aufkam,  blieb  sie  nunmehr  unangetastet, 
so  homer.  x^vaa^  W  337,  eine  Neubildung  nach  Formen  mit  x«vir-,  att. 
x^äffAavatg^  v^avaig  (vgl.  xd&aQatg),  Die  Entstehung  des  i-Diphthongs  in 
den  el.  acc.  pl.  Totg,  xava^iaig  (neben  diddtfaav^  näaav)  hing  nach  Osthoff, 
Z.  G.  d.  P.  26  ff.  und  G.  Meyer,  Gr.  Gr.«  123  mit  der  tönenden  Aus- 
sprache des  -g  im  Elischen  zusammen,  während  Solmsen,  K.  Z.  29,  345  f. 
im  Anschluss  an  von  Wilamowitz-Möllendorf,  Ztschr.  f.  Gymn.  1877 
S.  649  nachzuweisen  sucht,  dass  diese  Formen  akkusativisch  gebrauchte 
Dative  (Instrum.)  gewesen  seien.  Der  im  Lesb.  an  der  Stelle  der  alten 
Lautgruppe  Vokal  +  v  erscheinende  Diphthong  (ro/g,  ira/g,  slg  „unus*,  nQt- 
nfwTUj  TraTtra,  3.  Plur.  ^x^ufiy  yQdfpepai)  war  sicher  lautgesetzlich  ent- 
sprungen :  das  i-haltige  tonlose  (f ')  palatalisierte  (mouillierte)  zunächst  den 
Nasal  (-a^-),  dieser  entwickelte. ein  i  als  Übergangslaut  {-a'ns-),  schliess- 
lich schwand  der  Nasal  {-ais-),  s.  G.  Meyer  a.  0. 

Die  hier  besprochenen  Dehnungs-  und  Diphthongierungserscheinungen 
unterblieben  bei  urgriech.  ns  und  nz  +  Eons.  In  dieser  Verbindung  fiel 
im  Urgriechischen  n  einfach  aus.  xecrog  aus  *x€v<fT6g  von  xevT-.  y*- 
qiKf^iov  aus  *g>€Qovax^(ov  (§  144).  SeaTrorrjg  aus  ^Ssvg-rroTrjg  (§  79).  Sixac- 
noXog  aus  *dixavg'noXog  und  wohl  auch  (trotz  Henry,  Rev.  crit.  1887 
p.  100)  fioyotfToxog  aus  *fioyovg'Toxog.  xcnffio-g  aus  ^xovafio-g  (zu  lat.  c^nseö), 
fSvcxsva^w  aus  (Tw-cx.,  av^vyo-g  aus  "^(fvv-zdvyo-g,  aaXTtf^m  aus  "^aaXmvzdta 
^traXntyy^io)  (s.  §  52).  'Axhjvd^e  aus  ^'Ad'ävävZ'de,  Hierher  auch  die  in 
verschiedenen  Dialekten  auftretenden  acc.  pl.  wie  rog^  d^sog^  rag^  xaXag  und 
nom.  sg.  wie  Aiag^  nga^ag  thess.  sveqysxäg^  ferner  ig  aus  ivg.  Diese  Formen 
waren  vor  konsonantischem  Anlaut  entstanden :  xog  natdag,  aber  tovg  {rovg 
etc.)  avSQagy  ig  tovro,  aber  ivg  {eig)  avto.  Vf.  C.  St.  4,  76  f.  Ber.  d.  sächs. 
Ges.  d.  W.  1883  S.  187,  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  591  ff.  Berl.  phil.  Wochenschr. 
1885  S.  1606  f.,  G.  Meyer,  Gr.  Gr.^  286  f.,  Solmsen,  K.  Z.  29,  329  ff. 

Einige  scheinbare  Ausnahmen  von  diesem  Lautgesetz.  iXäaatov  aus 
^iXayx'jkoiv,  a(f(fov  aus  *(xyx-Aov  .hatten  ursprünglich  einen  einfachen  Spiranten 
(wie  urgr.  *navaa  aus  *7tavT'j^a)^  und  demgemäss  erfuhren  sie  im  ion.-att. 
Zweig  »Ersatzdehnung^ ;  a(f  (rr)  drang  aus  Formen  wie  rjcawv  ein  (s.  §  38). 
In  einzeldialektischer  Zeit  kam  öfters  die  Lautgruppe  va  -\-  Konsonant 
von  neuem  auf,  nunmehr  wirkten  die  einzeldialektischen  Ersatzdehnungs- 
gesetze: att.  ianeiafxai  ^anei<t%o  wie  ^aneiaa  (kret.  fanevaa)  aneiato,  zu 
anäv6(o;  ion.  neX^fia  „Tau**  aus  *n€V(ffjiay  einer  Neubildung  für  *7t€Vx^'fia 
(s.  §  70,  8  Anm.).  Natürlich  waren  Neubildungen  auch  hom.  dv-ardg^ 
att  inschr.  avv-aTqdasi  (C.  I.  A.  2,  1054,  61.    4.  Jahrh.  v.  Chr.),  «V  (TttjXjj^ 


')  Dass  aach  tonloses  <r  t-Timbre  hatte, 
beweist  das  ei  -=  e  in  bdot.  Seianievg,  att. 
htii€7itvacey  n.  s.  w.  (J.  Schmidt,  Voc.  1, 112, 


Meister,  Gr.  D.  1,  242):  «  drückte  hier  wie 
in  ^«0-,  !dQvüei(og  (§  18)  geschlossene  Aus- 
sprache des  e  aus. 


70  A.  GrieoluBche  Grammatik,    b)  Lautlehre« 

vgl.    epidaur.  ä-tfrag  att.  avtftaai^  inschr.  iafftrjlr],  auch  eiarrjXrj  (Meister- 
hans, Gr.*  86);  eltfTrjXij  stellt  sich  jenem  J^aneiCTo  zur  Seite. 

66.  Vor  den  in  urgriech.  Zeit  durch  Assimilation  entstandenen  vv  =  trv 
VC  (§  45)  r>  (§  12.  54),  fifx  =  dfx  fia  (§  45),  qq  =  Qi  (§  12.  54),  qq  =  cq, 
Xk  =  aX  (§  45)  vollzog  sich  in  allen  Dialekten  ausser  dem  Lesb.  und  Thess. 
durch  Verzögerung  der  Übergangsbewegung  von  kurzen  Vokalen  zum  fol- 
genden Konsonanten  eine  Vokaldehnung  und  mit  ihr  Vereinfachung  der 
Geminata.  Dor.  (fslava  ion.-att.  asXrjvrj  =  lesb.  aeXdvvä  aus  ^aelaa-va. 
Dor.  Ifirjva  böot.  ion.-att.  ifisiva  =  lesb.  ifievva  aus  *ifi€v-(Ta;  vgl.  lesb. 
firjvv-og^  thess.  vffTSQo-fisivvia^  ion.-att.  fJLrjv-og  von  ^fitjvtf"  mit  ursprünglich 
langem  e,  Ion.-att.  xteivw  =  lesb.  xxhvvui  aus  *xt€v-4(»;  ion.-att.  äfieiviav 
böot.  ^AfieivoxXeTog  arkad.  'Afir/väag  kypr.  ^Afir^vf^a  aus  ^äfiev-j^cov.  Dor. 
äinäg  ion.-att.  i^fJieTg  =  lesb.  äfifieg  aus  *a(rjie«-;  ion.-att.  «fjua  dor.  ^ijiuia  = 
lesb.  ^jUjwa  aus  */?*^"i^*-  I^or.  ^vij/ia  ion.-att.  iveifia  =  lesb.  ivefifia  aus 
*€V€iA-(ra.  Arkad.  g>vh]Q(o  ion.-att.  g>^€iQü)  =  lesb.  ifd-äq^fa  aus  *yv^€^4ft>; 
Il€fQ'{avx^o-g)  =  lesb.  7r€|^^-(oxo-5)  aus  *7r«ßif  (UsiQi-d'Oog  dor.  UrjQf'^oog 
war  Mischbildung  aus  tt^^* — |-  tt«^-  dor.  *nr]Q~,  vgl.  €tv^  §  54).  Hom. 
TQrjQO)v  aus  ^TQaC'Q'Wv,  Dor.  xrjXioi  ion.  xsiXioi  =  lesb.  x«Ail*o«  aus  "^xeaXioi 
(über  x^^'o«  s.  §  46). 

Über  scheinbare  Ausnahmen  von  dem  die  Verbindung  er  -}-  Nasal  be- 
treffenden Ersatzdehnungsgesetz,  wie  att.  äfiipurvvfii  xoQb'vvvfii  xQSfxavvvfAi 
neben  ion.  elvvfjLi,  ifffi^v  neben  €^jii^v,  fjfiipietfiiai  neben  ion.  «f/iai  s.  §  45.  134. 

In  §  45  extr.  sahen  wir,  dass  Wackernaoel  auch  für  Formen  wie 
att.  i<pO^€iQa  dor.  €(px^r]Qa  {nrgriech.  ^i^O-eQaa)  unsere  „Ersatzdehnung*  an- 
nimmt. 

Diese  hatte  wohl  auch  in  einigen  Wörtern  mit  urgriech.  Xv  statt- 
gefunden, wie  ßovXofiai  (lesb.  ßoXXoftai)^  sTXta  (lesb.  än-äXXon),     S.  §  30. 

67.  r/?5  Qp^  Xf:  blieben  in  einigen  Dialekten  bis  in  die  historische  Zeit 
hinein  unverändert.  Im  Lesb.  und  Thess.  entstand  rr,  qq^  AA,  im  Ion., 
Böot.  und  in  dorischen  Dialekten  wurde  die  Doppelkonsonanz  mit  „Ersatz- 
dehnung**  vereinfacht,  dagegen  fiel  im  Attischen /?  ohne  , Ersatzdehnung*  weg. 
El.  gen.  Sevp'dQsoQ^  kork.  JiQi-^bvpo-g^  lesb.  ^swog,  ion.  böot.  ^sTvog^  dor. 
^fjvog,  att.  ^evog;  lesb.  yovva  (vgl.  av.  zanva,  lat.  genuä)^  thess.  Fowai 
(vgl.  Meister,  Gr.  D.  1,  143.  301  f.),  ion.  yoiva^  att.  fava-xa;  hom.  y^avw, 
arö>5  xtvw  att.  (fO'avu)^  avu)  (a),  tivo)  (?)  aus  '^(p&ävpu),  *ai'fft)  (a),  ^xXvpw 
(§  130);  bei  att.  xsvineqog  axsvinsQog  (zu  x«i'o-$  cTTfi'o-g  ion.  xeivig  cfTsivo^g 
aus  *x«v/?o-g  *aT€Vf:o'g)  zeigt  sich  die  Nachwirkung  des  f  in  dem  o  statt 
des  zu%rwartenden  «  (§  70,  3).  xoQpa^  ion.  xovgrj^  dor.  xo5^ö,  att.  xöpry. 
Homer.  ovXog,  att.  oAog  ^  ai.  sdrva-s  „ganz,  all";  homer.  novXv-  dor. 
nioXv  aus  *7roA;C-i;.  (§  70^  1,  Anm.).  Vf.  C.  St.  4,  97  f.  117,  Dehler, 
De  simplicibus  consonis  continuis  in  Gr.  1.  sine  vocalis  productione  gemina- 
tarum  loco  positis,  Lips.  1880,  p.  53  sqq.,  Wackernagel,  K.  Z.  25,  261  ff., 
G.  Meyer,  Gr.  Gr.^  281,  W.  Schulze,  Quaest.  homer.  14  sqq.  Vgl.  §  13 
und  30. 

Aus  -mn-  =  -ign-  (§  43)  entstand  im  Dor.,  Thess.,  Böot.  -Fn-:  dor. 
yivofxai  yivcoaxta  (so  auch  in  der  Koine),  thess.  ycvvfit'vav  böot.  yiviovfievor 
(§   116).     Bei  Hesych  xalvira  -  ddeX(fri  =  "^xaaiidvriiA, 


5.  Boxistiger  kombinatorisoher  LautwandeL  (§  56—59.)  7X 

58.  Die  durch  ^Ersatzdehnung*  aus  geschlossenen  e  und  o  entstandenen 
fir  und  ov  sind  nie  Diphthonge  gewesen,  vgl.  §  15.  17.  Das  €$  der  ion.-att. 
böot.  elg^  arad^siaa  und  das  si  der  lesb.  elg^  iiatsiaa  waren  also  nur  gra- 
phisch gleich:  jenes  war  Monophthong,  dieses  Diphthong. 

Die  Dehnung  des  ä  in  ion.-att.  rag,  naaa  (§  55)  und  in  ion.  (pd'avfo 
(§  57)  war  jünger  als  der  Übergang  von  «  in  ij  (§  10).  Dagegen  war 
älter  als  dieser  die  Dehnung  des  ä  in  ion.-att.  xriv-ig  aus  *x«*'0'-'*^>  drjvoq 
aus  *iava'Og  (ai.  ddsas  ,, wunderbare  That,  Geschicklichkeif*),  iTexTtjvdfirjv 
aus  ^itextavaafAr^v  (§  137),  rjfieTg  aus  ^dafie-  u.  s.  w.  (§  56).  Das  ä  der 
Aoriste  wie  Xeiävai  ivxexqävai  (wonach  in  jüngerer  Zeit  v<pävai)  war  also 
dasselbe  wie  das  von  xaqdia  xdqa  §  10  (vgl.  von  Bambebo,  Jahresb.  d. 
phil.  Ver.  8,  206,  Riemann,  Rev.  de  phil.  9,  88,  Meisterhans,  Gr.*  145). 
Immer  noch  scheinen  mir  gänzlich  unhaltbar  J.  Schmidt's  Kombinationen, 
K.  Z.  27,  322  Anm.,  denen  G.  Meyer,  Gr.  Gr.»  287  und  W.  Schulze, 
Quaest.  hom.  p.  25  beipflichten.  Gegen  Schmidt  jetzt  auch  Solmsen,  K. 
Z.  29,  65  flf. 

Erleichterung:  dreifacher  Konsonanz. 

59.  Aus  dem  reichen  hierher  gehörigen  Material  sei  nur  einiges  bei- 
spielsweise ausgehoben. 

Bei  mittlerem  s  und  z  wurde  verschieden  verfahren.  Bei  voraus- 
gehendem ß,  X  schwand  der  Zischlaut.  msQva  aus  *m€Q(fva  :  ai.  pdr^i-^ 
ahd.  fersna  „Ferse".  Homer,  näq&ai  aus  ^näQa&ai^  entsprechend  ittnaq^M 
iaraXO-ai.  ndXxo  aus  ^TiaX-^-To  Medium  zu  TirjXai  (§  136).  iQ^w  aus 
*f€qC^  d.  i.  *f:€Qzd(o^  W.  i^erg-  (Osthofp,  Z.  G.  d.  P.  596).  Dagegen 
schwand  vorausgehender  Nasal,  wie  xsaro-g  aus  '^xevaxo-g  (§  55) ;  n€(pdv&ai 
war  wohl  Neubildung  für  *7r€(pdad'cei  (§  146,  1).  a  fiel  wiederum  aus  bei 
vorausgehendem  Verschlusslaut  (ausser  bei  ts  +  Kons.,  wo  nach  §  48  ss 
entstanden  war).  maQ-vv-fAai  aus  *7r(rTa^-5  vgl.  IsA.  ster-miö  aus  ^pster- 
(Fröhde,  Bezz.  B.  6,  182).  ßdtta  aus  *ßzi'äa)  zu  lat.  pMö  aus  *pezd-ö 
(J.  Schmidt,  K.  Z.  27,  320,  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  273).  Xäxro  aus  *A«x-(r-To, 
wie  TTcrAro,  s.  o.  fxro-g  (doch  vgl.  §  101),  i'xneSo-gy  ixxaidexa  zu  i?  und 
entsprechend  tx  noScSv,  ^y  SaxrvXtav  u.  dgl.  (Meisterhans,  Gr.*  85.  125). 
So  kann  auch  ix  durchweg  aus  e^  entstanden  sein,  vgl.  ix-xsivoa^  ix  tov. 
Nun  findet  sich  xa  vor  Konsonanten  oft  auch  so  behandelt,  dass  das  erste  x 
schwand.  Haxw^  tiTvaxofjiaiy  df(fxo-g  (zu  dixeiv)^  böot.  ia'xrj^dexdrr];  das 
Arkad.,  Thessal.,  Böot.  und  Kretische  hatten  i^  vor  sonantischen  Vokalen, 
ig  vor  Konsonanten,  z.  B.  arkad.  i^-iartOy  ia-SäXXa).  Ich  vermute,  dass 
ursprünglich  in  xax  das  erste  x,  dagegen  in  xctt  u.  s.  w.  das  <t  wegfiel,  so 
dass  z.  B.  einerseits  ixxaiSexa^  ixxaXew^  anderseits  ia-d^äfiev^  ig  tov  Neu- 
bildungen waren.  Dabei  wird  man  bezüglich  des  antekonsonantischen  ig  =  i^ 
nicht  bloss  anzunehmen  haben,  dass  die  vor  fc-Lauten  lautgesetzlich  ein- 
getretene Form  verallgemeinert  wurde,  sondern  auch,  dass  die  antesonan- 
tische  Form  i^  auch  vor  Konsonanten  gesetzt  wurde  und  in  dieser  Stellung 
durch  ein  jüngeres  Lautgesetz  ihr  x  einbüsste. 

Urgriech.   HetQa-   (hom.   TirQa-tn  etc.)   aus  Hetf^Qa-^   s.  §  13   Anm. 
S.  32  und  §  23,  1,  S.  43. 


72  A-  Oriechische  Grammatik,    b)  Lautlehre. 

Wegfall  des  ersten  Konsonanten  im  Urgriechischen,  mv^  (titvo)) 
aus  anj^V"  (§  40).  tQu-Tie^a  aus  ^mqa-^  Tqv-ifdXeia  aus  *nTQV-  vom  Zahl- 
wort „vier**   (§  101),  wonach  auch  TaQvrjfiOQiov  (s.  §  23,  1). 

Vereinfachung  vorausgehender  Geminata.  €(fi>tyf.iai  aus  -etagmai^  indem 
f9(im  durch  i9t9m  zu  f9m  wurde,  entsprechend  xäxafjLfjiai  aus  *-ampmai,  s.  §  43. 

Vereinfachung  nachfolgender  Geminata.  Urgr.  -acr-  =  idg.  S5,  fe,  /i 
wurde  -er-.  *fir]vai  (kret.  /ii^rcr/'  att.  itii^c/')  aus  ^firjva-ai;  *xar<ri  (att.  xr^tri' 
für  lautgesetzl.  *xäaf)  aus  *xai'(r-(ri  :  vgl.  daneben  homer.  ineatTt,  C^'aaaiA) 
^iansvaa  (kret.  ^ansvaa  att.  ianstaa)  aus  *ia7t€vaaa  *i(f7t€\^aa^  zu  ffn^vdw; 
*afji€Qaa  (ion.  r^jief^a)  aus  *afi€Q(T(Ta  "^aiisQtaa^  zu  aiihqdoa  :  vgl.  daneben 
hom.  enaaffafir-v  aus  ^inaxaaiiav,  *do^a  (att.  c^oja)  aus  *Sox(Taa  *SoxTia; 
*7tavaa  (kret.  Trarcra  att.  /racra)  aus  *7rai'(r(ra  *7iawj^a  :  vgl.  daneben  hom. 
ocrcrog  aus  ^atjko-g.  Die  Erhaltung  des  vorausgehenden  Nasals  in  die  einzel- 
dialektische Zeit  hinein  lässt  schliessen,  dass  diese  Vereinfachung  von  trtr 
zu  (T  älter  war  als  das  urgriechische  Lautgesetz,  durch  welches  xetfrog  aus 
*x€v<TTog  entstanden  war  (§  55).  Gortyn.  nevro-q  aus  ^nevtro-g  =  att. 
näfi7ito-gy  vgl.  lygazTai  =  alt.  ytyqanrai  (§  36);  xdqzoav  (ion.  x^äffffwv) 
vermutlich  aus  ^xaqTvtov. 

Dissimilation. 

60.  Vokale,  v  wurde  zu  «:  z.  B.  Tuvvrig  aus  ^nv-vv-xo-g^  xpi&VQig 
von  tpv&og.  Angermann,  Die  Erscheinungen  der  Dissimilation  im  Griedi., 
Meissen  1873,  S.  23  flf.,  Osthofp,  M.  ü.  4,  66  f.  Viel  zweifelhafter  ist, 
ob  durch  Dissimilation  auch  t^  zu  f  wurde  (Anoebmann  a.  0.,  Osthoff  a. 
0.  S.  110.  190):  <phv  lässt  sich  als  Hh^-T-tu-  zu  lat.  ffö  und  air.  bin  ,fio, 
sum"  stellen,  und  td^v-g  deutet  jetzt  Thürneysen  aus  *gdhü-  (§  46).  Viel- 
leicht erklärt  Wackernagel  die  urgriech.  *|ic{jp-  {eiTreiv)  und  ^ueid-  (ae(Sw) 
richtig  als  durch  Dissimilation  entstanden  aus  den  reduplizierten  ^ue-^^ 
(W.  ueq-)  und  *ne-^d'  (avirj,  vdtw)^  in  welchem  Fall  Formen  wie  aeiae 
äoiS6-g  jüngere  Neubildungen  gewesen  wären  (K.  Z.  29,  151  f.).  Dissimi- 
lation von  vv  zu  vo  (Osthoff  a.  0.  S.  185  ff,)  als  rein  lautlicher  Prozess 
scheint  mir  ebenfalls  nicht  sicher  erwiesen. 

Liquida e.  A  für  q:  vav'xXäQo-g  neben  vav'XQä-Qo^g,  el.  XaXäSqioi 
zu  XaQccdQä,  q  für  X :  ägyaXt'og  und  xaifaXaqyia  neben  x€(faXalyta  zu  ccXyog, 
V  für  Liquida:  yayyahXto  neben  yaqyahXtOy  dudvdaXog  zu  dfiaXivvo),  d  für  Xi 
lloXvSsvxr^g  aus  "^lloXv-Xsvxr^g  (Baunack,  M^m.  de  la  Soc.  de  lingu.  5,  8). 
Wegfall  einer  Liquida:  (päTQia  neben  (pQäTQt'ay  ixTiayXog  aus  ^ix-nXay-Xo^^ 
(favXo-g  aus  *(fXatyXo''g,  woraus  auch  ^Xavgo-g  (Pott,  Et.  Forsch.  2*,  100), 
SQvtfcextog  aus  *iQv-(f;Qaxro'g,  Bei  der  einen  oder  andern  von  diesen  Dis- 
similationserscheinungen mag  übrigens  auch  volksetymologische  Formasso- 
ziation mit  im  Spiele  gewesen  sein,  z.  B.  bei  vav-xXäQo^g  (s.  G.  Meyeb, 
C.  St.  7,  179  f.).  Angermann  a.  0.  S.  35  flf.,  Bechtel,  Über  gegenseitige 
Assim.  und  Dissim.    der  beiden  Zitterlaute,   Gott.   1876.     Gortyn.  iiaiTVQ- 


')  Der  Aorist  enrica  nicht  aus  *intiya-anj 
das  zu  *€ntl<fa  geworden  wäre.  Entweder 
war  enuaa  Neubildung  für  *liiTiaa  nach 
Formen  wie  hnia^^t^Vy  die  lautgesetzlich  y 
ohne  ^Ersatzdchiiung"  verloren  haben  können 


(§  55).  Oder  der  Nasal,  der  ursprünglich  nur 
dem  PrSsens  angehörte,  war  im  Griechischen 
auch  auf  dieses  beschränkt  geblieben.  Ober 
das  Präsens  nxlüüta  nrlttto  s.  §  45,  5. 


5.  Sonstiger  kombinatorischer  Lautwandel.  (§  60.) 


73 


(fnaitvQa  etc.)  aus  juaprvß-  war  wohl  durch  die  Mittelstufe  *fJLalTt>Q'  mit 
palatalem  l  hindurchgegangen. 

Aspiratae  und  Spir.  asper.  Das  Hauchdissimilationsgesetz  war 
nur  in  urgriech.  Zeit  in  Thätigkeit,  in  einzeldialektischer  Zeit  lagen  nur 
noch  seine  Wirkungen  vor  (was  oft,  z.  B.  bei  Meistebhans,  Phil.  Rundsch. 
1886  S.  251  und  Gr.»  78,  unbeachtet  bleibt). 

Regressiv,  rixkr^fii  aus  *v^t-v^jj-jie«,  itäd^rjv  aus  *6-i>€-v^ij-r.  invd^ixo 
aus  *i^Vrhtto  (W.  hhe^dh-y  nox^og  aus  *ifOx^og^  zu  4f's'aaa(f&ai  aus  Sexa,, 
W.  gAed%-.  XQ^X'ig  aus  ^x^^Q^x^oq,  ixex^iQtd  aus  *ix€'Xeiq(a^  inschr.  att. 
d^xs^äcoQo-gj  delph.  ^Exb-tpvXo-q.  cxe^x^Qo-g  zu  cr^^rr.  ^x^  ^us  *lxw.  Tcr/o} 
aus  *P<r;fcö.  Ids&Xov  neben  i'Sog.  d-^Qoo'-g  ä-Xoxo-g  neben  a-na^,  avca  aus 
♦arAnö  für  *havluo  (W.  5a^-).  In  Formen  wie  x^Qf'^,  d-äaaatf&m  und  ixtag, 
^a>  waren  die  Aspirata  und  das  h  erhalten,  weil  die  folgende  ursprüngliche 
Aspirata  schon  vor  dem  Aufkommen  des  Dissimilationsgesetzes  die  Aspi- 
ration verloren  hatte.  Formen  wie  neraofim^  majig  (W.  bheidh-)  waren 
Analogiebildungen  für  *y>€V(rofiai,  *€purTig  nach  den  Formen  mit  nsvO^-  ttv^-. 

Progressiv.  a(ix>r[ii  für  *a(o&'tj-x^i,  vgl.  ffavT^&i.  dfig/t<fx(o  Hesych 
(neben  dfxn((fx^)  f&r  *äfi(piaxui*  Diese  Richtung  der  Dissimilation  war 
überall  bedingt  durch  Systemzwang  und  Formassoziation:  (fw^r(€i  wegen 
icfü^tjv  (vgl.  OsTHOFP,  Z.  G.  d.  P.  306  Anm.),  dfig^itfxco  wegen  ajti^i-  in 
dfifpuwvfii  etc. 

Keine  von  den  zahlreichen  Formen  der  historischen  Gräzität,  in  denen 
doppelte  Aspiration  oder  anlautende  Aspiration  bei  ehemals  folgendem,  erst 
in  einzeldialektischer  Zeit  verlorenem  h  erscheint,  darf  als  lautgesetzliche 
Fortsetzung  aus  der  Zeit  betrachtet  werden,  in  der  das  Hauchdiasimilations- 
gesetz  noch  nicht  wirksam  geworden  war.  Alle  waren  Neubildungen  oder 
Produkte  des  Systemzwanges.  Formen  wie  dQXB'd-htaQo-g  ^  naxv'XVf^o-g, 
dfi^'X^to,  oqv^d-o-d-riQag  (vgl.  oben  ixs-x^igfa  u.  s.  w.)  erklären  sich  leicht 
daraus,  dass  solche  Komposita  in  der  Regel  nicht  oder  nicht  bloss  rein 
gedächtnismässig  reproduziert,  sondern  in  Anknüpfung  an  die  Wortformen, 
aus  denen  de  zusammengesetzt  waren,  neu  gebildet  wurden.  Und  so  waren 
auch  Neubildungen  z.  B.  axe&äfisv  (vgl.  frxe&Qo-g)  nach  <fx^tv  etc.,  ixv^jv 
nach  x*^  etc.,  d^goo-g  (neben  dxf'Qoo-g)  nach  a-nag,  a-na^  etc.,  dfio&ev 
(neben  äfiox^sv)  nach  dfiöig  etc.,  i'x^  (neben  Ix^)  n^h  i'^ta  etc.,0  ^vta  (neben 
avw  aus  *avh(o  ==  *Aäi;ä«,  W.  sa^s-)  nach  avcio  etc.,  i'rjfii  (für  ^Uhri^iii  = 
*Ju'hr^fiij  W.  sS")  nach  fjaw  etc.  Für  Formen  wie  lokr.  x^e&fAo^g  (te^fii-g 
Pind.)  att.  und  sonst  inschr.  i&ä&rj  (neben  hä&t^)  gortyn.  &(d-€&S'ai  (att. 
Ti&€(xd'ai)  kann  freilich  auch  in  Frage  kommen,  ob  nicht  eine   rein  laut- 


>)  Mbisterhaks,  Phü.  Rondsch.  1886, 
S.  251  glaubt  durch  den  Hinweis  auf  ,die 
ein&che  Tliatsache,  dass  ix^^  xa&ix'*  die 
Schreibweise  des  6.  und  5.  Jahrh.,  I/o»,  xa- 
rix^  die  Schreibweise  des  4.  und  der  fol- 
genden Jahrb.  ist*,  zeigen  zu  können,  dass 
ix^  »die  alte,  ursprüngliche  Form*  sei.  Wir 
wollen  einmal  zugeben,  kein  Athener  habe 
im  6.  und  5.  Jahrb.  Bxt$  gesprochen  (be- 
weisen Iftsst  sich  das  natürlich  an  der  Hand 


der  dürftigen  Sprachreste  nicht).  Dann  hlltte 
man  nichts  desto  weniger  #/<u  für  Umbildung 
von  urgriech.  *f/<u  zu  haiton  und  das  Ix^ 
des  4.  Jahrb.  als  Neubildung  nach  eixov 
iaxov  anzusehen.  Ich  halte  es  also  auch  für 
falsch,  dass  G.  Msybr,  Gr.  Gr.'  291  gort. 
^id-B^ai  u.  dgl.  «nicht  dissimilierte  Formen* 
nennt,  als  seien  diese  altertümlicher  als  att. 


74  A.  Griechische  Grammatik,    b)  Lautlehre. 

liehe  Assimilation  des  Anlautes  (t)  an  den  inlautenden  Konsonanten  (d) 
stattfand;  denn  von  einer  „Abneigung,  zwei  Aspiratae  auf  einander  folgen 
zu  lassen^,  kann  ja  für  die  einzeldialektische  Zeit  nicht  die  Rede  sein. 

In  welcher  Weise  das  Hauchdissimilationsgesetz  des  Urgriechischen 
in  dem  Falle  thätig  war,  dass  drei  oder  mehr  Aspiratae  oder  h  auf  einander 
folgten  (vgl.  TTkTioiO^B  =  ^phe-phoith-e,  räx^rjn  =  ^the-ths-thi),  ist  schwer  zu 
ermitteln.  Klar  ist  bis  jetzt  nur  so  viel,  dass  ausgleichende  Neubildung 
die  lautgesetzliche  Wirkung  vielfach  durchkreuzt  hatte. 

Vgl.  Anoermänn  a.  0.  S.  32  ff.,  Fick.  Bezz.  B.  1  65  f.,  G.  Mbyeb,  Gr.  Gr.»  220. 
291  f..  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  305  ff.  478  ff.,  Vf.  Grdr.  1,  366  f.,  422. 

Tenues  und  Mediae:  nimX(o  aus  ^mvu^Wy  ayr^oxa  aus  äyrjyoxa. 
Anoermann  a.  0.  S.  28  S. 

Über  Dissimilationsprozesse  in  reduplizierten  Formen  s.  insbesondere 
R.  Fritzsche,  C.  St.  5,  277,  Vf.  C.  St.  7,  185  «.  273  ff.,  Osthoff,  P.-B. 
B.  8,  540  ff. 

61.  Häufig  kamen  ganze  Silben  durch  Dissim.  in  Wegfall:  zäTQaxfiov 
=  T€TQ\_dSQ']axiiiov  y  afiifOQevg  =  crjuy[i-y]op«i»$,  xävTfOQ  aus  *x€VT\rj~t\üDQj 
x^ccQtfvvog  aus  *.'>a^cr[o-o']t;i'og.  S.  die  Litteraturangaben  in  M.  U.  1,  199 
und  Leo  Meyer,  Vgl.  Gramm.  P,  526  f.,  G.  Meyer,  Gr.  Gr.«  293  f., 
J.  Baunack,  Rhein.  Mus.  37,  476  ff.,  Vf.  Grdr.  1,  483  f. 

Lautversetzung. 

63.  Sehr  wenige  Fälle  stehen  einigermassen  sicher. 

Syrak.  dqdfog  =  difpqog^  herakl.  TQcc(pog  =  räifQog^  dodon.  0Q€(r7t<ot(ov 
(Karapanos,  PL  XXVII  2),  att.  inschr.  xaxqonrov  =  xaTonTQov,  xaravxQOxv 
=  xaravToxQv  u.  dgl.  (Meisterhans,  Gr.*  62).  XeTxvo-v  =  veixko-v  (Röscher, 
Progr.  von  Meissen  1879  S.  53).  afii&qig  =  uQi&i^iog.  xäqxvog  =  xäyxQog. 
Lobeck,  El.  1,  487  ff.,  Siegismund,  C.  St.  5,  117  ff.  Bei  derartigen  Meta- 
thesen handelt  es  sich  sicher  zum  Teil  um  Formen,  die  nur  geringe  Ver- 
breitung in  der  betreffenden  Sprachgenossenschaft  hatten,  hie  und  da  sogar 
vielleicht  nur  um  ganz  individuelle  Produkte;  das  von  Meisterhaks  a.  0.  mit 
aufgeführte  arfXyyfg  ist  gar  nur  Schreibversehen,  da  entweder  a%X€yy(g  oder 
aveXyig  gemeint  war. 

'fitfivwv  in  'Aya-fiänviav  &Qaav-fi€fiv(ov  nach  de  Saussure,  Mem.  d.  1. 
S.  d.  1.  4,  432  aus  ^-fieviKov  (zu  ai.  mmi-man-  n.  „Sinn,  Geist,  Gedanke*), 
und  zwar  geschah  die  Metathesis  vor  der  Wirksamkeit  des  Gesetzes,  durch 
das  jczviu/ia*  entstand  (§  20);  J.  Baunack,  Stud.  1,  280  f.  knüpft  minder 
wahrscheinlich  an  einen  Aorist  *£-jU€-jtii-o-.i'  an. 

^i(fog  =  lesb.  axtffog^  syrak.  xpt  =  a(fe.  Ob  die  Schreibungen  auf  att. 
Vasen  wie  f tVx«iMfio$  =  ev^ccfisvog,  iyQaa(f€v  =  iygaifjsv  etwas  hierher  fal- 
lendes darstellen,  ist  fraglich,  s.  Kretschmer,  K.  Z.  29,  458  ff. 

TtxTO)  aus  Hi'TX'O)  (§  120),  aber  vielleicht  nicht  rein  lautlich,  sondern 
infolge  des  Zuges,  den  die  zahlreichen  Präsentien  auf  -ro?  wie  nexro)  übten 
(Osthoff,  P.-Br.  B.  8,  305);  sehr  unwahrscheinlich  ist  J.  Baunack's  Deu- 
tung von  Ttxro)  Stud.  1,  248.  Saxtido-g  „Finger,  Zehe",  das  mit  dem  zu 
W.  deik-  deig-  „w^eisen"  gehörigen  lat.  dlgifu-s  nicht  vereinigt  werden  kann, 
möchte   ich   auf  *rfar-x-i;Ao-  „kleine  Zinke,  Zacke"   zurückführen,   Grundf. 


5.  SonBÜger  kombinatorischer  Lautwandel.  (§61—63.)  75 

*dft~qO'^  zu  ahd.  siinko  mhd.  zint  „Zinke,  Zacke*  (vgl.  §  70,  15  und  Vf. 
Grdr.  2,  261). 

Über  üxeTTTOfiai  von  W.  spek-  s.  §  125. 

Weitaus  die  meisten  der  in  früheren  Zeiten  für  Metathesis  vorge- 
brachten Beispiele  sind  falsch  beurteilt.  Z.  B.  stand  das  cx^-  in  i(fx^? 
Arx«^«  etc.  nicht  für  (fsx-,  sondern  itfx^g  zerlegt  sich  in  i-ffX'^-g  (Vf.  M. 
U.  1,  23,  Fleck.  Jahrbb.  1880  S.  224);  ttAij-  in  ttXtjto  nXrjQTjg  u.  s.  w. 
nicht  aus  tt^ A-,  sondern  =  idg.  pU-  (ai.  i>ra-,  lat.  pfe-  u.  s.  w.),  Vf.  M.  ü. 
1,  39  flf.;  über  ütqü)-  in  (TTpw-To-g  u.  s.  w.  s.  §  23;  ^i?t«  neben  ^gSw  (aus 
*f€QCw  §  59)  von  W.  uerg-  entstand  nicht  durch  Metathesis  von  €q  zu  q€, 
sondern  ^ä^co  war  eine  Neubildung  für  *^a^ci)  ^fSQaykw  =  got.  vaürkja,  av. 
ver'zyami,  idg.  *^^g-iÖ  (Vf.  Lit.  Centr.  1880  Sp.  943),  u.  a.  m. 

Auslaut  und  Anlaut  (Satzphonetik,  Sandhi). 

63.  Man  hat  zu  unterscheiden  zwischen  absolutem  und  bedingtem 
Aus-  und  Anlaut  der  Wörter.  Absoluter  Auslaut  nur  am  Ende  des  Satzes, 
absoluter  Anlaut  nur  im  Anfang  desselben.  Im  Innern  des  Satzes  werden 
die  Wörter  meist  miteinander  verbunden  gesprochen,  der  ganze  Satz  ist 
eine  geschlossene  phonetische  Einheit.  So  ist  denn  die  lautliche  Entwick- 
lung des  Wortes  meist  auch  durch  den  Satzzusammenhang  bedingt,  namentlich 
insofern  als  Auslaut  und  Anlaut  assimilatorisch  auf  einander  einwirken. 

Nur  diejenigen  Änderungen,  die  im  absoluten  An-  oder  Auslaut  ein- 
traten und  eben  durch  die  Stellung  im  Satzanfang  oder  Satzende  hervor- 
gerufen waren,  lassen  sich  als  eine  besondere  Kategorie  des  Lautwandels 
überhaupt  abtrennen.  Dagegen  geschahen  diejenigen  Änderungen,  die  sich 
im  bedingten  An-  und  Auslaut  vollzogen,  nach  denselben  Lautgesetzen,  die 
im  Wortinneren  Umgestaltungen  bewirkten.  In  vielen  Fällen  nahm  die 
Grammatik  hier  auch  nie  eine  Trennung  vor,  z.  B.  das  rj  aus  urgriech.  ä 
in  Tifii^  und  rjyov  wurde  immer  mit  dem  von  firjräQeg  u.  s.  w.  zusammen 
behandelt.  Aber  auch  z.  B.  bei  den  acc.  pl.  wie  vvfi(fdg  v6f.iog  und  bei 
dem  nom.  sg.  xdXäg  (neben  att.  vvinpag  voitiovg  und  rdXag)^  bei  att.  Ttanl 
dor.  xijm  =  xal  inl,,  bei  toA  Xoyov^  iq  ^Podtp,  xdv  vofioVy  bei  hom.  otti 
(att.  ort)  =  *od  Ti  (§  98)  u.  dgl.  m.  kann  nur  von  solchen  Lautgesetzen 
die  Rede  sein,  die  für  die  betreffenden  Lautgruppen  überhaupt  galten. 
rvfi^äg  entstand  im  Urgriech.  aus  vvfKpavg  in  Verbindungen  wie  vvfKfavg- 
xaXdvg  nach  demselben  Gesetz,  nach  dem  *xf  i'oro-g  zu  xststih-g  wurde  (§  55), 
xanl  xijm  aus  *xa(>)f7ri  wie  Tifiaze  rifxfiTS  aus  Tifid{jk)€T€  (§  12.  17).  Was 
ToX  Xoyov  etc.  und  ortt  betrifft,  so  fanden  solche  Assimilationen  zur  selben 
Zeit  im  Innern  des  Wortes  allerdings  nicht  statt  (Wort  nehmen  wir  hier 
im  engsten  Sinne,  verstehen  also  Zusammonrückungen  wie  ndXXsvxog  avX- 
Xeyw  nicht  als  ein  Wort).  Aber  nur  darum,  weil  die  betreffenden  Laut- 
gruppen zu  der  Zeit,  als  die  Veränderung  eintrat,  im  Wortinnern  überhaupt 
nicht  bestanden  (bei  xavvo/cov,  xdqqoov  beachte  man,  dass  die  Silbentrennung 
xdt'ivoiiiov  xdrl^oov  gewesen  war  gegenüber  (fdlrvrj^  XalTQsim  etc.).  Letz- 
teres ist  natürlich  für  die  Lautveränderung  selbst  ein  gleichgiltiges  Moment. 

Wenn  ein  Wort  infolge  verschiedener  Stellung  im  Satze  verschiedene 
Gestalt  bekommen  hat,   so  werden   diese   verschiedenen  Formen  nach  Ab- 


76 


A.  Gnechische  Grammatik,    b)  Lautlehre. 


schluss  der  Wirksamkeit  der  Gesetze,  die  die  Formverschiedenheit  herbei- 
geführt haben,  oft  promiscue,  d.  h.  ohne  Rücksicht  auf  die  Bedingungen, 
unter  denen  die  Differenz  ins  Leben  getreten  war,  gebraucht,  oder  es  geht 
wenigstens  die  eine  der  verschiedenen  Formen  über  den  ursprünglichen 
Gebrauchsbereich  hinaus.  So  wurde  vv^Kfag  auch  vor  sonantischen  Vokalen 
und  vvfKfccvg  rv/f^ö^,  das  in  einzeldialektischer  Zeit  nur  in  Verbindungen 
wie  vvfixpavgavravg  rvn^fAgavTccg  (vgl.  navaa  näaa)  und  im  absoluten  Aus- 
laut lautgesetzlich  stand,  auch  vor  Konsonanten  angewandt.  Diesen  Pro- 
miscue-Gebrauch  haben  wir  z.  B.  auf  der  grossen  Inschrift  von  Gortyn, 
wo  aber  die  alte  lautgesetzliche  Verteilung  doch  noch  in  der  Bevorzugung 
der  Artikelformen  xorg^  rdvg  vor  Vokalen  und  rog  rag  vor  Konsonanten  durch- 
blickt. So  waren  auch  Doppelheiten  wie  fsvtyog  :  xäyog^  axeSdvvvfxi :  xeSav- 
vv^i  ursprünglich  von  verschiedener  Gestalt  des  vorausgehenden  Wort- 
schlusses abhängig  (§  65),  aber  jede  der  beiden  Formen  wurde  dann  ver- 
allgemeinert. Meist  nun  blieb  man  bei  diesem  Schwanken  nicht  stehen, 
die  eine  Form  verdrängte  die  andere  vollständig.  So  kamen  im  Attischen 
die  Formen  vvfi^etg  vofxovg  tdXag  Tix^€(g  u.  s.  w.  zur  Alleinherrschaft  (doch 
noch  ig  neben  slg,  vgl.  Vf.  Grdr.  1,  488  Fussn.  1),  umgekehrt  im  Nordthes- 
salischen  und  Arkadischen  (so  weit  die  dürftigen  Sprachreste  einen  Schluss 
gestatten)  die  Formen  vvfxifäg  etc.  (Reuter,  De  dial.  Thess.  24  sq.,  Solmsen, 
K.  Z.  29,  343).  Im  El.  hat  man  auf  den  älteren  Inschriften  in  Bezug  auf 
-g  und  'Q  (aus  -z)  noch  den  Promiscue-Gebrauch,  auf  den  jüngeren  erscheint 
-^  zur  Alleinherrschaft  gelangt  (§  64).  (ffiixQo-g  und  fiixQo^  promiscue, 
aber  einerseits  nur  noch  fisiddo),  fiia^  anderseits  nur  noch  afisQdaXiog,  anvxita 
in  der  historischen  Periode  des  Griechischen  (§  45.  65). 

Bei  den  satzphonetischen  Veränderungen,  die  sich  in  vorhistorischen 
Perioden  vollzogen,  ist  oft  nicht  ins  reine  darüber  zu  kommen,  was  im 
absoluten  An-  oder  Auslaut,  und  was  im  bedingten  lautgesetzlich  eingetreten 
war.  Das  erschwert  dann  oft  auch  das  Urteil  bezüglich  der  Prozeaee,  die 
sich  erst  in  späteren  Zeiten  abspielten.  Und  in  Bezug  auf  diese  sind  wir 
häufig  auch  darum  übel  daran,  weil  die  schriftliche  Darstellung  die  Ge- 
staltung des  Aus-  und  des  Anlautes  der  Wortformen  nicht  genau  wieder- 
giebt;  der  Schreiber  bringt  sich  leicht  das  Wort  als  selbständiges  Ganzes 
zum  Bewusstsein  und  übersieht  dabei  die  Sandhiwirkungen  entweder  ganz 
oder  trägt  ihnen  nur  in  unvollkommener  Weise  Rechnung.  Im  Griechischen 
ist  es  aber  in  dieser  Richtung  mit  der  inschriftlichen  Überlieferung  im 
ganzen  weit  besser  bestellt  als  mit  der  handschriftlichen.^) 

CüBTius,  Stud.  10,  205  if.,  G.  Meter,  Gr.  Gr.*  293  ff.,  BBiAL,  Phon^tique  syntactique, 
M6m.  d.  1.  S.  d.  1.  6,  326  ff.,  Vf.  Grdr.  1,  485  ff.,  wo  (S.  490)  weitere  Litteratur  ange- 
geben ist. 

Wir  können  in  der  folgenden  Darstellung  der  griech.  Satzphonetik 
nur  das  wichtigste  ausheben. 

64.   Auslaut. 

1.  Von  den  in  idg.  Urzeit  auslautenden  Konsonanten  (mit  Absehung 


^)  Dass  auch  die  inschriftliche  Über- 
lieferung kein  treues  Spiegelbild  der  leben- 
digen Rede  ist,  zeigt  z.  B.  der  Umstand,  dass, 


wo  das  Metrum  Elision  fordert,  doch  oft 
plene  geschrieben  ist.  Sieh  die  Beispiele  bei 
Mkisterhans,  Gr.-  54  undBLASs,  Ausspr.'  124. 


6«  Sonstiger  kombinatorischer  Lantwandel.  (§  64.)  77 

von  den  konsonantischen  Vokalen,  s.  5)  blieben  im  Urgriech.  im  allgemeinen 
unverändert  -r  -n  -s  und  -£?,  z.  B.  nateq,  ninov  d6fi€v,  tig  l^egeg,  %ig 
(z.  B.  %(z  id), 

-^  wurde  im  Kret.  (Gortyn)  an  d-  angeglichen,  wie  ävr]d  Stf. 

Verbindungen  wie  att.  inschr.  iatrjXy  =  iv  crrjyAj  mögen  aus  urgriech. 
Zeit  ererbt  gewesen  sein  (§  55).  Über  einzeldialektische  Wandlungen  des 
'V  wie  ifA  Bq€^,  iX  XifAvmg,  ig  "Poiip  s.  §  63  S.  75. 

-5  tonlos.  'SS  wurde  im  Urgriech.  im  absoluten  Auslaut  und  vor 
Eons,  zu  -5,  z.  B.  fxvg  aus  *müs  s,  •i'^orijg  aus  ^neijotass,  älter  *ne}fO'tat'S 
(vgl.  ndattacx^m  aus  ^naxcaad^ai^  §  48).  Von  -xg  scheint  im  Urgriech. 
g  vor  andern  Konsonanten  als  x  geschwunden  zu  sein,  z.  B.  ^x  nodsg  neben 
?J  aviqeg^  ix  t(ov  neben  i^  avxdv^  dagegen  -g  aus  -xg  vor  x,  z.  B.  ig  xoivwvj 
?5  xrvc^  (vgl.  böot.  ia-xrj'SsxaTr]);  durch  Verallgemeinerung  der  verschie- 
denen Formen  wurden  dann  die  lautgesetzlichen  Verhältnisse  in  verschie- 
dener Weise  gestört,  s.  §  59.  In  verschiedenen  Mundarten  kommt  Nicht- 
schreibung  von  auslautendem  -g  nach  Vokalen  vor,  wie  nom.  EvO^vfio,  gen. 
UviQoyävsv  (s.  G.  Meter,  Gr.  Gr.*  295  f.);  ob  hier  intervokalischer  Weg- 
faU  von  -er-  zu  Grunde  lag  (§  45),  woran  G.  Meyer  denkt,  oder  Anglei- 
chung  an  folgende  Konsonanten  (r-,  q-,  A-,  (T-,  vgl.  im  besonderen  xrjCtrjXrjg 
ivavrjvag  u.  dgl.,  Meisterhans,  Gr.*  69  f.),  in  welchen  Fällen  auch  hier 
analogische  Verallgemeinerung  stattgefunden  hätte,  bleibt  zu  untersuchen. 
Im  Kret.  (Gortyn)  tdd-  x^vyaTiQag^  wie  TiQo^&a  (§  48). 

Über  die  Verallgemeinerung  Aer  urgriech.  Doppelheiten  wie  rovg  und 
tog,  tt&ivg  und  rix^ig  in  den  verschiedenen  Mundarten  s.  §  63. 

Wie  weit  -z  neben  -s  im  Einzelleben  der  Mundarten  erhalten  blieb, 
ist  darum  nicht  genau  zu  kontrollieren,  weil  wir  nicht  wissen,  wie  weit  -g 
zugleich  auch  den  stimmhaften  Laut  bezeichnete.  Natürlich  kann  -g  z.  B. 
in  att.  Ttjg  Y^^g^  Tovg  ßovXo^ävovg  ebenso  gut  als  z  gelesen  werden,  wie  es 
in  fJiiiTywj  nqäaßvg  u.  dgl.  als  solches  gelesen  werden  muss.  Sicher  setzt 
-^,  wie  es  namentlich  im  Elischen  erscheint,  -z  voraus,  s.  §  45.  46.  63. 
Ferner  war  -z  Vorstufe  für  die  Assimilationen  des  Gortyn.,  wie  vUed  dt, 
TTccTQoS  SovTog^  H  SixaaTTjQiov^  gleichwie  iixdddw  aus  *dixcez3(ü  (§  41.  52). 
Auf  -z  im  Att.  in  Verbindungen  wie  rijg  di  lässt  ^Ä&r^va^e  =  ^AO'tjvaz-Se 
u.  dgl.  schliessen.  Im  Urgriech.  stand  -yz  neben  -xg.  Daher  att.  iy  Jiog^ 
iy  ßovXrjgj  iy  FaQyrjTTiwv  u.  dgl.,  ^y  SaxTvXcov  (Meisterhans,  Gr.*  82  f.), 
woneben  böot.  fa-yovog  d.  i.  iz-y.^  arkad.  ia-däXXto  d.  i.  iz-d,  etc.,  vgl.  §  59. 
Upd  diese  Form  iyz  erklärt  auch  das  y  in  att.  iy  Xifiivog,  iy  vrflwv  u.  dgl. 
(Meisterhans  a.  0.  83  f.),  da  bei  einer  Grundform  ^x  ohne  -g  hier  kein 
Anlass  zur  Erweichung  war  (vgl.  xvxXog^  xvxvog  etc.).  Demnach  dürfte 
das  -5  auch  in  gort.  %oTX  Xsiovai  u.  dgl.  vor  der  Angleichung  ein  stimm- 
haftes gewesen  sein. 

2.  Die  Verschlusslaute  jedweder  Gattung  fielen  im  Urgriech.  ab. 
i(f€Q€  =  ai.  dbharat  3.  pl.  iyvov  aus  *fyra)-rir  (§  26),  vgl.  lat.  erant; 
welcher  Fall  zeigt,  dass  dieses  Lautgesetz  jünger  war  als  die  Vokal  Verkür- 
zung vor  n  -\-  t  Dor.  rjg  »erat*  =  ai.  ved.  Os,  idg.  *^S't,  %i  =  lat.  qui-d. 
Vok.  yvvai  aus  *yvvaix^  vgl.  ywaix-a,  3.  sg.  ^  „sprach"  wohl  aus  *ijxr 
(§  112).    yaAa,  vgl.  gen.  ydXaxr-og,    devqo  vermutlich  aus  *d€VQ07i  (§  74,  3), 


78  A.  Griechische  Grammatik,    b)  Lautlehre. 

xqT  n.  wohl  aus  *xqi&,  vgl.  xqiO^t^.  Dieser  Wegfall  scheint  vorzugsweise 
dem  absoluten  Auslaut  angehört  zu  haben,  vgl.  das  Verbleiben  des  Ver- 
schlusslautes in  ^apirv  i«,  *(r/?air  nwq  (älter  ^^apöd)^  hom.  otu  ortnwg  (§  98). 

Anmerkung  1.  Dass  -t,  -cf  auch  zu  -g  geworden  seien  (*ovT(od  zu  ovrtag),  ist  eine 
unerwiesene  und  unwahrscheinliche  Annahme.  S.  Vf.  K.  Z.  24,  74  f.  27,  417,  G.  Meyrr, 
Gr.  Gr.*  294,  Osthopp,  M.  U.  2,  58  f.  4,  243. 

3.  -m  wurde  im  ürgriech.  zu  -r,  wie  tov  =  ai.  td-^i,  t^eqov  ==  ai. 
äbhara-m.  Dieser  Lautwandel  trat  im  absoluten  Auslaut,  ausserdem  vor 
Dentalen  (vgl.  artko-v  aus  *ajUTAo-i',  §  20)  ein.  Idg.  -w  fiel  also  damals 
mit  -n  zusammen  (s.  1).  In  einzelmundartlicher  Zeit  richtete  sich  das  -r, 
wie  die  häufigen  Schreibungen  wie  yijy  xal,  rrjfi  nohv  zeigen,  nach  der 
Artikulationsstelle  des  folgenden  Konsonanten.  Aber  der  Nasal  muss  damals 
und  muss  auch  bereits  in  ürgriech.  Zeit  eine  stark  reduzierte  Aussprache 
gehabt  haben  (vgl.  §  20).  Denn  nur  so  begreift  sich,  wie  die  Pausaformen 
mit  nicht  reduziertem  Nasal  x^^'^  und  xi(äv  (aus  *x^^f^  *X^^l^y  §  74,  1) 
es  bewirkten,  dass  die  andern  Kasus  gen.  *x^ojw-6g  ^x^ofi-og  etc.  v  statt  ju 
annahmen:  hätte  man  in  Verbindungen  wie  x^^f^  naTQcpa  dasselbe  volle 
fi  gesprochen  wie  in  *xx^ofji'6gy  so  wäre  -/i-  in  dieser  Form  erhalten  geblieben. 

4.  -^  -^  erscheinen  als  -a,  acc.  sg.  ipäqovt-a  =  *hheront-rgL,  ovo^iuux 
=-  idg.  ^m^  (§  21,  I).  Diese  Entwicklung  geschah  im  absoluten  Auslaut 
und  vor  allen  Konsonanten  ausser  j,  ^.  Über  -lav  in  norviav  für  idg. 
-fj(-;p  s.  §  70®  Anm.  Wie  hier  -v  nach  der  Analogie  der  idg.  Ausgänge 
-^m  'O-m  etc.  angetreten  war,  so  geschah  dies  auch  später  in  kypr. 
ä{v)SQ^d{v)Tav  etc.  (§  77). 

5.  'i,  -U-  Aus  vorgriecbischer  Zeit  waren  *n€Qjij  *v7t€Qi,  *7r^oTi,  *noTk 
als  antesonan tische  Formen  überkommen  (vgl.  ai.  i^^^tfi  praty  in  gleicher 
Stellung),  denen  sich  *fVi  zugesellte;  aus  ihnen  *neiQ'y  vtibIq^  nQog^  nog 
(arkad.  kypr.),  eiv  und  durch  Vermischung  mit  nägi,  ivi  die  Formen  Ttet^- 
und  elvi,  s.  §  38.  56  und  Osthoff,  M.  U.  4,  382  f. ;  über  nog  anders,  aber 
gewiss  unrichtig  Baunack,  Gortyn  22.  Ein  gleichartiges  antesonantisches 
*i7?  {vv)  =  ai.  nv  {nü)  vermutet  Thümb,  Fleckeis.  Jahrbb.  1887  S.  646  f. 
in  viv  aus  *y/?  Iv  (vgl.  §  95). 

Darauf,  dass  im  Ürgriech.  z.  B.  xai  im  als  kaHepi,  xvx^f  ciyad^^  als 
tukhaliag,  gesprochen  wurde,  beruhten  die  Formen  att.  xani  dor.  xi^m,  att. 
%vxccyctdii  kret.  v^vxaya&^^  in  denen  i  bereits  in  ürgriech.  Zeit  weggefallen 
war  (§  12).  Später  wurde  aber  die  diphthongisch  schliessende  Form,  die 
sich  lautgesetzlich  vor  Konsonanten  gehalten  hatte  {xal  tovto,  %^  xvx^f  etc.), 
auch  wieder  vor  Sonanten  eingeführt,  z.  B.  xai  ini  =  kaiiepi,  und  es  fand 
dann  von  neuem  ein  Hinüberziehen  des  %  zur  folgenden  Silbe  statt.  Aus 
letzterer  erklärt  sich  die  Messung  von  (avdga)  fxoi  ivvens  als  möliennepe, 
die  von  derselben  Art  war  wie  die  von  olog  (aus  Hoi-io-s)  als  JiöHos  bei 
Homer  (vgl.  §  12).  Die  ältere  Schicht  {xam)  hielt  sich,  wie  die  att.  In- 
schriften lehren  (vgl.  Meisterhans,  Gr.*  55),  besonders  in  der  volkstüm- 
lichen Sprache.     Vgl.  6. 

6.  Bereits  im  ürgriech.  fand  bei  auslautendem  -o  -a  -«  vor  son. 
Vokalen  Apokope  (Elision)  statt,  z.  B.  r  avroy  an  avTwvy  dvrjQ  =  h{o)aif]Q, 
xa%  alko,  Tcc  d'dXXa^  ydq  =  y'aq,  Sie  vollzog  sich  zu  derselben  Zeit,  als 
^Injio-ayüjyog  zu   iTui-aytoyög   wurde  (§  17).     Diese  Verkürzung  des  Aus- 


5.  Sonstiger  kombinatorischer  Lautwandel.  (§  64).  79 

lautes  übertrug  sich  auch  auf  die  Stellung  vor  EonsonanteD,  und  zwar  am 
frühesten  auf  die  Stellung  vor  \  z.  B.  dri  ov  (ay  ov),  ovd'  «fg,  xar  & 
(xa&^  5),  dann' auch  xdr  tov,  ndq  xov  u.  dgl.  Die  Form  xd  =  xdr  xatd 
dürfte  eher  in  Verbindungen  wie  xaxd  tov  durch  syllabische  Dissimilation 
(8  61),  als  in  Verbindungen  wie  xdt  tov  durch  Reduktion  von  tt  auf  t 
entstanden  sein  (vgl.  Baunack,  Gortyn  22).  Über  die  sehr  mannigfachen 
Umgestaltungen,  die  gerade  die  Präpositionen  im  Zusammenhang  mit  der 
urgriech.  Elision  erfuhren,  ist  übrigens  nicht  eher  möglich  ins  klare  zu 
kommen,  bis  von  jeder  Präposition  die  ursprüngliche  Form,  bezw.  die  ur- 
sprünglichen Formen  festgestellt  sind;  dass  man  unter  allen  Umständen 
die  vollste  Form  immer  als  die  ursprünglichste  und  einzig  ursprüngliche 
zu  betrachten  habe,  ist  ein  unrichtiger  Standpunkt.  Elisionsfähig  wurden 
auch  die  -a  und  -o,  hinter  denen  im  Urgriech.  i  geschwunden  war,  daher 
Xoi  (=  x{a)  oi,  xa{i)  oi),  x  ov,  x  iv  (vgl.  Blass,  Ausspr.^  48.  54,  wo  auf 
die  Schreibung  xd  iv  C.  I.  A.  2,  50  verwiesen  wird),  daher  der  „Abfall  der 
Verbalendung  -«**'  bei  Dichtern  und  in  Prosa,  wie  ßovlofi  iyta  {A  \\ 7),  und 
derjenige  des  -ot  von  iiol  aol  toi  bei  Homer,  wie  oq  fi  ^x^eXsv  {Z  165); 
ebendahin  gehören  Nominativformen  verschiedener  Dialekte,  wie  t*  'Av<pi' 
ioXoij  dieXffoi  oQxai  d.  i.  VddsXifoC  h^dqx^h  wodurch  auch  o^ei'  odvvai 
A  272  erklärt  und  geschützt  wird.  Von  t'  =  x6  und  ra  in  T*dXXo  t'uvto, 
z'aXka  T*avTd  kam  man  dazu,  auch  andern  vokalisch  auslautenden  Artikel- 
formen ihren  Vokal  oder  Diphthong  zu  nehmen,  man  bildete  T'aXXov 
T'dvi^i  etc.  Im  Elischen  wurde  diese  analogische  Verallgemeinerung  beim 
Artikel  zur  Regel,  und  man  bildete  sogar  T*avTwv  =  twv  avrwv  (s.  J.  Bau- 
nack, Stud.  1,  239  f.,  Meister,  Gr.  D.  2,  43);  dabei  ist  zu  berücksichtigen, 
dass  auch  im  loc.  sg.,  T^laqol,  T^agsTaty  und  im  nom.  pL,  t*  *Av(fidoloi,  die 
Elision  bereits  lautgesetzlich  eingetreten  war,  vgl.  auch  xdno  =  xal  dno 
in  demselben  Dialekt. 

Anmerkung  2.  Ob  neben  -o  -a  -b  auch  h  irgendwo  lautgesetzlich  edidiert  worden 
sei,  z.  B.  iii*  avjov,  i^otfA*  av,  €<f&*  öntog,  ist  mir  mehr  als  zweifelhaft.  Wahrscheinlich 
waren,  wie  bei  n^Qt :  negi  u.  dgl.  (5),  auch  sonst  überall  Doppelformen  mit  sonantischem 
und  konsonantischem  t,  je  nach  der  Stellung  vor  konsonantischem  oder  sonantischem  An- 
laut, ins  Griechische  hineingekommen  (vgl.  ai.  dpi  und  äpy  u.  s.  w.),  und  infolge  der  As- 
similation des  I  an  etliche  der  vorausgehenden  Konsonanten  entstand  der  Schein  der  Elision. 

Neben  der  Elision  ging  wohl  in  allen  Mundarten  die  Kontraktion 
(Krasis)  einher,  wie  in  TakXa  aus  t«  aXka,  x^uTaga  aus  t«  fV^^a,  ion. 
(ovTj^  aus  0  dvrJQy  lokr.  ti]v  aus  ra  ev.  Oft  findet  sie  sich  auch  bei  den 
Schlussvokalen,  die  im  Urgriech.  hinter  sich  >  verloren  hatten  (5;,  wie 
xam  dor.  xi^m  =  xa{j^)tmy  xayaO^og  =  xa[ji)aya0^6g,  ixovaTi  --  f.w{ti)aaiiy 
oviAoi  =  d{ß()siioi,  '^VX^V  =  ^«(ij^X^'i^-  I"^  allgemeinen  war  diese  Art  der 
Beseitigung  des  Hiatus  ohne  Zweifel  jünger  als  die  Elision.  Unter  ge- 
wissen, noch  nicht  festgestellten  Bedingungen  (wahrscheinlich  der  Satz- 
betonung) trat  keine  Elision  ein,  hielt  sich  also  z.  B.  tu  dXXa  neben  TaXXa, 
xd  €v  (vgl.  ausser  dem  oben  zitierten  xd  iv  auch  kypr.  xd  d{y)Tl  =  xal 
dvxl  CoLLiTZ,  Gr.  D.  n.  60,  5)  neben  x  iv  (=  xa^  iv),  und  in  einzel- 
dialektischer Zeit  geschah  dann  die  Kontraktion.^)     Nur  der  schriftlichen 


*)  Dass  Tcr  aXXa  {raXXa)  neben  t*  (tXXa 
nach  Tff  xaXd  and  dergl.  neu  gebildet  sei, 
daif  schwerlich  angenommen  werden.     Denn 


dann  wäre  man  auch  zu  der  Annahme  ge- 
nötigt, dass  einmal  antekonsonan tische  x«r, 
^6  =  x(ti,  fiol  u.  dgl.  in  weiterem  Umfang 


80 


A.  Qrieohische  Grammatik,    b)  Lautlehre. 


Darstellung,  nicht  der  Sache  nach  war  von  der  Krasis   die  sog.  Aphäresis 
verschieden,  wie  dfiov  ^naxovaov. 

Ahbens,  De  crasi  et  aphaeresi,  1845.  Kühner,  Ausf.  Gr.  1'  173  ff.,  182  ff.  Cubtius, 
St.  I  2,  279  ff.  Hartbl,  Hom.  St.  3,  43  ff.  Christ,  Metr.«  32  ff.  G.  Mbyeb,  Gr.  Gr.« 
140  ff.  162  ff.     BLASS,  Ausspr.''  124  ff.     Meistbrhans,  Gr.'^  54  ff. 

Anm.  3.  Das  sogenannte  v  iKpeXxvarixov  verdankte  sein  Dasein  nicht  dem  Sia*ebeo, 
den  Hiatus  zu  vermeiden.  Sein  Gebrauch  im  Altertum  regelte  sich  auch  keineswegs  nach 
der  bekannten  Theorie  späterer  Grammatiker  (vgl.  u.  a.  Maassen,  Leipz.  Stud.  4,  1  ff., 
FicK,  Die  homer.  Odyssee  33  f.).  Der  Konsonant  hatte  vielmehr,  wie  jeder  andere  aus- 
lautende Konsonant,  ursprünglich  einen  etymologischen  Wert,  nur  sicher  nicht  überall, 
wo  er  auftritt,  z.  B.  nicht  in  dBixyvaaty  und  ^Xeyet^.  Seine  grosse  Ausbreitung  in  einigen 
Mundarten  verdankte  er  dem  Wirken  der  Analogie.  Von  wo  das  t^  seinen  Ausgang  ge- 
nommen hatte  —  vermutlich  von  mehreren  Formationen  zugleich  — ,  ist  noch  nicht  sicher 
ermittelt.  Vermutungen  bei  G.  Meyer,  Gr.  Gr.«  297,  Osthoff,  M.  ü.  4.  231,  Z.  G.  d.  P.  340  f. 
und  andern.  Vgl.  auch  §  92  über  -(fty  und  §  201,  1  über  yvy.  Da  die  ältere  lesbische, 
böotische  und  lakonische  Prosa  das  y  itpeXx,  noch  nicht  kennen  (Meister,  Gr.  D.  1,  125. 
258,  MüLLENSiEFEN,  Diss.  phU.  Arg.  6,  195  f.),  so  ist  anzunehmen,  dass  die  wuchernde  Aus- 
breitung erst  im  einzeldialektischen  Leben  der  Sprache  erfolgte.  Am  spätesten  scheint  -r 
an  die  3.  sg.  pl.  des  Verbum  gelangt  zu  sein,  im  Attischen  etwa  auf  folgendem  Weg: 
Xiyovaiy  (dat.)  —  Xiyovai,v  (3.  pl.),  f^«*'  -  iaxiyy  zK^ijaty,  iXsyey,  Im  Herakleischen  hatte 
der  dat.  pl.  -oiy  (neben  -oi),  aber  noch  kein  -y  in  der  3.  pl.,  in  iorl  und  fixau  (Mkisteb,  C. 
St  4,  413). 

65.  Anlaut. 

1.  Doppelheiten  wie  iägarj  und  ^Qffrjj  ccXsffpto  und  A/7ra,  igvofAiu  und 
Qvo/xai  entstanden  aus  satzphonetischen  Verschiedenheiten.  Siehe  §  28  und 
vgl.  auch  §  53. 

2.  Idg.  f-  und  f-  erscheinen  stets  als  a^  und  o^,  wie  in  aQxro^, 
oQ^o-g.  S.  §  23.  Es  war  dies  ohne  Zweifel  die  Form  des  absoluten  An- 
lautes,    ^d  =  lit.  ir  idg.  ^j*  entstand  nach  Konsonanten  (§  201). 

3.  Die  Verschiedenheiten  wie  oxeyoc  und  Thyog^  axiivafiat  und  xiiva- 
fiat,  anaoü  und  nf^vo-gj  afiixQo-g  und  fjtixgo-g  waren  zum  Teil  aus  vorgriech. 
Zeit  mitgebracht  und  hatten  sich  im  Uridg.  bereits  durch  Sandhi  entwickelt. 
S.  Osthoff,  M.  U.  4,  329  f.,  von  Fieblingeb,  K.  Z.  27,  196,  Vf.  Grdr, 
1,  447,  G.  Meyeb,  Gr.  Gr.*  247  f.,  249  f.  Das  a  kann  auch  auf  griechi- 
schem Boden  in  Verlust  gekommen  sein  im  bedingten  Anlaut,  und  dies  ist 
überall  da  das  wahrscheinlichere,  wo  die  verwandten  Sprachen  nur  Formen 
mit  s-  bieten.  Verlust  des  er-  in  der  griechischen  Entwicklungsperiode  ist 
bei  sm-  sn-  natürlich  auch  überall  da  anzunehmen,  wo  für  den  Anlaut  noch 
fifi-  vv^  nachweisbar  ist,  s.  §  45. 

4.  Durch  Assimilationsprozesse  war  im  Urgriechischen  öfters  ein 
geminierter  Konsonant  entstanden,  und  dieser  blieb  nach  sonantischem  Aus- 
laut bis  in  die  einzeldialektische  Zeit. 

Ä1-:  oT€  (SCavaixo  P  463,  onoid  aaa  onotd  xra,  s.  §  38.  sr-:  »axd 
^Qoov  5  254;  sl-:  oxe  XXrj^euv^  sn-i  &g  t€  vviifddsg  M  278.  S.  §  45,  wo 
gezeigt  ist,  dass  für  solchen  volleren  Anlaut  auch  die  Formen  wie  xara- 
QQäüüy  d-XXrjxTog,  dyd-vviifog^  ifiXo-ii^isiirfi  indirekt  zeugen.  Bereits  im  Urgr. 
wurde  die  Geminata  im  absoluten  Anlaut  und  nach  Konsonanten  verein- 
facht: a€V(a^  megar.  cra,  ^6og^  Xr'jyw^  viffa^  fieiädcoy  und  indem   diese  Form 


bestanden,  von  denen  aus  xce  iyj  xay  neben 
x'  iy  u.  s.  w.  entsprangen.  Dass  Formen 
wie  xd  auch  vor  Konsonanten  gesetzt  wurden, 
cUifür  kenne  ich  nur  ein  sicheres  Beispiel: 


kypr.  xd  nori  Collitz,  Gr.  D.  n.  68,  1 ;  ausser- 
dem war  das  bis  jetzt  unaufgeklärte  dvo 
neben  tfvot  vielleicht  die  alte  Neutralfonn 
=  ai.  dvi,  idg.  *d(u)uoi,  s.  g  84,  2. 


6.  Betonung.  (§  65-66.)  gl 

dann  durch  Verallgemeinerung  auch  nach  sonantischem  Auslaut  eingeführt 
wurde,  verdrängte  sie  hier  allmählich  die  Form  mit  Oeminierung  ganz. 
Homer,  xvfia  ^ooio  steht  also  auf  einer  Linie  mit  rrgo-gäco  u.  dgl.  (s.  §  45). 
Bei  Homer  finden  wir  nun  freilich  anlautende  Nasale  und  A-  oft,  ja  meist 
auch  da  verdoppelt,  wo  die  Gemination  keine  etymologische  Begründung 
hatte,  z.  B.  afia  d^  wäipoq  J  274,  zu  väifog  =  ai.  ndbhas,  idg.  *  nebhos. 
Aber  es  war  natürlich,  dass  man  die  Doppelformigkeit,  die  in  einigen  Fällen 
zu  Recht  bestand,  der  Bequemlichkeit  der  Versifizierung  halber  auf  andere 
Wörter  übertrug;  ich  stehe  hier  auf  Seite  von  Cürtius,  Stud.  4,  489  gegen 
Hartkl,  Hom.Stud.  V  25  ff.  und  G.  Meyer,  Gr.  Gr.«  279  f.  Ob  bei  Homer 
auch  /?/?-,  wie  ytvsro  ppiaxtj  (L.  Havet,  Mem.  d.  1.  S.  d.  1.  6,  324  f.)? 
Nicht  urgriechisch  war  qq-  =  f^,  wie  vs  ^gr^^eiv  M  198  vgl.  i-QQrj^a; 
es  fragt  sich,  ob  nicht  bei  Homer  noch  f^Q-  gesprochen  wurde,  s.  §  13  S.  31. 
Eine  erst  in  einzelmundartlicher  Zeit  entstandene  Geminata  zeigt  auch  das 
Nordthessalische:  ot  xtoXiaQ%oh  (§  36). 

5.  tga-ne^a  im  absoluten  Anlaut  aus  ^mga-^  s.  §  35  S.  55. 

6.  Vielleicht  war  in  Fällen  wie  fiheyaXov  (inschr.)  die  Tonlosigkeit 
des  anlautenden  Konsonanten  durch  vorausgehenden  tonlosen  Auslaut  {-g) 
bewirkt  worden,  s.  §  61. 

7.  Bei  oTioTd  xza^  afxixgd  %xcc  entwickelte  sich  das  Gefühl  für  eine 
kausale  Abhängigkeit  des  zta  von  vorausgehendem  -a,  so  dass  man  diese 
Verbindungen  als  onoX*  arra,  cfitxQ'  axra  empfand.  Die  Folge  waren  Aus- 
drücke wie  Plato's  ttTTaga  iv  avtoTg  arra.  In  ähnlicher  Weise  entsprang 
ovv€xa  =  i'v€xa  in  Verbindungen  wie  ixsivovvexa  aus  ixsivov  i'vexa.  Sieh 
Wackernaoel,  K.  Z.  28,  109  ff.  Ähnliches  aus  dem  Neugriechischen  bei 
FoY,  Bezz.  B.  12,  38  ff.,  z.  B.  äßgccfit^Xa  „Schlehen**,  entsprang  aus  rd 
ßQdfAT^Xay  das  man  als  t'dßgdi^rjXa  empfand. 

6.  Betonung. 

C.  GöTTLiHO,  Allgem.  Lehre  vom  Accent  der  griech.  Sprache,  1835.  J.  Hadley, 
Üher  Wesen  und  Theorie  der  griech.  Betonung,  C.  Stud.  5,  407  ff.  F.  Misteli,  Ober 
griech.  Betonung  1875  (vgl.  das  Litteraturverzeicbnis  S.  3  ff.),  Erläuter.  zur  aligem  Theorie 
der  griech.  Betonung,  1877.  J.  Wackernaoel,  Der  griech.  Verbalaccent,  E.  Z.  23,  457  ff. 
L.  ScBBOEDEB,  Die  Accentgesetze  der  homer.  Nominalcomposita,  mit  denen  des  Veda  verglichen, 
ebend.  24,  101  ff.  Th.  Benfet,  Die  eigentliche  Accentuabon  des  ind.praes.  von  ^;  und  9«r  sowie 
einiger  griech.  Präpositionen,  in:  Vedica  und  Linguistica  1880.  M.  Bloomfibld,  Historical 
and  critica]  remarks,  introductory  to  a  comparative  study  of  Greek  accent,  Amer.  Joum.  of 
Phil.  4,  21  ff.,  The  origin  of  the  recessive  accent  in  Greek,  ebend.  9,  1  ff.  J.  Kühl,  Die 
Bedentang  des  Accents  im  Homer,  Progr.  von  Jülich  1883.  Bezzenbebgbb  in  s.  Beitr. 
7,  66  ff.  K.  Meisteb,  Bemerkungen  zur  dor.  Accentuation,  in :  Zur  griechischen  Dialektologie, 
1883.  F.  Haussen,  Der  griech.  Circumflex  stammt  aus  der  Ursprache,  K.  Z.  27,  612  ff. 
B.  I.  Wheblbb,  Der  griech.  Nominalaccent,  1885.  E  Luobbil,  Zur  Frage  über  die  Accen- 
tuation der  Wörter  und  Wortformen  im  Griech.,  Rh.  Mus.  43,  1  ff.  220  ff.  Vf.  Grdr.  1, 
530  ff.  (vgl.  das  Litteraturverzeicbnis  S.  534  ff.).  D.  Pezzi,  La  1.  gr.  ant.  128  ff.  (wo  auch 
ein  Litteraturverzeicbnis).    Blass,  Ausspr.  '  127  ff. 

66.  Der  Accent  des  Altgriechischen  war,  so  viel  sich  erkennen  lässt, 
im  wesentlichen  ein  musikalischer  oder  chromatischer,  d.  h.  das  Hervor- 
heben des  sonantischen  Elementes  der  Silbe  geschah  im  wesentlichen  durch 
Stimroerhöhung,  nicht  Stimmverstärkung. 

Die  überlieferte  Accentbezeichnung  berücksichtigt  zu  gleicher  Zeit  den 
Silben-,  den  Wort-  und  den  Satzaccent,  obschon  den  ersten  und  den  letzten 

Biodbnoh  der  kliM.  AltertnmswineiiAchafi.  U.    2.  Aufl.  0 


82 


A.  Orieohisohe  Grammatik,    b)  Lautlehre. 


ÖL 


nur  sehr  unvollständig.  Die  innerhalb  der  einzelnen  Silbe  sich  abspielende 
Tonbewegung  wurde  durch  den  Unterschied  von  Akut  und  Zirkumflex  aus- 
gedrückt, aber  nur,  wenn  die  Silbe  die  hervorragendste  im  Wortkörper 
war,  z.  B.  iioiarfi^  fiovtra.  Beide  Accente  dienten  also  zugleich  dazu,  den 
Sitz  des  Hochtons  im  Worte  anzuzeigen.  Durch  den  als  Modifikation  des 
Akuts  erscheinenden  Gravis  in  ßaailsvg  iytvBxo  (gegenüber  iyäveto  ßaailevg) 
und  den  Gravis  in  rregi  tovtov  (gegenüber  xovxov  nsQi)  sowie  durch  Nicht- 
accentuierung  von  Wörtern  {xaXsnov  iau,  avfi  tfSQe  vgl.  ai.  säm  hhara) 
wurde  auf  Satzbetonung  Rücksicht  genommen.  Es  gab  indessen  im  AJtertum 
auch  vollständigere  Accentuationsmethoden,  bei  denen  dem  Gravis  eine  andere 
Rolle  zukam  (s.  Blass  129  f.). 

In  der  Zeit  der  idg.  Urgemeinschaft,  in  welcher  die  dem  Hauptton 
vorausgehende  Silbe  die  in  §  24  besprochenen  Schwächungen  erfuhr  (z.  B. 
pte-  aus  peU',  in  mä-ax^ai),  muss  der  Accent  einen  stärker  exspiratorischen 
Charakter  gehabt  haben.  Dieser  scheint  aber  noch  vor  der  Zeit  der  Auf- 
lösung der  idg.  Ureinheit  einem  vorwiegend  musikalischen  Charakter  ge- 
wichen zu  sein,  und  dieser  blieb  dann  im  Griechischen  bis  in  die  christ- 
liche Zeit  hinein.  Nur  wenige  und  nicht  ganz  sicher  gedeutete  Laut- 
ersch^'nungen  der  vorchristlichen  Periode  der  griech.  Sprachentwicklung 
sind  Zeugnisse  für  exspiratorischen  Charakter  des  Accentes:  die  verschiedene 
Behandlung  von  qo  in  oQQo-g  und  ovqu  u.  dgl.  nach  Wackebnagel  (s.  §  45), 
und  die  von  so  in  väog  und  vovfitjvia  u.  dgl.  nach  demselben  (K.  Z.  29,  138). 
Bald  nach  Chr.  Geb.  trat,  wie  gewisse  Thatsachen  der  Metrik  zeigen,  der 
exspiratorische  Accent  energischer  hervor,  und  bereits  im  Mittelalter  hatte 
die  griech.  Sprache  dieselbe  wesentlich  exspiratorische  Betonung,  die  sie 
heute  besitzt. 

Der  Gegensatz  von  Zirkumflex  und  Akut  war  aus  der  Zeit  der 
idg.   Urgemeinschaft  überkommen.     Dabei  ist  zweierlei  zu   unterscheiden. 

1.  hatte  das  Griechische  in  dem  Zirkumflex  eine  der  „ schleifenden *" 
oder  „geschleiften''  Betonung  des  Litauischen  entsprechende  Betonung  be- 
wahrt, z.  B.  gen.  rifiäg,  wie  lit.  gerös(-ios),  im  Gegensatz  zu  tifia,  wie  lit. 
gerö(-ji).  Diese  Betonungsverschiedenheit  galt  nicht  nur  für  die  hoch- 
tonigen  Wortsilben,  bei  denen  allein  sie  graphisch  zur  Anschauung  gebracht 
wurde,  sondern  auch  anderwärts.  Tieftoniges  -oe  im  Auslaut  war  lang,  wo 
die  Silbe,  wenn  sie  Hochton  hatte,  den  Zirkumflex  zeigt,  z.  B.  loc.  oixoi 
neben  'Icxhuot^  dagegen  kurz,  wo  die  Silbe  als  hochtonige  den  Akut  zeigt, 
z.  B.  nom.  olxoi  neben  xaXot:  das  wortschliessende  -oe  von  oixoi  war  also 
zirkumflektiert,  das  von  (j/fxoi  akuiert;  vgl.  auch  opt.  leinoi  und  lit. 
te-suk'e  „er  mag  drehen.**  Wir  nennen  diesen  Zirkumflex  den  sohl eif  en  de  n.  *) 

2.  entspricht  die  Doppelheit  Zsv  :  Zsvg   der  altindischen  voc.  dyau^: 


*)  Wenn  die  im  Vedischen  oft  vorkom- 
mende metrische  Auflösung  eines  langen 
Vokals  in  zwei  kurze  auf  unserer  Zirkum- 
flexbetonung beruhte,  wie  Bezzenbeboer, 
Gott.  gel.  Anz.  1887,  S.  415  ansprechend  ver- 
mutet, vgl.  z.  B.  gen.  pl.  apaatn  =  ajjdm 
wie  Tjoduty^  acc.  gaam  =  gdm  ßtav^  nuu  = 
vi  vv-y,  so  müsste  in  Bezug  auf  die  nicht 


stimmenden  Fälle  (s.  Oldbkbebg,  Die  Hymnen 
des  Rigv.  1,  IGdfT.)  angenommen  werden,  dass, 
was  ursprünglich  nur  in  einer  bestimmten 
Anzahl  von  Formen  zu  Recht  bestand,  auf 
andere  Fälle  übertragen  wurde,  und  das 
wäre  nur  so  denkbar,  dass  die  schleifende 
Betonung  in  dem  Zeitalter  der  Entstehung 
der  Lieder  im  Absterben  war. 


•  6.  Betonung.  (§  6ß.)  83 

Bom.  dyau§.  Während  der  Akut  ein  steigender,  bei  einem  sonantischen 
Element  von  zwei  Moren  auch  noch  auf  der  zweiten  Mora  ansteigender 
Ton  war,  wurde  bei  diesem  Zirkumflex  die  ganze  ansteigende  Bewegung 
schon  der  ersten  Mora  zu  teil  und  die  zweite  hatte  nur  absteigende  Be- 
wegung (>n).  Bei  Zsv  (vgl.  7rdT€Q  neben  naxi]Q)  handelt  es  sich,  ebenso 
wie  bei  dem  in  fZ/it,  olda^  ßrjv  für  ältere  Worttonlosigkeit  eingetretenen 
und  sicher  gleichgesprochenen  Zirkumflex  (vgl.  unten),  um  die  Verleihung 
des  Hochtons,  genauer  der  ganzen  ansteigenden  Tonbewegung  an  eine  vom 
Wortende  möglichst  entfernte  Mora,  und  so  mag  dieser  Zirkumflex  der 
rezessive  heissen.  Er  hatte  aber  wahrscheinlich  auch  dieselbe  Form  mit 
dem  bei  Kontraktionen  wie  in  xqsig  =  r^*fg,  icrwtfg  aus  earaorsg^  raXka 
aus  td  aXXa  entstandenen  Zirkumflex  (vgl.  ad.  divrva  aus  divi  iva)  und  mag 
für  diesen  Fall  der  Eontraktionszirkumflex  genannt  werden. 

Ob  die  beiden  Zirkumflexarten  {nfidg  etc.  und  Zsv  etc.)  schon  in 
voralexandrinischer  Zeit  zusammengefallen  waren,  wissen  wir  nicht. 

Der  Gravis  (ßaqsTa  nQoa(f;id(a)  wird  für  zwei  wesentlich  verschiedene 
Fälle  statuiert. 

1.  Für  die  letzte  Silbe  proklitischer  Wörter,  z.  B.  nvcc  ydq^  71€qI 
tovTov,  dlld  taviay  ^^  av,  xd  ad.  Der  Wortaccent  bei  nicht  proklitischem 
Gebrauch  war  xiva^  ntgi^  aXXa,^)  ♦r;-/?^,  t«.  Die  sogen.  Anastrophe  in  rttQi^ 
ano  etc.  repräsentiert  also  die  eigentliche  und  ursprüngliche  Betonung 
dieser  Präpositionen  (vgl.  ai.  pari,  dpa  etc.),  s.  G.  Meyer,  K.  Z.  24,  238 
und  Benfet's  S.  81  genannten  Aufsatz.  *rj-f:€  ergibt  sich  aus  der  Erwägung, 
dass  -/?«  das  von  idg.  Urzeit  her  enklitische  *iie  (lat.  -ve)  war.  Auch  6 
»;  ol  aly  SV,  ig,  i^  gehören  hierher,  für  die  man  kousequenterweise  o  ^ 
etc.  schreiben  müsste;  man  befreite  sie  vom  Accentzeichen,  weil  Accent- 
und  Hauchzeichen  zusammentrafen  (Wackebnagel,  K.  Z.  28,  137).  Dass 
dieser  Gravis  gegen  die  Barytonesis  keinen  Gegensatz  bildete,  beweist 
am  besten  der  Umstand,  dass  auch  die  Lesbier  dvd,  drdg  u.  dgl.  sprachen 
(§  68). 

2.  Der  Gravis  trat  für  wortschliessenden  Akut  ein,  wenn  das  Wort 
nicht  den  Satz  abschloss,  wie  ßaaiXsvg  ijTon-asy  ausgenommen  rig,  rf,  die 
stets  den  Akut  behielten,  wie  xig  inoirias; 

Ob  in  beiden  Fällen  genau  dieselbe  Tonbewegung  stattfand,  ist  unklar. 
Überhaupt  ist  das  Wesen  beider  Graves  noch  nicht  sicher  ermittelt. 

Anmerkung.  Wenn  man  bei  ßnavXevg  inoitjae  von  , geschwächtem**  oder  „ge- 
dämpftem Akut*  spricht,  so  ist  damit  nichts  aufgeklärt,  s.  die  trefflichen  Bemerkungen 
von  L.  Masing,  Die  Hauptformen  des  serbisch-chorwatischen  Accents  nebst  einleitenden 
Bemerkungen  zur  Accentlehre  insbesondere  des  Griech.  und  des  Sanskrit,  1876,  S.  19  ff. 
Sicher  ist  nur,  dass  die  Deutung  davon  auszugehen  hat.  dass  dieser  Gravin  seine  Stelle 
hatte,  wo  unmittelbar  nach  ihm  eine  Silbe  gesprochen  wurde,  in  der  die  Spannung  der 
Stimme  anhob  oder  gipfelte.  In  iQseg  (iQetg),  näteQy  rä-de,  ög  rig,  xaXol  riyes  hatte  die 
auf  den  Akut  folgende  Silbe  eine  absteigende  Bewegung,  die  Spannung  der  Stimme  begann 
in  ihr  nachzulassen,  und  nach  den  Worten  iTJoir^ae  ßttoiXevg  trat  völlige  Spannungslosigkeit, 
die  Pause,  ein.  Dagegen  in  ^ßtttnXevg  IndQTt]^  und  in  *ßciatX€vg  inoifjae  folgte  dem  auf- 
steigenden Akut  sofort  wieder  aufsteigende  Tonbewegung.  Mit  *ßa<JiXsvg  iTidQtr^g  ver- 
gleiche man,  dass  auch  im  Wortinnern  zwei  Akute  auf  zwei  unmittelbar  auf  einander  fol- 


*)  Unrichtig  wird  neuerdings  dasVerhält- 
niss  von  dXXa  zu  «XXa  von  J.  Schmidt,  Fest- 


gruss  an  Böhtlingk  S.  100  beurteilt. 


C 


* 


84  A.  Grieohische  Grammatik,    b)  Lautlehre. 

geDden  Moren  nicht  geduldet  vurdeu,  weshalb  z.  B.  kein  ^ayyiXog  ng,  was  man  zunächst 
erwarten  sollte  (s.  Wheelbb  126.  129).  Es  ist  demnach  zu  vermuten,  dass  dieser  Gravis 
kein  lediglich  steigender  Ton  war. 

Was  den  Gravis  der  proklitisohen  Wörter  betrifft,  so  ist  zu  beachten,  dass  rd  ccVm 
ebenso  zu  rSXXa  wurde,  wie  itnaotes  zu  icttoteg, 

67.  Der  Wortaccent  der  idg.  Urzeit  war  frei,  d.  h.  weder  an  Silben- 
zahl noch  an  Quantitätsverhältnisse  gebunden.  Im  Griechischen  wurde 
diese  Freiheit  wesentlich  eingeschränkt  durch  das  sog.  Dreisilbengesetz, 
demzufolge  im  Ausgang  eines  mehrsilbigen  Wortes  oder  einer  mehrsilbigen 
Wortverbindung  (Verbindung  eines  Wortes  mit  einer  oder  mehreren  En- 
cliticae)  nicht  mehr  als  zwei,  nur  bei  trochäischem  Schluss  drei  Morae 
unbetont  bleiben  konnten.  rjUtov  iqdifav  für  *i]iia)v  *rjdiu}v  :  ai.  svddtyan, 
^sQOfievog  für  *(p€QOfA€vog  :  ai.  bhdramanas,  ipsQOfiävoio  (hom.)  für  *^6qo' 
fA€voio  :  ai.  bhdramanasya,  Zavg  rjiiiv  (d.  i,  *Z€vg  tjfxiv)  für  *Z€vg  rji^iv. 
onniftBQog^  avTog  tivvbqov  „ipse  utrumvis"  (d.  i.  *avv6g  noreQov)  für  ^apoS 
notsQog^  *avt6g  no^cQov,  ani-Tusiq  für  *anO'Tiaig  :  ai.  dpoHAti^^.  av-tm- 
d'SToq  äv'€7ti'i^€toio  für  *  aV'€7ti'&€Tog  äv-eni'd'stoio  :  ai.  dn-Hipa-hitas  an- 
apa-hitasya.  Die  letzte  Silbe,  wenn  sie  auf  einen  Diphthong  ausging, 
dessen  Eigenton  der  schleifende  Zirkumflex  war,  galt  dabei  als  Doppelmora, 
wie  loc.  sg.  ^€QOfitvoi  (el.,böot.  etc.)  für  *(p€QOfA€voi :  ai.  bhdramane,  dagegen 
galt  sie  als  ^ine  Mora,  wenn  des  Diphthongs  Eigenton  der  Akut  war, 
wie  nom.  pl.  g>€Q6fi€voi  für  ^fpsgofievoi,  s.  §  66.  Ein  aus  -rjo-  durch  sogen. 
Umspringen  der  Quantität  entstandenes  unbetontes  -fco-  zog  keinen  Wechsel 
im  Tonsitz  nach  sich,  z.  B.  ^ÄTQBÜsfü^  noXecog,  ileag  (§  19);  -€a)-  hatte  hier 
nicht  den  vollen  Wert  von  ^  -,  weshalb  es  auch  bei  den  Dichtem  sehr  oft, 
in  gewissen  Fällen  durchgängig,  einsilbig  gemessen  erscheint. 

Innerhalb  der  von  diesem  Gesetz  nicht  berührten  Wortsilben  finden 
wir  oft  noch  den  uridg.  Tonsitz  festgehalten.     Und  zwar  in  folgenden  Fällen : 

1.  Auf  der  letzten  Mora  ausser  bei  daktylischem  Wortausgang. 
nodog  noal  :  ai.  padds  patsü,  ßagvg  :  ai.  gurii^.  IccQog  teqog  :  ai.  isirds. 
ncc%vX6g  :  ai.  bdhulds,  xXvrog  nemog  cfistog  :  ai.  irutds  paktds  vamitds; 
ayanrjvog.  Teicafievog  :  vgl.  ai.  sas^mO/nds,  naxriq  ^evxvrjg  yBvetTJQ  :  ai. 
pitd  yöktdjanitd,     negttmg  iatatag  :  ai.  babhüvdn  tasthivdn;  nsTrrjydg  x€%aQr>ißK. 

Hier  mögen  auch  genannt  sein  die  Fälle  der  Übereinstimmung  des 
griech.  Akuts  mit  dem  litauischen  „gestossenen**  Ton.  Sg.  tpvya  pl.  ipvyat\ 
Tlfia  tlfiaCy  iega,  ayamjra  :  lit.  sg.  gerö{'ji),  du.  gere{-j{),  vgl.  §  84.  80. 
Du.  xakci  pl.  xaXoi  :  lit.  du.  geru{~ju)  pl.  gere{'ji). 

2.  Bei  schleifendem  Zirkumflex  auf  der  letzten  Silbe,  noddiv^  xaliv^ 
te^Vy  ayanrjtwv  :  vgl.  lit.  szunü,  gerü.  ^vytfi^  ^f/*»;^»  *«ß«^5  äyajttjfvffi  :  vgl. 
lit.  mergos.    Yc^juor  :  vgl.  lit.  name,     xaXoTg  :  vgl.  lit.  gerats. 

3.  Auf  der  vorletzten  Silbe  bei  pyrrhichischem  und  trochäischem 
Ausgang,  nsgi  :  ai.  pdri.  naxäQsg^  d-vyaxäqcg  :  ai.  pitdras,  duhitdras.  innog  : 
ai.  dMvas.  ÖQaxovteg  :  ai.  d^Sdntas,  Hierzu  auch:  dya&d  r«,  äyad-ig  ng  u.  dgl. 

4.  Als  nicht  erst  durch  das  Dreisilbengesetz  bedingt  kann  der  Ton- 
sitz auch  in  folgenden  Fällen  angesehen  werden.  &vyaT€Q  :  ai.  diihitar, 
v(fT€Qog  :  ai.  üttaras.  ijSiov  :  ai.  svädtyas,  y^veog  :  ai.  jdnasas.  oxtw^jiovg  : 
fti.  dftd-'pat     y>(Xog  ug,  JSwxQovrjg  tig,  naxr]Q  fAov^  Ttorafiot  tiveg. 


6.  Betonung.  (§  67.) 


85 


Indes  trat  auch  im  Gebiet  dieser  freien  Wortsilben  für  die  Tonstelle 
nach  zwei  Richtungen  eine  Beschränkung  ein: 

1.  Hatte,  bei  trochäischem  Ausgang,  die  vorletzte  Silbe  einen  langen 
Vokal  oder  einen  Diphthong,  so  konnte  nur  die  erste  Mora  desselben  den 
Ton  haben,  d.  h.  die  Silbe  bekam  stets  den  Zirkumflex.  Es  handelt  sich 
dabei  aber  wahrscheinlich  stets  entweder  um  den  rezessiven  oder  den 
Kontraktionszirkumflex.  Jener  z.  B.  in  fxfJTeQ  (vgl.  Zsv),  dieser  z.  B.  in 
fatdreg  aus  iaraaveg  (nicht  ^iarciteg^  wie  man  nach  itTToig  aus  iarawg  er- 
warten sollte),  gleichwie  ipoßovvreg  aus  ifoßäovxeg.  Über  die  Ausnahmen 
im  Dorischen,  wie  pl.  mcixcg,  s.  §  68.  Verbindungen  mit  Encliticae  wurden 
von  diesem  Gesetz  nicht  betroffen,  z.  B.  nccxrjQ  ye,  d.  h.  der  genuine  Accent 
des  ersten  Nomons  wurde  durch  die  Analogie  der  Betonung  des  nicht  mit 
einer  Enclitica  belasteten  Nomons  gehalten. 

2.  Daktylisch  ausgehende  Oxytona  wurden  zu  Paroxytona.  ayxvkog 
r]dvXo~g  :  vgl.  naxvXog,  TsXeatfOQog  :  vgl.  ffoqig  und  ipvxoTrofinog»  €QQ(0' 
fievogy  äxaxfievog  :  vgl.  <I>cfjUf i'og,  Teiaafisvog,  Diu'ch  Analogiewirkung  wurden 
diesem  Gesetze  viele  Ausnahmen  geschaffen,  z.  B.  XsXvfxävog  nach  iqQw- 
fi€vog,  SfjfAoßoQog  nach  teXea^oQogy  umgekehrt  z.  B.  ägiategog  nach  is^iTCQog. 
Nach  ihm  kam  neben  novg  nodog  nodi  lautgesetzlich  offQvg  wpqvog  otpqvi 
(ai.  bhri^  bhruväs  bhrnvi)  zu  stehen,  und  solche  in  mehreren  Fällen  laut- 
gesetzlich eingetretene  Ausgleichung  des  Tonsitzes  im  Paradigma  wirkte 
für  andere  Fälle  vorbildlich.     Vgl.  Wheeleb  S.  60—104. 

Was  nun  die  Entstehung  des  sogen.  Dreisilbengesetzes  betrifft,  so 
handelt  es  sich  dabei  um  einen  auf  griech.  Boden  neu  entwickelten  Wort- 
accent,  dessen  Voraussetzung  war,  dass  entweder  das  ganze  Wort  oder 
wenigstens  die  zwei  oder  drei  letzten  Silben  desselben  unbetont  waren. 

Jenen  Fall  haben  wir  bei  den  Pronominalformen  nirvegog  ,  einer  von 
beiden"  (neben  noadg  noiog)  und  ^juwr  r^iiiv  (neben  /iöv  fioi)  und  beim  Verbum 
finitum.  Dieses  war  seit  uridg.  Zeit  im  Hauptsatz  unbetont  und  verlor 
hiemach  im  Griech.  auch  im  Nebensatz  seine  ursprüngliche  Betonung.  So 
waren  z.  B.  (peqofisv,  ^eqoiud^a,  dtdoqxe  Substitut  für  -^  ^sQOfitv,.  J-  ifsqü- 
/xB^^Oy  -L  SeSoQxe.  Nur  eifxl  und  (prjfil  blieben  enklitisch.  Über  die  Aus- 
nahmen iSe'y  Xaßä  etc.  s.  Osthoff,  P.-Br.  B.  8,  265  f.  Waren  innerhalb 
eines  Paradigma's  von  Verbalformen  (ind.  praes.  etc.)  eine  oder  mehrere 
Personen,  die  auf  Grund  des  Dreisilbengesetzes  den  neuen  Accent  bekommen 
mussten,  so  erhielten  auch  die  Formen  einen  neuen  Accent,  welche  hätten 
enklitisch  bleiben  können,  und  zwar  stets  auf  der  ersten  Mora,  z.  B.  ifiev 
Xinsg^  i(ffi€V  oiia  elfii,  ßrjy  ßav  (vgl.  iMi,  Xinoiiev,  tactai^  ßijrtjv  ßccrrjv). 
Ähnlich  äXysa  rjfiiv  statt  ^äXysd  t^jiiiv  nach  aXyea  rj/Jiwv  und  7]filv.  Aber 
Ji  Tig,  ^  Tivog  und  hiernach  -  tivwv  :  aXyed  tivcdv  statt  *äXy€a  t(v(ov  nach 
aXyed  Tivog,  vgl.  ßdastov^  7iri%€fav  nach  ßd(f€(ügy  7rijx«<o^  (§  89). 

Beispiele  für  den  andern  Fall  sind  'Aydfiefirov  für  *"Ayaiii€iAvov,^) 
(fiQofisvog  für  *(fhQoiiifvog. 


*)  Dass  in  den  Vokativen  dieser  Art 
(vgl.  noch  'jQiaroyeixov,  'JfKpixQiaeg)  der 
historische  Accent  nicht  an  die  Stelle  älterer 
Tonlosigkeit  getreten  war  (vgl.  Wheeler  a. 


0.  52),  glaube  ich  darum  annehmen  zu  müssen, 
weil  Zweisilbler  wie  Tidteg  stets  betont  er- 
scheinen. 


86  A.  GhieohiBche  Grammatik,    b)  Lautlehre. 

Anmerkung  1.  Bloomfield^s  gegen  Wheelbr  gerichtete  Ausführungen  Amer.Journ. 
of.  Phil.  9,  1  ff.  scheinen  mir  nur  unwesentliche  Modifikationen  der  von  diesem  letzteren 
Gelehrten  aufgestellten  Hypothese  nötig  zu  machen.  Dass  in  y^rog^  eidog  und  vielen  andern 
Nominalformen  nicht  der  altererbt«  Ton  erhalten  worden  sei,  dass  nach  gewissen,  zunächst 
im  Verbum  finitum  entstandenen  Betonungstypen  durch  blosse  lautliche  Analogie,  ohne  Be- 
rücksichtigung der  Bedeutung,  diese  Nomina  ihren  Accent  erhalten  hätten,  leuchtet  mir 
nicht  ein.  Warum  das  Griech  bei  Wörtern  von  der  Form  -  w  mit  langem  Vokale  in 
der  Penultima  nur  den  Zirkumflex  duldete,  wird  mir  auch  durch  Bloomfibld's  Hypothese 
nicht  klar;  denn  diesen  Ton  hatte  auch  z.  B.  vij^g,  wo  man  wegen  rriog  ytjwy  docn  nicht 
an  neuen  (rezessiven)  Accent  denken  darf.  Höchstens  kann  ich  zugeben,  dass  bei  ge- 
wissen Nominal kategoricn,  z.  B.  bei  den  Neutra  auf  -o?,  wo  meist  der  alte  Ton  in  einem  Teil 
der  Kasus  mit  der  Rezessivaccentuation  bereits  in  Übereinstimmung  war  {y^yos  yeveog  etc.) 
und  nur  im  gen.  pl.  du.  der  neue  Ton  sich  neu  daneben  stellen  musste  {y^vitav  für  *yivBwv), 
Unterwerfung  der  ganzen  Wortkategorie  unter  die  Prinzipien  der  Rezessivbetonung  er- 
folgte, vgl.  z.  B.  igeßos,  nicht  *iQsßog  =  ai.  räjas  und  so  vielleicht  auch  eidog  für  älteres 
*fei6og  mit  Verlegung  des  Tones  auf  die  erste  Mora  des  Diphthonges.  Die  allermeisten 
aber  von  den  Nomina,  die,  ursprünglich  Oxytona,  im  Griechischen  eine  Rezessivbetonung 
erhielten,  bekamen  diese  ohne  Zweifel  nach  dem  Muster  von  anderen  Nomina,  die  schon  von  vor- 
griech.  Zeit  her  Barytona  waren,  wofür  von  Bloomfield  selbst  ja  mehrere  Beispiele  gegeben 
sind,  und  es  ist  keine  kühne  Annahme,  dass  sie  alle  auf  diesem  Wege  ihre  neue  Betonung 
erhalten  hatten.  Weiter  auf  die  Einzelheiten  der  zum  Teil  sehr  schaxf sinnigen  Erörterungen 
von  Bloomfield  einzugehen,  verbietet  mir  leider  der  Raum. 

Durch  Analogiewirkung  wurde  die  Betonung  oft  gestört;  einige 
Fälle  wurden  schon  oben  erwähnt.  Man  kann  drei  Kategorien  unter- 
scheiden. 

1.  Dass  man  avx^qwnov  rtva,  avd^qtonog  nov,  awfid  (lov  sprach,  kam 
daher,  dass  der  Accent,  den  das  erste  Wort  sonst,  wenn  es  nicht  mit 
einer  Enklitika  belastet  war,  trug,  im  Bewusstsein  lag  und  sich  geltend 
machte,  crw/ia  rc  statt  *a(jifxa  rs  (vgl.  (TuifiaTog)  nach  der  Analogie  von 
(fcofia  fAov  und  von  xaXog  re  u.  dgl.  Vgl.  auch  ccvd^QOiTiög  ttg  statt  *äv- 
^Qcinog  tig  (vgl.  §  66  Anm.)  und  narrjQ  ye  statt  *7iaTfjQ  ys  (oben  in 
diesem  Paragraphen  S.  85). 

2.  Wechsel  des  Tonsitzes  im  einfachen  Wort,  ixvgog  (vgl.  ai.  svd- 
Sarahs)  nach  ixvga,  x^i^covg  statt  *XQ^^^^?  (aus  x^iJcrto-^)  nach  XQ^^^^^ 
aus  XQ^^^^^y  umgekehrt  evvov  statt  *€vvov  (aus  evvoov)  nach  evvovg,  juijtjj^, 
älter  *iiirJTr^Q,  statt  *fi7jit]Q  (ai.  mätd)  nach  fiijtfQ  (die  Übereinstimmung  mit 
lit.  möte  neben  moti  halte  ich  für  zufällig)  und  d-vydrr^Q^  älter  *&vyaTr]Q, 
statt  "^O^vyaTTjQ  (ai.  duhitd)  nach  O^vyazfg,  ri&etai  statt  ri'i^fio'i  nach  iViracrr 
(§  115).  Tid-eifisv  statt  *Tid^€tf^i€V  nach  ftfisv  eldeT/LUv  (§  145,  1).  xgcenCTog 
statt  "^xQautfTog  nach  xQtaawv  (§  70,  14b.).  Die  durchgehende  Barytonesis 
der  Abstrakta  auf  -ti-s,  wie  ßdai-g,  nach  den  andern  von  alters  her  bary- 
tonen  Abstraktklassen,  den  Nomina  auf  -o-g,  -o^,  -jua  (Bloomfield  a. 
0.  30).  ifeqsxQO-v,  iXvTQO-v  (ai.  bharitra-m  vartUra-m)  wurden  zu  ipeQstQov,  ikv- 
TQov  =  ai.  bJmritrasyay  variUrasya  hinzugestellt  nach  anderen  nom.  acc. 
neutr.  auf  ^  ^  ^  ,  gen.  ^  ^  -  . 

Anmerkung  2.  Im  Griech.  waren  viele  Wörter  als  Eigenname  anders  hetont  denn 
als  Appellativum,  z.  B.  Jioye'prjg  :  (fioyeyijfy  Teiaafisyos  :  reiaduevog,  'JfnporsQog  :  dfA^oxBQog, 
In  den  meisten  Fällen  heruhte  dies  darauf,  dass  ein  altererbter  i3etonung8unter8chied  be- 
nutzt wurde,  um  die  Funktions Verschiedenheit  zu  markieren  (s.  1.  Aufl.  S.  49  Fussn., 
Wheeler  a.  0.  50  flP.,  Pbellwitz,  Gott.  gel.  Anz.  1886,  S.  760).  Aber  damit  kommt  man 
nicht  aus.  Bei  der  grossen  Masse  zum  Teil  jüngerer  und  jüngster  Formationen  muss  an- 
erkannt werden,  dass,  nachdem  diese  Accentverschiedenheit  zu  einem  charakteristischen 
Merkzeichen  der  Verschiedenheit  der  Bedeutung  geworden  war,  analogetische  Neubildungen 
aufkamen.  In  ähnlicher  Weise  wurde  auch  die  altüberkommene  Betonungsverschiedenheit 
zwischen  Abstraktum  und  Nomen  agentis  {xofinog  :  xofinos,  tpevdos  :  \pevdtjg  u.  dgl.,  s.  §  73, 1) 


6.  Betonung.  (§  68.)  87 

als  formatives  Prinzip  produktiv:  z.  6.  nach  dem  Verhältnis  von  tgoxo-^  ,wer  läuft,  Rad, 
Scheibe'  zu  tqoxo-s  »Lauf  stellte  man  zu  doUx6-g  ein  dohxo-g  «Langlauf. 

3.  Wechsel  der  Tonqualität,  nag  für  *7tag,  vgl.  ßceg  tpag  (§  72,  3). 
natg  für  *naig  aus  na{p)ig,  sJg  für  ^€ig  (vgl.  ovi-efg  und  rovg  aus  rovg), 
etwa  nach  TQctg  (Bloomfield  a.  0.  20).  ijinTv  für  *i^^<y  (vgl.  ifitv)  wohl 
nach  ij/tcov  jj^ua^  (G.  Meyer,  Gr.  Gr.*  389).  ßovg  vielleicht  nach  ß(ov  ßovv^ 
vgl.  Zevg  neben  Zrjvy  u.  dgl.  m.,  s.  Bloomfield  a.  0.  7  sqq.  Wo  der 
Zirkumflex  als  Neuton  der  rezessive  war,  handelt  es  sich  freilich  auch 
hier  um  einen  Wechsel  des  Sitzes  des  Accents,  indem  dieser  um  eine  Mora 
nach  dem  Wortanfang  zu  rückte. 

68.  Alle  oben  vorgetragenen  Thatsachen  der  Betonung  des  Griechischen 
beruhen  auf  den  Festsetzungen  der  alexandrinischen  Grammatiker,  die  über 
die  Betonungsverhältnisse  der  voralexandrinischen  Epoche  nur  sehr  unvoll- 
kommen unterrichtet  sein  konnten.  Man  muss  sich  dessen  bewusst  sein, 
dass  die  Accentsetzung  für  alle  älteren  Texte  im  grossen  ganzen  nichts 
anderes  ist  als  einfache  Übertragung  der  Betonung  der  alexandrinischen 
Zeit  auf  Sprachphasen,  in  denen  die  Accentuation  sehr  wahrscheinlich 
in  vielen  Punkten  eine  andere  war.  Nur  die  Rücksicht  auf  die  Unter- 
stützung, die  die  Schreibung  der  Accente  dem  Verständnis  so  häufig  ge- 
währt, kann  es  rechtfertigen,  dass  man  Texte  wie  die  homerischen  Gedichte 
nicht  ohne  Tonzeichen  lässt. 

A  priori  ist  zu  vermuten,  dass  die  Betonung  in  den  verschiedenen 
Mundarten  nicht  überall  genau  dieselbe  war,  und  über  einige  Abweichungen 
von  der  attischen  Betonung  geben  die  Grammatiker  Nachricht. 

Die  Lesbier  zogen  den  Accent  überall  nach  Massgabe  des  Dreisilben- 
gesetzes zurück,  z.  B.  norafxog^  x^vfxog^  "ArQsvg^  ßatfiXevg^  (r6<pog,  Zsvg^  xV^'y 
in  den  beiden  letzten  Wörtern  bedeutet  der  Zirkumflex  Zurückziehung  des 
Haupttons  auf  die  erste  Mora  (vgl.  §  66).  S.  Meister,  Gr.  D.  1,  31  flf. 
Dass  Präpositionen  und  Konjunktionen  wie  dvd,  6id,  drag,  avtdQ  auch  im 
Lesb.  ihren  Endton  behielten,  ist  nicht  auffallend,  da  es  sich  hier  um  den 
proklitischen  Gravis  handelt,  der  zur  Barytonesis  keinen  Gegensatz  bildete 
(§  66).  Im  Lesbischen  haben  wir  also  eine  Betonung,  die  auf  einer  Linie 
stand  mit  der  im  Attischen  für  die  vorgriech.  unbetonten  Formen  des 
Verbum  finitum  eingetretenen  Neubetonung,  Zevg  wie  ßrj,  aotpog  wie  Tjxev^ 
&vfxog  wie  eifii^  &viii(p  wie  y*^«^,  ninanog  wie  (ftgoiiuv  u.  s.  f.,  s.  §  67 
und  Bloomfield  a.  0.  14.  26.  Ob  diese  Betonungsweise  sich  schon  geraume 
Zeit  vor  dem  alexandrinischen  Zeitalter  ausgebildet  hatte,  ist  ungewiss 
und  unsere  Accentsetzung  in  den  Texten  der  altäolischen  Dichter  daher 
durchaus  hypothetisch. 

Im  Dorischen  findet  sich,  im  Gegensatz  zum  Tonsitz  im  Attischen, 
ein  ^prozessiver**  Accent,  z.  B.  in  iXdßov^  dv&Qvinoi^  inf.  axaaai^  cuysg, 
^Alx^av,  yXav^y  wobei  der  Akut  gegenüber  dem  att.  Zirkumflex  derselben 
Silbe  ein  Vorrücken  des  Accentes  um  eine  Mora  bedeutete.  S.  Bloomfield 
a.  0.  14  sq.  Leider  ist  die  Überlieferung  eine  zu  dürftige  und  unvoll- 
kommene (s.  Meister's  zu  Anfang  dieses  Abschnittes  S.  81  genannten  Auf- 
satz), als  dass  wir  den  Umfang  dieser  Eigentümlichkeit  bestimmen  und  ihr 


88  A.  Griechische  Ghrammatik.    b)  Lautlehre. 

auf  den  Grund  kommen  könnten.  Auch  wissen  wir  nicht,  wie  weit  sie  im 
dorischen  Gebiet  verbreitet  war,  und  ich  ziehe  es  vor,  die  dorischen  Sprach- 
formen für  gewöhnlich,  wo  Accentfragen  nicht  im  Spiele  sind  und  nur 
die  Beton ungs weise  die  Form  als  dorische  charakterisieren  würde,  ohne 
Rücksicht  auf  dieselbe  nach  attischer  Weise  zu  schreiben.  Diese  Schrei- 
bung ist  ebenso  wie  unsere  Accentuierung  der  hom.  Gedichte  und  anderer 
Texte  ein  Notbehelf. 


Flexionslehr  e.') 


1.  Vorbemerkungen. 

69*  Das  flektierte  Wort  besteht  aus  Stamm  und  Flexionsendung. 
Die  Flexionsendungen  sind  teils  nominale  und  pronominale  (Kasussuffixe), 
teils  verbale  (Personalsuffixe).  In  manchen  Fällen  fungierte  im  Griechischen, 
wie  in  den  andern  indogermanischen  Sprachen,  der  Stamm  als  Wort,  und 
schon  die  idg.  Grundsprache  entbehrte  der  Flexionsendung,  z.  B.  nom.  sg. 
xivTjj  =  ai.  Srutd,  idg.  *klutä,  loc.  sg.  Sofxev  (infin.)  wie  ai.  kdrman,  2.  sg. 
g;äQ€  =  ai.  bhdra,  idg.  *bhere.  Die  Annahme,  dass  in  solchen  Fällen  in  der 
Zeit  der  idg.  Urgemeinschaft  ein  Kasus-  oder  Personalzeichen  abgefallen 
sei,  enträt  jeglicher  Begründung. 

Die  meisten  Stämme,  nominale  (pronominale)  und  verbale,  hatten  im 
Griech.  innerhalb  des  Paradigma's  verschiedene  Gestaltung,  ohne  dass  hier- 
durch eine  Funktionsverschiedenheit  bedingt  war,  z.  B.  nartq-a  naxQ-oq 
navQa-ai,  (peQOVT-sg  ^tqov-at,  idfirr^-fii  öaiiva-fiev^  r]-[.iai  r^a-zai.  Ein  Teil 
dieser  Verschiedenheiten  war  aus  der  idg.  Urzeit  vererbt,  andere  hatten 
sich  erst  innerhalb  der  griech.  Sprachentwicklung  eingestellt. 

Aus  der  idg.  Urzeit  waren  alle  die  FormdiflFerenzen  überkommen, 
welche  die  sogenannte  Stammabstufung  ausmachen.  Man  unterscheidet  beim 
abstufenden  Stamme  zwischen  starker  und  schwacher  Form  oder  starken 
und  schwachen  Formen,  jene  hatten  Hochstufen-,  diese  Tiefstufenvokalismus. 
Bei  den  meisten  Nominalklassen  waren  die  starken  Stammformen  von  idg. 
Urzeit  her  dem  nom.  acc.  voc.  loc.  sg.,  dem  nom.  acc.  du.  und  dem  nom. 
und  wohl  auch  acc.  pl.  eigen  (z.  B.  natrjQ  natäq-a  ndrsq  rrareQ-iy  TrartQ-f, 
TiaräQ-eq  naztQ-ag;  Zethg  Zrj-v  Zsv),  die  schwachen  den  andern  Kasus  (z. 
B.  narg-og  TicctQ-oyv  naxQd-ai'^  Ji(f)'6g).  Eine  andere  Verteilung  zeigen  seit 
uridg.  Zeit  z.  B.  die  w-Stämme  wie  rjSv'  rjösp-^  z.  B.  zwar  nom.  pl.  ijrf«(f)-fg 
mit  starker,  aber  nom.  sg.  i^dv-g  mit  schwacher  Stammform,  und  wieder 
anders  war  der  Ablaut  bei  den  o-Stämmen,  wie  olxs-  olxo-,  verteilt,  z.  B. 
nom.  sg.  olxo-g,  loc.  pl.  oho-iaiy  loc.  sg.  ofxe-i  und  oTxo-i.  Im  Gebiet  des 
Verbums  bestand  bei  den  sogen,  themavokallosen  Tempora  und  Modi  schon 


V  Vgl.  G.  Mbyeb,  Gr.  Gr.*  S.  301-517,  Pezzi,  La  1.  gr.  ant   p.  142-296. 


90  iL  GriechiBohe  Grammatik,    c)  Flezionalehre. 

in  der  idg.  Grundsprache  die  Begel,  dass  die  drei  Singularpersonen  des 
Aktivs  starke,  der  Plural  und  Dual  des  Aktivs  und  das  ganze  Medium 
schwache  Form  hatten,  z.  B.  ibrij-ui,  lirta-fiev.  laTu-fiai;  ol-i-a  Td-iuv; 
€itj-v  €i'fi€t\  Anders  waren  Stammformen  wie  yfßf-  y*ßo-  verteilt,  z.  B. 
€(p€QO'V  i(f€Q€-g  u.  s.  w.  Alle  diese  Unterschiede  der  Stammgestalt  waren 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  nur  eine  mechanische  Folge  urindogermani- 
scher Betonungs Verschiedenheiten,  und  man  hat  anzunehmen,  dass  mannig- 
fache Verschiebungen  dieser  Abstufungsdififerenzen  schon  bald  nachdem  diese 
ins  Leben  getreten  waren,  d.  h.  bereits  vor  der  Auflösung  der  idg.  Ur- 
gemeinschaft stattgefunden  hatten.  Auch  im  Gebiet  der  Kasussuffixe  und 
der  Personalendungen  zeigen  sich  derartige  Ablautbewegungen,  doch  treten 
sie  gegen  die  in  den  stammhaften  Wortteilen  sich  abspielenden  ganz  zurück, 
z.  B.  Genitivsuffix  -os  {nodog)  und  -s  {dea-notrjg,  s.  §  79). 

Ebenfalls  aus  der  idg.  Ursprache  brachten  die  Griechen  einige  Ver- 
schiedenheiten der  Stammform  mit,  die  durch  konsonantische  Assimilations- 
prozesse hervorgerufen  waren  und  auf  die  der  Name  Stammabstufung  nicht 
angewandt  wird,  z.  B.  *pet-  in  *petsü  {noaai,  §  48.  72)  neben  *ped'i 
{no6i)  u.  s.  w.,  *^oiftha  [phx^a^  §  36)  neben  *uoide  {oiie)  u.  s.  w. 

In  der  griechischen  Sprachentwicklung  erfuhr  der  überlieferte 
Stand  der  Stammabstufung  vielfache  Abänderungen.  Die  meisten  und  tief- 
greifendsten durch  Formassoziation,  besonders  durch  Uniformierung  inner- 
halb desselben  Formerisystems.  So  wurden  naxtQ-og  (hom.  thess.)  TiaräQ-wv 
(att.)  statt  naxQ'Og  narq-wv  nach  Tiatäq-a  TrareQ-i  naräQ-eg  etc.,  O-v-fatq-a 
(hom.)  statt  ^vyaTäQ-a  nach  O^vyarq-og  etc.,  iciroQ-vg  Swtoq'Wv  idroq-ai 
dorriQ-og  doTijQ~(ov  Sot^Q-ai  statt  *-r^-og  *'TQ'WV  ♦-r^a-ct  nach  dciroQ-a  doxr^q 
etc.,  yeyov'aiisv  statt  ytycc-iisv  nach  y^yor-a  etc.,  Tatga^-a  statt  r^rqoif'cc 
nach  tsTQdif^aiiev  rctgafifiai  etc.,  ehj-fiev  statt  ei-fisv  nach  ehj-v  etc.,  XeXetnrai 
statt  ^leXm-rai  nach  Xsitko  etc.  neu  gebildet.  Mehr  nur  die  Oberfläche  der 
Formen  wurde  berührt  durch  die  lautgesetzlichen  Umgestaltungen,  z.  B. 
MnB'og  aus  ^peneaog  neben  inea-ai  (§  45),  kret.  (fsqovai  att.  tfägovai  aus 
"^(peQovT-ai  neben  (pägovr-eg  etc.  (§  48),  vj/xai  aus  *t](f'fiai  neben  rjc-xai  (§  45). 
Doch  wurden  manchmal  durch  lautgesetzlichen  Wandel  Verschiedenheiten 
geschaffen,  die  den  aus  vorgriechischer  Zeit  herstammenden  Ablautverhält- 
nissen sehr  ähnlich  sehen  und  auf  die  man  daher  den  Namen  Ablaut  eben- 
falls gelegentlich  angewendet  hat,  z.  B.  iyvo-v  yvo-tt-sg  aus  urgriech.  *iyv(a-vT 
"^yvco^vT-eg  (§  26)  neben  iyv(ü-v  lyvw-fisv  etc.,  an  rfo-  :  Jcö-  u.  dgl.  erinnernd. 
Die  durch  Lautwandel  hervorgerufene  Formzersplitterung  gab  ihrerseits 
sehr  häufig  wieder  Anlass  zu  Assoziationsbildungen.  Wie  z.  B.  durch  die 
Neubildungen  nod-eatsi  und  nod-oig  in  einigen  Mundai'ten  der  altererbte 
Abstand  der  Stammgestalt  des  loc.  pl.  von  derjenigen  der  andern  Kasus 
nod'sg  etc.  (schon  vorgriechisch  *pet-sü  mit  t  gegenüber  *ped-i  etc.  mit  d) 
aufgehoben  wurde,  so  durch  die  Neuschöpfungen  ^cQovT-etfffi  iffqovT-oig 
die  durch  griechischen  Lautwandel  entstandene  Verschiedenheit  zwischen 
(ptQOvai  und  (ptgovr^eg  etc.  (§  90).  xd&-ijTCU  für  ^xad^r^axai  (vgl.  ijcr-rai) 
nach  xdO^'Tjfxai  ^i^/xct^a;  rjxe  r^xov  r]xr^v  für  ijc-tc  ijc-xov  fj<r-xijv  nach  f]fi€v; 
iaiilv  für  tt^i^v  nach  itf-xh  (§  112). 

Es  erübrigt  noch,  darauf  hinzuweisen,  in  welchem  Sinne  wir  den  Aus- 


1.  Yorbemerkimgen.  (§  69.)    2.  Nominal*  und  Pronominalflexion.  (§  70.)      91 

druck  Suffix  gebrauchen.  Wie  wir  das,  was  wir  die  Wurzel  eines  Work*s 
nennen,  nicht  ohne  weiteres  für  etwas  ursprünglich  einheitliches  und  selb- 
ständiges ausgeben  (s.  §  11  Anm.  S.  28),  so  behaupten  wir  auch  nicht, 
dass  die  Laute  oder  Lautkomplexe,  die  wir  Suffixe  nennen,  von  Anfang 
an  in  der  Gestalt,  wie  wir  sie  aus  dem  Lautkörper  auslösen,  etwas  ein- 
heitliches  und  selbständiges  gewesen  seien.  Wir  bezeichnen  als  Suffix  viel- 
mehr das,  was  von  den  sprechenden  in  einer  gewissen  Periode  als  ein 
verschiedenen  Wörtern  in  gleicher  Weise  eigenes  formatives  Element  em- 
pfunden wurde  und  seine  Stelle  hinter  der  „Wurzelsilbe"  hatte.  So  reden  wir 
z.  B.  von  einem  nominalen  Stammbildungssuffix -es- in  *gen-es-*nebhr'eS'{ytvog 
vhifog)  etc.,  obwohl  ^genes-  vielleicht  durch  Antritt  von  s  an  gme-  zu  stände 
gekommen  war.  Und  wir  sprechen  von  einem  gleichartigen  Suffix  -o-  (oder  -e-) 
in  *gon'0'  (yoro-g)  und  einem  präsens-  und  aoriststammbildenden  Suffix  -o- 
(oder  -e-)  in  ^gen-o-  {i-y^v-o-inr^v),  obwohl  die  Lautkomplexe  *gonO'  ^gone- 
*geno-  ^gene-  vielleicht  nicht  durch  Zusammensetzung  entstanden  waren, 
sondern  von  allem  Anfang  eine  Einheit  gebildet  hatten.  Die  naive  Analyse, 
welche  die  sprechenden  an  den  Formen  vollziehen,  ist  nicht  durch  alle 
Perioden  hindurch  dieselbe.  Sie  verschiebt  sich  mit  den  Umgestaltungen, 
die  die  Formen  erleiden.  So  waren  die  die  Kasussysteme  von  ytVo^,  vtffog 
etc.  ausmachenden  Formen  für  die  Griechen  nur  zu  der  Zeit  cr-Stämmo 
(fo*  :  ocr-Stämme),  als  das  intervokalische  er  noch  gesprochen  wurde:  ytrog 
*y€V€(f-og  ^ytveC'i  etc.  Dagegen  konnte  später,  als  die  Formen  wie  yh'rog  ytvovg 
yevfi  yärrj  ysvwv  yiveai  entstanden  waren,  nur  y^v-  veif-  etc.  als  das  den 
Kasusformen  gemeinsame,  als  „Stamm"  empfunden  werden,  -er-  schwand 
bereits  in  urgriechischer  Zeit,  und  wenn  wir  trotzdem  z.  B.  sagen:  „die 
^c-Stämme  erfuhren  im  4.  Jahrh.  v.  Chr.  die  und  die  Umwandlung",  so 
ist  das  eine  abgekürzte  Ausdrucksweise,  die  sich  aus  praktischen  Gründen 
nicht  wohl  umgehen  lässt.  Vgl.  u.  a.  von  der  Pfordten,  Zur  Gesch.  d. 
griech.  Denomin.  1886,  S.  1  flf.,  Vf.  Grdr.  2,  17  ff. 

2.  Nominal-  und  Pronominalflexion. 

Die  nominalen  Stammklassen,  i) 

1.   Nomina  mit  stammbildenden  SnfflLxen. 

70.  A.  Suffixe  auf  Vokale. 

I.  Suffixe  auf  -o  und  -ä.  Bei  den  o-Stämmen  Wechsel  zwischen 
-e-  und  -0-.  e  im  sg.  voc,  loc.  [oixsi),  instr.  sg.  (gortyn.  o-7rr}),  beim  Pro- 
nomen auch  im  gen.  sg.  (z.  B.  hom.  rto,  §  94),  vgl.  ferner  dvelv  neben 
dvciiv  (§  85).  S.  Vf.  M.  U.  2,  244.  o  z.  B.  im  nom.  acc.  sg.  Mehrere 
Kasus  hatten  seit  uridg.  Zeit  sowohl  -e-  als  -ö-,  z.  B.  loc.  (hxh  und  oTxoi^  instr. 
lak.  nr^-noxa  gortyn.  r^  neben  nd^noTe^  was  auf  uridg.  Accentwechsel  be- 
ruhte (hierüber  zuletzt  J.  Schmidt,   Festgruss  an  Böhtlingk  101).     Merke 


^)  Leo  Meyeb,  Vergleich.   Gramm,   der  mina  mit  dreifacher  Stammabstufung  im  Alt- 

gr.  und  lat.  Spr.,  2.  Bd.     G.   Meter,  Beitr.  ind.  und  im  Griech.,  Bezz.  B.  10,  1  flP.    Vf. 

zur  Stamrabildungslehre  des  Griech.  und  Lat.,  Grdr.  2,  96  ff.   Ferner  vgl.  die  im  leiztge- 

C.  St.  5.     H.  CoLLiTz,  Die  Flexion  der  No-  nannten  Buche  aufgeführte  Litteratur. 


92 


A.  Griechische  Grammatik,    c)  Flexionslehre. 


die  Trübung  der  ursprünglichen  Stammgestalt  in  Xeoi-g  aus  *hpg  ^  dor. 
^og  (§  19).  Bei  den  ö-Suffixen  Ablaut  ä  :  a.  a  im  voc.  sg.  {vvfi^a), 
nom.  acc.  du.  (s.  §  84.  86). 

Die  o-Stämme  waren  in  vorgriech.  Zeit  alle  Mask.  oder  Neutr.,  die 
ö-Stämme  alle  Fem.  Griechische  Neuerungen  waren  rj  v^tro-g  und  6  vsa- 
v(A'g,  s.  §  172. 

1.  Suffix  -0-  -Ö-.  Xvx-o-g  :  ai.  v^k-a-s  „Wolf**,  ^vy-o-v  :  ai.  yug-d-m 
„Joch".  nXrjy^Tq  :  lat.  plag-a.  -o-  und  -ö-  waren  namentlich  in  Wurzel- 
abstrakta  produktiv,  wie  XQ^I^'^'^  Xoy-o-g^  aiioiß-ri,  Adjektiva,  z.  B.  v^-o-g 
vä-O'V  vä-a  :  ai.  ndv-a-s  näv-a-m  ndv-ä  „neu**  lat.  nov-o-s  nov-o^m  nov-a.  Mit- 
unter Übertragung  des  Ausganges  von  o-  oder  ^Kasus  auf  andere  Stamm- 
klassen, ohne  dass  dadurch  die  Bedeutung  dieser  andern  Stämme  modifiziert 
wurde,  wie  -ouv  -oiv  in  noä-ouv  nod-oiv  (§  85),  noS-oig  für  noai  (§  90), 
noXh-ov  für  urgr.  ^noXirag?  (§  79,  2),  ßaXXovr-avg   für  ßdXXovr-ag  (§  87). 

Suffix  -tr-O'  "tr-a-,  -tl-o-  -tlnO-  (Weiterbildung  aus  -fer-,  §  71*,2). 
Vorzugsweise  mit  der  Bedeutung  des  Werkzeuges  oder  des  Ortes  der  Hand- 
lung, (feg-rgo-v  ifäqs^rqo-v  :  lat.  fer-culu-m  praeteHcülum,  ai.  hhari'-tra-in 
„Arm**  (das,  mit  dem  man  trägt).  Xex-tQO-v,  ^rj-xqa.  av-rXo-v  av-rXo-g  av^rXt] : 
vgl.  ai.  dmortrorm  „Gefass,  Krug,  Trinkschale**. 

2.  Suffix  -jo-  'iä-y  -n'o-  -n'd-.i)  Verbaladjektiva,  öfter  mit  der 
Bedeutung  des  sogen,  part.  fut.  pass.  oder  part.  necessitatis,  wie  Scyno-g 
„venerandus**  :  ai.  ydj-ya'S  dass.;  das  Neutr.  substantivisch,  aifdyHo-v. 
Weiter  war  -{o-  lebendiges  Suffix  in  denominativen  Adjektiva,  wie  ncn^ 
lo-g  :  lat.  patr-iu-s,  ihn-io-g :  ai,  dSv-iya-s  „equinus**,  ns^o-g  aus  *7t€d^o-g 
:  ai.  pdd-ya-8  „den  Fuss  betreffend**.  Das  Fem.  und  das  Neutr.  zu  solchen 
Adj.  oft  substantivisch:  (r(OTr]Q-ia  „Rettung**  zu  ccori^^io-g,  ion.  ävayxairj 
„Notwendigkeit**  zu  ävayxaio-g,  d^sXxzr^^io-v  „Ergötzung,  Zaubermittel'*  zu 
x}€XxrrjQ''iO'g\  solche  Neutra  in  nachhomerischer  Zeit  mit  Deminutivbedeu- 
tung, wie  oqvid^'iO'Vy  aamd-io-v  (-trffo-  wurde  als  selbständiges  Suffix  weiter- 
getragen, z.  B.  ädBX^'(diO'Yy  An  den  Gebrauch  in  denominativen  Adjek- 
tiva schliesst  sich  der  in  Komposita  an,  wo  -eo-  seit  uridg.  Zeit  Zeichen 
der  adjektivischen  Geltung  des  Wortes  war,  wie  ofio-natq^io-g  (:  altisl.  sam- 
fed-r  „von  gleichem  Vater**)  neben  dfio-ndtcoQ  (§  105,  2).  Endlich  -|0- 
zuweilen  mit  der  Bedeutung  der  Vergleichung  (komparativisches  -10-),  wie 
aXXo-g  aus  *dX'tO'g  :  lat.  al-iu-s,  fiäaao-g  fiäao-g  aus  *jU€v^-^o-$  :  ai.  mdäh-ya-s 
„medius**;  von  diesem  -jo-  scheinen  die  Komparativsuffixe  -t'cn-  und  -{es- 
(§  73,  3)  ausgegangen  zu  sein. 


*)  Benseler,  De  Dominibus  propriis  et 
Latinis  in  is  pro  ius  et  Graecis  in  ig  iv  pro 
log  toy  tenninatis,  C.  St.  3,  147  ff.  Aly,  De 
nominibus  lo  suffixi  ope  formatis.  Berol.  1873. 
Akens,  Ob.  die  Adjektiva  auf  aiog,  eiog, 
tj'Cog,  oiogy  totog,  Emmerich  1873.  G.  Meyeb, 
Das  Nominalsuffix  lo  im  Grioch.,  K.  Z.  22, 
481  ff.  FiCK,  Zum  sogen.  Ja-Suffix  im  Griech., 
Bezz.  Beitr.  1,  120  ff.  Zacher,  De  nomini- 
bus Graecis  in  -rtiog,  -aiaj  -aioy^  Halle  1877. 
Fritsch,  Zum  Vokalismus  des  Herodotischen 
Dialektes  (über  -tjio-  und  -eio-  in  Ableitungs- 
silben), Hamburg  1888.  Streitberg,  Die  Ab- 


stufung der  Norainalsuffixe  -j(o-  und  -ißn-  im 
Gennan.  und  ihr  Verhältnis  zu  der  des  Indo- 
germanischen, Halle  1888.  In  der  letzt- 
genannten Abhandlung  wird  wahrscheinlich 
gemacht,  dass  im  Uridg.  neben  -jfo-  -tj^  eine 
Tiefstufenform  -t-  f-  lag,  im  nom.  acc.  voc. 
Bf^.f  vgl.  z.  B.  lat.  ali'8,  fiK  osk.  medici-m. 
Im  Griech.  war  diese  Suffixgestalt  schon  in 
vorhistorischer  Zeit  durch  Ausgleichungs- 
prozesse verdrängt.  Dass  sie  noch  durch  die 
späten  Formen  wie  Jijfit^Qi-g  repräsentiert 
werde,  ist  durchaus  unglaubhaft,  s.  Stbeit- 
BBRO  S.  37  f.,  Vf.  Grdr.  2,  116. 


2.  Nominal-  und  Pronominalflexion.  (§  70.)  93 

Anmerkung,  -io-  verband  sich  öfters  mit  vorausgehenden  suffixalen  Elementen 
zu  einem  einheitlichen  Suffix.  Genannt  ist  schon  -idio-  in  Deminutiva.  'Trjgio-  war  von 
solchen  wie  ^eXxrijo-io-g,  zu  ^eXx-iiJQj  ausgegangen.  Nach  ßaaiXij{fyiO'g  ßaalXuo-g  von 
ßttciXcv'S  u.  dgl.  solche  wie  äy^Qüin-no-s  (vgl.  Fbitsch,  a.  0.  28  ff.).  Vieles  dieser  Art 
bei  L.  Meyer,  2,  440  ff.  Besondere  Schwierigkeit  machen  -aio-g,  -oco-g,  -eiog,  wie  in  ^ixttio-g, 
uXkMfhg,  oUeio-g;  ihre  Entwicklung  ist  noch  nicht  genügend  aufgeklärt. 

3.  Suffix  'tiO'  'Uä-,  Primär  und  sekundär.  oQ&o-g  aus  Hq^-po-g  : 
ai.  ürdh-vä'S  , aufrecht*  lat.  arduo-s,  idg.  *fdh'^6-s;  lak.  BwgO^äa  Bwqata 
Cauer  D.*  34.  36  ist  hiervon  zu  trennen  und  mag  zu  ai.  vardh-  gehören, 
obwohl  ich  für  das  co  auch  so  keine  Erklärung  finde.  Ion.  xsivog  att. 
xevo-g  aus  ^xsv-po-g^  daneben  ion.  xfi'f-o-g  kypr.  xevsvpov  d.  i.  xBre-po-v, 
%ava'(f)6'q  neben  Tavv-yXaxrao-g.  Wie  ein  Partizipialsuffix  erscheint  -uo^ 
in  lak.  tlrj-fso-g  kret.  iXso-g  und  hom.  eAa-(/r)o-g  zu  *iXr]^fii  *lXa'fi€v  aus 
♦ciktAij-  *(ri-<rAa-  (§  115  c),  vgl.  das  Nebeneinander  von  i(fTr^'(f)(jig  und 
scTa-'ipjfog,  Sekundärsuffix  vermutlich  in  kret.  piapo-g  homer.  itsao-g  (nicht 
Ifso-g)  att.  JVo-g,  aus  ^pita-po-g^  zu  einer  schwachen  Stammform  von  Bidog 
(Bechtel,  Philol.  Anzeiger  1886  S.  15,  Vf.  Grdr.  2  p.  XIII).  Ferner  wahr- 
scheinlich in  den  Verbaladjektiva  auf  -teo-g^  aus  *-T«-fos,  wie  ömK-tso-g 
(sehr  produktive  Bildung),  und  den  Adj.  auf  -aXeo-g  aus  ^-aXe-fso-g  {maXeo-g 
ntaXo^g  s.  unten  unter  11),  vgl.  Vf.  a.  0.  S.  127  f.;  unhaltbar  ist  Ascoli's 
Herleitung  des  -rto-  aus  *-r|o-,  s.  §  12  Anm.  Endlich  in  naxQtag  aus 
*7rcrr^cö-/?o-g,  mit  Q(o  =  f  (§  23) ,  mit  Übertritt  in  die  Deklinationsweise 
konsonantischer  Stämme  (acc.  natqw'o);  anders  G.  Meter,  Gr.  Gr.^  315, 
Pbellwitz,  Gott.  gel.  Anz.  1886  S.  765. 

4.  Suffix  -no-  -na-,  -^no-  -^na-.  In  Verbaladjektiven  (meist 
passivisch)  und  primären  Substantiven,  wie  CTVY'Vo-g,  vn^vo^g  :  aksl.  sYmYi 
aus  *süp'nü\  crrf y-v6-$  und  crf y-avo-g,  id-avo-g  id-avo-v^  d^tn-avo-v  dgeTt-ccvr^; 
zu  den  Formen  auf  -avo-  vgl.  jedoch  auch  Suffix  ^meno-  (7).  Sekundär  in 
♦-fC-vo-  *-acr-vo-5  wie  (paeivo-g,  igawo-g,  ifeXr^vrj  (dor.  aeXavA  lesb.  asXdvvd). 
fafH^vo-g  6(o&i'v6-g  u.  dgl.  wohl  von  ^ccqi  rjwx^i  etc.  aus  gebildet,  wovon 
sich  ein  einheitliches  -ivo^  ablöste,  in  deiX-ivo-g  u.  a. 

-OWÖ-.  xX'OVo-g  (xäXofiai),  d^q-ovo-g  (W.  dher-)^  rjd'Orrj,  Durch  Kon- 
traktion war  der  Anfangsvokal  von  -ono-  oder  der  von  -eno'  (vgl.  aksl. 
vez-etiü  „gefahren'*  vret-eno  n.  „Spindel")  mit  dem  wurzelschliessenden  Kon- 
sonanten bereits  in  uridg.  Zeit  verschmolzen  in  Svarr^vo-g  {^aT&vo-  „Stand" 
=  ai.  sthäna-m),  svö^r^vsw^  el.  avv-O^rjvai  „Vertrag"  (Collitz  Gr.  D.  n.  1168). 

5.  Die  Suffixe  -ino-  -ina-  und  -Fwo-  -Ina-,  -tvo-  in  denomi- 
nativen  Adjektiva,  die  Stoff,  Herkunft,  Art  bezeichneten  (produktive  Ka- 
tegorie), wie  (friY-ivo-g  :  lat.  fäg-inti-s,  uXr^O^-ivo-g.  Mit  ähnlicher  Funktion, 
welche  in  die  des  Deminutiven  überging,  -ivo-:  äyxi(fT'ivo'g ,  igvO^Q-Tvo-g 
(quasi  „Rötung"),  xo^ax-tro-^g  „ein  rabenschwarzer  Meerfisch",  auch  „junger 
Kabe,  Rabenbrut",  äeX^ax-tvtj  neben  rf^Ay-af,  vgl.  got.  sv-einn,  „Schwein" 
neben  gr.  v-g,  gdiUein  n.   „Böcklein". 

6.  Suffix  -cvvo-  -awct-'^)  Sekundär  in  Adj.,  wie  dovXo-avvo'C-, 
das  Fem.  substantivisch  (Abstrakta),  wie  dovXo-avvri,  Der  Ausgang  -oavvo- 
'oavvä"  verallgemeinert,  daher  z.  B.  fiavr-otfvvrj  zu  fim^i-g,  tsQsdavva  (neutr. 
pl.)  und  t€Q€o)(fvvr]  aus  HBqr^(pyo-  zu  UQsv-g  (Wackernagel,  Phil.  Anz.  1886 

*)  AcFRBCHT,  Das  Affix  avpog,  avvrj,  K.  Z.  1,  481  ff. 


94  A.  Oriechische  Grammatik,    o)  Flezionslehre. 

S.  73  f.).  Engerer  Zusammenhang  mit  ai.  -tvanä-  z.  B.  martt/a-tvand-m 
„Menschen weise**  ist  klar,  doch  ist  die  Entstehungsart  des  -cv-  von  -crrvo- 
noch  nicht  sicher  ermittelt,  s.  Vf.  Grdr.  2,  153  f. 

7.  Suffix  -meno-  -menä-,  -mno-  -mnä-.  Das  Suffix  der  part. 
med.  (pass.).  Im  Qriech.  blieb  in  dieser  Funktion  nur  die  Ablautform 
-meno-  produktiv,  wie  nevi^o^iievo-g  TTevad-fxevo-g^  vgl.  ai.  praes.  hdäluz-mäna^s 
fut.  bhötsyd  mana-s  (W.  bhe^dh-  „wachen,  achten"),  -juvo-  vielleicht  in 
einigen  nicht  mehr  partizipial  gefühlten  Nomina,  wie  ßkXs-iivo-v^  cra-juvo-^. 
In  den  Partizipien  der  themavokallosen  Tempusstämme  zeigt  das  Arische 
-awa-  -ana-,  z.  B.  av.  say-ana-  ai.  Sdy-afia-  „liegend**  zu  indic.  ai.  Se^t€  = 
gr.  xf r-rae.  Hat  man  diese  Suffixformen  mit  Hibt  auf  -^no-  -§*wo-  zurück- 
zuführen (s.  Vf.  Grdr.  2,  133.  143),  so  gewinnt  man  für  alle  medialen 
Participia  dasselbe  Suffix,  und  aus  dem  Griech.  können  dann  auf  -^no- 
die  Formen  wie  ^Si-xe-avo-g  („der  umlagernde**,  zu  ai.  d-Sete  nach  v.  Fier- 
LiNGEB,  K.  Z.  27,  477),  id-avo-g  (vgl.  ai.  indic.  dd^mi),  i-avo-g  aus  V^cr-aro-g 
(vgl.  ai.  indic.  vds-te),  und  auf  -§"mö-  das  Adjektiv  TTv-avo-^  nr-tjvo-^  be- 
zogen werden. 

8.  Suffix  -wo-  -ma-.  Häufig  als  Primärsuffix  in  verschiedenen 
Funktionen,  wie  x^^v-fio-g  (ursprüngl.  „Wallung**)  :  lat.  fü-mu-s,  d^sq-fio-g 
x^^eQ'fiT^ :  armen,  jer-m  „warm**.  Besonders  war  unser  Suffix  produktiv  zur 
Bildung  von  Verbalabstrakta,  wie  (fXoy-fia-g  odvq-iio-g  xrjQvy-iio-gy  n^firj 
fivij'fArj.  -T'fiO'  :  iqS'T'fAO'g  zu  igätraa)  iQb-'Trj-g,  €(p'€-T'firj  zu  «y-t-riy-g  u.  dgl.; 
zu  dem  -t-  vgl.  §  72,  1.  -O^-fio-  (-^A-  war  das  sogen.  „Wurzeldeterminativ** 
-d/*-,  vgl.  nXri'x^'tüi)  wurde  als  einheitliches  Suffix  schöpferisch:  GTa-^fio^ 
cra-i^/ii^,  aQi-d^fiO'gy  xrjh]-x}^fi6'g  u.  a.  Vgl.  -T-fiev-  -x^-fiev-  §  71,  4  und 
-0^'QO'  -xh-Xo-  in  diesem  §  n.  12.  • 

Anmerkung.  Für  dcnjfio-g  (datio^ai),  taafio-g  (to&io)),  'oafArj  (neben  älterem  o^-fitj), 
aX^afAo-g,  fiegiafio-g,  iy^^ovaiaof^o^g  (zu  Verba  auf  -i'Cw,  -«Cw)  kann  man  das  Suffix  -»-wo- 
zu Grunde  legen,  also  dacfio-g  aua  *dtn-itfAO'  etc.  (VI  M.  U.  1,  81).  Doch  Itteat  sich  auch 
mit  SoLMSEN,  K.  Z  29,  123  annehmen,  dass  diese  Nomina  von  Haus  aus  nur  -mo-  hatten 
(*dar-fiö'g,  *md^fA6g,  cd-fAij),  dass  dann  zuerst  bei  solchen,  denen  Perfektformen  auf  -^fjiai, 
'Ofu&Uy  -cfABvog  (a  von  -atai,  übertragen,  dedaa/ÄM  nach  dedaarai,  s.  §  134)  zur  Seite  standen, 
aus  diesen  Formen  er  für  den  Verscblusslaut  eindrang  und  dieser  dann  aucb  sonst  (z.  B. 
in  odfiij)  dureb  a  ersetzt  wurde,  a  griflP  alsdann  auch  für  das  ^  von  -^/io-  Platz,  wie 
^vafio-g  für  ^v-^fio-g,  »eafio-g  für  (lakon.  und  sonst)  de-^fio-g.    Vgl.  -Ofiey-  §  71,  4. 

Seltner  als  Sekundärsuffix:  dQV-fia  pl.  und  dgü-^uo-g  von  cJ^v- : ai. rfrw- 
ma-s  „Baum" ;  Hv-no-g  zu  ireo-g  aus  "^irsp-o-g.  Das  -mo-  von  rofinfno-g 
voat'ißo-g  u.  a.  war  von  ifv^i^no-g  u.  dgl.  ausgegangen. 

Von  besonderer  Art  war  das  -mo-  mit  Komparationsbedeutung: 
i'ßdoiio-g,  ißdffiaio-g  ißdeixi^xorra  (§  29.  101)  :  lat.  septimu-s  preuss.  septma-S, 
nQO'jno-g  (zu  ngo)  :  umbr.  promo-m  „primum"  got.  fra-m  adv.  „vorwärts, 
weiter".     Vgl.  Vf.  Grdr.  2,  156  flf. 

9.  Suffix  -rO'  -ra-,  -i^o-  -frö-.^  Hing  zum  Teil  mit  dem  -p 
im  nom.  acc.  sg.  neutr.  zusammen,  vgl.  z.  B.  vö-o^q :  vä-Qo-g^  m-ag  :  ni-ago-g 
(§  78),  zum  Teil  mit  -e^-,  vgl.  z.  B.  ai^-r]Q  :  m^-qa  (§  71%  2).  In  sehr 
verschiedenen  Funktionen.  egvO^-Qo-g  :  lat.  ruber  riib^ro-,  idg.  "^rudh-rö', 
dy-Qo-g  :  ai.  (Ij-ra-s,   Korkyr.  iago-g  aus  ^h-oQü-g  :  ai.  i^-ird-s  „eilend,  regsam, 


')  Em.  Coemaks,  Les  adjectifs  grecs  en  ^o-  et  en  Ao-,  Le  Mus^n  7,  483  IF.,   529  ff. 


2.  Hominal-  nnd  Pronominalflezion.  (§  70.)  95 

frisch",  idg.  ^is-j^ro-,    ^tj-qq-  Adjektiva  bildend  (produktiv),   zu  Verba  auf 

-«<ö,  wie  novrjQo-g   zu  novtvfiai.     Antritt   des  -^o-  an  Tempusstämme   mit 

thematischem  Vokal:  7rr-«-^6-r  zu  m^s^ax^ai  :  vgl.  ai.  pat^a^rd-  „fliegend**, 

uj^e^qi-q  zu  cyx"*"^?  wie  cx-B-ro-g  ax^^-ai-g.     Sekundäres  -^o-.     oi^v-Qo-g  zu 

oiCv^g  oi^v-ogy  (paße-Qo-^g  zu  (foßo^g,  wonach  -sqq-  als  einheitliches  Suffix  in 

xQ€eT'€Q6g  cxi'CQo-g  u.  a.     nie-qo-^  [nisiQo)  :  ai.  plvarä-  „fett",  Idg.  */)J-?/c- 

rO'Sj   neben  ni^{p)(ov  [ai.  pi-van-    „fett**,   vgl.   auch   nl6^'^r^g]    entsprechend 

i^-/[i«-^ö  zu  ^-juor-ror. 

Anmerkung.  nlaQo-g  war  nicht  lautliche  Variante  zu  nieQo-g,  sondern  gehörte  zu 
Titaiyta,  wie  Sttv^ta-ro-g  zu  davfialyut  (vgl.  auch  ntaXo-g  nlaXeo-g  unten  unter  11);  ebenso 
fuoQo-g  zu  fAittiytü.  Vielleicht  war  le^-s  Neubildung  nach  msQo-g  axtsgo-g,  umgekehrt  axiu-Qo-g 
nach  nia^o-g  fiiaQo-g.    Vf.  Grdr.  2,  171.  174. 

Zugleich  als  denominatives  und  als  primäres  Suffix  lässt  sich  -^o-  in 
in  ^ä'Qo-  und  -v-^o-  ansehen,  z.  B.  oiwr^go-g  dor.  odvvAqo-g  neben  odvvi] 
und  odwdoi,  hom.  oifv-^o-^  neben  oi^v-g  und  oiJ"t5(ü  (vgl.  oben  att.  ol^v-qo-g)-, 
vgl.  -it-Ao-  11. 

10.  Die  Suffixe  -ero-  -cra-  und  -tero-  -tcra-,  Komparative 
bildend.  0  Zusammenhang  mit  den  lokativischen  Adverbien  auf  ~(t)er  und 
'(tjer-i,  vgl.  z.  B.  vnsQo^g  :  tW^  und  vrrsiQ  (aus  *i57rf^^).  tü/rf^o-g  vrteQO^v 
insQü  :  av.  upara-  „oberer**.  Suffixform  -fro-  in  yt(f)-a^o-$.  iv-rego-v  :  ai. 
dn-tara-s  „innerer,  lieber,  intimer**.  ngo-Tego-g  :  av.  frortara-  „vorderer, 
früherer".  Suffixform  -tro-  in  allo'TQHO'g^  va-xQo^g  (zu  orf-«po-$,  vermut- 
lich kyprisch,  ai.  ud-ard-  „Bauch**),  vgl.  ai.  an-ird-m  lat.  hi-tra  u.  a.  Oft 
'T€QiH  an  kasuelle  Adverbia  angehängt,  wie  fxvxoi-TeQo-g,  naXai^Tsqo^g  (indem 
naXaireQo^g  auf  nalaii^  bezogen  wurde,  bildete  man  ye^aitego-g  zu  ysQaiO'g 
u.  dgl.,  und  indem  weiter  -aireQo-g  als  einheitliches  Suffix  empfunden  wurde, 
kam  man  zu  jjffvX'CctTeQO-g  u.  dgl.),  vifJi'TeQo-g,  xaroJ-rt^o-g,  arw-rt^w,  «yyt'- 
T^'^cü.  no-Tsqo-g  :  ai.  ka-tard-s  „uter**.  rjUb-reQQ-g  :  vgl.  lat.  nos-ter,  ~tsqo~ 
wurde  im  Griech.  bei  Adjektiven  da  regelmässig  zur  Bildung  des  Kom- 
parativs verwendet,  wo  -raro-  (14  S.  97)  Superlativsuffix  war,  wie  w.«o- 
t^qo-g,  yXvxv^eqo-g,  X«^'*^^*^o-$  (-f*r-  für  älteres  ^'fciT-^  s.  §  72,  4),  uXr^Ma- 
TSQO-g  (hiervon  das  -earfgo-  von  €vdaifi0V't(fTfQ0'C^  f^^w/ifi'-iOTf^o-^,  evvo^ 
tarfqo^g  evrovatego-c;).  Die  Formen  wie  aoiftO'Tsqo-g  waren  von  Adverbien 
auf  -Ol  ausgegangen,  s.  §  80  und  Vf.  M.  ü.  3,  78  f.  K.  Z.  27,  591. 

Oft  Kombination  mit  andern  komparativischen  Suffixen.  Allererbt 
war  'ta-tsQQ-g  in  äQKSxeqihg  (s.  Vf.  Grdr.  2,  179),  wonach  solche  wie  XaX- 
iar€QO'g\  die  Ausbreitung  dieser  Suffixkombination  wurde  durch  den  gleich- 
lautenden Ausgang  von  ax^Q^'^'^^Q^'^  =  *axa^«T  +  t«^o-  unterstützt,  ft/ifiio- 
T*po-g  zu  dfieirtov,     xvvTBQW'TeQO'g. 

Auch  Komparative  von  Substantiven:  xyr-reQQ-g,  oqia-TeQO'g. 

11.  Suffix -?o- -ifö-,  'llo^  -lla-,^)  Als  Primärsuffix  in  sehr  verschie- 
denen Funktionen.  arv-Xo-g  :  ai.  sthü-rd-  sthü-ld-  „massiv**.  rAr^-ii;  :  lat. 
fc'Iare,  Lak.  iXXa  „Sitz**  aus  *ii'Xa  (§  43)  :  lat.  seih,  got.  sit-U  „Sitz\ 
(fV'Xo'V  (jV'Xrj.  xBif-aXi]  neben  xtß^Xrj  :  got.  gib-la  m.  „Zinne**.  ntv-aXo-g 
Tiit-aXo-v.  -r^'Xi-  Adjektiva  bildend  (produktiv),  zu  Verba  auf  -fc«,  wie 
fiifir^Xo-g  zu  fiifitoiiiat.    Auf  Antritt  des  -/o-  an  Tempusstämme  mit  thema- 


')  VVeihric^  De  gradibus  comparationis 
lingnarom  Sanscntae  Graecae  Latinae  Gothi- 


cae,  Giss.  1869. 

»)  Vgl.  S.  94,  Fussn.  1. 


96 


A.  QriechiBche  Grammatik,    c)  Flezionslehre. 


tischem  Vokal  beruhte  wohl  -f-io-  in  eihTQdTt-e-Xo'g  (:  lat.  torculu-s  aus 
*forc^-Zo-),  <rivy-«-io-$  neben  arvff-ko-g  u.  a.  niako-g  von  nlaivm^  wie 
TTiaQo-g  (vgl.  Anm.  zu  9),  und  hiervon  mittels  des  Suffixes  -^o-  niaXäo-g 
(s.  oben  3  S.  93);  wie  letzteres,  so  isißakäo-g  zu  ieifxaivo)  u.  dgl.  m. 

Sekundäres  -lo-  von  vorgriech.  Zeit  her  vornehmlich  mit  deminuie- 
render  Bedeutung  (die  oft  mehr  oder  weniger  verblasste)  :  naxth-i.o-g  :  ai. 
hahurld'  ursprünglich  „etwas,  einigermassen  dick**,  o/i-crio-^  :  lat.  simili-s. 
In  späterer  Zeit  wurde  der  Ausgang  -v-lo-  mit  der  Weiterbildung  -vAiio- 
in  deminutiver  Funktion  schöpferisch,  z.  B.  a^xr-i7o-g  avO^vXho^v.  Hierzu, 
als  uridg.  Erbgut,  die  Kosenamen,  deren  -fc-  auf  griechischem  Boden 
eine  Anzahl  von  analogischen  Erweiterungen  erfuhr :  z.  B.  Ta^i-Xo-g^  wonach 
JJw-iio-^;  und  &qa(si'ko'g^  wonach  ^Ay^iXo-g  "^Hy-vXo-g;  mit  ^XXo-  (aus  *-AtJO-) 
TtQipi^XXo-gy  wonach  Jog^iXXo-g^  und  BdS-v-XXo-g  (neben  Badv-Xo-g),  wonach 
Nix'vXXo'g\  vgl.  die  Kosenamen  ai.  Bhanu-la-s,  gall.  Teutalu-s,  got.  Vulfi-la. 
ni-fif-Xr^  d^v-fit'Xt],  wie  rj-^iä-gä  (9).  Zugleich  als  sekundäres  und  als  pri- 
märes Suffix  lässt  sich  -Ao-  in  -ä-Ao-  ansehen,  z.  B.  ciyrjXo^g  dor.  aiyaXi^ 
neben  (Siyrj  und  aiyd<a^  vgl.  -ö-^o-  (9). 

12.  Die  Suffixe  -dh-ro-  -dh-ra-,  ^dh-lo-  -dh^la-y  nur  in  den 
europäischen  Sprachen,  gleichwertig  mit -^rö — tlo-  (1)  und  -ro-  -fo-  (9.  11). 
-rfA-  war,  wie  in  --^'^fio-  (8),  „Wurzeldeterminativ**:  vgl.  ax-e-d-Qo-g  zu 
aX'€'^'tH€v  (für  lautgesetzliches  ^ax-e^&'äfAev^  s.  §  60),  ferner  ßd-d-Qo-v 
neben  ßa-d^fio-g^  KrXrj-d-Qo-v  neben  xrjXr^^O'fic-g.  oXs-^Qo-g^  iivXtO'&Qo-g^ 
^b(f)€^&Qo~v  ^et'x^qO'Vy  xaifirj-^Qa.  v-d-Xo-g^  ytve-d^Xo-v  yevä^S-Xtj.  Den  Formen 
mit  «,  cc  im  Schluss  der  Wurzelsilbe  (vgl.  noch  Wf-i^Ao-v,  fiäXa-S-go-v,  xQefid' 
x^Qä)  vergleichen  sich  die  lat.  verte-hra,  mandi-bulti-m,   condüci-bili-s  u.  dgl. 

13.  Suffix  'bho-  -hha-,  EiQa(p*m%gi-g  lesb. 'E^^or^foiTd-^,  Beiname 
des  Dionysos,  bringt  man  mit  ai.  x^a-hha-s  „Stier**  zusammen  (vgl.  §  45 
S.  63).  ^Xa'(fo-g  Gf.  ^eln-hho-s,  zm  iXXo-g  aus  *€U-r-o-^,  aksl.^cfow-  „Hirsch". 
Wohl  auch  xoqatfo-g  (wahrscheinlich  zu  xoqwvrl)  aus  *-^-tÄo-,  vgl.  lat.  cor- 
n-i-x.  Als  Tiernamensuffix  wurde  -ayo-  einigermassen  produktiv,  z.  B. 
xdXa(fO'g  dtfxdXatpo-g^  xiQa(po-g,  s.  LoBECK,  Prolegg.  p.  291  sqq.  Nicht-Tier- 
namen:  xoXaffo-g  xQora^o-g  xoQV(pr.,  aQyv^o-g,  Nicht  unwahrscheinlich  ist 
der  etymologische  Zusammenhang  dieses  -bho-  mit  dem  -yo-  von  afAtpco^  <y-yöi, 
s.  Johansson,  Bezz.  B.  13,  123,  wo  noch  weitere  Kombinationen. 

14.  Suffix  -^ö-  -M-.i)    Zwei  Gebrauchskategorien. 

a.  Primärsuffix  in  partizipialen  Adjektiven  und  mit  ihnen  zusammen- 
hängenden Substantiven.  xXv-ro-g  :  ai.  iru-'td'S  „berühmt**  lat.  in^clutu-s. 
ßa-To-g  :  ai.  ga-td-s  „gegangen**,  a-ßato-g  :  ai.  d-gata-s  „unbetreten**,  ife^ 
ro-g,  (foQ'Xo-g  :  ai.  hh^^-td-s  „getragen**  air.  ed-bart  f.  „oblatio**.  votr-ro^  : 
ahd.  neS't  n.  „Wegproviant,  Unterhalt**,    tt Aor-ro-?  von  W.  2^?^'-.*)   d-idfua- 


')  BChler,   Das  griech.  Sekundärsufßx 
Tf]?,  Gott.  1858.    Ebel,   Die  Maskulina  auf 
Ttjg,  K.  Z.  4,  155  ff. 

^  '^)  fil-eu-  neben  pl-e-  wie  ai.  rfr-ti-  neben 
dr-ä-  „laufen-  u.  dgl.  Vgl.  Vf.  M.  U.  1,  43  ff. 
nXovTo-g  also  zu  ai.  plu-,  plutd-  „schwim- 
mend in,  überschwemmt,  erfüllt  von*.  Dazu 
wohl  auch  das  aus  *plt-ios  nicht  herleitbare 
lat.  plons  plus,  aus   *ple}^-08,  ursprünglich 


ein  Substantivum  wie  wi-n-ti«  (Vf.  Grdr.  2, 
406).  plürimu-8  aus  *ple^-{e)8'tmO',  wie 
maximu'8  aus  *mah'(e)8'im0'  (a.  0.  169). 
Die  eigentlichen  Komparativformen  (pleöreSt 
pllsima,  a.  0.  404)  wurden  durch  die  von 
jenem  Neutrum  ausgehenden  Neubildungen 
zurückgedrängt.  Im  übrigen  vgl.  Osthoff, 
P.-Br.  B.  13,  445  f. 


2.  Nominal-  und  Pronominalflexion.  (§  70 )  97 

Tps  <J/ii^T6-g  :  ai.  dami-td-s  „domitus**.  t/if-ro-?,  subst.  f/if-ro-$ :  ai.  va»i«- 
^^"^  »gespien**,  yere-rrj  yfi'^-rij-g  :  lat.  geni-tv^s,  ax-s-ro-g,  iQTt'e-ro-v, 
a^-rf«x-*-To-5  :  vgl.  ai.  dari-a-td-s  „sichtbar**;  av-rjvvto'g  zu  a-ri-w.  Vgl. 
ax-'k-ai^q  a-rv-ai-^  §  70*,  5.  ßio^ro^g  ßio-rij :  vgl.  aksl.  zivo-tü  „Leben, 
Lebewesen**  lit.  ^fyra-tö  „Leben,  Lebensunterhalt**.  Der  Begriff  der  Fähig- 
keit oder  Möglichkeit,  der  so  oft  mit  den  adjektivischen  Formen  verbunden 
war,  z.  B.  Ivzo-g  „lösbar**  ßaxo-q  „gangbar**  ^avfxaaro-g  „erstaunlich**,  war 
aus  vorgriech.  Zeit  überkommen  und  am  frühesten,  wie  es  scheint,  in  Ver- 
bindung mit  negierenden  Elementen  (a-kmo^g,  ovx  ovo^iacro-g)  entwickelt 
worden. 

Das  zur  Bildung  von  primären  Abstrakta  dienende  -^ä-  («^«-rij  yers-ri] 
ßQov-Trj)  war  schon  in  uridg.  Zeit  auch  denominativ  verwendet  worden. 
Diese  Kategorie  (vgl.  lat.  juven-ta,  ai.  dcvär-ta-  „Göttlichkeit**  u.  s.  w.)  liegt 
im  Griechischen  in  zweifacher  Umbildung  vor.  Einerseits  wurde  in  diesen 
Nomina,  so  weit  sie  ihre  alte  abstrakte  Bedeutung  festhielten,  -tat-  (das, 
wie  -to^i-,  aus  -ta-  weitergebildet  war,  s.  §  72,  2)  an  die  Stelle  von  -fa- 
geschoben,  z.  B.  ßaqth-Tr-g  -Tr/c-og  :  ai.  guru-ta--  „Schwere**.  Anderseits 
waren,  indem  unsere  Abstrakta  von  Personen  gebraucht  wurden,  Maskulina 
auf  -Tit-^  entstanden  in  derselben  Weise,  wie  ysvt-Trpg  („Erzeuger**  und 
»Erzeugter**)  aus  ysvB'Xr  entsprang,  z.  B.  Tiokv-ßov-rrpg  :  vgl.  ai.  a-gö-tü- 
»Mangel  an  Kühen**,  ay^o-rry-g,  tnno-ta  (voc,  s.  §  76).  Die  primären  und  die 
denominativen  Maskulina  auf  -va-g  berührten  sich  erstens  infolge  davon, 
dass  z.  B.  olxb^rrpg  und  yert-ttfi  den  gleichen  Ausgang  -frö-g  hatten,  so- 
dann weil  Formen  wie  xoQva-Tr^-g  xe^da-rrj-g  ebensowohl  als  denominative 
wie  als  partizipiale  Bildungen  erscheinen  konnten. 

V7ie  dieses  -^ö-,  so  konnte  auch  -^o-  im  Griech.,  wie  im  Ar.  und 
Ital.,  von  jeher  unmittelbar  an  Nominalstämme  angesetzt  werden,  wodurch 
eine  besondere  Art  von  denominativen  Partizipien  entstand,  z.  B.  axBa-xo^g 
zu  lixog^  d'ytQaa-To-g  zu  yf^Qccg,  vgl.  ai.  dn-ap-ta-s  „unbewässert,  nicht 
wässerig*"  zu  ap-  „Wasser**,  lat.  sceles-tu-s  zu  scelus.  Darauf  beruhten  auch 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  die  altererbten  Neutra  mit  -my^-to",  -^/p-^o-, 
wie  ovo-fiara  :  lat.  cögnö-mcnta,  xacav-iAara  :  lat.  assü-menta,  nsiquTa  lesb. 
TTtQQara  urgr.  ^neq-para  :  ai.  pdr-vata-s  „Gebirge**  (zu  pdr-van--  n.  „Knoten, 
Knotenpunkt,  Absatz,  Abschnitt**).  *övo'inato-v  gehörte  als  substantivisches 
Neutrum  zu  einem  *oi'o-/ia-r6-$  „benamt**  'vgl.  «>ar^a-ro-$  zu  x}^av^ia)  und 
bedeutete  ursprünglich  „das  Benamtsein,  die  Benamlheit**,  wie  ai.  mi^-td-m 
„das  Totsein,  Tod**  neben  ntf-td-s  „tot**  (vgl.  Vf.  Grdr.  2,  212.  234  f. 
444  flF.).  Im  Griechischen  wurde  dann  diese  Neutralbildung  schöpferisch, 
vgl.  noch  «-/lara  (vgl.  ev-ef/xoDr,  ai.  vds-ni an- u.  „Decke**),  juinfj-fiatay  oQiir^-- 
liaxa  und  Biäara  d.  i.  iä-para  (vgl.  ai.  agradvan-  „zuerst  essend**,  §  13  S.  32), 
attdra  aus  ^arä-pata  (vgl.  ai.  sthü-vard-  „stehend,  unbeweglich**),  und  er- 
griff zuletzt  auch  die  neutralen  -en-Stämme,  vgl.  ^/r-ara  (ai.  yak-an^ 
,Leber**)  ov^-ara  (ai.  üdh-an*  „Euter**).  Die  Formen  des  nom.  acc.  sg., 
wo-ita  xdqä  ion.  xdqrj  aus  ^xaqäa-a^  und  des  loc.  pl.,  ovo-fiatfi  nffgaai 
ov&^aat,  waren  noch  als  die  alten  unerweiterten  w-Stammformen  ins  Griechische 
hineingekommen,  und  nachdem  das  Grundnomen  und  das  von  ihm  abgeleitete 
-fö-Neutrum  (cvo-fia  und  Hvo-iia-To-r)  gleichbedeutend  geworden  waren,  ver- 

lUodbucb  der  kUm.  AltertomswiaBenachaft.  II.    2.  Aufl.  7 


98 


A,  Oriechisohe  Grammatik,    c)  Flezionslehre. 


schmolzen  beide  Formationen  zu  einem  Paradigma.  Es  geschah  das  so, 
dass  man  oro^a-ra,  ovofid-Twv  zu  dem  mit  dem  ai.  Ablativadverb  ndma^tas 
identischen  ovofia-Tog  ins  Verhältnis  setzte  und  diese  Formen  nunmehr 
als  ovofiar-a  6vofiaT-(ov  ovofxccT'Og  empfand.  Dadurch  wurde  es  möglich, 
die  Formen  ovofia  und  ovofiaci  als  Glieder  dieser  r-Flexion  aufzufassen, 
und  man  schuf  einerseits  die  Form  orofiau  neu  hinzu  und  liess  anderseits 
^mofiato-v  u.  s.  w.  fallen.  Vgl.  Vf.  M.  ü.  2,  220  flf.,  227  flf.,  Fick,  Bezz. 
B.  5,  183,  OsTHOFF,  M.  U.  4,  201  f.  Dass  das  altel.  xQr^fxmoig,  wie  Cürtiüs, 
Zur  Krit.  d.  neuest.  Sprachforsch.  81  und  Q.  Meyer,  Gr.  Gr.*  358  annehmen, 
noch  den  dat.  pl.  der  alten  -ro-Deklination  darstelle  und  nicht  durch  den- 
selben Metaplasmus  erzeugt  gewesen  sei,  der  in  nordwestgr.  u.  s.  w.  nod-otc: 
etc.  vorliegt  (§  90),  ist  recht  zweifelhaft. 

b.  -tO'  als  Komparationssuffix. 

Zunächst  Zahlwörter.  räraQ-ro-g  TäTQa-To-g :  lat.  quar-turS  aksl.  cettr^-tü. 
i'x-to-g  :  lat.  sex-tu-s.  An  flxotf-ta-g  (böot.  pixatfro-g  altertümlicher,  mit 
a  =  ^),  r^idxoc-ro-g  u.  s.  w.  schlössen  sich  als  Neubildungen  ixaToaro^g, 
6i&xoaiofST(hg^  XihofStog^  ferner  auch  TtoXkotfro-g^  ohyotsto-g  an.  Von  iva-vo-^, 
däxa-To-g  aber  löste  sich  -ato-  als  einheitliches  Suffix  ab  :  *7rp(ö/?-aTo-$  (zu 
^nqui-po-  in  dor.  nqav  d.  i.  */rpa)-/?a-i'  =  ai.  pür-vor^  idg.  ^pf^MO-,  §  23), 
woraus  att.  etc.  nQdko^g  dor.  nqato^g  i),  T^iV-aro-g,  ißdofi^aTO-g,  näats^ato^^ 
ßäkr^ccTo-g,  gtägv^aro^g.  Das  aus  rgiraro-g,  ipäQTaro-g  u.  dgl.  einheitlich  ent- 
nommene 'TttTO'  wurde  dann  das  geläufige  Superlativsuffix  da,  wo  der 
Komparativ  mit  -r«^o- gebildet  war  (10):  naXai^raro-g^  wfio-rato^^  tffKpoi' 
TUTo-g  etc.  S.  AscoLi,  C.  St.  9,  339  flf.,  Misteli,  Ztschr.  f.  Völkerps.  11, 
469.  Eine  andere,  mir  unwahrscheinliche  Erklärung  des  -Torro-  versucht 
Bezzenberoer  in  s.  Beitr.  5,  94  flf.  (vgl.  Vf.  M.  U.  3,  68  f.). 

Dann  das  primäre  Superlativsuffix  -is-to-,  das  seit  uridg.  Zeit  als 
schöpferisches  Suffix  dem  Komparativsuffix  -ies-  (§  73,  3)  zur  Seite  stand, 
z.  B.  7]d'i(TTo-g  :  ai.  sväd-i^tha-s  got.  sut-ist-s  „suavissimus".  Die  Tiefstufen- 
gestalt des  -ts-  war  durch  die  ursprüngliche  Betonung  -is-tö-  bedingt  (Vf. 
K.  Z.  24,  99,  Kluge,  P.-Br.  B.  8,  520).  Durch  jüngere  Neubildung  kam 
-«rro-  auch  hinter  nominale  Stämme  zu  stehen,  z.  B.  xaAA-«rro-$  zu  xdXi,ogj 

T6'Q7tV'l(fT0'g    zu   TS^Tt^VO-g. 

15.  Die  Suffixe  -ko  -ka-  und  -g'o-  -qa-^).  Auf  Grund  urindoger- 
manischer 'k'  und  -g-Stämme  (Vf.  Grdr.  2,  384  f.)  wurden  im  Griechischen 
manche  -xo-Nomina  in  die  konsonantische  Deklination  übergeführt,  z.  B. 
äXdnrj^  ( :  ai.  löpaid^s  löpäka-s),  oqtv^  ( :  ai.  vartaJca-s),  fistQa^  ( :  niarydkd'S)^ 
väa^  (:  aksl.  novakü), 

"kO'  steht  für  das  Griech.  nirgends  ganz  sicher;  es  ist  für  vdxiv&o-g 
vorauszusetzen,  wenn  das  diesem  zu  Grunde  liegende  vaxo-  sich  mit  ai. 
yuva'Sd-s  lat.  juven-cu-s  deckte  (vgl.  Vf.  Grdr.  2,  237).  Dagegen  ist  -xo- 
=  -go-  öfters  durch  die  verwandten  Sprachen  verbürgt,  z.  B.  /i«|pcrj  :  ai. 
marpa-kd-s, 

-xo-  selten  primär,  wie  ^jJ-x>;  :  ai.  dha-kd-s  „Behälter*. 


')  G.  Mbter's  Grundform  ^nqo-axo-i 
(Gr.  Gr.*  154)  ist  mir  wegen  itqiv  und  att. 
n^ijirjy  minder  wahrscheinlich. 


^)  BuDBNZ,   Das  Suffix   x6g  (ixog,   axo^, 
vKog)  im  Griechischen,  Gott.  1858. 


2.  Nominal-  und  Pronominalflezion.  (§  70  ^)  99 

Als  Sekundärsuffix  zunächst  in  Adjektiven,  die  von  Adverbien  gebildet 
waren.  näQ^-^  für  ^nsq^-xo-g  (nach  dem  Muster  von  naqt^  vnt^  aip  u.  dgl. 
adverbial  gebraucht),  dazu  nsQi-aai-g  aus  *-x-^o-5.  nqu-aam  (hom.  aXa 
n^fiaoYxeq)  von  *7r^Ä-xo-;  zu  nsqA  Ttäga^v  (Leo  Meyer,  K.  Z.  22,  61  flf.). 
vixaw  (urspr.  ,mache  nieder**)  von  einem  *yi-xo-  :  ai.  nj-ca-  „niedrig,  ab- 
wärts gehend'  (Osthoff,  M.  U.  4,  223  f.).  Im-atfa  (vgl.  ai.  a^n-c-iya- 
«geheim*,  J.  Schmidt,  K.  Z.  28,  122).  näiia-aam.  Weiter  in  Adjektiven 
von  Nomina  und  Zahlwörtern  :  ffvai-xo-g^  fiatti-xo-g  (vgl.  lat.  afvi-cu-s,  av. 
hasvi'ke^  „kleinlich"  von  kam-^  „Kleinheit*);  von  den  i-Stämmen  aus  war 
-*xo-  schon  in  vorgriech.  Zeit  (s.  Vf.  Grdr.  2,  245)  auf  die  anderen  Stamm- 
klassen übertragen  worden,  z.  B.  iTtTt^xo-gj  aat-ixo-g^  ävdQHxo-g  (produktive 
Bildungskategorie);  vereinzelt  erscheinen  im  Griech.  ein  paar  au£  -r-xo-, 
wie  ^ißv-xo-g.  iiaao-g  aus  *rf/?*-x-^o-$  >)  :  ai.  dvi-ka-  „aus  zwei  bestehend" ; 
ion.  d^o-g  wohl  aus  *rf/?*-x-rifo-g (vgl.  av.  bi-tf/a-  „der  zweite*);  entsprechend 
i^HTcxo-^  r^-Jo-^.  oid^  aus  *orfaT-x(o)-$  zu  orfovT-  (auf  den  Gebrauch  wirkte 
idxvm  ein):  ai.  a-dat-ka-s  „zahnlos*  ags.  tusc  tüsc  „Zahn*  uridg.  ^dij^t-qo-; 
hierher  vielleicht  auch  daxrvXo-g,  s.  §  62.  Entsprechend  yvr-f  zu  yvv- 
,Knie*.  7rjjA<-xo-$,  iJAi-xo-g  ijAt-f  :  vgl.  ahd.  alemann,  we-ler  „wie  beschaffen* 
urgerm.  *-ß-x-a-^,  aksl.  koli-kü  „quantus*.  Verhältnismässig  selten  erscheint 
im  Griech.  das  urindogermanische  deminuierende  oder  deteriorisierende  -90-, 
wie  ii€Tqa^2LnB  *fX€Qjiax{o)^  :  ai.  tnarya-kd-s  „Männchen*,  rf«'iy«f , ia/iaf ,  wozu 
fiei^ax'-iO'V  (vgl.  oQvt&^o-v,  S.  92).  Hierzu  Namen  wie  '^iTtnaxo-g,  Adßqa^^ 
MoXvxo^  MoXv^.  Wahrscheinlich  XeTfia^  :  Xeijuciv  und  ""Innaxo^g  i^IniKov 
wie  ahd.  JBerhtung  :  Berhto,  d.  h.  '^^x{oy  aus  -ti-qo-.  Seltener  waren  auch 
die  gleichfalls  altererbten  -Jg'O-,  -üqo-,  -aqo-,  wie  nsqd-l^^  xrJQ-v^  (vgl.  ai. 
idr-w-^  „Lobsänger*^,  vä-ä^  (:aksl.  nova-kü  „Neuling"). 

16.  Suffix  -5X0-  -sX'fl-.  ßo^xrj  zu  ßo-axto.  dCaxo^  aus  ^dix-axo-g 
(§  59)  zu  iixetv.  Die  (bei  Homer  fehlenden)  Deminutiva  wie  naidiaxo^  nai^ 
iiüxTj*)  mögen  mit  dem  Präsens  auf  -iVxw  zusammenhängen,  und  die  ältesten 
Formen  dieser  Art  mögen  als  Primärbildungen  (vgl.  a^^axo-g  zu  ccQäaxio) 
zu  einer  Zeit  entstanden  sein,  als  diesen  Präsentien  noch  der  incohative 
Sinn  eignete,  vgl.  redvicxo-^  mit  lat.  adulescens, 

70».  IL  Suffixe  auf  -i-.  Ursprünglich  vier  Ablautphasen  im  Para- 
digma: -H,  -ei-  'Ci'f  'Oi'.  'Oi'  (im  gen.  sg.)  wurde  im  Griech.  verdrängt, 
ei  wirkte  noch  im  loc.  sg.  nach,  s.  §  82.  Das  Griech.  brachte  mask.,  fem. 
und  neutrale  t-Stämme  aus  der  Ursprache  mit;  die  letzten  erscheinen  aber 
nur  noch  in  dürftigen  Resten. 

1.  Suffix  -i-.  Primäres  Suffix,  nicht  häufig,  mg  ol-g  m.  f.  :  lat. 
ot?-f-5  m.  f.  ^^-«-5  f.  :  ai.  dr-i-^  m.  „Feind*.  TQsTg  aus  *T^«i-f$  :  ai.  trdy^as, 
uridg.  *tr-i-  (vgl.  ai.  tp'tfya-s,  lat.  ter-tiu-s).  Altes  Neutrum  oatte  du.  aus 
^oq-i-e  (zum  -{-  vgl.  yoiva  aus  ^y^r^F-a  §  70*») :  ai.  dk^i,  vgl.  J.  Schmidt, 
K.  Z.  26,  16  flf. 

2.  Suffix  -w«-.  Sehr  selten,  oy-v/s  (gen.  metaplastisch  -id-og?)  ' 
vvt'ig  .  aQOTQOv  Hesych:  preuss.  wag-ni-s  „Pflugmesser*,  Qf.  *^/ogÄ-«i-s  (vgl. 
FiCK,  Bezz.  B.  12,  162.  168).    svvi-g,  vgl.  ai.  ü-nd-s  „woran etwas  mangelt*. 

')  Unrichtig  in    meinem  Grdr.  2,    125  ^)  Janson,  De  Gr.  sermonis  deminutivis 

ans  *ifi't'io-g  hergeleitet.  in  -taxoc,  Thorn  1850. 

V 


100  ^  Griechische  Grammatik,    c)  Flexionslehre. 

3.  Suffix  -mi-.  Selten,  ik-iii-g  f.,  vgl.  die  suffixgleichen  ai.  hf^mi-^ 
m.,  lat.  ver-mi-s  m.,  Vf.  Grdr.  2,  272  f.  ^e-fii-g  f.  :  av.  da-nii^  „Schöpfung, 
Geschöpf* ;  die  Stammform  x^tfiiT-  nach  Fick,  Bezz.  B.  12,  7  aus  x^äfii-zog 
(vgl.  ovofia^Tog  S.  98)  abstrahiert.  ^  y^-iW'-S  f. 

4.  Suffix  -rf-.  Selten,  ux-qi-g  ox-gi-g  f.  :  ai.  a^-rt-^  „Ecke,  Kante *", 
lat.  oc-ri'S  m.    Xä-qi-q  :  aisl.  wY-r  „weise"  urgerm.  ^^it-ri-g, 

5.  Suffix  -^/-.  Seit  uridg.  Zeit  produktiv,  primäre  Abstrakta(nomina 
actionis)  generis  fem.  bildend,  ri-ai-g  äno-Tiai-g  :  ai.  apa-cUi-$  „Vergeltung, 
Strafe **.  äo-ai-g  rfaJ-ri-$  :  aksl.  da-ti  „Gabe",  yvia-ai-g  :  ai.  jM^-ti-^  „das 
Erkennen",  oga-tn-g,  d^icD-tri-g,  xdO^aq^i-g.  Mit  -c-ff-  cyx"*"^'*-?,  lax-e-ai-g 
u.  a.,  wie  ai.  dpS-a^ti^^  f.  „Ansehen",  ähnlich  a-ri;-(ri-g,  vgl.  cx-^-ro-^,  av-r/vr- 
Tos  §  70  S.  97.  fidv-ri-g  m.  war  ursprünglich  fem.  Abstraktum,  gleichwie 
lat.  hos-ti'S,  aksl.  ta-tl  „Dieb"  u.  dgl.  Über  die  Anlehnung  der  -^»-Stämme 
in  Komposita  wie  reQxpi'^ißQOTO'g  an  den  c-Aorist  s.  §  103. 

Anmerkung.  Hier  mögen  noch  genannt  sein  die  öfter,  namentlich  von  Daniblssos 
(Om  de  grekiska  substantivema  med  nominativändelsen  -ai\  Upsala  univ.  ärsskrift  1883) 
und  J.  Schmidt  (K.  Z.  27,  374  fF.)  behandelten  Feminina  auf  -w  -^,  wie  Aritvi  Atjr^,  Schmidt 
vermutet  darin  öj-Stämme  und  vergleicht  ai.  säkhä  „Gefährte,  Freund**  acc.  sdkhäy-am, 
welches  sich  aber  vielleicht  in  sd-kliäy'  so  zerlegt,  dass  •khä(y)'  Wurzelsilbe  war.  Aach 
der  Vergleich  mit  ai.  pänthä-s,  mänthä-8,  welche  von  *päntMy',  ^mäntkäy-  hergeleitet 
werden,  ist  unsicher.  Jedenfalls  ist  ein  aus  vorgriech.  Zeit  überkommenes  Suffix  -(^  noch 
nicht  erwiesen.  Es  scheint,  dass  -^  eine  Umbildung  von  -cJ  war  nach  dem  voc.  -oi  (Bab- 
THOLOMAE,  Ar.  Forsch.  1,  30,  Schmidt  S.  377).  At^roog,  Arjtot  stünden  für  -oj^-og  *-Oji-i. 
Acc.  krei  AättSy  ion.  Atjrovy  att.  Aritta.  Die  Herstellung  der  lesb.  böot.  dor.  flexion  -a», 
-Ol?,  -Ol,  -tav  vollzog  sich,  ähnlich  wie  die  lesb.  Flexion  fjQfioyiyrjgy  -17,  -p,  'tjy^  -e  unter  dem 
Einfluss  der  entsprechenden  Kasus  der  ä-Deklination  (Vf.  M.  U.  2,  196,  Mbistkb,  Gr.  D. 
1,  154  f.  269  f.,  Schmidt  S.  379).  Vgl.  noch  G.  Mbyeb,  Gr.  Gr.*  315  f.  324.  328.  333. 
339.  344.  347. 

70^.  III.  Suffixe  auf  -M.  Von  den  ursprünglichen  Ablautphasen  -tf-, 
~eu"  -c}^',  'Oll'  wurde  die  letzte  (im  gen.  sg.)  im  Griech.  verdrängt.  Mask., 
fem.  und  neutrale  u-Stämme  erhielt  diese  Sprache  aus  uridg.  Zeit. 

Anmerkung.  Dass  in  urgriech.  Zeit  in  gewissen  Kasus  gewisser  St&mmo  -u-  vor- 
handen war  (vgl.  ai.  instr.  sg.  pai-v-ä  u.  dgl.  und  oaae  aus  ^oq-i-e  §  70*,  1),  zeigen  1.  die 
Formen  wie  )^vy6g  yovya  aus  *yoy-f:-og  ^yoy'p-a  (§  57),  2.  n^Xexxo-y  aus  *7rBXBx-f'0-y  neben 
n^Xexv-g  u.  dgl.  (§  13),  3.  ep.  7iovXv-g  (dor.  ntoXv-nog)  aus  ^noX-f-v-,  eine  Stammform,  die 
durch  Übertragung  von  *noX-f'  in  die  Kasus  mit  noXv-  entstanden  war  (vgl.  got.  agg-v-u-a), 
s.  G.  Meyer,  Gr.  Gr.*  92  f.,  Vf.  Grdr.  1,  246. 

1.  Suffix  -f^•.  Primäres  Suffix,  vorzugsweise  in  Adjektiven,  nfix^v^ 
m.  :  ai.  bah-ü-^  m.  ,,Arm".  y*r-i'-g  f.  :  ai.  hdn-u-^  f.  „Kinnbacken**,  fiäd^-v 
n.  :  ai.  mädh-u  n.  „Süssigkeit,  Honig",  ßa^-v-g  :  ai.  gur-ii-^  „gravis*. 
nXaT'V-g  :  ai,  p^ih'ii'S  „breit".   wx-t;s  :  ai.  äi-ü-^  „schnell",  lat.  acu-pediu-s. 

2.  Suffix  'iu-.  In  andern  Sprachen  häufiger  auftretend,  ist  -{m-  im 
Griech.  gesichert  nur  in  lak.  vnv-g  kret.  viv-g  att.  (inschr.)  vv-g,  homer.  gen. 
vU'og^  Gf.  *su'iu-Sy  vgl.  ai.  su-ta-s  „erzeugt,  Sohn".  Vgl.  W.  Schulze, 
Commentationes  philologae  Gryphiswald.  1887,  p.  17  sqq.,  Eretschmer, 
K.  Z.  29,  470  f. 

Hierher  würden  auch  die  Maskulina  wie  rofitv-g  irofiTiev-g   (nora.  pl. 


^)  Dass  &tfdiajog  durch  neue  Anfügung 
von  -Tog  entstanden  sei,  wie  Fick  will,  ist 
nicht  glaublich.  In  der  Zeit,  in  welcher 
dieser  Neubildungsprozess  sich  vollzogen  haben 
müsste,  wäre   schwerlich  mehr  -t-t-  zu  -ar- 


geworden.  Nach  Daniblsson,  Gramm,  und 
etym,  Stud.  1,  51  war  ^efÄior-  „ein  Kom- 
promiss  von  ^eftia-  und  ^efin-*,  vgl.  §  73,  2 
Anm. 


2.  Nominal-  nnd  Pronominalflexion.  (§  70^'— 70<\)  101 

"^ir'^Q  im  Kyprischen)  0  gehören,  wenn  Wackernaoel's  Verknüpfung  mit 
den  ai.  Maskulina  auf  -äyiir^  das  richtige  träfe  (K.  Z.  24, 295  ff.  und  27,  84  ff.). 
Doch  bleiben  bei  dieser  Hypothese  erhebliche  Schwierigkeiten.  S.  Johansson, 
De  der.  verb.  contr.  73  sqq.  und  Wackern aoel  selbst  Phil.  Anz.  1887  S.  232. 

Anmerkung.  Zunächst  möchte  man  festgestellt  wissen,  in  welchem  historischen 
Vcrhältniss  die  Nom.  sg.  auf  -^v-g  und  die  arkad.-kypr.  auf  -17-f  (z.  B.  ygag^g)  zu  einander 
standen.  Spitzer,  L.  d.  a.  D.  27  ff.  sieht  -ifc  als  Neubildung  an,  während  Pbbllwitz,  Grdtt. 
gel.  Anz.  1886,  S.  705  uom.  -ijg  :  voc.  -et;  für  das  ursprfingliche  hält.  Des  letzteren  Ge- 
lehrten Verknfipfüng  unserer  Noraina  mit  näxQtog  (vgl.  §  70,  3  S.  93)  scheint  mir  kein 
gl&cklicher^  Gedanke. 

3.  Suffix  -nw-.  Sehr  selten.  Hom.  x^Qrj-vv-g  neben  att.  O'Qa-vo-g, 
Xty-vtf-g, 

4.  Suffix  -rti'.  Sehr  selten.  Sax-gv  :  com.  dagr  (pl.  dagrou) 
«Zähre",  lat.  lacru-ma.  Auch  xdxQ^'^  f-»  x^X^«'  (^«yx^«0  n.  und  ßotQV-g 
m.  hierher? 

5.  Suffix  -/ei -.2)  Verbalabstrakta  und  aus  ihnen  entstandene  Kon- 
kreta, ein  besonders  im  ion.  Dialekt  produktiver  Bildungstypus.  Nach 
Ausweis  der  Schwestersprachen  (z.  B.  lat.  ad-itus)  waren  dieselben  ursprüng- 
lich masc.  gen.,  sie  wurden  im  Griech.  fem.  hauptsächlich  wohl  durch  An- 
lehnung an  das  Genus  der  -/t-Abstrakta  (§  70*,  5);  das  späte  ^t-tv^  m. 
wurde  damals  erst  von  yf-ri;  n.  und  (fi-ivu)  aus  neu  gebildet.  aQ^rv-g  : 
lat.  ar-tu-s.  aanaCTi-g  zu  äüna^ofiai^  wie  got.  ibnassu-s  „Gleichheit, 
Billigkeit"  zu  *ibnatjan  (ags.  emnettan)  „adaequare".  ßorj-rv-g.  Zwei 
Neutra:  aa-tv  paa^-xv  :  ai.  väs-tu  n.  „Wohnstätte",  und  ^T-tv.  ftv-fio-g 
von  *«rv-  „Wesen"  für  *A-«-ri;-,  vgl.  ai.  hr-d-tu-s  „Tüchtigkeit"  und  <rx-^- 
ai-$  cx-f-ro-g  S.  100.  Den  mit  -/i-  gebildeten  Zahlsubstantiva  der  andern 
Sprachen,  wie  ai.  patskti-^  aksl.  petX  „Ftinfheit,  Fünfzahl,  Anzahl  von  fünf" , 
entsprachen  im  .Griech.  Formen  auf  -rv-g,  wie  nhvtr^HoaTv-g^  r^*Ti;-$  [xQnxvg 
unter  dem  Einfluss  von  rgitro-g  =  Hgi-xio^g)^  T^ixtv-g^  vgl.  Baukack,  K. 
Z.  25,  249  ff. 

70^  IV.  Suffix  -*-  -ie-.3)  Dieses  Suffix,  das  im  Griech.  infolge 
analogischer  Neuerungen  die  Gestalten,  die  es  im  Paradigma  ursprünglich 
gehabt  hatte,  fasst  ganz  einbüsste,  diente  seit  uridg.  Zeit  zur  Bildung  von 
Feminina  zu  substantivischen  und  adjektivischen  Maskulinstämmen  der  ver- 
schiedensten Art,  ähnlich  wie  -ö-  neben  -0-.  xß^rjatra  aus  *&rfr-iia  zu  xh^g 
;>r^-T-o$.  fji'ta  fA'iäg  aus  ^(Sii-ia  zu  iV-  aus  *5etw-  (§  74,  1).  Zu  «-Stäm- 
men urspr.  nom.  ^eti-T  gen.  -^-{^s  -u^ies.  ßagsia  aus  ^ßaqep-ia  zu  ßag-v-g  : 
vgl.  ai.  (jurv'i  „gravis"  *) ;  bei  diesen  ti-Adjektiva  fungierte,  wie  anderwärts, 
so  auch  im  Griech.  (bei  Homer  u.  sonst)  die  unmovierte  Form  auf  -v-g 
auch  femininisch.  Zu  cn-Stämmen:  xtxxaiva  aus  ^T^xrccv-j^a  zu  räxtwv  : 
vgl.  ai.  tak^H'l  zu  tdksafi^  „Zimmerer",  (fdyaiva  zu  (fayoir^  O^tQanaiva  neben 

')  Haupt,  De  nominuni  in  '€vg  exeun-  '  ders  im  Griech.,  K.  Z.  30,  398  ff.,  konnte  ich 

ttum  flexione  Uomerica,  1883.  ;  nicht  mehr  benutzen.] 

^)  Bkhfet,  Die  Suffixe  iv,  tu  samt  ci^u,  I  *)  Dass  das  Griech.  auch  (von  der  Form 

K.  Z.  2,  215  ff.  I  des  Gen.  u.  s.  w.  ausgegangene)  Formen  auf 

^)  Danielssok,   Om    de   indoeuropeiska  '  -via  gehabt  habe,  wie  Prbllwitz,  Gott.  gel. 

femininstammame  pa  -i,  Upsala  universitets  |  Anz.  1886,  S.  7G3  annimmt,  ist  nicht  erweis- 

iirsskrift   1881.     [Johakssoh's    Aufsatz    Zur  lieh,     vixvia   gehört  zu  vixv-g  (§  70^},  ist 

Fem.' Bildung  in   den  idg.  Sprachen,  beson-  also  als  *rexr-c<(  aufzufassen. 


102 


A.  GriechiBche  Grammatik,    c)  Flexionalehre. 


xß^sQaTi'V-rj  zu  O^fQaTt-oov  (ursprünglich  «-Stamm,  s.  §  71,  1);  -«na  wurde 
als  einheitliches  Suffix  weitergetragen,  z.  B.  kvx-aiva  zu  Atixo-^,  rjpn^&eaiva; 
aus  noi-riü  :  ai.  pät-nl  „Herrin**  darf  wohl  geschlossen  werden,  dass  ein 
derartiger  Prozess  schon  einmal  im  Uridg.  stattgefunden  hatte.  Zu  er- 
Stämmen urspr.  -er-i  -r-jVrs,  daher  -r«i^a  neben  -T^-ia,  evvrj'tciQa  eivr^- 
TQia^  €V'7idT€iQay  6(hT€iQa  (:  ai.  dä-tr~t  lat.  da^tr-T-x),  tpak-zQ^ia,  Zu  ^efU' 
Stämmen:  ono-saaa  aus  *-/?€T-(a  für  *-/?ar-ia  (§  72,  4)  zu  o7ro-«i$  :  ai. 
dpa-vat-T  zu  dporvanU  „wasserreich**.  Zu  -«^Partizipien  von  thema- 
vokalischen Tempusstämmen :  (psqovaa  aus  *y*ipo-i'r-jfa  zu  y^pwr  :  ai.  hhdra- 
nt-T  zu  ihdra-nt"  „ferens**,  Idovaa  zu  Wo)»»  :  ai.  mdd-nU^  zu  vidd-nt"  „fin- 
dend**. Zu  Partizipien  von  themavokallosen  konsonantisch  schliessenden 
Tempusstämmen  ursprünglicher  Ausgang  -?^^-F  :  dor.  ictaaa  (kret,  dat.  ionxff) 
aus  *i(f'cct'j^a :  ai.  s-ai-t,  uridg.  *5-g^-^;  iovaa  ovtfa  war  Neubildung  wie  eoiv  wv 
(§  112).  Zu  e5-Stämmen:  av-aidsia  aus  -fcr-m  zu  av-ctidrfi  :  vgl.  ai. 
rSdaS'T  neben  rodas-  „Welt**,  lat.  temp-er-w-s  zu  tempus.  Zu  f^es-Stäm- 
men  urspr.  -|tes-F  -tts-i^,  daher  /«yor-^r«  dor.  att.  (aus  ^-pBa-ia)  und 
/f^'or-t^ra.  Bei  den  -o-Stämmen  fehlte  seit  uridg.  Zeit  der  Stammauslaut 
-0-  vor  unserem  Suffix  :  nmqa  aus  ^nifisq-ka  zu  TtisQo-g  :  ai.  pivar-t  zu 
pTvard-s  „fett**. 

In  einigen  Wörtern  hat  wa  das  Aussehen  eines  Primärsuffixes,  z.  B. 
yt^fa  aus  *yvy-^a.     S.  Vf.  Grdr.  2,  319. 

Anmerkung.  Der  Ansatz  dor  idg.  Suffixform  -i  für  den  nom.  sg.  ergibt  sich  aus  den 
Fonuen  wie  nom.  sg.  ai.  sati,  lat.  datr-i-Xt  air.  Brigit  =  ai.  hfhat4t  got.  frijönd-i,  lit  «uX^oii^-i. 
Im  Griech.  war  -l-  wohl  erhalten  in  noh-ttj-s  zu  ai.  pur-i  (trotz  Bbchtbl,  Phil.  Anz.  1886, 
S.  18).  Der  acc.  sg.  ging  teils  auf  -hm  aus,  vor  sonantischem  Anlaut  (ai.  -t-m),  teils  auf 
'ii'iji,  vor  konsonantischem  Anlaut  (vgl.  im  opt.  3.  pl.  *5-tj(-^<  neben  *«-f-  *8-iiB-,  §  107).  Aus 
letzterem  gr.  -iny  mit  Antritt  des  -y  nach  der  Analogie  der  Ausgänge  -t-m  -ä-m  u.  s.  w. 
Entsprechend  im  acc.  pl.  -iiiis,  das  im  Gr.  vielleicht  noch  durch  -ms,  die  antekonsonantisohe 
Nebenform  von  -laySf  vertreten  war  (§  87),  Nach  -lav  wurde  im  nom.  sg.  -t«  für  -♦  ge- 
bildet, -ie-  als  starke  Suffixform  setzen  wir  an  auf  Grund  von  lat  mäter-ii-s  ctc-ü^a  und 
von  lit.  zem-e-  aus  *icm-ic-;  es  wurde  durch  -iä-  verdrängt,  z.  B.  gen.  -iäg.  Eine  Fort- 
setzung dieses  urgr.  Prozesses  war  es,  dass  -iä'  auch  in  den  nom.  acc.  sg.  eindrang,  z.  B. 
ircdQci  „Genossin"  für  *iraiqa  (zu  hago-s,  s.  Whebleb,  Nominalacc.  59).  Das  Schwanken 
zwischen  dXrj&eia  und  aXij&cid  ion.  äXrj&eirj  u.  dgl.  (G.  Meyeb,  Gr.  Gr.^  55  ff.)  erklärt  sich 
zum  Teil  wohl  daraus,  dass  in  einigen  Fällen  von  Haus  aus  beide  Bildungen  neben  einander 
gestanden  hatten. 

Die  Flexion  der  |^-Stämme  geriet  mit  derjenigen  der  f-Stämme,  in  denen  je  nach  konso- 
nantischem oder  sonantischem  Anlaut  der  Kasusendung  -i-  und  -t'i-  wechselten  (^  70  %  zu- 
sammen. Die  Akkusativendung  -i-m  der  je-Stämme  bestand  auch  einmal  im  Gnechischen, 
wie  hom.  noXly  *)  =  ai.  purim  (vgl.  noXiä-td-g  nohtj-nj-s  noXiä-oxo-g,  die  den  Übertritt  in 
die  Analogie  der  iä-Stämme  repräsentieren),  und  wurde  Anlass  zur  Flexion  noXiag  n.  s.  w. 
Daneben  stand  auch  tioU-,  tioXci-  '  ^*  ptm-  und  beförderte  jenen  Metaplasmus,  da  die  -i- :  -«i- 
Stämme  und  die  «-Stämme  auch  ihrerseits  ihre  Flexionen  vermischt  hatten  (§  70*^).  Vgl.  ausser- 
dem die  Doppelheiten  if/äXtg-ta  :  Apcrrp-tV  (gen.  -tcf-o?),  y^affa  aus  *j'«lrj^  :  ai.  ät-i-f  «Ente*  u. 
dgl.  Das  Schwanken  zwischen  den  drei  Stammklassen  {-i- :  -je-;  -t-  -tj[-;  -i- :  -ei-),  das  zum  Teil 
aus  vorgriechischer  Zeit  stammte  (vgl.  Vf.  Grdr.  2,  262.  314.  455),  bedarf  im  einzelnen 
noch  näherer  Untersuchung. 

Die  Dojjpelheiten  aX^&cM  :  dXrj&siiic,  evdv'ya  (aus  *sv^y-iit) :  €v&vyrj  u.  dgl.  mögen 
Formen  wie  roXfiä  fiigifiya  nregya  statt  solcher  auf  -ä  ins  Leben  gerufen  haben  (Vf.  M.  U. 
2,  199,  G.  Meyeb,  Gr.  Gr.'  57).  Doch  bedarf  es  noch  näherer  Untersuchung,  inwieweit 
dieselben  etwa  ehedem  Neutra  auf  -«  gewesen  waren.  Die  letzte  Auffassung  ist  durch 
kret  gen.  ftifidg  zu  ion.  elfia  u.  dgl.  (Wh^eleb,  Nominalacc.  35  f.,  Solhsek,  K.  Z.  29,  64) 
nahe  gelegt. 


^)  Der  Bemerkung  von  Bechtel  über 
homer,  noXl-g  im  Phil.  Anz.  1886,  S.  12 
stelle  ich  die  Frage  entgegen:  wo  hätte  denn 


Homer  noXvg  noXfy  mit  i  in  der  Senkung  ge- 
brauchen können?  i  in  der  Senkung  bei 
^yly,  K  292,  r  382. 


2.  Nominal*  und  Pronominalflezion.  (§70^—71.) 


103 


70^.  Mehrsilbige  Stämme  auf -r-  -*{-  und  auf -ß- -u?^-.  Hierher 
gehören  die  Flexionen  wie  noXi^g  noXiog  (neben  noh-g  nolsog)^  ßhh- 
ovqmnirg  (A  36)  und  växv-g  vcxv-v  växv-og.  Dass  dieser  Deklinations- 
typus aus  vorgriech.  Zeit  mitgebracht  war,  ist  sehr  wahrscheinlich,  und 
ich  nehme  an,  dass  er  durch  Nachahmung  der  Deklination  einsilbiger 
Stamme  auf  -i^  und  -il-  (z.  B.  xt-g  xi^og,  ai.  bht^^  bhiy-^is,  o-tpQv-g  o-g^Qv-og  : 
ai.  bhrA-^  bkruv-äs)  entsprungen  war  (Grdr.  2,  314).  Die  i-St«mme  (§  70») 
wurden  im  gen.  sg.  etc.  in  allen  Dialekten  ausser  dem  attischen  in  diese 
i-Dekl.  übergeführt,  z.  B.  gen.  gvaiog  =  att.  gvtseog^  und  durch  denselben 
Einfluss  erklären  sich  die  Messungen  wie  nqiq^iv  für  nqrj^^v  bei  Homer 
(Habtel,  Hom.  Stud.  P  105).  Geringer  war  der  Einfluss  der  t^-Dekl.  auf 
die  «-Stämme  (70*»),  z.  B.  bei  Homer  noXv-g  td^v-v  ßQcotv-v  (Hartel  a.  0.). 

71.  B.  Suffixe  auf  -w.i)  Es  sind  vier:  -cn-,  -jew-,  -^en-,  -iwcn-. 
Dieselben  standen  seit  uridg.  Zeit  im  Austausch  mit  -o-,  -io-  -t-  -r-,  -^o-, 
-mo-.  Daher  Kompositionsformen  wie  atfio-ßatpr^g  und  av-aifia-g  (neben 
ffv-aijucov)  zu  al'iiia  (§  103)  und  Ableitungsbildungen  wie  x^ifi-i'q  zu  xeU^a 
Xfi'fjiciv.  Neben  o-Stämmen  stehend,  hatten  die  n-Stämme  seit  uridg.  Zeit 
das  Amt,  den  Adjektivbegriff  zu  individualisieren,  ein  Einzelwesen  zu  be- 
zeichnen, das  eine  Eigenschaft  in  auffälligem  Masse  besitzt;  daher  auch 
viele  Personennamen  mit  n-Suffixen.  Z.  B.  (fTQaß-o-g  „schielend"  :  (ftgaß-wv 
^Schieler",  ^T^ttj^cüv;  ottgav-io-g  „himmlisch*  :  ovQav-iwv  „der  Himmlische**: 
vgl.  lat.  muUi'bibu-s  :  bib-ö,  rüf-u-s  :  Rüf-ö,  Es  ist  nicht  unwahrscheinlich, 
dass  -{cn-,  -^en-  und  -mev^  erst  durch  Weiterbildung  von  e-,  u-  und  iw- 
Suffixen  mittels  -cn-  ins  Leben  getreten  waren. 

Die  n-Stämme  waren  ursprünglich  teils  mask.  (wie  xBi(.im),  teils  neutr. 
(wie  x^V*«);  in  a^Jjywv  ^«ä,  TQrjQO)v  näXeia  war  die  Maskulinform  unmo- 
viert  mit  einem  subst.  Fem.  verbunden,  vgl.  rjdvg  ävviiri  (i  369  u.  dgl. 
Nur  ein  Teil  der  -jen-Stämme,  wie  wrf-tr-,  scheint  fem.  Genus  aus  vorgriech. 
Zeit  mitgebracht  zu  haben  (vgl.  Vf.  Grdr.  2,  321  f.). 

Die  starken  Kasus  hatten  -^n-  -ön-,  -j^w-  -jföij-  -ii^n-  -iiSn-  u.  s.  f., 
die  schwachen  -w-  -9-,  -in-  -m-  -{^ — iifi-,  -un-  -im — Jf^^-  -wm^,  -rn»-  -^w- 
-»1^  von  vorgriech.  Zeit  her. 

In  den  schwachen  Easus  stand  ursprünglich  die  konsonantisch  aus- 
gehende Suffixform  vor  den  sonantisch  anfangenden  Kasusendungen;  so 
noch  äq^V'ig  xv-v-og  (vgl.  ai.  iii-ii-His  nd^in-as)  gegenüber  den  Neubildungen 
wie  rixt-ov-og  nU{p)(^V''Og  Ttoi-fiäv-og  äy-iov-og.  Dagegen  stand  die  sonantisch 
ausgehende  Suffixform  vor. den  konsonantisch  anfangenden  Kasusendungen ; 
so  noch  y^a-iXi',  kret.  Ttha-tfi  (neben  TiXlov-og^  s.  §  73,  3)  und  äqvdai  für  *«^a-(rt 
(y  von  aq^V'og  u.  s.  w.  übernommen),  und  so  einst  auch  ^texta-ai  (ai.  tdk^a-su) 
*7ioipLa^ai  für  rixto-ai  noi^ut^tn  durch  Angleichung  des  Vokals  an  den  der 
andern  Kasus  (vgl.  rjiä-^i  {^t  ^tjäv-üi^  ßdtfe-aitür  ßdai-ai);  xr-cr/ für  *xi;a-<y* 
(ai.  Suvct-su).    Völlig  verdrängt  war  die  urspr.  schwache  Suffixgestalt  in  den 


')  OsTHOFP.Zur  Geschichte  des  schwachen 
deatschen  Ädjektivnms,  1876.  Ders.  P.-Br. 
B.  3,  1  ff.  Yf.  Die  schwache  Fonn  der 
Nominaktfanme  auf  -n  in  suffixalen  Weiter- 
büdangeii  und  Zosammensetzungen,  M.  U.  2, 


148  ff.  Streitbebg,  Die  Abstufung  der  No- 
minalsuffixe  -^o-  und  -ien-  im  Genn.  und  ihr 
Verhältnis  zu  der  des  Indogermanischen, 
Halle  18?8. 


104  A.  Grieohische  Grammatik,    c)  Flexionslehre. 

Neubildungen  wie  hora.  ij^jnov-ftfci  nach  dem  Typus  ^rtea-m  (§90)  und 
xoTvXr^6or-6^i  nach  dem  Typus  (ftgaro-tpi  (§  92).  Schwache  Suffixform  war 
ursprünglich  auch  Regel  bei  Weiterbildung  mittels  anderer  nominaler  oder 
verbaler  Stammsuffixe,  und  oft  erhielt  sie  sich  hier,  während  sie  aus  der 
Deklination  des  zu  Grunde  liegenden  n-Stammes  bereits  verschwunden  war. 
Z.  B.  Yfii'V'iA  zu  yfiTcor  -or-og,  xixxaivcc  aus  *r«xT^-ia  zu  xäxxwv  ^ov-og^  ni" 
(/?)aii'(»  aus  *7r£-/?w-/(o  zu  ni''{p)mv  •(f:)oV'Og^  Ttot-fir-rj  noi^iAv^io^v  noi^fiairco 
zu  noi-iir]v  -atr-o^,  vwvv-i^iV'O-g  zu  oi'o-jwa.  Vgl.  auch  die  Bildungen  wie 
oro-jua^Ta  neiqara  §   70,   14  S.  97  f. 

Was  dann  die  starken  Kasus  betrifft,  so  war  der  Wechsel  zwischen 
.  I  und  ö  wahrscheinlich  von  jeher  von  der  verschiedenen  Stellung  des  Wort- 
tones abhängig,  vgl.  z.  B.  (fQ-sv-eg  (pg-ip'  :  a-^pQ-ov-eg  a^tpQ-wv,  wie  na-^xä^eg 
Tta-rtlQ  :  iirirqo'nd'TOQ'Sg  -Ttd-xioQ^  s.  §  24  S.  45.  Der  nom.  sg.  hatte  von  uridg. 
Zeit  her  überall  langen  Vokal,  xv-wr  noi^iurjv.  Der  acc.  sg.  und  nom.  acc.  pl. 
du.  zum  Teil  -ew-,  wie  avx'^'v-a  not-fibv-a^  und  zum  Teil  wahrscheinlich 
-6W-,  wie  xhxx'ov-a  ax-fiov-a.  Ob  auch  Formen  mit  -äw-,  wie  ovQav'iwr-eg^ 
aus  vorgriech.  Zeit  überkommen  waren,  ist  nicht  sicher  entschieden  (Vf. 
Grdr.  2,  323  f.).  Im  loc.  sg.  war  -en  -en-i  sicher  alt,  in  ccix-iv^^  «^-(f)*V, 
io-fiev  noi'fiti'iy  und  mit  Rücksicht  auf  cci'(p)bv  :  at-(f)a)i',  got.  loc.  ahrin  : 
acc.  ah-an,  ai.  räj-an-i :  räj-än-am  ist  mir  wahrscheinlich,  dass  -en  -eti-i 
auch  bei  den  Stämmen  einst  im  Gebrauch  waren,  die  anderwärts  in  den 
starken  Kasus  -ow-  hatten,  also  xtxxor-i  für  Hsxxev-t.  Gortyn.  Infinitive 
wie  io-firiv  scheinen  den  av.  Lokativen  auf  -du  entsprochen  zu  haben  (so 
jetzt  auch  Johansson,  Bezz.  B.  13,  113,  Bartholomae,  K.  Z.  29,  497),  also 
hier  -^n  wie  im  nom.  sg. 

Wie  die  starken  Stammformen  vielfach  ins  Gebiet  der  schwachen 
Kasus  eindrangen,  so  auch  umgekehrt,  z.  B.  ag-v-a  (nom.  «$-ijv),  xti-i-a 
(nom.  xv'cov). 

Vgl.  ausser  der  S.  103  Fussn.  1  zitierten  Litteratur  noch  Vf.  C.  St.  9,  375  f.,  M.  U. 
3,  120  ff.,  DE  Saussure,  Möm.  211  ff.,  J.  Schmidt,  K.  Z.  25,  28.  30.  38  f.,  Bartholomae, 
Ar.  F.  1,  CoLLiTZ,  Bezz.  B.  10,  1  ff.,  Vf.  Grdr.  2,  322  ff. 

1.  Suffix  -ew-.  Durch  Verallgemeinerung  der  verschiedenen  Suffix- 
gestalten waren  im  Griech.  fünf  Bildungstypen  entsprungen:  a^-r-  {ÜQ-v-a 
dg-r-ig);  di-tv-  aga-ev-  {dd^tv-a  -er^og,  aqü-ev^a  -fr-o$);  xexx^ov"  dr^ä'OV^ 
{xtKX-ov-u  ^oV'Og,  drjS-oV'a  ^ov-og);  7r«i;^-/;r-  (nsvO-'fjv^a  -jyi'-o$);  xirrf-wr- 
dy^mv  (xXvd'iaV'a  -a)i'-o$,  dy-wv-a  -c5r-o^). 

Seit  idg.  Urzeit  primäre  nomina  agentis,  deren  ursprüngliche  Bedeu- 
tung aber  zum  Teil  schon  in  vorgriech.  Zeit  durch  Lockerung  des  Ver- 
bandes mit  dem  Verbalbegriflf  eingebüsst  war,  so  dass  nur  der  Begriff  eines 
konkreten  Wesens  oder  einer  dauernden  Eigenschaft  übrig  blieb,  xtxx^fov  : 
ai.  täk^-an-  „Zimmerer",  xv-wv  :  ai.  h-an-  Suv-an-  „Hund**  (nach  Benfey 
„der  häufig  und  viele  Junge  gebärende",  zu  xv-og),  gen.  xv-v-og  :  ai.  iti-n-as. ') 
dQ-r^v  dQ'V'og  (daneben  TcoXv-QQr/v,  das  sich  zu  dg-r^v  verhält  wie  Tfokv-xXag 
zu  TdXag,  ai.  d-gru-^  zu  gurii-s)  :  armen,  ga-rn   „Lamm",    dga-i^v  ion.  kret. 

*)  xtrdff  kann  für  *xvvog  nach  xvv-€c  (vgl.  |   ärgerlicbcn  Lapsus  acc.  xr-oy-«  als  tiberlieferte 

Tidcf-«  :  71  ocT-dfr)  gebildet  sein.   Daher  unricbtig  Form   gesetzt;   man  schreibe   S.   325   dafür 

Pbellwitz,  Gott.  gel.  Anz.  1886,  S.  757.  —  voc.  xvor,  vrährend  S.  328  der  ganze  Satz 

In  meinem  Grdr.  2,  325.  328  ist  durch  einen  «Dazu  kommen  etc.**  zu  streichen  ist. 


13.  Nominal-  und  Pronominalflezion.  (§71.)  105 

^Qff-t^r  :  siV.  ars-an-  „männlich,  Mann",  urspr.  „befruchtend,  Befruchter**. 
aqr^Y^v.  tQvy'civ.  Auch  die  Kategorie  der  Denominativa,  wie  igofi-iov 
(J^ojuo-g),  yMTQ-wv  (yaarrjQ),  scheint  in  vorgiiech.  Zeit  hinaufzureichen. 
Viele  Personennamen,  wie  Xgep-tor  (:  ahd.  Grimmo),  Avx-wv  (:  ahd.  Wolfo). 

Zuweilen  Übertritt  der  Maskulina  in  die  Deklination  der  -orr-Stämme, 
veranlasst  durch  den  gleichen  Nominativausgang  'on\  wie  liorv  Ihovr-oc 
neben  Xfo-Tia^io-g  (wie  aifio-ßatpr^g)  kätuvct  (Vf.  M.  ü.  2,  168  f.   197). 

Die  idg.  neutralen  (?t}-Stämme  (meistens  Kürperteilnamen)  schlössen 
sich  der  auf  einer  Ableitung  mittels  -to-  beruhenden  Deklination  der  Stämme 
auf  -wctj-  und  -ucn-j  wie  ovipLarog  ovofidti  etc.,  an.  xagä  aus  *xaQa(r-a, 
gen.  ion.  xaqr^arog  aus  ♦xa^rtc-a-rog  (vgl.  xdqüvo^v  aus  *x«p<i<r-i'-o-r)  :  ai. 
iir^dti-  n.  „Haupt**  (vgl.  Vf.  M.  U.  2,  173  f.  227  flf.,  Solmsen,  K.  Z.  29, 
69,  Danielsson,  Gramm,  und  etym.  Stud.  1,  40  flf.).  iin-a-tog  :  ai.  yak-än- 
n.  , Leber**.  Hierher  wohl  auch  ixiy-cc  aus  V^y*??  •  *i-  mah-dn-  n.  „Grösse**; 
hierzu  dann  die  Neubildungen  ^uyag  fxäyav  nach  der  Analogie  von  &rjkv  : 
&f^Xt}^  xhr^Xv-v  u.  dgl.  (Vf.  M.  U.  2,  175;  anders,  aber  ähnlich  J.  Schmidt, 
K.  Z.  26,  408.  27,  283  und  Bartholomae  K.  Z.  29,  565). 

Ging  die  Infinitivendung  -««'  (dor.  lesb.  -/^r)»  wie  in  ipsqeiv  g>€Qi^v, 
aus  'fffsv  hervor,  was  lautgeschichtlich  wahrscheinlicher  ist  als  ihre  Her- 
kunft aus  -f-f«v,  so  sind  idg.  Inf.  auf  *-s-e»  *-.s-ew-*  (loc.  sg.)  anzusetzen: 
vgl.  ai.  Inf.  wie  w^-^-aii-/  von  «7-  „führen".     Vgl.  §  146,  4. 

2.  Suffix  -jew-.  Maskulina:  otfQav-iwv,  iiaXax-iuiv  :  vgl.  lat.  vulp-iö, 
lihellriö;  auch  einige  mit  Verallgemeinerung  der  Suffixform  -iw-,  wie 
iskif-Xv'  „Bauchfisch **  :  vgl.  ai.  garbh-in-  „schwanger**.  Feminina  nur  mit 
'IV'  :  yXwx-Tv'  (zu  yXmdfSce  aus  *yA(ox-ia)  axt-iv-  wi-tv-  ^r^yfi^iv-  und  mit 
Kennzeichnung  des  fem.  Genus  durch  Überführung  in  die  fl-Dekliuation 
vaiiiv-Tj  neben  iW,arr-,  donii-ij  zu  Sio-ii-g;  äwrir-i-  stellt  sich  zu  lat.  da-üö 
u.  dgl.  (Vf.  Grdr.  2,  277.  335  f.).     Vgl.  Streitberg  a.  0.  45  ff. 

Hierher  gehörten  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  auch  die  Kompai'ativ- 
bildungen  wie  i^i-icov  -lor-og,  wie  wir  §  73,  3  sehen  werden. 

3.  Suffix  'uen-.  ai'{f)(jiv  mit  loc.  sg.  at'(f)f:v  :  ai.  dy-un-  (schwache 
Stammform)  n.  „Leben**.  7ii'(p)(ß}v  :  dA.pt'Van-  „fett**,  d-neiqtav  aus  *-7r6^- 
/rwv,  TifiQairo)  aus  *7ieQ'^/^i'j^(ß)  und  neutr.  neiqaxa  aus  ^Tt^Q-i^t^-ra  :  ai.  ^>a/- 
van-  n.;  über  nsiQata  und  die  gleichartigen  sidar-  d.  i.  frf-far-,  9^^^^^-(f)ar-, 
att&X'  8.  §  70,  14  S.  97  f.  Die  Suffixform  -im-  wohl  in  evd^vva  evO^vvco 
aus  *€Vx}^'VV'ka  -rr-/«  erhalten,  s.  Osthoff,  Forsch.  1,  24  flf.,  Vf.  M.  U. 
2,  190.  201  f.  205  f.  Grdr.  2,  342,  Streitberg  a.  0.  56. 

Der  Dativ  von  nomina  actionis  auf  -?/m-  seit  vorgriech.  Zeit  als 
Infin.  :  kypr.  äo-psv-cct  att.  öovvai  :  ai.  dü-van-c  „zu  geben**;  elS-tvai  aus 
^find-psv-ai  :  av.  vld-van-öi  „zu  wissen**.  Vgl.  §  146,  3.  ^-uen-ai  mit  starker 
Form  des  Stammsuffixes  war  eine  uridg.  Neuerung  für  ^-^n-ai  "^-un-ai, 

x€ve(p)(üv  neben  xsvs'po-g  §  70,  3  S.  93.  Es  entstand  ein  einheitliches 
Surfix  -f(f)a)r-  zur  Bezeichnung  von  Ortlichkeiten,  wo  sich  etwas  befindet, 
wie  oivewv  olvoivy  ititkov^  kaaidv.     Vgl.  die  Nachträge. 

4.  Suffix  -wen-.  Seit  uridg.  Zeit  häufig  gebrauchtes  Suffix  für 
nomina  actionis  (n.  und  m.),  die  oft  in  Dingbedeutung  übergingen  {^ev/na 
„Strömung,  das  Strömende**),  seltener  von  nomina  agentis  (m.).     Die  Neutra 


106 


A«  Griechische  Grammatik,    c)  Flexionalehre. 


gingen  im  Griech.  in  einem  Geleise  mit  denen  der  -ßu-  und  -ircH-Stämme, 
indem  ihre  Deklination  sich  mit  der  einer  -fo- Weiterbildung  verquickt 
hatte  (§  70,  14  S.  97  f).  x^v-iia  xv^ixa  xv-iia :  ai.  ho-fnan-  n.  »Guss*.  Täq-fia 
tcQ-fifav  :  lat.  ter-men  ter-mö,  ini^xri^a  a%rpß(av  :  ai.  sthärman"  n.  ^Stand- 
ort, Kraft**,  fitij'iiicc  fivjj-iKav,  virj-pLa  vorj'fiwv*  pLifSd-fo-iia,  x€vd"fAm'. 
iVf-ucür,  vgl.  id'fiev-m.  Xci-fuiv  und  Xi-fir^v.  noi-fir^v  :  lit.  pe^men^  m. 
„Hirtenknabe*'.  Im  Anschluss  an  Formen  wie  xijrff-juwv  rje^fidv  reXa-fidv 
wurde  -/ccor  zuweilen  auch    als   Sekundärsuffix   gebraucht,    wie  dxQeficivy 

Der  Dativ  der  nomina  actionis  seit  vorgriech.  Zeit  als  Infin. :  io- 
fA€v^m  zu  So^fia  :  ai.  dd-man-ö  „zu  geben";  Ti^/iev-ai  zu  ti^ticov  :  ai.  v/rf- 
nidn-^  „zu  erkennen,  zu  erfahren";  ßr^-iiev-ai  zu  ßrjiia.  Ebenso  war  wohl 
auch  der  infinitivische  Gebrauch  des  entsprechenden  Lokativs  altüber- 
kommen :  io-fiev,  f6-fi€v  u.  s.  w.  :  vgl.  av.  inf.  cas^man  d.  i.  -man  „zu 
schauen"  neben  dat.  cas-maine;  der  av.  Lokativform  scheint  kret.  So^iitjv 
entsprochen  zu  haben  (S.  104).    Vgl.  §  146,  2. 

Entsprechend  den  -v-fio^^  -v^'/ito-y  -a-iio-  in  §  70,  8  S.  94  finden  sich 
-r-jttfv-,  -^-ju«i'-,  -o'-/Mfr-.  Xahina  wohl  zu  lai'fio-g^  vielleicht  hierzu  noch 
äerjücc  avtii-qv.  i-x^fia.  7tXafina\  i^eoffiay  O'x'O'iW«?  v6iiii<f/xa,  a<f7ra(Tf.ia; 
noXvqtqaaiiwv  ^Qafffioavrt]  (Meisterhans,  Gr.^  68). 

71*.  C.  Suffixe  auf  -r. 

1.  Nom.  acc.  neutr.  auf  -ceg  -wp,  z.  B.  ovO-ag  :  ai.  Mfiar  „Euter", 
rjTtaq  :  av.  yakuf*^  ffrrjaQ  ((XteiaQ  falsche  Schreibung)  att&q^  "^i^^Q^  aXeixpaQ 
neben  alsiifa^  kvnaq  neben  Arjua;  vdwq.  Dieses  -p  darf  darum  unter  den 
stammbildenden  Suffixen  genannt  werden,  weil  es  zweifellos  Zusammen- 
hang hatte  mit  Suffix  -ro-,  z.  B.  maq  neben  nia^o-g^  vi-wq  neben  S(f-^o-c. 
Vgl.  DE  Saussüee,  Mem.  18.  225,  Vf.  M.  ü.  2,  224  flf.  231  flF.  Grdr.  2, 
352  f.,  J.  Schmidt,  K.  Z.  25,  22  f.,  Osthoff,  M.  ü.  4,  196  flF.,  G.  Meyer, 
Gr.  Gr.«  325  f. 

Anmerkung.  Dass  -oi^  aus  -f  entstanden  sei,  wie  ich  früher  annahm,  ist  doch 
zweifelhaft.  Mit  Kücksicht  auf  lit  vand^^  , Wasser*,  das  jetKt  Mask.  ist,  ehedem  aher  Neutr. 
gewesen  sein  muss,  Ittsst  sich  annehmen,  dass  *vS'ia  der  neutr.  Nom.  eines  n-Stammes  ge- 
wesen sei  von  derselben  Art,  wie  die  masknlinischen  Nominative  von  n-Stämmen  ]it.  dkmC  ai. 
uimäf  und  dass  hiei'an  -q  antrat,  gleichwie  «Xeifpaq  =  aXutpa  d.  i.  *ciXBitf>r^  -}-  -q  war. 

2.  Die  Suffixe  -er-  und  -ter-^)  -ter-  in  nomina  agentis  (wie 
(fo-rijß  (Tw-rcöf)  und  Verwandtschaftewörtern  (wie  ttä-ti;^),  ^er-  in  Ver- 
wandtschaftswörtem  (wie  Sä-rjQ)  und  ein  paar  andern  Nomina  verschieden- 
artiger Bedeutung  (wie  av-i^Q,  a-ij?). 

Die  Deklinationsweise  aller  dieser  Wörter  war  wahrscheinlich  ur- 
sprünglich eine  einheitliche  und  der  Unterschied  I :  ö  durch  uridg.  Be- 
tonungsverschiedenheiten hervorgerufen,  vgl.  do^rjq  (Tw-rij^  :  (fw-rwg  (ai. 
dOr-td  :  dd-ta)^  na-trjQ  na-Tbq-a  :  iir^rqo-natoaq  ^nct-TOO^a^  äv-rJQ  äv-sq-a  : 
ay-ijr-o)^  -i/r-op-a,  wie  tpQTjV  :  ä-<pQ(0Vy  s.  §  24  S.  45. 

Danach  war  die  Betonung  von  juij-ri;^  (ai.  mä-td)  x^vyd-TrjQ  (ai. 
duhi-td)  und  das  t  von  ^Qa-ri^Q  -tsQ-eg  (daneben  altertümlicheres  y^a-rw^) 


*)  Vf.  Die  Nomina  auf  'Or-  und  'tar-, 
C.  St.  9,  3<31  ff.  D'OoGK,  On  the  use  of  the 


Suffixes  'T£Q  'tog  -rf/^  -ta  in  Homer,  Leipz. 
1873. 


2.  Nominal-  and  Pronominalflexion.  (§71»  -72.)  107 

sekundär.  Über  ^ii^r^Q  O'vydii^Q  s.  §  67  S.  86.  Dor.  (pg^it^Q  scheint  mit 
dem  rj  von  natrJQ  auch  dessen  Accent  bekommen  zu  haben,  doch  lässt  es 
sich  auch  durch  den  „prozessiven^  Accent  dieses  Dialektes  erklären  (§  68). 

Die  schwachen  Kasus  hatten  von  Haus  aus  -r-  -;*,  so  noch  z.  B. 
Tra-Tß-o^  TTa-TQHov  und  na^TQd^tn  (ai.  pi-tf^^u).  Formen  wie  na^req-og 
Sa^äQ-tov  (pgcc-reQ-fft.  <pQä'TOQ^$  zeigen  Eindringen  der  starken  Stammformen. 
Durchgehends  hatten  sich  diese  bei  den  nomina  agentis  in  den  schwachen 
Kasus  an  die  Stelle  der  schwachen  Formen  gesetzt,  z.  B.  ^rj-roQ-og  ^tj- 
TTJQ-^g,  ^i^-to^ift  ^fj'TrJQ'tfi  statt  *^ij-^^o$,  ^^yi-tqu^ci  (vgl.  ai.  dat.  sg. 
dd-tr-S  da-tr-e,  loc.  pl.  dä-tf-^u  do-tf-^ii).  Sie  erscheinen  aber  noch  in  Ab- 
leitungen, z.  B.  krjtf'TQ'fg  XrjfX'TQHxo-g  neben  Aiji'c-tw^  Xrj$<f~rr^Q^  la-tQ-o-g 
neben  ion.  ir^-trjQ  (vgl.  auch  lat.  da-tr-l-x  neben  da-tör-is  etc.). 

Was  die  starken  Kasus  betrifft,  so  waren  sicher  lautgesetzliche  Nach- 
kommen urindogermanischer  Grundformen  na-TrjQ  ^rj-rr^Q  g^Qu-ttog  ^i^-ro^, 
na^äf-^a  na^e^cg  und  na-req-i  und  wahrscheinlich  auch  (pgce-roQ-a  ^jj-rog-a 
gjQa-tOQ'Sg  ^rj^roQ-eg,  während  ^rj-vrjQ^a  ^rj-trjQH  für  *^ij-T«lp-a  *^ij-T«ip-* 
(vgl.  noch  voc.  aw'xsq  neben  nom.  (Tcö-rryp)  nach  ^yj^y^Q  (entsprechend  hom. 
Hi\a-t(o^a  nach  juijcr-rw^),  und  ^fj^tog-i  für  *^»^i«^i  (vgl.  ai.  dd-tar^i  und 
da^tät'^i)  nach  ^ij-iop-a  (^rj^rog^eg  gebildet  worden  waren.  Wie  der  loc.  sg. 
bei  beiderlei  Betonung  e  hatte  (vgl.  das  S.  104  über  avx-t'V'i :  rext-ov-i  ge- 
sagte), so  auch  Bv^ndxciqa  zu  Bv-natfoQ  wie  Sfiij^rsiQa  zu  iß7f^i]Q.  Vgl. 
Vf.  Ordr.  2,  355  f.  Seltener  drang  schwache  Form  ins  Gebiet  der  starken 
Kasus  ein  :  &vyaTQa  für  x^vycttb^a^  äv^Qa  für  äräga  u.  dgl. 

SarJQ  aus  *3aipi]Q  (§  18)  dabqa  iAäqog  :  ai.  d^vär-  ^levir";  die  schwache 
Form  *daiu^^  und  antesonantisch  wohl  *rfa{wr-;  für  das  metrisch  unmög- 
liche iaäqm*  ü  769  wäre  hiernach  nicht  (mit  Ebel)  iaif^Qon'^  sondern 
6avQfiv  (aus  *äa{i)vQiov)  einzusetzen  (vgl.  Vf.  Grdr.  1,  141).  ovr^  aviqa  ar- 
iQog  :  ai.  n^dr^  „Mann*^;  neu  dvägog  u.  a.  arjQ  (lesb.  avrjQ)  aäqa  aägog;  vgl. 
tivo-ä.  »;^*  adv.  aus  *i]€qh  (ijfc^io-^)  aus  *a?<s-6r-,  ayx'CCDQo-g  aus  ^-avtr-Q-o-  : 
ai.  «^-cir-  , Frühlicht*.  Hierzu  wohl  auch  ^oq  (voc.)  '  x^vyarrjQ,  äyeip^ig 
und  iogeg  •  Ttgocrjxovrsg,  avyye vBig  Hesych  :  lat.  soror  aus  *s^esör, 

na^rrJQ^  urgriech.  narqig  narkqt  (att.  naxqi)  natäqa  ndreg  Ttaxägeg 
TratQäv  (att.  naTäqtov)  naxQaCi  TtartQag,  und  urfCQO'ndxfoq  :  ai.  pirtdr^, 
fir-'TTjQ  firj^TCQa^  der  nom.,  wie  oben  schon  bemerkt,  eine  analogische 
Neuerung  für  *jtii;-TiJ^  :  ai.  ma-tdr-.    yaa-xriQ. 

Produktiv  war  die  Kategorie  der  nomina  agentis,  die  auch  in  der 
Form  sich  einheitlich  konstituierten,  indem  sie  -ro^  und  -xr^q^  durchführten 
(isoliert  steht  Homer's  fir^a-xmQ'a ,  als  Eigenname  daneben  Mi]axoqa), 
ax-^coq  in-ccx-ti^q  :  lat.  üc-ior.  yBve-xrjQ  yevä^xfoq  :  lat.  geni^tor.  ffvx-rjjp 
(urspr.  „Verbinder*) :  ai.  yök-tdr-  „ Anschirrer *.  iüxwq  laxonq  :  ai.  vHtar- 
»Kenner*,     x^r^qä-xrjq  xhjqa-xwq.     g^vlax-xr^q.     (rr^fidv-xmq. 

73.  D.  Suffixe  auf  -t. 

1.  Suffix  -f-.O  Am  häufigsten  als  Primärsuffix  mit  Partizipial- 
bedeutung  (aktiv  und  passiv),  besonders  in  Zusammensetzungen,  z.  B.  nXaig 
nlfo-x-og  („Schwimmer*,  Name  eines  Fisches),  di-io-ßqdg^  nqo-ßXtjg^  thessal. 


')  DB  .Savssvbb,  Le  suffixe  4-,  M^m.  de  la  Soc.  de  lingu.  3,  1 97  ff. 


108  A.  Griechische  Grammatik,    c)  Flexionslehre. 

avrxkfn-og  „(rvyxh'jtov** .  Mit  O^t^g  vgl.  av.  fratcma-d^a-t'  „Erstgesetzter, 
Vorgesetzter,  Fürst". 

ri!?,  gen.  wx-r-og  :  ai.  ndk-t-  got.  nah-t-  „Nacht**. 

Eine  Anzahl  von  Nomina  mit  Vokalen  zwischen  Wurzel  und  -t-, 
wie  aQY't'i'  und  «^y-/yr-  (vielleicht  ursprünglich  nom.  -et,  gen.  -ct-os  etc., 
vgl.  ags.  nom.  hccle  „Held"  aus  urgerm.  "^xalej))^  xihfc-^  IhßriT-, 

Sekundäres  ^-Suffix  in  dem  Partizipialsuffix  '{f)ot-^  das  sich  mit  -ftcs- 
zu  einem  Paradigma  vereinigt  hatte,  s.  §  73,  4. 

Die  §  70,  8  S.  94  und  71,  4  S.  106  aufgeführten  Suffixkombinationen 
-r-juo-  und  -r-uf  r-  scheinen  auf  diesem  Suffix  -f-  zu  beruhen.  Ahnlich  ai. 
liv-i-nn-^  „thätig"  zu  kf-t-  „thuend"  u.  dgl.  (Vf.  Grdr.  2,  367). 

2.  Suffix  'tat',^)  Abstrakta  gen.  fem.  von  Adjektiven  und  Sub- 
stantiven. oXo-irfi  :  ai.  sarvä-tüt-  „Vollkommenheit",  reo-rr^g  :  lat.  novi-tas. 
»>fo-i7^c.  yXvxv-TTfi,  Der  Ausgang  -o-rftr-  wurde  verallgemeinert,  z.  B. 
t-r-o-ri;^,  navT-o-tr^g  (vgl.  -o-ff ri-  unter  4  und  TTarZ'O'fiOQffO'g).  Trorrjg  aus 
♦/roro-Tdr-  nach  §  61.  'tat-  hatte  sich  im  Griech.  auf  Kosten  von  -tu- 
ausgebreitet,  s.  §  70,  14  S.  97. 

Anmerkung.  In  vorgriech.  Zeit  standen  -Uit-  und  'ttUi-  gleichwertig  neben  ein- 
ander, vgl.  ai.  sarcä-fäti'  neben  sarvd-Uit-t  Jat.  civi-täti-um  neben  civi-tät-um,  -tat-  und 
'täti'  entstanden  wohl  durch  Erweiterung  von  -tä-  mittels  -^  (§  72,  1)  und  -ti-  (§  70%  »*>), 
vgl.  das  Nebeneinander  von  *noq-t-  und  *noq-ti'  »Nacht*  u.  dgJ.  (Vf.  Grdr.  2,  290).  Und 
wie  das  Griechische  *noq-ti'  neben  yv^  fallen  Hess,  so  -täti-  neben  -r«r-. 

3.  Suffix  -»^.'^)  Mit  -nt'  waren  seit  uridg.  Zeit  alle  aktiven  Par- 
tizipia  mit  Ausnahme  des  part.  perf.  (§  73,  4)  gebildet.  Die  Partizipia 
wurden  zum  Teil  schon  in  vorgriechischer  Zeit  zu  rein  nominaler  Natur 
übergeführt,  z.  B.  y*^wi'  :  ai.  jdra-nt"  „gebrechlich,  alt,  greis",  zum  Teil 
in  der  griechischen  Periode,  z.  B.  Üqxov,  ixüiv. 

'Ut^  mit  konsonantischem  -n-  seit  uridg.  Zeit  in  allen  Kasus  der 
Formen  mit  vorausgehendem  thematischen  Vokal  und  abstufungslosem 
langen  Vokal  (vgl.  Bartholomae  a.  0.  548  flf.).  (päqo-vx-  :  ai.  hlidra-nl- 
„ferens".  «Vo-rr- :  ai.  vidd-nt-  „findend",  aevr^  aus  *a/?»;-i'r- :  ai.  vd^nt-, 
yi'oiT-  aus  *yr(»-rr-  (§  26).  Ebenso  wohl  auch  aTfi-rx-,  rfo-rr-  von  jeher 
mit  -nt-,  s.  Vf.  Grdr.  2,  372. 

Dagegen  sonst  -nt'.  Durchgehends  unbetontes  -/*^-  in  idg.  ^dc-d-rU- 
*dhe'dh'iit'  zu  dö-  „geben**  dJic-  „ponere"  (vgl.  ai.  acc.  dadat-am  dddluit^am), 
dafür  gr.  iiSovr-  rid^tiX'  (J.  Schmidt,  K.  Z.  27,  394  f.).  Ebenso  wohl  aor. 
*pvq^s-nU  zu  pcq--  „kochen",  gr.  "^Titipat-,  wofür  ntipavT-  :  vgl.  ai.  nom. 
dhak^-at  zu  dah-  „verbrennen".  Im  übrigen  Wechsel  zwischen  -wf-  (-aiT-) 
in  den  starken,  -iit-  (-«r-)  in  den  schwachen  Kasus.  So  *s-w^  *5-«^-  zu 
cS'ti  „ist",  gr.  *ai'r-  *««:-,  letzteres  noch  in  dor.  iaaaa  (§  70«  S.  102)  und  in 
dem  aus  herakl.  tvv-aaai  u.  dgl.  zu  erschliessenden  *d(Tai  (§  90),  während 
*ai'r-  in  derselben  Weise  durch  ^vt-  ersetzt  erscheint  (dor.  h*T'eg)j  wie 
3.  pl.  fvvi  tial  für  *arTi,  s.  §  112.  'avT--  durchgeführt  in  navt-  :  ai. 
sd-svant-  -scat-  „vollständig,  ganz,  jeder",  uridg.  *Xv/-;//-  *X-^^-^./-.     Ebenso  in 


^)  AuFRKcuT,   Das   Affix  ir^x  tat,  K.  Z.  ;  K.  Z.  4,  321  ff.   Bartholomae,  Die  ar.  Floxion 

1,  15U  ff.,   A^'OERMANN,    Das    Suffix   Ti;r   in  '    dor  Adjcktiva   und  Partizipia  auf  nt-,  K.  Z. 

Primärbildungen,  C.  St.  3,  P22  ff.  j   29,  487  ff*. 

2j  Ebel,  Das  Suffix  -ant  und  verwandtes,  | 


2.  Nominal*  und  Pronominalflezion.  r§  72  ^)  109 

rfa/i-v-arr- :  vgl.   ai.  w^'-w-an^  vii'-n-at-    ^zermalmend".     uyvvvT-  für  *«/- 
vt^avT'  *ay-ri;-ar- :  vgl.  ai.  iak-nnv-änt-  Salc-tiuv-at-  „könnend". 

Doppelte  Bildung  des  nom.  sg.  im  Griech.,  q^tqwv,  trfwr,  ion.  orfwr 
(att.  oiovq)  und  a*<g,  tt«^,  rfirfot;^  u.  s.  w.  S.  §  75.  Bei  den  Partizipien  mit 
thematischem  Vokal  weisen  mehrere  idg.  Sprachen  auf  urspr.  *-o-w^s  (bez. 
*-ev»^s).  Gr.  iftqwv  kann  aber  nicht  aus  *yfßoiT-$  erklärt  werden  und  hat, 
wenn  aksl.  hery  aus  Heront-s  entstand  (s.  Vf.  Grdr.  1,  87),  nirgends  ein 
Analagon.  Aus  *bherönt  ist  es  auch  nicht,  wie  Bartholomae  glaubt  (a.  0.), 
herleitbar:  hieraus  wäre  *(p€qov  entstanden,  vgl.  lyvov  aus  "^iyvwvt  (§  26). 
und  80  dürfte  das  wahrscheinlichste  sein,  dass  zum  neutr.  iftQov  (aus  *9>£- 
qovt)  ein  mask.  q^tqtav  nach  der  Analogie  der  n-Stämme,  wie  Tifiov  :  TSfitöv^ 
mov  :  ntwvy  geschaffen  worden  war  und  zwar  zuerst  bei  rein  nominalem 
Gebrauch,  wie^i£^^(ov  „künftig",  ixciv  „freiwillig",  (paä&wv  „leuchtend,  hell". 

Anmerkung.  Nach  obigem  gehörte  odoyr-  zu  einem  thematischen  {6)d'0-,  dagegen 
ocfcel  (§  70,  15  S.  99)  zu  einem  unthematischen  (o)cf-.  Derselbe  Gegensatz  zwischen  ixtuy 
iiixtoy  und  dem  aus  ein  paar  verderbten  Hesychiusgloesen  entnommenen  fem.  aexanaa, 

4.  Suffix  -^ent-J)  In  denominativen  Adjektiven  in  der  Bedeutung 
des  Versehenseins  mit  etwas  oder  wie  etwas  Geartetseins.  In  den  starken 
Kasus  urspr.  -^ent-,  gr.  -ferr-,  in  den  schwachen  -u^t-j  gr.  -forir-,  wofür 
im  ürgriech.  -f^-,  indem  e  von  -ffrr-  herübergenommen  wurde.  Dieses 
-/?«T-  erhielt  sich  nur  im  loc.  plur.,  wie  xaqi-sai^  ferner  im  fem.,  x^p'-^ö'ca 
(§  70*^  S.  102),  und   in  xaqttaxsQo-g  x«?**«^^«^^«-^' 

ono-eiq  :  ai.  äpa-vant-  „wässerig",  olvo-eiq  :  lat.  vlnösu-s  aus  *'OvenssO'S 
*'(huj}t-\-to-.  tifjir^eigy  pamph.  •  r^/ia^f era.  xagi-eig.  -o-pew-  wurde  verall- 
gemeinert: fxr^Ti'Otig^  vi(f'6€ig;  auch  WO  (l-Stämme  zu  Grunde  lagen,  wie 
Gxtotig,  wie  umgekehrt  usaiieig  zu  iitco^v  u.  dgl. ;  verallgemeinertes  -ijfig 
auch  in  ^vr]eig  neben  O^vofig^  rf/i;««^  neben  reXteig  aus  *r€X€{ayf^evT',^)  ^w- 
nrleig  u.  dgl.  stqdeig  wohl  „modrig,  dumpfig",  zu  svqwg^  xrjTcoeig  neben 
xr^Tfadrfi  (§  72*)  U.  a. 

Aus  einer  in  die  uridg.  Zeit  hinaufreichenden  Vermischung  der  Suf- 
fixe 'uent-  und  -wcs-  erklären  sich  Ha-f^og  ^a-fog  hom.  rfjog  ijog  att.  rttog 
l'wg  dor.  ag  :  vgl.  ai.  td-vant'  „tantus"  yd-rant-  „quantus".  In  gleicher  Weise 
stellt  sich  der  Ausgang  von  hom.  T/y-/ioc  r'^-fiog  zu  ai.  -mant-.  S.  Bartho- 
lomae a.  0.  519  flf.,  Vf.  Grdr.  2,  379  f. 

72».  E.  Suffix  -rf-.  Häufig  -arf-  und  -iJ-,  wie  niydcä-  Xu^indd-^  iqid- 
alyid'.  Mit  diesen  rf-Bildungen  standen  vielerlei  suffixale  Elemente  mit  rf, 
grossenteils  unzweifelhaft  Ableitungen  aus  ihnen,  im  Zusammenhang,  z.  B. 
die  Verba  auf  -afw  und  wf«  mit  Dentalcharakter  wie  iixd^w  vofu^o)^  XQ^' 
ixado^g  xoqvflo-g^  [neXsiiov  ^uXeiaCvw  dxO^ridwv^  die  Adjektiva  auf  -(aörfi  wie 
xrjüidi^g  (vgl.  xr^tcu-sig  §  72,  4),  die  von  Haus  aus  mit  denen  auf  -o-/r«rf-j;g 
nichts  zu  schaffen  hatten,  und  die  Patron ymika  wie  ^AxToqiiifi  m.  (neben 
UxToqig  f.).  Dass  die  griech.  d-Suffixe  zum  Teil  aus  vorgriech.  Zeit  ererbt 
waren,  ist  sicher.     Vgl.  z.  B.  die  Verba  auf  -d^eiv  mit  den  german.  Deno- 

*)  S.  Ebel's  und  Babtholoxae's  S.  108      worden   sein,   als   den   Griechen    nur   mebr 
Fussn.  2  genannte  Aufsätze.  Überdies  Qoebel,      reXe-  als  Stammform  erschien  (in  riXe-og  etc.). 


De  epithetis  Homericis  in  €is  desinentibus, 
1858. 

*)  tikieig  kann   zu   einer  Zeit  gebildet 


Das  Wort    beweist  also  nichts  fQr  Ausfall 
der  Lautgruppe  -«^-,  vgl.  §  13,  S.  33. 


110 


A.  QrieohiBche  Grammatik,    c)  Flexionalehre. 


minativa  auf  -aijan  (ahd.  gramlzzm  gremizsön  „zornig  sein**:  xQüiiado-q) 
und  lAsXsdmv  äxxhr^ifov  mit  lat.  ordö  capedö.  Es  ist  vielfach  im  einzelnen 
noch  unklar,  auf  welchen  Wegen  die  grosse  Ausdehnung,  die  das  rf-Element 
im  Griechischen  hatte,  zu  stände  kam.  Von  wo  nahm  z.  B.  die  Vermischung 
mit  den  i-  und  r-Stämmen,  wie  ?^*-i' :  €Qid-  (G.  Meyer,  Gr.  Gr.*  311  f.), 
ihren  Ausgang?  Dabei  kommt  aber  auch  noch  in  Frage,  wie  weit  -cJ-  aus 
-t'  entstanden  war,  vgl.  z.  B.  dexdg  -«rf-o$  :  ai.  daidt-  (Vf.  Grdr.  2,  366. 
368.  382). 

72  K  F.  Die  Suffixe  -x-  und  -y-.  Dass  das  Griechische  auf  suffixales 
'Je-  ausgehende  Wörter  aus  vorgriechischer  Zeit  überkommen  hatte,  unter- 
liegt keinem  Zweifel,  da  dieses  Element  als  Suffix  auch  in  den  andern 
Sprachen  vorkommt.  Doch  ist  zu  beachten,  dass  Wörter,  die  ursprünglich 
-/tO-Stämme  waren,  in  die  Analogie  der  /r-Stämme  übergeführt  worden 
waren,  z.  B.  fxsTga^  :  ai.  marya-kd-s  (§  70,  15  S.  98  f.),  und  es  dürfte  schwer 
auszumachen  sein,  welche  unter  den  Ä;-Stämmen  die  aus  uridg.  Zeit  mit- 
gebrachten Musterformen  für  diese  Überführung  waren.  Vgl.  Vf.  Grdr. 
2,  384. 

(/-Stämme  ausser  im  Griech.  (o^/ray-,  nräQvy-,  ifdQayy-  u.  a.)  nur  noch 
im  Ar.,  wie  ai.  sand'h  „alt*.  Dabei  kommt  in  Frage,  wie  weit  -y-  an  die 
Stelle  von  -Ä-  gekommen  war,  vgl.  Aaray-  :  lat.  latiC"  (Vf.  Grdr.  2,  385). 

73.   0.  Suffixe  auf  -s.^ 

1.  Suffix  -CS-. 2)  War  altüberkommen  in  den  Neutra  auf-og,  wie 
ybvoq  :  lat.  genus\  in  den  Adjektiva  wie  tpevSrjgy  dva-iiEvrfi  :  vgl.  ai.  yaSas- 
„herrlich"  dur-nianas-  „mismutig";  in  den  geschlechtigen  Substantiven  wie 
t]cig  f.  :  ai.  t^ds-  f.  „Morgenröte".  Die  erste  und  die  dritte  Kategorie  standen 
neben  einander  wie  die  ungeschlechtigen  und  die  geschlechtigen  -men-Stämme, 

z.  B.  x**"A*«  und  x^^'M'^^*' 

Die  Deklination  war  ursprünglich  eine  abstufende.  Der  nom.  acc. 
sg.  der  subst.  Neutra  hatte  -05,  z.  B.  yev-og  ai.  jdn-as  „Geschlecht"  idg. 
^gen-os,  dagegen  beim  Adjektiv  -es,  z.  B.  äv-aytg  ai.  an-agds  „sündlos". 
Beim  Mask.  entsprechend  -ös  und  -es  :  l'wg  ijwg  (lat.  aurör-a)  idg.  *rfws-ös*) 
und  äv-ayr^g  ai.  an-ägäs^  tlfevdr^g;  rjoig  mit  veränderter  Betonung,  vgl.  Xsi- 
-juoir.  Dass  die  schwachen  Kasus  einmal  -s-  hatten,  zeigen  Ableitungen 
wie  xoQ-ff-rj  (zu  ai.  Sir-as  n.  „Kopf"),  piapa-g  lao-g  aus  V*^ö'-fo-  (zu  sidog, 
8.  §  70,  3),  sowie  gen.  lesb.  firjvv-og  aus  *nien-s-os  (s.  S.  111).  Das  -C5-, 
welches  die  subst.  Neutra  und  die  Adjektiva  im  ganzen  Gebiet  der  schwachen 
Kasus  zeigen,  z.  B.  y€'v-€{ayog  dv-ay-ä{ayog,  stammte  aus  dem  loc.  sg.,  der 
ursprünglich  -es  -es-i  hatte.*)     Bei   den   geschlechtigen  Substantiva  hatte 

^og  :  tpsvdtjSf  ebenso  Ri.äpas-  ,Werk"  :  apds- 
^thätig*)  waren  aus  einem  einheitlichen  Para- 
digma erwachsen.  Die  verschiedene  Yer- 
teUung  der  Betonung  hing  mit  einem  uridg. 
Brauche  zusammen,  nach  dem  ein  Wort  a]s 
nomen  abstractum  baryton,  als  nonien  agentis 
oxyton  war:  vgl.  z.  B.  xofino-g  .Prahlerei*  : 
xofi7t6-g  , Prahler*,  ai.  e§a-8  ,das  Hineilen*  : 
esd'S  ^hineilend*.  S.  Whebleb,  a.  0.  70  flf. 
78. 


')  Vf.  Zur  Geschichte  der  Nominalsuffixe 
-n«-,  'jas-  und  -ras-,  K.  Z.  24,  1  ff. 

^)  Aufrecht,  Bildungen  auf  niis,  yog, 
nas,  K.  Z.  2,  147  ff.  Goebel.  Das  Suffix  ^eg 
in  seinem  Verhältnisse  zum  Suffix  eg  oder 
die  Neutra  in  Sog,  cbend.  11,  53  ff. 

')  Ai.  ums  lasse  ich  bei  Seite,  weil  man 
nicht  wissen  kann,  ob  -äs  aas  *-e8  oder  aus 
*'ös  entstanden  war.  Vgl.  kei-futay  h-intjy 
u.  dgl.  neben  einander. 

*)  Die  Substantiva  und  Adjektiva  (\p€v- 


2.  Nominal*  und  Pronominalflexion.  (§72^—73.)  111 

der  acc.  sg.  ursprünglich  wohl  -05-,  -ifi  aus  */)6a  :  ai.  u^ds-am  0,  «Wc3  zu  atSwgj 
€cUi  aus  ^cdpoa^u  (zu  atsg^  s.  u.).  Dieses  -os-  wurde  im  Griechischen  in 
derselben  Weise  verallgemeinert  wie  die  Stammformen  Tfxrov-  d<otoq^  u. 
dgl.»  z.  B.  gen.  ^ot;g  aus  '^rio{ayoq.  Es  drang  auch  in  den  loc.  sg.  ein 
(iiOi  aus  *^o(cr)-*),  der,  wie  atfcg  und  aiei  aus  *alf:€{a)H  (betont  wie  dd^ssi 
u.  dgl.,  s.  §  82)  und  die  Ableitung  aidäofim  fut.  aldäa-aoiwi  zeigen,  ursprüng- 
lich -es  -eS'i  hatte  gleichwie  die  subst.  Neutra  und  die  Adjektiva.  Vgl. 
Vf.  Grdr.  2,  387  flF. 

Die  neutr.  Substantiva  waren  meist  primäre  Abstrakta  und  erscheinen 
mit  den  zu  ihnen  gehörigen  Adjektiven  (meistens  Komposita)  häufig,  xkä/s-og 
xläag  :  ai.  irdv-as  n.  »Ruf,  Ruhm*,  dva-xXerfi  :  av.  d^ui-sravak-  »von  schlech- 
tem Ruf*,  drjvea  pl.  :  ai.  d(isas-  n.  „herrliche  That*  (idg.  ^dans-os),  noXv- 
drjvca  '  noXvßovXovy  noXvfirjfviv  (Hesych) :  ai.  puru-dasM-  .  reich  an  herrlichen 
Thaten'.  C^vy-og  :  lat.  jüger-a  jüger-ibus.  (fiy-og  :  lat.  frig-us,  Arkad. 
täficveg  für  räfAcvog  wohl  nicht  durch  Vokalassimilation,  sondern  durch 
Analogiewirkung.  Die  Eigennamen  wie  SwxQorrjg  wurden  im  Attischen  in 
die  Deklination  der  d-Stämme  (Af^fSrjg)  übergeführt,  acc.  'XQdxrjv  gen. 
'XQaroVy  und  so  hie  und  da  auch  tqh^qt^  neben  TQitJQr]  u.  dgl.,  s.  Meister- 
hans, 6r.^  104  ff.  Trifft  "^W ackern aoel's  Zurückführung  des  Stammes 
XfiQ-  auf  *x^^'  das  richtige,  so  dass  man  das  Wort  zunächst  mit  iva-x^^l^ 
und  ai.  hdr^-as  n.  „Griff*  zu  verbinden  hätte,  so  wäre  die  Deklination  des 
Wortes  als  durch  Verallgemeinerung  der  schwachen  Stammform,  wie  bei 
dem  sogleich  zu  erläuternden  '^'/ii^r-cr-,  aufzufassen. 

"68"  erscheint  im  Griech.,  wie  anderwärts,  zuweilen  in  enger  Verbin- 
dung mit  vorausgehenden  stammsuffixalen  Konsonanten,  m-fsog  :  ai.  pUvas 
n.  „Fett*,  elqog  aus  ^psq-fsog,  vgl.  lat.  verv^x.  iQ^vog,  yA^-i'O^,  dd-vog  : 
vgl.  lat.  voIrmiSy  ai.  r^k-nas  „Reichtum",  naxe-tog.  ^datpog,  Adjektiva: 
n^r^'Q-rfi  (vgl.  nXrj-Qow  und  lat.  pte-rw-s),  y^Adrij^  aus  ^yfXaa-V'tjg  u.  a. 
Von  gleicher  Art  war  idg.  *m^-nc5-  (lit.  gen.  ntenes-io),  woher,  durch  Ver- 
allgemeinerung der  schwachen  Stammform  '^'iii^-ns-,  das  Mask.  ion.  megar. 
korkyr.  fiffg  aus  *fX€vg  ^iir^vg  (§  26),  gen.  lesb.  iir^vv-og  att.  lArjV'dg^  wozu 
iuiV  als  Neubildung  (Vf.  Grdr.  2,  389). 

Die  Easusausgänge  -co'-cri,  -ea-ifi  sowie  der  Komparativausgang  'ea-TeQo-g 
wurden  auf  andere  Stammklassen  übertragen,  z.  B.  hom.  yrAax-fcrcre,  xqot' 
fCifi  (§  90)  und  att.  etduiiAov'äareqa-g  (§  70,  10  S.  95). 

2.  Suffix  -as-.  Neutra:  xqäag  :  ai.  kravi$-  n.  „rohes  Fleisch". 
xiQag,  y^^g^  y^Qccg.  däfiag.  Das  s  dieses  Suffixes  war  jedenfalls  dasselbe 
Element  wie  das  s  von  -6S-  -os-  (1),  und  man  könnte  -a^-  auch  als  eine 
besondere  Ablautphase  von  -es-  bezeichnen.  Vom  Standpunkt  des  Grie- 
chischen aus  müsste  man  es,  wenn  Solmsen,  K.  Z.  29,  109  Recht  hat, 
der  annimmt,  zwischen  den  Nominativen  igfog  yäXwg  und  den  Stammformen 
igaa-  yeXaa-  (in  hom.  iqavvo-g  r^gcuf-aarOy  pindar.  ysXavtjg  hom.  iy^Xna-aa) 
bestehe  dasselbe  Ablautverhältnis  wie  zwischen  *rfö-  j«-  (rfw-^o-i')  und 
*(fo-  Ja-  ißd-vog)  :  ursprüngliches  yiXwg  ^yeXaa-og  etc.  sei  zu  yäXoog  ^ysXoa-og 
etc.  ausgeglichen  worden  (vgl.  do-to-g  für  *(J«-t6-$),   und  von   da  aus  sei 

')  Daneben  uiidB-am.  Wahrscheinlich  Ansgleiehung  einer  ursprünglichen  Doppelbil- 
dung ^ai^s-  *u8i8'. 


112 


A«  Gnechische  Chrammatik«    c)  Flexionalehre. 


Übertritt  in  die  o-Dekl.  erfolgt :  acc.  y*Ao-i'  ^qo-v  etc.  Vgl.  auch  xtgag  : 
vipi'xe'Qfog,  xQäag  :  lat.  cruor.  Vgl.  FiCK,  Bezz.  B.  3,  160,  Vf.  M.  U.  3,  81, 
6.  Meyek,  Gr.  Gr.^  307,  Danielsson,  Gramm,  und  etymol.  Stud.  l,44flf. 
Danielsson's  Analyse  y^qa^q  y^]Q^'^  u.  s.  w.,  wonach  -er-  an  zweisilbige 
Wurzeln  gefügt  war,  widerspricht  unserer  Auffassung  dieser  Stämme  nicht, 
8.  unsere  Definition  des  Wortes  Suffix  S.  91. 

Anmerkung.  Eine  Suffixkombination  -i-S'  nimmt  Danielsson  für  ^f ^i-<r-  in  ^e/dta- 
xQetoy,  9df4ia-T'  u.  a.  an,  und  Solkskn,  K  Z.  29,  115  vermutet  in  if4€Sva^v  fjiB&vaT^g 
einen  Stamm  /Ac&va-  =  ai.  vnadhus-  n.  «SOssigkeif.    Vgl.  Vf.  Grdr.  2,  399. 

3.  Suffix  -les-  n'es-.O  Das  Suffix  war  von  Haus  aus  primäres 
Komparationsuffix,  von  -{0-  -*jo-  aus,  wie  es  scheint,  weitergebildet  (s.  §  70,  2 
S.  92).')  Die  mit  ihm  gebildeten  Adjektiva  wurden  aber  wohl  schon  in 
der  Zeit  der  idg.  Urgemeinschaft  zu  den  „Positiven^,  die  irgend  welches 
Nominalsuffix,  -u-,  -0-,  -ro-  etc.,  hatten,  in  eine  derartige  ideelle  Beziehung 
gebracht,  dass  man  sie  wie  aus  diesen  gebildet  empfand,  z.  B.  rycfwtüv  ai. 
svdd-^t/as^  :  r^S-v-g  ai.  svad-ü-^.  So  bekam  -{es-  (-is-^o-)  den  Charakter  eines 
Sekundärsuffixes. 

Unser  Suffix  hatte  nur  ein  Teil  der  griech.  Komparativformen.  Nem- 
lich  acc.  t/rf-io),  nom.  (acc.)  plur.  -lovg  und  nom.  acc,  pl.  -lo),  aus  *-io(cf)-a, 
♦-to(cr)-fg  und  *-eö(cr)-a.  Ferner  mit  verallgemeinerter  Tiefstufenform  -is- 
hom.  7tXh-€g  nXtag  kret.  nXiag  niXavg  nXia  (1  ans  e)  aus  ^pl^is-,  vgl.  nkeU 
ato-g  aus  ^plei^-tchS,  homer.  sg.  x*?*"  x^?*'^  pl-  X*?***5  x*?****  neben 
X€Q€i(0Vj  s.  Mahlow  D.  1.  V.  46,  J.  Schmidt,  K.  Z.  26,  381,  Collifz,  Bezz. 
B.  10,  66.  306,  J.  Baunack,  Stud.  1,  5.  Endlich  das  aus  TTgeta-yv-g  nqBia'ßv'-g 
zu  entnehmende  und  mit  lat.  magis  osk.  mais  u.  dgl.  zu  vergleichende  Ad- 
verbium ^nqsTg  =  lat.  prts-  in  pris-cti-s  (über  TtQäa-yV'g  -ßv-g  s.  Vf.  Grdr. 
2,  406).  Ob  auch  kret.  nhm  als  ♦;rir^-jfocr-*  (loc.  sg.)  sich  hierher  stelle, 
wie  J.  Baunack,  Stud.  1,  5  u.  a.  annehmen,  ist  mir  sehr  zweifelhaft.  Die 
Stufe  -^OS'  gehörte  ursprünglich  wahrscheinlich  den  starken  Kasus  (ausser 
nom.  sg.  und  loc.  sg.)  an,  die  Stufe  -is-  -is-  sicher  den  schwachen.  Im 
übrigen  s.  Vf.  Grdr.  2,  401  flf.  Wie  im  Ai.  -lyas-  mit  -r-,  so  att.  -fo(cr)- 
(-ia>v),  schwerlich  eine  zufällige  Übereinstimmung. 

Hingegen  nehme  ich  mit  Danielsson,  Gramm,  u.  etym.  Stud.  1,  49 
an,  dass  das  Paradigma  -kov  -lov-og  etc.,  wie  rjä-iiov  -(ov-og  etc.,  ein  Suffix 
-jic«-  -dien'  enthielt,  das  selbständig  neben  -{es-  -iies-  aus  -jö-  -iio"  hervor- 
gegangen war,  und  dessen  Hervortreten  und  Ausbreitung  im  Griechischen 
auf  Kosten  des  s-Suffixes  dadurch  bedingt  wurde,  dass  die  mit  ihm  gebil- 
deten Formen  eine  leichtere  und  deutlichere  Flexion  gewährten  als  das 
durch  lautgesetzliche  Umgestaltungen  stark  zersplitterte  -{es-Paradigma. 
Vgl.  das  Nebeneinander  von  *ajf-i/o-  (lat.  aevo-m)  *ai'iies-  («<Vc)  *tti-«^f»«- 
{auv)  u.  dgl.     Neben  der  Hoolistufengestalt  -row-  auch  -iw-  -jfn-   in  att. 


^)  Weibrich,  De  gradibus  comparatinnis 
linguamm  Sanscritae  Graecae  Latioae  Gothi- 
cae,  Giss.  1869.  J.  Schmidt,  Das  primäre 
Comparativsuffix,  K.  Z.  26,  377  ff. 

^)  Mao  darf  in  den  att.  inscbr.  Genitiven 
fieiov  ^tirjov  (Meistebbanb,  Gr.*  119)  nicht 
Gen.  von  alten  -io-Formen  sehen,  'wie  ich 
Grdr.  2,  403  vermutongsweise  gethan  habe. 


Die  Bildung  war  durch  die  lautliche  Über- 
einstimmung des  nom.  acc.  neutr.  fie^oy 
»9aTror  mit  dem  gleichen  Kasus  der  o-StAmme 
verursacht  worden.  S.  Waokebnaoel,  Phil. 
Anz.  1886,  8.  77.  Vgl.  auch  /dahui-Tego-^ 
(Selon),  ßeXTuo-rsQo-g  (Telesilia)  zu  fidiioy 
ßeXiitav  nach  demselben  Bildungsprinzip  wie 
cofp<a-T$gos. 


2.  Nominal-  und  Pronominalflezion.  (§  73.)  113 

Tiketv  und  in  kret.  nQCiv  hom.  TtQiv  att.  nQir  (zu  nQSKf-);  ferner  -{{*-  in 
kret.  nXia^ai  neben  nkiov-og  (*  aus  s). 

ii.aaawv  :  ai.  Idfik-iyas-  „behender,  rascher*,  fidüawv  :  av.  mas-yah" 
,  grösser ''.  x^cerTwv  und  rax-itor.  ndaawv  und  nax-dav.  Att.  oXei^tav  zu 
oliyo^g.  xQsittfov  (ion.  xQtaaoiv)  und  fiei^cDv  (ion.  fit^wv)  erhielten  ihr  ** 
nach  xiiqtav  äfieivcDv  bXkiXfov  (§  54  Anm.),  ion.  icrcrwr  (att.  ^rrwr)  aber 
sein  «  nach  xQtaaoav.  Qortyn.  xaQtwv  =  ion.  »qäcatav  vermutlich  aus  *xa^TTCöi', 
wie  dor.  xdQQotv  aus  *xaQ(X(r(ov,  älter  *xa^T-/a)v. 

Zu  den  mannigfachen  Schwankungen  in  der  Gestalt  der  Wurzelsilbe, 
die  sich  teils  aus  gegenseitiger  Beeinflussung  der  verschiedenen  Kompa- 
rationsgrade ,  teils  aus  Abstufungsverschiedenheiten  innerhalb  des  Kom- 
parativparadigma's  selbst,  teils  aus  der  Einwirkung  sinnverwandter  Kom- 
parative auf  einander  erklären,  s.  J.  Schmidt,  K.  Z.  25,  156.  26,  380, 
Osthoff,  Jen.  Lit.-Zeit.  1878  S.  485,  Z.  G.  d.  P.  449  f.,  Vf.  Ber.  d.  sächs. 
Ges.  d.  Wiss.  1883  S.  193,  Grdr.  2,  400  ff. 

4.  S u  f  f  i  X  -^  ß S-.  1)  Es  diente  seit  uridg.  Zeit  zur  Bildung  des  part.  perf .  act. 

Nom.  sg.  masc.  idg.  auf  -uös,  gr.  dd-wg^  neutr.  idg.  auf  -mos,  gr. 
dd-og.  Daneben  die  Suffixstufen  -«es-  und  -w5-  im  Femininum  erhalten, 
-««  neben  -v*«;  älteres  -nai^-viag  (urspr.  '^eS''^ : -tis-ih)  wurde  teils  zu 
'da  '€iägj  teils  zu  -rm,  -viäg  ausgeglichen  (§  70*^).  Ausserdem  -«es-  wohl 
auch  in  dem  lak.  Beamtennamen  ßideoi  neben  ßiivoi  tdvioi  idvoi,  zum  fem. 
iivTa  gehörend  (vgl.  haiQo-g  nach  haiqA  für  H'xaiqa  und  O^tjXsia  §  88). 

Wie  wir  das  Komparativsuffix  -ies-  als  eine  Weiterbildung  von.  -{o- 
aufiassten  und  neben  -(es-  auch  -i'en-  in  komparativischer  Funktion  annahmen 
(3),  so  betrachte  ich  -t/es-  als  Erweiterung  von  -uo-  und  nehme  neben  ihm 
ein  gleichbedeutendes  -^et-  an,  das  durch  Anfügung  des  §  72,  1  S.  107  f. 
behandelten  -/-  entsprungen  war.  -?/ef-  erscheint  auch  im  Gotischen,  in 
veit^^öd'  „Zeuge"  {veit-vöd-  :  ^t/id-i/es-  =  got.  mc-nöp-  „Monat"  :  *m^-n<js-, 
s.  S.  111)  und  darf  demnach  als  uridg.  Nebenform  von  -lies-  gelten.  -/?or- 
mit  o  eignete  ursprünglich  nur  den  starken  Kasus  ausser  dem  nom.  sg.  und 
loc.  sg.;  der  nom.  sg.  hatte  -uöt-s  (noch  älter  wohl  asigmatisch  -uöt), 
woraus  -/^(og,  und  das  Zusammenfallen  dieses  Ausgangs  mit  dem  -f^oog  = 
idg.  'leös  brachte  das  kontaminierte  Paradigma  zu  stände.  Die  T-Formen 
setzten  sich  um  so  leichter  fest,  als  sie  einer  bedeutenderen  lautlichen 
Zersplitterung,  die  das  v^'P^i^^digma  im  Griechischen  erfahren  hatte,  ab- 
halfen. Das  w  von  hom.  Ts-d^vri-wr-a  Tts-ifv-üot-ag  fie-fia-üot-ag  u.  dgl.  war 
aus  dem  nom.  sg.  übertragen,  vgl.  hom.  ^u^a-Tm^a  §  70*,  2.  S.  Vf. 
Grdr.  2,  412  f.     Anders  Bartholomae,  K.  Z.  29,  537  f. 

eti-cig  td'vTa  :  ai.  md-vds-  „wissend",  ne-ffv-dg  :  ai.  ha-hhü-vaS'  lit. 
lü'VfS  aksl.  by-vü  von  W.  bheu-  „werden,  sein",  id-rid^g  :  ai.  ädi^vds^ 
ad-^i^'j  W.  ed'  „essen".  f-crra-ai$  i-aroig  und  i^atr^-oig  iarecig  :  ai.  ta-sthi- 
ras-  ta-sth-ü^'y  W.  siä-  „stehen",  ns-novx^-iüg  ne-nud^via.  Zuweilen  solche 
Partizipia  auch  zu  abgeleiteten  Verba,  wie  hom.  ßsßaQr^-oig,  böot.  psfvxovo-- 
Heiivtnav  (att.  (pxovofArjXotcov ;   zu  -ovrwr   statt  -otcav  s.  u.),    die   man  nach 


^)  J.  Schmidt,  Das  Suffix  des  participiam 
perfecti  acti vi,  K.  Z.  26,  329  ff.  W .  Schulze, 
Zum  participium  perfecti  activi,   ebend.   27, 

lUndbuch  der  IlUh.  Altertumswineiucbaft.  II.   2.  Aufl^  ^ 


547  ff.  (vgl.   zu  diesem  Au&atz  Spitzer,  L« 
d.  a.  D.  11  ff.). 


114  A.  GriechiBche  Chrammatik«    c)  FlezionBlehre. 

T€'&vr^'{üg  xe-xfiij-oig  u.  dgl.  gebildet  hatte.  Weiter  trat  unser  Suffix  auch 
auf  das  x-Perfekt  (§  135)  über,  wie  «Vrijx-wg  xeTiiirjX'oig.  Wie  die  andern 
Formen  des  Perfektstammes,  so  gingen  auch  die  Partizipien  in  vei*8chiedenen 
Mundarten,  besonders  in  den  äolischen,  in  die  Analogie  der  themavoka- 
lischen Präsentien  über,  z.  B.  lesb.  neTtXt^QoixovTa,  thess.  iv^oixodofisixav^ 
Tsaai,  böot.  psf^vxovofisiovTfov  (s.  o.),  homer.  xsxXjjyovregy  delph.  zeTeXsvtd- 
xoiaäg.  S.  §  134.  Die  nach  Formen  wie  rificoüa  vollzogenen  fem.  Neu- 
bildungen wie  hom.  att.  ßeßtoaa  herod.  iaxema  att.  «Vrcocra  nsO^veuiaa 
waren  durch  den  äusseren  Umstand  bedingt,  dass  die  zugehörigen  Maskulina 
und  Neutra  durch  Kontraktion  zu  -«r-  gekommen  waren  (fcrrwr-  aus  icr- 
TCfOT-,  iaTsSt"  aus  iarrjoT-) ;  dass  dem  itftoiaa  ein  ^iatdovaa  vorausgegangen 
sei,  darf  man  schwerlich  annehmen. 

Von  sldcog  tivTa,  slxdg,  ayvux  (sc.  oiig),  cux^ma  (sc.  oqvlg)  u.  dgl.') 
darf  man  annehmen,  dass  sie  nie  Reduplikationssilbe  besessen  hatten,  und 
siddg  Idvta^  slxwg  mögen  bewirkt  haben,  dass  auch  die  Formen  des  Verbum 
finitum  sich  der  Reduplikation  begaben,  oUa,  herod.  ofxa,  S.  Vf.'  Grdr.  2, 
410  f.     Anders  J.  Schmidt,  K.  Z.  25,  32,  Osthoff,  M.  U.  4,  p.  XI. 

2.  Nomina  ohne  stamxiibildende  Snfftxe  (Wnrzelnomina).') 

74.  Wurzelnomina  nennen  wir  solche  Nomina,  in  deren  Stammauslaut 
ein  auch  sonst  in  gleicher  Funktion  vorkommendes  nominales  Stammbil- 
dungselement nicht  erscheint. 

1.  Nomina  mit  nachweislicher  ursprünglicher  Abstufung. 

Tiovg  dor.  näg  {rtcig?  vgl.  Bloomfield,  Amer.  Journ.  of  Phil.  9,  15) 
Trog,  gen.  nod-og  :  lat.  i)^5  ped-is.  Die  alte  Stufe  der  schwachen  Kasus 
TTfrf-  noch  in  dem  zur  Präposition  gewordenen  instr.  lesb.  böot.  etc.  nei^a 
„nach,  mit",  vgl.  auch  Ableitungen  wie  nf^o-g  herakl.  pixaTi-ned-o-g,  nitd-a 
betrachte  ich  als  Fortsetzung  einer  uridg.  Form  ^jyöd'tii.  Vf.  C.  St.  9,  369, 
M.  U.  3,  124  f.,  J.  Schmidt,  K.  Z.  25,  15,  Osthoff,  M.  ü.  4,  p.  V,  Col- 
Lrrz,  Bezz.  B.  10,  36.  Immer  noch  nicht  überzeugend  gedeutet  ist  das  ov 
von  novg,  zuletzt  über  dasselbe  Solmsen,  K.  Z.  29,  358. 

€ig  iv'og.  Das  vi  des  Stammes  *sem-  (o/i-o-g,  lat.  sem-el)  war  in  ?vg 
(kret.)  und  k'v  lautgesetzlich  in  v  übergegangen  (§  20.  64),  und  v  wurde  dann 
in  die  andern  Kasus  übertragen.  Zur  Accentuation  von  eig  ovi-efg  s.  §  67 
S.  87.  Die  schwache  Stammform  *5^w-  in  dem  instr.  a/i-a  (adv.),  *sw- 
in  a-TTflcf,  *5w-  in  fi-ta  fn-wvv^  (de  Saüssure,  Mem.  285). 

Wenn  in  ion.  0Qt'jHx^€g  und  hom.  rQixcc-lx-eg  oder  TQlxcc-ix-eg  ein 
schwacher  Stamm  V^"  (V^*")  =  ^'  ^^'  „Haus,  Wohnsitz*  steckte  (de 
Saussure,  Mem.  69,  Fick,  Bezz.  B.  3,  168,  Osthoff,  M.  U.  4,  209  f.),  so 
gewährt  der  aus  oTxade,  besser  oha-dsy  zu  entnehmende  acc.  ^/^oTx-a  die 
zugehörige  starke  Stammform. 

äi/j,  acc.  (OTi^a.  Dazu  KvxX'Coip  fiix-wTr-cg  und  otv^oxp  ald-^oxp,  so 
dass  eine  alte  Abstufung  ätp  wn-a  Hn-ag  etc.  wahrscheinlich  ist  (J.  Schmidt, 
K.  Z.  25,  19  f.). 


1)  S.  WöRNER,  Sprachw.  Abb.  1874,  S. 
111  fF.  Mit  Unrecbt  will  Prell witz,  Gott, 
gel.  Anz.  1886,  S.  708  nur  "/«fv/«  als  bierher 
^ebörig  gelten  lassen.    Vgl.  8.  101,  Fussn.  4. 


^)  L.  Meyer,  Die  einsilbigen  Nomina  im 
Giiecbiscben  und  Lat.,  K.  Z.  5,  366  ff.  Vf. 
Grdr.  2,  44S  ff.  Blookfield,  Amer.  Journ. 
of  Pbil.  9,  8  sqq. 


d.  Nominal-  und  Pronominalflexion.  (§  74.)  115 

Eine  besondere  Gruppe  bildeten  Zevg,  ßovg,  Xy>oir^  xmv  und  cJfju- 
CHaus"*)  mit  Rücksicht  auf  die  Gestaltung  des  acc.  sg.  Vgl.  über  diese 
jetzt  Merinoeb,  Ztschr.  f.  österr.  Gymn.  1888  S.  132  flf,  und  Vf.  Grdr. 
2,  451  ff. 

2^vg  :  ai.  dyaü-^,  gen.  abl.  div-ds,  „Himmel,  lichter  Tag**.  Das  ur- 
sprüngliche Paradigma  war  wohl :  nom.  *dietf-s  {Zsv-g,  §  26),  acc.  *dtew 
(Zr^v)^  voc.  *rfte^  {Zev)^  loc.  *die^i^  gen.  ^di^-es  -os  {Jif-og).  Jip-i  wie 
natQ-i  für  natbQH^  J({pya  wie  xß-vyaTQ^a,  xvv-a,  aqv^a,  Zfjv  wurde  Aus- 
gangspunkt für  Zrjva  Ztjvog  Zrjri\  vgl.  iv-a  iv-og  (:  lat.  ri-m)  u.  dgl.  Havet, 
Mem.  d.  1.  S.  d.  1.  2,  177  ff.,  Osthoff,  M.  ü.  4,  235,  Collffz,  Bezz.  B. 
10,  47  ff.  Die  Komposita  kypr.  Ji^si-x^sm-g  att.  Jiei^vQbiprjg  (wahrscheinlich  ist 
bei  Homer  mit  Zenodot  auch  diei-nsTi^g  statt  dii-netrjg  zu  lesen,  G.  Meyer, 
6r.  Gr.*  129)  und  böot.  Jm-doto-g  zeigen  einen  loc.  sg.  nach  der  Weise 
der  o-Stämme,  vgl.  ai.  loc.  dwe-dive  «Tag  für  Tag"  (Delbrück,  Altind. 
Synt.   149). 

ßovg  :  ai.  gäti-^,  dat.  gdv-^.  Mutmassliches  urspr.  Paradigma  :  nom. 
sg.  *göw-s  {ßov-g,  §  26)  und  vielleicht  zugleich  *2^s  (dor.  ßwg),  acc.  sg. 
*göfw  (dor.  hom.  und  nach  Wackernagel,  K.  Z.  29,  141  auch  att.  ß(ov), 
nom.  pl.  *gOf<-es  (ßo-eg),  loc.  sg.  *geu-i  (ai.  gdv-i),  dat.  sg.  *g^'di  *2u^-di. 
Die  schwache  Form  noch  in  ixatofi-ßt]  =  *-gw-a  und  vielleicht  in  Boa- 
noQog,     Sonst  ßo/^-  verallgemeinert.     Acc.  ßovv  nach  ßoifg  gebildet. 

X^r,  xOov'og  für  *x^^f^'^^  indem  das  lautgesetzlich  entstandene  -v  des 
nom.  sg.  in  die  andern  Kasus  überging  (§  64,  3)  :  ai.  Jc^ds  „Erde",  nom. 
pl.  k^m-tzs.  Im  Ai.  acc.  sg.  k$dm,  im  Griech.  Neubildung  *x^o/*"«  x^<^'"«« 
Die  schwache  Stammform  mit  -wm-  war  in  x^^f^'^^^^  x^l^'^^  erhalten. 

XioJr,  x'<^''®^  für  *x*''/*-o^5  wie  x^^r-og  entstanden  :  av.  eyä  „Winter*, 
acc.  jsryam  gen.  jsr/m-ö,  lat.  hem-.  Die  schwache  Form  x'/*"  nicht  mehr 
erhalten,  da  iva-x^fio-g  als  -x^-no-  anzusehen  ist.  Grdr.  2,  453  suche  ich 
wahrscheinlich  zu  machen,  dass  idg.  "^ghiem-  durch  Einwirkung  des  Op- 
positum  *se;w-  „Sommer"  aus  *gAjen-  d.  i.  ghi  -\-  Suff,  -cn-  hervorgegangen 
war,  so  dass  das  Wort  ursprünglich  zu  §  70,  1  gehörte. 

Von  *dem-  „Haus"  nur  etliche  Reste.  dea-noTr^-g  aus  ^öe^ig  gen.  sg. 
(§  79).  (Ja- =  *f7^-  in  dd-nedo-v  „Fussboden  im  Hause",  dann  überhaupt 
„Boden*".  Über  anderes  zu  *dem-  gehöriges  s.  Merinoer,  Ztschr.  f.  österr. 
Gymn.  1888  S.  152,  Vf.  Grdr.  2,  453  f.,  Bartholomae,  K.  Z.  29,  497. 

2.   Nomina  ohne  nachweisliche  Abstufung. 

Eine  Gruppe  für  sich  bildeten:  oy^r-g  :  ai.  bhru-s  „Augenbraue", 
v-g  :  lat.  sü-s,  Ix^v-g  :  lit.  gen.  pl.  zuv-u  „der  Fische",  l'-g  :  lat.  vT-s,  xT-g. 
Bei  diesen  stand  von  Haus  aus  -ü-  -i-  in  allen  Kasus  mit  konsonantisch 
anfangendem,  -u^ — 1|-  in  allen  Kasus  mit  sonantisch  anfangendem  Kasus- 
suffixe, vgl.  z.  ß.  6(pQV'0g  :  ai.  bhruv-ds,  wfQvai  xXai  für  *6<pQv<n  *xi(n  : 
vgl.  ai.  hhrü'^ü  dhi-^ü  (§  90). 

vav-g  :  sä.  naü-^  „Schiff",  vav-g  vav-ai  aus  "^vCku-g  *va^'al  (§  26); 
ion.  vrjv-g  vrjv-tfC  waren  Neubildungen.  Nom.  pl.  rrj-eg,  gen.  sg.  vr^-og  reoig. 
Acc.  v!j-€c  ==  lat.  nav-em;  att.  vavv  nach  nom.  vavg  gebildet. 

fivg  :  lat.  müs,  Stamm  idg.  *müs-.  Von  der  alten  Flexion  *fjiv(ay6g  etc. 
nur  dürftige  und  unsichere  Reste,  fivtg  ^livai  (s.  Schulze,  Quaest.  homer, 

8* 


116 


A.  Qriechiflche  Grammatik,    c)  Flexionalehre. 


49  f.);  vgl.  dazu  homer.  fAvoiv.  Schon  frühe  wurde  das  Wort  in  die  Ana- 
logie der  Nomina  wie  6(fQvg  gezogen  :  fivv  fiiog  etc. 

Xrjv  (dor.  x^^)  Z'/^"og  :  lit.  gen.  pl.  zas-ii  „der  Gänse".  Urgr.  ^%ava- 
(§  58).  Nom.  xav  für  *x^^  wie  iir^v  für  ne(g.  Das  stammschliessende  -s- 
war  freilich  wohl,  wie  das  von  *iii^va-  (§  73,  1  S.  111),  suffixales  Element. 

Xvy^  Xvyy-og,  zu  Xvy-drjv  Xv^to  Xvyydvoiiai.  Der  Nasal  als  ein  ur- 
sprünglich nicht  zur  Wurzel  gehöriges  Element  vergleicht  sich  dem  von 
lat.  con-junx  neben  con-jux,  ai.  yünj-  neben  yiij-  ^verbunden,  zusammen- 
gespannt*, lat.  plur.  ningues  neben  nives. 

ßiä  :  ai.  jyä-jiya-  „Gewalt".  xQ^r  ^^  Komposition  fieao-diArj  oino-xkrj, 
S.  Vf.  M.  U.  1,  6.  49.  64. 

Andere  Beispiele,  vttp-a  acc.  :  lat.  nix.  tpwQ  :  lat.  für.  axv^.  ^«J.  xhoip. 

3.  Nomina  als  hintere  Kompositionsglieder.  Seit  uridg. 
Zeit  standen  die  Wurzelnomina  häufig  in  Komposita  im  Sinn  eines  aktiven 
oder  passiven  Partizips,  vt^ng  acc.  vipida  :  vgl.  ai.  viha-vid"  „alles kennend". 
xpevai-atv^.  X^Q-viif)  urspr.  „die  Hand  waschend",  cv-^v^  oiii^v^  :  vgl. 
ai.  sa^yuj"  „durch  Freundschaft  oder  Verwandtschaft  verbunden",  lat.  con-jax. 

Adverbial  das  Neutrum  vno-dqa  aus  *-rf^ax  (§  64).  Von  gleicher 
Art  vermutlich  dsvQo  aus  "^de-pQon  „hergeneigt,  herwärts"  (zu  ^^tt«,  ^o/ri;) 
oder  wohl  besser  aus  *deV'fQon  (vgl.  dsv-ts),  *d€v  wie  ofr^t;;  leicht  deut- 
bare analogische  Nfeuerungen  äsvQfo  (r  240),  att.  dsvge  (inschr.),  6€vtQi. 

4.  Infinitivische  Funktion.  Die  Formen  del^-ai.  yQui^i-ai  waren 
gleichsam  Dative  des  als  Wurzelnomen  fungierenden  sigmatischen  Aorist- 
stammes. Sie  stellen  sich  arischen  Inf.  wie  ai.  ji-^-e  „zu  siegen"  und  zu- 
gleich vielleicht  den  lat.  Inf.  wie  da-r-T  fer-r-t  zur  Seite.  Das  -s-  des  sig- 
matischen Aoristes  kann  sehr  wohl  mit  dem  s  des  Nominalsuffixes  -es- 
identisch  gewesen  sein,  und  so  Hesse  sich  SeT^ai  auch  zu  §  73,  1  stellen. 
Hierher  gehört  die  Form  jedenfalls  insofern,  als  sie  nach  der  Sprach- 
empfindung der  Griechen  Glied  dos  Aoristsystems  War.  S.  Vf.  M.  U.  3, 
42  ff.,  Grdr.  2,  459  f. 

Die  einzelnen  Nominalkasus.  0 
75.  Nom.  sg.  masc.  fem. 

1.  Kasussuffix  -5.  inno-g  ==  lat.  equo-s.  oi-g  =  lat.  ovi-s,  i]dv'g 
=  ai.  svüdü'i  „suavis".  veovtjg  aus  *)'ffo-rttr-$  =  lat.  novitas.  a^Qv-g 
=  ai.  bhrä-^  „Braue".  Zev-g  =  ai.  dyaü-^.  fivg  =  lat.  müs,  idg.  wohl 
*mus-5.  yAoJ,  aJi/;  wie  lat.  vöx  av.  vax§,  nmg  nog  novg  wie  lat.  pes,  s. 
§  74,  1.  Auch  die  n^Stämme  hatten  von  Haus  aus  wahrscheinlich  alle 
einen  s-Nomin.  :  nag  aus  *;ravr-$  wie  ai.  sän  „seiend"  aus  ^sant-s,  dei^ag^ 
diiovg,  taxag^  dovg^  atag^  yvovg^  X<xq(eig\  die  Formen  wie  Xeittcdv  Xmwv  ion. 
odoiv  =  att.  oiovg  waren  wahrscheinlich  im  Griech.  nach  der  Analogie  der 
n-Stämme  neu  gebildet  worden  (§  72,  3). 

2.  Stamm    als   Nominativ.     &€d   wie  lat.    dea.    Die  Maskulina 


')  Vieles  hierher  fallendes  hieten  die 
Schriften  üher  die  nominale  Stammbildung, 
s.  S.  91  ff.  Ausserdem  sei  hier  auf  Leo 
MevkR;  (ledrUn^le  Vorgleichung  der  griech. 


und  lat.  Deklination,  1862,  und  Stolz,  Bei- 
träge zur  Deklination  der  griech.  Nomina, 
1880,  verwiesen.  Vgl.  auch  G.  Meybr's 
Litteraturan gaben  Gr.  Gr.'*  301. 


2.  Nominal-  und  Pronominalflexion.  (§75—76)  117 

wie  veavia-g  yfvttr^-g  waren  ursprünglich  Feminina  (§  70,  14.  172)  und 
bekamen  ihr  Nominativ-s  erst  auf  griech.  Boden  nach  der  Analogie  von 
maskulinischen  Nominativen  wie  ^eo-g,  wie  auch  ihre  Genitivbildung  eine 
griechische  Neuerung  war  (§  79).  Die  s-lose  Nominativform  blieb  in 
vokativischer  Funktion  :  ^Egi^eta,  aiva^ert].  Letzteres  erklärt  wohl  am  ein- 
fachsten die  mask.  Nominative  auf  -a,  wie  böot.  ^Akxivia,  oXufAntovixa, 
leukad.  fPiXoxXsiSa  (vgl.  megar.  tov  'Aqaiag  §  79),  0  indem  man  diese  als 
nominativisch  gebrauchte  Vokative  ansehen  kann  wie  firjtiäTä  (§  76);  dass 
es  Nominative  aus  der  Zeit  seien,  wo  die  mask.  o-Stämme  überhaupt  noch 
kein  -^  angenommen  hatten,  ist  unwahrscheinlich;  eher  möglich,  dass  -^ 
wie  in  den  böot.  Nom.  auf  -et  =  sie  u.  dgl.  durch  Satzphonetik  geschwunden 
war  (8  64,  1).  Die  Nom.  auf  -««  -/«  wie  not  via  dXrj&Ha  (peqovaa^  denen 
in  den  andern  Sprachen  Formen  auf  -t  gegenüberstehen,  halte  ich  für 
griech.  Neuerungen  nach  dem  Akkusativ  auf  -lav  -^av  (§  70®  Anm.). 

Dritte  oder  vierte  Hochstufenform  bei  Stammbildungssuffixen  auf  -n, 
-r,  s,  die  der  c-Reihe  angehöi*ten  (§  24).  tixttav^  ni(is)(or,  oigavicav^  rjdmv, 
äxfiiov,  noifji>rjv,  donoiQ^  doiijQ^  naxr^Q^  /^o;$,  sidwg^  ipsvSrjg.  Da  bei  den  fl~ 
und  den  r-Stämmen  in  andern  Sprachen  auch  Formen  ohne  den  auslauten- 
den Konsonanten  des  stammbildenden  Suffixes  auftreten,  z.  B.  lat.  Iwino, 
ai.  täk$a  =  T€XT(av  und  ai.  pitd  ==■  nan^Q,  so  nimmt  man  wohl  mit  Recht 
idg.  Doppelformen  an,  deren  Gebrauch  sich  dereinst  nach  verschiedenen 
Sandhiverhältnissen  geregelt  hatte;  doch  sind  diese  im  einzelnen  noch  nicht 
genügend  aufgeklärt  (zuletzt  hat  über  dieselben  Merinoer,  Ztschr.  f.  österr. 
6ymn.  1888  S.  137  f.  gehandelt).  Das  Griechische  hätte  also  die  vollere 
Form  verallgemeinert;  doch  fragt  sich,  ob  nicht  in  den  Nom.  eUci  atjdcti 
auch  die  andere  Form  festgehalten  war.  Durch  Anlehnung  an  die  Nomi- 
nativkategorie mit  'S  entstanden  in  jüngerer  Zeit  einige  Formen  wie  lak. 
a^rfi  =  ccqar^\\  jxaxuQg  =  fxtixäq, 

Stämme  mit  dem  Suffix  -ä'-,  die  diese  Tiefstufenform  durch  das  ganze 
Paradigma  durchführten  (§  71,  2  S.  105),  bildeten  ihren  neuen  Nomin.  —  die 
alte  Gestalt  war  -?ö(w)  oder  -{c(w)  —  teils  nach  der  1.,  teils  nach  der  2.  Weise: 
dskifig  und  dsXffiv, 

lisig  herakl.  iir]g  aus  "^iievg^  älter  "^^rjvg  (§  26),  war  ebenfalls  eine  in 
den  Nom.  eingedrungene  schwache  Stammform,  und  es  ist  nicht  zu  er- 
mitteln, ob  ihr  je  ein  Nominativ-s  angefügt  war,  d.  h.  ob  je  *mmS'S 
bestanden  hatte,  s.  §  73,  1.  /tryv  wurde  zu  fir^v-og  etc.  gestellt  nach  dem 
Muster  von  nsvö-rjv  u.  dgl.  El.  ixevg^  einmal  bezeugt  (Collitz,  Gr.  D.  n. 
1151,  15),  erklärt  Solmsen,  K.  Z.  29,  62  ansprechend  als  Neubildung  nach 
Zevg,  die  durch  das  Zusammenfallen  der  casus  obliqui  veranlasst  war  :  iirivog 
fii^va  wie  Zfjvog  Zijva,  Mit  dem  für  x^^  X'J*'  vorauszusetzenden  älteren  *xä$ 
aus  *x^*^^5  hatte  es  wahrscheinlich  dieselbe  Bewandtnis  wie  mit  fit/g  (xsig^ 
8.  8  74,  2. 

76.  Voc.  sg.  masc.  fem.  Der  Ton  war  in  der  idg.  Grundsprache, 
so  weit  die  Formen  nicht  enklitisch  waren,  durchgehends  zurückgezogen, 
daher  z.  B.  x^vyaxeQ^  ndreQ^  Zev.     Durch  Anlehnung  an  den  Tonsitz  in  den 


*)  El.    teXBCJ«   ist  Wühl  in  nXBaidg  zu  korrigieren.    S.  Mbisteb,  (Jr.  D.  2,  G3. 


118  A.  Griechische  Ghrammatik.    c)  Flexionslehre. 

andern   Formen    des  Paradigma's  entstanden  die  Formen   wie  avioxgdtoQ, 
3ai(fQov.     Vgl.  Wheeler,  Der  griech.  Nominalacc.  49  flF. 

l'nne  =  lat.  cque.  vvfitpä  dtanora^  wie  ai.  ämha  „Mutter",  aksl. 
zeno  „Weib",  idg.  -a.  Die  mask.  Vokative  wie  evQvona  ^r^ruta  bekamen 
im  epischen  Dialekt  auch  nominativische  Funktion,  z.  B.  evqvona  Zevc 
nach  svQioTia  Zsv  (Vf.  M.  U.  2,  199  f.,  6.  Meyer,  Gr.  Gr.*  318);  anders, 
aber  mich  gar  nicht  überzeugend,  Fick,  Bezz.  B.  3,  159  und  Bezzenberger 
ebend.  174.  Eine  Folge  der  Erstarrung  solcher  Formen  in  Verbindung 
mit  einem  folgenden  Nomen  waren  evQvona  Zfjv  bei  Homer,  xvavoxaXta 
noaeidduDvi^  ijTTioiä  ^rjQog  bei  Späteren,  worüber  Vf.  C.  St.  9,  259  flF. 
06TI,  y6vv  u.  dgl.  waren  griech.  Neubildungen,  vgl.  ai.  dve  sunö  mit  äl- 
terem /-  und  le-Diphthong  im  Ausgang,  xvov,  nbTioVy'ArtoXXov,  wie  ai.  Svdn 
„Hund",  tdksan  „Zimmermann*,  ncaeq^  aoneq^  ^gdroQ^  iStoQ  :  ai.  pitar 
„Vater**,  ddtar  „Geber*.  ysQov  aus  ^ysQort^  Aiav  aus  *AiavT.  JIovXv6dfin 
(St.  IlovXvdafxavt')  war  Neubildung  nach  der  Analogie  des  Verhältnisses 
reaviä-g  :  vectvict  (ähnlich  acc.  Qoäv  für  ©oaiT«  §  77),  gleichwie  voc. 
KvTTQoytvrj  Theogn.  1323  statt  "^-yeveg  durch  alvaQtxrfi  :  aivaQttrj  hervor- 
gerufen war  (G.  Meyer,  Gr.  Gr.^  327  f.);  umgekehrt  Stge^tiaSeg  zu  nom. 
STQeipidirj-g  nach  ScoxQavsg.  ava  aus  *dvax  (*ai'axr),  yifvai  aus  *yviratx, 
2üixQtxr€c,  Jioyeveg,  als  Appellativum  Sioysvtg  mit  unursprünglicher  Betonung, 
IJaTQ6xk€{f:yg,  wie  ai.  npama-^ravas    „hochberühmter".     Ztv  =  idg.  *d!cw, 


vgl.  den  vokativisch  betonten  ai.  Nom.  di/au-^  (§  66). 

77.  Acc.  sg.  masc.  fem.  Das  Suffix  war  -m,  das  teils  konsonantisch, 
teils  sonantisch  fungierte,  -v  und  -«.  rnTto-v  =  lat.  equo-m.  ffvyr^v  = 
lat.  fuga-m,  ot-v  =  ai.  dvi^m  „ovem*.  hjÖv-p  =  ai.  svadu-m  „suavem". 
Für  altüberkommen  halte  ich  ferner  xT^v^  i;-i',  oy^r-v,  noXi^v^  vtxv-v  (§  70**); 
acc.  *i-r  =  lat.  vl-m  (vgl.  i-g  =  lat.  vl-s  und  ?-y*),  wofür  tv-a  eintrat, 
wonach  dann  ivoc  hfg  (Osthoff,  M.  U.  4,  235  flf.).  Über  -iccv  -kav  in 
nocriav^  (fb'govaav  s.  §  70*^  Anm.  taxtov-«,  noiixtv^a^  rjdiov^a^  dmiOQ^a^  na- 
T^^-öf,  «A-«,  vgl.  Osthoff  a.  0.  307  flf.  (ftgovr-a,  ndvt-a,  ijcS»,  bei  Homer 
vielleicht  rjöcc  zu  schreiben,  aus  *rt^(ro(r-a,  &€o^6i6t{aya  ^eidrj  (über  vyid 
u.  dgl.  §  10),  rjSict)  aus  "^apAd-ioa-a,  Durch  Übertritt  in  die  Analogie  der 
Bildungsweise  der  sonantisch  auslautenden  Stämme  att.  Swxqdtr^v  für 
JScoxQdtij,  kypr.  dreXi^v  für  dtfXi'ia,  lesb.  iafioieXr^v,  böot.  Jioybveiv  u.  dgl. 
(G.  Meyer,  Gr.  Gr.^  321),  wie  umgekehrt  herod.  deanovbcc^  Fvyea  nach 
der  Analogie  der  *cr-Stämme.  Weiter  fivy  statt  */aXo')-a  nach  av-v  (§  74,  2); 
hesiod.  06av  (nom.  06ag)  statt  Ooavra  nach  Avaictv  (Ahrens,  De  Gr.  1. 
d.  1,  114,  RzACH,  Der  Dial.  des  Hes.  414)  und  für  vt^-id-a  (Homer)  bei 
Späteren  vrjiv,  v^(f)'a  =  lat.  näv^em;  att.  vavv  neu  gebildet  nach  vav-g, 
vonr^(pya  böot.  XaXxidela;  aus  -/~flf  ion.  -*a  att.  -««  (§  19).  Zt^v  =  ai. 
dydrn,  ßcov  =  ai.  gdm,  ßovv  neu  gebildet  nach  ßov-g^  ZijV-a  (wozu  Zrjr-og 
Zijv-t)  wie  iv-a,  s.  §  74,  1,  und  T/V-a,  s.  §  95. 

Die  Akkusative  kypr.  ij^ettr^Q-av  d(v)6Qtid(v)T'av^  rhod.  driQwv-av^ 
thess.  xior-av  erhielten  gleich  den  späten  «rrf^-«i',  rvxr-av  u.  s.  f.  ihr  -v 
wahrscheinlich  von  den  sonantisch  auslautenden  Stämmen  (Vf.  C.  St.  9, 
299,  Stolz,  Beitr.  zur  Decl.  S.  40,  G.  Meyer,  Gr.  Gr.^  319),   ähnlich    wie 


8.  Nominal-  und  Pronominalflexion.  (77—79).  119 

kret.  (fomx-arg  statt  -äg  nach   Tt^eiyeinarg  (§  87).     Anders   Bezzenberoeb 
in  8.  Beitr.  7,  74,  J.  Schmidt,  K.  Z.  27;  283. 

78.  Nora.  acc.   sg.  neutr. 

Kasuszeichen  -m  bei  den  o-Stämmen:  fi'/o-r  ^^  lat.  jugti-m,  väo-v 
=  lat.  novo-tn.  Dieses  Suffix  war  etymologisch  mit  dem  Akkusativzeichen 
-m  der  geschlechtigen  Stämme  (§  77)  identisch. 

Anderwärts  blosse  Stammform.  rjSv  =  ai.  svadu  »suaye*",  aatv  :  au 
msiu  ^ Wohnstätte**.  idQi  wie  ai.  hkäri  „multum**.  nenov^  rjSior.  -ina  in 
ovo-fjia,  aneQ-iiia  aus  idg.  -mfi,  vgl.  ai.  nd-ma  „nomen*,  analog  xäga  aus 
♦xagitc-«,  -»,  und  wohl  auch  fib'ya  aus  ^fisyn  (§71  S.  105  f.).  y«ipo>'(r), 
Tivl^ffV(T),  dor.  äol.  7rai'(T)  hom.  7r^o-7r«i'(r),  x«^''*'(0'  A.tt.  Trav  a-nAv  nach 
Trag  a^TTÜg  (Osthoff,  M.  U.  4,  253);  ähnlich  axioeir^  daxQvostv  bei  Apoll. 
Khod.  nach  dem  Mask.  auf  -oetg,  wobei  wohl  der  Umstand  mitwirkte,  dass 
in  den  kontrahierten  Formen  der  damaligen  Umgangssprache  Mask.  und 
Neutr.  den  gleichen  Vokal  bekommen  hatten  {-ovg  -ovv  aus  -oeig  -oev). 
ysvog  =  lat.  gcntis^  ävaixeväg  —  ai.  durmanas  , missmutig",  xQeag  =  ai. 
kravi^  »rohes  Fleisch",  eidog  aus  */?f<rf-fo$  (§  73,  4). 

Über  Neutra  mit  -^  wie  ovOaQ  vdwg  s.  §  71*,  1. 

79.  Gen.  sg.     Drei  Suffixe,  -og,  -g  und  -(c)/©  =  idg.  -o*',  -s  und  -5(0. 
1.   -0$  =  kelt.  lat.  'OS  (lat.  Vener-us,  nömin-us).     Daneben  stand  einst 

^s  (^=  lat.  "CS  'is,  balt.-slav.  *-es),  das  aber  durch  -os  schon  im  Urgriech. 
verdrängt  wurde.')  xv-r-og  :  ai.  Su-n-as  „canis".  natQ^og  :  av.  hrapr-ö 
afratris"  (-ö  =  -as).  iftgovr-og  :  av.  haranUö  „ferentis".  oiorijr-og  :  ai. 
sarvcUfaf-as  „der  Vollkommenheit",  ytve^og  ytrovc  :  ai.  jäfias-as  „generis", 
Svafuvt^og  dva(.uvovg  :  ai.  darwanas-as,  aidovg  aus  *a«rfo((r)-og.  yijpa(cr)-og 
att.  yj;^w$5  x^twg  :  ai.  Tcravis^as.  Attisch  und  anderwärts  Scoxqotov  für 
2a}xQdTovg  nach  noXitov  (vgl.  acc.  2wxQcciriv^  §  77).  Lesb.  Osoysvr]  (wie 
acc.  -yAViji',  dat.  -y**'^,  voc.  -/«v«)  ebenfalls  nach  der  Analogie  der  mask. 
(i-StÄmrae  (vgl.  §  70*  Anm.) 

xio$  :  vgl.  ai.  hhiy-äs  „der  Furcht",  n6hog\  o(fQvog\2k\.  bhruv-äs,  vog  : 
lat.  su-is,  vhxv'og^  s.  §  70^. 

Die  i-  und  w-Stämme  hatten  im  Urgriech.  -«(/)-o$  und  -sp-og,  Att. 
TTolsog  ffvtxeog  {tioXi^  (fval-g),  die  aber,  bei  dem  Nichterscheinen  der  laut- 
gesetzlich zu  erwartenden  Kontraktion,  nicht  als  ungestörte  Entwicklungen 
der  urgriech.  Form  gelten  können.  Homer.  noXr^og  war  Neubildung  nach 
nolr^i  (§  82).  i]dt(f:yog,  ^'/X*(f)"ö^5  aaxt{pyog,  Att.  noletag  aus  (hom.)  /ro- 
i-r^og,  ebenso  (fvaeo^g  etc.,  und  im  Anschluss  an  diese  ntjx^wg,  aatetog  (zur 
Betonung  s.  §  67  S.  84) ;  auch  ion.  noXaoK  (auf  einer  von  Attizismen  freien 
Inschrift  von  Chios,  Bechtel,  Inschr.  des  ion.  Dial.  S.  106)  vielleicht  laut- 
gesetzlich aus  -ijog  (s.  §  19);  noXemv  Neubildung  nach  JtoXeojg  (§  89). 
Über  lesb.  el.  etc.  (fvaiog  s.  §  70*^.  Kypr.  ßaailr^p-og,  hom.  -^o$,  lesb. 
'T^og,  thess.  böot.  -tlog^  dor.  neuion.  -äog^  att.  -tiag  (§  19). 


*)  Der  Gebrauch  von  -e»  und  -o«  war  ur-  I   *bhrdtr'08  =  lat.  fralr-us  (unbelegt),  *bh€- 
sprQnglich  nach  Betonungsverschiedenheiten   i   ront-os  —  gr.  (pf'Qoyr-og. 
geregelt,  z,  B.  idg.  ^pdtr-es  =  lat  pair-is,  \ 


X20  A.  Griechische  Grammatik,    c)  Flexionelehre. 

//*/?-o$  /ii'vg  =  ai.  diV'ds.  vä{f:y6g  vt/tc  r^öJ^  (s.  §  19)  =  ai.  ndv^ds 
^navis**;  neuion.  veog  für  rfo>$  nach  nod-oq  u.  dgl. 

2.  -$  =  ar.  ital.  germ.  balt.-slav.  -s  (z.  B.  ai.  dve-s  ,ovis",  osk. 
Castro V'S  „fundi");  wahrscheinlich  dasselbe  Element,  welches  in  ix-q  an-q 
u.  dgl.  enthalten  war.  rffcr-  in  iea-norr^g  aus  *(J«^s  »des  Hauses*'  (§  55. 
63),  mit  ai.  dan  (ved.  2^^^^^^  ^^^  ^Herr  des  Hauses^)  auf  idg.  ^dem-s 
zurückgehend  (Osthoff,  Z.  Q.  d.  P.  591);  derselbe  Stamm  in  da-nedov 
(§  74,  1). 

Xw^ttg  :  vgl.  ai.  ^ffi^fo  „deae"  in  gnäs-pati^^,  umbr.  ^o^os  „civitatis**,  idg. 
'äs,  wobei  freilich  zu  berücksichtigen  ist,  dass  dieser  Ausgang  auch  durch 
Kontraktion  von  -a  mit  -es  oder  -os  entstanden  sein  konnte.  Die  masku- 
linisch gewordenen  ^Stämme  nahmen  im  Griech.  den  Ausgang  der  o-Stämme 
(3)  an.  Hom.  'Atgeideto  nach  IhTioo^  böot.  -äo,  lesb.  dor.  -ä,  ion.  -€w  -w 
"SV,  arkad.  kypr.  -av  {-äv?)  att.  -ov.  Über  ion.  -o^,  -f«  und  -cv  s.  §  19. 
Im  Arkad.  wurde  -ccv  auf  die  Fem.  übertragen:  ^äfiiiav,  omav  (Leskien, 
Decl.  40  f.,  OsTiiOFF,  M.  U.  2,  128).  Umgekehrt  trat  im  Megar.  und  Thess. 
der  Ausgang  -äg  der  Femin.  auf  unsere  Maskul.  über,  wie  Ugaiäg,  Nixiäg 
(J.  Baunack,  Stud.  1,  233);  diese  Neubildung  erklärt  sich  daraus,  dass  der 
Nom.  und  der  Gen.  beide  den  Ausgang  -cc  bekommen  hatten  (vgl.  §  75,  2). 
Im  att.  noXkov  war  entweder  der  ganze  Ausgang  -ov  von  Ynitov  über- 
nommen, oder  die  lautgesetzlich  entstandene  Form  ^noXiteta  bekam  zu  einer 
Zeit,  als  noch  ^Innoo  gesprochen  wurde,  nach  dieser  Form  -o  für  -«,  und  -fo 
wurde  dann  -ov  (vgl.  §  19  über  ion.  IlvO^ev).  Eine  lautgesetzliche  Ver- 
kürzung von  -«w  zu  -60,  an  die  Bechtel,  Bezz.  B.  10,  283  denkt,  ist  un- 
orweislich.  Att.  Eigennamen  wie  KaXhtidovg  (Meisterhans,  Gr.*  93)  nach 
2o)XQdtovg,  vgl.  voc.  SxQBXptadeg  (§   76). 

3.  '{o)f(0  =  ai.*  'Sya  (vgl.  §  12).  Hom.  innoio  {--oio  war  schon  damals 
eine  Antiquität)  mnov^  neben  denen  man  auch  Innoo  vermutet,  und  Ilifvh- 
Xäum  (nom.  IlrjvtXeoi'g)  aus  *-i;oo.  Dor.  lesb.  böot.  -o),  thess.  (Pharsalus) 
-or;  aus  -w  (vgl.  §  9),  ion.  att.  dor.  -ov.  Vgl.  G.  Meyer,  Gr.  Gr.*  333  f. 
und  die  dort  zitierte  Litteratur.  Att.  Xeo)  aus  *Afa)o  *kr^6o.  Nicht  klar  ist 
der  kypr.  gen.  sg.  auf  -wr,  wie  a^yi/^wr;  die  Zusammenstellung  mit  arkad. 
toi'Vi  „huius**  leidet  an  einer  Schwierigkeit,  von  der  in  §  94  die  Rede  sein 
wird.     Neben  -o-io  bei  den  Pronomina  auch  -e-io,  s.  §  94.  96.  97. 

Aumerkung.  Dem  Griech.  neben  -sio  auch  die  Endung  -so  (vgl.  aksl.  chso^  gut. 
pis  aus  '*p€-8o)  zuzuschreiben  sehe  ich  auch  nach  Johansson,  De  der.  verb.  215  keine 
Nötigung.  0.  floFFM ann's  Grundform  Hnno-jo  für  Xnnoi  und  Xnnoio  (De  mixtis  Gr.  1.  dial.  6) 
schwebt  ganz  in  der  Luft. 

Das  korkyr.  TXdatrcyo  (Röhl,  I.G.A.  n.  342)  ist  wohl  mit  Blass  u.  a.  fttr  das  Mach- 
werk des  Yerfertigers  der  Grabschrift  zu  halten,  der  das  ep.  -uo  unrichtig  nach  nifoc  u. 
dgl.  dorisierte.  Jedenfalls  darf  die  Form  nicht,  wie  wieder  Fick,  Bezz.  B.  11,  248  thut, 
zu  Schlüssen  Über  die  Grundgestalt  des  griech.  Gen.  benutzt  werden;  Fick  beachtet  bei 
seinen  Kombinationen  nicht,  dass  -oio  -ov  auf  -o-sjOf  nicht  auf  -o-9f(i)o  zurückzuführen  ist. 

80.  Abi.  Sg.  Eine  besondere  Form  hatte  die  idg.  Grundsprache  nur 
für  die  o-Stämme  (vgl.  Leskien,  Decl.  34  flf.,  Osthoff,  M.  U.  2,  106):  -öd 
und  -cd  (alat.  Gnaivöd,  facilumed).  Im  Griech.  nur  -öd  erhalten,  und  zwar 
nur  bei  Pronomina  mit  Sicherheit  nachweisbar,  z.  B.  gortyn.  oJ  oVr«  lokr.  w 
071Ü)  „unde",  kret.  Tw-rff  „hinc."  Wie  weit  die  Adverbia  der  Art  und 
Weise  auf  -w  und  -w-g,  wie  o>-Jf ,  ovrco  ovxwg^  xakdog,  (T0(p(O'  in  <TO(poi-'VfQog 


2.  Nominal-  und  Pronominalflexion.  (§  80—82.)  121 

(§  70,  10),  Ablative  und  wie  weit  sie  Instrumentale  waren  (Mahlow,  D. 
1.  V.  86)  —  vermutlich  waren  beide  Kasus  in  ihnen  vertreten  — ,  ist  schwer 
zu  sagen.  Das  -g  von  o&rw-g  etc.  war  ein  neu  hinzugekommenes  Suffix, 
identisch  mit  dem  -g  von  ix-g  an-g  iyyv-g  iiBXQi-g  u.  dgl.  (vgl.  §  79,  2).>) 
Nach  der  Analogie  der  Formen  wie  x«Ao5g  wurden  rfmyfpciri-wc,  aa<fä{aywg 
aayxag,  ßa^ef/^o^g  u.  dgl.  gebildet. 

81.  Dat.  sg.  Die  idg.  Dat.,  Lok.  und  Instr.  des  Sing,  waren  im 
Griech.  syntaktisch  verschmolzen,  s.  §  184.  Hier  haben  wir  zuzusehen, 
welche  Formen  einem  jeden  dieser  Kasus  zuzuweisen  sind.  Schriften  über 
diese  Kasus  zitiert  G.  Meyer,  Gr.  Gr.*  337. 

Das  Dativsuffix  war  -a/.  Die  konsonantisch  schliessenden  Nominal- 
Stämme  verloren  die  Dativform,  doch  blieb  sie  in  Infinitiven,  fd-fiev-ai :  ai. 
vicUman-e^  kypr.  do-j^ev-ai  :  ai.  da-vdn-^^  delx-a-ai  (§  146),  ausserdem  viel- 
leicht in  ein  paar  Adverbialformen,  etwa  in  naQ-ai  (G.  Meyer,  Gr.  Gr.^ 
341).  Mit  dem  Ausgang  der  o-  und  der  a-Stämme  war  -aj  bereits  in 
uridg.  Zeit  zu  -öj  und  -ai  verwachsen.  Diese  Formen  auf  -ff)  und  -^,  wie 
\7ino;i  (vgl.  osk.  Abellanüi,  av.  Jiaofnai  „der  Somapflanze")  und  x^QV  (vgl» 
ai.  stivapatyaiy  Stamm  suv-apatyä"  „eine,  die  schöne  Nachkommenschaft 
bat*),  erhielten  sich  in  dem  grössten  Teil  des  Sprachgebietes,  in  einigen 
Mundarten  wichen  sie  den  Lokativformen  (§  82);  über  -co  (thessal.  -or)  und 
-ä  mit  Verlust  des  -i  s.  §  16. 

82.  Loc.  sg.     Zwei  Formationen. 
1.   Suffix  'i. 

Bei  den  o-Stämmen  -oi  -oi  und  -ei  -h,  beide  aus  idg.  Urzeit;  zu  -oi 
vgl.  ahd.  tage  =  idg.  ^dhoghoi,  zu  -ei  osk.  terei  lat.  dornt  (s.  Vf.  M.  U. 
2,  244,  J.  Schmidt,  K.  Z.  25,  95,  Kögel,  Ztschr.  f.  deutsch.  Altert.  1884 
S.  118  f.).  oixoi,  'lai>iioiy  TToT^  ofy  ovdainoT.  Im  lon.-Att.  waren  solche 
Formen  zu  Adverbien  geworden,  daher  Neubildungen  wie  att.  KixvvroT  zu 
ij  Kixvvra.  Dagegen  blieben  sie  im  Ark.-Kypr.,  Boot,  (-of,  -i)),  El.  und 
Nordwestgriechischen  lebendige  Kasus  und  wurden  hier  auch  dativisch  ge- 
braucht (§  184).  Im  Thessal.  (Pelasg.  und  Perrh.)  bekamen  sie  Genitiv- 
bedeutung (§  181).  '€1  nur  in  adverbialer  Erstarrung,  z.  B.  att.  oixei, 
dO^€€i\  nav6rjiii€t\  äavXei,  kret.  äinXet^  nat^  korkyr.  tneX, 

Die  ^-Stämme  zeigen  -ai.  Im  lon.-Att.  nur  Adverbia,  wie  Qr^ßm- 
yfvr]g  (vgl.  nvXoi~y€v\g),  vielleicht  auch  xcciiai\  naXai  (vgl.  Osthoff,  Z.  G. 
d.  P.  195,  G.  Meyer,  Gr.  Gr. 2  338.  341).  Im  Boot,  {lllmxae,  \^€XaTi\) 
und  gewiss  auch  in  den  andern  Mundarten,  die  -oi  als  lebendiges  Kasus- 
suffix besassen  (man  beachte,  dass  inschr.  -AI  sowohl  -äi  als  auch  -(c  ge- 
lesen werden  könnte),  blieb  die  Form  -«*  als  Schwesterform  zu  -oi  bestehen 
und  diente  sowohl  als  Lokativ  (el.  ^Olviimai  „in  Olympia"),  als  auch  als 
Dativ.     Ob  es  bereits  in  idg.  Urzeit  Lokative  auf  -ai  gab,   ist   sehr  frag- 


*)  önwx  in  einer  nicht  von  einem  Böoter  zu  der  Inschrift.    Bbzzekberger's  Erklärung 

verfassten  böot.  Inschrift  Collitz,  Gr.  D.  n.  der  Form.  (Gott.  gel.  Anz.  1887,  S.  423)  ist 

114o  ist  wohl  eine  Art  Hyperhöotismus,  ver-  verfehlt. 
anlasst  durch    onotio^  u.  dgl.,  s.   Meister  , 


1^2 


A.  Griechische^  Qrammatik.    c)  Flezionslehre. 


lieh.  Ebenso  ist  aber  auch  nicht  ausgemacht,  dass  -at  in  urgriech.  Zeit 
als  Parallelform  zu  -ot  neu  gebildet  worden  seiJ) 

Ansprechend  vermutet  Johaijsson,  Bezz.  B.  13,  111  flF.,  dass  mehrere 
Stadtnamen  auf  -oi  und  -«*,  wie  J€X(foi\  'AO^ijvai,  auf  Grund  von  loc.  sg. 
erwachsen  waren. 

«i'X*»-'  TToijiuV't  :  ai.  uk^dn-i  got.  atihsin  {u^dn-  aühsin-  „Ochse*). 
7iaibQ-i  ==  ai.  pitdr-L  (ftgorv-i  :  got.  nasjand  (nasjand-  „Retter,  Heiland**). 
ytiH  ytvH  (vgl.  §  17)  =  ai.  jdnaS'i;  aldot  r]oT,  bei  Homer  vielleicht  ctidoi 
i]6i  zu  lesen;  y\qm  atlai  wie  ai-.  Jcravi^-i  (§  73,  2),  att.  yt]Q^  schwerlich 
aus  *yr^Qfc(r'm  (Dativform  §  81),  vielleicht  neben  y*;'^«*  gestellt  nach  der 
Analogie  des  Verhältnisses  von  -«<  (loc.)  zu  -«  (dat.)  bei  den  fl-Stämmen ; 
vgl.  auch  Danielsson's  Erklärungsversuch  Gramm,  und  etym.  Stud.  1,  28  f. 
//*f-i'  Jti  Ji  =  ai.  div-i  i'ö(f )-«'  ion.  att.  i///*  —  ai.  nav-i.  nod-i  :  ai.  pad-i, 
xi'i  :  vgl.  ai.  hhif/'i,  kypr.  moXm  (zu  Tioli-g);  oq^gv-i  :  ai.  bhruv-i,  avi\  vixvi^ 
s.  §  70**.  Dies  kret.  lesb.  böot.  noli  ist  wohl  eher  für  kontrahiert  aus 
"^Ttohi  anzusehen,  als  für  einen  Instrum.  wie  ai.  matt  (von  St.  mati-),  wie 
OsTHOFF,  M.  U.  4,  385  vermutet.  Hom.  r^rf*(/r)-i,  att.  t-i^t.  Hom.  vo{x^{pyt^ 
herod.  voiik  (§  19);  att.  vonfT  wohl  Neubildung  nach  ^]d€t  (vgl.  vojiieTg 
§  86,  toxtm  §  90)  zugleich  unter  Einwirkung  von  vofiätag  vofit'a  mit  laut- 
gesetzlichem e. 

Wenn  das  -i  in  hom.  naxeqi^  vneQuavti  u.  a.  (Hartel,  Hom.  Stud. 
P,  56  flf.)  nicht  bloss  metrische  Längung  war,  so  kommt  in  Frage,  ob  es 
nicht  uridg.  Nebenform  von  -«  war,  wie  ved.  tanüv-T  neben  tanüv-i,  vaktar-T 
neben  vakfdr-i  (vgl.   Osthoff,   M.  U.  4,  222  ff.,   Phil.   Kundsch.    1,  1596). 

Der  Ausgang  der  adverbial  erstarrten  Lok.  wie  ixoni'  id^tXovti  wurde 
auch  auf  o-Stämme  übertragen,  z.  B.  dvoftaaii,  aavaxti^ 

2.  Homer,  nokr^t,  att.  noh]  (Meisterhans,  Gr.*^  108)  zu  noXl-g  war 
nach  J.  Schmidt,  K.  Z.  27,  298  f.  Neubildung  für  *7r6Aij,  eine  mit  ai.  agnd 
(zu  agni'^  „ignis")  zusammengehörige  Lokativformation  auf  -e,  das  in  idg. 
Urzeit  aus  -ei  hervorgegangen  war;  es  hatte  also  hier  das  Stammbildungs- 
suffix die  3.  Hochstufenform,  vgl.  unten  do-nr^v.  Ob  die  Nebenformen 
hom.  nxoXe'i  noaei  att.  noXei  noasv  jüngere  analogische  Umbildungen  von 
-ij*  -jj  waren,  oder  ob  von  urgriech.  Zeit  her  -i;  und  -«(j()-*  so  neben  einander 
gestanden  hatten  wie  66-fir^}'  und  noi-i^iiv-i^  ist  nicht  auszumachen.  Be- 
achte übrigens,  dass  im  Att.  -/;  und  -h  seit  Beginn  des  4.  Jahrh.  laut- 
gesetzlich zusammengefallen  waren  (§  16). 

Inf.  cFa-/!*!'  (§  146),  adv.  ccuv  (zu  aiwv)  stellen  sich  zu  den  ai.  Loka- 
tiven wie  kdr-man  {kdr-mafi-  n.  „Werk,  Handlung**)  wof-an  [ud-dn-  „Wasser**), 
ö.  Vf.  M.  U.  2,  190,  J.  Schmidt,  K.  Z.  27,  306.  Die  kret.  Inf.  di-iAr^v 
u.  s.  w.  mit  3.  Hochstufenform,  wie  die  av.  Lokative  auf -öw  (§  71  S.  104). 

Dass  diese  zweite  Lokativformation  -/  im  Auslaut  verloren  habe,  ist 
nicht  im  geringsten  wahrscheinlich  zu  machen.     Eher  ist  glaublich,   dass 


*)  Dor  Joe.  8g.  der  a-Stämme  hatte  ur- 
sprÜDglich  wahrscheinlich  den  Ausgang  -äi, 
war  also  dem  Dat.  gleich.  Nun  kann  man, 
worauf  mich  W.  Streitbero  aufmerksam 
macht,  annehmen,   dass  aus  -di  vor  Konso- 


nanten im  Urgriech.  -ai  wurde  nach  §  20 
(z.  B.  9t]ßtti-ycvrjg,  /w^ca  uyog)  und  dann 
der  Form  -ai  mit  Rücksicht  auf  -oi  speziell 
lokativischer  Sinn  zuerteilt  wurde.  Vgl.  §  184. 


2.  Nominal-  und  Pronominalflexion.  (§  83-84.)  123 

die  im  loc.  sg.  seit  uridg.  Zeit  starke  Stammform  aufweisenden  av^äv-i 
nartQ^  den  Zuwachs  von  -i  erfahren  hatten  nach  dem  Muster  der  Formen 
wie  teoSm  (J.  Schmidt  a.  0.). 

83.  Instr.  sg.  Suffix  -a.  Nur  in  adverbialer  Erstarrung  erhalten. 
afi-a,  TieJ'd  u.  a.  (Vf.  M.  ü.  2,  158,  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  572  flf.). 
Mit  dem  Ausgang  der  o-  und  der  fl-Stämme    war  das  Suffix   bereits 

in  uridg.  Zeit  zu  -ö  -^  (vgl.  lat.  modo,  altir.  dat.-instr.  celiu  „socio"  mit 
idg.  -ö,  got.  /)€  „eo"  mit  idg.  -e)  und  zu  -ö  (vgl.  ai.  dMra,  St.  dhdra- 
„Strom,  Guss,  Strahl")  verwachsen.  Hierher  wohl  ein  Teil  der  Adverbia 
auf  -«ö  -ft)s,  etwa  nd-nore,  vgl.  §  80.  Sicherer  sind  Formen  auf  -ö  :  lak. 
.TiJ-TToxa  (Trry-  =  got.  hve),  gortyn.  ?;,  o/rr;,  wohl  auch  i;  „wenn"  (§  201,  3), 
T^  »da!  nimm!"),*)  s.  Vf.  M.  U.  2,  244.  fl-Stämme:  nrj,  rj,  xQVfffj,  dor. 
tavTcij  a-Tf,  xQv^a,  lesb.  onnä^  allä\  wenn  daneben  auch  -{c  erscheint  (im 
Attischen  in  den  Inschriften  der  klass.  Zeit  fast  immer  -^  -g,  wie  Uiff,  f-, 
Meisterhans,  Gr.^  114,  gortyn.  (t,  aXltf  u.  s.  w.),  so  beruht  das  darauf, 
dass  auch  Dativformen  mit  der  gleichen  Bedeutung  zu  solcher  adverbialen 
Verwendung  gekommen  waren  (§  187).  Mit  dem  Übergang  von  -(f  in  -« 
(§  16)  fielen  die  Instrumental  formen  mit  den  Dativformen  zusammen.  Eine 
ganz  abweichende  Ansicht  über  die  Adverbia  auf  -ö,  die  Mahlow,  D.  1. 
V.  131  vorträgt,  übjerzeugt  mich  nicht. 

84.  Nom.  acc.  du.  Litteraturangaben  bei  G.  Meyer,  Gr.  Gr.*  359  f. 
Zwei  Bildungsweisen. 

1.  Suffix  -€,  das  mit  dem  ved.  -a  identisch  zu  sein  scheint  (Osthoff, 
M.  U.  1,  226  f.,  Meringer,  K.  Z.  28,  230).  noiiitv-s^  ax/nov-a.  nareq^s^ 
Süito^f.  (fäqovt'f,  Att.  inschr.  axbi.H  aus  -f(ö')-f,  die  handschr.  Form  yhvss 
war  Neubildung,  während  axtlrj  in  Verbindungen  wie  axbXti  ovo  Pluralform 
war.  x/*5  6(pQV€y  avs.  Diesen  Bildungstypus  zeigen  auch  die  /-  und  u- 
Stämme,  die  in  idg.  Urzeit  nach  Ausweis  der  andern  Sprachen  die  Aus- 
gänge -l  und  "ü  hatten  (z.  B.  ai.  dvl  „Schafe",  sünä  „Söhne")'-^).  Att.  inschr. 
äkvifsi^  handschr.  tioXh  (zu  nokt-q)  und  nolff^  letzteres,  wenn  richtig  über- 
liefert, eine  Neubildung  ähnlich  wie  ytiee;  isoliert  stand  oaas  von  St.  *oqU 
(vgl.  §  70*,  1).  Hom.  7Trixe{f:ys  raxf-'i^ye,  att.  inschr.  visT,  während  «crr; 
Pluralform  war. 

2.  171710)  =  ai.  ved.  (Uvü,  idg.  *ehiö.  Strittig  ist,  ob  diese  Form  aus 
'0  -\-  e  entstanden  war,  oder  ob  ein  idg.  -ou  (vgl.  ai.  dsväu),  das  mit  dem 
-e  der  ersten  Bildungsart  nichts  zu  schaffen  hatte,  zu  Grunde  lag,  s.  Vf. 
M.  U.  1,  159  f..  Osthoff,  ebend.  226  und  2,  120.  134,  Meringer,  K.  Z. 
28,  217  flf.,  ToRP,  Beiträge  zur  Lehre  von  den  geschlechtlosen  Pronomen 
in  den  idg.  Sprachen  (Christiania  Videnskabs-Selskabs  Forhandlinger  1888 
Nr.  11)  S»  45  f.  ^vyüi  war  nach  Ttitto)  gebildet,  idg.  Grundform  war  *juyoi 
(ai.  t/ugcy  aksl.  ize).  Die  idg.  Grundform  der  ö-Stämme  hatte  -ai  (ai.  dsvr 
von    dSva--    „Stute"    aksl.   ^me  von   zeyia  „Weib"),    und   diese    Form  liegt 


')  Das  mit  diesem   oft  verglichene   Jit.  ■   Homer  wirklich  so  betont  war.  Vgl.  §  201,  1. 

te  ,da!  nimm!**  stimmt  nicht  im  Accent,  da  '^)  Ein   Rest   von   diesem   -i  steckte  in 

es  anf  */^  mit  gestossenem  Ton  weist  (vgl.  /i~-x«Tt  =  av.  vl-saiti,  Jat.  vi-ginti.   Vgl.  \^^ 

§  60).    Freilich  wissen  wir  nicht,  ob  trj  bei  \  Schulze,  K.  Z.  28,  277. 


124  A.  Griechische  Grammatik,    c)  Flexionslehre. 

wahrscheinlich  in  den  pluralisch  fungierenden  xtaQai^  vvfitfai  etc.  vor  (§  86). 
XO)Qä^  vvfi(fn  waren  Neubildungen  nach  den  Maskulinformen  auf  -«  (bei 
Homer  dieses  -n  nur  erst  bei  den  maskulinischen  a-Stämmen!),  doch  sagte 
man  roJ  or/JArt,  entsprechend  t«/>  (fTi^kaiv,  und  ebenso  fungierten  auch  die 
Maskulinformen  andrer  Pronomina  zugleich  femininisch. 

Die  alte  Form  des  Neutr.  scheint  nicht  ganz  ausgestorben  gewesen 
zu  sein.  Da  pt-xati  Dual  war  (s.  S.  123  Fussn.  2),  so  liegt  die  Vermutung  nahe, 
dass  das  pei-  von  pfi-xecti  si-xocfi  die  Dualform  eines  o-Stammes  war;  -fi 
neben  -ot,  wie  im  loc.  sg.  und  sonst  (§  70  S.  91).  So  fände  auch  das  e 
von  att.  dvsTv  seine  Erklärung,  indem  dies  aus  ^dvsi-aiv  herzuleiten  scheint,  s. 
§  85.  Forner  ist  mir  nicht  unwahrscheinlich,  dass  ävo  (neben  ävu})  als  altes 
"^dvoii  (vgl.  kypr.  xd  aus  xat  vor  Sonanten  und  vor  Konsonanten)  hierher 
gehöre,  s.  S.  79  Fussn.  1,  und  lak.  dvh  Röhl  I.  6.  A.  n.  69,  8  könnte  die 
Schwesterform  mit  -c-  gewesen  sein.  Ebenso  böot.  6xt6  neben  oxroi.  Gerade 
bei  Zahlwörtern  ist  der  Gebrauch  der  Neutralform  für  alle  drei  Geschlechter 
leicht  erklärlich,  hinzu  kam  die  morphologische  Isolierung  der  Form. 

86.  Gen.  dat.  du.  ö-Stämme  -a/i',  wie  xo^aiv.  Sonst  -otv,  hom. 
-o/ei',  wie  l'nnoiv  innouv^  nodoTv  nodouv.  Im  Elischen  dvoioig^  avvoioiQ  u.  dgl. 
Neben  -oiv  auch  -oi  :  argiv.  toi  pavdxoi  und  C.  I.  A.  1,  472  naidot^  &av6{v)T()i 
(vgl.  J.  Baunack,  Stud.  1,  174  f.).  Deutungsversuche  bei  Fick,  Bezz.  B. 
1,  67  f.,  J.  Baunack,  Mem.  d.  1.  S.  d.  1.  5,  25  flf.,  Gortyn  70  f.  und  a.  0., 
Thübneysen,  K.  Z.  27,  177,  Torp,  Geschlechtlos.  Pron.  47  f.  Vermutlich 
wurde  zunächst  von  den  nom.  acc.  du.  masc.  iTTTto)  fem.  vvfA<pai  neutr. 
*^vyoi  (vgl.  §  84.  86)  aus  durch  Anhängung  des  Suffixes  des  loc.  pl. 
Hnnw-ai  ^ihnco-aiv,  ^vv^itfai-av  *vvfi(fai^(nvy  *^vyot'(fi  "^^vyoT-aiv  gebildet 
(vgl.  lat.  duö-hus  mit  Pluralendung).  Daraus  H7i7tm(r)^  *vvfjig^au{v)^  *^vyo7i 
^vyouv.  Entsprechend  zu  vui  *rw-(Xiv  vm-iv,  -0*7  fiel  hier  also  aus  und  fehlte 
fortan,  während  es  im  loc.  pl.  durch  die  Analogie  der  Formen  wie  ^vXax-ai 
gehalten,  bezieh,  wiederhergestellt  wurde.  H'nn(MH(v)  wurde  dann  nach 
tvyoh{v)  *i'vfi(pau{v)  zu  l7Toii{v)  umgestaltet.  Die  Genitivfunktion  dieser 
Dualformen  erinnert  an  den  genitivischen  loc.  sg.  auf  -01  im  Thessalischen. 
El.  'Oioig  (vgl.  pl.  dyoiv-oiQ)  scheint  gebildet  worden  zu  sein,  als  -ou  zu  -0/ 
geworden  war,  um  diesen  Kasus  vom  dat.-loc.  sg.  auf  -0*  (§  82)  zu  scheiden. 
Att.  duHv  vielleicht  aus  *rft^«r-(r«r,  zum  nom.  neutr.  *rfv«,  s.  §  84  extr. 

86.    Nom.  pl.   masc.   fem.     Zwei  Bildungsweisen. 

1.  Suffix  -«$,  idg.  -c5.»)  ax/coj-6$  =  ai.  cUmän-as  „Steine,  Felsen*. 
nartq^eg  =  ai.  pitdr^as,  (pt'Qovr-eg  =  ai.  hhdranUas,  SvfXimevtag  ^sig  =  ai. 
diir-matias-as,  i^diovg  aus  -io(ö')-€g.  xi-tg  noh-sg  (zu  noXl-g)  wie  ai.  dhiy-as 
„Gedanken",  oy^iW^  =  ai.  bkniv-as,  vkxv-eg,  ßdaeig  aus  */?acrf (i)-*^  =  ai. 
ijatay-as  „Gänge,  Wege";  ßdaug  Neubildung  s.  §  70^;  hom.  nokr^eg^  wie 
noXiiog,  Neubildung  nach  rroXr^i  (§  82).  i]öb{f:y€g  -ng  =  ai.  svaddv-as. 
Tiod-eg  =  ai.  päd-as,     ra(/r)-€(,',  r/;-«^,    vt-eg  ~  ai.  näv-as. 

Herakl.  lesb.  böot.  rqig  (neben  att.  rgtig  =  ai.  trdy-as)  war  nomina- 

')  Die  angeblich  kretischen  Formen  auf      S.  G.  Meyeb,  Gr.  Gr.-  342.  B.  Mbisteb,  Berl. 
-ey,  wie   iixovaayrey  (Baunack,   Gortyn  70,   j   philol.  Wochenschr.  1888,  S.  853. 
Stud.    1,   250  f.),  sind  blosse  Schreibfehler.   | 


2.  Nominal-  und  PronominaULexion.  (§  85—87.)  125 

tiviäch  gebrauchte  Akkusati vform,  ebenso  lesb.  noki^  (?)  Collitz,  Gr.  D. 
n.  213,  2  und  att.  agxig  (g  87.  177). 

Neben  hom.  ßaaiktjifyeg  el.  -a«c,  böot.  -«t^g,  herod.  -Beg,  -att.  --i^g 
(aus  'fjsg  kontrahiert)  erscheint  auf  att.  Inschriften  des  5.  und  des  Anfangs 
des  4.  Jahrh.  auch  -iJjg,  z.  B.  innerfi  (Dittenberger,  Hermes  17,  38  flf.). 
Dass  -*'ijg  die  Vorstufe  zu  -/*$  gewesen  sei,  ist  nicht  möglich;  Wacker- 
KAGEL,  K.  Z.  29,  148,  vermutet  ansprechend,  -£-  sei  nach  unklar  empfun- 
dener Analogie  aus  tnnäwg  ^tmv  ^tä  -tag  übertragen  worden,  vgl.  rtV») 
Tkoici  statt  Tf^  Toiai  nach  rio  (§  94).  Att.  -«g,  das  im  4,  Jahrh.  aufkam, 
war  Neubildung  nach  r^itXg^  ^W^^^  vgl-  ^o/c^r  §  82,  roxtai  §  90. 

2.  Das  -Ol  der  o-Stämme,  z.  B.  innoiy  nach  der  pronominalen  Dekli- 
nation (to/,  §  93)  für  *-wg  (idg.  *-ös  :  ai.  -äs,  umbr.-osk.  -ös,  got.  -ös). 
Xf^Qcci  für  *x^^^?  (idg.  -ö5  :  ai.  -ö5,  umbr.-osk.  -fl5,  got.  -ös,  lit.  -ös)  scheint 
die  altererbte  Dualform  (§  84)    gewesen  zu  sein,   s.  Vf.  K.  Z.  27,  199  ff. 

87.  Acc.  pl.  masc.  fem.  Suffix -ns,  dessen  Nasal  nach  Konsonanten 
sonantisch  war  (urgr.  -ac  =  ai.  -a5,  lat.  -es  aus  *-ew5,  got.  -uns). 

Kret.  rdi'c,  oJfAoi'^,  dor.  böot.  -w^,  ion.  att.  dor.  -ox%  lesb.  -oic,  vgl. 
got.  vulfa-fns  „lupos**.  Kret.  rdvg,  nQfiyevrcirg,  argiv.  '^AffarJ^fmi-^,  dor. 
böot.  ion.  att.  -äg^  lesb.  -aig;  -arg  zunächst  aus  *-ä-vg  nach  §  26.  Über 
el.  -oiQ,  -aiQ  8.  §  55  S.  69.  Vor  Konsonanten  wurden  -org  und  -arg  im 
Urgriech.  zu  -og  und  -äg,  s.  §  55.  63.  Kret.  TQuvg  (auf  der  grossen  Inschr. 
v.  Gortyn  5,  54  und  bei  Röhl,  I.  6.  A.  n.  478,  8)  doch  wohl  Neubildung 
für  *t^ivg  (Baünack,  Gortyn  70  f.).  Dor.  böot.  rgtg  =  got.  pri-ns  „tres**, 
hom.  olg,  ion.  inschr.  ngr^aig.  Kret.  vivrg^  hom.  xkeizvg  yevvg,  wie  got. 
sunti-ns  „filios".  Die  antekonsonantischen  urgriech.  Nebenformen  auf  -fc 
-vg  (vgl.  -og  -äg)  könnten  nur  in  der  gebundenen  Rede  konstatiert  werden, 
scheinen  hier  aber  nicht  vorzukommen;  vielleicht  wurden  sie  überall  schon 
früher  aufgegeben  als  die  entsprechenden  Formen  der  ö-  und  ö-Stämme. 
Die  att.  rgtig,  ßaaeig  und  r^dsig^  vteTc,  ni]XHg  waren  die  Nominativformen 
(§  177).  Hom.  ykvxäag,  herod.  TTt^xeceg  Neubildungen  wie  sg.  svQt'a  für 
ivQvv.     noaiag  nach  nohag  (zu  niXl-g), 

Wegen  ai.  acc.  pl.  masc.  -an,  -in,  -ün  (aus  -ans,  -ins,  -uns,  s.  Vf. 
Grdr.  1,  496)  gegenüber  -ovg,  -ivg,  -vrg  ist  der  Ansatz  der  idg.  Grundform 
zweifelhaft.  Es  muss  mit  der  Möglichkeit  gerechnet  werden,  dass  diese 
urgr.  Ausgänge  zunächst  aus  -covg,  -irg,  -vrg  verkürzt  worden  waren  nach 
demselben  Lautgesetze,  nach  dem  -arg  aus  -arg  entstanden  war.  Vgl. 
Hanssen,  K.  Z.  27,  615,  Bremer,  Berl.  phil.  Wochenschr.  1887  S.  502, 
Meringer,  Ztschr.  f.  österr.  Gymn.  1888  S.  773. 

-ßf$  =  -w5.  Tkxrov-ag^  aQv-ag.  naTtg-ag.  (feqovr-ag.  aoXX6{a)-ag',  att. 
ivysvaTg^  ßskuovg  waren  Nominativformen,  xi-ag  noh-ag  (zu  noki-g)  wie  ai. 
dhiy-CiS,  6(pQV-ag  ==  ai.  hhrm-dS,  vexv-ag;  6g.Qvg,  vtxvg  nach  xXeiTvg.  vo(irj{f:yag 
vo^ag;  im  Att.  wurde  neben  -fä$  schon  früh  die  Nominativform  auf  -}]g, 
später  (inschriftlich  seit  307  v.  Chr.)  auch  die  auf  -eTg  akkusativisch  ge- 
braucht. vd(f)-ag  vfj-ag  =  ai.  näv-as,  ßo-ag  =  lat.  hov-^S;  att.  vavg  ßovg 
nach  vavv  ßoth';  theokr.  ßdg  nach  ß(ov  (Osthoff,  M.  ü.  4,  313,  Vf.  Grdr. 
2,  401). 


126  ^'  Orieohische  Orammatik.    c)  Flexionalehre. 

Die  kret.  Formen  (foirix-arg  iixißaXXovT^avg  u.  dgl.  schuf  man  nach 
der  Analogie  der  (I-Stämme  wie  nQeiyevTuvg  (Osthoff,  P.-Br.  B.  3,  197, 
Vf.  C.  St.  9,  299,  Stolz,  Beitr.  z.  Dekl.  42),  und  zwar  wurde  diese  Neu- 
bildung durch  das  Nebeneinander  von  -ccg  und  -ccvg  bei  den  O-Stämmen 
veranlasst  (Vf.  Zum  heut.  Stand  der  Sprachwiss.  93  f.). 

88.  Nom.   acc.   pl.  neutr. 

Suffix  -«  =  ai.  -i,  idg.  wohl  -9,  s.  §  11,  3.  ^kQovT-a  =  ai.  hhäranUi, 
Tttov^a.  Ybvt{aya  ytvr^-  r-dm  aus  -/o(flr)-.a.  Mehrdeutig  sind  Doppelheiten 
wie  ytQä  ytqä  zu  ytqaq  (G.  Meyer,  Gr.  Gr.*  349). 

Die  i-  und  w-Stämme  scheinen  in  uridg.  Zeit  -f  und  -ö  gehabt  zu 
haben  (ai.  tri  „tria**  lat.  trt-ginta,  ai.  purü  „multa").  r^/a,  ijrf*a,  aarea 
waren  gr.  Neubildungen  (vgl.  hierzu  Mahlow,  D.  1.  V.  73,  Osthoff,  M. 
U.  4,  384);  das  «  in  O^tjXeia  (Aratus  und  Thera  Caueb,  D.»  148  C  29) 
und  in  o^sTa  (Hesiod)  stammte  aus  dem  Femin.  (Vf.  K.  Z.  24,  83). 

Die  ö-Stämme  hatten  ursprünglich  -a  (ai.  yugä  aksl.  iga  »iuga''  lat. 
juga).  Die  griech.  Formen  wie  fvy«,  deren  -a  nicht  aus  -a  gedeutet 
werden  darf,  waren  also  Neubildungen  nach  (pägo^T-a  etc.  Ob  das  voraus- 
zusetzende -<*  durch  TQia^xovTa  ion.  TQir^^xovTa  repräsentiert  war,  ist  wegen 
nevTi'xovTa  (ai.  pancä^Sät)  herakl.  TstQci-xovTa  u.  dgl.  ungewiss. 

89.  Gen.  pl.  Das  Kasuszeichen  war  wahrscheinlich -oi»^  idg.  *ekt/(hn 
aus  *elruo~ot)t.  Von  den  o-Stämmen  ging  -wr  auf  die  andern  Stammklassen 
über.     S.  Osthoff,  M.  U.  1 ,  207  flf. 

i'nnwv  wie  ai.  d^vdtn  „deorum"  (Lanman,  Journ.  of  the  Amer.  Or. 
Soc.  10,  354).  Hom.  O^samv  böot.  dQaxfiawv  Neubildung  nach  der  prono- 
minalen Dekl.  (raoDv  aus  *räao)v  =  ai.  tdsam^  •§  93);  aus  -awy  wurde  thess. 
-aom'  und  -ai»,  ion.  -t'wr,  att.  -wr,  dor.  lesb.  -äv,^)  Im  Attischen  adj.  fem. 
(fiXmv  statt  *(fiXm*  (ion.  (fiXtm'j  dor.  (pikäv)  nach  dem  mask.  yi'Awv,  vgl. 
namentlich  att.  fem.  tovtwv  gegenüber  dor.  lesb.  ravtäv,  Dor.  mask. 
ifiXmv  wohl  entweder  nach  (fiXä%*  betont  (Osthoff,  Z.  G,  d.  P.  199  f.)  oder 
mit  dem  dor.  „prozessiven"  Accent  (vgl.  g  68  und  Bloomfield,  Amer. 
Journ.  of  Phil.  9,  15),  schwerlich  aus  *qiXoi{a)(M)v  (vgl.  ai.  anye^am),  wie 
W.  Schulze,  Quaest.  Homer,  p.  4  will,  ligv-dv,  ^vyavQ-wv  x^v-faT^q-mv. 
(f€q6vt-un\  €7ct{a)-o)v  ijioiv.  xi-wv^  noXi-mv  (zu  noXl^g)^  ofpQV-oiV^  vexv-wv, 
U(av  otd)v^  ßa(f€ü)Vy  ijdtwv,  Trijx^wv;  der  Ton  von  ßdaewv,  nrjX€(i)v  nach  ßdasiog 
^n^X^iog  (§  79,  1),  s.  J.  Schmidt,  K.  Z.  27,  302,  G.  Meyer,  Gr.  Gr.«  351. 
vo/irjwv  voi-iBüiv,     nod'W%\     rÄ(f)-(»v  ri^wv  veSv, 

90.  Loc.  pl.     Suffix  -et  -cn»,  verwandt  mit  ai.  -su,  lit.  -sw. 
ifga-cC  (fQ€'(T{y  oi'ofia^ai   (ai.   näma-su)^   noi^iä-ai^  räxvo^i,   vgl.   §  71. 

Txarqa^ai  (ai.  pitf-^);  Neubildungen  doiroQ-ai  doTrJQ^ai.  (pägovin  aus  *y6- 
QovT^ai,  Xccgfsai  für  *x"pi-/?ar-(rt,  vgl.  §  72.  ^nsa^i  insin  (ai.  väcas-su 
von  vdcaS'  n.  „Wort**),  itnaa^i  ddnaai  (vgl.  ai.  havis-^^u  von  havi^^  n. 
„Opferguss"). 

xt^i\  6(fQv^i,  växv^i  waren  Neubildungen  für  ^xi-iriy  *btpQv^i^  *i'6xr-<ri 
(vgl.  ai.  dhJ-^ti,  bhrü^u)  nach  Analogie  der  Kasus  mit  vokalisch  beginnen- 


*)  Dieselbe  Formübeitiagung  im  Italiscben,   z.  B.  lat.   deurum  Dach  ütärmn  u.  dgl. 


2.  Nominal-  und  Pronominalflexion.  (§88-90.)  127 

dem  Kasussuffix,  xtog  etc.,  unter  Mitwirkung  der  Formen  wie  ßdal-ai  *7irjxv-(n 
(s.  u.),  und  es  ist  möglich,  dass  für  homer.  vtxvaai,  ykvvaai^  nhvaai^  deren 
aa  als  altüberkommen  zu  betrachten  sehr  misslich  ist  (s.  u.),  einst  Formen 
mit  -vcri  im  Text  standen;  anders  Osthoff,  M.  TJ.  4,  215.  220.  ßdat-^i 
(ai.  gdti-^)  wurde  zu  (hom.  att.  arkad.)  ßdaeai  nach  ßdaeiq  {^ßaae-ec) 
ßatfe-wr,  ebenso  *7rijxi'-o'*  *rjiv~(ri  (ai.  bähu-su,  svadü-^u)  zu  nrjxsai  rjis'ai 
nach  TTTix^eq  etc.  Neben  dem  gewöhnlichen  toxtv-ai  im  Att.  Tokttsi  C.  I.  A. 
3,  131 1  und  bei  Eallim.  igofiem,  nach  rjdtai  unter  Mitwirkung  von  roxäwv. 

noaai^  att.  noai  aus  *noT-at  :  ai.  patsu,  ravai :  ai.  näti^^ü;  bei  Homer 
die  Neubildung  vrjvai  (nach  vrj^og  etc.)  neben  lautgesetzlichem  vavai^xXvxi^ 
u.  dgl.  (§  26).     ßovcC :  ai.  gö^u, 

Kret.  lAT^vai  att.  ^rjaC  für  lautgesetzliches  ^lisvai  (att.  *iieiai)  aus 
*fir^vc^i  (§  26).  Ähnlich  att.  x^yö*!'  für  lautgesetzliches  ♦x^^'i  aus  *xava^i^ 
noifie^i  für  *7ioifia'^i  u.  dgl.   (§  71,  S.  103). 

Hom.  ion.  altatt.  lesb.  kvxoi^ai  :  ai,  v^k^-^u  aksl.  vlüce^chü  „in  lupis**; 
über  -Ol-  vor  dem  Kasussuffix  s.  §  93.  Altatt.  rafiia-ai,  J/xij-ci,  später 
nur  noch  in  Adverbien  wie  x^rqüai^  nkaraiätfi^  ^A&i]vrim^  im  Ion.  inschr. 
dsanov^fliv  :  vgl.  ai.  dsvä^su  „in  equabus",  aksl.  raka-chü  „in  roanibus^. 
vv/ii^ijüi  (vgl.  Meisterhans,  Gr.^  94)  und  rti/iyaici  waren  Neubildungen 
nach  -oic/,  Osthoff,  M.  U.  2,  64  ff.  Im  Att.  wurde  nach  dem  Zeugnis 
der  Inschriften  ^otai  nach  450  v.  Chr.  durch  den  instr.  auf  -oig  zurück- 
gedrängt, und  "T^ci  -atfi  und  -jjai  -{ccrt  wichen  um  420  v.  Chr.  dem  nach 
"Mg  neugebildeten  -atg  (§  91),  s.  Meisterhans  a.  0.  Ähnliches  im  Ion., 
8.  Fritsch,  Zum  Vokalismus  des  herodot.  Dial.  33  ff. 

Anderweitige  Neubildungen  : 

1.  Von  fnsa-ai  insai  löste  sich  -saai  -tai  als  Kasussuffix  ab,  vgl. 
xQat-hcqi  nach  iQtßsa-ffi^  svdai^ov-bateqog  nach  äsixia-tiqog  u.  dgl.  So 
entsprangen  Formen  wie  hom.  rjysfiov-saai  av^aai  tpidax-saai  nod^saai^ 
aiy^sai  x^tQ'sai;  dieselbe  Neubildung  in  den  drei  äol.  Dialekten,  im  Nord- 
westgriech.  und  in  einigen  dor.  Mundarten  (s.  6.  Meyer,  Gr.  Gr.*  355  f.). 
Indem  -sfrai  dann  zu  den  fcr-Stämmen  zurückkehrte,  entstand  hom.  i/vt-eaai 
u.  dgl.     Vf.  C.  St.  9,  297  f. 

2.  Herakl.  ivr-aaai  für  *h'aaai  (aus  ♦c-ar-cri),  indem  die  schwache 
Form  des  Partizipialsuffixes  mit  der  Kasusendung  zusammen  als  einheit- 
liches Kasussuffix  von  neuem  an  den  Partizipialstamm  angefügt  wurde 
(vgl.  aqvdci  für  ♦cJ^a-ci,  §  71  S.  103),  hiemach  auch  nqäaaovx'aaai  für 
(urgr.)  *7iqdaaovai,  S.  Kögel,  P.-Br.  B.  8,  116,  J.  Schmidt,  K.  Z.  25, 
590  ff.,  Bartholomae  ebend.  29,  550.  Hierher  auch  d-ßdvvaaiv  '  dva-ßäaiv 
Hesych,  wenn  diese  Änderung  des  dvdßaaiv  des  Codex  das  rechte  trifft 
(J.  Baunack,  Rh.  Mus.  37,  474). 

3.  Im  Nordwestgriech.  und  auf  jüngeren  peloponnesischen  Inschriften, 
hie  und  da  auch  bei  älteren  Dichtem,  z.  B.  Hesiod,  Sappho,  erscheint  das 
-^tg  der  Formen  wie  Xvxoig  auf  andere  Stammklassen  übertragen,  z.  B. 
fuiov-oig,  hh-^oig,  ovr-oigj  Tqi^oig,  S.  J.  Baunack,  C.  St.  10,  91  ff.,  G.  Meyer, 
Gr.  Gr.*  357  f.,  R.  Meister,  Philol.  Anz.  14,  256  f.  Über  el.  x?^*«^^'^ 
8.  §  70,  14  S.  98. 

Den  Anstoss  zu  diesen  drei  Neuerungen  gab  das  Bestreben,  im  loc. 


128  •^*  Ghriechische  Qrammatik.    c)  FlexionBlehre. 

pl.  denselben  Stammauslaut  wie  in  den  andern  Kasus  herzustellen:  z.  B. 
TToJ-fCCt,  noi^oig  mit  d  wie  nod-sq  etc. 

4.  Hom.  noXtaai,  neXtxeaai,  oeaai  wahrscheinlich  statt  noktci  etc. 
infolge  des  Nebeneinanders  von  kneai  und  ^neaai^  xkQaai  und  ähnaaai  u.  dgl. 
In  derselben  Art  lässt  sich  auch  vtxvtxat  etc.  erklären,  doch  kann  hier 
altes  'V(Xt  vorliegen,  s.  o.  S.  127  und  W.  Schulze,  Quaest.  hom.  48. 

Über  das  Verhältnis  von  -^i  zu  den  Suffixen  der  andern  Sprachen 
sind  verschiedene  Ansichten  aufgestellt  worden,  von  denen  keine  als  die 
unzweifelhaft  richtige  bezeichnet  werden  kann.  Den  lautgeschichtlichen 
Thatsachen  wird  am  ehesten  die  Auffassung  gerecht,  dass  -ai  Umbildung 
von  -5/«  nach  der  Analogie  des  loc.  sg.  -*,  vielleicht  unter  Mitwirkung  von 
-yt  -(piv  gewesen  sei  (Osthoff,  M.  U.  2,  1  flf.).  Vgl.  ausserdem  Osthoff, 
M.  U.  4,  229  flf.,  Thürneysen,  K.  Z.  27,  177,  Torp,  Geschlechtlos.  Pron.  47. 
In  den  Fällen,  wo  -o**  in  der  historischen  Zeit  hinter  sonantischen  Vokalen 
und  hinter  Diphthongen  stand,  z.  B.  ßdae-^i  Tafiiä-ai  kvxoi^i^  war  -o'- 
nach  dem  Muster  von  Formen  wie  ^vhxx-ai  erhalten,  bezw.  wiederhergestellt, 
vgl.  den  Wegfall  dieses  Spiranten  im  Dual  §  85.  Jedenfalls  abzuweisen 
scheint  mir  die  früher  oft  behauptete  Entstehung  von  -er*  aus  -cr^i.  Vgl. 
auch  Mucke,  De  cons.  gemin.  p.  5,  W.  Schulze,  Quaest.  hom.  47  fiF. 

Über  das  sogen,  ephelkystische  -r  von  -tsiv  s.  §  64  Anm.  3  S.  80. 

91.  Instr.  pl.  Xvxotg^  das  weiter  verbreitet  war  als  Xvxoixn  und 
überall  ausser  bei  Herodot  neben  diesem  auftritt,  war  nicht  aus  Xvxoiai 
entstanden,  sondern  aus  ^Xvxo^g  (§  26)  =  ai.  vfkai^  lit.  vilkais  „cum  lupis**. 
Eine  Neubildung  nach  -oic  war  -aig  (vgl.  vi^u^ai  vviLi(paiai  nach  XvxMcri 
§  90),  att.  dor.  lesb.  böot.  und  homerisch;  am  frühesten  scheint  sich  diese 
Neubildung  beim  Artikel  {Talg)  eingestellt  zu  haben.  Neben  -aig  ist  auch 
-ijg  {-yg  :  -i](Si  =  -oig  :  -oiai)  bei  Homer,  Hesiod  und  den  Elegikern  überliefert, 
doch  ist  diese  Form  vielleicht  allenthalben  zu  tilgen  (zuletzt  handelte  über 
dieselbe  Fritsch,  Zum  Vokal,  des  herodot.  Dial.  S.  35). 

Zwischen  -ai^und  ital.  -ais  (osk.  diumpais,  lat.  mSnsls)  war  kein  un- 
mittelbarer Zusammenhang.     S.  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  195  f. 

92.  Suffix  '(fi{v).  Dieses  Suffix,  über  dessen  Funktion  §  188  zu 
handeln  sein  wird,  hing  mit  lat.  -6?  {tir-hi^  l^.&^),  ai.  -hhi^  -hhyas  -hhyäm 
zusammen.  Vermutlich  bestand  ein  uridg.  "^^hhi,  das  damals  keinem  be- 
stimmten Numerus  angehörte,  wie  auch  griech.  '^i{v)  hinsichtlich  des 
Numerus  noch  neutral  war,  und  dann  in  verschiedener  Weise  weitergebildet 
wurde.  Für  -(fiv  ist  wohl  idg.  -hhim  vorauszusetzen  (vgl.  auch  Leskien, 
Ber.  d.  sächs.  Ges.  d.  W.  1884  S.  102),  und  -yt  und  -yiv  mögen  einmal 
verschiedene  Funktion  gehabt  haben.  Vgl.  die  Litteratur  bei  G.  Meyer, 
Gr.  Gr.  2  363. 

Der  9:i-Easus  erscheint  nur  bei  Homer  und  seinen  Nachahmern  als 
produktive  Bildung,  doch  war  das  Gefühl  für  den  ursprünglichen  volks- 
tümlichen Gebrauch  wohl  schon  bei  den  Dichtem  der  ältesten  Stücke  der 
homerischen  Gedichte  nicht  mehr  ganz  lebendig.  Z.  B.  (rr^oro-^:*,  oy^'Aij-yi, 
?-yi,  ra?-yi,  iqbßsa-ffi,  xgcct-saffi  war  eine  Neubildung  wie  nod^aai^ 
xorvkr^6ov-6(fi  eine  solche  wie  tioS-oic  (§  90).     Das  hom.  Adv.  Xixgi^^fg  ent- 


2.  Nominal-  nnd  Pronominalflexion.  (§93—94.)  129 

hielt  gewiss  nicht  ein  mit  ai.  -bhi^  unmittelbar  zusammenhängendes  -(pig^ 
wie  oft  behauptet  worden  ist,  sondern  war  auf  griech.  Boden  durch  -^ 
erweitert  worden,  wie  dfitpi^,  eyYv^  u.  dgl.  (§  80). 

Unser  Sufiix  wohl  auch  in  dem  allgemeingriechischen  a-^i  a^ivy  das 
aber  schon  im  Urgriechischen  für  die  naive  Formanalyse  zu  (fif-i  atf^v  ge- 
worden war  (§  97). 

Die  pronominale  Flexion. 

Caueb,  C.  St.  7.  101  flf.  G.  Meyeb,  Gr.  Gr.»  380  ff.  J.  Baühaok,  C.  St.  10.  63  ff.. 
M^.  d.  1.  S.  d.  1.  5.  1  ff.  Vf.  E.  Z.  27.  397  ff.  Schmoluno.  Über  den  Gebrauch  einiger 
Pronomina  auf  attischen  Inschriften.  1882.  1885.  Wackebnaoel.  E.  Z.  28,  1<{8  ff.  Torp. 
Beitrftge  zur  Lehre  von  den  gescblechüosen  Pronomen  in  den  idg.  Sprachen,  Christiania  1888 

93.  Die  geschlechtigen  Pronomina.  Die  Deklination  war  im 
Oriech.  im  grossen  ganzen  dieselbe  wie  die  der  Nomina.  Die  hauptsäch- 
lichste Abweichung  zeigt  der  nom.  acc.  sg.  neutr.  :  t6  =■  ai.  tä-d,  idg.  *tO''d, 
%i  =  lat.  ö'iii-d,  idg.  ^qi-d;  das  -d  war  erhalten  in  akkoi-ani-g,  nod-ano-^ 
(s.  Bezzenbeboer  in  s.  Beitr.  4,  337  ff.).  In  der  idg.  Urzeit  war  die  Bil- 
dung der  meisten  Kasus  von  derjenigen  der  Nominalkasus  verschieden. 
Im  Oriech.  erfolgten  aber,  wie  in  andern  Sprachen,  Ausgleichungen.  Teils 
nahmen  die  Pronomina  nominalen  Ausgang  an,  z.  B.  T/jf>  nach  xaX^y,  Ihntp^ 
vgl.  aL  tdsmai  umbr.  pu-sme  got.  pamma  preuss.  s-tesmu  mit  einem  Ele- 
ment -sni',  das  auch  im  Griech.  noch  in  gortyn.  o-ufii  (wohl  -rf/wi,  aus 
*-Ti-<r/ut)  vorzuliegen  scheint;  masc.  twv  nach  xakwv,  tnnaov,  vgl.  ai.  te^am 
preuss.  S'4eison  aksl.  techü- altioi.  peira;  so  auch  tavtäv  für  zairo  u.  dgl. 
nach  xai^y  C^yiv.  Teils  umgekehrt:  xaXoi\  innoi  nach  toi  =  ai.  ii  got. 
pdi  (§  86);  x^eawv  nach  ratov  =  ai.  tdsam  (§  89). 

Das  -<-  der  Ausgänge  -o-t,  -o-i^i  hatte  ursprünglich  wohl  nur  den 
Wert  eines  Pluralzeichens;  vgl.  J.  Schmidt,  K.  Z.  25,  5  f.,  der  auch  -oicrt 
für  anfänglich  nur  pronominal  erklärt.  Köoel,  Ztschr.  f.  deutsch.  Altert. 
28,  110  ff.  und  P.-Br.  B.  14,  117,  sieht  in  den  westgerm.  Ortslokativen 
auf  -OS  einen  idg.  loc.  pL  auf  *-ö-sw  und  urteilt,  dies  sei  ursprünglich  die 
Bildungsweise  dieses  Kasus  bei  allen  Nomina  gewesen. 

94.  0-  und  a-Stämme. 

o,  r;,  ro  =  ai.  5a,  5rf,  tdd,  idg.  *so,  *sa,  Ho-d,  Neben  6  auch  og  {rj 
6*  3c)  =  ai.  so-A  (Otto,  Beitr.  zur  Lehre  vom  Relat.  bei  Homer  1,  S.  2, 
Delbbück,  S.  f.  4,  139,  Vf.  Techmer's  Intern.  Ztschr.  f.  allgem.  Sprachw. 
1,  238  und  unten  §  203  Anm.).  Ion.  att.  lesb.  thess.  arkad.-kypr.  ol^  at 
{oiy  od)  waren  griech.  Neubildungen  nach  o,  ä  statt  toi,  ruf,  entsprechend 
o5-$,  w-rff  ,so*  und  herakl.  ^  ^*V  —  ^  c^*  „einerseits"  —  „anderseits"  (wie 
6  luv  —  6  ib)  u.  dgl.  (s.  Ahrens,  D.  Gr.  1.  d.  2,  276  sq.). 

Von  O'Sb  mit  doppelter  Flexion  rtoväeuiv  (Alkaios),  roXa6€a{(sy  (Hom.). 
Zu  diesem  Pronomen  auch  die  in  eins  zu  schreibenden  odstv  oäsTva^  rov^ 
ieivog  TovdeTva  u.  8.  w.,  deren  zweiter  Bestandteil  zu  dem  Pronominalstamm 
«-  (lat.  t-s)  gehören  mag,  s.  J.  Baunack,  Stud.  1,  46  ff. 

Anmerkung  1.  Nach  demselben  Gelehrten  a.  0.  S.  55  f.  soll  oSe  dadurch  ent- 
sprungen sein,  dass  man  ein  toS-l  =  ai.  tad  id  dem  einfachen  x6  zuliebe  irrtümlich  als  ro-Si 
ansah,  dann  statt  o-t  ein  6-61  und  so  durchs  ganze  Paradigma  hindurch  Formen  mit  -dt  schuf, 
endlich  -ife  «volksetymologisch**  mit  6h  verband,  was  zu  öSe  führte.  Schwache  Punkte  sind 
die  nicht  gerade  wahrscheinliche  volksetymologische  Verbindung  mit  dl  und  der  Umstand, 

ly^^Kw^h  der  klaw.  AlterUumnriflsenacfaAft.  IL    2.  Aufl.  9 


130  ^  (Griechische  Grammatik,    c)  Flexionalehre. 

dass  für  thessal.  -vb  neben  arkad.   -vi^  die  in  der  Beurteilung  von  -(f£  -(fi  nicht  getrennt 
werden  können,  eine  analoge  £rklärungsmOglichkeit  sich  nicht  bietet  (vgl.  Anm.  2). 

Die  arkad.  ro^-vi  „huius"  rCcv-vi  „hanc"  sind  mit  thessal.  ro-ve  »hoc" 
u.  s.  w.  zu  verbinden,  offenbar  ein  Verhältnis  wie  oii  :  oie.  Ob  hierzu 
auch  der  kypr.  gen.  sg.  auf  -«v,  wie  aqyvQfov^  der  doch  schwerlich  auf 
Vermischung  mit  dem  gen.  pl.  beruhte?  Der  Ursprung  des  n-Elementes 
ist  unaufgeklärt.  Unter  der  Voraussetzung,  dass  -rt  füs  -v  eingetreten 
war  (nach  der  Analogie  von  o-de,  indem  man  to-vi  mit  to-^ii  parallelisierte), 
könnte  man  in  diesem  Element  die  Partikel  -m  -om  sehen  (vgl.  Leskien, 
Ber.  d.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  1884  S.  105),  die  beim  Pronomen  vom  gen. 
sg.  auf  die  andern  Formen  wäre  übertragen  worden. 

Anmerkung  2.  J.  Baunack's  Annahme  (a.  0.  56),  dass  man  aus  acc.  masc.  *xov'i 
fem.  *tdy-i,  gen.  *ttav'l  ^irrtümlich  -vi  als  Affix  abgehoben  habe**,  ist  unglaublich.  Wie 
soll  bei  dem  Vorhandensein  von  tov,  xaXoy,  xay  u.  s.  w.  ein  solcher  , Irrtum*  möglich  ge- 
wesen sein? 

tomo  =  *t6  V  To,  worin  v  eine  Partikel  =  ai.  ü  (§  201,  1).  Aus 
vorgriech.  Zeit  stammte  masc.  *ov  fem.  *äi5  =  idg.  *so  w,  *sd  u,  vielleicht 
schon  in  uridg.  Zeit  kontrahiert  zu  *s6f/^  ^sdt/^,  vgl.  apers.  masc.  hauv. 
Indem  das  Neutrum  ro  als  Adverb  enklitisch  angefügt  wurde  (vgl.  aksl. 
Icu-to  „wer?*),  entsprangen  die  Formen  *ov%o^  *avTo  (aus  *ävto,  §  26)  und 
als  Neubildung  tovto  für  Hod-v-to.  Diese  im  Auslaut  flexionslosen  Formen 
erlagen  alsdann  der  Einwirkung  andrer  mit  Endflexion  versehener  Pro- 
nomina,  so  ergaben  sich  ovroq  avva  tovxov  etc.  Boot,  ovtov  ovto  ovta 
ovT(ov  von  nom.  sg.  masc.  aus. 

o-g  „qui"  =-  ai.  yo-s  n<iui".  Mit  Rücksicht  auf  lit.  fi-s  vermutet 
Streitbero,  Die  Abstufung  der  Nominalsuffixe  -to-  und  -je»-,  1888  S.  31  f., 
dass  das  ursprüngliche  Paradigma  nom.  *(-$  acc.  *«-m,  gen.  H^^Ho  oder 
Ho-sio  (u.  s.  f.  als  {o-Stamm)  war. 

Idg.  *qO'  *ge-  Frage-  und  Indefinitpronomen,  no^  in  ni^d'ev,  ttoT, 
TTOVf  nwQj  TTo-Tf^o-g,  n6(fo-g  aus  *7ro-T/o-g,  noTo-g  aus  *7ro/-io-g  (Vf.  Grdr. 
2,  121),  thessal.  tioxxi  =  *7t6S  xi  (§  201,  1),  vgl.  ai.  Ara-s  ,wer?*,  lat.  quo-d. 
Tf-  in  hom.  r*o  att.  tov  =  av.  ca-hya  got.  Avi-s  »cuius?*,  eine  Genitiv- 
bildung wie  if-uo  €fi€io  (§  96).  Gortyn.  6v€i(f  =  att.  6no((f,  bei  Hesych 
kret.  reiov  •  noTov,  Ion.  xo-  in  xo-O^ev  u.  s.  f.  Der  Femininst,  idg.  *qa- 
(lat.  ö'w^-,  got.  hvö')  war  nur  durch  nrj,  Ttjj  vertreten.  Durch  Neubildung 
kamen  die  verschiedenen  anlautenden  Konsonanten  in  Lautverbindungen, 
in  denen  sie  lautgesetzlich  nicht  entstanden  wären.  Dor.  neL  Att.  t^T 
Toig  (S-Tf»)  o-Toig)  für  *7r<>7  *7ioTg  nach  {rto)  tov,  dagegen  hatten  ion.  t*v»> 
TtoiiXt  mit  dem  t  auch  das  e  von  Tto  übernommen,  worauf  dieses  wieder 
zu  Ttov  (Archilochus)  umgebildet  wurde,  s.  Wackernagel,  K.  Z.  29,  148; 
lesb.  Tio)  rfoiai  waren  nach  Wackernagel  a.  0.  Umbildungen  von  T<p  roiai 
(vgl.  gen.  or-rw)  nach  rig  riva,  während  G.  Meyer,  Gr.  Gr.*  400  f.  sie  von 
einem  pl.  neutr.  *r/a  ausgegangen  sein  lässt.     Vgl.  §  35  S.  54  f. 

Dor.  lesb.  xrjvo'g  ion.  xeTvo-g  sxetvo^g  att.  ixetvog.  Hing  vielleicht  mit 
od'Siv  (s.  S.  129)  zusammen.  Wenn  das  -ftv  des  letzteren,  wie  J.  Baunack 
Stud.  1,  47  annimmt,  =  ai.  aydm  war,  so  dürfte  man  von  *x*  €iv  mit  xt 
=  lat.  ce  (in  ce-do)  ausgehen;  die  Endflexion  -o-g  nach  ovto-g  u.  dgl.; 
ixeTvog  durch  Anbildung  an  exet  ixcT-^cv,     Doch   kann  auch  an  x*  -}"  jK^'o- 


2.  Nominal-  und  Pronominalflexion.  (§  95—96.)  131 

=  ahd.  jenEr  gedacht  werden.  Vgl.  auch  Prellwitz,  De  dial.  Thess.  41, 
Johansson,  Tidskr.  f.  nord.  filoL,  ny  rcekke  8,  216  flf.,  Holthaüsen,  P.-Br. 
B.  13,  372,  Vf.  Qrdr.  2,  141.    Mit  x^vog  war  wohl  dor.  Trjvo-g  gleichartig. 

avTo-^  mit  der  dor.  Nebenform  des  nom.  avg^  die  jedenfalls  nicht  aus 
avto-g  lautlich  verkürzt  war,  wie  oft  behauptet  wird,  ist  noch  unauf- 
geklärt.    Auch  Deecke,  Progr.  v.  Buchsweiler  1887  S.  30  überzeugt  nicht. 

afAo-  in  dfimg  u.  a.  :  got.  sum-s  »irgend  einer",  s.  §  21,  4. 

Über  die  Possessiva  Bfio-g  etc.  s.  §  98. 

95.  Andere  Stämme. 

Ti-gj  Ti',  Ti-cf,  kret.  o-tifu  (§  93),  megar.  pl.  neutr.  ad  aus  *tta  :  ai. 
ci-,  lat.  qui-,  idg.  *gi-.  Über  thess.  xi-g  §  35  S.  54  f.  Neutr.  pl.  enklitisch 
*T|£r,  woraus  ccra  Ttd,  das,  weil  an  Neutralformen  auf  -a  angeschlossen, 
später  die  Form  aaaa  arra  annahm  (Ahrens,  Qriech.  Formenl.*  41.  215, 
Wackernaoel,  K.  Z.  27,  90.  28,  121  «.).  Der  acc.  *u-v^)  (idg.  *gt-iw), 
zu  tiv-a  umgestaltet,  erzeugte  die  v-Flexion,  tiv-og  u.  s.  w.,  vgl.  §  77  über 
Zfjva.  Über  das  ursprüngliche  Nebeneinander  von  *ji-  und  *^o-  ♦g^e-  im 
Paradigma  von  Ti-g  s.  Wackernagel,  K.  Z.  29,  147  f. 

Stamm  i-  »is"  nur  in  versprengten  Resten«  Am  besten  ist  bezeugt 
der  acc.  i-v  (s.  J.  Baunack,  Stud.  1,  47);  dieser  war  auch  enthalten  in  /civ 
und  vlv,  die  nach  Thumb's  ansprechender  Vermutung  (Fleckeis.  Jahrbb. 
1887,  S.  641  ff.)  aus  *(r/i'  Iv  {*(rfi'  Partikel  =  ai.  sma)  und  *yf  Iv  (*y/r 
=  vvj  s.  §  64,  5  S.  78)  hervorgegangen  waren. 

Ein  Neutr.  xf  „dieses*  war  wahrscheinlich  in  ov-xf,  noXXd^xi  enthalten, 
8.  Osthoff,  M.  U.  4,  241  f.  Die  dor.  Formen  auf  -xty  wie  xsxQdxiv,  in 
denen  v  nicht  ephelkystisch  gewesen  sein  kann  (Müllensiefen,  Diss.  phih 
Arg.  6,  196.  243),  hatten  das  Kasussuffix  -v,  vgl.  ravxov  neben  ravTo. 

96.  Die  Personalpronomina.  Pron.  der  1.  und  2.  Pers.  Die 
Pronomina  tvir  und  ihr  trugen  in  allen  idg.  Sprachen  ursprünglich  singu- 
larische Flexion;  die  Pluralbedeutung  lag  im  Stamme  selbst.  So  noch 
afifis  wie  ifiäy  dfu'v  wie  ifAiv.  Die  Kollektivbedeutung  und  der  Umstand, 
dass  fcir  und  ihr  oft  mit  Pluralformen  appositiv  oder  prädikativ  verbunden 
wurden,  führten  diesen  Pronomina  pluralische  Kasuszeichen  zu,  z.  B.  ion. 
rjjiu'ag  neben  älterem  lesb.  or/i/tt«,  dor.  afiä.  Vgl.  J.  Schmidt,  K.  Z.  25,  6, 
Vf.  K.  Z.  27,  398  f. 

Ich,  Neben  eyoi  stand  St.  fjte-  fAo-  =  ai.  ma-,  ifxe-  ifAa-  entweder 
nach  der  Analogie  von  iyoi,  oder  aus  einem  idg.  *ewc-  ^emo-,  das  Wacker- 
naoel, K.  Z.  28,  138  aus  ai.  gen.  mdma  für  *dma,  Torf  S.  23  aus  dem 
armen,  gen.  im  glaubt  erschliessen  zu  dürfen.    . 

Du,  Neben  rv  ai  stand  St.  tpe-  xpo-  =  ai.  tva-  und  Hspe-  *Tspo-  = 
lat.  tovo-  aus  He^(h, 

Wir.  St.  ro-  im  Dual  vw^  zu  lat.  nös  ai.  nas.  St.  *da/i€'  =  ai. 
o^ftia-  entstand  aus  *p9m6-,  d.  i.  entweder  *9-  oder  *g5-  +  Partikel  sme. 
Das  erste  Element  hing  jedenfalls  als  Tiefstufenform  mit  vw  und  ai.  nas 
zusammen,  vgl.  got.  uns  aus  *^.    War  *^'Snie  die  Grundform,   so  wird 

*)  Eine  sehr  üDBichere  Spur  von  riv  ist  Hesych^s  rcV  '  cot,  ^  riva,  S.  Mob.  Schmidt 
z.  d.  St 


132 


A.  Ghriechisohe  Grammatik,    c)  FlexionBlehre. 


dies  ursprünglich  die  einzige  Form  dieses  Pronomens  gewesen  und  alle 
andern  Kasus  werden  erst  später  hinzugebildet  worden  sein.  Vgl.  auch 
DE  Saüssure,  Mem.  25  und  Tobp  S.  30. 

Ihr.  St.  *i5(rjUf-  =  ai.  yu^nm-^  idg.  *iusme^  d,  i.  Hu-^-sme"  oder  *tws-|-5me-. 
Unklar  ist  «rycö,  Deutungsversuche  bei  Wackernagel,  K.  Z.  28,  139  flf., 
ToRP  S.  48,  Johansson,  Bezz.  Beitr.  13,  123. 

Nora,  iyd  und  iyfav^  lat.  ego,  ai.  dhdm  (zu  y  :  ai.  Ä  s.  §  34  S.  53); 
der  idg.  Ausgang  ist  unermittelt.  Über  böot.  Ifiv  und  Idv  (letzteres  bekam 
nach  Darbishire,  Notes  on  the  spir.  asp.  p.  21  sein  '  nach  ccntg;  vgl.  jedoch 
Thumb,  Spir.  asp.  42)  sieh  §  33.  Dor.  ri»,  att.  av  mit  a  aus  den  obliquen 
Kasus  (Wackernagel,  K.  Z.  24,  609)  —  ai.  tu  (vgl.  Osthoff,  M.  U.  4, 
268).  Hom.  riv-ri  =  av.  tüm\  die  Quantität  des  ov  in  böot.  tovv  und 
lak.  TovvT]  ist  unermittelt.  In  der  idg.  Grundsprache  standen  wahrschein- 
lich Hu  und  Ha  „du**  nebeneinander  (Osthoff  a.  0.).  Das  -v  von  iywv^ 
iyciv'Tj  und  tovv,  riv-rj  war  eine  angetretene  Partikel,  s.  Leskien,  Ber.  d. 
Sachs.  Ges.  d.  Wiss.  1884,  S.  94.  Über  das  -ij  von  eym'-rj  (Torp's  €y(6-vrj 
S.  24  leuchtet  mir  nicht  ein)  und  tiv-rj  s.  §  201,  1.  -—  Lesb.  afifieg  vfAfAfg, 
dor.  afieg  v^äg,  böot.  a^itg  ovfiäg  (über  die  letzte  Form  Meister,  Gr.  D.  1, 
252);  ion.  att.  rjfisig  vfxeTg  waren  Neubildungen  nach  Formen  wie  tsa<p€ig, 
durch  das  Verhältnis  r^ixhwv  :  aatfäwv  veranlasst.  Die  andern  Sprachen  zeigen, 
dass  die  Stämme  ^daiis-  ^vtffiS"  erst  auf  griech.  Boden  in  den  nom.  ein- 
drangen (vgl.  z.  B.  got.  veis,  jus).  —  vcw,  cyw  Dualformen  wie  r«.  von 
aipm  (Hom.)  wohl  mit  deiktischem  -t  (vgl.  dor.  ins-t,  Tf-i";  auch  kypr. 
acc.  ni  =  fi'i?)  =  ai.  i-d  (so  auch  Torp  S.  47);  dann  wird  aber  vwi\ 
a^pwi  zu  betonen  sein  (zur  Accentuierung  vm  können  die  Alexandriner 
leicht  durch  vmv  verleitet  worden  sein);  vwt  in  //  99  für  vmv  einzusetzen? 
Vgl.  §  201,  1  unter  -t  vw€  (Korinna)  und  atfwe  (Hom?  vgl.  La  Roche, 
Hom.  Textkr.  356  f.)  mit  dem  -f  von  noäe  (vgl.  unten  vmv^  aifmv), 

Akk.  jw^,  fjut;  aus  rpä  (Hesych  tqt^  §  13)  dor.  rä^)  ion.-att.  et; 
lesb.  ofjUjUff,  ti^jUf,  böot.  dor.  a^t^  böot.  oviit^  dor.  i//i^.  Diese  Formen  zeigen 
den  reinen  Stamm,  Sfit-ye  =  got.  mi-k,  afi^e  =  av.  ahma^).  Das  kypr. 
^6-v  hatte  sein  -v  wohl  von  der  Nominaldeklination  bekommen  (Deecke, 
Bezz.  B.  6,  152);  ebenso  das  von  G.  Meyer,  Gr.  Gr.*  382  dazugestellte 
efibv  einer  metrischen  Inschrift  (214  n.  Chr.).  Dor.  tv  war  akkusativisch 
gebrauchte  Nomin.-Form.  Wenn  die  Dativformen  tiv  und  «V  (s.  u.)  einige 
Male  als  Akk.  vorkommen  (G.  Meyer,  Gr.  Gr.*  382  f.),  so  mag  das  durch 
analogische  Anlehnung  an  die  Funktion  von  fxiv  vlv  bewirkt  worden  sein, 
die  durch  die  zahlreichen  Akussative  der  nominalen  ^-Stämme  (x^'^9  ßdtsiv) 
erleichtert  wurde  (Kühner,  Ausf.  Gramm.  PS.  457,  Thumb,  Fleckeis. 
Jahrbb.  1887,  S.  641  f.).  Durch  Pluralisierung  entstanden  ion.  att.  riiitag 
rjfxäg  Tjfjiagy  vfiäag  vfiäg  vfxag. 

Dat.  (Lok.  Instr.).  /loi,  efioi  =  ai.  me.  Neben  dor.  roi,  att.  aoC 
aus  *T/?ot  ein  urgr.  roi  =  ai.  te,  idg.  Hoi  (Wackernagel,  K.  Z.  24,  594  ff., 
Torp  S.  9  f.,  Johansson,  Bezz.  B.  14,  153  und  §  201,  2).     Dor.  ifitv  e/iir, 


^)  Torp's  Annahme  S.  10,  dass  dor.  t^, 
wie  tot,  ursprünglich  kein  u  hinter  dem  t- 
gehabt  habe,  überzeugt  mich  nicht. 


^)  tj/btedano-s  mit  (f  halte  ich  für  eine 
Neubildung  nach  dem  als  äXXo'dttnog  em- 
pfundenen €(XXod'an6g  (§  93^ 


2.  Nominal-  und  Pronominalflexion.  (§  97.)  133 

tIv  Tiv  aas  *r/?fv  *TfiXv,  tarent.  iiniv-rj  rfv-rj,  hom.  rstv  aus  Hepiv^),  lesb. 
äfiftuv^  vfAfiiv,  dor.  afxtv  afih  afjuv,  vf.Uv  vfiiv^  ion.  att.  ijfJiTv  ^fiiv,  vfiTv 
viuitv,  hora.  auch  ijfiiVy  v(j,iVy  scheinen  zwar  altererbt  zu  sein,  haben  aber 
noch  keine  sichere  Anknüpfung  in  den  andern  Sprachen  gefunden;  mit  der 
Annahme,  diese  Formen  seien  ursprünglich  Akk.  gewesen  (vgl.  Torp  S.  27) 
kommen  wir  kaum  weiter.  Lesb.  hom.  a^ini^  vfifm  ohne  -r  vielleicht  Neu- 
bildungen nach  <T'(pi  (vgl.  §  92.  97).  Pluralisiert  war  lesb.  aiijiieaiv.  — 
Hom.  vmvy  tf^iv,  att.  v(7)v,  (Ttfipv  waren  nach  Torp  S.  47  f.  durÄh  An- 
hängung des  Lokativsuffixes  -crir  an  die  Form  des  nom.  acc  (vgl.  lat. 
ambö'bftö)  entsprungen;  ihre  Oenitivfunktion  war  ebenso  unursprünglich  wie 
bei  dem  mit  ihnen  zusammenhängenden  touv  toTv.     Vgl.  §  85. 

Gen.  Alle  Formen  waren  im  Orunde  gen.  sg.  von  Possessivstämmen 
mit  Suffix  *-crio.  ifxeto  ifxäo  ifiov,  aeXo  aäo  aov  aus  ^ifis-CkOj  H/se-ai^o  (av. 
mct-hya^  pva-hya).  ifie-Xo  :  ifxo-To  =  ion.  räo  (av.  ca-hyö)  :  nov  aus  ^Tro-a^o. 
Nach  Torf  S.  26  fungierten  die  suffixlosen  Formen  ifxe  Tf€  (und  (Tfs)  ur- 
sprünglich zugleich  akkusativisch  und  genitivisch;  im  letzteren  Falle  wurde 
ihnen  durch  den  Drang  nach  formaler  Unterscheidung  die  Genitivendung 
-^^  zugeführt.  Durch  -g  waren  erweitert  (nach  Analogie  von  yXvxt'og  u. 
ähnl.)  dor.  ifit'og,  Täog;  vgl.  acc.  kypr.  fi^-v.  Hom.  i^fieiwv  vjxeifovj  r^fiämv 
v^ämv^  att.  rjfiwv  vfiäv^  dor.  afiäoov  a^/wy,  vfisaov  vfifwv  (über  i  =  «  §  18) 
basierten  auf  urgriech.  *MfX€-(rj^o  *ii;o'jU«-oio,  *äfAfi€To  *v(j,fi€To  (vgl.  lat. 
m^ :  na^rf),  die  zu  -sfcov  -«wv  pluralisiert  wurden.  Als  Gen.  des  sub- 
stantivischen Personalpronomens  fungierte  auch  reoTo  (0  37),  reov;  auch 
diese  Formation  auf  *-o-ako  erfuhr  ^-Erweiterung:  dor.  T€ovg,  Vf.  K.  Z. 
27,  397  flf. 

ißä'd-Bv  aä'&ev  mit  demselben  ablativischen  Suffix,  das  in  akko-S-fv 
no-Osv  u.  s.  w.  vorliegt.  Die  Formen  lebten  sich  so  fest  ins  Paradigma 
ein,  dass  sie  zugleich  Genitivbedeutung  bekamen  (§  181). 

Die  herodot.  Sfistovrov  efiscovtii}  iiisnavxov^  aewvxov  u.  s.  f.  waren  vom 
Gen.  ausgegangen:  iiisoavtov  aus  i^so  avvov  durch  Kontraktion.  Ander- 
wärts Elision.  Att.  aeavxov  samov  lässt  Wackernaoel,  K.  Z.  27,  279 
wegen  des  Fehlens  eines  efxeavTov  (es  wurde  nur  i^avrov  gesagt)  von 
den  Akkusativformen  Hsf^avrov^  ^ip'aiiTov  {^teavTov  wurde  nach  (Tavrov 
zu  asavTov)  seinen  Ausgang  genommen  haben.  Wegen  kypr.  gen.  peavrw 
(Meister,  Berl.  phil.  Wochenschr.  1887,  S.  1644)  ist  die  Annahme  vor- 
zuziehen, dass  att.  aeavT-  iavv-  am  Gen.  (tsä'avvov^  h'^avtov),  nur  (Savt-  am- 
am  Akk.  (c'avro*',  h*avt6v)  entsprungen  war.  Dass  neben  iii  avxov  der 
Oen.  iiie*  avrov  nicht  produktiv  wurde  und  sich  nicht  hielt,  mag  daran 
gelegen  haben,  dass  ifxeavTov  eine  Silbe  mehr  hatte  als  (Tsavrov  iavrov. 
Übrigens  ist  mir  mit  Rücksicht  auf  §  64,  6  S.  78  f.  sehr  wahrscheinlich, 
dass  auch  die  Dativformen  zum  grössten  Teil  lautgesetzlich  entstanden 
waren:  z.  B.  herod.  «wrirq'!  aus  *^o(/)arTf/J  (Homer  ioT  avrqJ)  wie  (ovtoi  aus 
*o(i)ainroi,  att.  ifx'aifTfp  wie  h^adskifol  x*ot  {xal  oi)  bei  Meisterhans, 
Gr.*  56. 

97.    Reflexivum.     St.  ♦er/?«-  ^tfpo-  (ff-,  /?o-)  =  ai.  sra-  und   ^aeps- 

^)  Anders  über  diese  Form,   aber  micb  nicht  überzeugend,  J.  Baunack,  Stud.  1,  245. 


134  '  ^*  Ghieohische  Grammatik,    c)  Flezionslehre. 

*(f€fo-  (ff-,  «0-)  =  lat.  sovo'  aus  *se^O',  Acc.  ff,  ?,  hom.  auch  iä,  wie 
fju*';  böot.  f<V  akkusativisch  wie  tiV  (s.  §  96  unter  Akk.).  Dat.  poT,  oi 
wie  ifiot\  hom.  auch  for;  gortyn.  piv  wie  fjuVi'»  ^'^^^  Korinna.  Gen.  sJo  i'o 
ou  aus  *af:€'(Xj^o^  wie  fjufro;  daneben  iov  ( T  384  nach  Zenodot),  ioio  (Apoll. 
Rh.)  aus  *(rffo-<Tj(o,  mit  -g  weitergebildet  iovg  (Apoll,  Dysc.  de  pron.  p.  98  B), 
s.  Vf.  a.  0.  406  fiF.     i-^ev  wie  i^ä'&sv. 

Nicht  digammierte  I'  ot  bei  Homer  will  Tobp  S.  15  auf  ursprüng- 
liche *(f€  *aot  (vgl.  Toi)  zurückführen,  was  probabel  wäre,  wenn  die  be- 
tonten Formen  mit,  die  unbetonten  ohne  Digamma  gewesen  wären. 

Ion.  i(ovvov  att.  iavrov  u.  s.  w.,  s.  §  96  gegen  Ende. 

Die  mit  a^p-  beginnenden  Formen  gingen  wahrscheinlich  von  (r-g>i\ 
a-ff(v  (§  92)  aus,  worüber  Vf.  a.  0.  399  f.:  tfyiV,  mit  iiiiv  assoziiert,  zog 
(S(fe  nach  dem  Muster  von  f^uf,  Cffov  nach  dem  von  iiiov  etc.  nach  sich. 
Das  von  Wackernaoel,  K.  Z.  28,  139  ff.  gegen  diese  Deutung  vorgebrachte 
Bedenken  erledigt  sich,  wenn  man,  wie  wir  §  92  gethan  haben,  -ffiv  nicht 
als  eine  jüngere  Erweiterung  von  -9)1,  sondern  als  Nachkomme  eines  idg. 
*'bhim  betrachtet:  als  (X<f(v  mit  /?iV  ifjiiv  ziv  assoziiert  wurde,  empfand 
man  es  noch  als  eine  von  <T^i  verschiedene  Form;  s.  jetzt  auch  G.  Meteb, 
Gr.  Gr.«  388  und  Johansson,  Bezz.  B.  13,  123. 

Pluralisierung:  atpeig,  aipeiwv  cyoJr,  tfyiVi  (vgl.  afxfxeaiv),  a^päag  ts<pag\ 
seltsam  ist  arkad.  dat.  Cffsig  (cr^fig?);  vielleicht  lag  ein  *a(f€iv  zu  Grunde, 
das  nach  siv  neugebildet  war  wie  (Sipsog  nach  iog  (§  98).  Mit  den  Dual- 
formen acc.  cycöf,  dat.  aipmv  (bei  Homer)  vgl.  ifib  a<fä^  tstv  tr^h;  sie  waren 
also  gewissermassen  Dualisierungen  von  a^ä,  oftv  durch  Einschub  von  co. 

Lak.  ifiv  =  Cifh;  syrak.  xpt  §  62;  lesb.  acy*  aatps  §  53. 

98.  Possessiva.  Die  Stämme  der  Personalpronomina  fungierten  von 
idg.  Urzeit  her  auch  adjektivisch  und  deklinierten  dann  nach  Art  der 
o-Stämme.  i^o-g  zu  i^t  (vgl.  §  96).  (To-g  aus  *r/?o-^  =  ai.  ^ra-;  hom.  dor. 
Tf  (/?)6-g  =  lat.  tovo-s  aus  *te^O'S.  Lesb.  afi^o-Cj  vfAfio-g^  dor.  ccfia-gj  vfio-g : 
av.  ahma-'  „noster**.  Die  komparativischen  ijjucrf^o-^,  vfittego-g  waren  zwar 
speziell  griech.  Bildungen,  knüpften  aber  vielleicht  an  ähnliche  Komparativ- 
bildungen der  idg.  Grundsprache  an  (vgl.  Vf.  a,  0.  404.  405,  Grdr.  2,  421). 
—  ffog,  og  =  ai.  svd-,  sog  =  lat.  sovo-s  aus  *seuO'S.  Hierzu  hom.  f^cig 
„gleichwie**  {^eov  pdg)^  vgl.  got.  sv^  »wie**,  sowie  das  neutr.  *po3  (got. 
sva  „so**)  in  ot-t«,  fo^i,  Sri,  on-noig^  onwg  etc.,  vgl.  §  201,  1.  207;  die 
Vereinfachung  der  durch  Assimilation  entstandenen  Doppelkonsonanz  in 
poTi,  onwg  u.  s.  w.  erfolgte  nach  dem  Muster  der  Simplicia  r/,  näg  u.  s.  w. 
Neubildungen  mit  cry-  (§  97):  aifog  (vgl.  og),  a^sog  Alkman  (vgl.  iig\ 
aif^reqog  (vgl.  i^fibTsgog). 

3.  Anhang. 

a)  Komparationsformen. 

99.  Das  Griechische  hatte  fast  alle  Stammbildungssuffixe  bewahrt, 
die  seit  uridg.  Zeit  zum  Ausdruck  des  Begriffes  der  vergleichenden  Gegen- 
überstellung und  der  relativen  Giltigkeit  der  Bedeutung  eines  Adjektivs 
dienten,     -jfo-,  in  aXXo-g  iiäao^,  s.  §  70,  2  S.  92;  -j(ew-,  in  ijrf-/cöv,  s.  §  71,  2, 


2.  Nominal-  und  Pronominalflexion.  (§  98).    8.  Anhang.  (§  99—101.)  135 

S.  105;  -1«^,  in  rJcT-^ft),  s.  §  73,  3  S.  112  f.  -/o-,  in  i'x-rog,  und  -is-fö-,  in 
ijd^aTo^,  8.  §  70,  14*»  S.  98.  -cro-,  in  vn-^go^,  und  -^ero-  -tro-,  in  ;ro- 
T€^o-<  a2Ao-T^o-g,  8.  §  70,  10  S.  95.  -wo-,  in  i'ßiofio-g  nQo-fxo-gy  s.  70,  8 
S.  94.  Neu  entwickelt  wurden  -aro-  und  -raTo-,  in  fiäaa^aro^  und  w^d- 
TOTo^,  s.  §  70,  14*»  S.  98. 

100.  -j(«n-  und  -tes-  drückten  zunächst  eine  vergleichende  Gegenüber- 
stellung im  weitesten  Sinne  aus.  Erst  nachdem  sich  -rs-^o-  daneben  gestellt 
hatte,  daa  dem  Vergleich  mit  mehreren  andern  diente,  beschränkte  man 
-teit-  -{es-  auf  den  Vergleich  mit  einem  andern.  Der  letztere  Begriff 
hatte  in  a^cy-rf^o-$  , links*  (mit  Hindeutung  auf  „rechts")  durch  -rt^o- 
noch  einen  besonderen  Ausdruck  bekommen. 

-ero-  und  -tero-  waren  zunächst,  wie  es  scheint,  nur  in  Wörtern, 
welche  eine  Raum-  oder  Zeitanschauung  darstellten,  und  in  gewissen  Pro- 
nomina anderer  Bedeutung  üblich.  Dabei  stand  nur  ein  Begriff,  der  streng 
gegensätzliche,  in  Vergleichung,  z.  B.  *en-terO'  „der  innere*  (ivrego-v), 
Oppositum  „der  äussere*;  iJ/e«-T€^o-$,  Opp.  vfiä-rego-g;  dygo-Tego-g  „das  freie 
Feld  bewohnend,  wild",  von  ayo-io-g  unterschieden  durch  den  Hinweis  auf 
MTV.  Im  Griech.  wurde  nun  -rtpo-  (wie  im  Ar.)  ein  Komparativsuffix  für 
Adjektiva  irgend  welcher  Bildung  und  Bedeutung,  z.  B.  fiiii^sQo-g^  und 
hier  fand  der  Vergleich  nicht  mehr  mit  dem  absoluten  Gegensatz  statt, 
sondern  mit  dem  durch  den  sogen.  Positiv  ausgedrückten  Begriff;  dieser 
Prozess  vollzog  sich  wahrscheinlich  unter  Einwirkung  der  Komparativschicht 
mit  Suffix  -jen-  -{es-. 

"io-  und  -nto-  standen  zunächst  in  Zahlwörtern  und  bezeichneten,  der 
wievielte  einer  in  einer  grösseren  Reihe  sei,  z.  B.  i'xro-g,  k'ßdofi(Hg.  Danach 
-iS'tO'  und  die  griech.  Neubildung  -raro-,  um  mit  einer  Anzahl  von  Gegen- 
ständen zu  vergleichen,  vgl.  iiäyttstog  syoi  v(j,(ov  „ich  bin  grösser  als  jeder 
einzelne  von  euch*  {jieilwv  vfAwv  „grösser  als  ihr*,  vfxsig  als  ein  Begriff 
genommen),  noXsiiov  ä^iokoyoiTcnov  riov  nQoyeyevijfxsviov  Thuk.  1,  1.  -mO' 
blieb  in  dieser  Richtung  im  Griech.  unproduktiv. 

Vgl.  WEfflBiCH,  De  gradibus  comparationis  p.  1  sqq.,  Vf.  Grdr.  2,  420  ff. 

b)  Zahlwörter. 

Osthoff,  M.  ü.  1,  92  flf.    Baunack,  K.  Z.  25,  225  flf.    G.  Meybb,  Gr.  Gr.«  372  flf. 

101.  1.  St.  €V'  ursprüngl.  ^sem-  {ofA-o-g^  lat.  sem^eT):  nom.  sg.  masc. 
gortyn.  i'vg  att.  sig,  fem,  /i-/a,  Stammform  a-  in  a-na^  aus  *s^-,  s.  §  74,  1. 
Über  i'€ig  bei  Hesiod  s.  J.  Baunack,  Stud.  1,  45.  Etymologisch  zweifel- 
haft sind  hom.  lesb.  thess.   la  und  hom.   gortyn.  hff  (vgl.   Osthoff,  M.  U. 

4,  186  f.).  W'VTi  zu  lat.  oi-nO'S  ünus  (vgl.  oiVg  „allein*  zu  apers.  ai-va- 
,unu8*).  nQWTo-g  dor.  ngärog  entweder  mit  G.  Meyer,  Gr.  Gr.*  154  aus 
^nQo^aTo-g^  also  ein  junger  Superlativ  zu  nQo-TeQo-g^  oder  wahrscheinlicher 
Superlat.  eines  *7rpw/?o-g  (vgl.  TgtraTog  von  TQ{Tog)  =  ai.  pürva-s,  idg. 
*Pf-^ö-5»  vgl.  dor.  nQccv  aus  *7r^«/?a-r  und  nQ((}rjv  aus  ^irgao/na-v;  sieh  §  23 

5.  43,  §  70,  14b  S.  98.  Lesb.  att.  Tr^vravi-g  neben  ngotavi-g  deutet  auf 
einen  Stamm  *pr'tJh  neben  *pf'Uo-, 

2.  ivfo  =  ved.  duvd^  daneben  *d[:iü  =  ved.  dvd  in  6(6-6 exa.  Plu- 
raliscb   6v(ot\  6voT(n  bei  Herodot,   gortyn.  6voTg.     St.   rfv-  in  dor.   jungatt. 


136  -^*  Griechische  Chrammatik.    c)  Flexionslehre. 

äv(Xi\  lesb.  Sv€(Ti,  oder  dveam^  thess.  dvaq^  zu  welchen  Bildungen  wohl  dv(av 
neben  dvoXv  dvaiv  (§  85)  Anlass  gegeben  hatte.  Die  auffallende  urgriechische 
Form  ivo  (böot.  itovo^  vgl.  Blass,  Rhein.  Mus.  36,  607  f.),  die  im  Att. 
die  Form  ivw  verdrängte  und  sich,  wie  nbvts^  IJ  u.  s.  w.,  unflektiert  mit 
allen  Pluralkasus  verband  (Keck  in  Schanz'  Beitr.  zur  bist.  Synt.  2,  38  f.), 
war  vielleicht,  ebenso  wie  böot.  oxto,  die  alte  Neutralform  mit  dem  ur- 
sprünglichen Ausgang  -ot  (ai.  dvi\  s.  S.  79  Fussn.  I  und  §  84,  2.  85. 
In  echten  Compositis  rfe-  =  ai.  dvi-,  lat.  6t-.  ievTSQog  („nachstehend, 
folgend",  vgl.  lat.  secundiAs)  doch  wohl  trotz  W.  Schulze's  unmotiviertem 
Einspruch  (Quaest.  hom.  4)  zu  äevofia^^  s.  Vf.  K.  Z.  25, .  298  flf. 

3.  TQsTg  =  ai.  trdyas,  idg.  Hrei-es,  Diese  Nom.-Form  auch  als  acc, 
und  umgekehrt  acc.  TQig  =  got.  pri-ns  auch  als  nom.  (§  86.  87.  177).  tq^-to-c 
(zu  TQfrarog  erweitert  nach  eivarog^  däxctrog)  wie  av.  pri-tt/tp-,  got.  prirdja 
(vgl.  Osthoff,  M.  U.  4,  195),  lesb.  täq-ro-g  aber  wohl  zu  lat.  ter-üu-^  ter-nf, 

4.  St.  idg.  *qet^er'',  Att.  räTtageg,  hom.  Täatsaqsg  niavqeg^  neuion. 
täaasQsg,  böot.  nbrraQsg^  lesb.  ntavqsg^  dor.  rerogeg,  s.  §  13  S.  32,  §  35 
S.  54  f.  tqd-nB^a^  Tqv-ifdksia  §  65,  5  S.  81.  Über  diese  selben  Formen 
und  über  Ttr^a-  auch  §  13  S.  55,  §  59  S.  71.  Ausserdem  vgl,  J.  Schmidt, 
K.  Z.  25,  43  flf.,  Wackernagel,  K.  Z.  25,  283,  G.  Meyer,  Gr.  Gr.»  376  f., 
Osthoff,  Phil.  Rundsch.  1,  1592,  M.  U.  4,  333,  Kluge,  P.-Br.  B.  8,  517  flF. 

5.  ntvTs  =  ai.  pdnca^  idg.  *pef9qe.  nä^nto-g  =  lat.  quintu-s,  idg. 
*pef9qt0''$;  gortyn.  nevro-g  aus  *nevrTo-g  mit  %t  ^=i  m  %  36.  Über  ana- 
logische Neuerungen  wie  nsrcdg  für  nsfindg  s.  §  35  S.  54.  nevra-  in 
nevTa-xwnoi  dor.  Ttevta-xanoi  und  andern  Zusammensetzungen  mit  cc  nach 

6.  f*?  i?  aus  *o'/ff J  =  kymr.  chwech.  Über  die  idg.  Grundform  s. 
VON  FiERLiNGER,  K.  Z.  27,  194  flf.,  G.  Meyer,  Alban.  Stud.  2,  56  f.  Ob 
/sexrog  k'xrog  aus  "^pexato-g  entstanden  (§  59)  oder  von  alters  her  ohne  c 
war  (vgl.  ahd.  sehtö)^  wie  Osthoff  u.  a.  vermuten  (M.  U.  4,  329  f.,  Z.  G. 
d.  P.  219),  ist  unsicher,  e^a-  in  i^a-xoaioi  und  andern  Kompp.  mit«  nach 
%€xqa'  u.  a.,  daher  auch  die  Bildung  i^a-ai  auf  einer  späten  Inschrift 
(G.  Meyer,  Gr.  Gr.*  378)  wie  retga-rn. 

7.  inrd  entweder  für  "^inra  =  ai.  sdpta  d.  i.  *septtp^  nach  der  Ana- 
logie von  oxTO)  (Osthoff,  M.  U.  1,  97  ff.)  oder  für  ^inrdv  =  *septTJi  (§  21,  2) 
in  Anlehnung  an  den  Auslaut  von  ivvea^  dtxa ;  die  letztere  Auffassung  ver- 
dient nach  dem  von  G.  Meyer,  Alban.  Stud.  2,  64  f.  und  Wheeler,  No- 
minalacc.  19  entwickelten  den  Vorzug  (auch  ved.  saptd  für  lautgesetzliches 
*saptdm).  Das  ßS  von  i'ßio/Aog^  epidaur.  eßisiiaXo-g  (§  29)  war  wohl  nicht 
erst  auf  griechischem  Boden  aus  nr  entstanden  (s.  Osthoff,  M.  U.  4,  328, 
Z.  G.  d.  P.  321,  Kluge,  P.-Br.  B.  9,  180). 

8.  oxToJ  =  ved.  a^tä^  idg.  *o^M,  Dualform;  daneben  böot.  oxto,  viel- 
leicht, wie  ävo^  alte  Neutralform,  s.  oben  ovo.  Herakl.  6xt(o  hatte  seinen 
Spiritus,  el.  bnvw  sein  tt,  oxtu-  in  oxxa^xwsioi  (lesb.  oxroj-xocrioi),  oxTd-novg 
(neben  oxTci-Ttovg,  ai.  astd-pad')  das  cc  von  der  Siebenzahl.  Die  Median  in 
oyioog  sind  wie  die  von  i'ßdofiog  (s.  o )  zu  beurteilen. 

9.  Griech.  Grundform  "^ivfa  (fVra-,  «va-,  iva-  §  57)  für  zu  erwarten- 
des *i'ffa  (vgl.  armen,  inn,  pl.  inun-lc   Hübsohmann,   K.  Z.  23,  33)  =  ai. 


8*  AnhÄng.  (§  101.)  137 

ndva^  idg.  *neu^  (lat.  novem  für  *noven  nach  Septem,  decem),  s.  Wacker- 
KAOEL,  K.  Z.  25,  260  flF.  Über  svvea  sehr  verschiedene,  meist  erweislich 
unrichtige  Kombinationen,  bei  Osthoff,  M.  ü.  1,  123,  Kögel,  P.-Br.  B.  8, 
119,  DE  Saussure,  Mel.  Qraux  743,  Wackernagel,  K.  Z.  28,  132  ff., 
G.  Meybb,  Gr.  Gr.«  379,  Smyth,  Der  Diphthong  JEI  S.  64,  W.  Schulze, 
Qaaest.  hom.  29  sq.  Am  wahrscheinlichsten  ist  mir  Wackernagel's  Deu- 
tung, nach  der  ivvsa  Zusammenrückung  von  *€v  vepa  „im  ganzen  neun, 
volle  neun*  war  mit  Verblassung  dieser  anfänglichen  Bedeutung.  Herakl. 
ivväa  wie  oxroi,  nach  ima, 

10 — 19.  dexa  entweder  =-  lat.  decem,  ai.  ddSa,  idg.  *dek7p,,  oder  =  lit. 
desgimt  (nom.  pl.  deszimts,  aksl.  desete),  got.  taihun,  idg.  *dekipt,  Säxato-g 
=  lit.  desBimta-s,  idg.  ^dekr^to-s;  über  lesb.  ark.  dexorog  s.  u.  i'vSexa, 
iddexa  und  ääxa  ivOy  TqsTg  xai  däxa  und  däxa  ZQeTg  u.  s.  f.,  s.  Meister- 
HAK8,  Gr.«  126,  Wackernagel,  Phil.  Anz.  1886  S.  78  f. 

20—90.  Dor.  böot.  pixati^  vgl.  lat.  vJgintt,  -xaTi  aus  ^--ki^ti  (vgl.  S. 
123  Pussn.  2  und  W.  Schulze,  K.  Z.  28,  277).  Eine  Vermutung  über 
das  «  von  dor.  peixaTi  und  ion.  att.  nxoai  hom.  icfxoai  äusserten  wir 
§  84  S.  124.  Böot.  f^ixacTTJ  (Meister,  Gr.  D.  1,  276)  zu  lat.  vTc^simus 
(*vfcenssiinus)  von  Grundform  *^ikfiit+to-,  *^tkfgtt'tO'  (§  36).  Die  Form 
Hxwsnog  mit  o  für  a  war  Neubildung  nach  rqia-xoatog  aus  ^-xovtfTo-g  (§  55) 
und  veranlasste  weiterhin  die  Bildung  €ixo<n  statt  "^etxaai.  Dasselbe  von 
-xocrrog,  'xovra  ausgegangene  o  in  lesb.  ark.  iexorog,  ark.  ixorov-ßoia  und 
in  'xoatoi  (s.  u.).  Die  Form  Txavriv  bei  Hesych.  (Codex  ixdvuv)  zeigt  sich 
in  anderer  Weise  von  -xovra  beeinflusst.  Vgl.  Vf.  K.  Z.  24,  66,  Osthoff 
ebend.  424,  M.  TJ.  1,  128  (anders,  aber  unwahrscheinlich  G.  Meyer,  Alban. 
Stud.  2,  13  f.).  Herakl.  TeTQoixovta  war  wohl  nach  oydojxovra  gebildet 
(Baunack,  K.  Z.  25,  235).  nevtr^xorra  mit  urgr.  rj  zu  slL panca-Sdt  „fünfzig*, 
idg.  *pef9q€-k- ;  hiernach  i^ijxovta  gortyn.  /? f  Ji^xorra.  Zur  Bildung  der  Zehner 
überhaupt  vgl.  noch  Thurneysen,  K.  Z.  26,  309  flf..  Spitzer,  L.  d.  a.  D. 
18  flf.,  Prellwitz,  De  dial.  Thess.  41  sq.  und  S.  Bugge,  Bezz.  B.  14,  72, 
der  für  -xor*  idg.  "^{d^kr^-U  als  Ableitung  von  *dek^  „decem**  voraussetzt 
['xovrcc  also  aus  *{d)kom-t^  ?). 

100  u.  s.  w.  Der  zweite  Bestandteil  von  i-xarov  =  lit.  szimta-s, 
ai.  Sat4'm,  idg.  *A^to'-m  (zu  der  Annahme  von  Ascoli,  Krit.  Stud.  94,  die 
idg.  Grundform  sei  *k^to-m  gewesen,  das  m  von  lit.  szimtas  lett.  si*mts 
sei  von  der  Zehnzahl  lit.  deszimti-  übertragen,  ist  kein  ausreichender  Grund 
vorhanden);  *kf^tö-m  nach  Bugge  a.  0.  aus  *(d)X:^-^ö-w,  Ableitung  von 
*d€krp  „decem".  Das  «-  von  ixarov  wohl  für  a-  =  *sr^-  (vgl.  ai.  sa-hdsra" 
^tausend*)  mit  Anlehnung  an  den  Vokal  von  ir-;  vermutlich  bestand  ein 
*^v  xortov  „ein  Hundert**  neben  *d-xaj6v.  Dor.  böot.  -xcfTioi,  ark.  -xtiaioi 
zu  ai.  -iatya-;  das  o  von  -xoaioi  von  -xovra  ^xocxo-g  entlehnt  (s.  o.).  Auf 
^XscXo-  =  ai.  {sa-)hdsr(i-  beruhten  lesb.  x^^Atot  dor.  x'J^'ot  ion.  x*^^'^* 
(§  45.  56);  über  das  i  von  hom.  Sexa-x^^oi  att.  x^^^^e  s.  §  46;  zur  Stamm- 
erweiterung -tot  vgl.  ai.  sahasriya-.  Nach  rgiaxocTo-g  u.  s.  w.  waren 
fxflfTooTo-g,  SiäxoaiotXTo-g,  x^Aiocro-^,  fj^vgioato-g,  ferner  auch  noXloaxo-g^  oXi- 
ycHTTo-c  gebildet  (Vf.  M.  U.  3,  69,  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  594).  Vgl.  auch 
BxaxovrccTug    (spät)   nach  TQiäxovraxig   u.  s.  w.    (Baunack,   K.  Z.  25,  238). 


138  ^  GrieciiiBche  Grammatik,    c)  FlezionBlehre. 

c)  Nominalkomposition  (Form  und  Bedeutung). 

Litteratarangaben  bei  HCbkeb,  Grondriss  zu  Vorles.  üb.  d.  griech.  Syntax  29  ff.  and 
Vf.  Grdr.  2,  21  f. 

Form  der  Znsammenaetznng. 

102.  Man  kann  für  das  Griechische  wie  fUr  die  andern  idg.  Sprachen 
vier  Klassen  von  Komposita  unterscheiden. 

1.  Das  1.  Glied  war  der  Stamm  eines  deklinierten  Nomens  oder  Pro- 
nomens, fiovo-yevT^g  neben  fiivo-g. 

2.  Das  1.  Glied  erscheint  in  keiner  der  Forschung  zugänglichen 
Periode  der  idg.  Sprachgeschichte  als  flektierbares  Wort  und  tritt  nur  in 
Kompp.  auf,  a-ßarog, 

3.  Das  1.  Gl.  war  ein  altüberkommenes  adverbiales  Wort  mit  oder 
ohne  KasussufGx  und  wurde  auch  ausserhalb  der  Komposition  gebraucht, 
im'&€Tog  neben  ini  {im), 

4.  Das  1.  Gl.  war  entweder  ein  Kasus,  der  als  lebendiges  Glied  eines 
Kasussystems  die  Zusammensetzung  mit  dem  andern  Teil  einging,  oder  ein 
Adverbium,  das  erst  in  der  griechischen  Entwicklungsperiode  zum  Adverb 
geworden  war  und  als  solches  Kompositionsglied  wurde,  Jiotf-xov^oi, 
nav-aioXog. 

Für  die  Kompp.  kommt  in  Betracht,  dass  zwischen  syntaktischem 
Wortkomplex  und  Kompositum  und  zwischen  Kompositum  und  Simplex 
häufig  keine  festen  Grenzen  zu  ziehen  sind. 

Auf  jeder  Stufe  der  Sprachentwicklung  gibt  es  werdende  Kompp., 
und  man  kann  oft  nicht  entscheiden,  hat  man  es  schon  mit  einer  einheit- 
lichen Zusammensetzung  oder  noch  mit  einer  syntaktischen  Wortverbindung 
zu  thun.  Daher  z.  B.  der  Streit,  ob  xaQrjxofiowvTeg  oder  xagr]  xofAocuvteg 
u.  dgl.  bei  Homer  (s.  La  Roche,  Hom.  Textkr.  311  ff.).  Wo  Kompp.  aus 
Teilen  bestehen,  von  denen  jeder  als  selbständiges  Wort  auftreten  könnte, 
erkennt  man  den  Kompositionscharakter  am  sichersten  aus  folgendem. 
1.  Wenn  der  Ausgang  des  einen  Gliedes  der  Zusammenrückung  auf  solche 
Wörter  übertragen  wird,  die  ihn  in  freiem  Gebrauch  anzunehmen  unföhig 
sind,  wie  itoa-dotog  {Siog  gen.  sg.)  ein  d-eoa^dovog  erzeugte.  2.  Wenn  in  den 
analogischen  Nachbildungen  das  1.  Gl.  nicht  mehr  die  Kasus-  oder  sonstige 
Flexionsbedeutung  zeigt,  welche  Bedingung  für  die  Entstehung  der  Muster- 
form war,  z.  B.  'ÄQr^'-Xvxog,  aQsi-d-vaavog  nach  äqrji-^atog  äQei-qtaxog  ,im 
Kriege  getötet''.  3.  Wenn  die  Zusammenrückung  „mutierte **  Bedeutung 
(§  105)  hat,  wie  aegi-oixog  „in  der  Luft  die  Wohnung  habend **. 

Anmerkung.  Kein  sicherer  Beweis  für  befestigte  Komposition  ist,  dass  Weiter* 
bildungen  mittels  ableitender  Suffixe  vorgenommen  werden,  wie  JiocxovQetov  von  Jtoa- 
xovQoif  Alyott-norafACrrj^  von  Atyoa-notafAoi.  Denn  oft  schaJBPt  erst  das  Bedürfnis  der  Ab- 
leitung ein  Kompositum,  wo  vorher  noch  keines  da  war,  wie  xaXoxaya&iä  von  xaXog  xaya- 
&6g,  iyxifpaXoq  von  iv  xetpuXj,  nftqa^Xaaaiog  von  naqd  ^aXcMany, 

Anderseits  ist  das  1.  oder  das  2.  Gl.  eines  Kompositum  oft  im  Über- 
gang zu  einem  präfixalen  oder  suffixalen  Element  begriffen.  Z.  B.  -fiJij^ 
in  -d^so'Biirjg  u.  s.  w.  nahm  in  der  historischen  Periode  den  Charakter  eines 
Suffixes  an,  ein  Prozess,  der  sich  bei  -ayro-g  in  nod^ano^g  etc.  (zu  ai.  ^^hc- 
„wohin  gerichtet**)  schon  in  vorgeschichtlicher  Zeit  vollzogen  hatte,  «ya- 
^o-g  ursprünglich  „sehr  kriegstüchtig*"  (J.  Baunack,  Stud.  1,  260  ff.)  war  auf 


3.  Anhang.  (§  102-103.) 


139 


eine  Linie  gekommen  mit  noQ-o-q  a/-o-^,  und  in  ähnlicher  Weise  waren 
ixoTOfi-ßrj  (vgl.  ai.  iata-gu-  ,100  Kühe  habend"),  da-nedo-v  ursprünglich 
«Hausboden''  (§  74  S.  115),  fi-xsavo-g  urspr.  „umlagernd**  (§  200)  für  das 
naive  Bewusstsein  zu  einfachen  Wörtern  geworden.  (Zum  Teil  hatte  diese 
Veränderung  des  Sprachgefühles  bereits  in  uridg.  Zeit  stattgefunden,  z.  B. 
bei  i'XVQo-gy  pUxaxi  und  rtäQ-vat,  das  mit  /^äTog  zusammenhing.)  Wenn  man 
derartige  verdunkelte  Zusammensetzungen  mit  unter  den  «Komposita*'  be- 
handelt, wie  wir  thun,  so  kommt  freilich  mancherlei  auf  gleiche  Linie  zu 
stehen,  was  fUr  das  Sprachgefühl  der  betreffenden  Periode  verschieden  war. 
Vgl.  Vf.  Grdr.  2,  3  ff. 

103.  Erste  Klasse.  Beispiele.  dfxo-ndrtoQ  :  apers.  hamchpitar-  «von 
gleichem  Vater*.  TroXv-drjvea  '  nokvßovkov,  noXvfxrjtiv  Hesych  :  ai.  puru- 
dasM'  «reich  an  Wunderthaten**.  Tgf-novg  :  ]sLt.  tri-pSs.  Der  Stammaus- 
gang des  ersten  Oliedes  zeigt  häufig  nicht  mehr  die  ursprüngliche  Gestalt. 
Für  die  Nomina,  welche  schwache  und  starke  Stammgestalt  nebeneinander 
hatten,  war  schwache  Stammform  von  Haus  aus  die  Regel. 

o-Stämme.  Über  Inn^ayrnyog  aus  HTTTvo-aycoyog  s.  §  64,  6  S.  78.  Ob 
das  -€-  in  'Ayä^Xao^g  {ayo-g),  aQxs-^noh'g  {aQxi^)  u.  dgl.  aus  uridg.  Stamm- 
formen mit  -e-  herrührte,  oder  ob  es  erst  infolge  der  S.  140  zu  besprechen- 
den Assoziation  des  1.  Gl.  mit  einem  verbalen  Stamme  an  die  Stelle  von 
-o-  getreten  war,  ist  unklar.  Von  den  o-Stämmen  aus  wurde  -o-  auf  die 
verschiedensten  Nominalklassen  übertragen,  z.  B.  naTQ-o-qovog  av-o-xrovog. 
Umgekehrt  wurde  -o-  öfters  durch  -ä-  verdrängt,  z.  B.  ^avarrj-ipogog  statt 
und  neben  xkavaTo-^fogog  zu  x^dvaxo-g  (vgl.  Vf.  Grdr,  2,  45  f.). 

d-Stämme.  Meist  -ä-,  wie  vixrj-fpoQog^  einige  Male  ein  unaufgeklärtes 
-£?-,  wie  ^Akxa-x^oog,  rifiwQog  aus  Hifiä'OQog.^)  Häufig  -o-,  wie  Nixo-fxaxog 
dor.  itmo-nancov;  der  Gebrauch  von  -o-  bei  Adjektiven  als  1.  Gl.,  wie 
dxQo-TToXig  =^  axQcc  noXig,  war  schon  uridg.  Das  -ä-  auf  andre  Norainal- 
klassen  übertragen,  z.  B.  x^avaTr]-<p6^og  (s.  o.),  danid-r^'ifoQog, 

»-  und  tc-Stämme.  Alte  Bildungstypen:  rqi-novg  iiavTi-noXog^  i]iv^ 
{f)€nr]g.     Mit  -o-  z.  B.  ifvai-^o-loyog, 

l-  und  fl-Stämme.  Ursprünglich  -7-  -m-  vor  Kons.,  -n-  -m^-  vor  Son. 
So  noch  criJ-ayxo-g,  dagegen  ai-fpoQßig  für  ^ai-if,,  wie  cvai  für  ♦cv-o'i  (§  74,  2 
S.  115).     Mit  -0-  z.  B.  (Tv-o-xrovog^  IxO^v-o-ipayog, 

n-Stämme.  Selten  -a-  =  -«-  (vor  Konsonanten),  wie  ovo/ÄCC'xXvrog; 
xwdiivia  für  ''^xva-nvia  durch  Übertragung  des  -v-  von  xvvog,  xvv-rjyog  etc. 
Daneben  o-Stamm  statt  n-Stamm,  wie  xio-xQävov,  dx/xo-t/srov,  atfio-ßa^t^gy 
ein  aus  idg.  Urzeit  mitgebrachter  Bildungstypus,  mit  dem  die  ebenfalls 
alte  Vertretung  des  n-Stammes  durch  einen  o-Stamm  im  2.  GL,  z.  B. 
av-atfAthg  neben  dv-aifjiwv,  zusammenhing  (vgl.  §  71).  Griech.  Neubildungen 
waren  solche  wie  ^Qsv-ciXrjg  Tsxtov-aQxog  dytov-d^x^Q  nnd  (pQeV'O-fiavijg 
xloV'O'XQavov  dywv^fH&äTrjg, 

r-Stämme.    Alter  Typus  narQ-covufiiog,  dvdQ-dyqta,    Dagegen  vor  Kons. 


')  Man  moss  mit  der  Möglichkeit  rechnen, 
dass  das  1.  Gl.  m'JXxd'^oogjXvxdßag ^er  instr. 
8j$.  eines  Wurzelnomens  war  (§  88),  vgl. 
aXxi-if^av  mit  ioc.  sg.,  und  dass   erst  da- 


durch, dass  man  «Xxa-  mit  aheij  assoziierte, 
Formen  wie  *nvXa'OQog  (vgl.  Wackebnaoel, 
K.  Z  27,  263.  28,  132)  ins  Leben  gerufen 
wurden. 


140  ^*  GriechiBche  Ghrammatik.    o)  Flexioiuilelire. 

in  der  Regel  mit  -o-,  wie  narq-o-ipivog  für  ^narga-^ovog.  Alt  noch  rsrqa- 
yvog  =  idg.  *qet^^'y  wo  sich  a  unter  dem  Schutze  der  Eompp.  mit  iTira- 
ivvea-  etc.  hielt;  nach  TExqu-noia  scheint  dvigd-noia  gebildet  (bei  Beute- 
verteilung und  sonst  öfters  lagen  die  beiden  Begriffe  dicht  bei  einander), 
s.  Vf.  Grdr.  2,  48,  Wackernagel,  K.  Z.  30,  298.  Neubildungen  waren 
auch  die  Formen  mit  starker  Suffixgestalt,  wie  MTSQ^o-siirfi ,  ^rp^oq-o- 
iiridcxakog^  Xafi7iTr]q'0'(p6qog, 

Die  n^Stämme  im  Griech.  stets  mit  starker  Stammgestalt,  ndvt-aqxog, 
navT'th-fiuri^g^  iqaxovT'O-fiakkog.  Die  schwache  Stammgestalt  der  abstufenden 
ri^Stämme  scheint  ausgestorben. 

Neutrale  s-Stämme.  caxec-^oqog,  wie  ai.  rajas-tür-  „den  Luftraum 
durchdringend''.  Daneben  auch  einige  Male  schon  bei  Homer -o-  statt -ccr-, 
regelmässig  in  der  Prosa:  slqo-xofiog^  irto-Ttoiog,  entsprechend  xpevd-dyysXog; 
-0-  fQr  -ec-  wohl  infolge  der  gleichen  Nominativausgänge  (l^nog  :  Innog); 
mit  -Ä-  statt  -0-  z.  B.  ^i^r^oqog  (neben  ^i^o-tpoqog).  ceXaC'^aqog;  daneben 
xsqo-^oqog^  xqso-ioxog  und  xqsTj-ioxog. 

Andere  Stämme.  vav-Ttrjyog  und  ri^o-ccoo^.  ßov-vofiog  und  ßo^a-xXsip 
ßo-rj'VOfiog.  d-na^j  vgl.  lat.  sim-plex,  idg.  *s^-.  dd-nsiov,  idg.  *dJ2*"  (§  l^^). 
fivC'^ovog^  vgl.  lat.  wüS'CipuIa.  nvy-fidxog.  nod-Haxr^g^  noi'O-xdxxrj.  viff^ 
ßoXog, 

Der  Charakter  des  1.  Gl.  als  Nominalstamm  wurde  in  doppelter  Weise 
gestört : 

1.  An  die  Stelle  der  Stammform  trat  eine  Easusform  (Übergang  in 
Kl.  4),  z.  B.  JIvXoi'YBV-qg^  Jui-tqätprig  (§  74,  1  S.  115),  doqi-fiaxog^  ^Itpir 
xqdrrjg^  row-exi^gy  Sixaa-nokog  {dixatf-  acc.  pl.,  s.  §  55.  63). 

2.  Das  Sprachgefühl  änderte  sich  gegenüber  dem  1.  Gl.  in  der  Art, 
dass  dieses  verbal  empfunden  wurde.  Das  veranlasste  dann  zahlreiche  Neu- 
bildungen, in  denen  nun  wirkliche  verbale  Stammformeil  als  Yorderglied 
eintraten.  So  deutete  ma,n  Tapv-yXcoacog  (»mit  gestreckter  Zunge*,  Havv-g 
=  ai.  tanü'^)  als  „die  Z.  ausstreckend"  (zu  rdw-rai)^  ^iXo^^evog  („dem  der 
Gastfreund  lieb  ist")  als  „den  Gastfr.  liebend"  (zu  ipiXi(a\  ^v/o-ntoXsiiog 
„der  dem  Krieg  abhold  ist"  {^^vyo-g,  vgl.  lat.  lücirfugus)  als  „den  Kr. 
fliehend"  (zu  ^^vyo-v).  Daher  dann  Neubildungen  wie  iiwo-^svog  (nach 
(fiXo-^evog  geschaffen,  vgl.  (Aiaäw  :  (piXtai)  „den  Fremdling  hassend",  (paivo- 
firjqfg,  id^EXo-novog.  Wenn  das  -e-  von  Formen  wie ^AyäXaog  (s.  189)  nicht 
als  die  nominale  Suffixgestalt  -6-  aus  vorgriech.  Zeit  mitgebracht  war,  so 
muss  man  es  als  infolge  der  verbalen  Umdeutung  aus  den  Formen  wie 
aye-TB  herübergeholt  betrachten.  reqipi-fißqoTogj  taYval-nrsqog^  dqxsai-yviog 
u.  dgl.  enthielten  Abstraktnomina  mit  -^i-,  T^qt/Ji-g  etc.  Sie  wurden  mit 
den  s-Aoristen  ^xsqipa^  hdvvaa,  rjgxeaa  assoziiert  und  nunmehr  verbal 
empfunden,  „die  Menschen  ergötzend"  u.  s.  w.  Daher  alsdann  Neubildungen 
wie  ^TTjai-xoqog  {^artjad)  neben  axaai-aQxog  {ardai-g)^  g^x^iai-fißqoTog  (%^wa) 
neben  (fx^iaig.  Weiter  veranlasste  die  ideelle  Verknüpfung  dieser  aoristischen 
Kompp.  mit  solchen  wie  XainO'\pixt(a  ^vyo'TiToXefiogj  dqxt-xaxog^  ^vy-aCxi^rfi 
einerseits  Neubildungen  wie  Xeiipo-d-qi^^  neqaä-noXig^  ^tr^a-ayoqrfi^  anderseits 
solche  wie  dXe^i-xaxog^  Xccx^i'xrjSrjg  (vgl.  Xrjtfi-fißqoTog)^  dgxi-TexTwv^  «?X*" 
x}t(aqog  für  dqxe-d^txoqog,  Xaiqi-ytvrfi  neben  Xaiqä-aTqaTog,  sogar  TrjXi'Haxog 


3.  Anhang.  (§  103.)  141 

(el.)  für  TfjXä'-fiaxog,  woneben  auch  die  Neubildung  TrjXi-xQnog.  Diese 
Angleichungen  mögen  durch  die  Doppelbildung  des  cr-Aorists,  Üei^a  und 
'for,  gefördert  worden  sein.  Ferner  brachte  man  unsere  Kompp.  mit  -c«- 
mit  solchen  der  4.  Klasse  zusammen,  die  einen  loc.  pl.  auf  -c»  enthielten, 
wie  oQeai'TQOifoq  „in  den  Bergen  genährt",  worüber  Osthoff,  Vb.  i.  d.  Nc. 
193  ff.  Endlich  seien  noch  erwähnt  die  Neuschöpfungen  nqfateai-Xaog 
(neben  nQfato-käoq)  nach  'Aysal-Xctog  ^ÄQxsaC'X&og  u.  dgl.,  und  ^E^i^irjai-Xecog^ 
^EQfArfii-dva^j  ^Egfifja-aviQog  nach  ^Äytiai-kaog^  ^Hyr^ai-dva^j  'Ayrfi'CcvÖQog,  Über 
diese  ganze  verbale  Umdeutung,  die  sich  auch  im  Germ,  und  Slav.  in  weitem 
Umfang  zeigt,  s.  Osthoff's  eben  genanntes  Buch  S.  137  ff. 

Zweite  Klasse.  Idg.  *^-  *9n-  „un-**,  Tiefstufenform  zu  *ne  == 
lat.  ne,  z.  B.  a-yv^Tog  =  ai.  d-juäta-s  lat.  Ignötu^s;  av-viQO'g  =  ai.  an- 
udrd'S;  nach  solchen  wie  a-vrivog  aus  *a'<TV7tvo-g,  a-oivo-g  aus  ^ä-fsotvo-g 
bildete  man  a-oSfiog,  a-o^og  (vgl.  lat.  od-oTj  got.  ast-s  »Ast")  neben  av-oSfiog 
av-oCog  u.  dgl.  Mit  rÄ-  aus  idg.  *g-  »un-*  dor.  va-Tioivog  u.  dgl.  (§  21). 
Idg.  *duS'  »mis-,  übel-",  z.  B.  Sva-iievifi  =^  ai.  dur-manäs. 

Dritte  Klasse,  em-x^-erog  :  ai.  dpi-hita-s  „zugemacht",  dno-riaig  : 
ai.  dpa-ciü'$  „das  Abbüssen". 

Anmerkung.  Gegenüber  diesen  uridg.  Nominalkompp.  geschab  das  Zusammen- 
wachsen solcher  Adverbia  mit  den  Formen  des  Verbum  finitum.  z.  B.  ini-ri&rjtn,  erst 
in  der  einzelsprachlichen  Entwicklungsperiode  und  wurde  durch  jene  ältere  Schicht  der 
Nominalkompp.  vielfach  begünstigt.  Und  die  verbalen  Kompp.  wieiTuri^fjfdi,  wirkten  dann 
auch  wieder  auf  die  nominalen  zurück.  Wenn  man  sagt,  z.  b.  Hoxof;  sei  nicht  aus  ^1  und 
ojjTo^  zusammengesetzt,  sondern  eine  einfache  Ableitung  aus  ^^e/cü,  und  demgemäss  solche 
Bildungen  »Pseudokomposita**  nennt  (Zacbeb,  Zur  griech.  Nominalcomp.  8,  vgl.  auch  J. 
G&iMM,  D.  Gramm.  2,  8.  694  des  Neudrucks),  so  ist  das  richtig.  Man  übersehe  aber  nicht, 
dass  es  sich  bei  der  Schöpfung  von  solchen  Formen  im  Grunde  nur  um  Zuführung  neuer 
Bebpiele  zu  bereits  aus  idg.  Urzeit  überkommenen  nominalen  Kompositionstypen  handelt, 
und  dass  ja  überhaupt  weitaus  die  meisten  im  Griechischen  und  in  den  andern  idg.  Sprachen 
begegnenden  ,  Komposita"  gar  nicht  wirklich  duich  einen  Akt  der  Zusammensetzung,  son- 
dern durch  analogiscbe  Nachahmung  gegebener  Musterformen  zu  stände  kamen,  also 
fPseudokomposita"  waren. 

Zusammensetzung  von  Präpositionen  mit  einem  von  ihnen  regiert 
erscheinenden  Nomen.  nQoa-äaneqog^  vgl.  ai.  prati^dö^ä^  »gegen  Abend  be- 
findlich". VTiBQ'dvO^Qwnog  -ijroj^,  vgl.  ai.  updri'Ynartya-  „über  Sterbliche 
sich  erhebend",  sni-yaiog.  TtaQa^vofiog,  dvd^Xoyog,  Der  acc.  neutr.  als 
Adv.,  wie  ifi-neiov,  vnäQ-iioqov.  Meist  mit  -{ö-,  wie  vTi-atTmä-io-g^  naqa- 
O^akdtrC'io-g. 

fi^-Tig  :  ai.  mdrki-^.   ov-rig  ersetzte  ein  idg.  "^ne-qi-s. 

Vierte  Klasse.  Altererbt  waren  namentlich  Zahlwortkompp.,  wie 
düi'iexa  ivoi-dexa  =  ai.  dvd-daia  lat.  duo-decim.  Ferner  nod-ano-g  mit 
nom.  acc.  sg.  neutr.  (§  93),  wohl  auch  diws-Sorog  „von  Zeus  gegeben"  und 
ieff'Ttofrfi  ,des  Hauses  Herr"  (§  79).  Das  meiste  entsprang  im  Griech. 
selbst,  wie  Jioa-xovQOi^  veda-oixoi^  voa^xvafiogy  SovQt'XTTjtog,  iaqi-Sqemog^ 
*Ai.xi'litdo)Vy  xr^Qeaai'tpoqr^tog^    naai'fitXwv,  nav-ifJiccQ^  row-exortcog. 

Analogische  Neubildungen:  d^eoadorog  nach  dioa-doxog^  Avxoaovqa 
nach  KwcKJ-ov^a  u.  dgl. 

Gebrauch  des  Kasus  im  1.  GL,  als  sei  er  nur  Stammform,  eine  Folge 
der  Verdunkelung  seiner  ursprünglichen  Funktion,  z.  B.  draXd'ifqmv  „mit 
harmlosem    Sinn"    nach    dxaXd  (pqovtwv;    nvqi-i'jxrjg    „mit  feuriger  Spitze" 


142 


A.  Griechische  Grammatik,    c)  Flexionslehre. 


nvQi-nvooq  ^ feuerschnaubend*  nach TTv^i-xarcro-^  „mit  (im)  Feuer  gebrannt"; 
xtiqsai-ifoQog;  ix^vat'i.rjiaTi^Q  u.  dgl.  Lokative  wie  nvQi-  im  Sinn  von  Stamm- 
formen zu  setzen,  konnte  man  leicht  auch  durch  Eompp.  wie  fiavu-TtöXog 
veranlasst  werden.  Und  für  die  Kompp.  mit  loc.  pl.  auf  -et  kommt  das 
Danebenstehen  von  Formen  wie  agKsai-yviog  Tuvvai^nteQog  in  Betracht. 
Übrigens  begegnet  vieles  hierhergehörige  nur  bei  späten  Verskünstlem 
und  war  dem  Volk  selbst  fremd. 

Weitere  Beispiele  zur  4.  Klasse  s.  bei  G.  Mbtbr,  C.  St.  6,  382  ff.,  Neckbl,  De  no- 
minibus  Graecis  compositis,  quorum  prior  pars  casuum  formas  continei^  1882,  Vf.  Grdr. 
2,  51  ff. 

104.  Komposita  aller  Klassen  fungierten  seit  uridg.  Zeit  als  Personen- 
namen,*)  z.  B.  '^iTTTTo-fiaxog/'A-ifirjrog,  "^Yno-dixog^  ^ÄQrjC-Xvxog,  Diese  Kompp. 
hatten  in  mehreren  Beziehungen  ihre  eigene  Geschichte. 

Bei  den  Griechen,  wie  bei  den  Germanen,  findet  sich  die  Sitte,  dass 
in  den  Kindesnamen  eines  der  Kompositionsglieder  herübergenommen  wurde, 
die  im  Vaters-  oder  Mutternamen  enthalten  waren,  z.  B.  Jivo'XQccrrjg  Sohn 
des  Jlvo-xXr^g,  Ev'XQarrjg  S.  des  EvQV-xQotrfi  (vgl.  J.  Baunack,  Stud.  1,  57). 
Hieraus  wird  die  Thatsache  verständlich,  dass  man  öfters  Wörter  ver- 
schiedenartigster Bedeutung  zu  einem  Namen  zusammenstellte,  wie  Vtttto- 
Xag^  *^P6ä'iTE7tog. 

Abkürzend  setzte  man  für  das  Kompositum  nur  das  eine  der  beiden 
Glieder,  meist  das  erste,  und  hängte  dem  einstämmigen  Namen  oft  hypo- 
koristische  Suffixe  an,  z.  B.  Zev^t-g^  Ztv^ta-g  =  Zev^-mnog,  S^v^t-iäfiog, 
Zsv^i'xhsog  etc.j'^TTTro-^,  "innaxog^  '^InnvXXog  =  "^Inno^xXrfi^  ^^Inno-atqaxog  etc. 
(vgl.  auch  lifi-g  =  ^Icpi-avaaca  etc.  mit  instr.  ?-yO»  umgekehrt  z.  B.  Ekvfievr] 
=  ''ETsO'xXvfuvrj  (Maas,  Hermes  23,  617). 

Da  bei  solcher  Abkürzung  das  Gefühl  für  die  etymologische  Kon- 
stitution des  Komp.  nicht  immer  wach  war,  so  kam  es  auch  vor,  dass  das 
2.  Gl.  nur  bis  auf  seinen  Anfangskonsonanten  oder  seine  anfangende  Kon- 
sonantengruppe abgebrochen  wurde,  z.  B.  Nüco-fiäg  =  Nixo-firjdtjgy  Jtjfio- 
ad-äg  =  Jr^ino-'Cx^'hvrjg, 

Unklar  ist,  wesshalb  in  den  Personennamen  ein  inlautender  Konsonant 
öfters  geminiert  erscheint,  z.  B.  Sewai^  'Ayax)^vhi,  Qeo-xxw^  Kked-fÄfiig.  Der 
Erklärungsversuch  J.  Baunack's  Stud.  1,  232  befriedigt  nicht. 

Bedeutung  der  ZuBammensetzung. 
106.  Bei  der  Stammkomposition  (z.  B.  inno-ßoTog)  war  die  be- 
sondere Art  der  Beziehung,  in  der  das  1.  Gl.  zum  2.  stand,  zunächst 
völlig  unbestimmt.  Sie  ergab  sich  lediglich  aus  dem  Sinne,  den  die  ver- 
bundenen Stämme  an  und  für  sich  hatten.  Es  \¥ar  natürlich,  dass  die 
Zusammenstellung  von  „Sonne"  —  „Mond'*  ein  anderes  Bedeutungsverhältnis 
darstellte  als  die  von  „Sonne"  —  „Strahl",  die  von  „Mann"  —  „tötend" 
ein  anderes  als  die  von  „Speer"  —  „tötend".  Da  vielfach  eine  gleich- 
artige Bedeutungsbeziehung  zwischen  den  beiden  Gliedern  bestand,  so  er- 
gaben sich  hieraus   verschiedene  Klassen   von  Stammkomposita.     Dagegen 


*)  Hauptschrift:  Fick,  Die  griech.  Per- 
sonenDamen  nach  ihrer  Bildung  erklärt,  mit 
den   Namensystemen    verwandter    Sprachen 


verglichen  und  systematisch  geordnet,  1874. 
Kurze  Zusammenstellung  des  wesentlichsten 
hei  Vf.  Grdr.  2,  32  ff. 


8.  Anhang.    (§  1Ö4-105.) 


143 


war  bei  den  Eompp.,  deren  1.  Gl.  eine  bestimmte  flexivische  Form 
hatte,  durch  diese  von  Anfang  an  eine  bestimmte  Beziehung  zwischen  den 
beiden  Gliedern  gekennzeichnet,  z.  B.  dioa-doxoq  „von  Zeus  gegeben*', 
da^-SgeTiTog  ,im  Frühling  gepflückt**. 

Aus  idg.  Urzeit  ererbt  waren  der  Gegensatz  von  „unterordnenden 
Kompp.*  und  „beiordnenden**  (ai.  dvandva)  und  derjenige  von  „nicht  mu- 
tierten Kompp.**  und  „mutierten**  (ai.  bahuvrfhi). 

1.  Bei  den  unterordnenden  Kompp.  war  das  eine  Glied  durch  das 
andere  nur  näher  bestimmt,  das  eine  war  der  Hauptbegriff,  das  andere 
ein  subordinierter  Zusatz.  Die  Art,  wie  das  Hauptglied  durch  das  andere 
determiniert  war,  ergab  sich  bei  den  Stammkompp.,  wie  bemerkt,  lediglich 
aus  der  Stammbedeutung,  bezieh,  dem  ßedeteilcharakter  der  Glieder.  Die 
Art  des  Bestimmtseins  konnte  eine  sehr  verschiedene  sein.  Man  unter- 
scheidet: attributive  oder  appositionelle  Bestimmtheit,  z.  B.  lärQo-iiavxK; 
„Wahrsager,  der  Arzt  ist**,  axQo-noXig  „obere  Stadt,  oberer  Stadtteil**, 
wxv-msQog  „schnelle  Flügel  habend**;  numerale  Best.,  z.  B.  TQi-wßokov,  dt- 
Tiovg;  kasuelle  Best.,  z.  B.  naxQ'dSeX^og  „Vaters  Bruder**,  x€iQo~noir(tog 
„mit  der  Hand  gemacht*;  adverbiale  Best.,  z.  B.  äii^i^iitXag  „beiderseits 
dunkel*.  In  dieser  Weise  lassen  sich  aber  auch  noch  andere  Kategorien 
aufstellen,  und  es  muss  betont  werden,  dass  die  Grenzlinien  zwischen  allen 
solchen  Kategorien  unsicher  und  fliessend  sind. 

Anmerkung.  £me  den  ThabBachen  der  Sprachgeschichte  in  jeder  Beziehung  ge- 
recht werdende,  alle  unterordnenden  Kompp.  richtig  unterbringende  Klassifikation  ist  un- 
möglich. Einerseits  war  das  in  der  Seele  der  sprechenden  lebende  Bedeutungsbild,  das 
der  Sprachforscher  zu  reproduzieren  hat,  bei  den  meisten  Kompp.  in  Hinsicht  auf  die  gegen- 
seitige Beziehung  der  beiden  Glieder  ein  viel  zu  unbestimmtes  und  schwankendes,  als  dass 
es  sich  mit  der  Sicherheit,  wie  es  gewöhnlich  geschieht,  dieser  oder  jener  von  den  aufge- 
stellten Bedeutungsklassen  zuweisen  und  sich  mit  einem  der  üblichen  grammatischen  Ter- 
mini fixieren  Hesse.  Und  es  ist  darum  unnütz,  z.  B.  darüber  zu  streiten,  ob  oixo-tfvXa^ 
zu  den  attributiv  oder  den  kasuell  bestimmenden  Kompp.  gehöre,  ob  naxQo-  in  nargo- 
tfovtrg  als  Gen.  oder  als  Akk.,  ßQox<h  in  ßgoro-Xo^yog  als  Gen.  oder  als  Dat.  aufzufassen 
seL  Solche  genaueren  Beziehungen  werden  doch  gewöhnlich  nur  erst  von  dem  Gramma- 
tiker hineingelegt  —  namentlich  leicht,  wenn  er  bei  der  Obersetzung  des  Komp.  in  eine 
andere  Sprache  zu  einer  Umschreibung  greifen  muss  — ,  während  die  sprechenden  selbst 
aus  einer  allgemeineren  Anschauung  nicht  herauskommen.  Anderseits  war  das  Bedeutungs- 
bild sicher  oft  auch  in  den  verschiedenen  Perioden  ein  verschiedenes. 

Mögen  solche  Klassifikationen  immerhin  den  Wert  haben,  dass  sie  die  Orientierung 
erleichtern,  sie  können  nicht  das  Endziel  der  Forschung  sein.  Diese  hat  vielmehr  auch 
hier  vor  allem  die  Aufgabe,  historisch  vorzugeben,  den  Entwicklungsgang,  so  weit  es  mög- 
lich ist,  aufzudecken  und  sich  dabei  aller  subjektiven,  nicht  lediglich  die  Natur  des  Untei- 
suchungsobjektes  ins  Auge  fassenden  Beurteilung  zu  enthalten. 

Beiordnende  Kompp.  gab  es  ursprünglich  wohl  nur  mit  Kasusformen 
als  erstem  Gl.,  wie  dw-Sexa  =:  ai.  dvä-dcäa  lat.  duo-decim,  und  man  kam  zu 
den  Dvandva  mit  Stammform  erst  dadurch,  dass  man  jene  nach  der  Form 
der  unterordnenden  Kompp.  mit  Stamm  als  1.  Gl.  ummodelte  oder  neu 
schuf  (vgl.  die  Bildungen  mit  xal  :  xaXoxayavß^iä  zu  xaXog  xayaO^og  und 
vr^kiTto-xaißltnäkaiog).  Im  Griech.  war  diese  Klasse  selten.  Deutliche  Fälle 
erst  in  jüngerer  Zeit,  wie  Xv^-aanid-  in  toqvsvtO'Xvqaaniio'Tirfyoi  „gedrech- 
selte Leiern  und  Schilde  zusammenfügend**  Aristoph.,^)  vvxO^-riiisqov  ,,diem 
nocternque**,   Xovtqd  dviqi^yvva  „Bäder  für  Männer   und  Frauen",  Xevxo- 


1)  Av.   491.    Ein  Dvandva  hätten  wir 
auch  dann,  wenn  die  Erklärung  des  Scho- 


Hasten  das  richtige  träfe:  oV  xoqyBvovai  Xvqng 
xal  ttcnidag  ntfyyvovm. 


144 


A.  Grieohisohe  Grammatik,    c)  Flexionslehre. 


fibläg  »weiss  und  schwarz*.  Im  Neugriecb.  mehr  Bildungen  dieser  Art,  wie 
yvvmxo^naida  „Frauen  und  Kinder",  fiaxcciQo-ncQova  „Messer  und  Gabeln*. 

Die  Grenze  zwischen  den  unterordnenden  und  den  beiordnenden  Eompp. 
war  naturgemäss  eine  fliessende.  Z.  B.  läTQo-fiavTigy  das  wir  oben  unter  den 
unterordnenden  nannten,  konnte  auch  als  „einer,  der  Arzt  und  Wahrsager 
ist*  erscheinen,  und  ähnlich  konnte  man  auch  tQay-äkafpog^  yXvxv-nixQog  u.  a. 
doppelt  auffassen.  Um  so  leichter  begreift  sich  die  Entstehung  der  Dvandva 
mit  Stammform  als  vorderem  Glied. 

2.  Die  Doppelheit  der  nicht  mutierten  und  der  mutierten  Kompp. 
beruhte  auf  einer  bereits  im  Uridg.  vollzogenen  und  seitdem  immer  wieder- 
holten ßedeutungsentwicklung.  Wie  der  Begriffsinhalt  eines  nicht  zusammen- 
gesetzten Substantivs  oft  durch  eine  Metapher  adjektivisch  auf  ein  anderes 
Subst.  bezogen  wurde,  ein  Eigenschaf tsbegriflF  für  den  Träger  der  Eigen- 
schaft eintrat,  ohne  dass  diese  adjektivische  Beziehung  einen  sprachlichen 
Ausdruck  erhielt,  z.  B.  B  235  cJ  Tthnoveg,  xdx'  iXtyxea,  so  geschah  dieses 
auch  mit  dem  Begriff  von  Kompp.,  z.  B.  Eos  hiess  Rosenfinger,  ^odo- 
ddxTvlog,  im  Sinne  von  rosenfingrig  (vgl.  Dickkopf  ^=  dickköpfig  u.  dgl.). 
Vgl.  §  189.  Natürlich  machte  nicht  jedes  Mutatum  die  Bedeutungsent- 
wicklung für  sich  durch;  die  meisten  traten  sofort  als  Mutata  ins  Leben 
als  Nachbildungen  nach  älteren  Mustern. 

Der  substantivische  Ursprung  bekundet  sich  zum  Teil  noch  in  mangel- 
haftem Geschlechtsausdruck,  z.  B.  ^oSo'idxtvXo-  trotz  -o-  auch  für  das  Fem., 
Xpt'co-xd/ii^  „goldhaarig*  trotz  -ij-  auch  für  das  Mask.  Doch  wurde  viel- 
fach schon  frühe  auch  eine  den  adjektivischen  Charakter  kennzeichnende 
Weiterbildung  vorgenommen.  Diejenige  mit  -lo-,  wie  ofio-naTQ-io-g  =  altisl. 
sam-fedr  (neben  ofiO'ndtwQ  =  apers.  hama-pitar-),  kam  wohl  bereits  im 
Uridg.  auf  (§  70,  2). 

Mutiert  erscheinen  sowohl  unterordnende  als  auch  beiordnende  sub- 
stantivische Kompp.,  wie  noXv-oivog  „viel  Wein  habend*  und  dvi^o^ywog 
„für  Männer  und  Frauen  bestimmt"  {XovvQin'), 

Auch  zwischen  den  mutierten  und  den  nicht  mutierten  Kompp.  ist 
keine  scharfe  Grenze  zu  ziehen.  Man  erwäge  z.  B.  d-iioga  dioQa  (Soph. 
Ai.  665),  wo  o-rfo)^«  ebenso  gut  substantivisch  (vgl.  dviJQ  atQatrjyog)  als 
adjektivisch  erscheinen  konnte,  ebenso  n^oXtg  vBonoXig  (Aeschyl.  Eum.  690)  u.  a. 


4.  Verbalflexion.^) 

Personalendungen. 

106.  Die  Personalendungen  zerfallen  in  (1)  primäre,  z.  B.  -/u  (ind. 
praes.  und  fut.  act.  und  med.,  perf.  med.),  (2)  sekundäre,  z.  B.  -v  (Aug- 
mentindikative  act.  und  med.,  injunct.  act.  und  med.,  opt.  act.  und  med., 
zum   Teil   ursprünglich   wohl    auch   im   ind.   praes.   neben  den  primären), 


*)  Vbitch,  Greek  verbs  irregulär  and 
defective,  Oxford  1879.  Cürtius,  Das  Ver- 
bum  der  griecb.  Sprache,  Leipz.  P  1877, 
11^  1880.  G.  Meyer,  Gr.  Gr.-*  402-  517. 
Pezzi,  La  1.  gr.  ant.  21G-  258.   Lauteksach, 


Verbalflexion  der  att.  Inschriften,  Gotha  1887. 
G.  M ERLER.  Beiträge  zur  Bildung  des  griech. 
Verbums,  Dorpat  1887.  Bartholomae,  Zur 
Verballehre  der  idg.  Sprachen,  K.  Z.  29, 
271  ff. 


4.  Verbalflexion.  (§  106-107.)  145 

(3)  ein  paar  ursprünglich  speziell  perfektisclie  (act.),  z.  B.  -i>a.  Der 
Konjunktiv  scheint  von  idg.  Zeit  her  sowohl  primäre  wie  sekundäre  Endungen 
gehabt  zu  haben,  noch  neben  einander  ayy  und  ciyr]  (s.  §  107). 

Der  Ursprung  der  Personalsuffixe  ist  nicht  sicher  ermittelt,  doch  ist 
von  einigen,  z.  B.  -mi,  nicht  unwahrscheinlich,  dass  sie  Pronomina  waren. 
Vgl.  Vf.  M.  U.  1,  133  f.,  Delbbück,  Einleit.  in  das  Sprachstud.^  97  flF., 
Satce,  Techmer's  Intern.  Ztschr.  f.  allgem.  Sprach w.  1,  222  ff.,  Meblo, 
Appunti  critici  sulla  genesi  delle  desinenze  personali,  Riv.  di  filol.  12,  425  ff. 
13,  385  ff.  14,  369  ff. 

107.  Aktivendungen. 

1.  Sg.  Prim.  (päQco  =  lat.  fero,  idg.  Hherö  (-ö  vielleicht  aus  o  mit  einem 
o-Vokal,  der  Personalendung,  kontrahiert,  Vf.  M.  U.  1,  146  f.,  Osthofp, 
ebend.  2,  121  f.),  elfii  =  ai.  emi,  idg.  *ei-mi.  Hom.  Konjunktiv  id'äXfain, 
Neubildung  für  ix^äha.    Über  lesb.  iffikrjiii  {(piktco)  §  123. 

Sek.  -V  =  idg.  -m  und  -a  =  idg.  -f^t:  igfSQo-v  =  ai.  dbhara-m, 
fXi^v  =  lat.  sie-m\  rja^  ^X^^y  Üet^a.  Opt.  ursprünglich  *(jp*poia  (daraus 
att.  *g>€Qw),  dafür  Neubildungen,  ffä^oifit  und  fftqoiv  (anders  über  die 
letztere  Form  Osthoff,  M.  U.  4,  302,  G.  Meyeb,  Gr.  Qr.^  405). 0  —  Ob 
das  -a  des  Perf.  {lälom-a)  idg.  -a  gewesen  sei  (vgl.  das  Suffix  in  *bherö)  oder 
-^,  ist  strittig,  s.  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  61. 

2.  Sg.  Prim.  -si  (ai.  hhära-si)  unversehrt  in  hom.  syrak.  ia-tsi  (vgl. 
das  aksl.  jesi  aus  *es-sf,  Vf.  Grdr.  1,  442.  445),  wozu  noch  das  epi- 
daur.  cvvxixhrflt  (v.  Wilamowttz,  Hermes  19,  451),  das  aber  wegen  des 
intervokalischen  er  (§  45)  dem  ai.  dddhasi  nicht  lautlich  gleich  gesetzt 
werden  kann,  vielmehr  junge  Neubildung  war  (vgl.  G.  Meyeb,  Gr.  Gr.^  407, 
J.  Baukack,  Stud.  1,  126).  Daneben  si  aus  *€ai  =  ai.  dsi,  idg.  *esi;  aus 
ti  durch  Anfügung  von  -g  (nach  dem  Muster  von  (prjg  u.  dgl.)  hom.  herod. 
tig  oder  dg  (Vf.  K.  Z.  24,  75),  wobei  zu  beachten  ist,  dass  bei  Homer  an 
allen  Stellen  icc'  (cVci)  für  elg  eingesetzt  werden  kann  ausser  q  388.  el 
»du  gehst*  aus  *«*-((r)*  =  ai.  e§i;  auch  hier  -$,  elg,  bei  Hesiod.  y«?«?, 
mit  ai.  bhdrasi  lautgesetzlich  unvereinbar,  war  wohl  eine  Erweiterung  von 
*ip€Q€i  (aus  *^€Q€ai)  durch  -$,  worüber  Vf.  M.  U.  1,  173  flf.,  G.  Meyer, 
Gr.  Gr.*  407;  anders  Bechtel,  Phil.  Anz.  1886  S.  18,  Johansson,  De  der. 
verb.  138.  205  (Bechtel's  und  Johansson's  Einwand  gegen  unsern  Deutungs- 
versuch ist  leicht  zu  widerlegen,  s.  §  17),  A.  Tomsona,  Lingvisticeskija 
izsledovanija,  St.  Petersb.  1887,  S.  112  ff.     Entsprechend  Konj.  ^^'Qijg, 

Sek.  -s:  i^peqeg  =  *ai.  dhharas,  (ptqoig  =  ai.  bhdrB^.  Auch  im  ind. 
praes.:  dor.  (Theokr.)  kypr.  cjptpe^,  att.  u.  s.  w.  Tix^ijg,  äiäcog,  wonach  lesb. 
€fiif]g  und  wohl  auch  ^iqrjg  (vgl.  dxvdadriin);  mit  Rücksicht  auf  lat.  vehis, 
air.  dih-beir  (=  *'beres)  scheint  anzunehmen,  dass  y^P^^j  Ti&tjg  altererbte 
Formen  waren  (Thubneysen,  K.  Z.  27,  174). 

Perf.  '&a:  oh-d^a  =  ai.  vtUha,  got.  vdist\  rjqriqeiad^a  (Archil.).  Die 
Perfektform  ijö*^«,  die,  weil  ^a,  rjCtov^  ^i^fv,  ^or«  zugleich  Perfekt  und 
Imperfekt  waren,   zu    imperfektischer  Funktion   kam,    gab  Anlass  zu  den 


'}  Die  Annahme  eines  *ffSQOj.a  wird  nicht 
nur  dnrch  das  Ar.  und  Got.  empfohlen,  son- 
dern auch  duich  tfiqoifn.   Wollte  man  als  die 


urgriechische,  regelmässige  Bildung  tpi^oiy 
betrachten,  so  begriffe  sich  nicht,  wie  man 
zu  der  Neubildung  (f^Qoifjn  kam. 


Baadbiiioli  der  Ua«.  AltertumawiMeDiichaft.  U.    2.  Aufl.  10 


146 


A.  Ghriechische  Grammatik,    o)  Flexionalehre. 


Neubildungen  itprjtrd^a,  tfO^rjaO^a^  i&äXrjtsd'Cc^  ßaXoKX^a  u.  a.  (Osthoff,  K. 
Z.  23,  320  flF.  Z.  G.  d.  P.  607  f.,  Vf.  M.  U.  1,  162.  4,^411,  J.  Schmiot, 
K.  Z.  27,  315  flF.).  Ob  die  von  Aristarch  verworfenen  rjc^ag  olad^ag  bei 
Homer  anzuerkennen  sind,  ist  eine  rein  textkritische  Frage;  sprachgeschicht- 
lich wären  sie  durchaus  verständlich  und  unanstössig. 

3.  Sg.  Prim.  -tu  fo-r*,  dor.  böot.  rfi'rfw-T*,  att.  iidfoai  =  ai.  ds-Uy 
däda-ti.  Hom.  i^tXriai  Weiterbildung  von  i^kXrj  (Vf.  M.  U.  1,  179  ff.). 
ffiQst^  aus  *bhereti  (ai.  bhdrati)  nicht  herleitbar,  war  wahrscheinlich  Neu- 
bildung zu  (fcQstg  nach  Analogie  von  ^eqoig  :  qtiqoi  und  ig)€Q€g  :  I^cqc;  dem 
(piQ€i  ging  zunächst  vielleicht  ein  *(p€Q€  aus  *^€f€T  (vgl.  ^i^eg)  voraus 
(vgl.  Vf.  M.  U.  1,  175  f.,  Thubneysen,  K.  Z.  27,  174);  mit  den  Spekula- 
tionen von  Smyth,  Der  Diphthong  EI  S.  55  und  Johansson,  De  der.  verb. 
205  vermag  ich  mich  nicht  zu  befreunden.     Entsprechend  Eonj.  g>i^* 

Sek.  -(t).  i(p€Q€  =  ai.  dbharat,  ffiqoi  =  ai.  bhdrSt,  Im  Lesb.  auch 
ind.  praes.  ttihrj^  vgl.  2.  sg.  rii^-ij-g.  Im  Eonj.  in  mehreren  Dialekten  in 
der  3.  sg.  -ij  aus  *-j^t  neben  -i;,  wie  arkad.  ix^y  s.  Vf.  M.  U.  1,  182  f., 
Johansson,  De  der.  verb.  165,  Meister,  Gr.  D.  2,  112.  Dor.  r^g  »erat** 
=  ved.  äs,  idg.  *^5-^. 

Perf.  -f.  oUs  =  ai.  v^da,  idg.  *^öid'e;  auf  den  sigmatischen  Aorist 
tibergegangen  «€*?-€  (Vf.  M.  U.  1,  158  ff.). 

1.  PI.  Im  Dor.  durchgängig  -fieg,  in  den  andern  Mundarten  -fier. 
Wahrscheinlich  urgr.  primär  -fieg^  sekundär  -fiev;  Ausgleichung  in  den 
Mundarten  in  verschiedener  Richtung.  Ansatz  der  idg.  Grundformen 
zweifelhaft.  Vgl.  Vf.  M.  U.  1,  151  ff.,  Osthofp  ebend.  4,  290,  G.  Meyer, 
Gr.  Gr.«  411. 

2.  PI.  Überall  -t«.  Vielleicht  ursprünglich  prim.  *-^«  (ai.  bhdratha)^ 
Sek.  -re  (ai.  dbharatd). 

3.  PI.  Prim.  Drei  Formen  begegnen,  -vri  =  idg.  -nti:  dor.  el. 
nordwestgr.  yf^o-m,  woraus  qikqova^  u.  s.  w.  =  ai.  bhdra-nti.  -«vr*  -äc* 
=  idg.  ~nti:  iätn^  lätn^  dyvvd(Hy  dsdiäai^  dor.  rsd-ixavxi  (vgl.  ai.  s-dnti, 
y-dnii,  iaknuv-dnti).  -ar«,  -ac^  =  idg.  -^ti  (mit  unbetontem  ?):  perf.  dor. 
id^wxocvi  (Hesych),  phok.  icQtjTevxccTiy  hom.  iskoYxda  (vgl.  ai.  praes. 
bibkr-ati).  J.  Schmidt  (K.  Z.  27,  394)  lässt  das  perfektische  -ar*  -ac*  aus 
dem  Praes.  herübergekommen  sein,  indem  er  *ri^-ar*  *rf*rf-ar*  (ai.  dddh-ati, 
aksl.  dad-eti)  voraussetzt  (vgl.  §  115),  Osthofp  dagegen  (M.  U.  1,  100) 
hält  das  -OT*  im  Perf.  für  griech.  Umbildung  von  -avti  nach  dem  med.  -arai. 
Durch  Formübertragung  entsprang  -avu  in  Tid^ääci,  böot.  Sedoavd'iy  rex^r^- 
xttv&ir  u.  a.  Über  ivrl^  siai  §  112.  Auffallend  ist  i>  in  böot.  xakäovdiy 
d€d6avx>i  etc.  (vgl.  iatqinsvad^ri^  ißdXovx^o^  yqaxpdvd^fOy  thess.  itpavyqivd^siVy 
iyävov&o),  ^) 

Sek.  Zwei  Formen  begegnen.  -i'(t)  =  idg.  -nt:  l^egthr,  Ifuys'-r, 
vgl.  lat.  fereba-nt,  -av(r)  =  idg.  -^^:  böot.  naQ-sTav  {7ta^aav)j  att.  Met^av. 
Böot.  iO-eav  Neubildung  wie  tiO'tMi  (s.  o.).  Vom  Aorist  drang  -av  im 
Dor.  in  jüngerer  Zeit  ins  Perf.  ein,  z.  B.  Ssicoxav.    Opt.  el.  cw-iav  kann 


^)  Eine  lautliche  Begründung  ist  für 
dieses  &  (trotz  Mbistbb,  Gr.  D.  1,  260  f.) 
picht  gefunden.    Möglich  ist,  dass  9  zuerst 


in  die  Medialendungen  nach  der  Analogie 
der  Endungen  -^'&e,  -fiB^a  u.  s.  w.  eindrang 
und  sich  dann  auch  auf  das  Aktiv  Terbreitete. 


4.  Verbalflexion.  (§  108.)  147 

die  urgriech.  Form  mit  -av  darstellen  (lat.  sient,  idg.  *sit-^^),  kann  aber 
auch  durch  den  speziell  el.  Wandel  von  e  in  a  entstanden  sein  (§  8).  Das 
€  von  ehv  beruhte  auf  qualitativer  Anlehnung  an  das  ij  von  eTrjv  (vgl  &€- 
für  *^a- nach  v^ij-,  §  11,  1),  oder,  wie  Misteli  meint  (Ztschr.  f.  Völkerps. 
12,  26),  auf  Assimilation  an  das  €  der  Schlusssilbe  von  el-fiev,  si-re;  auch 
können  beide  Analogien  zugleich  gewirkt  haben.  Altes  *-a(T)  aus  -^^ 
(mit  unbetontem  g)  ist  für  den  opt.  der  themavokalischen  Verba  voraus- 
zusetzen: *y*^W^W  =  *bheroi'^;  daraus  zunächst  durch  Übertragung 
des  'V  von  ^elav  {shv)  die  Form  *y«^o(()av,  weiterhin  ^fpäqoiav  (=  el. 
TiVoary?,  s.  §  8)  mit  Wiederherstellung  des  o*  nach  (fiQoifiev  ^tQoixe  (vgl. 
§  12):  weitere  Neubildungen  ^sqoiv  und  ^iqoievj  letzteres  nach  ehv  (Ost- 
hoff, M.  U.  4,  295  f.).  Die  thessal.  Formen  aor.  dvex^eixaiv  itd^aiv  und 
idovxasv  impf,  ivs^aviisaosv  sind  unaufgeklärt  trotz  Fick,  Bezz.  B.  7,  284, 
PRSLLwrrz,  De  dial.  Thess.  9,  Reuter,  De  dial.  Thess.  63  sq.,  Bband,  De 
diall.  AeoU.  57,  Cauer,  Wochenschr.  f.  klass.  Phil.  1886  S.  1090;  die 
richtige  Deutung  ergäbe  sich  vielleicht,  wenn  Form  und  Gebrauch  des 
Optat.  im  Thess.  bekannt  wären.  —  Der  Ausgang  -aav  in  it^ecav,  €YV(oaav, 
Hfjffixvy  hellenistisch  ikdßoaavj  anatrav  (Meister,  Gr.  D.  1,  277)  war  wahr- 
scheinlich zugleich  dem  sigmatischen  Aorist  {iksx-tfav)  und  der  Form  rjaav, 
in  der  <r  nach  rjcre  restituiert  war  (vgl.  böot.  naQ-sTav),  entnommen  (Ost- 
hoff, V.  i.  d.  Nc.  337  f.,  M.  U.  4,  292,  J.  Schmidt,  K.  Z.  27,  319  flF.). 
Nach  icav  war  neu  gebildet  t<TMi  (§  134). 

1.  Du.  Die  idg.  Form  (ai.  -vas  etc.)  war,  wie  es  scheint,  ausgestorben. 
Dafür  die  1.  pl.  im  Gebrauch. 

2.  3.*  Du.  Prim.  -rov,  "Tov,  sek. -tov -toV  (-tj^v).  Die  ursprünglichen 
Priroärendungen  (ai.  -^äos,  -ias)  fehlten  dem  Griechischen.  i^sQeTov,  itpe- 
Qtxäv  =  ai.  dbharatam  dbharatam,  idg.  ^-tom,  ^--tam. 

106.  Medialendungen.  Dieselben  waren,  ausser  im  Griechischen, 
im  Arischen  und  in  Resten  im  Gotischen  lebendig,  verdunkelte  Spuren 
auch  im  Lat.  und  Slav.  Ihr  etymologisches  Verhältnis  zu  den  Aktiv- 
endungen ist  noch  gänzlich  unklar.  Man  beachte,  dass  der  in  verschie- 
denen Formen  am  Schluss  auftretende  Diphthong  gr.  -at  ai.  -e  etc.  statt 
auf  idg.  -at,  wie  man  die  Grundform  gewöhnlich  ansetzt,  auch  auf  idg.  -^i 
(vgl.  tnaUfAsv  aus  *sfejt-)  zurückgeführt  werden  kann. 

1.  Sg.  'ficciy  'iidv  i'fiTjv).  Keine  von  beiden  Endungen  hatte  ausser- 
halb Entsprechung,  s.  Vf.  M.  U.  1,  147.  172.  186;  -/läv  erinnert  an  die 
ai.  Endung  der  2.  sg.  -ihas,  die  Wackernagel  in  ido-d^rfi  sieht  (§  114), 
vgl.  Meblo,  Biv.  di  fil.  14,  369  ff.  In  einem  Teil  der  Tempora  wenigstens 
hatte  -it»a*  älteres  *-ai  (ai.  -^)  verdrängt,  z.  B.  im  ind.  perf.,  wie  tttvYfiai, 
vgl.  ai.  ttUud-e  =  lat.  tutud-^,   aksl.  ved-e  (Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  191.  609). 

2.  Sg.  Prim.  -ca^:  tftqeai  if^qrj  =  ai.  bhdras&f  idg.  *bhere-sai;  fjam^ 
Y^yQcnpai.  Das  vielbesprochene  -«*  neben  -g  erklärt  man  am  einfachsten 
als  rein  graphische  Variante,  s.  §  16  und  Meisterhans,  Gr.^  131. 

Sek.  -cro:  igfäqeo  iqtäqov  =  av.  abara-fdha  (=  *-5a),  idg.  *ebhere-S0f 
aor.  hom.  -^ao,  att.  -cw,  dor.  -crä;  ijco,  iytyQaxpo,  Über  das  scheinbar 
laatge^etzwidrige  -er-  in  Uxß^eaai,  hiO^eao,  Ttx^eiaai  etc.  §  45.  Neben  idg. 
r^o  war  nach  Wackernagel's  Ausführungen  K.  Z.  30,  302  ff.  im  Griech. 

10» 


148  ^*  GrieohiBche  Grammatik,    c)  Flezionslehre. 

auch  das  ai.  -thäs  vertreten,  durch  Formen  wie  ido^xhjg  =  ai.  ddi-thas, 
wonach  idodrpf  idoxh]  etc.  neu  gebildet  wurden,  während  anderseits  zu 
üo-fArpf  Ido-To  ein  *€6o-o  Üov  entsprang  (vgl.  §  114.  150);  *-so  war  im 
Uridg.  der  thematischen  Konjugation  eigen,  ^-thss  der  athematischen;  durch 
Ausgleichung,  die  in  den  verschiedenen  Sprachen  in  verschiedener  Rich- 
tung vor  sich  ging,  wurde  die  ursprüngliche  Verteilung  gestört  (vgl. 
§  114.  150.  151).  —  Die  ai.  Imperativendung  -sva  nehmen  manche  auch  fürs 
Griech.  an  und  setzen  z.  B.  i>eo  =  ai.  dhi-^d;  aber  wenn  es  auch  wahr 
sein  sollte,  dass  -s^-  zwischen  Sonanten  im  Griech.  schwand  (s.  §  13  S.  33), 
so  ist  es  doch  wahrscheinlicher,  dass  das  -a  des  Imper.  aus  *-co  hervor- 
gegangen war,  x^€o  d'ov  ^t'Qso  (päqov  also  mit  ^-^«o  i-tpsqeo  bis  aufs  Augment 
identisch  waren  (Vf.  M.  U.  3,  6  flF.,  Wackernagel,  K.  Z.  25,  273,  Bechtel, 
PhU.  Anz.  1886  S.  14). 

3.  Sg.  Prim.  -t«*  (böot.  -ti^,  thess.  -tsi  §  15):  fftgerai  =  ai.  hhdratc, 
idg.  *bhere-tai, 

Sek.  'To:  iKpiqeto  =  ai.  dbharata,  idg.  ^ebhere-to.  Nach  der  Ana- 
logie von  -TO  trat  arkad.  -toi  für  -tai  ein. 

1.  Fl.  'iÄ€&a,  vgl.  ai.  -maM^  av.  -maids  (primär),  ai.  -mdhi,  av.  -maidi 
(sekundär),  "i^c&a  kann  dem  ai.  -mahi  gleich  gesetzt  werden,  idg.  *-'medh3 
(§  11).  Äol.  *fi€&€Vj  nur  durch  Grammatikerüberlieferung  bekannt  und 
angezweifelt  (Osthoff,  Z.  G.  d.  F.  339),  scheint  nach  -ju^r  gebidet,  vgl. 
thess.  3.  plur.  itp-avyijäv&sirv  (s.  u.).  Hom.  -ficif^a  mit  c  nach  der  Ana- 
logie von  -Cv^f,  -a&ov^  -a^rjv^  vgl.  auch  G.  Meyer,  Gr.  Gr.*  418. 

2.  Fl.  -^€:  ^<r-^£,  nänva-'d'B.  •&€  aus  *-^ff,  vgl.  ai.  -dhvS  (prim.), 
'dhvam  (sek.).  Erklärt  sich  die  Differenz  im  Auslaut  zwischeir  der  grie- 
chischen und  den  arischen  Formen  so,  dass  die  Griechen  die  Endung  an 
die  Aktivform  anlehnten?  Dies  konnte  geschehen,  nachdem  -tov,  -täv, 
-TW  und  -(o')ij^or,  -((r)i^Äv,  '{G)d^(o  parweise  zusammengekommen  waren  (s. 
u.).  Indem  das  <r  von  Formen  wie  rja&e  nänvad^t  mit  zur  Endung  ge- 
zogen wurde,  entsprangen  die  Formen  wie  y^^^-c^f,  s.  Osthoff,  K.  Z.  23, 
322  ff.  Ob  sanaqd-e^  ^crak^e  noch  die  ursprüngliche,  <r-lose  Form  der 
Fersonalendung  hatten,  oder  ob  sie  aus  *«<r7ra^^€  ^iaTuhsd^e  hervorgegangeu 
waren,  ist  fraglich  (vgl.  ianaQ&ai  §  146,  1).  Ttegjav^e,  neben  ntffaaiicn 
und  näg^avraiy  dürfte  Neubildung  für  *7iä(paa&€  nach  dem  Muster  von 
ManaQx^s  :  lanagrai  gewesen  sein  (vgl.  Solmsen,  K.  Z.  29,  117). 

3.  Fl.  Frim.  -vzai  und  -ara*  :  (piqovtai.  =  ai.  bhdrant^,  idg.  ^bhero- 
ntai,  Tjavai  =  ai.  äsat^^  idg.  Hs-^tdi  (vgl.  des  Accents  wegen  ved.  indh-ate 
u.  a.),  hom.  xtatai  (daneben  xeiaxai^  §  12),   kret.  xiarai;  xfxA/orrai,  yeyqd- 

Sek.  'VTO  und  -ato  :  i^äqovxo  =  ai.  dbharanta,  idg.  ^ebhero^nto, 
TjaTo  =  ai.  äsata,  idg.  "^es-^to,  xtato,  elgiaro;  heTccxceto;  yevoiato  für  *yf- 
voato  nach  ysvoiiied^a  u.  s.  w.  (§  12). 

Über  die  böot.  und  thess.  Formen  mit  ^  §  107  (unter  3.  Fl.).  Über 
das  Bi  von  thess.  -i'^«-v  §  15;   das  -v  scheint  dem  Aktiv  entlehnt. 

rivrm  tjvtOj  xstvrai  ixeivxo^  ayvvv%cct  eiQvvro,  yävoivxo  waren  Neubil- 
dungen nach  ar^vrai  ar^vvo,  fisfAvrjvtai  ifnäiiivr^vtOj  (päQOvrai  iifSQOvro  u.  s.  w. 
Umgekehrt  hom.  ßeßXr'iaxai  ßeßXijaTo  (statt  ß^ßXrjvtai  ßsßkrpto),  entsprechend 


4.  Yerbalflexion.  (§  109.)  149 

auch   herod.    oUbcnai    und    ti&iaxai   iiioarai   (wie  ri&äaai^  §  107)    nach 
xexXiavat  u.  s.  w.  Vf.  C.  St.  9,  295,  Osthoff,  M.  U.  4,  286.  292. 

1.  Du.  'fie&ov,  nur  spärlich  belegt  und  angezweifelt,  war  wohl  dua- 
lisch, nach,  '^d'ov  umgebildetes  -fis^a  (vgl.  ai.  -vahs,  -^ahi).  Vgl.  Curtiüs, 
Vh.  1«  100  ff. 

2.  3.  Du.  -^d-ov  -(T&ov  und  ~(T&ov  -ct^äv  {-c&tjv)  waren  entweder 
speziell  griechische  Medialisierungen  der  Aktivformen,  wie  ipeQtad^fa  eine 
solche  von  (fSQixfo  war  (§  144),  oder  -ts-x^ov  war  ursprünglich  Suffix  der 
2.  PI.  =  ai.  "dhvam  (-<r-  wie  in  -c-^f,  s.  o.),  wurde  wegen  des  gleichen 
Ausgangs  mit  -ror  dualisch  und  zog  -a-d^äv  als  Neubildung  nach  -räv 
nach  sich. 

109.  Das  Augment  ^)  war  ursprünglich  ein  selbständiges  Wort,  e  = 
gr.  i'j  armen,  e-,  ai.  o-,  etwa  „vordem*  bedeutend,  z.  B.  *e  Uiqoni  [iXeinov), 
♦e  Uqam  {iXirtov).  Die  Verbalform  selbst  trat  enklitisch  an.  Die  Ver- 
schmelzung nahm  zwar  schon-  in  der  idg.  Urzeit  ihren  Anfang,  denn  Eon- 
traktionen wie  in  (dor.)  r^g  =  ved.  ds  „erat*  aus  *e  est  wird  man  für  uridg. 
halten  müssen,  aber  sie  war  damals  noch  nicht  durchgeführt:  an  die  Zeit, 
wo  *e  noch  selbständiges  Element  war,  erinnert  einerseits  die  arbiträre 
Weglassung  des  Augments  bei  Homer  u.  s.  w.  {ß'^  neben  ißr/j,  die  als 
lautgesetzlicher  Schwund  um  so  weniger  gelten  kann,  weil  sie  auch  im 
Arischen  vorliegt  (vgl.  auch  das  Italische),  anderseits  die  Betonung  von* 
Kompositen  wie  naQ-b-axov  (nicht  ^ndqeaxov),  die  mit  derjenigen  von  naq- 
iv-^eg  auf  gleicher  Linie  steht.  Vgl.  Vf.  C.  St.  9,  325,  M.  U.  3,  13.  88, 
Wackernagel,  K.  Z.  23,  470.  27,  470,  Delbrück,  S.  F.  4,  68. 

Die  langen  Vokale  von  ccyov  {r^yov)  und  (o^ov  h.  s.  w.  sind  wohl  nicht 
als  Produkte  der  Kontraktion  des  e  mit  dem  kurzen  anlautenden  Vokal 
des  Tempusstammes  anzusehen,  sondern  entstanden  nach  Massgabe  des 
Verhältnisses  von  *ht  {r^g)  zu  *esti  (fore),  indem  man,  durch  solche  Formen 
wie  *est  veranlasst,  die  einfache  Dehnung  des  anlautenden  Vokals  als 
Charakteristikum  der  Präteritalbildung  nahm  (Osthofp,  M.  U.  2,  123.  139). 
Über  die  i  und  v  in  Ixatsvaa  und  vfierahw  u.  a.,  die  auf  *e-/-,  *(?-w-  nicht 
zurückführbar  sind,  s.  Curtius,  Vb.  P,  134,  Vf.  M.  U.  1,  70,  Osthoff 
a.  0.  und  4,  61.  195.  Die  scheinbar  augmentlosen  herod.  Formen  cutce^ 
€vx€TOj  av^€ro  u.  dgl.  (Bredow,  De  dial.  Herod.  309  sq.)  können  lautge- 
setzliche Fortsetzung  von  urgr.  Formen  mit  fli-,  e^-,  a^-  gewesen  sein 
nach  §  26,  und  jedenfalls  beruhte  die  Vokallänge  in  att.  gVorv,  f^xaaaiirjv^ 
rjv^dfjiriv,  r^v^ov  sowie  in  rjvreTOy  fjQX^^'i  ^Q'^^o  u.  dgl.  auf  einer  Wiederher- 
stellung der  Länge  unter  dem  von  Formen  wie  ij^ov^  W^ov,  w^ov  ausge- 
übten Systemzwange  (Osthoff,  Phil.  Rundsch.  1,  1595),  während  jjjUfv  jjTe 
ihr  3}  zunächst  von  f^a  bekamen  (§  112).  Die  späteren  inschriftlichen  Formen 
iTt'ev^rjfXhvov  (bald  nach  86  v.  Chr.)  zu  av^dv(o  und  evxovfir^v  (Thera,  röm. 
Zeit)  zu  avx^ü)  (Meisterhans,  Gr.^  136)  beweisen,  dass  in  jüngerer  Zeit  ein 
gleichartiges  Verkürzungsgesetz  aufkam  wie  das,  welches  in  urgriech.  Zeit 
gewirkt  hatte,  und  nach  diesem  sind  auch  svqato  u.  dgl.  (s.  Meisterhans, 
a.  0.  und  147)  zu  beurteilen  (vgl  §  26). 


1)  Litteraturangaben  s.  bei  0.  Meyeb,  Gr.  Gr.«  420.  426  f. 


150  ^  Ghrieohiflohe  Grammatik,    o)  Flexionslehre. 

Praeterita  von  Stämmen,  die  nach  Wegfall  der  ursprünglich  anlau- 
tenden Konsonanz  vokalischen  Anlaut  bekamen,  nahmen  öfter,  namentlich 
in  jüngeren  Zeiten,  die  Augmentgestalt  der  von  Haus  aus  vokalisch  an- 
hebenden Verba  an,  z.  B.  ^Ixr^aa  (von  potxäw)  nach  fpitjcra  (von  otieo))  u.  dgl. 

Kontraktion  von  i-  mit  nachfolgendem  Vokal  nach  Wegfall  von  c, 
f,  Cf,  z.  B.  slTTofir^v  aus  *€'(T€7tofAäv  (vgl.  lat.  sequor),  etdov  aus  "^i-piSov 
(Homer  hiov^  lesb.  «i/Vrfor),  stQya^ofirjv  aus  *i'/^€Qya^6firjv  (ipeqyäaaTo  Her- 
mione,  Röhl,  I.Q.A.  n.  48),  eXd^i^ov  aus  ^i'ispsd^i^ovj  ttlxov  aus  ^i-Cfsshtov. 
Der  Spiritus  asper  in  den  Formen  wie  IVyxor  rjxa  elfiev  (von  irjfii  =  ^ci-^rj^fii)^ 
eiTtofiTjVj  etQnov  (von  fipTr«  =  *<T€Q7t(o)y  sfXxov  war  statt  des  lenis  aus  den 
unaugmentierten  Formen  eingedrungen  (Curtiüs,  Vb.  1*  134  f.).  Zu  k3rpr. 
i'pqrjfcdaaxv  att.  ^-qqrj^cc  vgl.  §  13  S.  31,  zu  hom.  i-vvsov^  i^fifAOQe,  att. 
i-veov,  ^"QQsij  l'krjyov  §  45  S.  62. 

Neben  i-  hatte  das  Griechische  auch  rj-  als  Augment,  z.  B.  in  hom. 
7]€iir;,  ferner  in  att.  ifOQwv^  iakiov^  in  denen  ew,  ea  aus  rjo^  tjä  entstanden 
waren  (§  19),  rjßovXoiitjv^  i^Svvafirjv^  ijfieXkov  neben  sßovXofxtjv  etc.  (über 
das  Vorkommen  auf  den  att.  Inschriften  Meisterhans,  Gr.*  134).  So  sind  auch 
iJXtii^ov  von  peXm^w^  riqya^oiirpf  neben  etQycc^ofArjv  von  pe^ya^oiiai  (vgl.  v. 
Bamberg,  Jahresb.  d.  phil.  Ver.  8,  204)  auf  ^^sln.,  *rj€Qy.  zurückzuführen. 
Vgl.  Vf.  C.  St.  4,  166  flf.,  Wackernagel,  K.  Z.  27,  272  flf.,  Phil.  Anz. 
1886,  S.  80,  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  58.  129.  604  f.,  G.  Meyer,  Gr.  Gr.« 
422  f.  Von  den  verschiedenen  Erklärungen  dieses  ly-,  das  nicht  durch 
„Ersatzdehnung''  entstanden  sein  kann,  ist  die  einfachste  die  MEYER'sche, 
nach  welcher  bei  gewissen  mit  p  anlautenden  Verben  Formen  mit  prothe- 
tischem  s  augmentiert  wurden  (vgl.  r^eidri :  hiadfievog),  wonach  dann  auch 
andere  digammierte  Verba  rj-  annahmen,  während  die  attischen  ^ßovXofirjv, 
rdvvdiirp^  rjfiellov  durch  Anlehnung  an  ijd'clov  (zu  id^äkw)  entsprangen. 
Unaufgeklärt  bleibt  dabei  freilich  dv-tfp^a,  s.  G.  Meyer  S.  423. 

Bildung  der  Tempusstämme. 

PräsenB  (und  starker  AoriBt). 

F.  H ABTMANN,  De  aoristo  sec,  Berol.  1881.  Osthoff,  Über  Aoristpräsens  und  Im- 
perfectpräsens,  P.-Br.  B.  8,  287  ff. 

110.  Der  Unterschied  zwischen  Präsens  und  starkem  Aorist  war  nur 
ein  syntaktischer,  kein  formaler.  Denn  Formen  derselben  Bildungsgattung 
wurden  bald  präsentisch,  bald  aoristisch  verwendet,  z.  B.  lg)rjv,  ^yqaqiov 
(W.  ypty-),  iyefiov,  ivtnTofirjv  waren  Imperfekie,  dagegen*  die  formal  gleich- 
artigen i(TT7jv,  itQaTtoVy  iy€v6/iir]v^  ißXaaxov  Aoriste.  Vgl.  §  155.  Nur  hie 
und  da  gab  die  Bedeutungsverschiedenheit  auch  zu  einer  formalen  Son- 
derung Anlass,  am  klarsten  bei  yBväad^ai^  iXsTv  Um',  die  wegen  der  aoristi- 
schen Funktion  ihren  Accent  änderten. 

111.  I.  Themavokallose  Stämme  oder  Verba  auf -jui.  Meistens 
Stammabstufung,  und  zwar  hatten  von  idg.  Zeit  her  starke  Form  der  sg. 
ind.  act.  und  der  conj.  Das  zwischen  der  Stammabstufung  und  der  ur- 
sprünglichen Betonung  bestehende  Verhältnis  (vgl.  ai.  i-mi  „ich  gehe*  :  i-mds 
„wir  gehen**)  wurde  durch  die  in  §  67  S.  85  besprochene  Neubetonung  des 
Verbum  finitum  verwischt. 


4.  Verbalflaxion.  (§  110  -  112).  151 

112.    1.  Klasse.     Unerweiterter  Verbalstamm. 

a.  Verbalstamm  =  einfache  Wurzel,  mit  Stammabstufung, 
z.  B.  €?-/it  :  X'fi€v  W.  ej-,  ix^(/ycc  :  Ix^-to  W.  ^Ae^-,  Hö^r^v  :  i&e-fisv  Iö-s-to 
W.  dh€';  vgl.  ai.  e-mi  :  i-mds,  ddha-m  :  ddhUta, 

Einige  Einzelheiten: 

eliii,  3.  pl.  tüai  aus  *ra>T*  wohl  für  *avT*  =  ai.  y^nti  mit  Vorsatz 
von  ^  nach  i/i^v,  ?t«  (anders  Osthofp,  M.  U.  4,  363).  Konj.  f«  statt 
*€(l)-«  (ai.  dy^ni)  nach  i/i^v  etc.  Der  alte  opt.  *r-(i)i;-v  =  ai.  wd-tyaw 
(vgl.  Osthoff,  M.  U.  4,  52  f.)  wurde  durch  imiii  ersetzt,  das  wie  viele  andre 
Formen  unseres  Verbums  (s.  J.  Baunack,  C.  St.  10,  96  flf.,  Rh.  Mus.  37,  472) 
nach  El.  5  gebildet  wurde.  Der  Inf.  Uvm,  aus  ^UpBvai  entstanden  (§  146), 
veranlasste  im  Verein  mit  teiriv  (s.  §  145,  1)  die  Neubildung  nQoaienBv 
nf^sQx^^a  Hesych  (vgl.  ri'^e/i«v)  u.  ähnl.  Die  ursprüngliche  Formation 
des  partic.  zeigt  ^En-^atsaa  (d.  i.  iniovaa\  Beiname  der  Demeter,  wonach 
M.  Schmidt  leaau-ßadi^oma  bei  Hesych  in  Taaaa  korrigiert,  vgl.  T&ai 
und  ai.  ydnU  :  yat--  (idg.  *i-«^-  :  *t-?H,  föm.  yair-t^  Iovt-  wie  loi/u  etc. 
ga  für  lautgesetzliches  *rja  (aus  *ijjHa  =  ai.  dy-am)  hatte  sein  *  subscr.  vom 
PI.  und  Du.  yfisv  etc.,  die  gleichwie  ai.  ai-ma  die  starke  Stammform  nach 
dem  Sg.  angenommen  hatten  (Vf.  Bezz.  B.  2,  245,  Osthoff,  M.  U.  4,  300). 
Hom.  r]€  und  ^ofisv,  wie  loifii  etc^,  nach  der  thematischen  Konjugation,  und 
so  dürfte  auch  gortyn.  EIE  als  rje  zu  lesen  sein  (Wackebnaoel,  Phil.  Anz. 
1887  S.  240).     Über  yeiv  und  hom.  ijia  §  137b. 

Über  elfil  =  ai.  ds-mi  (pl.  s^-mds)  s.  Osthoff,  K.  Z.  23,  579  flf.  2.  sg. 
«7,  sig  («?),  ical  §  107.  Lesb.  inschriftl.  focr*  (Americ.  Journ.  of  Phil.  3, 
463),  das  wohl  als  3.  sg.,  nicht  als  3.  pl.  zu  nehmen  ist,  aus  iari  =  ai.  dsti 
durch  Einwirkung  von  Formen  wie  rj-ai?  1.  pl.  icfi^v  neben  «/i^v  theokr. 
€ifiig  war  Neubildung  nach  iar^  (§  45).  3.  pl.  iac^  §  21,  2.  107.  svvi  eial  (für 
♦aiTi)  mit  i-  nach  den  übrigen  Formen  des  Indik.,  vielleicht  zugleich  nach 
Ti^evTt,  wie  mess.  Eonj.  rjvrai  •  Caueb  D.*  47,  85  nach  Hid-rjvzai  (über- 
liefert ist  nur  act.  rixhjVTt)  gebildet  war  (Vf.  M.  U.  1,  36  f.,  Misteli, 
Ztschr.  f.  Völkerps.  11,  400);  ivti  als  3.  sg.  im  Rhodischen,  bei  Archimedes 
und  sonst  (vgl.  die  verschiedenen  Deutungsversuche  bei  G.  Meyeb,  Gr.  Gr.' 
431).  Der  3.  pl.  ivxi  stellt  sich  das  part.  ivx-eq  zur  Seite,  für  *avT-€g  = 
ai.  S'dnt-as,  woneben  iaaa  (Epidaur.,  Troez.)  für  ^acaa,  so  dass  sich  die  Pro- 
portion evtl  :  iaai  =  föaa  :  iaaaa  ergibt  (vgl.  u.).  Die  Zurückführung  von 
€vrl  auf  idg.  H-e-nti  mit  dem  völlig  unverständlichen  Element  -e-  bei  Fick, 
Gott.  gel.  Anz.  1880  S.  421,  Kögel,  P.-Br.  B.  8,  105,  Bechtel,  Phil.  Anz. 
1886  S.  17  f.  kann  ich  nur  für  verfehlt  halten.^  Über  die  Enklisis  von 
Hill  Wackernaoel,  K.  Z.  23,  457  flf.  Konj.  ?w  «  =  lat.  er-o  (vgl.  §  165). 
Opt.  firiv  aus  *€(T-irj-v  (vgl.  jedoch  §  12  S.  29)  :  lat.  siem,  ai.  sydw.  Ob 
das  i"  im  pl.  du.  indic.  und  im  opt.  aus  den  ursprünglich  starken  Formen 
{fifju,  i(o)  eingedrungen  oder  aus  vorgriechischer  Zeit  überkommen  war 
(Osthoff,  M.  U.  4,  p.  VI  sq.),  ist  schwer  zu  sagen.  Imper.  i-cO^i  §  46.  53; 
daneben  bei  Hekataeus  lad^i.  Ptc.  ursprünglich  stark  *aiT-,  schwach  *ar  = 
ai.  8'dnU,  s-at-,  idg.  *5-g<-,  *5-g^,  ein  Rest  von  *aT-  in  iaaaa  gortyn.  dat. 
itntf  (§  72);  die  Form  ivr-  (dor.  I>t-«$)  ist  wie  evtl  zu  beurteilen  (s.  o.), 
fW,  iiv  aber  waren  ebenso  wie  iov,  ioi,  im^tw,  ovtcdv  Neubildungen   nach 


152  ^  Griechische  Grammatik,    c)  Flexioiuilehre. 

Kl.  5.  r/v,  rjre,  ryroi',  rjTtjv  neben  rja  ij,  rjats  etc.  waren  durch  rjinev  (*^<r-jM€v 
§  45)  veranlasste  Neubildungen  nach  Kl.  Ic  (Vf.  C.  St.  9,310),  umgekehrt 
ri<Tav  neben  dem  lautgesetzlichen  böot.  naq-eXav  Neuschöpfung  nach  r^ate 
(§  107);  die  lautgesetzliche  Form  der  3.  pl.  war  wohl  auch  durch  dor.  u. 
s.  w.  TjV  aus  *^ar  vertreten  (G.  Meyer,  Gr.  Gr.*  432).  Mehrdeutig  ist  die 
3.  sg.  fi%\  die  jedenfalls  nicht  für  eine  als  3.  sg.  gebrauchte  1.  sg.  aus- 
gegeben werden  darf,  s.  Cubtius,  Zur  Kritik  der  neuest.  Sprachforsch.  48  f., 
G.  Meyer,  Gr.  Gr.^  433.  Im  Anschluss  an  die  aus  rju  entstandene  Form 
ea  bei  Herodot  (§  19)  entsprangen  als  Neubildungen  fag  ia%€  (Vf.  C.  St. 
9,  310,  Bezz.  B.  2,  245,  G.  Meyer,  Gr.  Gr.«  432).  Perfektformen  waren 
rfid^a  und  r^sv  (§  107),  über  irjif^a,  irjv  rjrjv  §  131.  Über  die  Stammstufe 
im  pl.  und  du.  impf.  (i7<ri:«  =  ai.  dsta\  die  aus  dem  sg.  entlehnt  war,  s. 
Vf.  Bezz.  B.  2,  245  f.,  Osthqff,  Z.  G.  d.  P.  151  f.  Was  endlich  die  Formen 
1.  pl.  ifi^v  bei  Kallimachus,  thess.  1.  sg.  ifii,  hom.  Inf.  ifiev  ifievm  be- 
betrifft, so  ist  die  Annahme  lautgesetzlicher  Entstehung  ausgeschlossen. 
Entweder  schuf  man  auf  Grund  des  Verhältnisses  slci :  tid^eXm^  eirjv  :  rix^sir^v 
die  1.  pl.  und  den  Inf.  nach  tt&efiev  und  tix^äfiev  ri'd^äfiBvm^  was  dann 
auch  noch  ein  iiil  entstehen  liess  (Vf.  M.  ü.  1,  6.  37,  Zum  heut.  Stand 
der  Sprachwiss.  72),  oder  die  Parallelen  ^Mt :  Xam^  ^w  :  m  u.  s.  w.  liessen 
als  den  charakteristischen  Unterschied  beider  Verba  das  e  oder  i  vor  der 
Endung  erscheinen  und  so  waren  1.  pl.  T-juevinf.  i^iiev  f-fievai  die  Vorbilder 
(SoLMSEN,  K.  Z.  29,  72). 

yijjw«,  ^d/jL^Vy  ffttCx^s.  Über  das  Verhältnis  zu  yoriVo)  Osthoff,  Z.  G. 
d.  P.  353  f.,  über  die  Betonung  Wackernagel,  K.  Z.  23,  457  fif. 

ri  „sprach"  aus  *^x-i:  (zu  ai.  perf.  rfÄa),  woran  sich  r'v  und  praes. 
ri(ju  '^ai  als  Neubildungen  nach  (jpryjue  anschlössen.  Wackebnaoel,  K.  Z. 
23,  467,  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  175. 

iqa-Tat  wahrscheinlich  aus  idg.  *rtii'tdh  W.  reni-,  wozu  iqaroq  =  ai. 
ratd'S,  idg.  ^rrft-tö-s;  das  Verbum  wurde  m  die  Analogie  der  Kl.  Ib  (§  113) 
übergeführt.  Vf.  K.  Z.  23,  587  flf.  Anders  Fick,  Gott.  gel.  Anz.  1881 
S.  1425,  Fröhde,  Bezz.  B.  9,  111. 

xei'tai  =  ai.  M-U  zeigt  auffallender  Weise  starke  Stammstufe.  Un- 
sichere Erklärungsversuche  bei  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  173  und  Meringer, 
ZtBchr.  f.  österr.  Gymn.  1888  S.  134. 

rjC'tm  =  ai.  äS'te,  rj-aTai  =  ai.  ds-atB  (xa^-ijra*  und  rjvrai  durch  rj/xaij 
rinsd-a^  rj(Tai  veranlasste  Neubildungen,  vgl.  §  108;  umgekehrt  das  von 
Grammatikern  überlieferte  tjCfiai  nach  -^azai)  scheint  von  Haus  aus  ein 
Perfekt  gewesen  zu  sein  (Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  170  flf.).  Über  den  Spiritus 
asper  des  Verbums  §  51. 

icTtjv  ^^  ai.  dsthänt;  iatrjfjisv  war  Neubildung  für  Hatäfisv  (J.  Schmidt, 
K.  Z.  23,  282,  Vf.  K.  Z.  25,  220,  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  374).  Die  Stämme 
v^f-  in  iO^e-fisv^^d^e-To  (ai.  ddhUta),  i-  in  ff/ifv  aus  *i-(f€-iJL€v  und  io-  in 
iio'iiisvy  ido'To  (ai.  ddi'ta)  für  *x5^a-5  *a-,  *rfa-5  §  11,  1.  24.  Über  die 
x-Formen  i&vjxa,  ir^xa  rjxa,  iäwxa  (Meisterhans,  Gr.*  151  f.)  s.  Vf.  K.  Z. 
25,  217  flf..  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  372  fif.  und  unten  §  135. 

Die  als  Parallelen  zu  ÜofAev  und  ptc.  iov  erscheinenden  Ixofiev  •  ijc^o- 
fi€&a  und  xoi'  *  elSog  Hesych   (J.  Baunack,  Stud.  1,  257)  haben  mit  ^vo- 


4.  Terbalflexion.  (§  113-114.)  153 

<nroo$  nichts  zu  thun,  sondern  gehörten  zu  lat.  cortu-s  „gewitzigt,  gescheit" 
ai.  sdhütci-s  «geschärft,  spitz  (von  Reden),  bereit,  fest  entschlossen'',  W.  k(h. 

Von  xrev"  =  ai.  A^n-  Ixtä^fisv^  an-äxta-xo  =  ai.  dk^a-ta,  3.  sg. 
oTr-^jtra  Neubildung  für  *€xt€v{t).  3.  pl.  Ixtäv  und  xtäwficv  neu  nach  Art 
der  a-Stämme  (§  25,  2).  Vf.  K.  Z.  24,  264  f..  Osthoff,  M.  U.  4,  298  f.  301. 
Das  seltsame  hom.  ovra  (3.  sg.)  war  wohl  dem  sinnverwandten  ixrä  nach- 
geschaffen (vgl.  ovrdfievogy  ovrccfievai  :  xTafievog^  xtafisvai).  Vgl.  G.  Meter, 
Gr.  Gr.*  461  über  än^rivqa. 

Über  ix€-a  Ix^v-a  (lxt^^o),  iaasv-a  (focrv-ro),  sln-a^  fjveix-a  (att.  ijVf yx-a, 
vgl.  G.  Meyer,  Gr.  Gr.*  287,  Baunack,  Gortyn  56  ff.)  u.  a.,  die  sich 
mit  ihrer  Flexion  der  Weise  des  <r-Aorists  anschlössen  (z.  B.  ixeafiev  statt 
*i%vii€Vy  vgl.  herod.  iaq^  iars),  s.  Vf.  Bezz.  B.  2,  247  ff.,  Wackernagel, 
K.  Z.  25,  277,  Osthoff,  M.  U.  4,  300  f.  Hieher  vielleicht  auch  enQiäfirjVy 
8.  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  408. 

3.  pl.  i'TTTäv  von  W.  pet-  erklärt  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  371.  409 
ansprechend  aus  {e'')pUnt  (die  1.  sg.  wäre  Hnet-^a)  und  lässt  danach  im&v 
inxrpf  entstanden  sein  (nach  ^azäv  :  iarav). 

Das  Paradigma  Mifv-^v  :  i^v-fisv  zeigt  in  allen  Formen  die  schwache 
Stammgestalt  yt'^.  Ihm  stellt  sich  Ißr^-v  {ißa-v)  :  ißrj-iuev  von  W.  gern-  zur 
Seite,  s.  §  21  S.  41.    ßa-triv  neben  ßrj-triv  wie  xki-fievog  :  xki-O^i^  Xv-xo  :  Xv-xo, 

113.  b.  Verbalstamm  =  Wurzel  +  ^  (oder  Wurzel  auf  9,  s. 
§11  Anm.),  z.  B.  xpa/ior-fea*,  ovo-fiai.  Vgl.  ai.  dni-mi  (cf.  ave-fio-g^  lat. 
am'-mti-5),  svapi-mi,  i^iäfa  wahrscheinlich  Umbildung  eines  älteren  *f€iJi€'f.u 
(==  ai.  vämi-mi,  idg.  ^uenw^it),  wie  aydoiiat  für  aya^icci^  Tiv}^toi  für  Ttx^rjfii 
u.  dgl.  Vgl.  Vf.  M.  U.  3,  80,  Fröhde,  Bezz.  B.  9,  110  ff.,  G.  Meyer, 
Gr.  Gr.«  434  f. 

114.  c.  Verbalstamm  auf  langen  Vokal,  oline  Stammabstu- 
fung. «(f)»J-o'*,  äif^^-TOVy  aifYi-TOy  cc(f)i^-/jL€vog  (ai.  vä-ii,  vd-tas),  iy'^co-v, 
iyvü}-^€v,  Vokalkürze  (a{j:)eiai  =  dor.  *a(/?)f-vT(,  ^yvo-i'(r),  yio-rr-e$,  yvo-T- 
lisv)  überall  erst  auf  griech.  Boden  entstanden  nach  §  26;  aaaav  bei  Apoll, 
ßhod.  statt  arfiav  nach  dem  Muster  von  i&eaav,  yvoTfiev  (aus  *yva)//**v, 
*yl'a)-^-/46v)  zog  yvoirjv  nach  sich  (§  145,  1).  Andere  Beispiele:  x^^Ci^of, 
idgäVy  ißkrjV  ißXtjrOj  eTtXrjfirjv;  iQQVTjV^  ißdXrjV^  ifjidvrjr^  iaXwv  aus  *r^(f)dXo)V 
(diese  vier  mit  nebentoniger  Tiefstufenform  der  Wurzelsilbe,  §  21,  4.  23,  4. 
24),  ßuiTO)  ßmvtti,  iyifi&v.  Vf.  C.  St.  4,  113,  M.  ü.  1,  30.  64.  71  ff.  89, 
Misteli,  Ztschr.  f.  Völkerps.  11,  466  ff..  Osthoff,  M.  U.  4,  364  ff. 

ix'^QTftai^  €l(T-(pQrjvaiy  ineic-fpqeig  von  St.  y^ij-  zu  W.  hher-  [(ftqui). 
Erst  durch  assoziativen  Anschluss  an  das  bedeutungsverwandte  Vr^iii  ent- 
sprangen die  Formen  y^f^,  eur^gjQtjxa  u.  a.  Vf.  Fleckeis.  Jahrbb.  1880 
S.  217  ff. 

Sekundärer  Eintritt  in  diese  Klasse  ist  für  i^^jv,  ^rjx^^i  anzunehmen,  zu 
*Cii-^«  (Wackernagel,  Phil.  Anz.  1887  S.  231). 

Hierher  auch  die  Aoriste  auf  -i^ryv,  wie  ido-d^i^v^  exvd-x^rjVj  infiri-O^rjv, 
Die  Annahme,  dass  man*  nach  dem  Verhältnis  von  iyqcapov  zu  iyqdfpr^v 
zu  cxä&io  ein  itfx^&rjv,  zu  (p&ix^co  ein  i^&ixhrfv  u.  s.  w.  gebildet  habe  und 
so  diese  ganze  Aoristkategorie  entsprungen  sei  (Schleicher,  Compendium^ 


154  A.  Qriechisohe  Ghrammatik.    o)  Fiexionslehre. 

S.  813,  Vf.  M.  U.  1,  78  flf.),  stösst  auf  Schwierigkeiten.  Wackebnagel, 
K.  Z.  30,  302  flf.  setzt  cäo-d^rig  =  ai.  ddi-thas,  ixtd'&rjg  —  ai.  dk^a-thas; 
diese  Formen  gehörten  als  2.  sg.  zu  ido^to,  ixta-To^  ebenso  ifitx^rjg  zu 
IfiixTo^  iksXi'x^'rjg  zu  iXähxro  als  cr-Aoriste  {*€fiix-<x-d'r]g  "^ifiix^-to^  *f'A^>Ux-cr- 
O^Tfi  *«AfAix-<r-To),  ferner  iQsiax^r^g  zu  igslaato,  Siafida&tjg  zu  idafiMaaro; 
indem  ido&rjg  mit  iyQcctprjg  auf  gleiche  Linie  gestellt  wurde,  entstanden 
iiod-rjv  ido&ri  etc.  (vgl.  §  108).  Ich  sehe  keine  Schwierigkeit,  die  dieser 
scharfsinnigen  Kombination  entgegenträte.  Zur  ßedeutung  dieser  Aoriste 
vgl.  §  150.  151. 

115.  2.  Klasse.  Reduplizierter  Verbalstamm.  Der  Vokal  der 
ßeduplikationssilbe  war  t  und  zwar  in  einem  Teil  der  Beispiele  schon  in  der 
idg.  Grundsprache,  z.  B.  V'CTTjfii  wie  ai.  tv-^hami  (3.  sg.  ti^th-a^,  lat. 
si-sto  (J.  Schmidt,  K.  Z.  25,  74  f.).  Der  Nasal  in  nffX'nXrj/u  Ttffi-TtQrjfii 
war  von  mii-nkäva)  (§  129)  her  eingedrungen,  s.  F.  Hartmann,  De  aor. 
sec.  10,  G.  Meyer,  Gr.  Gr.*  437.  448.  Zuweilen  wurde  die  Reduplikations- 
silbe vom  Präsens  aus  in  andere  Tempora  mitgenommen,  wie  hom.  didfoaa, 

a.  Formen  mit  altüberkommener  Stammabstufung:  z.  B.  r<rr(S- 
fii :  i(TTä'fA€Vj  laxä'tai.  Während  die  schwache  Form  Icrra-  altererbt  war 
(idg.  *5i-5fo-),  waren  rii>«-,  *«-  (aus  *<r*-(r€-,  lat.  sero  aus  ^st-sö.  W.  sg^-;  von 
andrer  Wurzel  hom.  teixai  „strebe*,  s.  L.  Meter,  Bezz.  B.  1,  301  flf.), 
iiäo'  Neubildungen:  T{^€fi€Vj  iiiofisv  statt  HiO'-fieVy  *iid~iA€v  (vgl.  ai. 
dadh-mds,  dad-mds)  nach  i'&s-fievj  i-io-fiev  (§  112);  ebenso  waren  urgriech. 
dor.  Tid^evTi,  iidovri  wahrscheinlich  für  *Ti&-aTtj  *rf*rf-ar*  (vgl.  ai.  dddh-ati, 
ddd-aH)  eingetreten.  Neugestaltungen  nach  ayviäai  u.  ähnl.  waren  tid'äaai^ 
SiioMi^  Hardäaiy  woraus  tatdat.  Nach  der  Analogie  des  letzteren  wurde 
im  Att.  auch  ttx^eidi^  iiiovai,  statt  Ti&sKTif  diiovtfi  gesprochen  (Herodian 
I  459),  während  bei  Homer  vielleicht  noch  Ti&etai,  iiiovai  wie  auch  VcTäat 
(aus  lattt'VTi)  galten.  Vgl.  G.  Meyer,  Gr.  Gr.*  413,  Osthoff,  M.  U.  4, 
286  flf.  Z.  G.  d.  P.  366  f.,  J.  Schmidt,  K.  Z.  27,  395.  Neubildungen  nach 
b.  waren  hom.  Ti&rj'iievog  u^-juisvai,  idio-d-i.  Neubildungen  nach  der 
Analogie  der  Verba  contracta  (Kl.  9,  10)  ti&sT,  didoX,  imper.  tid^ei^  6iiov, 
flrrä,  inf.  ri&sTv,  avv-mv,  ptc.  delph.  iiiäovaai  (zu  Sdrj/jLi),  impf,  iiiiovv^ 
€r{&€t<,  i'eig  u.  a.;  hi&eig  hid^et  und  i'eig  tei  veranlassten  iuO'siv,  V€^v 
(CüRTiüs,  Vb.  1*  158)  nach  dem  Muster  von  r/W  (§  137  b). 

Über  hom.  /^t/?«^,  dor.  ßißavri  s.  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  375. 

b.  Stamm  auf  langen  Vokal,  ohne  Abstufung.  Sf-^rj-fiai  rf«- 
^tj'iiBvog  (Vf.  M.  U.  1,  8  f.),')  xi'xrj-iii,  xi'Xrj-Trjv,  xt-x^rf^^'^^^  i^S^-  Bezzen- 
BERGER  in  s.  Beitr.  2,  191  und  L.  Meyer,  ebend.  5,  102  flf.).  Ob  diese 
Klasse  altererbt  war,  ist  zweifelhaft. 

c.  Eine  besondere  Klasse  bilden  die  abstufenden  nfnkrjfit,  mnQfjfn,  ilrjiii 
aus  ^ai-aXrj'fii  :  ninXdiisv^  ninqdiisv^  ikäx^nkare  iXafiai.  Neben  dem  ersten 
Verbum  stand  ai.  pipar-  :  jpipf-  nach  unserer  Kategorie  a.  Vgl.  Vf.  M.  U. 
1,  44  f.  52,  Fleckeis.  Jahrbb.  1880  S.  222,  Fröhde,  Bezz.   Beitr.   9,   119, 


*)  An  J.  Baunack's  Ce-  als  schwache  Wonelfmn  aa  C^  (Sted.  1,  248  f.)  glaube 

ich  nicht. 


4.  Verbalflexion.  (§  115-116.)  155 

SoLMSEN,  E.  Z.  29,  88.  113.  350  f.  Wir  haben  es  hier  mit  Verbalstämmen 
zu  thun,  die  mit  denen  von  §  114  (/?Ar;-)  auf  gleicher  Linie  standen,  und 
66  ist  nicht  zu  erweisen,  dass  n(7ilriiii :  TtiTtXäfiev  eine  uridg.  Konjugations- 
art repräsentierte,  mögen  wir  mnXa-  =  ai.  pipt"  oder  =:  idg.  *pi-ph- 
setzen  (vgl.  §  24  S.  46  über  layccQoq).  Hom.  mnXrjx^i  i'Xrj^t  entscheiden 
nichts,  weil  sie  wie  di3(o^i  beurteilt  werden  können.  Ich  halte  bis  jetzt 
immer  noch  für  das  wahrscheinlichere,  dass  Typus  c.  eine  griechische 
Neuerung  war,  bei  der  Typus  a.  (ai.  piparmi)  als  Vorbild  diente.  Vielleicht 
bringt  Solmsen's  a.  0.  in  Aussicht  gestellte  Abhandlung  Aufschluss. 

llfi.  3.  Klasse.  Schwache  Wurzelform  +  '^^  •  ^«'j  z.  B.  ay-vv-ixi  : 
ay-w-/u€r,  nTaQ-vv-fim.  -fr-  war  Umbildung  von  idg.  -ne?^  (ai.  -nö-,  -naV") 
nach  Massgabe  des  Verhältnisses  -rä- :  -va-  Kl.  4  (Osthofp,  M.  U.  2,  1 39). 
Aus  den  ursprünglichen  Ausgängen  ind.  *'vevfu,  conj.  *-vffw,  impf,  "^-ve^cc 
erklären  sich  xi^vsw  neben  xt-vv-rai  und  d^v-vita  (de  Saussure,  Mem.  187, 
Osthoff,  M.  U.  4,  35).  3.  pl.  urspr.  ^pay-vth^vri  {äyvväai)  wie  ai.  iaknnV" 
dnti  (idg.  *-nw(y)-«^<),  aber  Hi-vp-ccvri  =  ai.  ci-nv^ntt  (idg.  *-n?^;i^'); 
W.  Schulze's  Ansatz  eines  postkonson.  *-^-w^i  =  gr.  -av/s-avu  (Quaest. 
hom.  41)  ist  ohne  genügenden  Anhalt.  Schon  im  Urgriech.  wurde  der 
Typus  ^-vpavxi  überall  durch  'vvavti  verdrängt.  Ion.  ayvvat  (mit  derselben 
hyäterogenen  Betonung  wie  uO^eTaij  die  jedenfalls  für  hom.  ^rjyvvci  nicht 
anerkannt  zu  werden  braucht,  vgl.  §  115  über  Ti&etai)  war  ebenso  Neu- 
bildung wie  ayvvvvai  statt  ^ pay-vi-^xai  (ai.  (Zp-nwv-a^^,  mit  ursprünglichem 
Ton  ved.  t^i-nv-ate),  s.  §  107.  108.  Die  Tiefstufenform  der  Wurzelsilbe 
hatten  auch  noch  z.  B.  tt-vvfievai  =  ai.  ci-nti-,  oFyvvfii  aus  *6f:iy'  homer. 
myvvvro  (neben  lesb.  oeiytjVy  s.  G.  Meyer,  Gr.  Gr.*  438),  fiUvv-  (in  iiivvx^w^ 
8.  u.)  =  ai.  mi-nti-y  ra-vvTai  =  ai.  ta-nute,  idg.  H^-nu-tdi  (W.  ten-), 
Tqvvto  d-vv"  in  att.  d-vvoa  =  ai.  sa-nu-  (W.  sen-).  Die  sogen,  nebentonige 
Tiefstufenform  in  zt-wy^xai  (neben  Tt-vvfievai)^  in  xUvvyLai  (neben  ai.  ii-nu-te) 
und  in  o^vr/i«,  avoQvvfii  (neben  ai.  ^-no-mi,  s/f-n(J-mi),  oiioQyvvfxi  mit  oq  =  f. 
Mit  unursprünglichem  Hochstufenvokalismus  solche  wie  oQ^y-rvi-Uy  defx-vvixi, 
l^svy-vvfiiy  nrjy-vvfiif  ^rjy-vvixi  (Vf.  K.  Z.  24,  255  flf.). 

Andere  Neuerungen.  Erweiterung  durch  ^:  iii-vv-x^or,  ai.  mi-nS-mi, 
y^«-vi5-^w:  ai.  k^i-no-fni,  —  Häufig,  von  Homer  an,  -rva)  statt  -rv/ii,  z.  B. 
tavvoj  (vgl.  La  Roche,  Ztschr.  f.  öst.  Gymn.  1876,  S.  584  flf.,  Meisterhans, 
Gr.*  153  f.).  Diese  Verba  auf  -vvco  waren  jüngeren  Ursprungs  als  die 
formal  ähnliche  Kl.  15.  —  Nach  C^wvfii  (urspr.  *C^)<r'VvfHy  vgl.  ^wcr-rij^, 
W.  jös-),  d/Ä(fi-tvvvfii  (neben  lautgesetzlichem  sl^^vfii  aus  *p€<r'vvfjii,  armen. 
z-genum  »ich  ziehe  mich  an",  idg.  ?/e5-),  aßtvvvfii  (vgl.  ^efvvfiev  bei  Hesych) 
bildete  man  ^oivvvfiiy  CTQcivvvfUy  xoQsvvvfiiy  neTcevvvixi  u.  a.,  s.  §  45  und 
Leskien,  C.  St.  2,  108  flf.,  Vf.  K.  Z.  27,  589  flf.,  Solmsen,  K.  Z.  29,  73  flf. 
Man  beachte,  dass  das  ues-  von  ivvvixi  wahrscheinlich  in  ^-65-  zu  zerlegen 
ist  und  so  mit  cß-ea-,  f-f<r-  u.  dgl.  auf  eine  Linie  kommt  (Vf.  Grdr.  2,  20).  — 
Dem  ytvofAai  aus  yiyvofiai  (§  57)  wurde  ein  yivviiai  (thess.  yit'VfiäväVy  böot. 
ylwavfuvov)  zur  Seite  gestellt  auf  Grund  des  Nebeneinanders  von  dvvfiai 
und  ovofAMy  tivvfAai  und  tivofiai  u.  ähnl.  (§  130).  xaivvfiai  wurde  wohl 
za  Mdnofffim  gebildet  nach  dem  Muster  von  deSacfiai :  dmvvfiai,  —  Indem 
TawvfUtt  tavvio  zu  den  Formen   wie  eiQvfievai  €qvco    „ziehe"   in   Beziehung 


156 


A.  GriedÜBche  Grammatik,    c)  Fleziozuilelire. 


gesetzt  wurde,  entstanden  ravvtftfai,  retawaTai  nach  iQwtaai^  eigvctcci 
(vgl.  auch  iXxvaai,  etXxvaO^rjv  zu  fAxw  nach  dem  bedeutungsverwandten 
€QV(o)  u.  dgl.  m. 

117.  4.  Klasse.  Schwache  Wurzelform  -\-  vä  :  vä,  z.  B.  ddii- 
vä'f.u  :  3dfA'%'ä'fi€v^  wie  ai.  Sf-nd-mi  :  i^-nl-mds.  Das  lautliche  Verhältnis 
von  'vä'  zu  ai.  -^T-  ist  unaufgeklärt.  Die  schwache  Stufe  der  Wurzel 
zeigen  noch  fioQvafiai  und  korkyr.  att.  ßaQvdfievog  aus  *ßQavafA€vog  (§  23, 
1.  30)  zu  ai.  mpidti^  idg.  *m^-nd''ti  und  nogvdfxev  *  nwXetv  Hesych  (neben 
näQVTjfii),  das  entweder  ursprüngliches  *pf-ndr4iii  repräsentierte  und  dem 
böot.  Dialekt  angehörte  (s.  §  27)  oder  aus  ^pf-när-mi  hervorgegangen  war. 
Ein  noch  nicht  befriedigend  erklärtes  t  in  der  Wurzelsilbe  zeigen  xiQvrjfHj 
TiUvafjtai,  n{rv7)^iy  axiSvrjfii^  vgl.  Q.  Meyeb,  Gr.  Gr.«  441,  Solmsen,  K.  Z.  29, 
74,  Wackebnagel  ebend.  126  [vgl.  den  Nachtrag  zu  dieser  Stelle]. 

Der  Übergang  von  -vntfu  in  -vd(o  in  rnrydat  u.  a.  steht  dem  von 
'VVfii  in  -vv(o  (§  116)  gleich. 

118.  IL  Themavokalische  Stämme  oder  Yerba  auf  -o).  Die 
Verteilung  von  -«-  und  -o-  über  die  verschiedenen  Formen  (z.  B.  (päg-e-TSy 
(päQ-O'ixeVj  (päQ-O'Vt-eg)  war  die  urindogermanische.  Bemerkenswert  ist 
"ä-fievo-g  in  delph.  lokr.  xaXeffievogj  arkad.  dSixijfievogj  pamphyl.  ßooXrjfievvgy 
el.  xaSaXrjfievog  aus  *-6-(jf)6-jU6vos  neben  -o-fievog  (Allen,  C.  St.  3,  267, 
OsTHOPP,  M.  U.  1,  212,  Wackebnagel,  K.  Z.  27,  86,  Johansson,  De  der. 
verb.  43  sqq.),  ein  Nebeneinander,  das  vielleicht  ebenso  altüberkommen 
war  wie  reo  {*qj^sio)  neben  nov  (*go-S|o)  u.  dgl.  (§  79.  96). 

119.  5.  Klasse.     Wurzel  +  ^  •'  *• 

a.  Starke  Wurzelform,  z.  B.  (pe'Q-o-fiev  yt^-T«,  X^in^o^iuv  Xein^ 
6-T«5  Trjx-o-fiev,  m&~o~fi€Vy  vgl.  got.  bair-a-m,  bair-i-p.  Die  häufigste 
Präsensbildung.     Mit  aoristischer  Funktion  iyevofirjv,  iXeTv. 

b.  Schwache  Wurzelform  (Tiefstufe),  z.  B.  yXvtpWj  yqdtffa  (vgl. 
aksl.  greba  nach  5a.  und  el.  yQO(f€vg^  wie  nofiTtevg)^  dor.  x^dma^  tqdxoa 
(während  att.  Tßf'Tr«,  t^^x^  nach  Klasse  5a.  gebildet  waren);  femer  ^-<rx-o-»'^ 
TTT-^-or^of«,  7t€Qi'7iX''6'fA€vogy  Ktav-slv^  rafi-eiVj  ßaX^tv^  nvaQ-^Tv^  die  vier 
letzten  mit  nebentoniger  Tiefstufenform  (§  21,  4.  23,  4.  24).  Vgl.  ai.  tud-ä^ti 
»stösst*,  gir-d-ti  „verschlingt".  Ob  irexor^  dor.  lesb.  inexov  hierher  (mit 
nebentoniger  Tiefstufe,  vgl.  Osthoff,  P.-Br.  B.  8,  304)  oder  zu  5a.  gehörten, 
bleibt  zweifelhaft. 

Der  ursprüngliche  Betonungsunterschied  zwischen  5  a.  und  5  b.  tritt 
nur  noch  im  Verb,  infin.  {XcinoiTeg,  Xsineiv  :  hnövvegy  XineXv)  und  in  den 
Imper.  iie^  Xccßä  etc.  (§  67  S.  85)  hervor,  i)  Die  Betonung  yqdifEiv^  yXv(f(ov 
war  nach  Analogie  von  5a.,  die  Betonung  yevea&ai  (alat.  geno),  iXtov  nach 
5  b.  geneuert.  Die  paradigmatische  Doppelheit  XeTno-  UTne-  (idg.  ^leiqo^ 
*lciqe'')  und  >U7r6-  Xmä--  (idg.  *%o-  Hiqe-),  z.  B.  iXemov  neben  ihnov^  war 
wahrscheinlich  aus  einem  einzigen  Paradigma  auf  die  Weise   entsprungen. 


^)  Nur  scheinbar  sind  tf/-»*,  üX'Oi(jlbv 
altertümlicher  betont  als  Un-to,  Xln-otfisy, 
Denn  nach  dem  in  §  67  bemerkten  waren 
auch  (T/cii,  axoTuBv  einmal  enklitisch  und 
bekamen  ihren  historischen  Accent  erst  auf 


griechischem  Boden.  Die  Übereinstimmung 
mit  der  uridg.  Accentuation  {*8gh-ö-)  war 
also  ebenso  zufällig  wie  bei  g>^Q(Of  tpiqofjLBv, 
tpe'Qerm  u.  s.  w. 


4.  Terbalflezion.  (§  117<^  121).  157 

dass  eine  durch  den  wechselnden  Accent  entstandene  Verschiedenheit 
zwischen  den  Formen,  *leiqo-  *Uqe-,  nach  zwei  verschiedenen  Seiten  hin 
ausgeglichen  wurde  (vgl.  Fick,  Bezz.  B.  4,  179,  Paul,  Prinzipien*  218, 
OsTHOFP,  P.-Br.  B.  8,  288).     Vgl.  §  155. 

Im  Anschluss  an  die  Doppelformen  rjveyxov  :  ijveyxa  und  elnov  :  elna 
(s.  Kl.  la.)  gingen  die  themavokalischen  Präterita  in  der  alexandrinischen 
Zeit  öfters  in  die  Flexionsweise  von  ijvsyxa  über,  z.  B.  Icxccj  evQÜfArjv^ 
ijipsQa.  So  auch  lyyaya  für  riyayov  (Kl.  6),  ijlmCa  für  ijlmiov  (Kl.  8). 
S.  G.  Meter,  Gr.  Gr.«  467,  Meistebhans,  Gr.«  147. 

120.  6.  Klasse.     Reduplizierte  Wurzel  -{-  o  :  c. 

a.  Reduplikations vokal  i.  Z.  B.  yi-yv-ofiat  {ytvofAai),  fii-fir-o),  iV^w 
aus  *i-<rx-«  (§  60),  t^fo  aus  *ai^zd-(o  =  lat.  sid-o  (§  46),  Idxco  aus  ^pi-pccx-ui 
(zu  lyx^)-  vgl.  lat.  gi-gn^,  ai.  pi-bd-a-te.  tixtoo  aus  ♦ti-tx-«  (§  62).  Un- 
klar ist,  ob  das  i  von  nUnx-w  ursprünglich  war  (vgl.  ai.  aor.  causat. 
d-pUpat-^b-t)  oder  dem  sinnverwandten  ^tnxw  entlehnt  wurde. 

b.  Andere  Reduplikationsweise.  i'-cn-o-iTOj  i-nä-ffv-o-iisv^  x*- 
xJl-«-ro,  7i€'nv&-<HiaT0j  ir«-iraß7r-«-T0,  Xe-Xaß-e^&aiy  vgl.  ai.  sd-Sc-a-ti  («o-ic-a- 
=  i-an-o-  von  W.  5eg-)  und  lat.  tendo  aus  ^te-tn-ö  (Thübneysen,  K.  Z.  26, 
302).  Schwierigkeit  macht  iemov  elnov  gegenüber  dem  auf  idg.  ^e-^e-^q-o-m 
weisenden  ai.  d^vöc-a-m  von  W.  ^eq-j  s.  Vf.  K.  Z.  25,  306  und  Wackeb- 
kagel's  §  60  erwähnten  Deutungsversuch  ^). 

Ob  diese  Klasse  schon  mit  Beginn  der  Überlieferung  des  Griechischen 
auch  präsentisch  auftritt  (wie  ai.  sd-Sc'O-tijy  ist  zweifelhaft,  da  i'ansxai 
d  826  angefochten  ist  und  von  ilofiai  nicht  feststeht,  ob  es  aus  ^ae^zi^-o-iiai 
(Köoel,  P.-Br.  B.  7,  192)  oder  aus  ^aed-j^o-^fim  (Kl.  7)  entstand;  in  ale- 
xandrinischer  Zeit  näifvfa  (vgl.  über  naifxav  •  xteivag  bei  Hesych  Vf.  C.  St. 
7,  206),  xäxXofim. 

fjy-ay'fh-v  =  ai.  dj-ij^a-m,  äx-dx-o^vro,  ijQ-aQ-e,  mq-oq^^  jüngerer  Typus 
iQvx'ttX'bsiv  u.  a.  (vgl.  Bezzenbeboeb  in  s.  Beitr.  3,  311). 

121.  7.  Klasse.  Wurzel  +  io  : /«.  yt;«  lesb.  yww,  tiw  t/w  (ai. 
ci^o-^,  vgl.  Osthoff,  M.  U.  4,  12).  kiaaioiisv  •  edfrcofxev  (Hesych)  aus 
urgr.  *UkU'i(htnen,  oqvccq),  vt^ouev  aus  urgriech.  *nigU'iO'men  (§  35.  38.  41), 
ari^füj  Cifv^io,  ßaivio^  fiatvoixai^  lesb.  xtaivio^  äcTtaiQWj  cuqto  aus  *pai,Q(o 
(Vf.  K.  Z.  27,  197  f.),  (dor.)  ip^m^w,  (ion.)  axdXlm  (§  21,  3.  23,  3.  54). 
Alle  diese  mit  schwacher  Wurzelform,  wie  ai.  tf^-ya-ti  „dürstet"  mr-iya-tc 
»moritur*;  ebenso  auch  ^«t«  für  *f^Qa^(o  =  got.  vaürkja  „wirke",  idg. 
*VfH^  (§  62).  Vgl.  Fböhde,  Bezz.  B.  6,  178  flf.  Daneben  oft  auch  Hoch- 
stufenvokalismus  («),  z.  B.  xretvcay  äeiQM,  (px^eiQco  (lesb.  xTbvvto^  ätQqm^ 
^d-iqqto,  ark.  ^xhijQü))^  cxäXXoi  (§  12.  30.  56).  Die  Wurzelstufe  in  nkaato 
aus  urgriech.  "^peht-iö  (§  35.  38)  ist  zweideutig  (wenn  Tiefstufenform,  so 
vergliche  es  sich  mit  nemo-g,  §  24),  ebenso  x*C«-  Ob  die  Formen  mit 
hochstufigem  s  speziell  griech.  Neubildungen  waren  (teils  nach  dem  Fut. 
und  Aor.,  z.  B.  xt€vv<o  nach  xxsvm  ixtewa,  teils  nach  solchen  Präsens- 
formen wie  ntaato^  falls  diese  tiefstufiges  «  hatten,  teils  vielleicht  auch 
nach  Formen  wie  ^tqto,  vgl.   Fböhde  a.  0.   180),  oder  ob   es   einen   idg. 

^)  Sieber  Terfehlt  ist  was  Smytb,  Der  Diphthong  £/  S.  57.  59  über  hmoy  aufistellt. 


\ 


158  A.  Oriechisclie  Grammatik,    c)  Flexionslehre. 

Wechsel  z.  B.  zwischen  ^^erg-io-  {IqSü),  §  59)  und  *u^g'ie-  (V?^^®  s.  o.) 
gab,  analog  dem  zwischen  ^derk-o-  {iifQxofim)  und  *df^-c-  (SQaxetv),  bleibt 
zweifelhaft,  doch  ist  mir  das  letztere  das  wahrscheinlichere  (vgl.  auch 
Spitzer,  L.  d.  a.  D.  7,  Hartmann,.  De  aor.  sec.  21).  Vgl.  auch  dor. 
irjXoiiai, :  lesb.  ßoXXofiai  §  129.  Das  neben  tüo  tiod  stehende  arkad.  änv-xeiiTm 
lässt  sich  aus  Hsi^^fa  herleiten,  also  rim  :  tem  =  Ktaiv<a  :  Tahvvw^  doch  ist 
ebenso  gut  möglich,  dass  es  aus  t/co  umgebildet  wurde  nach  den  Formen 
T€ia(o  irsica  (ähnlich  wie  ^*t«  für  *^atw  eintrat);  ein  ♦Tf(*)-(ö  (ai.  cdy-a-ts^ 
Kl.  5  a.)  als  Vorstufe  dieses  nito  ist  weniger  glaubhaft. 

Neben  diesen  Präsentien  lag  seit  uridg.  Zeit  eine  Kategorie  von  Formen 
mit  langem  Vokal  vor  dem  Suffix   -|ö-.     *ti^jfa)  :  fw   Cj   (über  ^fij^»,  ^tjO^i 

§  114).  *x^ij-jf«  :  XQ^  XOfi  ptc.  XQV^^  ^  '^^'  ^^^-  *F^Y^^  „wünsche,  be- 
gehre", ^)  Xifts,  ^Xa-j^ofAai  :  XSa&ai  •  naf^etv,  ohyiOQsTvy  XoiioqeXv  Hesych, 
vgl.  lit.  16-ju  „belle*.  *rf^Ä-ift)  :  dqm  dq^,  *tw-i<ö  Nebenform  von  *f ij-i« : 
fww.  Ausser  lit.  to-^w  vgl.  noch  die  ai.  sphd^ya-U  „nimmt  zu*  =  aksl. 
spe-ja  „habe  Erfolg",  got.  vaia  =  aksl.  ve-ja  „wehe*.  S.  Mekler, 
Beitr.  z.  Bild.  d.  griech.  Verb.  14  flf.  Die  Nebenformen  auf  -a«w,  wie 
xvai(Oy  ipaiü),  Xa(w  (s.  Mekler  a.  0.),  dürften  sich  am  leichtesten  als  Um- 
wandlung von  *xvM''iiii  etc.  (vgl.  efisw  für  *€fi€''fii,  §  113)  erklären,  vgl. 
ykai-vth-g  mhd.  klein-öt  neben  yXrj-voq  yXri-vrj  u.  a.  laam,  naXaifo  u.  dgl. 
entsprangen  wohl  erst  in  jüngerer  Zeit  in  Anlehnung  an  die  Bildungs- 
doppelheit  bei  jenen  Primitiva.    Hierzu  vgl.  Johansson,  De  der.  verb.  170  sqq. 

Der  lautlich  gleiche  Ausgang  von  (ffpcc^o),  iatpa^a  (St.  ctpay")  mit 
(pQa^coy  lifQa^a  (St.  (pQax-)  u.  ähnl.  erzeugte  neben  afpa^fo  die  Form  a^drxio 
nach  ffgoTTü)  u.  dgl.  mehr,  umgekehrt  ßga^to  (spät)  statt  ßqccacfa  nach 
(pQtiC^,  gort,  nqaddsd'^ai  statt  nqocTxsd^d-ai  (vgl.  auch  gort,  aw-ea-dditj 
für  'dyrj  nach  dem  Aor.  auf  -aja*,  R.Meister,  Bezz.  B.  10,  141,  G.  Meyer, 
Gr.  Gr.^  274)  u.  a.  m.  Vgl.  Mucke,  De  cons.  gem.  17  flf.,  Osthofp,  Z.  G. 
d.  P.  296  flf.  322  f. 

Die  von  rf/w  diofiai  {*Si'k(o^  vgl.  ai.  dt-yO-mi)  kommenden  Formen 
ii€T€,  dieraiy  dUad^cci  u.  dgl.  riefen  infolge  von  Assoziation  mit  f-^-r«, 
i-f-ra«,  l'S'C&ai  (Kl.  2  a.)  die  Formen  iv-dCsaccv^  Sfe/xaij  iisvtm  ins  Leben 
(vgl.  Osthopf,  M.  U.  4,  13).  Auf  ähnliche  Weise  war  wohl  auch  hom. 
/siefiat^  zu  ai.  rf-  gehörig  (Leo  Meyer,  Bezz.  B.  1,  306  flf.),  auf  Grund  eines 
*f'Ho-fiai  entstanden,  auf  das  noch  die  meisten  der  bei  Homer  vorfindlichen 
Formen,  wie  ptstai^  pUax^rjV,  bezogen  werden  können.  Vgl.  auch  die  zu 
diexai  und  pUtai,  gehörigen  Swx(ü  (Siw^ig^  diMyfia)  und  korinth.  pmxsi  „er 
verfolgt"  {lioxrj^  *'«Zi^o-$,  «<wj«g);  eine  Vermutung  über  die  Entstehung  von 
dmxca  bei  G.  Meyer,  Gr.  Gr.*  52. 

Hom.  att.  xXivoD,  x^ivaa^  aivofiai  lesb.  xXivvco,  xq{vv(o,  ah'vofiai  aus 
^xXiV'^w  xQiV'j^Wj  aiv'koficci.  Der  Nasal  dieser  Präsentia  war  selbst  schon 
ein  präsensstammbildendes  Element,  z.  B.  *xAi-r-/<ö  zu  lat.  -clT-nare  ai. 
irf-nä-mi,  W.  klei-  „lehnen".  Es  hatte  also  ein  Übergang  von  Präsentien 
mit  Nasalsuffixen  in  unsere  Klasse  stattgefunden;  dessen  Ratio  noch  uner- 
mittelt  ist.  Nach  der  Analogie  von  *xt€V'J^(o  :  "^ixtsv-aa  schuf  man  zu 
*xA/v-iw  den  Aorist  "^ixXivaa  ion.  att.  ixXiva,  und  so  kam  der  Nasal  auch 


4.  Terbalflexion.  (§  122-128.) 


159 


in  die  andern  Tempora,  xhvw  ixXivr^v,  exQfr&rjv  u.  a.     Vgl.  Cubtius  Vb. 
1»  313  f.,  SoLMSEN,  K.  Z.  29,  77  f. 

122.  8.  Klasse.    Reduplizierte  Wurzel  -\-  j^o  :  {€, 

a.  Reduplikationsvokal  i:  maivu)  aus  Hi-ti^-iö  W.  ten-,  viaofiai 
aus  ^vi-va-j^o-fiai  (§  45)  W.  nes-,  hkaiofiai  aus  "'^Xi-Xac-kofiai  (Cubtiüs,  G.** 
361).    War  dieser  Typus  altiererbt? 

b.  Andere  Reduplikationsweise:  yaQ-yaiQcoy  fiia^fiaiga,  7roQ'(pvQO)j 
fio^liVQoa;  ßafA^ßaiVM^  nafi-fpaivo);  iai-dakkio^  nai-ndXXo)^  Tiai-tpccacü)^  not- 
^caa,  aiacfo  (§  18)  u.  a.  Diese  Formen  hatten  meistens  deutlich  Intensiv- 
bedeutung und  hingen  historisch  mit  den  ai.  Intensiva  wie  mar'fn^j'f/d''t& 
.reibt  wiederholt  (kräftig)  ab"  zusammen.  Zum  Teil  mögen  sie  denominativ 
gewesen  sein,  wie  daiidXXio  von  iaidaXoq  (§  123).  Durch  Übertritt  in  die 
Analogie  andrer  Präsensbildungstypen  entstanden  fiaqiAaqi^m^  nafifpavdo)  u.  a. 

123.  9.  Klasse.    Nominalstamm -|- i^  :  ^9  Denominativa.^) 

a.  Verba  auf  -aw,  -a'«,  -ocö,  -/w,  -i;«,  -eviOj  wie  Tifido),  (piXeWj  fiia&oco^ 
xovico,  fi€&v(Oj  ßaaiXevfü.  Ob  -«5w  griech.  Neubildung  war,  hängt  ab  von 
der  Entscheidung  der  Frage,  welches  der  Ursprung  der  Nomina  auf  -ev-g 
war  (§  70  ^  2).  Zweifelhaft  ist  auch,  ob  die  auf  -wa  altererbt  waren,  da 
sich  auswärts  nur  wenige  sichere  Parallelen  bieten,  wie  lat.  aegrötus  von 
aegro-  (vgl.  v.  d.  Pfordten  151  f.).  Die  andern  waren  aus  vorgriech.  Zeit 
überkommen,  vgl.  z.  B.  ai.  miSra-yämi  von  mürd-  „gemischt**  wie  ^iXäca 
von  y/Ao-^. 

Durch  einzeldialektische  Neuerung  entstanden  die  Ausgänge  -a<o,  -);a), 
-«w,  z.  B.  ep.  iiBvoivrinai^  invciovreg^  lesb.  diixrjei,  böot.  iafiicoovreg^  delph. 
avlr^ovreg,  ave^avcDhra),  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  wurde  der  lange 
Vokal  aus  den  andern  Tempora,  -a-<rw  etc.,  herübergeholt,  und  es  fragt 
sich  nur,  ob  nicht  zum  Teil  zugleich  die  Gestalt  von  Primitiva  wie  hom. 
XßjjW  (§  121)  vorbildlich  wirkte.  S.  Vf.  M.  U.  1,  89  f.,  Collitz,  Anz. 
f.  deutsch.  Altert.  5,  329  f.,  Wackebnagel,  K.  Z.  27,  88,  Phil.  Anz.  1887 
S.  238,  Meister,  Gr.  D.  1,  177.  Zur  „epischen  Zerdehnung**  vgl.  §  17. 
Att.  iiyjTJv  und  neivijv  wohl  nach  tprjV  u.  dgl.,  ähnlich  scheinen  taaiw^  naXaio) 
u.  dgl.  nach  tpatco  u.  dgl.  gebildet  worden  zu  sein,  s.  §  121. 

Über  "äfjti  i'ccifii),  'Tjfiif  '(üfxi  nach  Kl.  Ic  (§  114)  für  -aw,  -6x0,  -ow 
im  Äolischen  und  Arkad.  sieh  ausser  der  eben  zitierten  Litteratur  auch 
L.  HiBZEL,  Zur  Beurteilung  des  äol.  Dial.  56  ff.,  Johansson  166  sqq. 
Ob  diese  Neuerung  direkt  von  den  alten  Formen  auf  -aw,  -«w  -ow  aus  ein- 
getreten war  oder  durch  Vermittlung  der  Neubildungen  auf  -aw  etc.,  ist 
zweifelhaft.  Im  ersteren  Fall  wäre  davon  auszugehen,  dass  z.  B.  2.  pl. 
*^X€{i)€T€  zu  lesb.  ffiXtfte  geworden  und  so  mit  den  Formen  wie  ar^ts  überein- 
gekommen war.  Jedenfalls  war  aber  ii-C^-fiai  neben  di-C^-conai  u.  dgl. 
(§  115  b)  vorbUdlich  beteiligt.«) 


')  Vgl.  besonders  yov  dbb  Pfobdtbk,  Zur 
Geschichte  der  griech.  Denominativa,  1886, 
und  JoHAKSSOii,  De  derivatis  verbis  con- 
tractis  Hnguae  Graecae  quaestiones,  Upsala 
1886. 

^  Ein  Hauptgewicht  glaube  ich  immer 


noch  darauf  legen  zu  müssen,  dass  tplXrjfji 
nicht  nach  dem  Typus  ri^rjfii,  sondern  nach 
nrjfjif  di^tjuMj  sß^rjy,  iqgvrjy  etc.  geschaffen 
war.  Wenn  Johansson  p.  166  mir  entgegnet, 
dass  es  ursprünglich  keine  Verba  auf  -fjit 
ohne  Abstu^g  gab,  so  mag  das  für  eine 


160 


A.  Oriedtisohe  Grammatik,    c)  Flexionslehre. 


Was  die  Vokallänge  in  -ä-ct«,  -ij-crw,  -w-cra)  und  den  andern  Tempora 
betrifft,  so  war  diese  bereits  vorhanden,  als  das  Präsens  nur  erst  -a-^co 
-f->(ö  -o->(ü  hatte.  Formen  wie  Tifia-aoo,  ^ikrj-tfco,  futf&ci-aü)  waren  nach 
der  Analogie  von  solchen  wie  ^Qä-CM,  nlri-^ca,  yv^-^oiim  gebildet  worden, 
und  es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  diese  Neubildung  bereits  in  uridg. 
Zeit  ihren  Anfang  genommen  hatte.  Möglich  wurde  diese  dadurch,  dass 
damals  die  denominativen  Verba  in  der  Bildung  des  Präsens  mit  den  Pri- 
mitiva  auf  -jö  vielfach  übereinstimmten.  S.  Vf.  M.  ü.  1,  69  f.,  Johans- 
son 72  sqq. 

b.  T€XTaiv(o  aus  *T6xi:g->a)  zu  T€XT(ov,  wie  ai.  udan-yd^U  aus  ^ud^-ie-ti 
zu  ud-dn-  ^Wasser",  §  21,  3.^)  S-aQrjaaoo  zu  &(OQr^^.  ägna^co  zu  aqna^. 
<raX7tiX(ü  aus  *<raX7ii{v)ßS(o,  ^aaXniyy-'^fa,  iXni^ia  zu  iXntq.  fiiyd^ofiai  zu 
fiiyag.  Denen  auf  -af «  =  ^-ad-kio  stellen  sich  die  german.  auf  -atjan,  wie 
got.  lauhat-jan  „blitzend  leuchten*  zur  Seite  (Kögel,  P.-Br.  B.  7,  183, 
VON  Bahder,  Die  Verbalabstracta  S.  111,  Vf.  Grdr.  2,  382  ff.).  Hom. 
tsksiia  att.  veXd  aus  '"r^^cr-icü  zu  TäXoq,  äxeiofxai  zu  oxog,  s.  §  12.  45.  54; 
die  auf  sehr  schwanker  Grundlage  ruhenden  Kombinationen  von  Bechtel, 
Gott.  Nachr.  1886  S.  375  ff.  überzeugen  mich  nicht. 

Viele  Neuerungen  durch  Formübertragung,  z.  B.  aQiar-acf}  (a^icro-r), 
fAavt'€vofiai  (ßdvu-g),  d^pQov-t'ü)  {afpQcav)^  xegd^va  (xägdog).  Besonders 
stark  wucherten  die  auf  y-  und  rf-Stämmen  beruhenden  Ausgänge  -af «  und 
w^o)  (das  C  aus  i  zu  erklären  verbieten  die  klar  zu  Tage  liegenden  Laut- 
gesetze);  z.  B.  J/xa-fw  Ai^-afw,  x^Q^'C<^  vofi-i^co.  Bei  diesen  wie  auch 
bei  fieiXicacj  zu  iieiXixo-q^  dyyäXXw  zu  äyysXo-g,  ixx^aiqio  (aus  *^X^'J^^)  zu 
iXx^Qo^,  welche  wahrscheinlich  nach  der  Analogie  der  auf  konsonantischen 
Stämmen  beruhenden  Denominativa  wie  xr^qvacio  gebildet  waren  (vgl.  Vf. 
Techmeb's  Intern.  Ztschr.  f.  allgem.  Sprachw.  1,  238),  wirkten  zugleich  die 
Formen  der  Klassen  7  und  8  vorbildlich  mit. 

Für  viele  von  diesen  Neubildungen  kommt  in  Betracht,  dass  an  ge- 
wisse Ausgänge  sich  bestimmte  Funktionen  geknüpft  hatten  aus  Anlass 
der  Bedeutung  einiger  von  den  zu  Grunde  liegenden  Nomina.  So  hatte 
durch  Formen  wie  vavxidto  fiaXuxidco  der  Ausgang  -laco  die  Funktion  er- 
worben, einen  krankhaften  oder  sonstwie  tadelnswerten  Zustand  zu  be- 
zeichnen, daher  z.  B.  die  Neubildungen  väegidw^  Xi^idta,  -öco  bekam  fak- 
titive  Bedeutung,  daher  Neubildungen  wie  yefpvQoco.  -sv(o  die  Bedeutung 
einer  regelmässigen,  beruflichen  Thätigkeit,'  daher  Neubildungen  wie  fiavrsvo^ 
fiah  So  ist  auch  erklärlich,  dass  zu  demselben  Nomen  oft  mehrere  abge- 
leitete Verba  gehörten,  wie  icTidü)  und  earioio,  voceco  und  voawa,  S.  Cübtiüs, 
Vb.  1«  356.  368,  v.  d.  Pfobdten  S.  6  f.  16  ff.  139  ff. 

Das  Zusammenfallen  von  ^-y-iw  und  *-rf-jfw  in  -^w  erzeugte  Neuerungen 
einerseits  wie  dqndaw^  rJQTtaaa  neben  dqnd^Wy  r^gna^a,  anderseits  wie  (dor.) 


gewisse  Periode  der  idg.  Urzeit  richtig 
sein;  hierüber  wage  ich  kein  Urteil.  Jeden- 
falls war  aber  im  Urgriech.  ein  doppelter 
Typus,  einer  mit  und  einer  ohne  Abstufung 
vorhanden.  Und  einzig  hierauf  kommt  es  an. 
*)  FOr  verfehlt  halte  ich  Bezzbnbergeb's 
Ansatz  einer  Grundform  *TBxt^-yi(o  (Beitr.  10, 


72,  Gott.  gel.  Anz.  1887,  S.  415  f.).  ^j^ 
(jLttv^y  war  natürlich  nicht  aus  *i-ntjfÄ^y' 
^y  entstanden,  wie  Bezz.  meint,  sondern 
nach  den  Aor.  auf  -aQ&r^y  -ttXd^y  gebildet, 
vgl.  nitpny&B  :  eanccQ^ey  ^eQfittyat-^g  :  xce^a^ 
<ii-g  etc. 


4.  Verbalflexion.  (§  124—126).  IGl 

doMiia^ovTij  €Q(^avr€g  (s.  Caüeb,  Sprach w.  Abh.  127  flf.).  Umgekehrt  ver- 
anlasste lautlicher  Zusammenfall  in  nichtpräsentischen  Formen  Entgleisung 
im  Präsens,  daher  Doppelheiten  wie  aqii&txia  und  ccQfAo^w^  Xandaato  und 
Xand^fo;  vgl.  (ffpdtTto  :  (ftpa^to  §  121  und  die  dort  zitierte  Litteratur. 

124.  10.  Klasse.  Hochstufige  Wurzelform  +  *iK> :  */«  (Kausa- 
tiva),  z.  B.  (poßäm  zu  (päßofiai  (vgl.  ai.  caus.  hhajdyami  „lasse  hingehen, 
jage*),  oxsw^  aoßäfo^  aoäta  {ecaotjfxävov  Hesych),  TQOTtt'oOj  (poQäco  u.  a.  Diese 
Eormen,  von  den  Denominativa  wie  olxä'(o  (pdä-w  (§  123)  von  idg.  Urzeit 
her  durch  den  Accent  geschieden  (vgl.  ai.  denom.  müra^yd^i  gegen  causat. 
hhajdya-U)^  wurden  im  Oriech.  mit  ihnen  im  Auisgang  gleich  infolge  der 
neuen  Betonung  des  Verb.  fin.  (§  67,  S.  85),  vgl.  auch  lat.  denom.  alhe-o 
neben  caus.  nwneo^  noceo. 

Denominativer  Ursprung  ist  für  die  Kausativa  oft  angenommen  worden, 
aber  nicht  klar  erweislich  (zuletzt  über  diese  Frage  Johansson,  De  der. 
verb.  113  s^.  116,  135).    Desshalb  zählen  wir  sie  als  besondere  Klasse. 

126.  11.  Klasse.  Wurzel  +  to  :  t«,  z.  B.  nsx'T(a  (att.  Ttsxräo)) 
=  lat.  peoto.  In  der  idg.  Grundsprache  kann  diese  Klasse,  wenn  sie  über- 
haupt schon  vorhanden  war,  höchstens  erst  durch  ein  par  Beispiele  ver- 
treten gewesen  sein  (vgl.  Vf.  Sprachw.  Abh.  153  flf.).  Abgesehen  von  nt'xTü}, 
^dfxto/juxi,  dvvtü),  dQv%(a  und  den  vier  oder  fünf  Aoristen  wie  ißXaaxov 
(CuBTius,  Vb.  2*,  10  flf.)  gingen  alle  auf  -Trrco  -tttov  aus,  wie  xvmtü^ 
axdriTooy  nämta.  Von  diesen  können  alle  die,  deren  Wurzelauslaut  p  war, 
z.  B.  TVTTTCö,  (TxdnTio,  auch  zu  Kl.  7  gezogen  werden :  Tvmo)  aus  Hvn{(o 
(§  40)  wäre  wie  xccXänxia  (von  x^^^^)  ft^s  *x^^*^"i^»  aarQdnTO)  (von 
äffTQanr^)  aus  *datQan-j^co  (Kl.  9).  Dagegen  lassen  sich  nicht  auf  Grund- 
formen mit  -iö  die  zurückführen,  deren  W.  auf  g,  q,  (g%)  schloss,  wie 
nin%(o  neben  älterem  näacia  W.  peq-^  ivCntia  neben  iviaao)  (beide  bei  Hom.), 
rimofiai  neben  älterem  rr'f «  W.  nei^-.  Ferner  auch  nicht  die,  deren  Wurzel- 
auslaut altes  (f  war,  z.  B.  xqvnxia  zu  xQv(pa,  Bedenkt  man  aber,  dass  die 
Formen  wie  xqvutod  leicht  erst  nach  dem  Muster  von  solchen  wie  tvmw 
geschaffen  sein  können  (l^nlich  wie  <r(pdTT(o  nach  (pQdrrü),  §  121),  so  steht 
für  keine  Wurzel  auf  labialen  Explosivlaut  ursprüngliche  ^o-Bildung  fest; 
vgl.  Fböhde,  Bezz.  B.  6,  179.  Und  so  fragt  es  sich  schliesslich,  ob  nicht 
auch  nänxta,  vimofiai  u.  s.  w.  mit  wurzelschliessendem  Velarlaut  erst  nach 
der  Analogie  von  ivntw  gebildet  worden  waren. 

axämofiai  von  W.  spe^-  entstand  wohl  nicht  aus  '^ansxrof.im^  sondern 
aus  *(rn€xjtofAai  (woraus  zunächst  *ax€niOfiai)  =  lat.  specio^  ai.  pdiyami; 
die  auffallende  Metathese  von  n—x  (§  62)  mag  durch  das  sinnverwandte 
cxop'  {xhfo-<rxiog,  Curtius,  G.^  152)  veranlasst  sein. 

126.    12.  Klasse.    Verbalstamm  +  ^*o  :  <rx6. 

a.  Verbalstamm  =  einfache  Wurzel  in  Tiefstufenform  (wie 
die  schwache  Form  in  Kl.  1  a.).  ßd(fx(o  =  ai.  gdchami  aus  *gachänii  (vgl. 
Pf^chdmi  u.  a.),  idg.  *gfp-8k6y  xdcxm^  (pdaxw^  ßoaxw  u.  a.  Von  diesen  Verben 
trat  der  Ausgang  -cxw  auf  mehrsilbige  Verbalstämme  über:  yriga-axco^ 
f.ßd-'iXxa),  y«v*«a-flrxco,  iXa^xofiai^  fieO^v-axcOy  xogt-axco^  dqt'axia  u.  a.  W^ahr- 
scheinlich  war  zur  Zeit,  wo  diese  letzteren  Formen  aufkamen,  die  Inchoativ- 

Buidbiich  d«r  Umi.  AltertozmiwinexiachAlt.  IL    2.  Aufl.  1 1 


162  «A..  GriechiBohe  Grammatik,    c)  Flexiomilehre. 

bedeutung  von  -crxo)  noch  lebendig,  und  die  Neubildung  wurde  erleichtert 
durch  den  formalen  Gleichklang  von  iyrjqctv^  iyrjQäaa^  yrjQaaofiai  mit  ißar, 
ißaaa^  ßd(Xofxai  neben  ßdaxio  u.  ähnl.  (vgl.  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  257  f.). 
Zugleich  von  (pdaxw  etc.  und  von  den  urgriech.  Neubildungen  wie  yr^gdaxu) 
bekamen  wahrscheinlich  die  ion.  iterativen  Praeterita  wie  ifevyeaxs^  iQi^eaxov, 
av3rjaaax€y  ^dveaxe  ihren  Ausgang:  dem  (pd-^xov  (neben  (frjfii)  wurde 
itytaaxov  (neben  i'aTrjfii)  nachgebildet,  xuXtcxero  wie  xoQhCxio^  ^(nxaaxov 
neben  ^mxdl^io  wie  ysveidaxio  neben  ysvsid^io  u.  s.  f.  Nachdem  sich  die 
Kategorie  der  iterativen  Praeterita  einmal  konstituiert  hatte,  wurden  auch 
solche  Iterativformen  geschaffen,  für  welche  direkte  Muster  in  der  älteren 
Schicht  der  axeo-praesentia  nicht  vorlagen. 

Das  y  von  iiCayta  für  *fiiaxco  war  von  fiiyvvfii  ifiiytjv  übertragen  (Osthoff, 
M.  U.  4,  34,  G.  Meyer,  Gr.  Gr.*  450);  danach  auch  ipayco  •  anodv<o  (Hesych). 
In  ähnlicher  Weise  wird  in  Acerxij  d.  i.  *^{x)'^^^9  dessen  ursprüngliche 
Bedeutung  »Herberge**  war  (Meister,  Gr.  D.  2,  51),  das  x  ßir  x  durch 
Anlehnung  an  ^'x^g  etc.,  und  in  ndc%(ü  neben  dem  lautgesetzlichen  el. 
ndcxca  d.  i.  '*na{d)'^x(ü  die  Aspiration  des  x  durch  Anlehnung  an  die 
Aspirata  in  Ina&ov  etc.  entstanden  sein. 

b.  Yerbalstamm  auf  langen  Vokal  (wie  Kl.  Ic),  z.  B.  epir. 
yvoi^xco  {yi~yv(iiax(o)  =  lat.  gnö^sco,  Qtj-axofjtai  (Hesych),  ^^ij-cxw  (Cürtius, 
G.'^  257).  yvci'trxü)  :  fpa-^axio  =  lyvco-fisv  :  Mtpa-iisv.  Für  &va<rx(o  {d^r^ffxo)) 
und  ßhoaxta  vermutet  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  367.  448  als  Grundformen 
*għ-s^o  und  *mj'sk6  (mit  nebentoniger  Tiefstufenform,  §  21.  23),  wonach 
sie  zu  12  a.  gehören  würden;  die  Sprachempfindung  der  Griechen  zog  sie 
jedenfalls  zu  12  b.  Ion.  xqrfaxoiiMy  att.  ^rjjcxa}  x^q(fi<fx(a^  äol.  x^vaitxxcf) 
waren  wie  att.  fHfivy<rx(o,  äol.  fitfivaiaxo)  (üsener,  Fleckeis.  Jahrbb.  1865 
S.  245  flf.,  Meister,  Gr.  D.  1,  181)  Neuerungen  nach  der  Klasse  -laxw  (§  128). 

Als  Nachbildungen  schliessen  sich  dva-ß^daxoiiaiy  dXirjaxco  {^  599)  an. 

127.  13.  Klasse.     Reduplizierter  Verbalstamm  +  ^'xo  :  txxs. 

a.  Reduplikationsvokal  i:  di-ddaxo)^  Ti-Tvcxofiai  (vgl.  Kl.  12a.); 
yi-yvoiaxcOj  fii-fivija xoij  ii-dqaaxia  (vgl.  Kl.   12  b.).  . 

b.  Andere  Reduplikationsweise:  i^ax(o,  öe^diaxopiai  (vgl.  Osthoff, 
Z.  G.  d.  P.  388). 

13  a.  und  13  b.  wurden  wohl  erst  auf  griech.  Boden  geschaffen. 

128.  Anhang  zu  Kl.  12  und  13.  Verba  auf  -«(rxco,  z.  B.  atsQ-iaxw^ 
€vQ»{(fxü)j  aX-{axofiaiy  dq-aq-iaxü).  Die  sprachgeschichtliche  Beurteilung  dieser 
Kategorie  ist  schwer.  Lat.  in-gemlsco  u.  ähnl.  sind  wohl  fern  zu  halten, 
s.  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  157.  Dagegen  ist  Zusammenhang  mit  den  Demi- 
nutiva  wie  nmd-Caxo-g  möglich,  s.  §  70,  16. 

129.  14.  Klasse.  Wurzel  -{-  vo  :  vb  und  Wurzel  (zum  Teil  mit 
Nasalinfix)  +  ^^^  '  ^^^>  z.  B.  Sdxvco  =  *d^i:-nö,  krjO-^dvo)  Aav^-eh'w, 
x€V&-d%'0),  XifiTt'-dvw. 

Der  Typus  rfax-rw  hat  zwar  in  allen  idg.  Sprachen  Analogien,  war 
aber  vielleicht  doch  überall  einzelsprachliche  Schöpfung,  an  Formationen 
mit  anderen  Nasalsuffixen  anknüpfend,  vgl.  z.  B.  nh-vw :  nh^'VfjfAi.  Beachtens- 
werte Doppelheit  des  Wurzelvokalismus  in  ßwhmuM,  Omiidl  ^jg{^*fio-  und 


4.  Verbalflexion.  (§  127-131.)  103 

dor.  SfjXofiw  Qrundf.  *geZ-wö-,  in  dor.  hom.  rafi'vcj  und  att.  T^/i-vco,  ersteres 
für  lautgesetzliches  *tcc-v(o  =  *trii'nö;  vgl.  xt€{v(o  und  xTaivcD  u.  dgl.  §  121. 
Die  auf  'üvo)  kehren  im  Armenischen  wieder,  z.  B.  W-ane-m  „ich 
verlasse",  vgl.  hfinavcü.  Ansprechend  führt  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  404  flf.  -ai-o) 
auf  *'pnö  zurück  (vgl.  §  21,  4).  Ein  Zusammenhang  bestand  zwischen 
dem  Typus  hfindvo)  nvvO^ävofiai,  dem  Typus  ai.  rindk-ti  (vgl.  lat.  linquity) 
und  dem  Typus  ai.  lump-d-ti  lat.  rump-i-t  (zu  dieser  Bildung  gr.  (X(piyy(ü?)^ 
doch  ist  die  Art  des  Zusammenhangs  noch  nicht  genügend  aufgeklärt. 
Vgl.  CuBTiüs  Vb.  12,  251  flf.,  Fröhde,  Bezz.  B.  6,  183  flf.,  Vf.  M.  ü.  3, 
148  ff.,  Osthoff,  a.  0.  Der  Ausgang  -avo)  ging  im  Griech.  weit  über  sein 
ursprüngliches  Gebiet  hinaus:  z.  B.  lax-oivio,  oiphax-dvio^  ä/ÄagT-uvco  (dem 
praet.  ijfiaQrov  wurde  durch  diese  Erweiterung  Aoristfunktion  zugeführt) 
u.  a.;  von  besondrer  Art  war  die  Neubildung  TtifinX-dvo),  da  hier  die  Re- 
duplikationssilbe so  wie  sonst  die  Wurzelsilben  behandelt  und  nasaliert  er- 
scheint (durch  TtifiTiXavü)  wurde  das  nasalierte  ntfiJtXrjfii  erzeugt,  s.  §  115). 

180.  15.  Klasse.  Schwache  Wurzelform  -{-  vp-o  :  vp-s,  Hom. 
^avio^  av(a,  att.  (fx^avw  av(o  aus  *(pd^a-vp-(a,  ^a-vp-w  zu  hom.  ij-vv-To  =  ai. 
sorni-mi  (idg.  *5g-we^-w*);  hom.  (pS^tvco^  rtvo)  att.  (pd^lvo),  xivia  aus  *yvA«-v/?-(ü, 
♦ri-y/?-«  zu  (px^i^vth&a)  (ai.  k^i-nS-^mi)^  Ti^vv-fievai;  hom.  &vvo)  dvvm  aus 
♦^v-y/f-w  *rfr-i'f-a),  ersteres  zu  ai,  dhü-^-nti  „schüttele,  bewege  rasch  hin 
und  her*.  Über  die  in  (p&dvo)  u.  s.  w.  erscheinende  „Ersatzdehnung^  s. 
§  57.  Es  liegt  hier  wie  bei  ärvco,  xavim  etc.  Weiterbildung  von  Verben 
mit  Suffix  -nev-  :  -ww-  (Kl.  3)  durch  -o-  -e-  vor;  aber  während  -vv«  erst 
in  der  Sonderentwicklung  der  griechischen  Sprache  aufkam  (§  116),  scheint 
es  sich  hier  um  ein  bereits  idg.  *-w^-ö,  -mu-e-si  etc.  zu  handeln:  vgl.  ai. 
f-nv-'d-fni  »setze  in  Bewegung,  errege",  got.  rinna  „renne*  aus  *ri-ntf'ö  u.  a. 

Hierher  auch  hom.  x*xavw,  att.  xiyxäv(o  (mit  jüngerer  Nasalierung 
der  ersten  Silbe  nach  §  129,  G.  Meyer,  Gr.  Gr.*  437.  448)  d.  i.  ^xi%avf(a 
(neben  xi'XV''^'^h  Kl.  2b.)  und  hom.  txarto  d.  i.  ^pixccvpw.  Dies  waren  Neu- 
bildungen  nach  dem  sinnverwandten  ifx)^av(a  (zugleich  auch  nach  ocvm'tf). 
Nach  dem  Verhältnis  von  ffx^rjaofiai  :  tf^avw  stellte  man  zu  xixfjcofxai  das 
Präs.  xix^vcDy  weiterhin  auch  exarw.*).  Ahnlich  schuf  man  zu  ari^ofiai 
forr^v  in  jüngerer  Zeit  ein  arava)  nach  fp&avo). 

Perfekt. 

H.  VON  DEB  Pfobdten,  Zur  Gesch.  des  griech.  PerfechimSi  München  1882.  Osthopf, 
Zur  Gesch.  des  Perfects  im  Indogerm.  1884.  Ernault,  Du  parfait  en  grec  et  en  latin, 
Paris  1886. 

131.  Reduplikation. 

Bei  konsonantisch  anfangenden  Stämmen  war  der  Vokal  der  Re- 
duplikationssilbe *  :  yä-yova^  dt-doqxa,  Xe-koina^  ns-ffvCtai,  l-ayfiai,  f-cTTOf/ity, 
di'ioTcu.    Dieses  €  war  in  allen  Stammkategorien  auch  schon  in  der  idg. 


')  Sehr  unsicher  ist  die  Vermutung  von 
JoHABSSOV»  De  der.  verb.  108  sq.  und  W. 
SoBuuDi,  Qiuest.  hom.  15.  42,  der  T3rpus 
rvfilhii  feei  im  Griech.  durch  xvy^ü)  aor. 
Cmmt  wireten  gewesen,  xvrita^  das  frei- 
li  'm&Hm  nicht  erklärt  werden  darf, 


soll  =  *xv-vB-ii-o)  sein  mit  -»'f-  als  Infix. 
Wenn  nur  eine  Wurzel  xrcr-  irgend  sicher 
stünde ! 

^)  Anders  über  xt/cti'Cü,  Ixdytj^  aber  mich 
gar  nicht  überzeugend,  handelt  W.  Scbilze 
Quaest.  hom.  41  sqq. 

11* 


164 


A.  Griechisclie  Grammatik,    c)  Flexionslehre. 


Grundsprache  vorhanden  (vgl.  J.  Schmidt,  K.  Z.  25,  32.  73,  Osthoff,  Z.  G. 
d.  P.  264  flf.).  Unsicher  ist,  ob  es  im  Griech.  neben  e  auch  ein  dem  a  in 
ved.  sä'Säha  u.  dgl.  entsprechendes  tj  gab.  Man  glaubt  es  in  hom.  deiiä- 
Xarai,  eloixvTaiy  gefunden  zu  haben,  wo  t]  für  ei  einzusetzen  sei,  ferner  in 
iciQüxa  (§  19)  neben  ioQÖxa,  rgyacfiai  {*i^€Qyaafiai)  neben  eigyacfiai  und 
ähnl.  (Heydenreich,  C.  St.  10,  137  flf..  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  56  flf.).  Aber 
jene  hom.  Formen  beweisen  wenig '),  und  die  andern  können  Umbildungen 
nach  dem  Muster  des  Anlauts  der  Augmenttempora  gewesen  sein  (Wackeb- 
NAOEL,  K.  Z.  27,  273). 

Was  die  anlautende  Konsonanz  der  Reduplikationssilbe  betrifft,  so 
waren  z.  B.  folgende  Formen  lautgesetzliche  Fortsetzungen  urindogermani- 
scher Typen:  de-ioQxe  =  ai.  da^darSa^  ne-^vätn  wie  ai.  ba-bMva,  xe-xXvre 
wie  ai.  iu-irumd  und  got.  gai-gröt  (gr^ta  »ich  weine**),  «fjuapra*  aus  *<r€- 
afiaQTat  wie  ai.  sa-smära^  i'-arafiev  aus  ^trs^rafisv  wie  T-ctijju«  lat.  si-stö 
av.  hi-ätaiti.  Mancherlei  wurde  durch  Analogiewirkung  geneuert,  nament- 
lich entstanden  auf  diesem  Wege  die  Formen  wie  i-ßXaavrjxa  neben  ßs- 
ßXdffTTjxa^  kret.  i-yQcaxm  neben  att.  yh'yqamm.  S.  G.  Meyer,  Gr.  Gr.* 
475  flf..  Osthoff,  P.-Br.  B.  8,  540  flf.  Über  siQrjxa,  sTtod-a,  eTXrjtpa  u.  dgl. 
8.  auch  SoLMSEN,  E.  Z.  29,  349  f. 

Die  vokal isch  anlautenden  Stämme  hatten  entweder  gedehnten  Vokal, 
wie  rflxTjftaiy  gcxvvrai,  oder  die  sogen,  „attische  Reduplikation**,  wie 
oA-aiAa,  aq-rjQa  aQ^a^vTa.  Beide  Bildungstypen  stammten  aus  vorgriechischer 
Zeit.  Die  erste  Weise  beruhte  auf  der  bereits  in  der  idg.  Grundsprache 
vollzogenen  Eontraktion  des  Reduplikationsvokals  e  mit  dem  vokalischen 
Stammanlaut,  welche  zu  formaler  Gleichheit  mit  der  Augmentbildung 
vokalisch  beginnender  Stämme  führte,  vgl.  Vf.  M.  U.  4,  411  flf..  Osthoff, 
Z.  G.  d.  P.  122  flf.  166  flf.  Die  att.  Redupi.  (vgl.  äyayetv  §  120)  war 
ursprünglich  auf  einen  kleinen  Ereis  von  Formen  beschränkt  und  gewann 
im  Griech.  weite  Verbreitung,  vgl.  z.  B.  id-rjSwg  gegenüber  ai.  dda  lat. 
Edl  u.  s.  w.,  ion.  dv-aQ-aiQtjixai  und  dv'aiQ-€Qrjfjta$  gegenüber  älterem 
dv-fjQrjfim. 

Hom.  ij^v^  Irjad^a  {Irjv  als  3.  sg.  auch  inschriftlich,  Caueb  D*.  n.  497) 
hat  man  für  Umbildungen  von  rjv,  fja&a  nach  %ijv,  l(pri<rx^a  erklärt.,  ähnlich 
wie  exgfjV  statt  XQ^i^  {*XQV  ^J*')>  ^f-  C.  St.  9,  310.  Mit  Rücksicht  auf  die 
Form  rjrjv  erscheint  es  richtiger,  in  hjiTx^a  neben  ijc^a  (vgl.  ai.  dsitha)  eine 
Neubildung  mit  attischer  Reduplikation  (gleichsam  ^ia-rfl-x^a)  zu  sehen. 
Mr{v  und  ^'i?v  waren  Plusquamperfektformen,  irfi^  :  ^'ijv  :  erjcd'a  =  iXrjXaxo  : 
^ÄijAofTo  :  iXriXarai.  Wegen  der  imperfektischen  Funktion  von  €t]<r&a  vgl. 
§  107.  112. 

Seit  idg.  Urzeit  ohne  Reduplikationssilbe  war  f^oTSs  =  ai.  vedd. 
Über  die  Ratio  dieser  Erscheinung  s.  §  73,  4  S.  114. 

132.  Stammabstufung.  Im  Indikativ  Hochstufenvokalismus  im  sg. 
act.,  sonst  Tief  stufe :  oiicc  :  lifieviifiai  (Hesych);mxa  :  eixrov  r^ixro;  nänoi&s  : 


>)  Chbist,  Rhein.  Mus.  36,  35  f.  will  die 
»Unform*  eloixvlai.  durch  die  Schreibung 
yetjyiaairy  feftxviai   statt   des  überlieferten 


yeijyiaty  eloixvTai  beseitigen  (^418).    Vgl. 
auch  G.  Mbykb,  Gr.  Gr.*  483. 


4.  Verbalflexion.  (§  132—133.)  165 

enini^fiev;  ieidw  d.  i.  dä3f:o{i)(x  :  dsiiifiev  xii.  i.  SiSpipLsv  (§  13  und  Mahlow, 
K.  Z.  24,  294);  eiXi^Xovd'a  :  iXrjXvx)^ii€v  eXrjXv&afxev;  e^pd'OQa  :  €(p0^aQjiiai; 
tevQaqia  :  lexQcctfcciAsv  rärgafifiai;  yäyova  :  yäyafiev;  HixoXa  :  räTkäfiev  (Vf. 
K.  Z.  24,  266.  279,  M.  U.  1,  63  f.).  Vgl.  ai.  vSda  :  vidmd,  got.  vdit : 
vUum^  idg.  *?<0|d-  :  *uid-,  u.  8.  w.  Dem  ai.  Plur.  porpt-imd  von  W.  pet- 
entsprach  einst  ^ns-nx-aiievy  von  dem  nemciq  -=  ♦7r«7rT-a-(f)(o$5  Ttemrjcigy 
näTtxfüxa  ausgegangen  waren  (Vf.  M.  U.  1,  15,  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  3/o. 
383).  Über  etwaige  Spuren  des  Typus  *8e~sd'  (ai.  sed-)  im  Griech.  s.  Ost- 
hoff a.  0.  106  flf. 

Zahlreiche  Neuerungen  fanden  im  indic.  perf.  statt,  indem  teils  die 
schwache  Form  ins  Gebiet  der  starken  eindrang,  z.  B.  ioiyfiev  und  ioUaiiev^ 
iUrjlovd-fxeVj  TsxQWfauev,  yeyovafiev,  teils  umgekehrt,  z.  B.  3ä3ia,  iXrjkvd^a, 
tirqaipa^  teils  der  Hochstufenvokal  e  aus  dem  Präsens  u.  and.  Tempora 
(eventuell  auch  aus  dem  conj.  und  part.  pf.,  vgl.  unten)  herüberdrang, 
z.  B.  näifsvycc  n€(p€vyafi€v  (statt  *7t€(povya  *n€(pvyiui€v,  vgl.  hom.  Tt€(pvyfi€vog), 
nän€i<frai  (statt  *7t€7H(jTai,  vgl.  hom.  inänid'fiev),  nänXexcc  nhnXfxtai  (statt 
nänXoxo  ^nenXccxxai)^  ßeßXetpcc^  XäXeya, 

Anders  über  nbifsvya  etc.  de  Saussüre,  Mem.  72  f.  und  Osthoff, 
Z.  G.  d.  P.  61.  Nach  ihrer  Theorie  hatte  die  1.  sg.  ursprünglich  e- Vokal, 
und  der  indic.  pf.  z.  B.  von  ipavy-  hatte  ursprünglich  folgende  Gestalt: 
näfpBvya^  *n€(fovyag  {*7i€(fovxä'a),  *ns(povy€y  *7i€(pvyfji€v  u.  s.  w. 

Zweite  Hochstufe  zeigen  auch  i*(o-xa  =  got.  sai-^ö  (§  135)  neben  elfiat 
=  ^ie-fiai  von  W.  s^-,  und  iQQfoya  von  W.  /^ßijy-,  beide  zur  ^-Reihe 
(§  24,  4)  gehörig.  Ob  in  Fällen  wie  X^Xa&a  :  kiXäcTai,  iara-xa  (§  135)  : 
itrrä'ficv^  deren  W.  der  a-Reihe  angehörte  (§  24,  6),  die  starken  Formen 
ursprünglich  ö  hatten,  wie  man  erwarten  könnte  (vgl.  yw-n^  zu  (pü-fii), 
wage  ich  nicht  zu  entscheiden.  Nach  der  Theorie  von  de  Saussube 
wären  XäX&d-a^  ^XsXcod'ag  {*X€X(0(X&a),  *X€X(od'€  die  ursprünglichen  Singular- 
formen  gewesen. 

Mä/jtvrj-fiai  j  iedfirj-fiai,  xäxXrj-fiai^  eiQrj-fiatj  xcxfirj^g  (denen  sich 
TfrifiTj-fiai  ^ixr^'fiai  etc.  anschliessen)  verhalten  sich  zu  Tsvä-fiai  nstpvy-iisvog^ 
wie  ^rj^xofiai  yvci^xco  yiyvci-iXxü)  zu  ßa-axm  TiTVffxofiat  (§   126.   127). 

Der  Konj.  scheint  von  Haus  aus  erste  Hochstufe  gehabt  zu  haben, 
so  hom.  tii-o^fisv;  7i€noi&of.uv  demnach  für  "^nensix^-o-uev  nach  nänoid^cc 
(de  Saussube,  Mem.  127).  Im  Imper.  von  Haus  aus  schwache  Stamm- 
form: i€i3i-x^i  {däifsi-d^i),  nemtf^i  (Aesch.  Eum.  589  Kirchh.),  Tätka^d^i^ 
lA€iia^t(a  =  lat.  memen^tö  u.  s.  w.  Im  aktiven  Partiz.  wechselte  von 
idg.  Urzeit  Tiefstufe  mit  erster  Hochstufe,  daher  Doppelheiten  wie  id-vTa  : 
slS-iog,  XeXaX'Vta  :  XeXijx-wgy  aga^-via  :  ceQTjQ^g,  ictä-iog  :  iarrj^yg;  vgl.  auch 
deSt^g^  nena&'vta,  messen.  xsxXeß'oig,  herakl.  S^Qrjy-eta,  s.  W.  Schulze, 
K.  Z.  27,  547  flf.,  Vf.  Grdr.  2,  411. 

133.  Anfügung  der  Personalendungen.  Die  Personalsuffixe 
wurden  im  Indik.  von  idg.  Zeit  her  stets  unmittelbar  an  die  Wurzelsilbe 
gefügt,  so  noch  z.  B.  oiiXx^a,  id^iiBv^  Torf,  fULäfia-^fisVj  nänvctai.  "Ufisv  in 
TeTQUip-aiisv  u.  dgl.  wohl  aus  ^-i^men.  Die  Übereinstimmung  mit  dem 
Aorist  in  den  Ausgängen  -a,  -afisv  führte  zur  Herübernahme  von  -«-$,  -a-r« 
ins  Perfekt;   im   jüngeren   Dor.    auch   dedmx-av   nach   dem   Aor.   (§  107). 


166  A.  Griechisclie  Grammatik,    c)  Flexionalehre. 

Vgl.  Vf.  C.  St.  9,  314  flf.,  M.  U.  4,  413,  Osthofp,  Z.  G.  d.  P.  391  flf.  411, 
Babtholomae,  K.  Z.  29,  274  f. 

Ep.  ysydaai,  /jttfiaatxi,  ßeßdatn,  att.  ßeßatri  waren  Produkte  des  System- 
zwanges.    Vgl.  auch  eaxäm^  wie  tcTcusi  §  115  S.  154. 

134.  Neuerungen  durch  Formübertragung.  Ausser  den  in  den 
vorhergehenden  §§  besprochenen  analogischen  Neuerungen  sind  noch  be- 
sonders folgende  zu  verzeichnen. 

Die  »aspirierten  Perfecta*  wie  nänXsxa  {nXsx"),  retQÜfpcctai  (Tfen-), 
xäxXofpa  (xAfTT-),  lyx«  (^X")»  ^ß«ß«X«ifa*  (^^*y-)  hatten  die  Aspirata  nach  Ana- 
logie von  Formen  wie  yiyqa^a^  T€T€vxccvai  angenommen  infolge  gleicher 
Gestaltung  des  Wurzelauslauts  in  andern  Formen  des  Tempussystems,  vgl. 
z.  B.  nänksxxat^  rjxvai  mit  rärvxtai.  Umgekehrt  mess.  xsxkeßdg  von  x^tt- 
nach  dem  Muster  der  Verba  auf  -ß,  u.  dgl.  m.  Vgl.  J.  Schmidt,  K.  Z. 
27,  309  flf.  28,  176  flf.,  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  284  flf.  614  AT.,  Cubtius,  Z. 
Erit.  der  neuest.  Sprachforsch.  58  ff. 

Gegenüber  Formen  wie  etfim  (/?«cr-),  ^Ey^vfisvog  (ytvc-),  in  denen  ♦-c/tt- 
lautgesetzlich  zu  -ju-  vereinfacht  erscheint,  standen  zahlreiche  Formen  mit 
-(TjU-,  wie  rjfKpisaiiai^  tstekefffibvog,  i^dcfie^a;  dieses  (f  war  von  den  Formen 
mit  -crr-  wie  rjfiq>{€<rTai  übertragen  (vgl.  §  45.  56).  Umgekehrt  waren  ehm, 
sytyBvvto  durch  slfiM,  yäyevfAai  hervorgerufen,  gleichwie  xa^-iyrai  ^vrai 
durch  rjfiai  (§  108.  112).  näTtvtXfiat^  XeXafrfie&a,  x€xa(ffiävog  nicht  durch 
Übergang  von  -iJ^m-,  -ifi-  in  -cx/i-,  sondern  nach  Analogie  von  nänvaxai^ 
XäXaaxcci,  xäxaaxai  (Vf.  K.  Z.  24,  261,  M.  ü.  1,  81,  J.  Schmidt,  K.  Z. 
27,  313);  ebenso  laiksv  für  Idpiev  nach  Xa%8^  eventuell  unter  Mitwirkung 
von  Tjaiisv  (vgl.  §  137).  Von  Tj(iq>(€(fiim,  näjrvtrfAai  etc.  aus  wurden  die 
Ausgänge  -cr^tcae  -afAe&a  »^ff.iävog  weitergetragen:  niq^aanat  ns^pac^ävog^ 
IJL€(iiaafuci  u.  dgl.  Anlass  zu  dem  letzteren  Vorgange  gab  nach  Solmsen, 
K.  Z.  29,  116  f.  der  Umstand,  dass  einmal  Formen  wie  ^nä^a&€  *7r«- 
(pd<r&ai  bestanden  (vgl.  §  108.  146):  diese  glichen  den  Formen  wie  egi^- 
Qsiüd^e    €QrjQ€T(r&aty    M^taad'S   ij^fotr&ai,   und   so   schuf  man  ns^aaiiai  nach 

Zu  Tä-^v-aai  (so  wohl  bei  Homer  statt  des  tiberlieferten  ved-vätn,  vgl. 
§  115),  von  W.  gÄen-  (§  35)  herkommend  und  gebildet  wie  ai.  3.  f\.  ja-jn^tir, 
erwartet  man  als  1.  2.  pl.  Hs&afiev  He^ate,  wie  yeyafiev  von  ysv-;  das  v 
in  täd-va-  war  von  der  3.  pl.  herübergekommen,  ähnlich  wie  dqvcusi  statt 
"^dqaai  (§  71.  90).    Vf.  M.  U.  1,  63  f..  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  366  f. 

Auf  Grund  von  *T<t<tav^  laav  (fid-)  entsprang  iffffMi^  taaai,  dor.  ItravTi 
(über  das  crc  von  tccäci  Cürtius,  Vb.  2*,  157);  den  Anstoss  zu  dieser 
Formübertragung  gab  das  Nebeneinander  von  sor«  ria%ov  und  ictb  larov 
(vgl.  §  137a.).  Im  Herakl.  drang  <r  auch  ins  Medium:  ysyqdtpaxai.  Im 
Dor.  wurde  iaav%i  auf  gleiche  Linie  mit  iatavri  gezogen,  so  entsprang  die 
Flexion  taatu  etc.  (Vf.  C.  St.  9,  296,  M.  U.  3,  18  f.). 

Häufig  fand  Übertritt  in  die  Flexion  der  Praesentia  auf  -(o  statt. 
Dabei  ist  zu  berücksichtigen,  dass  der  Plusquamperfekttypus  ininhr}yov 
altüberkommen  war  (§  139),  so  dass  die  Formen  des  Konj.,  Opt.  etc.  nach 
der  d-Eonjugation  hier  direkte  Anknüpfung  hatten,  z.  B.  conj.  hom.  aQr]QT^ 
neben  eiäofiev  (§  142);  opt.   ßeßXrjxoi   neben  iatairjv  (§  145);    imper.   att. 


4.  Verbalflexion.  (§  134-137.)  167 

xexQayers  neben  xsxQaxd-i;  inf.  rhod.  y^yorav,  Pind.  xexXdSeiv;  part.  lesb. 
nsTiXrjQcixiov  (hom.  xexXrjyovreg) ,  böot.  pepvxovoiaeiavTMV  {(pxovofirjxoTfov)^ 
welches  letztere  von  einem  part.  auf  -i^-fws  ausging  (Blass,  Rh.  M.  36,  608) ; 
indic.  hom.  fiäfAßketai,  oQfiqsrai^  syrak.  oAwAw,  wohl  auch  ^x«  für  *^xa 
(OsTHOFP,  P.-Br.  B.  8,  290  f.,  Z.  G.  d.  F.  107.  382  f.,  Darbishibe,  Notes 
on  the  spir.  asp.  20  sq.).  Über  avfoya  ävcoyco  vgl.  Danielsson,  Nord, 
tidskr.  f.  filol.  (ny  rsekke)  7,  138  flf.,  wonach  das  Wort  zu  dv-ayo)  ge- 
hören würde. 

186.  Das  x-Perfekt.  Dass  das  Perfekt  auf  -xa  {3äd(oxa,  T€%ifirjxa) 
als  eine  umfänglichere  Formkategorie  griechische  Neuerung  war,  steht  fest. 
Über  den  Ausgangspunkt  der  Bildung  aber  sind  sehr  verschiedene  Mei- 
nungen geäussert  worden. 

AnmerkaDjg;.  Nach  Vf.  K.  Z.  25,  212  ff.  war  didtoxa  =  ai.  daddlia,  edtaxa  =  ai. 
ddäi-am  (praes.  däsii),  opt.  kypr.  duixoi  =  ai.  däiet  von  däi-  «verehren,  huldigend  etwas 
darbringen*.  Das  Nebeneinander  der  im  Gebrauch  allmählich  gleich  gewordenen  didtaxs 
und  Vecftti  =  ved.  d(idd  (vgl.  lat.  duim,  umbr.  pur-dovitu  von  W.  da%^  , verehren*  neben 
dare  Von  W.  dö-,  Obtboff,  M.  U.  4,  372)  gab  Anstoss  zu  imäxe  neben  *iaxtt  =  ved. 
tasthä  u.  8.  f.  Nach  Osthofp,  Z.  G.  d.  P.  324  ff.  Berl.  phil.  Wochenschr.  1885,  S.  1610, 
BuooB,  Bbzz.  B.  10,  117.  120  f.  enthielt  dedtaxs  ein  *dedü>  =  ai.  dadä  +  Partikel  xe  =  lat. 
ce  in  ee-do  ht-ce,  so  dass  es  ursprünglich  ,er  hat  hergegeben*  bedeutete,  ito-xe  =  ,er  hat 
hergesendet*.  Da  sich  der  Sinn  der  Partikel  verwischte  und  diStoxB  wie  eg^foye  etc.  em- 
pfanden wurde,  entsprangen  didtoxa  u.  s.  w.  Nach  F.  Habtmakn,  K.  Z.  28,  284  ff.  soll  nach 
Xdaxat  (aus  *Aax-(rxai)  :  XiXtjxa  zu  ßti-axo)  ein  ß^ßijxa  geschaffen  worden  sein.  Bartholomae 
hinwiederum  (K.  Z.  27,  355,  Bezz.  B.  12,  84)  setzt  i&tjxe  und  lat.  fecit  gleich;  k  sei  ein  Suffix 
gewesen»   das  zunächst  dem   Aorist    vokalisch   ausgehender   Wurzeln  zukam,    *e'dhe-k-i 

Sigmatischer  Aorist. 

136.  Anfügung  der  Personalendungen.  Diese  geschah,  wie  in 
den  andern  Sprachen,  von  Haus  aus  unmittelbar;  so  noch  {Sdeix^c-a, 
(W*ix)-o'-ay  =  idg.  'S'ipy  -s-nt  (vgl.  part.  (rff«x)-flr-avT-  =  -s-nt")  und  wahr- 
scheinlich auch  hom.  Xäxro  aus  ^lex-^-ro^  dqiievoq  aus  ^dq-a-iisvog  zu  ^^c«, 
näXxo  aus  *naX'-<f'To  zu  nfjXai,  vgl.  ai.  dnai-^-am,  dnäü^-ma,  dn^-^-ta  u. 
s.  w.  Vf.  C.  St.  9,  311  flf.,  M.  U.  3,  19,  J.  Schmidt,  K.  Z.  27,  320  flf. 
Diese  Anfügungs weise  wäre  ferner  durch  die  Formen  repräsentiert,  deren 
Personalendung  mit  ju  beginnt,  falls  Osthoff  (Z.  G.  d.  P.  407)  -(Safisv^ 
-aa^ed^a^  -aaiir^v  in  eisi^afisv  etc.  richtig  auf  -s-t^men  etc.  (§  21,  4)  zurück- 
führt. Jedenfalls  war  sonst  überall,  in  -<ra$,  -(raTe,  -aao  etc.,  das  a  ana- 
logisch eingedrungen.  Das  e  von  {ßSsixya-e  (für  älteres  *(Wfftx)-o'-r,  vgl. 
ved.  dnai^  aus  ♦anai-5-^)  wurde  dem  Perfekt  [old-B)  entlehnt  (Vf.  M.  U.  1, 
161,  OsTHOFF,  Z.  G.  d.  P.  412). 

137.  Anfügung  des  s  und  Vokalisation  der  Verbalstammsilbe, 
a.   Unmittelbarer  Antritt  des  s,   z.  B.  Sfxvtj^a,  iarij^a,  itei-ca, 

iSHx-aa,  i^€<r-<ra  [l^sad)^  vgl.  ai.  dya-sam  (ya-  „gehen*'),  dk^aip-sam  {k$ip- 
„werfen").  Über  das  in  Ifirrjca  etc.  scheinbar  lautgesetzwidrig  gebliebene  er 
s.  §  45;  in  el.  enoirja  war  -er-  erst  in  der  el.  Entwicklungsperiode  ge- 
schwunden (§  51  S.  66).  Über  das  Nebeneinander  von  ixe^tra,  ixehsa  und 
txBiQa,  oixsiXa  s.  §  45.  56.  Das  auffallende  arkad.  (fx^e'Qai  Collitz,  Gr.  D. 
n.    1222,   8    erklärt   Solmsen,   K.   Z.   29,   355    als    Angleichung    an    das 

Fut.    (fd-SQfO. 

Während  die  Aoriste  von  Stämmen  wie  /ivä-  X9^r  ^^^  ^^^^  Z^i*  ^^r 


Ißg  A.  GriechiBclie  Grammatik,    c)  Flexionslehre. 

sicher  ebenso  abstufungslos  waren  wie  die  Präsensklassen  1  c.  §  114,  2  b. 
§115  (vgl.  auch  12  b.  §  126),  ergeben  sich  für  die  abstufungsfahigen  Wur- 
zeln, wie  Ssix-  atä-,  durch  Vergleichung  mit  dem  Arischen  folgende  ur- 
sprüngliche Verhältnisse.  Ind.  sg.  *d^j^-s-,  *ff^j[-5-,  *t^'S'',  *n^iw-5-  = 
rf«x-<r-,  Tffi-(r-,  TeQTt-ff'  (§  26),  *vijji*(ju)-,  vgl.  ai.  draut-s-am^  abhar-^^am, 
äyd^s-am;  *€V€fiaa  (lesb.  ivefifiä  att.  ivsifia),  *ixT€v<ra  (att.  exrsivä)  waren 
Neubildungen  nach  dem  Aorist  der  Wurzeln  auf  ^,  A.  Ind.  pl.  du.  act. 
und  ind.  sg.  pl.  du.  med.  *dik'S-,  ^qir-s-,  *^fi^-s-,  *n^-s-,  vgl.  ai.  dnä-s4 
dgas-mahi.  Conj.  act.  med.  *deik'8~,  *qei'8-,  ^terp-s-,  *nem'S''  =  def^w^ 
reiffü),  T6QXp(Oy  vetfio),  vgl.  ai.  bhar-^^-a-t  S.  de  Saüssübe,  Mem.  191,  J. 
Schmidt,  K.  Z.  25,  600.  27,  320.  322,  Osthoff,  M.  U.  4,  37.  80.  390, 
P.-Br.  B.  8,  552,  Z.  G.  d.  P.  30.  206  f.  376,  Solmsen,  K.  Z.  29,  68  f., 
Babtholomae  ebend.  288  f.  Das  alte  Abstufungssystem  wurde  im  Griech. 
hauptsächlich  dadurch  gestört,  dass  die  Tiefstufenform  im  pl.  du.  act.  und 
im  ganzen  Medium  des  Indik.  beseitigt  wurde,  iiei^afiev  eiei^tifirjv  nach 
W«fa,  dfijw.  Doch  noch  hom.  fora-crav  (vgl.  ai.  3.  pl.  med.  dsthi-s-ata) 
neben  iarrfia. 

Ein  anderer  Rest  mit  Tiefstufenvokal  war  laav  und  gcav  (aus  *^-/?«o'av), 
und  wahrscheinlich  waren  auch  ffixov^  y^^V^,  B^itt^v,  icre  sigmatische 
Aoriste,  also  aus  ^tj/^itctov  (d.  i.  *iJ-/?«J-o'-tov)  etc.  entstanden  und  die  ur- 
sprüngliche Art  der  Anfttgung  der  Personalendungen  darstellend  (Osthoff, 
Z.  G.  d.  P.  397).  Das  lautliche  Zusammenfallen  dieser  Formen  mit  den 
ursprünglichen  Praeterita  zu  Tifi€Vy  iffre  {rjfrre  =  *^/?« J-c-t«  und  =  *r;/rr J-r«) 
führte  den  c-Aoristformen  ydea  etc.  (s.  u.)  ihre  Funktion  als  Praeter,  zu 
oJda  zu. 

Dass  die  Aoristbildung  denominativer  Verba  wie  ixiiirjCa^  (\ixrfia^ 
ififad^coaa  aus  vorgriechischer  Zeit  stammte,  ist  wahrscheinlich;  ihr  Bil- 
dungstypus war  der  von  ifivrjiya,  ^XQ^^^j  av-^yvwaa,  S.  §  123.  Jüngeren 
Ursprungs  war  vermutlich  der  <r-Aorist  von  Verba,  denen  Nomina  auf 
Yerschlusslaute,  Spiranten,  Liquidae  und  Nasale  zu  Grunde  lagen,  z.  B. 
häXea-aa  (iväkeaa)^  ixrjQvx-ffaj  hexrrjvdfirjv  (aus  ^iTexTav-tfafirp^  §  56.  58) 
u.  a.,  die  sich  mit  i^ea-aa^  Wax-ca,  ixreiva  etc.  vergleichen.  Bei  den 
Aoristen  zu  Präsentien  auf  -^(o  fanden  infolge  davon,  dass  in  diesem  Aus- 
gang -J-i(ü  und  'Y'j^ü)  zusammengefallen  waren,  mancherlei  Formübertra- 
gungen statt:  z.  B.  für  r^gna^a  (zu  ägitd^co,  dqnccy-)  wurde  auch  rjQnatra 
nach  idixaaa  gebildet,  und  für  idlxaaca  iiixaaa  (zu  dixd^to^  dixcci-)  auch 
idixa^a  nach  riqna^a\  besonders  verbreitete  sich  -Ja  auf  rf- Verba  im  Do- 
rischen und  Nordwestgriechischen.  S.  Caüeb,  Sprachwiss.  Abhandl.  127  flf., 
G.  Meyer,  Gr.  Gr.*  465  f.  Diese  selben  Formübertragungen  beim  <r-Futur, 
§  140. 

b.  Zwischen  Wurzel  und  -5- erscheint -9-.  r/rfea  =  *iJ-/?*Wf (<r)-a 
=  ai.  d'vMi^-am^  idg.  *(e-)?<eid-a-s-^,  1.  pl.  r^deifisv  =  ^fj-psidea^iiBv;  über 
den  Gebrauch  als  Plusquamperf.  s.  unter  a.^)     Der  Konj.  etdäio  eldta  =  ai. 


')  Was  Wackbrnaoel,  der  mit  mir  von 
von  -£(a)-a  ausgeht,  bestimmt,  zu  sagen,  fidea 
könne  kein  Aorist  von  m^'  sein,  weil  ein 
solcher  eben  nur  *^€iaa  lauten  könne  (PhiL 


Anz.  1887,  8.  240),  ist  mir  nicht  ganz  klar 
geworden.  Kennen  wir  denn  den  ursprQng- 
I*  "Hm  $  hinter  .Wurzelsilben* 

diiartigeB  UrteU  fUlen 


4.  Verbalflexion.  (§  138.) 


169 


vedi^ani  lat.  vldero,  Opt.  eidcTfisv  aus  V^irf-f-or-t-ufv  =  lat.  vtderTmus. 
Femer  att.  yeiv  und  das  bei  Homer  für  die  Unform  r^ta  doch  wohl  trotz 
Mekleb,  Beitr.  z.  Bild,  des  gr.  Verb.  67  zu  restituierende  f;«a,  ai.  3.  sg. 
med.  dy-i-^-fa,  idg.  1.  sg.  act.  *^-a-5-^.  r/«*y  stand  für  lautgesetzliches 
^^€iv  (intervokalisches  i  fiel  in  urgriech.  Zeit  aus,  §  12),  daher  fraglich, 
ob  bei  Homer  statt  j*«  vielmehr  ijea  zu  schreiben  sei.  Aus  -f«,  -eag^ 
-€€{v)  entstand  im  lon.-Att.  -ij,  -i;^,  '€i(v),  herakl.  3.  sg.  än-oXcikrj  mit 
'ij  =  -€€;  von  der  3.  sg.  auf  -*i(r)  und  der  1.  pl.  auf  -eifiev  ging  ei  auf 
die  andern  Personen  über,  daher  die  •  Flexion  r^deiv  (vgl.  tjv  statt  rya  ij 
§  112),  s'cffig,  jdfiT«  für  *gd«crT«  und  jrffficrorr  für  f^deaav,  welche  letztere 
Form  ihrerseits  Vorbild  zur  Schöpfung  von  yisfAsv  rjdszs  ward.  S.  Cürtiüs, 
Vb.  2«  262  f.,  Wackebnagel,  K.  Z.  25,  265  f.  29,*  126,  Vf.  M.  U.  3,  16  flf. 
24  f.,  OsTHOFP,  Z.  G.  d.  P.  397.  Die  von  Mekler  a.  0.  84  flf.  in  Anknüpfung 
an  FicK,  Gott.  gel.  Anz.  1881  S.  1430  flf.  entwickelte  Theorie,  der  zufolge 
jrf*«  aus  *fjf!€iS€j^ay  dem  Aorist  eines  Verbums  *f:€iS€/^(ay  entstanden  war, 
überzeugt  mich  gar  nicht. 

Osthoff  a.  0.  vermutet  ansprechend,  dass  -o-s  statt  -s-  im  Indikativ 
ursprünglich  auf  die  starken  Formen  (sg.  act.)  beschränkt  war,  sodass 
♦«-/?«rf-*a,  '€agj  -€€^  e-fucfiev,  i-pttgre  u.  s.  w.  die  ursprüngliche  Flexions- 
weise darstellen  würde. 

138.  Neuerungen  durch  Formübertragung.  Ausser  den  in  den 
letzten  §§  erwähnten  Neuerungen  dieser  Art  sind  noch  zwei  namhaft  zu 
machen : 

1.  Wo  der  Aoristcharakter  scheinbar  -(sa-  war,  wie  mxaXtaaai^oXäaaai^ 
ikdaaaij  hatte  vielleicht  Formübertragung  von  Stämmen  auf  a  oder  auf 
dentalen  Verschlusslaut  {^taaai^  xiXtaaca,  iqäcaai,  dixdaaai  u.  a.)  statt- 
gefunden; der  Anlass  zu  dieser  Übertragimg  ist  freilich  unklar.  Vgl. 
Leskien,  C.  St.  2,  67  flf.,  Vf.  M.  ü.  3,  83  flf.,  Solmsen,  K.  Z.  29,  105. 
Andere,  mir  unwahrscheinliche  Erklärungen  dieser  Formen  bespricht  Fböhde, 
Bezz.  B.  9,  115  flf.     S.  jetzt  auch  Johansson,  De  der.  verb.  207  sqq. 

2.  Umbildung  nach  der  Analogie  der  thematischen  Konjugation  in  dop- 
pelter Weise: 

a.  Durch  Einfügung  von  -o-,  -«-,  z.  B.  hom.  ^i^ov^  ßrjaero,  Xä^eo;  den 
Anstoss  gab  das  -s  der  3.  sg.,  i^s  :  ixe  (Vf.  C.  St.  9,  313  f.).  Dass  ion.- 
att.  ijteaov  nicht  hierher  gehörte,  zeigen  Hartmann,  De  aor.  sec.  66  und 
Wackebnagel,  K.  Z.  30,  313  flf.') 


zo  dürfen?  Und  wenn  auch  «Wurzeln*^  wie 
^ejd-  nicht  die  ältesten  waren,  die  9  hatten, 
konnte  ihnen  dieser  Vokal  nicht  schon  im 
Uridg.  analogisch  zngehracht  worden  sein, 
wie  solches  Wackebnagel,  wenn  ich  ihn  recht 
verstehe,  doch  für  duhi-tär-  ^=  ^vya-rtjQ  an- 
erkennen müsste? 

*)  Wackebnagel  Iftsst  das  a  von  hieaoy 
(der.  ftol.  m^xoy)  von  ncaovfÄm  herüherge- 
kommen  sein  und  nimmt  an,  in  *n€reofiai 
sd  t  vor  e  in  (T  ilhergegangen.  Warum 
wird  dann  das  a  von  hteaoy  nicht  unmittel- 


barer aus  eneteg  etc.  gedeutet?  Dass  bei 
Homer  nie  ineaaoy  erscheint,  wie  man  bei 
der  früheren  Deutung  von  eneaoy  notwendig 
erwarten  müsste,  ist  allerdings  auffallend. 
Aber  viel  eher  glaube  ich,  dass  bei  Homer 
durchgängig  ineroy  gestanden  hatte  und  dies 
durch  die  spätere,  nach  neaov/ÄM  =  *net- 
acofÄtti  geschehene  Neubildung  eneaoy  ver- 
drängt; worden  ist,  als  dass  ich  mich  mit 
W ackebnagel's  neuem  Lautgesetz  befreunden 
kann. 


170 


A.  Oriechisohe  Ghrammatik.    c)  FlexionBlehre. 


b.  Durch  Bildung  des  opt.  -ifaifAi  nach  dem  Vorbild  -oe^ii«,  statt  ♦-criijv 
(§  145,  1). 

Plusquamperfekt. 

139.  Die  als  Praet.  zum  Perf.  fungierenden  Formen  waren  viererlei  Art. 

1.  YsycertjVf  €7i€7iix^iA€v,  i*(TTafi€V,  Tsxvy^rjv  wie  pf.  y^ya-jUfv,  texqdtfa^sv. 
Vgl.  ai.  3.  sg.  d'du-drö't  von  dru-  „laufen". 

2.  ifiäfAtjxov,  avcoyov  wie  avüiyco  (§  134).  Im  Bildungsprinzip  kam 
dieses  Plusquamperfekt  mit  unserer  reduplizierten  Präsensstammklasse  6  b, 
wie  TSTaQTieTo  (§  120),  überein,  und  es  ist  hie  und  da  nicht  sicher  zu  ent- 
scheiden, zu  welcher  von  beiden  Kategorien  man  eine  Form  zählen  soll, 
z.  B.  €7i6'nXrjYov,  XsXdxovto  (Cubtiüs,  Vb.  2^  24  f*).  Durch  sein  x  war 
€7i€(pvxov  als  Plusquamp.  deutlich  charakterisiert.  Ob  man  diese  griech. 
Plusquamperf.  mit  Mekler,  Beitr.  z.  Bild,  des  gr.  Verb.  46  ff.  als  einen 
aus  idg.  Urzeit  ererbten  Typus  anzusehen  habe  (vgl.  ai.  an-ar^-a-f),  bleibt 
fraglich. 

3.  fjisa,  itrav,  Aoristformen,  §  137  b. 

4.  n€7ioid'€a,  inenoi&eiv;  iarrjxeiv.  Diese  Bildung  hatte  den  Ausgang 
des  s-Aoristes,  war  also  gleichsam  ein  Aorist  vom  Perfektstamm.  Ob  sie 
griech.  Neuerung  war  (nach  f^dsa)  oder  aus  vorgriechischer  Zeit  ererbt, 
ist  strittig.  S.  Mahlow,  K.  Z.  26,  583,  Vf.  Ber.  d.  sächs.  G.  d.  Wiss.  1883 
S.  178  f. 

SigmaÜBches  Fatamm. 

140.  Drei  Bildungstypen. 

1.  Verbalstamm  +  0*0:0**.  Trstxfofiai,  rf^/Jw,  dwtfw^  ^rrjaw^  vgl. 
ai.  bhötsyd'tö  „wird  erwachen",  lit.  dusiu  „werde  geben **;  yvw(Sonat^  /inyc«, 
vgl.  ai.  jna^syämi  „werde  erkennen**;  rfAtfC-ceo,  xrjgvx'^coy  tißijtrco,  iovXciaco; 
fiiyt^ffofiai,  Xv&rj'(fofiai  (dor.  mit  Aktivendung  (pavrjaeTv,  (rvvaxd^rjtrovt'riy 
§  150)  zu  iiiiyrj-v^  iXvx^rj-Vj  wie  yvd-ßoiiai,  ^ßrj-ao^ai,  zu  ^yvw-v,  faßrj-v  (§  114). 

Das  intervokalische  (f  in  ioiaco  u.  s.  w.  ist  entsprechend  dem  in 
itrrrjtra  (§  137  a.)  aufzufassen;  okeaata  wie  oXäatsai  (§  138). 

2.  Wurzel  -\-  s,  a,  0  (=  9)  -\-  (to  :  c«,  tsväta  aus  Hsv-s-^m,  woraus 
dor.  T€vi(a  (§  18),  att.  tsvü  (§  17),  ebenso  gtO-egäo),  (p&€Qi(o,  y^f^oJ;  vgl. 
ai.  tan-i'^f/ämi  =  r^rcS.  Danach  auch  die  abgeleiteten  Verba  auf  Nasal 
und  Liquida,  z.  B.  &avfiavö5,  xad-agto,  ayyeXw.  In  einer  Anzahl  von  Verben 
gehörte  9  («,  a,  0)  dem  ganzen  Verbalsystem  an  (Wurzeln  auf  p),  z.  B. 
oAc-o)  6X(ü  (vgl.  oXh-aaaiy  oXs-xr^Q),  xQsfid^u)  .xQ€fi(S,  ofio-ofiai  ofAovfiai  (vgl, 
CüRTius,  Vb.  2  2,  328).     oXäw  :  oXäaw  =  lösa  :  äXeaa.     Vf.  M.  ü.  3,  83  ff. 

'3.  Verbalstamm  +  aso  :  ass  („fut.  doricum"),  z.  B.  delph.  TtQO^eu), 
kret/ ßoa^rjfTioo,  att.  (psv^ovfiai,^)  Dieser  Typus  war  griechische  Neuerung 
und  entstand  durch  Umbildung  von  1.  nach  2.  S.  Osthoff,  V.  i.  d.  Nc. 
333  ff.,  M.  U.  2,  41.  Anders,  aber  mich  nicht  überzeugend,  Mahlow,  K. 
Z.  26,  586,  Johansson,  De  der.  verb.  209. 

Über   avTidio    arrm^   xofiiäoa   xofiüoy  reXäto  rsXä   u.    dgl.    sowie   über 


*)  Waokebnaobl,  K.  Z.  30,  315  leugnet 
diesen  Bildungstypiis  für  das  ion.  att.  Sprach- 
gebiet.   Es  geschieht   das  aber  seiner  Er* 


klAnmff  der  Furm  natnSiim  mm  ^999  fim  wa- 
Hell.  diA  »**^  n  halten 


4.  VerbalflexioxL  (§  139-142)  171 

äfAg>iS  neben  ainpidaw  s.  Osthoff,  V.  i.  d.  Nc.  330  flf.,  G.  Meyer,  Gr.  Gr.* 
471,  Vf.  M.  U.  3,  59.  85. 

Anm.  Dass  alle  Futara  (1—3)  auf  griech.  Grundformen  mit  *-<riai  =  ai.  -ayä-mi 
lit  'Hu  zurückgehen,  ist  nicht  so  sicher  als  gewöhnlich  geglaubt  wird.  Von  dem  i  hinter 
<r  ist  im  Griechischen  bis  jetzt  noch  keine  Spur  nachgewiesen.  Möglicherweise  waren  die 
unter  dem  Namen  Futurum  gehenden  Formen  teils  Bildungen  mit  *-8iO'  -sie-,  teils  Kon- 
junktive des  tf-Aorists  (§  163).  Vgl.  Vf.  M.  U.  3,  58  flf ,  G.  Meybb,  Gr.  Gr.«  473  f., 
JoBAHBSON,  De  der.  verb.  203  sqq. 

Futurformen  wie  dquäfsta  und  dor.  dixa^äco  stellen  sich  entsprechenden 
cr-Aoristen  zur  Seite,  s.  §  137  a  S.  168. 

141.  Futura  vom  Perfektstamm  waren  Formen  wie  hom.  xexocQr^'tre'fisvj 
att.  «cxrijx-ö"cr),  rex^vr^x-^rco  (auch  Med.  nach  der  Analogie  des  Fut.  I),  med. 
/A€fivij^ofAai,  XeXsin-aofiai  u.  s.  w.  Futura  vom  Passivaorist,  wie  ^lyr}- 
ffofMai^  darj-ao^ai,,  Xv&r^-(Tofiat,  im  Dor.  mit  aktivischer  Personalendung, 
wie  äva-ygaffi^-CH  oder  -yQ^^V^^^f  aw-ax^r^omti.  Seltner  von  andern 
Tempusstammen  aus,  wie  nenid^tSfa  zum  thematischen  Aorist,  hom.  iiioitrco 
zum  Präsens. 

Bildung  der  Modi. 

142.  Konjunktiv.     Zwei  altüberkommene  Bildungskategorien-: 

1.  Suffix  -0-,  -c-,  wenn  der  Indik.  ohne  thematischen  Vokal  war, 
z.  B.  hom.  aX'€'Tai  {aX-to),  igiaa-o^iiev  {iQvaa-a),  nenoi^-o-fiev  (inenix^- 
]»«>')  5  vgl.  ai.  han-a-ti,  indic.  Äan-^i  „erschlägt".  Mit  Stämmen  auf  Vokale 
war  o,  e  seit  idg.  Urzeit  kontrahiert:  daher  arkad.  IlrTöro«,  kret.  avavrai 
näniHai  (vgl.  aor.  naar/cai),  messen.  Tf&rjvri  yQaffrivxi  u.  dgl.,  s.  Vf.  M. 
U.  1,  8,  Osthoff,  2,  115.  117.  122,  Spitzer,  L.  d.  a.  D.  39  f.,  G.  Meyer, 
Gr.  Gr.*  501,  Johansson,  De  der.  verb.  69  (anders,  aber  mich  nicht  über- 
zeugend, Mekler,  Beitr.  33).  Die  stammabstufenden  Präsentien  und  Aoriste 
hatten  starke  Stammform  und  zwar  1.  Hochstufe,  z.  B.  ^m  =  ai.  ds-ani, 
lat.  er-o  von  es-,  s-.  Ebenso  der  conj.  pf.,  hom.  sti-o-fiev  gegenüber  o?ia  : 
idfiev  (§  132),  und  der  conj.  des  c-Aorists,  z.  B.  dei^oo  (§  137  a). 

Dieses  im  allgemeinen  die  aus  der  idg.  Grundsprache  mitgebrachten 
Bildungsprinzipien.  Schon  von  Homer  an  gingen  diese  Konjunktive  in  die 
Analogie  von  2.  über,  z.  B.  aXrjzaiy  nbiixpvDiiev,  eine  Neuerung,  die  bei  dem 
gleichen  Ausgang  der  1.  sg.  nahe  lag  und  dadurch  unterstützt  wurde,  dass 
die  Formen  mit  i;,  w  als  Konjunktivformen  klarer  waren  als  die  Formen 
mit  €,  o.  Doch  erscheinen  im  lon.-Att.  auch  noch  nach  Homer  Formen 
mit  *,  o.  In  der  3.  sg.  auf  Inschriften  des  5.  Jahrh.  von  Ephesos,  Teos 
und  Chios  -««,  wie  anoxQvipsi,  neben  i^-sXrj^  und  in  der  3.  pl.  nqrj^oKttv  neben 
Idßtptnv^  letztere  Formen  mit  i  durch  lesbischen  Einfluss,  s.  W.  Schulze, 
Hermes  20,  491  flf.,  Bechtel,  Inschr.  des  ion.  Dial.  90  f.  107.  110.  138. 
Femer  hielt  sich  die  alte  Formation  in  den  als  Futura  gebrauchten  Kon- 
jonktiven  idofim  (vgl.  ^ifievai),  mofiai  (vgl.  md^i  und  die  2.  sg.  mg  in 
imperativischem  Sinne  in  einer  att.  Vaseninschrift:  x^^Q^y  *«*  ^''B>  s-  §  165), 
Xäm  ans  *x^/?«  {h^^f  h^^^)f  s.  Vf.  M.  U.  3,  32.^)  Ausserdem  im  Kret. 
8.  8g.  iff^ff»  neben  j,  Tervdxtj,  s.  J.  Baünack,  Stud.  1,  1  f.  247.  Die 
adirfnlMMr  sehr  altertümlichen  Formen  wie  (rri^ojUf v,  d^r^ofiev,  ioiofievy  xixrfi- 

\   hier  mit  herangezogene  xaxxeioyjeg  s.  Waokkbnaosl,  K.  Z.  28,  144  f. 


172  •^*  Griechische  Orammatik.    c)  Flexionslehre. 

fi€v,  TgaT^rjoficv,  yvciofiev  (und  mit  Eindringen  des  langen  Konjunktivvokals 
(TTijTjg,  <rT7](i)fX€v  u.  dgl.)  neben  ark.  laxaroi  u.  dgl.  waren  Neubildungen 
(§  17).  Die  Vokalisation  der  Wurzelsilbe  kam  oft  durch  Formübertragung 
aus  dem  alten  Geleise,  z.  B.  ?(»  (att.  iwiiev)  für  *«'(i)"^>  ebenso  hom. 
(p&{€Tai  für  *(p&€{i)'€'Tai;  hom.  iofi€v  hatte  nach  Analogie  von  idofisv  etc. 
langen  Vokal  angenommen  (anders  Osthoff,  M.  ü.  4,  53);  hom.  n€no(x)^of.i€v 
{Wr^Ttenei^ofAsv^  wenn  eiiofiev  den  alten  Bildungstypus  darstellt  (§  132),  u.  s.  w. 
2.  Suffix  (ö,  rj,  wo  der  Indik.  den  thematischen  Vokal  hatte: 
ifäQüüixev  (päQTjTSy  löoa^ev  tirjrs;  vgl.  ai.  2.  pl.  hhdratha,  viddtha.  Nicht  laut- 
gesetzlich war  die  Vokallänge  in  (pägtavti  {(päQ(o<ft)^  (päQcovrm  (s.  §  26). 
Über  das  Verhältnis  dieser  Konjunktivkategorie  zu  lat.  ferä-  (feros)^  aksl. 
lera  =  uridg.  *lhera-m  und  lat.  ferE-  (ferEs),  s.  Schradeb,  C.  St.  10, 
306*  f.,  Vf.  M.  U.  1,  145.  3,  30  f..  Osthoff,  M.  U.  2,  123  «F.,  Thurneysen, 
Bezz.  B.  8,  269,  Henry,  Esquisses  morphologiques  3,  Douai  1885,  Job, 
Mem.  d.  1.  S.  d.  1.  6,  347  flf. 

143.  Injunktiv  (auch  «unechter  Konjunktiv'  genannt).  Von  diesem 
idg.  Modus,  dessen  Formen  sich  mit  denen  des  dazu  gehörigen  augmen- 
tierteü  Indik.  nach  Abzug  des  Augments  deckten,  kamen  im  Griech.  die 
2.  sg.  pl.  du.  und  die  3.  du.  vor  mit  imperativischer  Bedeutung,  z.  B. 
^X'^''9j  «V"^-55  ^og  (für  *rfco5  nach  date  u.  s.  w.;  vgl.  xaT-äxtd  für  *'€xt€v{t) 
§  112),  vgl.  ai.  hhdras,  dds;  (pägeve^  rfor«,  dei^ccre,  vgl.  ai.  bhdrata;  ^ägerov, 
vgl.  ai.  hhdratam;  das  äusserst  seltene  (psQärcov  (vgl.  ai.  hhdrcUam)  stand 
für  *ff€Q€T&v  durch  Angleichung  an  die  Formen  auf  -ra)(rf)  (§  144).  Med. 
ifdo,  x^€o  &0V,  if€Q€o  ^€Qov,  (pd<f^€  u.  s.  w.  Benfey,  Eurzo  Sanskr.-Gramm. 
89  f.,  Delbrück,  S.  F.  4,  68,  Vf.  M.  U.  3,  1  flf.,  Osthoff,  M.  U.  4,  254  flf., 
Thurneysen,  K.  Z.  27,  172  S. 

144.  Imperativ.  Ausschliesslich  imperativisch  waren  von  idg.  Zeit 
her  folgende  Formationen: 

1.  Die  2.  sg.  (päQ€f  ai.  bhdra^  idg.  *hhere.  Diese  Form  entbehrte 
ebenso  der  Personalendung,  wie  Inns  des  Kasuszeichens,  lit,  Xaßä  etc. 
hatten,  wie  die  Formen  des  Verb,  infinitum,  den  idg.  Accent  fest  gehalten 
(§  67  S.  85).  Von  gleicher  Art  waren  die  2.  sg.  ofivv^  att.  Itrrrj  dor.  lifTa, 
äol.  epir.  nw  u.  a.  Es  scheint  Zusammenhang  mit  lat.  ce-do  „gib  her**  aus 
*dö  und  den  ai.  Formen  wie  kur-u  i^-nu  bestanden  zu  haben.  Griechische 
Neubildungen  nach  der  Analogie  der  i'o-Klasse  waren  ofivve^  xad^-iffTü  (dor. 
TeXTry),  t(&€&,  iiiov,  str-ßa  (dor.  efi'ßirj)  u.  a.,  s.  §  115  a.  116. 

2.  Die  2.  sg.  auf  '&i  der  themavokallosen  Stämme,  mit  schwacher 
Stammform,  i'&i,  deidi-x^i  {iädfu-x^i)^  ofAvi-x^i,  vgl.  ai.  ihi  (idg.  *i-dÄf),  ved. 
Sf^-nu-dhi,  Ob  -dhi  etymologisch  eine  Personalendung  so  wie  -iwi  -st  etc. 
war,  oder  eine  angefügte  Partikel,  ai.  dhi  (Nebenform  von  adhi),  wofür  das 
Nebeneinander  von  S^nu--hi  und  Spiü  spricht  (vgl.  Thurneysen,  K.  Z.  27, 
180),  oder  ob  es  mit  dem  InfinitivsufSx  -v^ai,  ai.  -dhyai  (§  146,  1)  zu- 
sammenhing, so  dass  in  den  Formen  auf  -dhi  imperativisch  fungierende 
Infinitive  vorlägen  (Ludwig,  Inf.  im  Veda  135),  ist  unklar. 

3.  Die  Formen  auf  -t«,  lat.  -töd,  -tö,  ai.  -tad,  idg.  ^-töd,  fungierten, 
wie  der  Gebrauch  in  den  verschiedenen  Sprachen   lehrt,   ursprünglich   als 


4.  Verbalflexion.  (§  143-145). 


173 


2.  und  3.  Person  sg.  und  pl.  und  enthielten  demnach  in  -töd  keine  Personal- 
endung. Von  den  verschiedenen  Erklärungen  ist  die  wahrscheinlichste  die 
von  Gaedicke  (Accus,  im  Veda  225,  vgl.  auch  Thurneysen,  K.  Z.  27, 
179  f.),  nach  welcher  idg.  *bhere^töd  aus  dem  Verbalstamm  und  Partikel  *töd 
(,von  da  an,  dann*,  abl.)  bestand.  Als  2.  sg.  erscheint  diese  Formation 
in  il&sxfü-g  '  cn^rl  rov  ikO^e  .  2aXafiivioi  (Hesychius),  durch  angefügtes  -g 
(nach  A'rfcö-g,  ex«-?  etc.)  als  2.  sg.  charakterisiert  (Vf.  K.  Z.  24,  75).  Nach 
dem  Verhältnis  ifBQste  :  tfäqitSx^e  und  ähnl.  schufen  sich  die  Griechen  ein 
mediales  -cr^eo.i)  In  der  Funktion  als  3.  pl.  wurden  die  Formen  auf  -rw, 
-cr^«  in  den  verschiedenen  Mundarten  auf  verschiedene  Weise  pluralisch 
charakterisiert:  (feghTw-v,  (pegäTw-frav,  ipegovroo  (vgl.  lat.  feruntö),  (psgovrco-v^ 
^govTOHffav;  (ffSQätrd-co'V^  g)€Qä(r&a)'(rav,  y^poCi^o),  yf^oc^oö-r  (aus  *(p€Qov(fd'(i)y 
*g>€Qov<f&oihVf  §  55),  vgl.  die  Zusammenstellungen  bei  G.  Meyer,  Gr.  Gr.* 
498  flf.*)  Das  als  3.  pl.  fungierende  korkyr.  fpsQttsd^w^  das  ich  M.  U.  1,  172 
als  Zeugnis  für  den  Sprachzustand  in  Anspruch  nahm,  wo  die  Formen  wie 
ipsQixu}  noch  zugleich  pluralisch  verwandt  werden  konnten,  lässt  auch  die 
Deutung  zu,  dass  das  formale  Zusammenfallen  von  iiioad-fo  3.  sg.  und 
iiiia&w  aus  *diiov(rx^a)  3.  pl.  den  Gebrauch  der  3.  sg.  ifegtad-w  auch  als 
3.  pl.  hervorrief  (Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  595  f.).  Die  auf  einer  jungen  böot. 
und  einer  jungen  phok.  Inschrift  vorliegenden  Medial-  und  Passivformen 
tctdv&w  und  ttrrdv^iov  (Blass,  Rhein.  Mus.  36,  610)  waren  Neubildungen 
für  lcrTtto'^ft)(r)  mit  Anlehnung  an  die  Aktivformen,  um  die  3.  pl.  als  solche 
deutlicher  zu  charakterisieren.^)  Auffallend  sind  lesb.  (pägovrovy  (ftQsa^ov; 
möglich  ist  (vgl.  die  überlieferten  Endungen  der  3.  pl.,  Meister,  Gr.  D.  1, 187), 
dass  in  ihnen  Umbildungen  von  *(fSQo\^(a(Sav ,  *(f€Q€a&(ü(rav  nach  iyvov  : 
eyvwaav  u.  dgl.  vorliegen;  anders  Thurneysen,  K.  Z.  27,  175  und  Prellwitz, 
De  dial.  Thessal.  56,  der  (ptQ€a&ov  für  eine  pluralisch  gebrauchte  Dualform 
und  ^eQovTov  für  eine  pluralische  Umgestaltung  der  Dualform  (ptgsrov  hält. 
Über  -Tcö  {-Hr&u))  im  allgemeinen  Scherer,  Zur  Gesch.  d.  deutsch.  Spr.*  389  f., 
Vf.  M.  U.  1,  163  flf..   Osthoff,    Ztschr.  f.  österr.  Gymn.  1880  S.  64  flf. 

tJber  den  Ursprung  von  zwei  Imperativformen  bestehen  nur  unsichere 
Vermutungen:  1.  isT^ov^  syrak.  Xdßov,  s.  Vf.  Bezz.  B.  2,  250,  Thurn- 
eysen, K.  Z.  27,  175,  Pezzi,  L.  1.  gr.  ant.  250;  2.  iei^ai,  s.  Thurneysen, 
a.  O.  178,  Bezzenberger,  Gott.  gel.  Anz.  1887  S.  428  (jedenfalls  verfehlt 
ist  Pezzi's  Deutung  von  -aai  S.  249  f.). 

145.  Optativ.  Zwei  altüberkommene  Bildungskategorien: 
1.  Suffix  -{^-  -ii^'  (sg.  act.):  -t-  (pl.  du.  act.  und  sg.  pl.  du.  med.), 
wo  der  Indik.  ohne  thematischen  Vokal  war,  z.  B.  ettjv  :  sl^sv^  urgriech. 
*«V-|ij-v  (vgl.  §  12) :  *ia'i'fi€Vy  vgl.  lat.  siem  aus  ^s-i^-m  :  s-f-mas,  ai.  s-yd-m 
(§  112).  3.  pl.  urgriech.  *€lav  aus  *€or-i-ai'(T)  =  idg.  *{e)S'i'nt;  dafür  die 
Neubildung  ehv  (§  21,  2.  107.  112).  Kypr.  (pv^i].  x^€irjv  war  Umbildung 
von  *^«(i)r/r  nach  d-eifiev  (vgl.  lesb.  Xaxor^v  und  §  12),  yvoirjv   eine   solche 


*)  In  ähnlicher  Weise  bildeten  die  La- 
teiner ein  mediales  -minö  nach  -tö,  Vf.  M. 
U.  1,  168  ff. 

')  Ffir  verfehlt  halte  ich  Bezzeivbebobb's 
Opposition  Gott  gel.  Anz.  1887,  S.  429. 


^)  Im  Böot.  hatte  freilich  auch  die  Aktiv- 
form, wie  sonst,  ^  statt  t  bekommen,  so  z. 
B.  ay-yQaxptty&a),  und  dieses  ^  stammte  viel- 
leicht aus  dem  Medium  (s.  S.  146,  Fussn.  1). 


174  ^*  Griechische  Grammatik,    c)  Flexionalehre. 

von  *yra)(i))jy  nach  yvoTuev  (§  114).  Ti^ehjv,  di6o(rjv  für  ^Ti&'irp^'j  *iii'irjv 
(vgl.  ai.  dadhydm,  dadyäm),  wie  Ti^e-fisv  für  Hi^fiev  (§  115);  auch  die 
Betonung  erweist  ri&sTfAev,  didoT^ev  als  unursprüngliche  Formen,  sie  zeigt, 
dass  diese  Optative  der  Analogie  von  naQ-sirjv  elds(r^  folgten,  deren  pl. 
7TaQ-€Tf.i€v  eldeXixsVy  als  aus  *naQ'€(r'irfi€v  "^eliätr-i-fiev  entstanden,  organischen 
Zirkumflex  hatte  (Wackernagel,  K.  Z.  27,  88).  Med.  xux^-yro,  das  freilich 
nicht  ganz  sicher  steht  (Curtius,  Vb.  2*,  107),  aus  ^ifi-i-xo^  dasselbe  i  in 
den  Neubildungen  fisfivyfArjv,  xsxTr^firp'  (lautgesetzlich  wären  *fi€fiva{firp', 
*x€XTfifirj^').  Ein  alter  Opt.  des  s-Aorists  war  das  eben  erwähnte  eldeir^v 
€ti€ifi€v  (8  137,  b).  Ob  kiriv  (T  209)  direkte  Verbindung  mit  yeiv  für 
^^k-s-aa  (§  137,  b)  hatte  und  demnach,  für  *&-{r-iijv  stehend,  ebenfalls 
noch  die  alte  Optativbildung  des  s-Aoristes  war,  oder  ob  es  Neubildung 
nach  etieirjv  war  (vgl.  l-evai  :  sld-tvai)^  so  wie  iedmrjv  (Plato)  sicher  nach 
slisitjv  geschaffen  war  (vgl.  Seii-ävai :  eti-evai),  bleibt  zweifelhaft,  iei^aifii 
iei^aig  u.  s.  w.  war  Neuschöpfung  nach  dem  Muster  von  -oini  -oig^  die 
leicht  aufkommen  konnt-e,  als  das  a  des  c-Aoristes  weitere  Ausdehnung 
gewonnen  hatte  und  gewissermassen  zum  thematischen  Vokal  dieses  Tempus 
geworden  war  (Vf.  C.  St.  9,  313).  Die  Form  iei^eiav  Jvertrat  ^ieix-trstr- 
(-ar,  im  Ausgang  wie  ^ia-ßrccv  (s.  o.)  gebildet  und  dem  lat.  dtxer^mus  aus 
♦deic-sis-f-wMS  vergleichbar;  nach  ihr  wurden  dei^suxq^  dsi^eis  geschaffen 
(Vf.  M.  U.  3,  64  f.,  Osthopf,  M.  ü.  4,  295,  G.  Meyer,  Gr.  Gr.«  508  f.). 
Über  die  arkad.  3.  sg.  opt.  diaxwXvaei  s.  Curtius,  Vb.  2*,  293,  Vf.  M.  U. 
3,  66  f.  159,  Spitzer,  L.  d.  a.  D.  59  f.  Ein  alter  perfektischer  Opt.  war 
ifTtairpfy  nur  dass  im  sg.  das  i  nach  itrratfxev  neu  eingefügt  worden  war. 

Vom  sg.  aus  ging  -«j-  oft  in  den  pl.  und  du.  über^  z.  B.  sTrjfisv  für 
elfisy  nach  «fjjr. 

Umbildung  nach  2.:   z.  B.   hom.  ioi,  herod.   vno&äoixo^   allgemeingr. 

7l€q>€VyOl  u.   s.   w. 

2.  Suffix  -jf-,  wenn  der  Indik.  den  thematischen  Vokal  hatte,  ^egotg^ 
i6oig,  vgl.  ai.  hhdre^,  vide^,  idg.  *bherois,  *^idöis.  Dieses  Suffix  ist  mit 
dem  der  themavokallosen  Tempusstämme  leicht  zu  vereinigen,  wenn  man 
mit  Bopp  (Über  das  Conjugationssyst.  15)  *bherois  =  Hhero-t-s  setzt. 

Umbildung  nach  1.:  z.  B.  (fx^itjv,  q>iXoirjv  infolge  der  Übereinstimmung 
von  axoifiev,  ^iXotfisv  (aus  (piXt'oifier)  mit  ioTficv,  iidoT/jisv  (Osthoff,  M.  U. 
2,  118,  Wackernagel,  K.  Z.  27,  88). 

Bildung  der  Infinitive  und  Partizipien. 

146.  Die  Infinitive  der  idg.  Sprachen  sind  erstarrte  Kasus  von 
Nomina  actionis.  Vertreten  waren  im  Griech.  der  Dat.,  z.  B.  io-fiev-ai  (§  81), 
und  der  Lok.,  z.  B.  do-^iev  (§  82),  zugleich  auch  der  Akk.,  falls  syi'ak. 
Xaßov  für  Xaßä  (§  144)   eine  imperativisch   gebrauchte  Infinitivform  war. 

1.  'd^ai  :  rjtr'd'aiy  nenvff^ai.  Vgl.  ai.  -dhyai,  mit  welcher  Endung 
'd-ai  indessen  nur  entfernter  zusammenhing.  -(T'&ai  wie  -cr-^«  (§  108). 
Ob  ianaQxhai  iardX&ai  aus  ^ianaQ(Sx)'ai  ^iataXad^ai  hervorgegangen  war 
oder  noch  die  alte  c-lose  Form  der  Endung  hatte,  ist  fraglich  (vgl.  iarvagO^e 
§  108).  7r€(fdv&ai,  das  jedenfalls  nicht  aus  "^neifavcx^ai  entstanden  war, 
wie  J.  Schmidt,   K.    Z.   27,  319   will,   dürfte   Neubildung  nach   iandqdai 


4.  Verbalflexion.  (§  146.) 


175 


gewesen  sein,  vgl.  §  108  über  nhipavd-e.  Den  medialen  Sinn  bekam  die 
Endung  erst  infolge  der  an  -i5^«  (-c-^*)  u.  s.  w.  erinnernden  äusseren 
G^talt  (Delbrück,  S.  F.  4,  123).  Thess.  itsatax^eiv  für  iaaead^ai  wie 
yqäxpsiv  für  yqdipai  (unten  6);  «  =  a*  §  15. 

2.  -fiev-ai  dat.  hom.,  lesb.:  Td'fxev-ai  =  ai.  md-mdn-e^  iifisvaiy  C^vy 
vvfievcUf  iofiievai,  yvoifxevaiy  iarjfisvaiy  iffTccfievai,  dsMfievai,  iXO-efievai, 
a^ifisvai.  -/ifv  loc.  (vgl.  ai.  loc.  kdr-man,  s.  §  82)  homerisch  und  vieler- 
orts sonst,  z.  B.  hom.  W/itv,  tfifjiev  (kret.  el.  r^fiev^  nordwestgr.  elfiev)^ 
o^vfievy  do^BV,  ifTTccfiev,  dyäiisVj  iXd^äfiev,  ä^e'fiev.  Umbildung  von  -fJiiv 
nach  ^äQ-civ  war  rhod.  -fieiv,  z.  B.  ^ä^fieiv,  sifieiv  (Vf.  M.  U.  1,  175). 
Kret.  dofirjv^  rjfirjv  (neben  etxev,  xaTa-<rx«>  nach  5)  enthielten  wahrscheinlich 
nur  eine  andere  Hochstufenform  des  Stammbildungssuffixes  als  ia-fxev  und 
vergleichen  sich  den  av.  Lokativen  auf  -an.     S.  §  71,  4  S.  106. 

3.  -fsv'cu  dat.  :  kypr.  dofevai  (Accent  unsicher),  vgl.  ai.  dOnvdn-e; 
i~ivaij  dsdi'svaij  rs&vccvai  aus  Hcx^va-fsevaij  wohl  auch  eiS-ävai,  (vgl.  av. 
tTid-van-öi);*)  ferner  är}vai  aus  *är]'f^€vai.  Das  Sprachgefühl  abstrahierte 
einen  Ausgang  -vai,  der  besonders  im  ion.-att.  Gebiet  Verbreitung  gewann 
und  sich  an  die  Stelle  von  -fisv  setzte:  so  entstanden  iv-vai^  iiio-vai, 
te&vd-vm  u.  s.  w.;  ehm  arkad.  r]vm  waren  unmittelbar  aus  slfisv  rifiev 
umgebildet,  ein  *€(rvai  existierte  nie.  Vgl.  Vf.  M.  ü.  3,  21  flf.,  Wacker- 
nagel, K.  Z.  25,  273,  Phil.  Anz.  1887  S.  235  f.,  Osthoff,  M.  U.  4,  64.  130, 
G.  Meyer,  Gr.  Gr.«  512.     S.  §  71,  3  S.  105. 

4.  *-/?«v  loc.  (vgl.  al'€v,  ai.  loc.  ddh-van,  §  71,  3)  oder  wohl  eher 
*-<r«y  loc.  (vgl.  ved.  inf.  auf  -san-i)  in  ion.  att.  (pegeiv  lokr.  q>dQ€iv  dor.  lesb. 
el.  9^'pijr  thessal.  tpsqsiv  aus  ^tpegt-ev,  ion.  ISisv  (so  bei  Homer  statt  ISesiv 
zu  lesen,  s.  Renner,  C.  St.  I  2,  32  ff.)  att.  IdsTv,  ffiUeiv  ^iXeiv,  oqdeiv  oqäv 
(vgl.  (paeivog  ^avog),  fiiaO^oeiv  fiia&ovv  (vgl.  olvoeig  otvovq).  Vgl.  §  71,  1 
S.  105.  Jüngere  Neubildungen  nach  der  Analogie  dieses  Typus  waren 
dovv  (Theogn.),  6i6ovv  xiO-eXv  i^-elv  (Oropus),  lesb.  fxeO^vtrO^rjv  u.  a.  Vgl. 
CüRTiüs,  Vb.  2«,  118  flf.  131. 

5.  Nicht  sicher  erklärt  ist  -v  nach  dem  thematischen  e  im  dor.  ark. 
-f-v,  z.  B.  vn^ÜQXf-Vy  avv'ayayi'V.  Da  es  keine  altüberkommene  Kategorie 
von  Wurzelabstrakta  mit  Suffix  -en-  gab  und  an  die  wenigen  auf  griech. 
Boden  entwickelten  wie  dydv  (ayev  zu  dydv,  wie  aU{j:)ev  zu  al'(p)(avy  8  116) 
anzuknüpfen  zu  kühn  wäre  (Spitzer,  L.  d.  a.  D.  56  Fussn.  2  scheint  an 
einen  solchen  Ursprung  zu  denken),  so  liegt  der  Gedanke  an  eine  speziell 
griechische  Umbildung  aus  einer  andern  Infinitivkategorie  nahe.  Vermutlich 
gab  das  altererbte  Nebeneinander  von  66-firjv  und  io-fi€v  (2)  Anlass,  neben 
(pigrjv  ein  (p€Q€v  zu  stellen.  An  -er  als  Neubildung  nach  -fiev  denkt  auch 
Baunack,  Gortyn  75. 

6.  -am  dat.,  Set^m,  zu  ai.  -5e,  ji-^e,  s.  §  74,  4  S.  110.  Thess. 
ov-yQdipfiv  mit  «  =  oci  (§  15)  und  einem  nach  der  Analogie  von  andern 
Infinitiven  angefügten  -v. 

Wilhelm,  De  infinitivi  linguarum  Sanscritae  etc.  forma  et  usu  1873.  Jolly,  Gesch. 
des  Inf.  im  Indogerm.,  1873.    Weitere  Litteratur  bei  G.  Meyer,  Gr.  Gr.*  509. 

^)  Zum  Teil  mag  das  -eyai  des  Perfekts  Johansson,  De  der.  verb.  202  sq.  Die  Hocli* 
idg.  -en-ai  gewesen  sein,  etwa  in  eix^yai  stufenform  mit  e  in  der  Wurzelsilbe  des  Per- 
(vgl.     €ÄfWK).     s.    Verf.    M.   U.    3,    19  flf.,      fekts  macht  keinerlei  Schwierigkeit,  s.  §  132. 


176  ^  Grieohische  Grammatik,    e)  Flexionalehre. 

147.  Partizipia. 

1.  -n^-,  -^/-:  Afi'TTwr,  Xindv^  Xsiip&g^  Xsiipav  §  72,  3,  fem.  auf  *-rT-ia 
§  70c.  Neubildungen  nach  dieser  Formation  waren  lesb.  nsTrXr^QÜxwv  u. 
dgl.,  §  134. 

2.  '(f)(6g,  -vta  {•(f)eia),  -(f)6c,   §  73,  4  und  70c. 

3.  'fievo-y  das  mediale  Suffix  aller  Tempora.  Daneben  -^iro-,  -aio-, 
-avo'.    §  70,  7. 

4.  -To-  :  z.  B.  xAv-rö-g,  ai.  Sru-td-s;  meist  adjektivisch  erstarrt. 
§  70,  14. 

5.  -Tfo-  :  io'Täo-g;  wahrscheinlich  aus  *-T€-/ro-.     §  70,  3. 

6.  -vo-,  bedeutungsgleich  mit  -ro-  und  einst  ein  lebendiges  Partizipial- 
suffix,  wie  noch  im  Indischen  und  Älbanesischen  (vgl.  G.  Meyer,  Alban. 
St.  2,  76);  nur  in  wenigen  Formen  vorhanden,  die  als  Adjektiva  erscheinen: 
(TTvy-ro-^,  (T€fiv6-g  aus  ^tfeß^vo-q  (§  43),  cr^y-yo-g,  ay-vo-g.  Vgl.  ai.  hhug-nd-s 
„gebogen**,  lat.  ple-nt^s  „gefüllt*  (adj.),  u.  a.    §  70,  4. 

7.  -to-  in  den  Adjektiva  ay-io^^  (Sxvy-io-g  =  ai.  -yo-,  -iya-  (lebendiges 
Suffix,  z.  B.  in  ydj-yor  „venerandus*),  lat.  ex'im'4u-s  (adj.),  u.  a.    §  70,  2. 


Syntax.) 


1.  Das  Verbum. 

148,  Eigentliche  Verbalformen  waren  nur  die  mit  Personalendung 
versehenen  Formen :  Indik.,  Konjunkt.,  Injunkt.,  Imper.  (vgl.  §  144),  Optat. 
Doch  nahmen  der  Infin.  und  das  Partiz.,  z.  T.  erst  infolge  sekundärer 
Angliederung  an  das  Verbum  finitum,  an  verbalen  Beziehungen  und  Kon- 
struktionen Teil  ifif'^oxrj),  an  der  Kasuskonstruktion,  der  Zeitstufe,  der 
Aktionsart  und  der  Diathesis. 

Die  Genera  verbi  (Diathesis). 

149.  Für  die  passive  Diathesis  haben  die  idg.  Sprachen  keine  be- 
sondere Form,  Alle  eigentlichen  Verbalformen  mit  passiver  Funktion  sind 
entweder  Aktiv-  oder  Medialformen.  Die  Unterscheidung  zwischen  Passiv 
und  intransitivem  Aktiv  und  die  zwischen  Passiv  und  Medium  in  unsern 
Grammatiken  sind  vielfach  rein  subjektiv. 

160.  Die  Formen  mit  aktive  r  Personalendung  bezeichneten  im  Griech. 
wie  anderwärts  den  Vorgang  schlechthin,  ohne  die  Nebenbeziehung,  welche 
durch  die  (wahrscheinlich  jüngeren)  Medialendungen  angedeutet  war.  '  Sie 
hatten  seit  der  idg.  Urzeit  teils  transitive  Bedeutung  (y«?«),  teils  intran- 
sitive {elfil).  Dieser  Gegensatz  beruhte  aber  lediglich  auf  der  Bedeu- 
tung der  Wurzel.  Durch  Weglassung  eines  Objektkasus  wurden  Transitiva 
zu  Intransitiva,  z.  B.  iXavvco  (sc.  Innov)  „ich  reite",  und  der  Objektkasus 
kam  in  dem  Masse  in  Vergessenheit,  dass  man  Konstruktionen  wie  ikavvMv 
ävd  xQckog  idqovvTi  t(^  Ihn(j)  (Xen.  an.  I  8,   1)  schuf. 

Auf  Grund  der  intrans.  Praeterita  wie  ^(TxAryi',  tßXrjv,  iqqvrjv^  iSdfitiv 
erwuchs  auf  griechischem  Boden  die  Kategorie  des  „Passivaoristes''  auf  'tjv 


^)  Yg].   Bebkhabdt,    Wissenschaftliche  Mit  Rücksicht  auf  E.  Hübnbr's  Grund- 

&3rntax  der  griech.  Sprache,  1829.    K.  W.  riss  zu  Vorles.  über  die  griech.  Syntax,  1883, 

EjiOgib,  Griech.  Sprachlehre,  5.  Aufl.  1875.  der  die   Litteratur  zur  Syntax  nahezu  voll- 

R.  Ktans,  Anafünrl.  Grammat.  II  ^,  1 870.  ständig  verzeichnet  (Nachträge  s.  Liter.  Cen- 

DsjwSox.  Die  Grandlagen  der  griech.  Syn-  tralbl.    1883,    S.    770,    Philol.    Rundsch.   3, 

^m^  -              **^    Forsch.  IV,   1879.    Monro,  1241  ff.),  wird  im  folgenden  von  systema- 

^  Homeric  dialect,   1882.  tischer  Anführung  der  Litteratur  abgesehen. 
antica,  1888. 

II.    2.  Aufl.  12 


178  ^*  Chriechische  Grammatik,    d)  Syntax. 

(§  114,  Delbbück,  S.  f.  4,  75  ff.),  zu  deren  Herausbildung  der  Gegensatz 
der  trans.  Bedeutung  des  sigmatischen  und  der  intrans.  des  starken  Aorists 
(ißr^tra  :  tßr^v  u.  s.  w.)  wesentlich  beitrug.  Nach  dem  Aufkommen  dieser 
Aoristkategorie  gab  der  mediale  Aorist  seine  altüberkommene  passivische 
Funktion  nach  und  nach  auf  (§  151). 

Während  die  Formen  wie  Sqqvtjv  iSdfirjv  von  Haus  Aktiva  waren 
und  zum  Teil  blieben  (z.  B.  eQQvrj  Praet.  zu  ^«r),  entstanden  die  wie  eSa- 
xhrjv  €XTd'x^rjV  nach  Wackebnagel's  Hypothese  in  Anknüpfung  an  die  2.  sg. 
med.  mit  der  Personalendung  -^r^g  —  ai.  -thäs,  s.  §  108.  114.  Auf  Grund 
dieser  Hypothese  erklärt  sich  gut,  dass  die  i9^i;i'-praeterita  nie  den  Aorist 
zu  einem  praes.  act.  bildeten  und  dass  sie  anderseits  bei  Homer  und  noch 
später  vielfach  mit  medialer  Bedeutung  neben  den  sonstigen  Medialformen 
auftreten  (Deponentia),  z.  B.  bei  Homer  alSätfx^^rjv  gleichbedeutend  mit 
aldeffdfirpfy  ixohod^rjv  gleichbed.  mit  i%oXw(fdfirjv,  att.  i^if^r^Vy  iisXäx^rp^-  Der 
aktive  Ursprung  der  Aoriste  auf  -tjv  erklärt,  dass  neben  itfdvrjv  im  Dor. 
^avtjasiv  als  Fut.  erscheint;  und  ebenda  (Tw-axO-tyroim  ieiXxhjtrsTv  u.  dgl. 
(Ahbens,  D.  Gr.  1.  d.  2,  289  f.,  Blass,  Rhein.  Mus.  36,  612),  weil  das 
-^ijc-Futurum  überhaupt  erst  dem  -ij<r-Futurum  nachgebildet  war.  Vgl. 
Wackebnaoel,  K.  Z.  30,  304  ff. 

151.  Die  etymologische  Konstitution  der  medialen  Personalendungen 
ist  unaufgeklärt,  daher  kennt  man  auch  nicht  die  Grundbedeutung  derselben. 
Die  verschiedenen  Gebrauchsweisen  des  Mediums  im  Griech.  einschliesslich 
der  passivischen  waren,  wie  es  scheint,  alle  auch  schon  in  der  idg.  Grund- 
sprache vorhanden  gewesen.  Über  die  unwissenschaftliche  Unterscheidung 
eines  dativischen  und  akkusativischen  Mediums  s.  Vf.  Fleckeis.  Jahrbb. 
1880,  S.  664  ff.  Da  der  „Passivaorist*  auf-ryr  eine  verhältnismässig  junge 
Schöpfung  war,  so  ist  anzunehmen,  dass  vor  seiner  Ausbildung  die  medialen 
Aoristformen  (wie  im  Indischen)  auch  passivisch  gebraucht  wurden.  Aus 
dieser  Zeit  stammten  noch  die  passivischen  ^ßltjro  A  675,  anixxaxo  O  437, 
(rT€(pav(aadfi€vov  Pind.  Ol.  7,  15  u.  a.  (Kühneb  2*,  103  f.),  denen  man 
z.  T.  die  passivisch-intransitive  Bedeutung  ohne  Not  hat  absprechen  wollen. 

Alte  Medialformen  waren  aber  im  Grunde  die  Aoriste  auf  'x^tjv  (§  150), 
und  so  hat  man  auch  deren  passivische  Funktion  als  altüberkommen  an- 
zusehen. Gerade  der  Umstand,  dass  die  Medialformen  seit  uridg.  Zeit  auch 
passivisch  gebraucht  waren,  hilft  es  erklären,  dass  Formen  wie  iSi^if^g 
iri'&r]g  der  analogischen  Einwirkung  solcher  wie  frfa/iijg,  durch  die  das 
neue  Paradigma  entstand,  verfielen.  Dass  sich  im  Aorist,  wo  transitive  Aktiv- 
formen wieirgeipa  ixQanov  bestanden,  im  grossen  Ganzen  die  zugehörige  Form 
auf  --d^rjv  auf  den  passivisch-intransitiven  Gebrauch  beschränkte,  wurde 
durch  die  Form  auf  -ijr  bewirkt,  der  diese  Funktion  von  Haus  aus  als  die 
einzige  zukam,  und  im  Gegensatz  zu  -i;r,  'xyr^v  zogen  sich  dann  -Krdfjirjv  und 
'OfiTjv  u.  s.  w.  mehr  und  mehr  vom  Passivgebrauch  zurück. 

162.  Die  Infinitive  waren  als  nomina  agentis  (z.  B.  St.  do-fisv-  „das 
Geben*)  gegen  die  Diathesis  von  Haus  aus  indifferent  und  blieben  es  z.  T. 
auch  noch  in  der  historischen  Gräzität,  indem  alle  sog.  aktiven  Infinitive 
in  bestimmten   Fällen    auch   passivisch    fungieren   konnten,   z.   B.   2  258 


1.  Das  yerbam.  (§  151-154.)  179 

^T€Q(H  noXsfiiXeiv  ijcxar,  Thuk.  1,  138  &€fiiffToxXrjg  a^iog  ^avfidfrai.  In 
die  Inf.  auf  -^ai  {^(r-x^ai)  zog  der  mediale  (und  passivische)  Sinn  erst  infolge 
der  formalen  Assoziation  mit  -^«  {rjtT'&e)  etc.  ein  (§  146).  iafir^vai  Sod^fjvai 
wie  iidfii}v  iio&r^v^  s.  §  150.  151.  Von  den  Partizipia  (§  147)  hatten 
die  auf  -fievo^  schon  in  der  idg.  Ursprache  medialen  (und  pass.)  Sinn,  der 
ihnen  immer  verblieb.  Die  Formen  auf  -To-g  fungierten  von  alters  her 
teils  passivisch,  wie  neTiro-g  =  ai.  paktä-s  lat.  coctu-s  (idg.  ^peqto-s),  teils 
aktivisch,  wie  ^vxo-g  —  ai.  srutd-s  (idg.  *smW-s),  vgl.  Vf.  Grdr.  2,  206  flf., 
423  f. 

153.  Der  sog.  kausative  Gebrauch  des  Akt.  und  Med.  (z.  B.  Xen.  an. 
I  4,  10  KvQog  rd  ßaaiXsia  xarexavaev  „Hess  niederbrennen*,  Plat.  Menon 
p.  93  d  Tov  vlov  idida^avo  „Hess  seinen  Sohn  unterrichten**)  beruhte  auf 
einer  Breviloquenz,  die  nicht  als  eine  Modifikation  der  Grundbedeutung  der 
Aktiv-  und  Medialformen  gelten  darf. 

Die  Tempusstämme. 

164.  Aktionsart  und  Zeitstufe  im  allgemeinen.  Der  Präsens-, 
der  Aorist-  und  der  Perfektstamm  (z.  B.  nsid^o-^  neix^e-;  ncKT-;  nsnoid-^ 
nsnix^')  bezeichneten  verschiedene  Arten  (Qualitäten)  der  Handlung  und  zwar, 
nach  der  gewöhnlichen  Definition,  das  Präs.  die  dauernde,  der  Aor.  die 
eintretende,  das  Perf.  die  abgeschlossen  vorliegende  Handlung  (Aktionsart). 
Vom  Standpunkt  des  sprechenden  aus  erschien  die  Handlung  entweder 
als  gegenwärtig  {nei&u),  näTiotxha)  oder  als  vergangen  {iTrei&ov,  Mni&ov^ 
ininixß^ovj  ineura,  enänix^fiev,  insnoir^siv)  oder  als  künftig  {TrsiatOy  ni&tiaüa^ 
nsnixP'rfioi)  (Zeitstufe). 

Während  jeder  Vorgang  als  in  jeder  der  drei  Zeiten  liegend  dargestellt 
werden  konnte  und  die  Mittel  der  Zeitbezeichnung  für  jedes  Verbum  von 
Haus  aus  dieselben  waren,  vermochte  man  nicht  von  jeder  Verbal wurzel 
die  verschiedenen  Aktionen  zugleich  zu  bilden,  da  die  Bedeutung  vieler 
Wurzeln  so  eng  war,  dass  sie  die  eine  oder  die  andre  Aktionsart  ausschloss. 
So  liess  z.  B.  der  Wurzelbegriff  von  ogato  (das  hütende,  sorgliche  Betrachten, 
s.  CuRTius,  G.*  101)  die  Bildung  eines  Aorists,  umgekehrt  derjenige  von 
yjvf/xoy  (hinbringen,  ans  Ziel  bringen,  erreichen  machen)  die  Bildung  eines 
(durativen)  Präsens  nicht  zu.  Delbrück  S.  F.  4,  92  f.  Hieraus  erklärt 
sich,  dass  sich  öfters  ein  Verbal system  aus  verschiedenen  Wurzeln  mit 
verwandter  Bedeutung  zusammensetzte,  wie  oqdün  eldov^  (pägcD  rjveYxov. 

Anmerkung.  Der  Gegensatz  der  präsentischen  und  der  aoristischen  (imperfektiven 
und  perfektiven)  Aktionsart  konnte,  wie  in  andern  Sprachen,  so  auch  im  Griechischen  über- 
dies dadurch  zum  Ausdruck  gebracht  werden,  dass  man  zur  Darstellung  der  letzteren 
Aktionsart  eine  Präposition  zu  Hilfe  nahm,  wie  xaracpsvyeiy  neben  tpevyeiy^^  dnotpigeiy 
neben  q>iQ€ir  (vgl.  z.  B.  Xen.  Hell.  I,  6,  16  Koycjy  cT  etpevye  ratg  yavaiy  ev  nXeovaaig, 
xiti  xatatpevyei  eig  MvriXrjyrjy  xijg  Aiaßov  ,die  Schiffe,  mit  denen  K.  auf  der  Flucht 
war,  fuhren  gut,  uud  er  gelangt  glücklich  nach  M/  Vgl.  lat.  sequi  :  con-«egut,  deutsch 
wachen  :  er-wachen  u.  dgl.  (Ebel,  Kuhn-Schleichcr's  Beitr.  zur  vergleich.  Sprachforsch.  2, 
190  ff.,  CüBTiüs,  Erläut.  176  f.).  Es  verdient  nähere  Untersuchung,  wie  weit  die  Aus- 
breitung solcher  präpositionaler  Ausdrucks  weise  in  der  historischen  Gräzität  mit  dem  Ver- 
blassen des  Bedeutungsunterschiedes  zwischen  Präsens-  und  Aoriststammes  Hand  in  Hand 
ging.    Vgl.  auch  über  uneifn  gegenüber  elfii  §  156. 

Während  alle  Formen  eines  Tempusstammes  (auch  Inf.  und  Part.) 
gleichmässig  die  dem  Stamm   zukommende  Aktionsart  darstellten,  haftete 

12* 


180  ^*  OriechiBche  Grammatik,    d)  Syntax. 

die  Zeitbedeutung  zunächst  nur  an  den  Indikativformen.  Die  Gegenwart 
des  sprechenden  war  durch  kein  Sprachelement  besonders  bezeichnet  (vgl. 
§  156).  Die  Vergangenheit  nur  durch  das  Augment  (§  109).  Der  Be- 
griff der  Zukunft  verband  sich  schon  in  vorgriech.  Zeiten  mit  dem  Ele- 
ment 'Co^  -Cf-  {isix'tro-fisv),  mag  diese  Futurbildung  der  altindischen 
mit  'Sya-  entsprochen  haben  oder  Konj.  des  s- Aorists  gewesen  sein  (§  140); 
doch  kann  der  Zeitbegriff  in  keinem  von  beiden  Fällen  als  der  ursprüng- 
liche Sinn  der  Form  angesehen  werden,  und  er  tritt  am  Partizip  (§  163) 
nirgends  ganz  rein  hervor;  der  opt.  und  der  inf.  fut.  waren  jedenfalls 
griech.  Neubildungen  (§  163). 

Die  voluntative  Bedeutung  des  Konj.  näherte  sich  oft  der  futurischen 
oder  ging  geradezu  in  die  rein  zeitliche  über  (ein  schon  uridg.  Gebrauch 
des  Konj.),  s.  §  165;  hierher  auch  die  Futura  wie  iei^w,  sofern  sie  conj. 
aor.  gewesen  sein  sollten  (s.  o.).  Ebenso  ging  auch  der  potentiale  Optativ 
oft  auf  die  Zukunft  (§  166). 

Wenn  die  Zeit  der  Handlung  nicht  direkt  von  der  Zeit  des  redenden 
aus,  sondern  von  derjenigen  eines  andern  Vorganges  aus,  von  dem  zugleich 
die  Rede  ist,  bestimmt  wird,  so  spricht  man  von  „relativer  Zeit**  (vgl. 
dixerat  haec,  cum  j^uer  advenif).  Das  Griechische  hatte  keine  Form  des 
Verbum  finitum,  die  an  und  für  sich  relative  Zeit  (Gleichzeitigkeit,  Ver- 
gangenheit oder  Zukunft  mit  Bezug  auf  eine  andere  Handlung)  bezeichnete. 
Wenn  z.  B.  eine  Präsensstammform  gebraucht  wurde,  wo  das  Verhältnis 
der  Gleichzeitigkeit  bestand,  so  war  es  nur  der  Zusammenhang,  aus  dem 
sich  diese  Beziehung  ergab,  wie  in  B  77  roTtn  i'  aväaxrj  Nä<fT4üQ,  o$  ^a 
JIvXoio  ava^  r^v  (damals  war).  Ebenso  ergab  auch  nur  der  Zusammenhang 
die  Bedeutung  der  Vorvergangenheit,  wenn  ein  impf,  oder  ein  ind.  aor. 
gesetzt  wurde  und  die  durch  diese  ausgedrückte  Handlung  einer  anderen 
mitgenannten,  ebenfalls  in  der  Vergangenheit  liegenden  Handlung  voraus- 
ging (die  Wahl  zwischen  impf,  und  aor.  hing  hier  lediglich  von  der  Aktionsart 
ab,  die  zum  Ausdruck  kommen  sollte):  z.  B.  B  628  tcov  av&'  rjefiovsvs 
Mäyrfi  .  .  ,  ov  r(xx€  duffiXog  Inntna  OvXtvg,  B  513  ttSv  r]QX*  *Aaxalag.og 
xai  ^idXimevog^  vhg  ^'Aqrflg^  ovg  rtxev  ^Aarvoxrjy  Thuk.  2,  23  än€(rt€ikav  Tcig 
ixccTov  vavg  n€Qi  JlsXonovvrjaov^  aansq  naqeaxevd^ovto^  2,  92  innta  dt 
sTQdnovTo  ig  tov  IJdvoQfxovy  ox^evnsQ  dvrjydyovro.  Die  der  lat.  Gram- 
matik entnommenen  Namen  „plusquamperfectum"  {irvBnotx^siv)  und  „futurum 
exactum**  {Te^rrj^w,  nengd^evai)  sind  syntaktisch  unzutreffend;  der  Zeit- 
stufe nach  war  das  griech.  Plusqu.  ein  einfaches  Praeteritum  und  das  griech. 
Fut.  ex.  ein  einfaches  Futurum.  Hiermit  war  das  Griechische  auf  dem 
Standpunkt  der  idg.  Ursprache  verblieben;  auch  diese  hatte  keine  eigent- 
liche Verbalform,  der  an  sich  die  Bedeutung  relativer  Zeit  zukam.  Ebenso 
wenig  hatten  natürlich  die  Formen  des  Verbum  infinitum  an  und  für  sich 
etwas  mit  relativer  Zeit  zu  thun.  Dass  z.  B.  dem  part.  praes.  an  sich 
nicht  der  Begriff  der  Gleichzeitigkeit  zukam,  ersieht  man  aus  Sätzen  wie 
Xen.  an,  III,  2,  17  ot  Ktgeioi  TXQoad-sv  avv  f^f.ih  ratTOfievoi  vvv  ayfcmj- 
xarnv^  Soph.  Ant.  1192  ty^'  nagciv  (da  ich  dabei  war)  iQoS,  Thuk.  7,  25 
insiixpav  dh  xai  ig  rag  noXsig  nqiaßsig  ol  2vQax6<fioi  ayyäXXovtag  (als 
Verkündiger,    d.  h.   die  verkündigen   sollten)   %7]v  tov  nkrjfkiivi((ov  X^t/Hv; 


1.  Das  Verbum.  (§  155—156.)  181 

speziell  zum  Gebrauch  des  part.  aor.  für  die  Vergangenheit  gegenüber  der 
Handlung  des  regierenden  Verbums  s.  §  161. 

Vgl.  Vf.  Ber.  d.  sächs.  G.  d.  Wiss.  1883,  S.  173  flf. 

155.  Die  in  §  110  ff.  behandelten  Tempusstammformen  (Präsens 
und  starker  Aorist)  Hessen  im  allgemeinen  den  Vorgang  entweder  als 
dauernd,  im  Verlauf  begriffen  erscheinen  und  zwar  so,  dass  Anfangs-  und 
Endpunkt  des  Verlaufs  ausserhalb  des  Gesichtskreises  des  sprechenden 
bleiben  {Xtyeivjj  oder  als  eine  in  sich  abgeschlossene,  in  einem  ungeteilten 
Denkakt  ganz  und  vollständig  vorzustellende  Handlung  {smeTv).  Die  Viel- 
fönnigkeit  der  Stammbildung  weist  aber  noch  auf  weitere  anfängliche  Be- 
deutungsunterschiede hin,  und  es  ist  nicht  festgestellt,  welche  besondere 
Bedeutungsnuance  jeder  einzelnen  Bildungsart  ursprünglich  eignete.  Dem 
-^fxo-  {ßoxrxio  §  126)  scheint  von  Haus  aus  inchoativer,  den  reduplizierten 
Stämmen  wie  ni^nkr^  {efimTiXrjfii  §  115)  kontinuativer  Sinn  beigewohnt 
zu  haben.  Dass  die  Stämme  der  Kl.  1  a  (§  112)  an  sich,  vermöge  ihres 
Bildungscharakters,  von  alters  her  aoristische  Aktionsart  darstellten  (vgl. 
iarriv  :  lirrtj^'),  ist  zu  leugnen ;  denn  in  diesem  Falle  wären  alte  durative 
Praesentia  wie  es-ti  {ifru)  unverständlich.  Auch  kam  dem  Stammtypus 
AiTTo-  neben  Xeino-  wahrscheinlich  nicht  an  und  für  sich  aoristische  Be- 
deutung zu  (§  119);  möglich  ist,  dass  bei  der  Zuerteilung  der  verschiedenen 
Aktionsbedeutung  an  Stämme  wie  Xeino-  und  hno-  Rücksicht  auf  Verba 
wie  (pägeiv  und  ideiv  mit  einer  schon  durch  den  Wurzelbegriff  an  sich  ge- 
gebenen bestimmten  Aktionsbedeutung  (Delbrück,  S.  F.  4,  92  f.)  mitwirkte. 

156.  Der  ind.  praes.  ist  an  und  für  sich  zeitlos,  er  bezeichnete 
ursprünglich  keine  bestimmte  Zeitstufe.  Daher  wurde  er  im  Griech.,  wie 
schon  in  der  idg.  Grundsprache,  nicht  bloss  von  der  Gegenwart  des  spre- 
chenden, sondern  auch  von  der  Vergangenheit  (praes.  historicum)  und  Zu- 
kunft sowie  von  allen  Zeiten  zugleich  gebraucht. 

Beim  praes.  bist,  tritt  der  sprechende  aus  dem  Rahmen  der  Zeit 
heraus,  lässt  über  dem  Interesse  an  dem  Ereignis  selbst  die  Vorstellung 
des  zwischen  dem  Vorgang  und  der  Erzählung  derselben  bestehenden  Zeit- 
verhältnisses nicht  aufkommen  und  versetzt  sich  in  die  Zeit,  da  das  Er- 
eignis sich  eben  abspielte,  so  dass  er  dasselbe  wie  in  einem  Drama  oder 
wie  auf  einem  Bilde  vor  sich  sieht.  Oft  wechselte  das  praes.  bist,  mit 
Augmenttempora  in  demselben  Satze,  z.  B.  Asch.  Prom.  229  f.  oncoc  raxiata 
Tov  noTQfTwv  ig  &q6vov  xad-t^st*^  evO^vg  Saffxoaiv  ve'ixei  ytqa  akkoifftv  aXXa 
xai  Sis<rroixiC^i^o  dgxrjv,  Kunstmässige  Handhabung  der  Sprache  bediente 
sich  dieses  Präsens  als  eines  rhetorischen  Mittels  zur  Belebung  der  Rede. 
Wie  es  zu  deuten  sei,  dass  Homer  das  praes.  bist,  fremd  war,  ist  unklar. 
Schwerlich  reicht  die  Berufung  auf  den  Charakter  der  epischen  Diktion  aus. 
Anderseits  ist  aber  auch  nicht  glaublich,  dass  das  Präsens  in  damaliger 
Zeit  in  der  Erzählung  vergangener  Ereignisse  überhaupt  noch  nicht  ange- 
wendet worden  sei;  denn  diese  Anwendung  war  in  den  altidg.  Sprachen 
so  verbreitet  (für  das  Altindische  sei  auf  Delbrück,  S.  F.  5,  278  verwiesen), 
dass  man  sie  für  uridg.  halten  möchte. 

Das  Präsens  in  Verbindung  mit  nccQog^  naXat,  norh  wurde  seit  Homer 


IS2  ^*  GriechiBche  Ghrammatik.    d)  Syntax. 

gebraucht,  um  eine  Handlung  auszudrücken,  die  sich  durch  die  Vergangen- 
heit bis  zur  Zeit  des  Sprechens  hinzieht,  wie  2  386  ume  Oeri  ravvnfnXe 
ixdveig  i]iibT6Qov  dm  aiioirj  t€  gfiXtj  re;  ndqoq  ye  fi^v  ov  ri  x^afxi^eig.  Da 
das  Altindische  denselben  Gebrauch  des  Präsens  mit  dem  dem  ndqog  etymo- 
logisch entsprechenden  piird  hatt^,  so  war  derselbe  wahrscheinlich  bereits 
urindogermanisch.  S.  Vf.  Ber.  d.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  1883  S.  170  flf., 
Delbrück,  S.  F.  5,  278.  502  f. 

Das  Gegenstück  zum  historischen  Präsens  war  der  futurische  Gebrauch 
des  Präsens  in  Prophezeiungen,  wie  Herod.  7,  140  ovts  rt  nä^arfi  X^insxai, 
Die  Phantasie  schaut,  ohne  dass  die  Zeitstufe  berücksichtigt  wird,  das 
künftige,  wie  es  sich  vor  ihrem  Blicke  abspielt.  Von  etwas  andrer  Art 
war  das  futurische  Präsens  in  Sätzen  wie  Thuk.  6,  91  sl  avrr]  'q  noXig 
Xrj(pxh/j(TfTaty  ^xexai  xat  rj  naaa  SixeXiu^  Eurip.  Andr.  381  wg,  rjv  x^ccvtjg 
Cr,  naTg  o6*  ixifsvysi  fioQov,  (Tov  i*ov  x^Bkovarjg  xard-aveTv^  rovie  xrevco:  hier 
war  schon  durch  den  Nebensatz  die  Zukunft  bezeichnet,  und  das  Präsens 
des  Hauptsatzes,  da  es  die  Handlung  nicht  erst  eintretend,  sondern  schon 
im  Vollzug  erscheinen  lässt,  deutet  die  unmittelbare  zeitliche  Übereinstim- 
mung, die  Gleichzeitigkeit  an,  was  das  Futur  nicht  thäte.  Vgl.  Kohlmakn, 
Progr.  V.  Eisleben  1881  S.  34  flf.,  Mahlow,  K.  Z.  26,  599  flf. 

Da  gewisse  Wurzeln  an  und  für  sich  aoristische  (perfektive)  Aktionsart 
hatten,  so  ist  nicht  auffallend,  dass  ihr  Präsens  so  gebraucht  wurde,  dass 
wir  zur  Übersetzung  ein  Futurum  nehmen.  Bei  der  aoristischen  Handlung 
ist  ihr  Abschluss  mit  ins  Auge  gefasst,  vgl.  z.  B.  erschlagen  gegenüber 
schlagen.  Sage  ich  er  erschlägt  ihn,  so  ist  zwar  an  sich  die  Gegenwart 
ebenso  gut  gemeint  wie  bei  er  schlägt  ihn,  aber  der  Moment  der  Voll- 
endung liegt,  während  ich  von  der  Handlung  spreche,  in  der  Zukunft; 
wäre  er  schon  eingetreten  zur  Zeit,  wo  ich  zu  sprechen  im  Begriff  bin,  so 
müsste  ich  ein  Praeteritum  gebrauchen.  Liegt  nun  auf  dem  Begriff  der 
Vollendung  des  Vorgangs  ein  Nachdruck,  so  kann  ein  solches  Präsens 
überhaupt  Ersatz  für  das  Futurum  werden.  Solche  futurische  Praesentia 
sind  aus  dem  Slavischen  am  bekanntesten,  s.  Leskien,  Handbuch  der  altbulg. 
Sprache*  S.  149  f.  So  erklärt  sich  vt'ofiai  „werde  glücklich  heimkehren*, 
z.  B.  J  152  dkX*  iyci  ovx  avrcog  fivd-r^frofxai^  äXXd  <rvv  oQXfp,  dg  vettai 
''06v(T€vg;  ebenso  wohl  auch  rfi}«  „werde  finden".  Was  sifii  betrifft,  das 
seit  Homer  meist  futurisch  gebraucht  erscheint,  z.  B.  Q  92  slfAi  fiäv,  ovo' 
aXiov  inog  eatreraij  om  xev  smrj^  so  hatte  die  Wurzel  e{-  von  Anfang  nur 
durativen  Sinn  (s.  Delbrück,  S.  F.  4,  113).  Es  ist  also  wohl  anzunehmen, 
dass  der  perfektive  Sinn  und  demgemäss  der  futurische  Gebrauch  des  Prä- 
sens zunächst  nur  in  den  Komposita  wie  dn^ifii  i^-etfn  vorhanden  war, 
z.  B.  Q  593  0)  (f(X\  iyw  /t^v  dneini  tsvag  xai  xeiva  ^vXd^ooVy  (fdv  xai  €/Ji6v 
ßioTov  (vgl.  aksl.  ig-idq  „ich  werde  hinausgehen**  mn^ida^  „ich  werde  hinein- 
gehen" neben  ida  „ich  gehe*),  und  dann  von  den  Kompp.  auf  das  Simplex  über- 
tragen wurde  (vgl.  §  154  Anm.).  Die  futurischen  x^^^  edofiai,  ntofAai 
waren  wahrscheinlich  nicht  Judikative,  sondern  Konjunktive,  s.  §  165. 

157.  Das  Imperfekt  führte  die  Handlung  in  ihrer  Entwicklung  vor 
Augen  und  bezeichnete  dabei  an  sich  niemals,  dass  ein  Vorgang  zum  Ab- 
schluss kam,  z.  B.  X  324   r]V   noxs  Qrflevg  ix  KQijtrjg   ig   yovvov  ^A%h]vd(or 


1.  Das  Verbiim.  (§  157-158.)  183 

hqawv  r^ye  (war  mit  ihr  unterwegs)  jutr,  ovd'  dnovr^ro  •  ndqoq  da  fxiv  ^'Agt^fug 
^xva;  att.  Inschrift  357  v.  Chr.  (Meisterhans,  Gr.^  200)  dQxite'xtiov  'Afivvrrjq 
insaxeva^sv  (war  mit  der  Herstellung  beschäftigt),  So*«  dh  iveXsitpd^r^ 
»ai  rare  fjirj  inevelätfO-rj^  vffTSQOV  EvtpQccvtoQ  dqxiTSKTwv  €7i€<fx€va(T€v  (hat 
hergestellt).  Daher  kann  man  oft  bei  der  Übersetzung  des  Impf,  ein  Verbum 
wie  »versuchen*  zu  Hilfe  nehmen,  z.  B.  Xen.  an.  I  3,  1  KX€aQxog  rovg 
avrov (STQatiMxaq  ißid^sxo  (versuchte  zu  zwingen)  Uvai '  ol  i^  avriv  fßaX- 
loVy  in  ei  fJQ^aro  nQo'itvai, 

Von  idg.  Urzeit  her  erzählte  und  schilderte  man  vergangene  Ereig- 
nisse vorzugsweise  mit  dem  Impf.  Dieser  Brauch  wurde  im  Griech.  durch 
die  Verwendung  des  Aorists  in  der  Erzählung  stark  beschränkt  (§  160). 
Wenn  in  der  Erzählung  das  Impf,  auch  da  gesetzt  wurde,  wo  die  Hand- 
lung als  zum  Äbschluss  gelangt  gedacht  werden  sollte,  so  ergab  sich  das 
letztere  Moment  immer  nur  aus  dem  Zusammenhang,  vgl.  E  364  ry  6*  ig 
di^Qov  ißaivev  (»war  auf  dem  Wege  nach**)  x.  r,  l.  Daher  bedeuteten 
die  Unterschriften  inoUi^  Byga^e,  die  die  Künstler  auf  ihren  Werken  an- 
brachten, eigentlich  nur  »an  dieser  Arbeit  sass  der  und  der**;  dagegen  inoivfSB^ 
lyQaips  »er  hat  verfertigt,  gemalt".  In  vielen  Fällen  verschlug  es  eben 
nichts,  ob  man  eine  Handlung  als  in  ihrer  Entwicklung  begrifTen  durch  das 
Imperfekt  oder  als  abgeschlossen  durch  den  Aorist  vorführte,  da  in  jenem 
Falle  der  Äbschluss  doch  aus  der  ganzen  Situation  leicht  hinzuverstanden 
wurde.  Und  so  mag  schon  bei  Homer  mitunter  das  metrische  Bedürfnis  die 
Wahl  des  Tempus  bestimmt  haben :  so  haben  wir  dicht  neben  einander 
negi  Si  [läya  ßdXXsxo  (pdgog  und  dfXffi  S*  aq  miioiaiv  ßdXsro  ^lifog 
dQyvQor^Xov  {B  43.  45)  u.  dgl.  (Krüger,  Sprachl.  II  §  53,  2,  1).  Vgl. 
Stiebelino,  Beiträge  zum  homer.  Gebrauch  der  tempora  praeterita,  insbe- 
sondere des  Imperfektums,  Progr.  von  Siegen,  1887. 

Auch  in  Fällen  wie  Herod.  2,  121  dg  ovx  insi&sv  (nicht  über- 
redete), in€X€%vi^aaxo  xoidde^  Xen.  an.  VI  3,  9  xal  xd  iihv  aXXa  oiixoXoyTjxo 
avxoTg^  ofir-Qovg  i^  ovx  ididoaav  (gaben  nicht)  ot  Og^xeg  ahovvxiov  xwv 
*EXXr^vwVy  dXXd  x,  x.  X.  war  durch  das  Impf,  an  und  für  sich  nur  die  Dis- 
position zur  Effektuierung  der  Handlung  oder  das  Sichbefinden  auf  dem 
Wege  zum  Ziel  (vgl.  ^tisi&ov  Xen.  Hell.  I  7,  7)  ausgedrückt. 

168.  Konj.  opt.  imper.  inf.  part.  praes.  Die  praesentische  Aktions- 
art erscheint  hier  wie  im  ind.  praes.  und  im  imperf.  M  278  wg  xe  vKfddsg 
%i6vog  n(nx(a(Si  ^afieXat  führt  die  Fallbewegung  durch  die  Luft  vor  Augen, 
Txiawfn  würde  das  Auffallen  auf  der  Erde  mit  umfassen  (vgl.  d^  524  og  xe 
i^g  nqwj&sv  noXiog  Xatov  xe  nifftjtnv).  Plat.  Apol.  p.  26b  Sokrates  zu 
Meletos:  ofioog  6^  dr]  Xeye  tfitv  (lege  dar,  entwickle  uns),  tto'^  fu  (pyg 
diaifrd'SiQeiv^  a  MiXr^xe^  fovg  vsMXkQovg  (p.  24d  Tv^*  dij  vvv  elnh  xoxrxoig  [gib 
an,  sprich  es  aus],  x(g  avxovg  ßeXxiovg  nom;).  Plat.  Prot.  p.  317a  x6  ovv 
dnoiidqdaxovxa  (wenn  man  im  Davonlaufen  ist)  /*ij  6vvaa&ai  dnoÖQdvai 
(entwischen)  noXXrj  fitogfa. 

Als  Vertreter  des  Imperfekts  in  der  oratio  obliqua  hatten  der  opt. 
und  der  inf.  praes.  an  sich  keine  Zeitbeziehung,  diese  konnte  nur  durch 
den  Zusammenhang  erkannt  werden.  Xen.  an.  IV,  4,  9  ^Xeyov,  oxi  xaxU 
dot€v    axQdxctfficc   xal   vvxxwq   noXXd    nvqd    (paivoixo    („sichtbar   gewesen 


184  A.  OrieohiBche  Orammatik.    d)  Syntax. 

seien*,  direkt  €(paiv€To),  dagegen  VI,  1,  33  lleyer,  oni  Vroifioq  sTtj  (»sei*, 
direkt  stfxi)  iqy€i(Sx>ai  avTotg.     Vgl.  §  161.  162. 

Über  das  Imperfektum  der  öfteren  Wiederholung  s.  §  159. 

159.  Die    aoristische   Bedeutung,   wie  sie  an   den  Formen  hnsTv, 
.  (fTTJvai  etc.  (§110  fF.)  haftete,    war  zugleich    den  Formen   des   (X- Aorists 

(§  136  fr.)  eigen. 

Am  häufigsten  wurden  diese  Formen  so  gebraucht,  dass  man  sich  die 
Handlung  in  einem  ungeteilten  Denkakt  ganz  und  vollständig,  in  sich  ab- 
geschlossen, absolut  vorstellen  sollte.  Das  Faktum  wurde  einfach  kon- 
statiert ohne  Rücksicht  auf  Zeitdauer,  z.  B.  Thuk.  5,  5  iyärexo  Metftrrjvtj 
AoKqdv  Tiva  xQovoVy  Herod.  2,  133  ißCw^av  %q6vov  im  noXXov. 

Ausserdem  erscheint  der  Aorist  oft,  dem  Präsens  gegenüber,  entweder 
als  »ingressiv**  (öaxQvtsai  „in  Thränen  ausbrechen")  oder  als  »effektiv, 
resultativ"*  (nsaeiv  „fallend  aufschlagen *").  Beides  mitunter  bei  demselben 
Verbum,  z.  B.  ßaXetv  ßäkog  „abschleudern",  ßaXeiv  avdqa  „treffen**,  ideiv 
sowohl  das  zufällige  Erblicken,  dem  ein  Betrachten,  Beschauen  folgt,  als 
auch  das  ein  suchendes  Sehen  abschliessende  Erblicken.  Obwohl  es  mög- 
lich ist,  diese  Funktionen  mit  der  allgemeinen  Bedeutung  des  Aoristes, 
nach  der  dieser  besagte,  dass  eine  Handlung  überhaupt  in  die  Erscheinung 
getreten,  zu  verbinden  und  aus  ihr  abzuleiten,  so  ist  doch  erst  zu  unter- 
suchen, ob  nicht  die  in  Rede  stehende  Funktionsverschiedenheit  {idtxxQvcs 
„er  brach  in  Thränen  aus"  und  iddxqvtfs  noXvv  xqovov  „er  hat  lange 
geweint")  mit  der  verschiedenen  Bildungsweise  der  unter  dem  Namen 
Aorist  zusammengefassten  Formenkategorien,  W«f a,  MaTrjv,  ikinov,  inemd^ov, 
zusammenhing  (vgl.  §  2  S.  14  und  Pfuhl,  Progr,  v.  Dresden  1867,  S.  13, 
Delbrück,  S.  F.  4,  101). 

Wenn  die  Aoristformen  auch  von  öfter  in  der  Vergangenheit  wieder- 
holten Handlungen  gebraucht  wurden  (z.  B.  <P  263  äg  ahl  Uxi^a  xixijaaTo 
xvfia  ^ooto),  so  war  das  Moment  der  Wiederholung  nicht  durch  die  Verbal- 
form an  sich  gegeben.  Dasselbe  war  auch  nicht  durch  die  Imperfektform 
an  sich  gegeben,  wenn  dieses  Tempus  bei  öfterer  Wiederholung  gesetzt  wurde. 
Dass  man  das  Imperfekt  in  diesem  Falle  viel  häufiger  gebrauchte  als  den 
Aorist,  rührte  teils  daher,  dass  man  bei  dem,  was  wiederholt  vorkam,  zu 
geschehen  pflegte,  öfter  angeregt  wird  zu  schildern  als  einfach  zu  kon- 
statieren, teils  daher,  dass  man  ein,  wenn  auch  in  zeitlichen  Intervallen 
sich  wiederholendes  Vorkommen  leicht  als  eine  kontinuierliche  Entwicklung 
anschaut,  vgl.  z.  B.  Xen.  mem.  I  2,  61  Ai'x^g  fi^r  icug  yvfivonaidiaig  rovg 
inidrjiiotvxag  iv  Actx€6(t(f.iovi  ^ävovg  iisiiivi^e,  ^omgarrfi  d^  6t d  navtog 
TOP  ßiov  rä  iavtov  Sanavmv  xd  iiäyiara  Ttdvrag  xovg  ßovXofisvovg  (iO(p€k€i  • 
ßsXtiovg  ydq  noKav  rovg  (fvyyiYvoinävovg  dTtänspinsv. 

^Exreivd  a€  Eur.  Ion  1291  u.  ähnl.  scheint  nicht  aus  der  ingressiven 
Bedeutung,  sondern  daraus  zu  erklären,  dass  die  betreffenden  Verba  an 
sich  nur  die  Handlung  des  Subjektes,  nicht  aber  den  Erfolg  der  Handlung 
am  Objekt  bezeichneten  (vgl.  Mahlow,  K.  Z.  26,  580). 

160.  Die  Ausdehnung,  welche  der  ind.  aor.  als  Tempus  der  Erzäh- 
lung hatte,  gewann  er  erst  auf  griechischem  Boden.     Er  drängte  das  Impf., 


1.  Das  Verbnm.  (§  159- -161.)  185 


o 


das  alte  Tempus  der  Erzählung,  in  den  Hintergrund  in  ähnlicher  Weise, 
wie  in  vielen  nhd.  Dialekten  die  perfektische  Erzählungsform  {er  hat  ge- 
than)  die  imperfektische  (er  that)  zurückgedrängt  hat. 

Nicht  selten  wurde  der  Aorist  von  dem  gebraucht,  was  soeben  ein- 
getreten ist,  besonders  von  einer  Stimmung,  die  soeben  über  einen  ge- 
kommen ist,  oder  von  einem  Urteil,  das  man  sich  soeben  gebildet  hat, 
z.  B.  P  173  Hektor  zu  Glaukos:  <»  nonoi^  tj  %*  i^äfirjv  ah  nsql  (fqhvaq 
ififjievatr  aXXiov,  twv,  ocrcrot  Avxhjv  igißaHaxa  vaurtiovaiv'  vin'  6ä  asv 
wvo(rdfif]v  nayxv  ifQevag,  ofov  hmeg  (jetzt  aber  infolge  deiner  Rede  bin 
ich  Tadler  geworden).  Derselbe  Gebrauch  findet  sich  im  Indischen  (hier 
ausserordentlich  häufig)  und  Slavischen  und  hat  für  uridg.  zu  gelten. 

Auffallend  und  noch  nicht  befriedigend  erklärt  ist  die  scheinbar  zeit- 
lose Verwendung  in  Gleichnissen  und  in  Sentenzen,  wie  27  482  f]Qi7i€  d\ 
dg  avs  vig  6Qvg  rjQinev  und  /  320  xatd-av'  ofiwg  o  r'  äfQyog  dvr-Q  o  t€ 
noXXd  ioQyoig.  Sie  scheint  im  Zusammenhang  gestanden  zu  haben  mit  dem 
scheinbar  futurischen  Gebrauch  in  Stellen  wie  J  161  et  neq  yag  re  xai 
aiTix*  *Olvfi7iiog  ovx  ixeXsaasv^  ^x  ts  xal  oiph  tsXeT^  avv  t€  ficyccXfiy  dnä" 
%€iaaVj  I  413  sl  /ter  x'  avO-i  fitviov  Tgoicov  noXtv  dfKfipdxoDfiaiy  üiXeto 
liäv  fioi  vwfTog^  dvdg  xXtog  dtpO-iTov  iatai. 

AnmerkuDg.  Ich  vermutef  dass  diese  zeitlose  und  diese  futurische  Verwendung 
ursprfinglich  nur  an  die  augmentlosen  Formen  geknüpft  waren,  also  an  die  Injunktiv- 
formen  des  Aoriststammes,  und  dass  erst  das  Schwanken  zwischen  augmentierter  und  nicht 
augmentierter  Form  in  der  Mitteilung  vergangener  Ereignisse  {eßfj  und  ßij  „ist  gegangen** 
bei  Homer)  dazu  führte,  dass  man  auch  in  jenen  Fällen  die  augmentierte  Form  zuliess. 
Man  hätte  es  hiemach  nicht  sowohl  mit  einer  Bedeutungs-,  als  vielmehr  einer  formalen 
Analogie  zu  thun;  doch  konnte  in  gewissen  Fällen  auch  eine  Bedeutungsassoziation  mit- 
spielen, namentlich  beim  gnomischen  Aorist.  Vgl.  hierzu,  was  Tbubmeysen,  K.  Z.  21,  173 
und  DelbbCck,  S.  F.  5,  354  f.  359  f.  über  die  Injunktivform  sagen. 

161.  In  Sätzen  wie  insidr]  einev^  dni^si;  eindv  ravia  aTiyfi;  idv 
«  (fdy(oaiVy  dvaarriaovxm  (Xen.  an.  IV  5,  8)  erschien  die  syntaktisch 
untergeordnete  aoristische  Handlung  gegenüber  dem  anderen  Vorgang 
darum  als  vergangen,  weil  die  beiden  Handlungen  sachlich  verschieden 
waren.  Das  Bedeutungsmoment  der  ungeteilten  Vollständigkeit  und  Ab- 
geschlossenheit der  Handlung  Hess  die  Vorstellung,  dass  die  Haupthandlung 
in  den  Verlauf  der  Nebenhandlung  hineinfalle  und  neben  ihr  hergehe 
(Gleichzeitigkeit),  nicht  zu.  Die  Vorstellung  der  Vergangenheit  in  Bezug 
auf  das  Hauptverbum  war  also  nicht  durch  die  Aoristform  an  sich,  sondern 
durch  die  besondere  Natur  der  beiden  Verbalbegriffe,  die  zu  einander  in 
Beziehung  gesetzt  wurden,  gegeben.  Man  erkennt  diesen  Sachverhalt  am 
besten  durch  Vergleichung  mit  Sätzen  wie  E  98  xal  ßdX*  inäiaaov%a 
xvxfov  xaxd  ds^iov  0)fi0Vj  Herod.  5,  24  €v  €7toirj(Xag  dnixo^evog^  Xen. 
an.  I  3,  17  ßovXoi'firjv  d*  äv  axovvog  dnidv  Kvqov  XaÖ'Siv  aviov  dneXd-dv^ 
Thuk.  6,  4  ^T€ai  dl  iyyvraxa  oxtco  xai  sxaTov  fi€Td  Trjr  atpeTSQav  oTxiaiv 
FeXtpoi  'Axgdyavta  o^xidav^  ti^v  filv  noXiv  and  rov  ^Axqdyavrog  norafiov 
ivo^difavTfgy  oixiaTag  61  Troijjtfavreg  'Aqiötovovv  xal  IlvaxiXoVj  vofxifia 
S^  %d  reXiimv  dovreg,  wo  die  Vorstellung  einer  Zeitverschiedenheit  darum 
nicht  entstehen  konnte,  weil  es  sich  um  ein  und  denselben  Vorgang  handelte 
und  das  Partizip  oder  die  Partizipien  nur  eine,  beziehungsweise  mehrere  be- 
sondere Seiten  der  Handlung  des  regierenden  Verbums  zum  Ausdruck  brachten. 


186 


A.  Griechische  Grammatik,    d)  Syntax. 


Der  Gebrauch  des  part.  aor.  in  Sätzen  wie  elnwv  tavra  anriet  wurde 
im  Griechischen  ausserordentlich  beliebt  und  bildet  eines  der  augenfälligsten 
syntaktischen  Charakteristika  dieser  Sprache.  Man  setzte  in  dieser  Weise 
auch  mehrere  Aoristpartizipien  zu  einem  Hauptverbum,  deren  wechselseitiges 
Zeitverhältnis  sich  aus  der  Reihenfolge,  in  der  sie  zur  Aussprache  kamen, 
in  derselben  Weise  bestimmte  wie  z.  B.  in  veni,  vidi,  vici :  z.  B.  Xen.  mem. 
I  1,  17  ßovXevdag  yccQ  ntne  xal  %dv  ßovlevnxov  oqxov   o^odag^    imaxairfi 

Dagegen  waren  die  Satzformen  wie  insiSiq  slnsv^  artf^ei  und  iccv  ri 
{fdymtfiVy  ovaaTrjaovTai  anderwärts  ebenso  gebräuchlich.  Jener  entsprach 
lat.  postqtiam  dixit^  abiit,  wobei  zu  beachten  ist,  dass  dieser  Gebrauch  des 
ind.  perf.  auf  den  aoristischen  Bestandteilen  dieses  Tempus  {dtxit  =  iSei^e) 
beruhte.  Und  et  (idv)  mit  conj.  aor.  entsprach  dem  lat.  si  mit  dem  fut. 
exact.,  welches  Tempus  nichts  anderes  als  ein  conj.  aor.  war  (Vf.  M.  ü.  3, 33  f.). 

Der  opt.  und  inf.  aor.  von  vergangenen  Handlungen  als  Vertreter  des 
ind.  aor.  in  der  or.  obl.  entbehrten  ebenso  wie  opt.  und  inf.  praes.  (§  158) 
des  Ausdrucks  der  Zeitbeziehung,  die  nur  aus  der  Natur  der  in  der  Rede 
in  Verbindung  gebrachten  Verbalbegriffe  oder  aus  der  ganzen  in  Rede 
stehenden  Situation  erkannt  wurde,  z.  B.  J  375  negi  S'  alXcav  (paai 
yevead-ai  (direkt  iyävhto).  In  ähnlicher  Weise  liess  mitunter  die  Wahl 
des  conj.  aor.  im  abhängigen  Satz  das  Moment  der  Vergangenheitsbedeutung 
nicht  zum  Ausdruck  kommen,  in  Sätzen  wie  y  316  xat  crt),  ytto$,  iiri  6rj&ä 
Sofiwv  ano  %fjX'  dXdXrflo  ,  ,  .^  fiij  toi  xccrd  ndvra  (pdyaxfiv  xn^fiara  Sa(f(fd- 
Hevoi^  av  dh  rrjijfffrjv  aSov  fX&rjg  (Pfuhl  a.  0.  27).     Vgl.  auch  §  166. 

162.  Perfektstamm.  Das  Perf.  (§  131  flf.)  hatte  zwei  alttiberkom- 
mene  Funktionen.  Einerseits  hatte  es  intensiven,  beziehentlich  iterativen 
Sinn,  z.  B.  y^yrjd^Uj  red-riXe^  B  264  O-odg  inl  vrjag  äqy^ao)  nanXrjywg 
dyoQfjx}'€v  deixearn  nXrjyfjCiv,  B  90  cd  fjihv  r*  {jiähcdai)  Iv&a  aXtg  nenoTiq- 
avaiy  ai  it  ve  ^vö-a^)  Anderseits  bezeichnete  es  die  Handlung  im  Zu- 
stand des  Vollendet-  und  Fertigseins,  und  zwar  gewöhnlich  als  positiven 
Zustand,  z.  B.  xäxrrjfiai^  i'atrjxa^* ixäfivtjfiai,  Plat.  Kriton  p.  46a  ovSt  ßovXsv- 
€(f&ai  hl  &Qa^  dXXd  ßsßovXsvad^ai^  zuweilen  auch  (aber  sicher  eine  erst 
in  jüngerer  Zeit  aufgekommene  Verwendung)  als  negativen  Zustand,  wie 
Eur.  Tro.  582  ßäß&x*  oXßog  (vgl.  Aken,  Grundz.  16). 

Hinsichtlich  der  Zeitstufe  glich  das  Perf.  ganz  dem  Präsens.  Es 
stand:  von  der  Gegenwart  des  sprechenden,  z.  B.  A  555  vvv  d'  alrcig 
dsiSoixtt.  Von  solchem,  was  für  alle  Zeiten  gilt,  z.  B.  Xen.  mem.  IV  2,  35 
TtoXXoi  Sk  äid  tov  nXovxov  Siad-qvmoiisvoi  %e  xai  inißovXsvo^evoi,  aTioXXvvTat, 
noXXol  dh  did  do^av  xal  TtoXirixtjv  dvvafiiv  fxsydXa  xaxd  nenovd-aaiv. 
Von  Vergangenem,  wie  das  praes.  bist.,  also  gewissermassen  als  perfectum 
praesens  historicum,  z.  B.  Xen.  Hell.  VH  1,  41  av&ig  6*  'Enafieivm'Sag  .  .  . 


^)  In  dem  Asyndeton  solcher  Partizipia, 
aber  auch  der  schildernden  Partizipia  des 
Präsens  und  des  Perfekts  (s.  Kühnes  IP 
S.  660),  spiegelt  sich  zum  Teil  noch  die  ältere, 
im  Griechischen  stark  zurückgedrängte  asyn- 
detische  Nebeneinanderstellung  der  formen 


des  Verbum  finitum  wieder. 

^)  Kohlmahm's  Programmabhandlungflber 
die  Annahme  eines  Perfectum  intensivom  im 
Griechischen,  Salzwedel  1886,  kenne  ich  nur 
aus  Bubsian's  Jahresberiohteo. 


1.  Dm  yerbam.  (§  162-163.)  187 

syvcoxe  ctQOjetnäov  slvai  inl  rrjv  *Axdtav  (mit  Unrecht  in  fyv(a  geändert, 
vgl.  die  unmittelbar  folgenden  Sätze  mit  praesentia  hist.).  Von  Künftigem, 
z.  B.  Soph.  Phil.  75  wer'  ei  fi€  to^wv  iyxqaTr-g  alc&rj(f€Tai,  oXtola,  Xen. 
an.  I  8,  12  xäv  tovto  (t6  atQdtevfia)  vixo5fi€Vy  ndvx>*  i^fiTv  neTtoirjtai 
(vgl.  Thuk.  6,  91  oben  §  156).  Ein  perf.  hist.  nach  Art  des  lat.  und  ai. 
perf.  hist.  war  der  klassischen  Zeit  fremd;  erst  später  trat  Vermengung 
des  Perf.  mit  dem  Aor.  ein  (s.  Lehrs,  Quaestt.  epicae  p.  274  sqq.). 

Das  Plusquamperfekt  (§  139)  verhielt  sich  zum  ind.  perf.,  wie  das 
Imperf.  zum  ind.  praes.  Wie  man  mit  dem  Imperfekt  schilderte  und  er- 
zählte, so  auch  mit  den  Plusquamperfektformen,  nur  dass  die  letzeren  die 
durch  die  Bildung  gegebene  Nebenbedeutung  hatten.  Z.  B.  ^  683  ysyrjd^si 
dh  ^qäva  Nr^ksvg  (»war  voller  Freude",  intensivum),  Herod.  7,  176  iSäSfitjTo 
i^  Tftx^  (, stand  erbaut  da''.  Zustand  des  Yollendetseins). 

Als  Vertreter  des  Plusquamperf.  in  der  oratio  obl.  hatten  der  opt. 
und  der  inf.  perf.  an  sich  keine  Zeitbeziehung,  ^  diese  konnte  nur  der  Zu- 
sammenhang ergeben,  z.  B.  Xen.  Hell.  V  2,  3  sderjO^rj  .  .  .  Xtywv,  oti  t^7 
nccxQi  avTov  ij  rtov  Mavxivioav  noXig  TtoXXd  vnriqeTrjxot  iv  %oTg  nqog 
Msatfrjvrp^  noXhfioig  („habe  hilfreich  zur  Seite  gestanden",  direkt  vTii^qexrjxsi)^ 
Xen.  Kyr.  I  4,  27  avS^a  6h  nva  %(ov  MYjdtüv  ixncnlrjxx^cci  inl  t«j3  xdXXsi 
Tov  KvQov  („sei  erstaunt  gewesen",  direkt  i^snänXrjxro).  Dagegen  Soph. 
Ant.  442  ^fi,  fj  xaiaQveX  fii]  Seigaxt'vai  xdSe;  („dass  du  die  Thäterin 
bist*,  direkt  däiqäxa).     Vgl.  §  158  über  den  opt.  und  den  inf.  praes. 

Wie  es  kommen  konnte,  dass  Formen  des  cr-Aoristes,  denen  von 
Haus  aus  perfektische  Bedeutung  nicht  kann  beigewohnt  haben,  dem  Perfekt- 
system angegliedert  wurden,  ist  §  137  gezeigt. 

163.  In  das  Futurum  (§  140)  trat,  was  nach  jemandes  Ansicht, 
Erwartung,  Befürchtung  oder  Absicht  in  näherer  oder  entfernterer  Zukunft 
liegt.  Dabei  kannte  das  Futurum  nicht  den  Unterschied  der  präsentischen 
und  der  aoristischen  Aktionsart:  afw  war  sowohl  „ich  werde  geleiten" 
(vgl.  aysiv)  als  auch  „ich  werde  hinbringen"  (vgl.  dyayeXv),  Beispiele  für 
den  voluntativen  Gebrauch:  Soph.  Ant.  234  xsi  %6  fir^S^v  s^€qw^  (pgccffio 
d*  o^cog^  K  88  Agamemnon  zu  Nestor:  yvdasai  'ÄTQsidr^v  'Ayafiä/xvova;  be- 
sonders oft  in  abhängigen  Gliedern,  wie  Thuk.  3,  16  vavvixdv  naqeaxsva^ov^ 
ou  nsiA\f)ov(tiv  ig  xi^v  Aiaßov^  E  618  intSgafie  .  .  .  xevx^cc  avXrjaiav, 
Beim  voluntativen  Indik.  konnte  die  seelische  Stimmung  durch  die  Wahl  von 
/ii;  als  Negation  noch  einen  besonderen  Ausdruck  erhalten,  z.  B.  K  330 
sagt  Hektor  Tcx(a  vvv  Zevg  .  .  .,  jujj  füv  xoTg  Innoiaiv  dvrjQ  inoxricsxai 
aXXog^  womit  man  vergleiche  des  Zeus  Worte  P  448  dXX*  ov  fidv  vfiTv  ys 
xal  agfiatri  iaiäaXioiaiv  ^Exxwq  ÜQiaiAiSrjg  inoxrjtfexai.  In  abhängigen 
Gliedern  war  bei  voluntativem  Sinn  luirj  obligatorisch. 

Anzunehmen,  dass  die  voluntative  Bedeutung  des  Futurstammes  die 
älteste  gewesen  sei  und  dass  sie  sich  zu  rein  temporaler  abgeschwächt' 
habe  (vgl.  Delbrück,  S.  F.  3,  8.  4,  98),  hindert  nichts,  und  es  kann  von 
Seiten  des  Gebrauchs  schwerlich  entschieden  werden,  ob  dieses  griechische 
Tempus  mit  dem  ai.  und  lit.  si'o-Futur  identisch  oder  aus  dem  conj.  aor. 
^twickelt  war  oder  beide  Bildungen  in  sich  vereinigte,  vgl.  §  140. 

In  li€lv  ßovXrjiTofXM   Soph.  0.  R.  1077   (für  IdeTv  ßovXofiai)   u.   ähnl. 


188  A.  Griechische  Grammatik,    d)  Syntax. 

hatte  eine  Verschiebung  stattgefunden.  Der  Begriff  der  Zukunft,  der  an 
dem  Objekt  des  WoUens  haftete,  wurde  auf  das  Verbum  des  Wollens  selbst 
übertragen.     Vgl.  Aken,  Qrundz.  20. 

Der  zuerst  bei  Pindar  vorkommende  opt.  fut.  war  eine  Neubildung, 
die  dem  Streben  entsprang,  auch  im  Futur  einen  opt.  obliquus  (§  167)  zu 
gewinnen:  elnsv,  ot*  i'^oi  statt  einev,  ort  fjf*  nach  Analogie  von  slnsvj 
oti  ix^i.     Dieser  Opt.  blieb  auf  diese  Verwendung  beschränkt. 

Ebenso  war  der  in  f.  fut.  eine  griech.  Neubildung.  Er  scheint,  ent- 
sprechend dem  opt.  fut.,  in  der  obliquen  Rede  bei  Verba  des  Sagens  und 
Denkens  ins  Leben  getreten  zu  sein.  Dies  blieb  auch  seine  häufigste 
Gebrauchsweise,  z.  B.  r  357  ov  not'  iyw  ye  o^sttd^'  vfifi*  i^pdfxrjv.  Nicht 
selten  nun  zeigt  er  sich  auch  bei  Verben  mit  voluntativer  Bedeutung,  z.  B. 
Af  198  fie'fiaaav  6^  ndXiata  rsTyipg  ve  ^rj^eiv  xal  ivingriaeiv  nvql  vrjaq^ 
Thuk.  6,  57  ißovlovto  nQOTifji(OQi](r€<r^ai.  Forssmann,  C.  St.  6,  35  ff. 
und  Festschrift  des  Protestant.  Qymn.  zu  Strassburg  1888  S.  284  ff.  erkennt 
diesen  Gebrauch  nur  für  den  Fall  an,  dass  das  regierende  Verbum  von 
Haus  aus  den  Sinn  des  Denkens  oder  Meinens  hatte,  wie  z.  B.  fiefiova 
noitjasiv  ursprünglich  bedeutet  haben  soll  „ich  denke,  ich  werde  thun". 
Wo  das  Voluntativum  auf  einen  derartigen  Sinn  nicht  zurückgeführt  werden 
kaim,  soll  der  Text  verdorben  sein,  wie  in  der  angeführten  Thukydides- 
stelle.  Gegen  meine  frühere  Ansicht,  dass  der  inf.  fut.  in  Verbindung  mit 
Verba  des  Strebens  voluntative  Bedeutung  gehabt  habe  und  somit  ein 
Bedeutungspleonasmus  vorliege,  bemerkt  Forssmann  mit  Recht,  dass  sie 
sich  schlecht  mit  der  Auffassung  des  infinit,  fut.  als  einer  griech.  Neubil- 
dung vertrage.  Aber  Forssmann's  Erklärung  scheint  mir  nur  zum  Teil 
richtig.  Man  wird  annehmen  müssen,  dass  der  Gebrauch  des  inf.  fut. 
allerdings  aufgekommen  war  nach  Verben  mit  Doppelnatur  wie  (läiiova 
Siavoovnat  auf  Grund  des  nicht  voluntativen  Sinnes  derselben  (so  erklärt 
Forssmann  mit  Recht  auch  den  inf.  fut.  bei  fie'klw),  dass  aber  dieser  Sinn 
in  der  Sprachempfindung  gegen  den  voluntativen  zurücktrat  und  dann 
der  inf.  fut.  nach  der  Analogie  dieser  Verba  zuweilen  auch  zu  solchen 
gesetzt  wurde,  die  von  Anfang  nur  Voluntativa  waren,  wie  ßovlsa&ai  und 
iifie(fx)^ai.     Textänderungen  sind  also  abzuweisen. 

Der  Gebrauch  des  inf.  fut.  bei  ävaßdXkofiai  (Herod.  5,  49  dvaßdX- 
kofiai  TOI  ig  tQirrjv  rjfitQrjv  vnoxQiväead^cti^  6,  86  ravra  (ov  VfiTv  dva- 
ßdXXofiai  xvQfiasiv  iq  Täxagrov  jArjva  dnd  xoHb)  erklärt  sich  aus  der 
Analogie  der  Verba  des  Versprechens;  ähnlich  Thuk.  3,  36  nagsxoinevov 
dno  nXaTamv  dnd^siv  IleXonovvrjaiovq^  u.  dgl.  m. 

Das  part.  fut.  hatte  meist  voluntativen  Sinn,  wie  -4  13  o  ydq  r^kx^s 
d-odq  €711  vrjag  ^Axcckov^  Xvffdfisvog  t€  ^vyarga^  und  wenn  -croiT-  aus 
-CjfoiT-  entstanden  war,  so  vergleicht  sich  dieses  part.  dem  in  gleicher 
Weise  gebrauchten  ai.  part.  auf  -syd-nt-.  Nicht  voluntative  Bedeutung 
erscheint  z.  B.  in  og  eidrj  rd  t*  iovta  %d  t*  iaao^eva  tzqo  t*  iovra  A  70, 
xal  *'l(ovag  avv  avroTai  rovg  Soiaovvag  ifnol  dixxjv  tSv  inohiaav  Herod.  5, 
106,  rd  6'  inirr^deia  ^xoisv  ix  rrjg  iv  fxäci(i  xwp«$  noXXfjg  xcu  dyaO-^g  ov(rrjg 
xal  rm  igyaffofiivojv  iv6vro)v  Xen.  an.  114,  22,  doch  war  das  Futurum 
hier  ebensowenig  ausschliesslich  temporal  wie  »»*         '   "^«^^^tivischen  Neben- 


1.  Baa  Verbnm.  (§  164.)  189 

Sätzen  wie  Xen.  an.  VI  3,  16  dXXd  67]  ixtt  /i^r  ovre  nXoTa  itftlv  01  g  äno~ 
nXsv(f6fi€&a. 

Das  „ful.  ex."  (§  141)  verhielt  sich  zum  Perfekt,  wie  das  einfache 
Futur  zum  Präsens,  bez.  Aorist,  z.  B.  ^  322  avrov  ot  xal  (frjfia  TeTsv- 
^€Tai  »wird  errichtet  sein*. 

Die  Modi. 

164.  Die  Modi  bezeichneten  eine  ipvxtxrj  did&eaig  des  sprechenden. 
Ihr  Gebrauch  in  Nebensätzen  war  von  dem  in  Hauptsätzen  anfänglich  nicht 
verschieden.  Zu  der  Zeit,  als  die  hypotaktischen  Satzformen  sich  ausbil- 
deten (§  203),  wurde  durch  diese  Entwicklung  in  der  Funktion  der  Modi 
nichts  geändert.  Erst  im  Lauf  der  Zeit,  nachdem  sich  die  Kategorien  der 
Nebensätze  bereits  befestigt  hatten,  kamen  Unterschiede  des  Gebrauchs  in 
beiden  Satzarten  auf:  der  vohmtative  Eonj.  blieb  gleichmässig  in  negativen 
wie  in  positiven  Nebensätzen,  während  er  sich  in  der  2.  und  3.  Person  in 
positiven  Hauptsätzen  fast  ganz  verlor  (§  165.  212);  der  opt.  obl.  war 
speziell  in  Nebensätzen  entwickelt  worden  (§  167.  212). 

Die  wichtigsten  Modalpartikeln  waren  ov,  fit];  xh\  av. 

ov  {zu  lat.  haud?  s.  Hübschmann,  Das  idg.  Vokalsystem  191),  durch 
welches  das  uridg.  *ne  (lat.  ne-scio)  verdrängt  war,  diente  der  Verneinung  der 
Thatsächlichkeit  der  Aussage  (Verstandesthätigkeit),  mit  jtti^  (=  ai.  mä)  lehnte 
imd  wehrte  man  ab  (Willensthätigkeit),  vgl.  Kvicala,  Ztschr.  für  öst. 
Gymn.  1856  S.  745.  Diese  Verschiedenheit  der  beiden  Negationspartikeln 
tritt  überall  hervor;  es  begreift  sich  von  der  angegebenen  Bedeutung  des 
fiTj  aus  überall,  wo  wir  diese  Partikel  finden,  leicht,  wie  man  dazu  kam, 
gerade  sie  zu  setzen.  Auch  in  Fällen,  wo  ov  und  jtii^  ganz  gleichwertig 
neben  einander  gebraucht  zu  sein  scheinen,  war  ein  feiner  Bedeutungs- 
unterschied vorhanden,  dem  man  freilich  bei  der  Übersetzung  ins  Deutsche 
nicht  gerecht  zu  werden  vermag.  Wenn  in  der  späteren  Gräzität  larj  dem 
ov  Terrain  abgewann,  so  kam  dieses  nicht  daher,  dass  man  gegen  den 
Unterschied  der  beiden  Negationen  unempfindlich  geworden  war  und  sie 
einfach  verwechselte,  sondern  daher,  dass  man  Ausdrucksweisen  mit  /try, 
die  schon  in  älterer  Zeit  vorhanden  waren,  mehr  und  mehr  bevorzugte: 
„the  later  use  of  firj  is  not  so  much  an  innovation  as  an  extension^ 
(GiLDERSLEEVE,  Encroachmcnts  of  fi^  on  ov  in  Later  Greek,  Amer.  Journ. 
of  Phil.  1,  45  flf.). 

dv  scheint  mit  dem  lat.  an  identisch  gewesen  zu  sein  (vgl.  L.  Meyer, 
AN  im  Griech.,  Lat.  u.  Goth.  1880,  Vf.  Lit.  Centr.  1880  Sp.  1669  f.). 
xiv  (xa,  xii)  verbindet  Delbrück,  S.  F.  1,  84  ff.  5,  503  mit  ai.  kam  (mit 
schwer  zu  definierender  Bedeutung),  dagegen  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  342 
mit  ai.  idm  „bene,  wohl**.  Im  allgemeinen  deuteten  diese  Partikeln 
das  Vorhandensein  nicht  näher  zu  bestimmender  Bedingungen  an,  so  dass 
man  ihren  Sinn  zur  Not  durch  „allenfalls,  eventuell,  unter  Umständen** 
verdeutlichen  könnte.  Die  Gewohnheit  Hess  sie  in  gewissen  Fällen,  wo  sie 
die  Bedeutung  des  Modus  nur  unwesentlich  modifizierten  {ei  cum  conj.,  opt. 
poi.),  fast  unentbehrlich  werden. 

Anmerkung.    Auch  da,  wo  ciy  und  xiy  neben  einander  erscheinen,  wie  bei  Homer 
(Jfua^n  Hypothese,  lüas  p.  XXII  sqq.,  lassen  wir  auf  sich  beruhen),  kann   die  Bedeutungs- 


190  ^  (Mechiache  Grammatik,    d)  Syntax. 

Verschiedenheit  nur  noch  eine  sehr  geringe  gewesen  sein.  Was  Thibmakn^  Gnindzfige 
der  hora.  Modus-Syntax,  Berl.  1881,  aufstellt,  ist  kaum  zu  begründen:  durch  xey  soll  das 
redende  Subjekt  auf  sich  selbst  weisen,  insofern  eine  Beziehung  zwischen  dem  eigenen 
Willen  oder  der  eigenen  Vorstellung  zu  der  Handlung  stattfinde;  durch  ecy  dagegen  weise 
das  redende  Subjekt  auf  besondere  Ump.tftnde  hin,  die  ausserhalb  seiner  Berechnung  liegen 
könnten.  Monro,  A  Grammar  of  the  Hom.  dial.  265  sqq.  weist  auf  mehrere  Unterschiede 
hin,  wie  den,  dass  in  negativen  Sätzen  äy  bevorzugt  erscheint,  und  kommt  zu  dem  Schluss: 
,The  general  effect  of  these  differences  of  usage  between  the  two  Particles  seems  to  be 
that  (ty  is  used  either  in  an  adversative  sense  —  with  a  second  or  opposed  alternative  — 
or  when  greater  empfiasis  has  to  be  expressed.  Thus  while  the  force  of  xiy  might  be 
given  approximately  by  such  words  as  then,  in  that  case  (and  that.  of  xiy  —  xiy  by  in 
one  case  —  in  another  case),  ay  might  be  translated  then  indeed,  then  rather,  even  in 
that  case,  in  that  other  case,  etc."  Vgl.  auch  Gildbrsleevb's  Bemerkungen  über  den  Ge 
brauch  der  beiden  Partikeln  bei  Pindar,  Amer.  Joum.  of  Phil.  3,  449  sqq. 

165.  Konjunktiv.  Da  die  Konjunktivkategorie  zwei  verschiedene 
stammbildende  Suffixe  aufweist  (§  142),  so  ist  fraglich,  ob  von  einem  ein- 
heitlichen Grundbegriff  ausgegangen  werden  darf.  Und  schwerlich  ist  es 
Zufall,  dass,  wie  im  Lateinischen  die  Formen  mit  -o-  -c-  {ero  faxe  vülero 
dlxero)  nur  die  temporale  (futurische)  Bedeutung  hatten,  so  auch  in  ^Sofiai, 
mofiai,  X£(o  sich  diese  Bedeutung  als  die  regelmässige  festsetzte  (§  142,  1), 
eine  Gebrauchsweise,  auf  Grund  deren  diese  Formen  in  der  Grammatik  als 
Judikative  aufgeführt  zu  werden  pflegen. 

Als  Grundbedeutung  des  Konj.  wird  jetzt  gewöhnlich  mit  Delbrück 
die  des  Willens,  des  machtbewussten  Begehrens  angesehen,  aus  der  sich 
allerdings  alle  Funktionen  ohne  Zwang  entwickeln  lassen.  Der  Konj.  ent- 
hielt immer  eine  Hinweisung  auf  Verwirklichung  des  im  Sinn  liegenden, 
ein  Moment,  das  dem  Opt.  (§  166)  in  der  Regel  abging. 

Aus  uridg.  Zeit  mitgebracht  waren: 

1.  die  voluntative  Bedeutung  (Negation  fii^).  Der  Träger  des  Willens 
war  im  Hauptsatz  der  sprechende.  X  450  devTc,  iv(o  fioi  i'nead^ov^  lioofi* 
(ich  will  sehen),  S  %iv*  Igya  tkzvxTai.  E  684  juij  ^r^  fie  i'XwQ  Javaoiaiv 
idtryg  xaiaxhai-  (ich  will  nicht,  dass  du  lässt  =  lass  nicht).  Die  2.  und 
3.  Pers.  wurden  im  lon.-Att.  in  positiven  Sätzen  nur  dann  festgehalten, 
wenn  diese  abhängig  waren,  z.  B.  P  685  et  d*ay€  Ssvqo,  SioTQe^päc^  o^qu 
nv&rjai.  Hierher  stellt  sich  auch  Soph.  Phil.  300  y«p*,  w  tb'xvov,  vvv  xul 
TO  Ttfi  vr^(rov  fiäO^ijgy  da  die  an  ^t'Qc  u.  ähnl.  adhortative  Ausdrücke  sich 
anschliessenden  Konjunktivsätze  (gewöhnlich  mit  1.  sg.  und  1.  pl.)  ein 
ähnliches  Gefühl  der  Unselbständigkeit  begleitete  wie  das,  welches  man  bei 
konjunktionalen  Sätzen  hatte.  Ähnlich  die  Vasenaufschrift  x^*i?*?  ^^ri  ttijj, 
falls  hier  ein  Konjunktiv  mit  -/y-  (*7riija«)  vorliegt  (s.  Kretschmeb,  K.  Z. 
29,  481  f.)  und  nicht  die  2.  sg.  zu  mofim,  in  welchem  Falle  man  das  auf- 
fordernde xai  not  fpQMeig  u.  dgl.  (Kühner  TP  149)  vergleichen  könnte; 
allerdings  spricht  xccTqe^  xal  IIIEI2,  da  man  wohl  Ttfrjg  lesen  muss,  zu 
Gunsten  von  mg  =  *mr^ai.  Dagegen  liegt  im  Elischen  die  nicht  negierte 
3.  sg.  im  wirklichen  Hauptsatz  vor,  Collitz,  Gr.  D.  n.  1172,  32  to  dt 
tpaipKffjia  .  .  .  dvatc-O'^  iv  to  laqov  tw  Jioq  rw  'O^t'/t/r/«,  vgl.  auch  Zeile  36. 
Auch  ist  vielleicht  KATA2TA2EI  im  gortyn.  Gesetz  nicht  als  xaraataabl 
(ind.  fut.),  sondern  als  conj.  aor.  xavaffTMr^  (oder  -crrcfcr««)  zu  lesen,  z.  B. 
3,   14  cci  dh  X    dXXoTQiog  avveaccddiß^  dtxa  axatrjQavg  xaTactaaEl, 

Je  nach   der  Situation   konnte   der  Konjunktivsatz  mit  /i/j   auch   als 


1.  Baa  Verbum.  (§  165-166.)  191 

Ausdruck  der  Warnung  erscheinen,  z.  B.  A  26  jui;  crf,  y^ipor,  xoiXrjtr^v  iyd 
naqd  vrjvai  xix^<^>9  oder  als  solcher  der  Befürchtung,  z.  B.  e  356  w  i^oi 
€yWy  firj  tig  fjioi  v(fa{vr](nv  doXov  avve  aO^avarcov,  In  Abhängigkeit  von 
einem  die  Seelenstimmung  näher  definierenden  Verbum  z.  B.  rf^Jw,  firj  n 

2.  die  deliberative  Bedeutung  (Negation  nrj),  z.  B.  o  509  ttj  t*  a^* 
«yw,  y«2ff  TixvoVy  t(o;  Xen.  mem.  I  2,  45  notegov  ßiav  (fCüjAcv  rj  fiij 
q^wiiBV  eivai;    B  4  aXX*  o  ye   fiegfii^Qi^e  xard   tfQtva^    (og  ^AxiXrja  rifir^aj], 

3.  die  futurische  Bedeutung  (Negation  ot),  z.  B.  Z  459  xai  nore  tig 
finißiHv  '^ExxoQog  rjSe  yvvri  xtX.,  A  262  ot  ydq  nco  toiovg  idov  dvb'gag  ovd^ 
Tifofiai.  Ausschliesslich  diiese  Bedeutung  zeigen  die  Konj.  iSofiai^  ntofxai^ 
;t«'(o  (s.  S.  190).  Der  futurische  Konjunktiv  nahm  oft  av,  xiv  zu  sich,  z.  B. 
-^  433  CijiA€QOv  rj  SoioTtnv  inev^eai  '^Innaaiir]<nt\  rj  xev  ifj.^  vno  dovQi 
TVJreig  dno  &vfidv  oXe-aarjg,  A  387  ovx  av  toi  xqaia^Tßm  ßiog  xai  xaQtfätg 
toi.  In  Nebensätzen  ebenfalls  teild  ohne,  teils  mit  av^  xiv,  z.  B.  d^  112 
itraefai  rj  rjdg  rj  SeiXrj  rj  fuaov  r^fiag,  onntne  rig  xal  i^sXo  agei  ix  x^vfiov 
?Xrj%aiy  Z  448  icrretai  rjfiag  ot*  dv  not'  dXoiXj]  ^'iXiog  tgi].  Die  Partikel  cey 
wurde  später  beim  Konj.  ebenso  Kegel  (z.  B.  oray),  wie  beim  opt.  pot.  Dass 
die  Konditionalsätze  als  Negation  fir^  hatten,  war  nicht  sowohl  in  der  be- 
sonderen Natur  des  in  ihnen  verwendeten  Konjunktivs  begründet,  als  in 
dem  Ursprung  aus  Optativsätzen. 

Wesentlich  neue  Funktionen  des  Konj.  haben  die  Griechen  nicht 
entwickelt. 

166.  Optativ.  Die  beiden  optativbildenden  Elemente,  -{e-  -T-  in  etrjv 
eliisv  und  -j(-  in  (fbQotßev,  etymologisch  zu  identifizieren,  hindert  nichts 
(s.  §  145,  2),  und  man  dürfte  also  von  einer  einheitlichen  Grundbedeutung 
ausgehen.  Gleichwohl  ist  unklar,  welches  die  Grundbedeutung  war  und 
in  welchem  historischen  Verhältnis  die  beiden  Hauptfunktionen  des  Optativs, 
die  dieser  schon  in  uridg.  Zeit  hatt^e  und  die  das  Griechische  festhielt,  zu 
einander  standen.     Diese  Funktionen  sind: 

1.  die  Bedeutung  des  Wunsches,  des  machtlosen  Begehrens  (Negation 
fiij).  Der  Wünschende  war  die  sprechende  Person.  2  98  avvfxa  rsx^vairjv. 
y  205  st  ydq  ifiol  toaar^i'Sh  x^sol  Sifva/xiv  na^ax^sTsv.  I  601  dXXd  av 
firj  fAoi  ravTa  vosi  ifqeai^  jArjSh  ae  Satficov  ivravd-a  TQeifjeie,  Statt  des 
Begriffes  des  Wunsches  tritt  öfter  mehr  derjenige  der  Bitte  hervor,  z.  B. 
rf  193  xai  rrv,  ei  rC  nov  itm,  nid^oio  fioi,  oder  derjenige  der  Konzession, 
z.  B.  Q  226  avTixa  ydq  fic  xataxteiveiev  ^dxiXXevg  dyxdg  iXovx*  ijiidv  viov. 
Dieser  Opt.  im  Nebensatz  z.  B.  v  42  ^iXa  döoga^  rd  fioi  x^soi  ovQaviwveg 
oXßux  noirj(f€iav, 

2.  die  Potentiale  Bedeutung  (Negation  ov).  y  231  ^eTa  &€og  y'  id^äXmv 
xai  xT^Xo&cv  dvSqa  aadaai.  Häufig  Hinzutritt  von  dv  (xtv),  der  im  At- 
tischen zur  Regel  wurde,  z.  B.  /  57  ifiog  da  xe  xai  ndig  eirfi  oTcXorarog 
y€V€TJ<fiv^  Plat.  Kratyl.  p.  402  a  6\g  ig  tov  avxov  noraiiov  ovx  dv  i^ßahfi. 
Verschiedene  Nuancen  je  nach  der  Situation:  Möglichkeit,  bescheidene  Be- 
hauptung, mildere  Form  der  Willensäusserung,  fingierte  Situation.  Be- 
sonders bemerkenswert  ist,  dass  diese  Form  der  Willensbekundung  auch 
in  Gesetzesvorschriften  auftritt:  im  El.  mit  xa,  avvfiaxia  x*  fa  ixaxov  fitea 


192  A.  Griechiache  Grammatik,    d)  Syntax. 


u.  oft,  im  Kypr.  zweimal  mit  ri),  rj  ivpdvoi  vv  Collitz,  Gr.  D.  n.  60,  6, 
7j  6(6x01  vv  ebend.  Z.  16  (vgl.  unser  deutsches  er  kann  kommen  =  e>*  komme). 
Opt.  potent,  im  Nebensatz,  z.  B.  A  64  all*  ays  Srj  tiva  (lavtiv  igeiopisv 
fj  IsQfjay  og  x'  €i7toi^  H  340  iv  S*  avToTai  nvlag  noirjftojAev  sv  dgagviag, 
offQa  dl*  avxdtüv  tnmqlaairi  oäog  sirjy  Soph.  Trach.  2  loyog  fjUv  eat*  dqxatog 
dvx^Qwntov  ifttvsig^  dg  ovx  äv  alwv'  ixfJtd&oig  ßgoräv  tctI. 

Da  dem  Opt.  der  Ausdruck  der  Zeitstufe  mangelte,  so  ist  es  nicht 
auffallend,  dass  sich  der  wünschende  und  der  potentiale  Opt.  auch  auf  die 
Vergangenheit  beziehen  konnten:  wünschend  z.  B.  <r  79  vvv  fi^v  firr* 
eirjg,  ßovydie^  jArjre  ytvoiOj  potential  z.  B.  £  311  xaC  vv  xev  svx^*  dnolo^xo 
(wäre  umgekommen)  ava^  dvSQdov  Älvciag^  et  firj  ccq*  o^v  vorfie  Jiog  &VYdvrjQ 
^AifQodiTii)^  Eur.  Suppl.  764  (paijqg  ar,  al  naQrj(f&*,  or'  rjydna  vaxQovg,  Herod. 
1,  2  €irj(Tav  (mögen  gewesen  sein)  S*  dv  ovroi  Kgr^reg;  diese  Fälle  sind 
selten  (vgl.  Gebth,  Grammatisch-Kritisches  zur  Moduslehre  1878  S.  10  ff.)f 
die  gewöhnliche  Ausdrucksweise  war  eine  andere  (§  169).  Einerseits  auf 
demselben  Grunde,  anderseits  aber  auch  auf  dem  potentialen  Sinn  an  sich 
beruhte  es,  dass  der  opt.  pot.  so  oft  auf  künftiges  ging,  wie  o  506  itsnäqiog 
6'  eig  dcTV  tdoiv  if^id  fc^y«  xdrsifir  rfid-sv  Sä  xev  vfifiiv  odoirtoQiov  naga^ 
x}^€ffirjv^  Lysias  7,  41  dO^lmxaxog  äv  ysvoifirjv^  ei  (pvydg  dSixtog  xara- 
(Tt7j(rofiai.    Ein  opt.  fut.  (mit  dv)  als  potentialis  kommt  nicht  vor  (vgl.  §  163). 

Dass  die  Bedingungssätze  mit  et,  al  zum  grossen  Teil  auf  Wunsch- 
sätzen beruhten,  ist  sicher,  s.  L.  Lange,  Der  homerische  Gebrauch  der 
Partikel  EI,  Abhandl.  d.  k.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  16,  307  flf.  Aber  nicht 
zu  beweisen  und  mir  nicht  wahrscheinlich  ist,  dass  die  «i-Sätze  mit  dem 
Potentialis  (auch  mit  «V,  xiv,  z.  B.  E  273  sl  rovrf^  xe  Idßoifiav)  erst  durch 
eine  Umdeutung  des  Wunschoptativs  zu  ihrem  pot.  Sinn  gekommen  waren. 
Über  den  Gebrauch  des  Potentialis  in  diesen  Nebensätzen  wird  sich  nicht 
eher  etwas  definitives  aussagen  lassen,  als  bis  die  Herkunft  und  ursprüng- 
liche Funktion  von  at  und  sl  zugleich  klar  gestellt  sind  (vgl.  §  201.  209). 

167.  Der  Opt.  der  indirekten  Rede,  welcher  mit  wenigen  Aus- 
nahmen nur  in  Abhängigkeit  von  historischen  Tempora  vorkam,  war  eine 
griechische  Neuerung.  Er  war  ausgegangen  von  Sätzen  wie  £  301  %6v 
xrdfAevai  insfxawg,  og  tig  xov  y  dtn:iog  HO'Ot,  i  89  hdqovg  nqdmv  nev- 
d^aad-ai  Ipvtag,  ot  rivcg  dvegag  ehv,  wo  der  Opt.  ursprünglich  potential 
war  und  erst  durch  Einwirkung  des  regierenden  Satzes  die  subjektive  Fär- 
bung (orat.  obl.)  annahm  und  den  eigentümlichen  Sinn,  der  in  Hauptsätzen 
den  opt.  pot.  vom  indic.  unterschied,  den  Sinn  der  üngewissheit,  einbüsste. 
Es  fand  also  eine  Bedeutungsverschiebung  statt  und  entstand  eine  neue, 
nur  den  abhängigen  Sätzen  zukommende  Funktion  dieses  Modus.  Erst  in 
nachhomerischer  Zeit  wurde  der  opt.  or.  obl.  als  fertige  grammatische 
Kategorie,  als  Zeichen  der  Subjektivität,  auf  die  abhängigen  Aussage-  und 
Kausalsätze  übertragen  und  kam  auch  in  Zwischensätzen  mit  ydQ  u.  dgl. 
(Thuk.  2,  72  naiSfg  ydq  .  .  .  sXr^aav)  zur  Verwendung.  Vgl.  §  212.  Auch 
der  opt.  iterativus  in  Nebensätzen,  die  von  Praeterita  abhingen,  wurde 
in  jüngerer  Zeit  aus  dem  potentialis  entwickelt.  Der  Gedanke  d^ "" 
holung  lag  nicht  im  Opt.  an  sich,  sondern  war  durch  den  x 
gegeben,  der  ein  Praeteritum  mit  iterativem  Sinn  en 


1.  Baa  Verbum.  (§  167—169.)  193 

war  dieser  Gebrauch  von  Sätzen  wie  x  315  äXXd  xal  iillovg  navsaxor 
fivrj(r%iJQag,  arig  roiavtd  ye  ^t'^oi.  Vgl.  Delbrück,  S.  F.  1,  223,  Behaghel, 
Ob.  die  Entstehung  der  abhängigen  Rede  S.  32  f.,  Ubtel,  Über  den  hom. 
Gebrauch  des  Opt.  der  abhäng.  Rede,  Weimar  1884.  Über  die  bei  der 
indirekten  Rede  eintretende  Personen  Verschiebung  s.  Behaghel  a.  0.  4  if., 
Ubtel  a.  0.  3. 

Wie  es  kam,  dass  der  opt.  or.  obl.  und  der  opt.  iter.  sich  auf  die 
Verbindung  mit  einem  regierenden  Nebentenipus  einschränkten,  scheint  mir 
auch  nach  Behaghel's  und  Urtel's  Erörterung  nicht  klar  gestellt  zu  sein. 
Allerdings  wird  man  zugeben  müssen,  dass  die  Vorstellung  der  Vergangen- 
heit im  Verhältnis  zur  Zeit  des  sprechenden  sich  mit  diesen  Opt.  assoziierte. 
Aber  es  fragt  sich  immer  noch,  welches  Moment  gerade  diese  Assoziation 
herbeiführte,  und  warum  nach  Haupttempora  der  Ausdruck  der  Subjek- 
tivität und  der  der  Wiederholung  durch  den  Opt.  verschmäht  wurde. 

168.  Die  unter  dem  Namen  Imperativ  zusammengefassten  Formen 
waren  verschiedenartigen  Ursprungs  (§  143.  144).  Der  Gebrauch  war  im 
ganzen  einheitlich.  Negation  stets  jui;.  Dass  man  gewöhnlich  nicht  fit] 
Sit^ov,  sondern  fir^  Sei^yg  sagte  (die  Ausnahmen  s.  bei  Kühneb  IP  203),  hing 
vielleicht  mit  dem  Ursprung  des  Ausgangs  -cror  (§  144)  zusammen;  vgl. 
auch  Delbbück,  S.  F.  4,  120. 

169.  Der  Indikativ  war  von  Haus  aus  der  Modus  der  verstandes- 
mässigen  Betrachtung  (Negation  ov).  Vom  ind.  fut.  ist  hierbei  abzusehen, 
weil  die  voluntative  Bedeutung,  in  der  er  oft  auftritt,  ursprünglich  dem 
Futurstamm  in  allen  seinen  Formen  eignete  (§  163). 

Beim  Gebrauch  der  augmentierten  Indikative  als  ^  Modus  irrealis" 
sind  zwei  Kategorien  zu  unterscheiden: 

1.  W«*,  äifsXov  („ich  sollte")  u.  dgl.  wurden  sowohl  von  der  Ver- 
gangenheit als  auch  von  der  Gegenwart  gebraucht.  Anfänglich  bedeutete 
idsir  avrov  noietv  nur  „er  musste  (damals)  thun**.  In  den  meisten  Fällen 
handelte  es  sich  natürlicherweise  um  eine  Pflicht,  die  nicht  erfüllt  wurde; 
daher:  „er  hätte  thun  müssen ''.  Solche  Wendungen  wurden  alsdann  auch 
von  der  Gegenwart  gebraucht  (schon  bei  Homer,  z.  B.  A  415  oTy  o(f€X€g 
naqd  vrjvtrlv  ddaxQvrog  xai  dTtrjficov  rjffO^ai  „ach,  du  solltest  .  .  .  sitzen!"), 
indem  das,  was  sein  müsste,  sollte  u.  s.  w.,  aber  nicht  ist,  dem  gegen- 
wärtig thatsächlich  bestehenden  gegenüber  als  das  prius,  als  das,  an  dessen 
Stelle  dieses  getreten  ist,  aufgefasst  wurde;  weswegen,  auch  wenn  von 
gegenwärtigen  Verhältnissen  die  Rede  war,  die  Angabe  des  wirklich  be- 
stehenden mit  vm'  Sh  (-4  417  vvv  S'  afia  t'  (oxvimoQog  xal  ot^VQog  negi  ndvxwv 
Inleo)  eingeführt  wurde. 

2.  Optativische  (wünschende  oder  potentiale)  Indikative,  in  Haupt- 
sätzen, wie  €i&*  elxov  und  dndXsxo  avj  ei  juirj  xrA.,  und  in  den  abhängigen 
(rdativischen  oder  konjunktionalen)  Sätzen,  die  einem  „irrealen*"  Gedanken- 
Y)         am  angehörten.     Auch  diese  bezogen  sich  auf  Vergangenheit  und 

Aber  auch  hier  wieder  wurde  der  Indik.  ursprünglich  nur 
t  gebraucht:  «V  eixov   „hätte  ich  doch  (damals)  ge- 
ft.  n.  2.  Aufl.  13 


194 


A.  Griechische  Grammatik,    d)  Syntax. 


habt!**  u.  s.  w.  Auf  diesem  Standpunkt  stand  noch  Homer*),  der  von  der 
Vergangenheit  daneben  auch  den  Optativ  gebrauchte  (§  166)  und  für  die 
Gegenwart  nur  diesen  setzte.  Man  darf  vermuten,  dass  im  Gebiete  des  als 
unwirklich  vorgestellten  ursprünglich  der  Opt.  allein  herrschte,  dass  als- 
dann in  dem  Fall,  dass  es  sich  um  vergangenes  handelte,  die  Augment- 
indikative  Platz  griffen,  um  der  Zeitstufe  Ausdruck  zu  verleihen,  und  dass, 
wenn  in  nachhomerischer  Zeit,  um  das  Moment  der  Irrealität  zum  Ausdruck 
zu  bringen,  «y  eJxov  und  änoileTo  av  auch  von  der  Gegenwart  angewendet 
wurden,  dieses  hauptsächlich  im  Anschluss  an  den  Gebrauch  von  fdeiy  ä^pt- 
Xov  u.  dgl.  geschah,  die  schon  vorher  zyr  Gegenwartsbedeutung  gelangt 
waren  (s.  o.).  Namentlich  mochte  für  «f^  slxov  im  Sinn  von  „hätte  ich 
doch!^  das  zur  Bildung  von  Wunschsätzen  verwandte  ä^eXov  vorbildlich 
wirken ;  was  um  so  eher  angenommen  werden  darf,  weil  das  bereits  homer. 
firj  (atpsXXov  [X  481  (og  fiij  äffekXs  Tsxtad^ai)  statt  des  ursprünglichen  ovx 
w^sXXov  zeigt,  dass  die  ursprüngliche  Bedeutung  dieses  Praeteritums  nicht 
mehr  klar  empfunden  wurde. 

Da  yvoiri  rig  av  in  älterer  Gräzität  sowohl  von  der  Gegenwart  als 
auch  von  der  Vergangenheit  gebraucht  wurde  (vgl.  z.  B.  E  85  äg  ot  ^tv 
noveovto  xccrd  xQareQt^v  tfffiivrjv  TvSetSrjv  i'  ovx  av  yvoirjg^  nothQOiai 
fiereCrj,  J  429  ot  i*  aXXoi  äxrjv  itrav,  ovdi  x€  ^airig  Toatrov  Xaov  i'nta&ai), 
so  dürfte  auch  iyvoi  zig  av  erst  auf  Grund  der  Optativkonstruktion  auf- 
gebracht sein,  um  die  Zeitstufe  mit  auszudrücken. 

Man  beachte:  av  und  x^v  finden  sich  nur  da  beim  Indik.  (von  der 
Verbindung  dieser  Partikeln  mit  dem  ind.  fut.  ist  wegen  der  modalen  Be- 
deutung des  Futurstammes  abzusehen),  wo  eine  gleichartige  Optativkon- 
struktion gegenüberstand.  Bei  dieser,  der  älteren  Ausdrucksweise,  war  av 
ursprünglich  ein  unwesentlicher  Zusatz  und  der  Optativ  der  Hauptträger 
des  Potentialen  Sinnes.  Die  Partikel  wurde  aber  an  diesen  Sinn  so  fest 
geknüpft,  dass  sie,  als  man  nun  zum  Indik.  griff,  um  der  Zeitstufe  gerecht 
zu  werden,  alleiniger  Träger  der  Modalitätsbedeutung  sein  konnte.^)  In 
gleicher  Weise  war  die  Umsetzung  von  «^'  ^xoi^t  in  «^'  slxov  möglich 
wegen  der  den  Wunsch  als  solchen  charakterisierenden  Partikel. 

Indem  das  Bedürfnis,  die  Zeitstufe  nicht  unbezeichnet  zu  lassen,  den 
Indikativ  auch  anderer  Tempora  als  des  Futurums  an  der  Modalität  teil- 
nehmen Hess,  kam  man  dazu,  neben  ov  auch  (itj  mit  diesem  Modus  zu 
verbinden.  In  allen  Fällen  zeigt  infj  die  ihm  von  Haus  aus  eigene  Bedeu- 
tung, es  war  Hauptkennzeichen  der  betreffenden  psychischen  Diathesc. 
Es  erscheint  so  in  Wunsch-  und  Bedingungssätzen  (denen  sich  die  Relativ- 
sätze mit  og  =  et  Tig  anschlössen),  ferner  in  Befürchtungssätzen,'  z.  B.  b  300 
6e(d(a^  firj  6jlj  ndvra  ^f«  vt^fisQtea  eiTiev^^)  und  in  Fragesätzen,  wo  es 
bejahende  Antwort  abwehrte,  z.  B.  C  200  r^  firj  nov  riva  ivaiievhoav  fpday 


*)  über  das  von  Wilhelmi,  De  modo 
rreali  p.  4  wieder  vorgebrachte  bX  tiot  erjy, 
angeblich  s.  v.  a.  ^wenn  er  es  doch  noch 
wäre!*,  s.  Cubtius,  St.  I  2,  286. 

^)  In  ähnlicher  Weise  erscheint  franz. 
point  in  point  du  tout  u.  dgl.  als  Träger 
einer  Bedeutung,  die  ursprünglich   nur  die 


Verbindung  ne  point  gehabt  hatte. 

')  Hierher  wohl  auch  »^  216  crAA*  ays 
di/j  td  /^f7/iar'  aQi&fnijaio  xal  tdmfiai '  [a  tj 
XI  uoi  oX^ovrai  (nicht  dtjmwtaiS  xoiXi^g  ini 
rtjog  äyovxBg,  S.  ViSBU,  jDe  /19  jMurticiilae 
cum  indic.  coninoctM  Qüi  antiqiiiore  p.  16  aq. 


1.  Baa  Verbnm.  (§  170.)  195 


o 


ifÄfuvai  dvdgdv;  Asch.  Prom.  959  ,ai;  ti  aoi  doxm  taQßttv;  da  im  In- 
dischen md  nicht  mit  dem  Indikativ  verbunden  erscheint,  so  scheint  es  sich 
in  allen  diesen  Fällen  um  Neuerungen  der  speziell  griechischen  Entwick- 
lungsperiode zu  handeln. 

In  Bezug  auf  den  Charakter  der  beiden  Negationspartikeln  merke 
man  noch:  mit  ov  firj  cum  ind.  fut.  oder  conj.  aor.,  seltner  praes.  wurde 
ein  ablehnender  /lij-Satz  negiert.  Diese  Ausdrucksweise  erst  nachhomerisch, 
z.  B.  Soph.  0.  C.  176  Ol!  toi  fitJTtotb  a*  ix  rwrJ'  tSgavcov,  w  yäqov,  «xobt« 
tiq  a^ciy  was  sich  etwa  so  verdeutlichen  lässt:  ,,der  Furchtgedanke  Mass 
dich  nur  nicht  einmal  einer  forttreibt f  besteht  nicht"  =  „sicher  treibt  dich 
nie  einer  fort".    Vgl.  Qildersleeve,  Americ.  Journ.  of  Phil.   3,  203  sqq. 

Infinitiv  und  Partizip. 

170.  Infinitiv.  Die  griech.  Infinitive  (§  146)  waren  gleich  denen 
der  andern  idg.  Sprachen  casus  obliqui  von  nomina  actionis,  die  an  verbaler 
Eonstruktionsweise  Teil  bekommen  hatten.  Ihre  Anlehnung  an  das  Verbum 
bezog  sich  auf  Kasusrektion,  Aktionsart,  Zeitstufe  und  Diathesis  (genus 
verbi).  Der  Infinitiv  als  solcher  war  fertig,  nachdem  die  Form  nicht  mehr 
als  Easusform  ihres  Paradigma's  empfunden  und  ihre  Konstruktionsweise 
nicht  mehr  in  Analogie  zu  den  ursprünglichen  nominalen  Konstruktionen 
gesetzt  wurde.  Das  Bewusstsein  von  der  Substantivnatur  der  Infinitive 
war  in  homerischer  Zeit  schon  erloschen.  Auf  den  dativischen  Infinitiven 
{(iofiev-^i  u.  s.  w.,  §  146)  beruhten  der  finale  Gebrauch  (von  dem  der  kon- 
sekutive im  Grunde  nicht  verschieden  war),  z.  B.  H  373  r^w&€v  J*  'IdaXog 
Xxiü  xoiXag  im  vrjag  eiTTtfisv  (zur  Meldung,  zu  melden),  und  die  impera- 
tivische  Funktion,  z.  B.  E  124  ^agacov  vvv,  Jiofirjdeg^  ini  TQ(aeaai  fid" 
X^ax^ai.  Lokativische  Funktionen  (vgl.  dofiev  u.  s.  w.,  §  146)  sind  nicht 
mit  Sicherheit  nachzuweisen.  Der  sog.  „infin.  epexege,ticus"  (z.  B.  i>  20  xai 
f.uv  naxQoxeqov  xal  ndaaova  O^ijxe  ISiaO-ai,  2  258  toifQa  ät  ^r/regoi 
TToXe^ii^eiv  Tjcav  'Axccioi)  kann  ohne  Schwierigkeit  aus  der  dativischen 
Funktion  hergeleitet  werden.  In  den  von  imatafim^  Xiy(a  u.  ähnl.  ab- 
hängigen Infinitiven  war  diese  schon  frühe  so  verblasst,  dass  man  den  Inf. 
als  Objekt  oder  Subjekt  des  regierenden  Verbs  empfand.  So  wurde  der 
Infinitiv  zur  rein  nominalen  Natur  zurückgeführt,  und  sein  Kennzeichen 
erhielt  dieser  Vorgang  durch  Voraussetzung  des  Artikels  t6,  von  welcher 
Konstruktion  sich  die  Anfänge  schon  bei  Homer  zeigen  und  die,  weil  sie 
ein  bequemes  Mittel  bot,  den  Infinitiv  mit  allen  zu  ihm  gehörigen  näheren 
Bestimmungen  einheitlich  und  übersichtlich  zusammenzufassen  (vgl.  z.  B. 
Demosth.  1,  4  ro  ydq  elvai  ndvrwv  ixsTvov  i'va  ovra  xiQtov  .  .  .  TtQog  rd  td 
toi  noXifiov  xa^v  ngdttead^m  noXh^  nQot'xsi),  von  einigen  Schriftstellern, 
wie  von  Thukydides  und  Demosthenes,  sehr  häufig  gebraucht  wurde  (s. 
GiLDEBSLEEVE,  Amcr.  Journ.  of  Phil.  8,  329  flf.,  Birklein,  Entwicklungs- 
geschichte des  substantivischen  Infinitivs,  Würzburg  1888). 

Der  Akkusativ  des  „acc.  cum  inf.""   gehörte  ursprünglich   als  Objekt 
zum  r^erenden  Verbum,  vgl.  z.  B.  -ß.  11  ^wp^fai  *•  xilsve  xdgt]  xof^io^ 
»  *4fia$ovg  navtrvSnj.    Er  schied  aus  dem  syntaktischen  Zusammenhang 
*T8  und  wurde  als  Subjekt  zum  Inf.  gezogen.    Erst  nach  dieser 

13» 


196  A.  GhrieohlBche  Grammatik,    d)  Syntax. 

Verschiebung  der  syntaktischen  Gliederung  konnten  auch  Yerba,  die  keinen 
Objektsakkusativ  zu  sich  nahmen,  sich  dieser  Konstruktion  bemächtigen, 
vgl.  z.  B.  B  190  daifiavi\  oii  as  ioixe  xaxw  äg  deiiiCftsax^^M,  Sie  wurde 
in  nachhomerischer  Zeit  durch  t6  substantiviert,  vgl.  die  oben  angeführte 
Demosthenesstelle  1,  4,  und  konnte  auch  mit  &arB  eingeleitet  werden,  z. 
B.  Xen.  I  6,  2  .  .  .  noir'fieisv  wcrr«  fxrjnote  SvvaaO-m  avrovg  iSovTag  rd  Kvqov 
aTQOTtvfia  ßatriket  SiayyeTXat  (vgl.  Xen.  Hell.  III  1,   1  xai  inoirfie  Svavvetnr 

Eine  allseitig  befriedigende  Erklärung  hat  die  Verbindung  von  nqiv 
(naqog)  mit  dem  Infinitiv,  die  schon  bei  Homer  ein  fertiger  Eonstruktions- 
typus  war,  noch  nicht  gefunden.  Vgl.  Gildersleeve,  Amer.  Journ.  of 
Phil.  2,  469  sqq. 

171.  Partizip.  Da  das  Adjektiv  nicht  nur  zur  Bezeichnung  einer  zum 
Wesen  eines  Dinges  gehörigen  Eigenschaft,  sondern  auch  zur  Bezeichnung 
einer  vorübergehenden, .  vom  Standpunkt  des  sprechenden  aus  zeitlich  be- 
grenzten Eigenschaft  gebraucht  werden  konnte,  so  bekam  es  Teil  an  dem 
Charakter  des  Verbums,  wurde  zum  Partizip  Ou^roxi^).  Die  Angliederung  an 
das  Verbum  erstreckte  sich  auf  Kasusrektion,  Zeitstufe,  Aktionsart  und 
Diathesis  (genus  verbi).  Die  in  §  147  aufgeführten  Bildungen  waren  alle 
ausser  denen  mit  -r^o-,  das  wahrscheinlich  aus  -rcf  o-  entstanden  war  (§  70,  3), 
schon  in  vorgriech.  Zeit  fertige  Partizipien.  In  vollem  Umfang  lebendig  und 
schöpferisch  blieben  aber  nur  die  Formationen  mit-n^  (1),  '^es-  (2),  -meno'  (3), 
denen  si6h  dann  -r&o-  als  produktives  Suffix  zugesellte. 

Dass  bei  den  Passivpartizipien  der  Urheber  der  Handlung  zuweilen 
durch  den  Gen.  bezeichnet  wurde,  wie  Eur.  El.  123  av  J'  iv  "Aiiif  ii]  xet&ai, 
aäg  dloxov  (tifayeig  Ätylüx^ov  t,  ^AydfieinvoVy  scheint  als  ein  Überrest  der 
Nominalnatur  angesehen  werden  zu  müssen.  Vgl.  Siaa-Sarog  (eigentlich 
„Geschenkter  des  Zeus",  §  103  S.  141)  und  die  Verbindung  der  Passiv- 
partizipien mit  dem  adnominalen  Gen.  im  Ai.  und  Lit.  (vgl.  Leskien-Bbuo- 
MANN,  Lit.  Volksl.  und  Märch.  321). 

Rückkehr  zur  rein  nominalen  Natur  fand  in  der  griech.  Entwicklungs- 
periode z.  B.  statt  bei  ixciv  „freiwillig*,  (läkkiov  „künftig*,  aqxtov  „Herr- 
scher*, oQiXcov  „die  begrenzende  Linie,  Horizont*,  acfievog  „froh*,  «ppw- 
fievog  „stark*.  Bereits  seit  uridg.  Zeit  waren  reine  Nomina  yäQ(ov,  näg^  odovg. 

Aus  der  adjektivischen  Natur  des  Partizips  erklärt  sich,  dass  das- 
selbe oft  in  Verbindung  mit  elvai,  yiyvead^ai  u.  ähnl.  Verben  als  „Hilfs- 
zeitwörterli*  gesetzt  wurde,  z.  B.  7^309  onnorägtii  -d-avaroio  TsXog  nenqw" 
lihvov  iaviv^  J&  873  edel  xoi  ^lyiata  x^sot  Tetkrjareg  elu^v  dXXrjXwv  iotijti. 
Vgl.  Kühner,  IP  S.  35  f.  623  f.,  Alexander,  Participial  Periphrases  in 
Attic  Prose,  Amer.  Journ.  of  Phil.  4,  291  iF.  Im  Att.  wurde  in  der  3.  pl. 
perf.  plusqu.  med.  pass.  die  Umschreibung  mit  sufl,  ^aav,  wie  TevayiiUvoi 
elai  =  TsrdxaTai^  zur  stehenden  Ausdrucksweise  (auf  den  att.  Inschriften 
seit  410  V.  Chr.  nur  noch  diese  Umschreibung,  s.  Meisterhans,  Gr.^  131); 
ebenso  Terayfitvog  w,  eirjv  und  nsnmdsvnävog  w,  eirjv.  Der  gleiche  Gebrauch 
von  es-  „sein*  als  Hülfsverbum  auch  im  Ai.,   Lat.  und  andern  Sprachen. 

Mehr  als  in  andern  Sprachen  (vgl.  z.  B.  das  Lat.)  war  im  Griech.  diar 


1.  Dm  Verbnm.  (§  171).    2.  Das  Nomen.  (§  172.)  197 

«appositive"   Gebrauch  entwickelt,    besonders  beim   part.  aor.,   wie  B  35 

Der  ,gen.  absol/  war  auf  griechischem  Boden  in  ähnlicher  Weise 
durch  Gliederungsverschiebung  entstanden  wie  der  acc.  cum.  inf.  (§  170). 
Der  Gen.  gehörte  von  Haus  aus  als  echter  oder  als  ablativischer  Gen.  (§  183) 
zum  regierenden  Verbum,  vgl.  z.  B.  ®  118  toi  6*  i&vg  fiefiawTog  axovTure 
Tvdäog  vtog,  ®  477  aä^av  6*  iyw  ov»  äkeyf^ot)  xwöjUffVijg,  M  392  2aQnrjfovTi> 
i*  axog  yävsTo  Flavxov  aniivrog.  Indem  nun  der  Gen.  mit  dem  Partizip 
innerlich  als  eine  Art  von  temporalem  oder  modalem  Nebensatz  empfunden 
wurde,  schied  er  aus  dem  Verband  mit  dem  regierenden  Teile  aus  und 
wurde  als  Subjekt  zum  Part,  gefühlt.  Die  Konstruktion  des  gen.  absol. 
war  fertig,  sobald  sie  sich  zu  solchen  Verba  gesellte,  von  denen  ein  Gen. 
oder  Abi.  nicht  abhängen  konnte,  vgl.  z.  B.  A  88  ov  rig  ifiev  ^^vtog  xal 
im  x^oTi  SeQxofiävoio  aol  xoiXijg  nagcc  vrjval  ßageiag  x^''Q^^  inoiaei  avu- 
navrmv  Javawv,  Vor  dieselbe  trat  dann  auch  oJg,  ähnlich  wie  «crr«  vor 
den  acc.  c.  inf.,  wie  Thuk.  1,  2  xal  ig  ^Iioviav  vtrteQor,  wg  ovx  ixavfjg  ovatfi 
tfig  UTUXfjg,  dnoixiag  i^änt^xpav.  Vgl.  Classen,  Beobacht.  über  den  hom. 
Sprachgebr.  160  ff.,  Hübschmann,  Zur  Casuslehre  113,  Spieker,  On  the 
so-called  Genitive  Absolute,  Amer.  Journ.  of  Phil.  6,  310  ff. 

2.  Das  Nomen. 

172.  Geschlecht  der  Substantiva.  Alle  o-Stämme  waren  ursprüng- 
lich masc.  oder  neutr.,  alle  ^-Stämme  fem.  Im  Lauf  der  Zeit  aber,  und  zwar 
wahrscheinlich  erst  auf  griechischem  Boden,  wurden  viele  substantivische 
o-Stämme  fem.,  d.  h.  sie  gingen  mit  Feminina  attributive  oder  prädikative 
Verbindungen  ein,  z.  B.  rj  vrflog,  ^oSoddxxvXog  ijaJ^,  eine  Neuerung,  die  auf 
verschiedenen  Wegen  zu  stände  kam.  Umgekehrt  wurden,  und  zwar  wahr- 
scheinlich ebenfalls  in  der  speziell  griechischen  Entwicklungsperiode,  (Z-Stämme 
maskulinisch,  indem  mit  (Z-Suffixen  gebildete  Abstrakta  zur  Bezeichnung 
männlicher  Personen  gebraucht  wurden,  wie  vsavia-^  ursprünglich  „Jugend*, 
hr^'y  ursprünglich  „ Angehörigkeit ^;  dieser  Prozess  führte  für  den  nom.  und 
gen.  sg.  auch  eine  an  der  Form  selbst  äusserlich  hervortretende  Maskulini- 
sierung  herbei  (§  75.  79).  Vgl.  Osthoff,  V.  i.  d.  Nc.  263  ff.,  Vf.  Lit.  Centr. 
1878  Sp.  983  f.  und  Fleckeis.  Jahrbb.  1880,  S.  660  f.,  Delbrück,  S.  F.  4,  12  f., 
A.  R.  Lanoe,  De  substantivis  femininis  Graecis  secundae  declinationis,  Lips. 
1885.  Die  mit  -t^-  -l-  gebildeten  Nomina,  wie  yvfa,  rjäela  (§  70*^),  waren 
von  Haus  aus  alle   fem.  und  behielten  dieses  Genus  im  Griechischen  bei. 

Die  übrigen  stammbildenden  Suffixe  waren  an  sich  gegen  das  Genus 
indifferent.  Das  grammatische  Geschlecht  der  mit  ihnen  gebildeten  Sub- 
stantiva  trat  nur  entweder  in  der  Kasusbildung  (z.  B.  yivog  yivea)  oder  an 
den  mit  ihnen  verbundenen  Attributen  etc.  (z.  B.  tiqv  ßdaiv)  hervor. 

In^>Pezug  auf  die  Kongruenz  der  Genera  bewegte  sich  das  Griech. 
freier  als  die  andern  idg.  Sprachen,  vgl.  z.  B.  X  84  (fils  räxvov,  A  690 
ik^v  .  .  .  ß(rj  ^Hgaxkrjeir],  Solche  Inkongruenzen  haben,  obschon  sie 
als  Verstösse  gegen  die  „grammatische  Richtigkeit**  erscheinen,  für  uralt 
zu  gelten. 


198  •^*  Orieohisohe  Grammatik,    d)  Syntax. 

173.  Numerus.  Der  (wahrscheinlich  uridg.)  kollektive  Gebrauch  des 
Singulars  bei  Völker-  und  Bewohnernamen  (z.  B.  6  IlhQar-q  Herod.  8,  108, 
0  XaXxtSsvg  Thuk.  6,  84)  und  Appellativen  {noXifiiog,  xagnog  u.  a.,  z.  B. 
Thuk.  4,  10  xai  tov  noXsfiiov  deivorsQov  i'^ofiev)  fusste  auf  dem  (sicher 
uridg.)  generischen  Gebrauch  dieses  Numerus,  demzufolge  man  mit  ihm 
nur  den  Begriff  zur  Vorstellung  brachte  {avx^QWTtog  „das  Wesen  Mensch*). 

Der  Plural  oft  bei  Kollektivbegriffen  im  Hinblick  auf  die  Teile,  die 
Arten,  die  Kompliziertheit  der  Erscheinungsform  u.  dgl.,  z.  B.  ^dpLad-oi, 
xQid-afy  akeg^  xQsa,  ^vXa^  JjXioi,  vvxreg;  Xkxxqa^  aq^iaxa^  SoijAaTa  von  einem 
Lager  u.  s.  w.  mit  Bücksicht  auf  die  Teile  der  Konstruktion;  axxai^  rjiii'eg^ 
oxO^cci,  i'WT«,  iQVfid  mit  Rücksicht  auf  Ausdehnung,  u.  dgl.  m.  Eine  Zer- 
legung in  Gruppen  und  eine  Begrenzung  der  besonderen  Art  der  Pluralität 
hat  hier  natürlich  immer  etwas  willkürliches,  da  das  Bedeutungsbild  in 
der  Seele  der  sprechenden  selbst  ein  unbestimmtes  und  schwankendes  war. 
In  diesem  Pluralgebrauch  wurzelte  auch  der  „plur.  maiestaticus'^  der 
Dichter,  besonders  des  Tragiker,  z.  B.  fpilot,  texovreg.  Bei  Abstrakta  deutete 
die  Pluralform  die  einzelnen  Arten  oder  Bethätigungen  des  ßegriffs  an, 
z.  B.  x>dvajoi^  ataa^aXiai^  fiaviai.  Indem  ein  Individuum  wie  ein  per- 
sonifizierter allgemeiner  Charakterbegriff  erschien,  konnte  die  Pluralform 
bedeuten  ^Leute  wie  dieser",  z.  B.  Plat.  Theät.  p.  169b  ^HgaxXäeg  „Männer 
wie  H.",  Aschyl.  Ag.  1439  XQv<fi/d(ov  lAsihyiia  t(ov  vn*  'iXuo.  Zu  allen 
diesen  Gebrauchsarten  des  Plur.  stellen  die  andern  idg.  Sprachen  Analogien 
(vgl.  ToBLER,  Ztschr.  f.  Völkerps.  14,  410  ff.),  und  es  wird  weniges  speziell 
griech.  Neuerung  sein. 

Der  Dual  war  zur  Zeit,  wo  die  Überlieferung  des  Griech.  einsetzt, 
schon  im  Niedergang.  Am  frühesten  starb  er  wohl  im  Lesb.-Asiatischen 
aus.  Das  Att.  hielt  ihn  mit  am  zähesten.  Um  300  v.  Chr.  mag  dieser 
Numerus  in  ganz  -  Griechenland  aus  der  Sprache  des  gemeinen  Mannes 
verschwunden  gewesen  sein. 

Besonders  oft  wurde  der  Dual  in  dem  Fall  gebraucht,  dass  zwei 
Dinge  durch  Natur  oder  Sitte  ein  Paar  bilden  (z.  B.  w'/iw,  x^^Q^y  Inno) 
„Zweigespann",  xoxhoqvo^  avaxrs  die  Dioskuren).  Doch  war  er  schon  bei 
Homer  in  keinem  Fall  mehr  notwendig,  vgl.  z.  B.  noSag  oixvg.  Ferner 
wurde  der  Dual  gesetzt,  um  zwei  in  der  Rede  vorher  erwähnte  Dinge  zu 
einer  Einheit  zusammenzufassen,  wie  ol  di  nmXr^Toi  dnofiia&(o(xdvto)v  tw 
crr/yAof  (von  denen  schon  vorher  die  R^de  war)  auf  einer  att.  Inschr.  von 
439  V.  Chr.  bei  Meisterhans,  Gr.^  164,  ein  Gebrauch,  welcher  sich  auch  im 
Altindischen  findet  und  den  Delbrück  (S.  F.  5,  96  ff.)  den  „anaphorischen 
Dual"  nennt  (im  Gegensatz  zum  „natürlichen").  Wenn  Svo)  {Svo)  zum  Dual 
(und  Plural)  trat,  so  handelte  es  sich  um  irgend  zwei  Wesen,  die  nicht  in 
einer  inneren  Beziehung  zu  einander  zu  stehen  brauchten;  der  Zahlbegriff 
hatte  den  Nachdruck:  z.  B.  F  246  xijQvxeg  6*(ird  atttv  x^fcov  qtlQov  Zgxia 
niard^  aqis  dvco  xal  oivov.  Der  Gebrauch  des  Duals  im  Griechischen  deckte 
sich  mit  dem  altindischen,  darf  also  für  altüberkommen  gelten.  Vgl.  über 
den  Gebrauch  im  alten  Epos  Delbrück,  S.  F.- 4,  16  f.,  Ohler,  Üb.  d.  Ge- 
brauch des  Du.  bei  Homer,  Mainz  1884,  Illeck,  Der  Du.  bei  Hesiod,  Ztschr. 
f.  österr.  Gymn.   1888,    S.   97   ff.,    über    den  attischen   Keck  in  Schahs' 


2.  Dm  Nomen.  (§  173-175.) 


199 


Beitr.  zur  bist.  Synt.  2,  58  f.,  Wackebnagel,  Phil.  Anz.  1885,  S.  191  ff., 
Meisterhans,  Gr.*  161  ff.  (andere  Litteratur  bei  G.  Meyer,  Gr.  Gr.^  359  f.). 
Ob  sieb  die  an  sieb  nicbt  unwabrscbeinliebe  Annahme  bewährt,  dass 
die  Griechen  so  wie  die  Inder  ein  Substantiv  in  den  Dual  setzten,  um  den 
durch  dasselbe  bezeichneten  Gegenstand  nebst  einem  andern,  mit  ihm  ge- 
wöhnlich zusammen  gedachten  Gegenstand  auszudrücken  {AiavTe  „Aias  und 
Teukros",  roi  Kmtoqc  „Eastor  und  Polydeukes"),  bleibt  abzuwarten,  s. 
Wackebnagel,  K.  Z.  23,  302  ff.,  Delbrück,  S.  F.  4,  20. 

174.  Inkongruenz  der  Numeri,  zugleich  mit  Bezug  auf  das 
Verbum.  Keine  alte  Sprache  hatte  so  wenig  feste  Normen  hinsichtlich 
der  Kongruenz  der  Numeri  als  das  Griechische.  Dual  mit  Plural:  E  275 
TftJ  ii  tax  iyyvO^€v  rXi^ov,  ^  115  x**(?*  nstdaaccq  dfifporäQag^  Xen.  mem. 
n  3,  18  TCO  x**i?*5  ^^  xrX.,  Demosth.  24,  9  dixa<ftrjQ{oiv  dvoXv  .  .  .  iiprjfpiC" 
fiävfov.  Plural  mit  Dual:  J  452  dg  3^  ote  xfifiaQQoi  noxaiiol  .  .  .  avjAßaX'- 
Xetov  oßQifiov  vdwQ,  Plat.  de  rep.  p.  478  a  ivvaiieig  i^  a^ffoneqai  iarov^ 
io^a  T€  xai  €7iiaTrjfirj.  Über  eine  Parallele  zu  /7  218  Sv'  ävtqs  O^wQrflaoy'xü 
im  Avestischen  s.  Delbrück,  S.  F.  4,  18.  Sing,  mit  Plur.:  B  278  w$ 
ifdaav  ij  7iXrj&vg,  Thuk.  4,  32  o  äXXog  axQaxog  dväßmvov^  2  603  nequaraü^^ 
opuXog  T€Q7r6fA€voi;  vgl.  hierzu  die  Verbindung  der  Kollektivpronomina 
tvir  und  ihr,  die  zum  Teil  noch  in  der  historischen  Gräzität  Singularflexion 
trugen  (§  96),  mit  dem  Plural. 

Neutr.  pl.  mit  sg.  des  Verbs.  Der  Sing,  des  Verbs  bei  Homer  häu- 
figer als  der  Plur.^,  welcher  in  der  att.  Prosa  nur  selten  vorkommt;  auf 
den  att.  Inschriften  nur  ein  Beispiel,  mit  dem  es  eine  besondere  Bewandtnis 
hat  (Meistebhans,  Gr.*  160).  Dass  die  Griechen  den  Plur.  des  Verbs  öfter 
darum  vorzogen,  weil  der  Gedanke  der  Mehrerleiheit  überwog,  ist  wahr- 
scheinlich, wenngleich  nach  keiner  Richtung  ein  festes  Prinzip  in  der  Wahl 
der  einen  oder  der  andern  Konstruktion  hervortritt.  Wenn  sich  bei  Homer 
der  Plur.  nach  Substantiven  häufiger  zeigt  als  nach  Pron.  und  Adj.  (R. 
Franz,  De  generis  neutrius  pluralis  cum  verbo  construendi  vi  et  usu,  1877), 
so  war  dieses  wohl  darin  begründet,  dass  diesen  (z.  B.  ravra,  rd  dya^d) 
der  Sinn  der  Vereinigtheit  öfter  zukam  als  jenen.  Die  Konstruktion  des 
neutr.  pl.  mit  dem  Verbum  im  Sing,  war  uridg.  und  beruhte  darauf,  dass 
die  in  der  Grammatik  als  nom.  acc.  pl.  bezeichneten  Formen  zum  Teil 
wenigstens  ursprünglich  keine  Mehrheits-,  sondern  nur  Kollektivbedeutung 
hatten  (vgl.  Mahlow,  D.  1.  V.  72  ff.). 

Bei  der  Beurteilung  von  wrae  SfSrjfi  M  466  (vgl.  Delbbück,  S.  F.  4, 
18)  kommt  das  neutrale  Genus  des  Subst.  mit  in  Betracht. 

Die  Kasus. 

175.  Über  den  Ursprung  der  Kasussuffixe  liegen  nur  mehr  oder 
minder  vage  Vermutungen  vor.  Daher  kann  die  Grundbedeutung  der  Kasus 
nicht  als  ermittelt  gelten.    Auf  eine  streng   einheitliche  Grundbedeutung 


*)  Einige  Homerstellen  mit  dem  Plural 
von  XvofAai  will  Wackebnagel,  E.  Z.  28,  308 
nicht  gelten  lassen,  indem  er  annimmt,  dass 
Bii^rlbiglich    Singnlarfoimen    im    Text    ge- 


standen hätten,  wie  B  135  dovga  (Tearpte 
yevuy  xai  anaqia  XiXvytai,^  wo  er  XiXvxat 
koojiziert. 


200  A.  Griechische  Grammatik,    d)  Syntax. 

in  solchen  Fällen,  wo  zwei  lautlich  nicht  zu  identifizierende  Suffixe  neben- 
einander im  Gebrauch  waren,  wie  -os  (-es)  und  -sio  im  gen.  sg.  (§  79),  aus- 
zugehen hat  man  kein  Recht. 

Mehrere  Formkategorien  fungierten  als  Kasus,  obwohl  sie  ein  Kasus- 
zeichen nicht  hatten  und  wahrscheinlich  nie  gehabt  hatten:  x^Q^  §  75, 
yerog,  t^dv  §  78,  roi\  dessen  -i  Pluralzeichen  war,  §  93,  ifiä  §  96,  dofiev  öofurjv 
§  82.  Das  -^  von  ovß^aq  hing  mit  dem  Stammbildungssuffix  -ro-  zu- 
sammen (§  71*,  1)  und  das -m  (-r)  des  acc.  sg.  masc.  fem.  neutr.  und  nom. 
neutr.  {Jinnov^  X^Q^^'j  C^yov)  vermutlich  mit  der  Partikel  -ei»  -öi»  -w,  die 
schwerlich  ursprünglich  eine  kasuelle  Funktion  hatte  (Leskien,  Ber.  der 
Sachs.  Ges.  d.  W.  1884  S.  101). 

Man  teilt  die  Kasus  der  indogermanischen  Sprachen  ein  in  lokale, 
d.  h.  solche,  die  irgend  ein  räumliches  Verhältnis  zur  Vorstellung  bringen, 
und  grammatische,  d.  h.  solche,  die  eine  rein  grammatische  Beziehung 
des  Nomons  zu  einem  andern  Satzteil  ausdrücken.  Zu  jenen  rechnet  man 
den  Lok.,  Abi.  und  Instr.,  zu  diesen  den  Nom.  und  Akk.;  den  Dat.  nehmen 
die  einen  als  lokalen,  die  andern  als  grammatischen  Kasus  (vgl.  Hübsch- 
mann, Zur  Casusl.  214,  Pischel,  Bezz.  B.  1,  111,  Delbrück,  S.  F.  4,  53. 
5,  140).  Dass  Lok.,  Abi.,  Instr.,  so  weit  wir  in  der  Sprachgeschichte 
rückwärts  zu  blicken  vermögen,  räumliche  Beziehungen  bezeichneten,  ist 
sicher.  Auch  muss  wohl  die  räumliche  Bedeutung  des  Dativs,  wonach  in 
diesen  Kasus  der  BegriflF  trat,  dem  die  Handlung  sich  zuneigt,  zuwendet, 
als  urindogermanisch  gelten,  wenn  sie  auch  vielleicht  zunächst  erst  aus 
der  grammatischen  Bedeutung  hervorgegangen  war,  nach  der  man  in  diesen 
Kasus  denjenigen  Begriff  setzte,  dem  die  Handlung  gilt. 

Wenn  man  hienach  den  Nom.  und  Akk.,  eventuell  auch  den  Dat.  als 
„grammatische  Kasus^  definiert,  so  muss  man  dabei  bedenken,  dass  eine 
derartige  Bedeutung  den  Formen  nicht  von  allem  Anfang  an  kann  zuge- 
kommen sein.  Die  wirkliche  Grundbedeutung  muss  eine  konkretere,  lebens- 
vollere gewesen  sein.  Welche  es  war,  ist  nicht  zu  sagen,  da  die  Etymo- 
logie der  Flexionsendung  im  dunkeln  liegt.  Vgl.  Whitney,  Transactions 
of  Amer.  Philol.  Assoc.  13,  88  ff. 

Dadurch,  dass  für  eine  gewisse  Funktion  eines  Kasus  das  Sprach- 
gefühl aufhört  lebendig  zu  sein,  so  dass  sie  nur  bei  einer  bestimmten  An- 
zahl von  Formen  rein  gedächtnismässig  beibehalten  wird  und  nicht  mehr 
jedem  beliebigen  Nomen  neu  beigelegt  werden  kann,  entstehen  Adverbia. 
In  jedem  Zeitpunkt  der  vorhistorischen  und  der  historischen  Entwicklung 
des  Griech.  gab  es  eine  Anzahl  von  Kasus,  die  in  diesem  Erstarrungs- 
prozess  begriffen  waren,  und  es  ist  oft  keine  scharfe  Grenze  zu  ziehen 
zwischen  lebendigem  Kasusgebrauch  und  adverbialem.  So  ist  z.  B.  in  der 
historischen  Gräzität  die  Funktion  des  Gen.  als  „g^^n.  temporis'^  (§  182) 
kaum  mehr  als  ein  lebendiger  Kasusgebrauch  zu  bezeichnen,  der  Kreis  der 
Formen  war  ein  geschlossener  {rjfi^Qccg  u.  s.  w.). 

Die  vollendete  adverbiale  Erstarrung  bekundet  sich  am  deutlichsten 
] .  darin,  dass  die  betreffende  Kasusform  überhaupt  nur  in  dieser  bestimmten 
Zahl  von  Exemplaren  erhalten  geblieben  ist,  dass  man  sie  bei  den  andern 
bildungsgleichen  Nomina   nach  Abgabe  ihrer  Funktion  an  andre  Kasus- 


2.  Das  Nomen.  (§  175.)  201 

formen  hat  fallen  lassen,  vgl.  z.  B.  im  Att.  die  Lok.  olxoi,  etc.  (§  186) 
neben  iv  &oX(p  etc.  2.  darin,  dass,  wenn  ein  Kasus  eine  assoziative  formale 
Neuerung  er^rt,  die  aus  dem  lebendigen  Kasusverband  ausgeschiedenen 
Formen  dieser  Neuerung  nicht  unterworfen  werden,  vgl.  z.  B.  att.  'Ai^rjvrjfn, 
nXetraiMi,  d'vqMi  u.  dgl.  gegenüber  den  Formen  auf  -gcxi  -^cr«,  die  aus 
-1^»  -«er»  nach  der  Analogie  von  -omi,  umgebildet  waren  (§  90).  3.  darin, 
dass  der  Ausgang  der  Kasusform  (als  Adverbialendung)  ohne  Rücksicht 
auf  die  Stammbildung  weitergetragen  wird,  vgl.  z.  B.  das  nach  ciTxor, 
^Icx^fioi  gebildete  att.  KmvvvoT  (nom.  Kixvvva),  das  nach  tj,  ravtr]  u.  dgl. 
geschaffene  Ttavrj],  die  nach  xaXcjg  (von  St.  xako-)  gebildeten  (fmy«^ovr-«5, 
'f^X^ifYfoq  u.  a.  (§  80.  83).  4.  darin,  dass  der  Kasusausgang  eine  Erwei- 
terung erfährt,  die  im  lebendigen  Kasusgebrauch  nicht  eintreten  könnte: 
vgl.  z.  B.  fvdv-q  id'v-g  neben  evd'v  id'v  nach  andern,  altern  Adverbien 
auf  -$  wie  ovTCh^;  hom.  hxQi-^l-g  mit  demselben  -g  (vgl.  afufiq)  neben  üTqa- 
%6^  etc.  (§  92). 

Synkretistische  Kasus  (Mischkasus)  entstehen  dadurch,  dass  au 
die  Stelle  von  zwei  Kasus  von  verschiedener  Form  und  verschiedener  Be- 
deutung eine  Kasusform  tritt,  die  die  Funktionen  der  beiden  vereinigt. 
Der  Anlass  zu  solcher  Neuerung  kann  ein  sehr  verschiedener  sein.  Ab- 
gesehen von  einigen  verwickeiteren  Prozessen,  die  nur  von  Fall  zu  Fall 
besprochen  werden  können,  lassen  sich  zwei  öfter  wiederkehrende  Anlässe 
unterscheiden:  Annäherung  der  Bedeutung  und  Zusammenfall  der  Form 
zweier  Kasus.  Jene  war  in  den  älteren,  dieser  in  den  jüngeren  idg.  Sprach- 
entwicklungen der  häufigste  Grund  zum  Synkretismus.  Berührten  sich  die 
Kasus  in  der  Funktion,  so  führte  dieses  immer  zunächst  zu  einem  Promiscue- 
Gebrauch,  d.  h.  die  beiden  Formen  tauschten  nach  und  nach  alle  ihre 
Funktionen  gegenseitig  aus;  alsdann  Hess  man  die  eine  der  beiden  Formen 
als  überflüssig  fallen.  Wurden  die  Formen  der  beiden  Kasus  auf  laut- 
gesetzlichem Wege  gleich,  so  war  für  die  von  der  lautlichen  Verwandlung 
betroffenen  Kategorieen  von  Nominalstämmen  der  Synkretismus  ohne  wei- 
teres gegeben;  in  anderen  Nominalstammklassen,  wo  ein  Zusammenfall 
der  Form  nicht  stattfand,  blieb  die  formale  Geschiedenheit  dann  entweder 
bestehen,  oder  sie  wurde  durch  assoziative  Einwirkung  der  synkretistischen 
Formen,  durch  die  Zwischenstufe  eines  Promiscue-Gebrauchs  hindurch,  auch 
hier  aufgehoben. 

Im  Griech.  fand  Vermischung  statt  zwischen  Gen.  und  Abi.  sg.  und 
pl.  (allgemeingriechisch,  z.  B.  Gen.  tov  und  t(ov  auch  mit  Ablativbedeutung), 
zwischen  Dat.,  Lok.  und  Instr.  sg.  und  pl.  (teils  allgemeingriechisch,  z.  B. 
Lok.  noi-i  und  nwsl  auch  mit  Dativ-  und  Instr  .-Bedeutung,  teils  einzeldialek- 
tisch, z.  B.  Lok.  (Hxoi  im  Nordwestgriech.,  Boot.  etc.  auch  mit  Dativ-  und 
Instrumentalbedeutung,  Dativ  olxijii  im  lon.-Att.  etc.  auch  mit  Lok.-  und 
Instr.-Bedeutung),  zwischen  Lok.  und  Gen.-Abl.  sg.  (in  einem  Teil  von 
Thessalien  Lok.  oixoi  auch  als  Gen.-Abl.),  zwischen  Nom.  und  Akk.  pl. 
(in  verschiedenen  Dialekten  Nominative  auf  -sq  wie  iXXdaawsg  auch  als 
Akk.,  umgekehrt  z.  B.  Akk.  TQiq  im  Herakl.  auch  als  Nom.),  vielleicht  auch 
vmvuAißü,  Dat.-Lok.-Instr.  pl.  und  Akk.  pl.  (el.  aXXoiQ  auch  als  Akk.,  s. . 
§U  fi..fiO).    In  den  meisten  Fällen  war  es  unzweifelhaft  Ähnlichkeit  des 


202  A.  Griechische  Grammatik,    d)  Syntax. 

Gebrauchs  in  einer  Anzahl  von  syntaktischen  Verbindungen  (vgl.  z.  B.  Dat. 
und  Instr.  beim  Passiv  zum  Ausdruck  des  Vollziehers  der  Handlung),  was 
die  Kasus  zusammenfallen  Hess.  Von  lautgesetzlichem  Zusammenfall  der 
Form  dagegen  als  Ursache  synkretistischer  Neuerungen  kann  vielleicht 
nur  beim  Lok.-Dat.  sg.  der  o-Stämme  die  Rede  sein,  nämlich  wenn  der 
Dativaufigang  -öi  vor  konsonantischem  Anlaut  des  folgenden  Wortes  zu 
'Ol  geworden  und  damit  dem  aus  vorgriech.  Zeit  mitgebrachten  Lokativ- 
ausgang -ot  gleich  geworden  war,  (s.  §  82  S.  122  Fussn.  1  und  §  184).  Eine 
gewisse  lautliche  Ähnlichkeit  des  flexivischen  Ausgangs  mag  hie  und  da 
den  Prozess  unterstützt  haben  (vgl.  Lok.  pl.  -oicxi  und  Instr.  pl.  -ok,  Nom. 
pl.  '€g  und  Akk.  pl.  -ag);  aber  es  ist  sicher  falsch,  wenn  man  einzig  aus 
dieser  den  Synkretismus  herleitet. 

176.  Der  Vokativ  stand,  als  Anruf,  ausser  syntaktischer  Beziehung 
zu  den  andern  Satzgliedern  und  war  demnach  eigentlich  kein  Kasus. 
Hiermit  steht  im  Einklang,  dass  die  singularischen  Vokativformen  wie 
171716  TtoTSQ  koin  Kasussuffix  hatten  (§  76).  Wenn  im  Plural,  wie  in  den 
andern  Sprachen,  der  Nom.  (vgl.  §  177)  als  Anruf  fungierte,  so  ist  nicht 
zu  übersehen,  dass  das  -e  des  Ausgangs  -o-i,  vielleicht  auch  das  -sg  von 
Ttod-eg,  ursprünglich  nur  Plural-,  nicht  zugleich  Nominativzeichen  war.  Dass 
der  Vok.,  wenn  mit  ihm  die  Rede  begann,  als  ausserhalb  des  eigentlichen 
Satzes  stehend  empfunden  wurde,  zeigt  die  Stellung  von  dt  u.  a.  Partikeln, 
wie  "'Hfpaiave,  ad  ik  xQ^j  iitXsiv  xtX.  Äsch.  Prom.  3  (vgl.  Kühner,  Ausf. 
Gr.  IP  45  f.). 

Die  Vorsetzung  von  w  vor  den  Vok.  wurde  für  die  konventionelle, 
Ehren  halber  geschehende  Anrede  (o)  ävÖQeg  ^AO^rivaim)  und  im  ruhigen 
Gesprächston,  wenn  man  den  angeredeten  aufmerksam  machen  wollte,  zu 
stehender  Gewohnheit. 

Der  Vok.  konnte  auch  prädikativ  stehen,  wie  Eur.  Tro.  1221  av  t\ 
0)  7X0%  oifSa  xaXkivixs  jtivQfon'  firjtSQ  TQ07raiiüV^  ^ExvoQog  ifiXov  croxoc,  crf- 
(pavov.    Der  gleiche  Gebrauch   im  Ai.,   s.  Delbrück,   S.  F.  4,  29.    5,  lOG. 

Der  (deiktische)  Gebrauch  des  Artikels  in  Ausdrücken  wie  o)  äväQfg 
Ol  TTaQovteg  {Plsit  Prot.  p.  337  c),  TtaQaTrjQsh*,  f^rj,  tovtov  ot  TiXifliov  (Xen. 
mem.  III,  14,  4)  war  wahrscheinlich  aus  uridg.  Zeit  überkommen,  s.  Bezzen- 
BERGER  in  s.  Beitr.  13,  290  f. 

177.  Der  Nominativ  Hess  den  Nominalbegriflf  als  den  Mittelpunkt 
des. durch  das  Verbum  bezeichneten  Vorganges  erscheinen. 

Der  nom.  sg.  fungierte  häufig  vokativisch,  besonders  derjenige  der 
rt-5  Q'  und  i'-Stämme.  Zuweilen  verbanden  sich  Nom.  und  Vok.  in  voka- 
tivischer Funktion,  z.  B.  //  189  (piXog  ei  MeveXae  (vgl.  Wackernagel, 
Bezz.  B.  4,  280  flf.),  Eur.  Andr.  348  w  vXrjiniav  iivfQ.  Die  Anknüpfung 
eines  vokativischen  Nom.  an  einen  Vok.  mittels  r^,  z.  B.  r276  Zev  Ticasq  .  .  . 
'nt'Xtag  T6,  scheint  altererbt  gewesen  zu  sein,  da  sie  auch  altindisch  war 
(Benfey,  Über  die  Entsteh,  d.  Voc,  Abh.  d.  Ges.  d.  Wiss.  zu  Gott.  17, 
30  f.,  Delbrück,  S.  F.  4,  28.  5,  105  f.).  Und  überhaupt  mag  der  vokativische 
Gebrauch  des  nom.  sg.  in  die  idg.  Urzeit  zurückgehen.  Seine  Ausbreitung 
^  wurde  nicht  nur  dadurch  erleichtert,  dass  im  Plural  und  Dual  immer  die- 
selbe Form  in  beiden  Funktionen   üblich  war  und    das  Neutrum   in  allen 


2.  Das  Nomen.  (§  176—178). 


203 


Numeris  keine  eigene  Vokativforra  hatte,  sondern  auch  dadurch,  dass  die 
Personalpronomina  und  geschlechtige  Pronomina  deiktischer  Bedeutung  im 
Sing,  von  Haus  aus  der  Vokativform  entbehrten  (daher  immer  ovTog,  « 
ovsog  im  Anruf). 

Im  Lauf  der  griech.  Sprachgeschichte  übernahm  der  Nom.  pl.  auf  -sg 
die  Funktion  des  Akk.  pl.  mit  (jungatt.  rovg  evyevetg^  rovg  ßsktiovg,  nur 
Fälle,  in  denen  der  Ausgang  -eg  durch  Kontraktion  verschwunden  war, 
el.  x^Q^'^^Q  ttvtanodidioaaa^  ach.  tovg  iXaaaovsg,  delph.  nvag  dexattTOQsg^ 
messen,  navteg,  §  87)  und  umgekehrt  der  Akk.  pl.  die  des  Nom.  pl.  (herakl. 
TQig  axoh'ot,  att.  ai  aqxvg^  §  86).  Bei  diesem  Synkretismus  mag  auch  die 
formale  Ähnlichkeit  mit  im  Spiele  gewesen  sein  (§  175);  speziell  fürs 
Elische  ist  die  dem  a  nahe  gelegene  Aussprache  des  e  (§  8)  zu  beachten. 

Im  El.  trat  auch  Vermischung  des  Akk.  pl.  mit  dem  Dat.  pl.  ein, 
wenn  die  mit  akkusativischer  Funktion  auftretenden  Formen  auf  -oiq  -aig 
den  att.  Formen  auf  -otg  -atg  gleichzusetzen  sind  (§  55  S.  69). 

178.  Der  Akkusativ  brachte  das  Nomen  in  eine  an  sich  ganz  un- 
bestimmte Beziehung  zum  Verbum.  Die  besondere  Art  der  Beziehung 
ergab  sich  aus  der  Natur  des  Verbums  und  des  von  ihm  abhängigen  Nomons. 
Altererbt  war  die  Verbindung  dieses  Kasus  mit  folgenden  Verba.*) 

1.  Verba  des  Affizierens,  z.  B.  ayew  (Objektsakk.).  Bei  pas- 
siver Ausdrucksweise  entsprach  der  Nom.  Nach  e^agraifiai  ri  auch  i^a^roc 
eifit  Tiy  nach  fiäfi^ofiai  %i  auch  juo/iyijv  i^^  ^*  u«  dgl« 

2.  Verba  des  Hervorbringens. 

a.  Der  Nominalbegriff  stellte  sich  als  das  Resultat  des  Hervorbringens 
dar,  z.  B.  oQv^ai  xcKfQov^  xvmtiv  i'Xxog  (Akk.  des  Resultates). 

b.  Er  deckte  sich  mehr  oder  weniger  mit  dem  Substanzbegriff  des 
Verbs,  was  nur  dann  möglich  war,  wenn  das  Nomen  eine  Erscheinung, 
einen  Vorgang,  nicht  etwa  wenn  es  eine  Person  oder  eine  Örtlichkeit 
bezeichnete,  z.  B.  vixäv  vixrjVy  vixdv  nävzad^Xov^  &€tv  ÖQoiiiov  (Akk.  des 
Inhalts).     Dieser   Akk.    wurde    im    Griechischen    besonders   beliebt    und 


>)  Gut  sagt  Delbrück,  S.  F.  5,  164: 
«Dabei  sind  die  Begriffe  des  Zieles,  des  In- 
haltes, des  Objects,  der  Zeitdauer  u.  s.  w. 
in  der  Grammatik  nicht  weiter  zu  definiren, 
sondern  sind  als  Realitäten  anzusehen,  welche 
in  der  Anschauung  der  Sprechenden  vor- 
handen sind  .  .  .  Auch  in  der  Abgrenzung 
der  einzelnen  Anschauungskreise  bleibt  eine 
Schwierigkeit.  Denn  man  darf  nicht  ver- 
gessen, dass  die  Begriffe  Ziel,  Object  u.  s. 
w.  wie  Inseln  im  Meere  als  Krystallisations- 
punkte  auftauchen,  und  dass  Wendungen 
Öbrig  bleiben,  welche  zu  dem  einen  oder  dem 
anderen  Kreise  gerechnet  oder  überhaupt 
nicht  sicher  untergebracht  werden  können. 
Ja  bei  schärferem  Nachdenken  kommt  man 
natflrlich  immer  wieder  zu  der  Erkenntniss, 
dass  in  der  Sprache  nichts  gegeben  ist,  als 
der  Verbalbegriff  und  der  Nominalbegriff, 
und  dass  eine  Einteilung  des  Stoffes  zwar 


unvermeidlich,  eine  jede  aber  nicht  frei  von 
Willkür  ist."  Dieses  gilt  für  die  Bestim- 
mung und  Zergliederung  überhaupt  aller 
syntaktischen    Gebrauchsweisen.     Nur  der- 

i'enige  wird  die  Aufgabe  der  Syntax  in  ihrem 
löchsten  wissenschaftlichen  Verstand  lösen, 
der,  möglichst  absehend  von  der  im  Verlauf 
vieler  Jahrhunderte  erwachsenen  Termino- 
logie und  Einteilung,  durch  die  so  vieles  in 
die  Dinge  hineingelegt  wird,  was  in  ihnen 
in  Wirklichkeit  nicht  vorhanden  war,  überall 
nur  darauf  aus  ist,  das  Bedeutungsbild  zu 
reproduzieren,  das  in  der  Seele  der  spre- 
chenden lag.  Dieses  war  fast  überall  weniger 
deutlich  und  weniger  scharf  umrissen,  als  es 
die  traditionelle  Grammatik  erscheinen  lässt. 
Fast  allenthalben  gab  es  Übergangssiufen  und 
Beziehungen  zu  benachbartem,  die  wir  oft 
nur  ahnen  können. 


204  A.  Griechische  Qrammatik.    d)  Syntax. 

diente  oft  rhetorisch-stilistischen  Zwecken  (vgl.  Scheidawind,  Üb.  den  Akk. 
des  Inhalts  bei  den  hervorragendsten  griech.  Prosaikern,  Wtirzburg  188G). 
Bei  passiver  Ausdrucksweise  entsprach  der  Nom.:  a.  i'Xxog  Tvmetai^ 
b.  TioXsfiog  noXe/iehm,  doch  auch  rvmofiai  i'kxog  (12  421  avv  rf'  i'kxea 
ndvta  fitfivxev^  oaa*  i%vnri^  vgl.  E  795  i'htoq  ävaifjvxovra,  to  fiiv  ßdXe 
ndvdaqoq  u[)).  Der  Akk.  des  Inhalts  ging  auch  Verbindung  mit  Adjektiven 
ein  (z.  B.  Thuk.  5,  34  ätifiovg  on^fiiav  roicevSe),  die  in  diesem  Fall  wie 
Partizipia  empfunden  wurden  (vgl.  Plato  ap.  p.  19c  noXXtjv  tpXvaqfav  (pXva- 
Qovvra  und  ib.  p.  22  e  coifoq  &v  Tijv  ixelvfov  aoif(ttv), 

3.  Verba  der  Bewegung  nach  einem  Ziele  hin,  z.  B*  y  162  eßav 
veag  (Akk.  des  Ziels).  Schon  frühe  wurde  der  Akk.  in  solchen  Ver- 
bindungen durch  Präpositionen,  wie  ev  {ivg,  vgl.  §  200),  eni,  näher  de- 
finiert (vgl.  auch  Sofiov  Se,  Uvh^va^e  §  55.  201);  im  Attischen  wurde  diese 
präpositionale  Stütze  fast  durchgehends  notwendig.  Als  lokaler  Kasus 
wurde  dieser  Akk.  bei  passivischer  Ausdrucksweise  nicht  durch  den  Nom. 
ersetzt. 

4.  Verba,  mit  denen  sich  der  Begriff  einer  räumlichen  oder  zeit- 
lichen Erstreckung  verband,  z.  B.  Z  292  oSov  .  .  .  avijyayfv,  B  292 
iva  fifjva  fiävoav  (Akk.  der  Ausdehnung).  Auch  in  diesen  Verbindungen 
wurde  der  Akk.  frühe  durch  Präpositionen,  wie  avd,  did^  charakterisiert 
und  blieb  in  passivischer  Wendung  Akk. 

Für  die  Kategorie  des  sog.  Akk.  der  Beziehung  (acc.  Graecus) 
lassen  sich  am  wenigsten  feste  Grenzen  angeben.  In  der  Hauptsache  war 
sie,  wie  mir  scheint  (vgl.  Gaedicke,  Acc.  im  Veda  280  f.,  Delbrück,  S.  F. 
5,  165.  185),  erst  auf  griechischem  Boden  erwachsen  und  hatte  einen  Teil 
des  Gebrauchs  des  Instr.  (vgl.  §  187)  verdrängt.  Als  altererbt  können 
einzelne  Ausdrücke  wie  ovoiia  „mit  Namen**  gelten  (vgl.  Gaedicke  a.  0. 
216  ff.),  denen  sich  zunächst  yävog^  svqog  u.  a.  anschlössen;  man  darf  alle 
hierher  gehörigen  Akkusative  als  Adverbia  bezeichnen.  Weiteren  Zuzug 
erhielt  diese  Kategorie  aus  dem  Gebiete  des  Objektsakkusativs.  Man  darf 
hierher  stellen  den  Akk.  nach  Verba  des  Sagens,  Wissens  u.  a.  in  Sätzen 
wie  ffSse  yccQ  xaxd  d-vfiov  ddsXifsov^  cSg  inovstto^  Eur.  Med.  248  Xeyovci 
rf'  ijjuag,  (ag  dxivivvov  ßtov  ^dfiev  xax*  oixovg;  vgl.  dass  bei  passivischer 
Ausdrucksweise  nicht  nur  der  Nom.  gebraucht  wurde  {X^yovrai  uveg,  or«), 
sondern  auch  der  Akk.  (Xtyetal  Tivag^  ot$),  s.  Kühner  II*  1088.  In  Wen- 
dungen wie  tov  .  .  .  nXrjS'  avxtva  A  240,  wo  av%iva  ursprünglich  ebenso 
gut  Objektsakk.  war  wie  tov  {c%7iika  xax^*  oXov  xal  fiäqog),  wurde  die 
Sprachempfindung  gegenüber  dem  das  iiäqog  bezeichnenden  Akk.  alteriert 
(vgl.  O  250  fif  ,  ,  ,  ßdXsv  Aiag  xsQiiaditfi  nqog  frtrjd'ogy  T  125  rov  6'  ctxog 
öfi)  xatd  (fQsva  xvips  ßaO^sTav);  ebenso  gegenüber  dem  sachlichen  Objekts- 
akk. in  Wendungen  wie  iiidaxio  uvd  ti,  wie  man  aus  der  passivischen 
Ausdrucksweise  sieht  {enXrjyrj  avx^va  und  diSdffxofiai  iiovaixrjv).  Ausserdem 
floss  auch  vom  Akk.  des  Inhalts  zu,  vgl.  z.  B.  ^OXvfima  vixdv,  dfiagrdvw 
tavra.  Dass  alle  diese  Fälle  etwas  gemeinsames  hatten,  was  erlaubt  sie 
zusammenzustellen,  ist  ebenso  unverkennbar,  wie  dass  der  Ausdruck  Akk. 
der  Beziehung  nur  ein  Notbehelf  ist. 

Der  Akk.  der  Beziehung  gesellte  sich  in  ähnlicher  Weise  wie  der 


2.  Das  Nomen.  (§  179—181.)  205 

des  Inhalts  auch   zu  Adjektiven,   z.*  B.  «Vcro^  yvijr,  ivaXtyxtog  avdi]v  nach 
dem  Vorbild  von  Ausdrücken  wie  ioixwq  ^vr^v  (Delbrück,  S.  F.  4,  33). 

179.  Die  akkusativischen  Adverbia  beruhten  auf  den  Akk.  des  In- 
halts, wie  /iffya,  aAAryxrov  {B  452  likkrjXTov  7ioXs(.uXhv  rjäi  (xäx^od^ai^  vgl. 
B  121  anQTjxTov  niktfiov  noXsiii^siv  fjd^  iidx^ad^ai),  der  Ausdehnung,  wie 
vvx%ay  avQiov^  der  Beziehung,  wie  evqoq^  fit-yed-og.  Akkusative  wie  tavia 
xaXXa  waren  auf  verschiedenen  Wegen  adverbial  geworden.  Vgl.  Delbrück, 
S.  F.  4,  34  ff.  Mancherlei  adverbiale  Erstarrungen  hatte  der  Akk.  sicher 
schon  in  vorgriech.  Zeit  erlitten,  z.  B.  ovoiia  wie  ai.  ndrna  „namens*", 
i/i-nedo-v  Adv.  zu  ifi-nsdo-^  wie  ai.  ati^matrd^m  Adv.  zu  ati-nKUrd-s  „das 
Mass  überschreitend"  (Vf.  Grdr.  2,  30). 

Zur  Auslassung  des  Substantivs  imiv  raxitrrrjv  {sc.  orfor),  Tvirtetv  Smktjv 
{sc.  nXrjyrjv)  u.  dgl.  vgl.  §  189. 

180.  Verbundene  Akkusative.  Die  wichtigsten  Kategorien  sind 
folgende,  die  proethnisch  zu  sein  scheinen  (vgl.  Gaedicke  a.  0.  249  ff.). 

1.  Zwei  Objektsakkusati ve.  a.  Das  ^XW^  ^-  ^^®^'  ^^  H'^'Qog,  wie  A  240 
tiv  d'  äoQ$  nXi]^'  avx^'va  (vgl.  Gaedicke  a.  0.  268).  b.  eQwraia  %i  riva, 
diSoaxca  u  %iva^  H  667  a\[jLa  xdd'rjQov  .  .  .  SaQnrjdova^  eine  Art  Bedeutungs- 
zeugma:  iQ(ova(o  t$  , erfrage  etwas*  +  e^catdü}  Tivd  „befrage  einen**.  Über 
die  Auffassung  des  den  Teilbegriff  darstellenden  Akk.  in  a.  und  des  die 
Sache  bezeichnenden  Akk.  in  b.  als  Akk.  der  Beziehung  s.  §  178.  c.  dvi" 
fiotsQOV  dt  fi€  d^iSsiq  n  90,  evqs  tovg  dviqaq  Sis^d-aQfievovg  Thuk.  2,  6; 
der  eine  Akk.  trat  als  Prädikat  hinzu,  im  Pass.  doppelter  Nom. 

2.  Akk.  des  Obj.  mit  dem  des  Inhalts,  wie  o  245  ov  .  .  .  (plXei  .  .  . 
navToirjv  (fiXofrjra. 

Verbindungen  wie  die  des  Akk.  des  Objekts  mit  dem  der  Ausdehnung, 
wie  Herod.  6,  135  Hdqov  .  .  .  JtoXioqxrflag  1^^  xal  sixoai  rjfitQag  u.  dgl. 
(zu  einem  Verb  konnten  auch  drei  und  mehr  Akkusative,  jeder  mit  an- 
derer Beziehung,  treten)  geben  zu  besondern  Bemerkungen  keinen  Anlass. 

• 

181.  Genitiv.  Die  Singularformen  auf  ~og  (noiog)  und  die  auf  -äg 
{xoiQäg)  vereinigten  seit  uridg.  Zeit  Genitiv-  und  Ablativbedeutung.  Dieser 
Umstand  und  zugleich  mehrfache  Berührungen  des  genitivischen  und  des 
ablativischen  Gebrauches  hatten  zur  Folge,  dass  der  Gen.  sg.  auf  -40  (Ihnmo) 
den  Abi.  sg.  auf  -«(rf)  (vgl.  lat.  Gnaivöd,  §  80)  absorbierte,  der  sich  nur 
noch  in  adverbialer  Erstarrung,  z.  B.  lokr.  (o  „unde'^,  erhielt,  und  ebenso 
der  Gen.  pl.  auf  -cöv  den  idg.  Abi.  pl.  (vgl.  ai.  dvi-hhyas,  lat.  ovi-hus). 

Infolge  dieses  Synkretismus  übernahmen  auch  die  vielfach  wie  echte 
Kasus  gebrauchten  Formen  auf  -d-ev,  denen  ursprünglich  nur  ablativische 
Funktion  zukam,  zuweilen  Genitivbedeutung,  wie  B  26  vvv  ä'  iiihd^Bv 
^vveg  (oxa. 

In  Thessalien  (Pelasgiotis  und  Perrhäbia)  wurde  die  Lokativform  auf 
-o«  (§  82)  auch  als  Gen.  gebraucht.  Bei  der  Dürftigkeit  des  Sprachmaterials 
lässt  sich  nicht  sehen,  auf  welchem  Wege  (es  sind  mehrere  Wege  denkbar) 
dieser  Synkretismus  zu  stände  kam.  Die  öfters  (zuletzt  von  Hoffmann, 
De  mixtis  Gr.  1.  dialectis  6.  13)  vorgetragene  Ansicht,  -oi  sei  Verstümm- 
lung von  'Oto,  leuchtet  mir  nicht  ein. 


206  A.  firiechiache  Grammatik,    d)  Syntax. 

183.  A.  Echter  Genitiv.  Als  ad  nominal  er  Kasus  setzte  der  echte 
Oen.  ein  Nomen  zu  einem  andern  Nomen  in  engste  Beziehung.  Die  be- 
sondere Art  der  Beziehung  ergab  sich  aus  der  Natur  der  auf  einander 
bezogenen  Nomina,  beziehungsweise  aus  dem  ganzen  Zusammenhang;  wo- 
nach man  in  der  Grammatik  einen  Gen.  des  Urhebers  (^cr/ia  SificoviSov), 
des  Besitzers  {oixta  UsQi^tXbovg),  des  Objektes  {iQoog  rf^g  äQeTtjg),  der  Be- 
schaffenheit {oäog  TQi(av  rjfisQ^v),  des  Stoffes  {nsvre  fxvat  aQyvQtov),  des 
geteilten  ganzen  {noXXol  tjficSv)  zu  unterscheiden  pflegt.  Die  Grenzen  zwischen 
diesen  Kategorien  waren  naturgemäss  fliessend,  z.  B.  zwischen  gen.  partit. 
und  gen.  possess.  Diese  verschiedenen  Gebrauchsweisen  waren  dieselben  wie 
in  den  andern  Sprachen. 

Wie  ein  Verbum  mehrere  Akkusative  verschiedenen  Bezugs,  so  konnte 
ein  Nomen  mehrere  echte  Genitive  verschiedenen  Bezugs  zu  sich  nehmen, 
z.  B.  Thuk.  3,  115  trjy  toi  Aäxr[uog  twv  vedv  agxrjv. 

In  Abhängigkeit  von  einem  Verbum,  als  ad  verbal  er  Kasus,  Hess 
der  echte  Gen.  das  Nomen  nicht  in  seiner  Totalität,  sondern  nur  zu  einem 
unbestimmten  Teile  von  der  Handlung  ergriffen  oder  bewältigt  erscheinen, 
vgl.  den  adnominalen  Gen.  als  partitivus.  Der  adverbale  Gen.  war  ent- 
weder Gen.  des  äusseren  Objektes,  z.  B.  bei  aTioXaveiv,  iad-ieiv^  nsradidovai^ 
TTifinXdvaiy  amsad^ai,  ix^aO^M,  axoisiv  (dazu  auch  Adjektiva  mit  dem  Gen., 
die  den  Partizipien  der  entsprechenden  Verba  gleich  zu  achten  sind,  z.  B. 
Httoxog,  inr]xoog,  /itij/iwv),  oder  Gen.  des  inneren ,  Objektes,  z.  B.  Soph. 
fragm.  147  n^qi  d*  ifAf^  ^^?  xaTccyvvräi  z6  teifxog  ov  fiVQOV  nveov,  y  408 
inl  ^eOToTai  Xixhoiaiv^  oV  ot  Maav  .  ,  ,  anoatiXßovzBg  aXsiipatog  (vgl. 
Delbrück,  S.  F.  4,  39  f.).  —  Noch  nicht  befriedigend  erklärt  ist  x^ard- 
Tov  xq{v€iv;  schwerlich  =  d^avdrov  xqiatv  xqivsiv. 

Wie  der  partitive  Gen.  im  adnominalen  Gebrauch  teils,  im  Singular, 
ein  einheitliches  ganzes  zu  einem  Teilquantum  in  Beziehung  setzte  (z.  B. 
Thuk.  1,  118  ot  U^rivaToi  im  fjiäya  exciQTjffav  ivvdin€(ag),  teils,  im  Plur., 
eine  Gesamtzahl  von  Individuen  zu  einem  Teil  derselben  (TtoXXol  tdiv  dv- 
x^Q^TKüv),  so  auch  im  adverbalen  Gebrauch:  vgl.  einerseits  *  102  XüjtoTo 
^ayoiv,  anderseits  Xen.  Hell.  V  2,  12  ovtoi  xmv  noXemv  nQoatjdyovio  (vgl. 
Büchsenschütz  zu  IV  4,  13).  In  letzterer  Weise  konnte  der  Gen.  auch 
Satzsubjekt  sein,  z.  B.  Xen.  Hell.  IV  2,  20  immov  sxattQiov. 

Wie  der  Nom.  und  der  Akk.,  so  konnte  auch  der  Gen.  als  Prädikats- 
nomen fungieren,  z.  B.  Thuk.  5,  5  iyeveto  Meaatjvrj  Aoxqwv^  Xen.  oec.  1,  2 
SoxeT  .  .  .  olxovofAOV  dyaO'Ov  eivai  €v  oixeXv  tov  iavrov  oixov;  vgl.  auch 
TiQiaCxhai  u  ntvre  iivdv  mit  Theokr.  15,  19  inTadqdxiKag  nhvts  noxmg  iXaße. 

Die  sog.  lokalen  und  temporalen  Genitive  (vgl.  Delbrück,  S.  F. 
4,  44  f.)  wurzelten  im  partitiven  Gebrauch.  Z.  B.  ^'^xo^^ai  naiioio  (B  801) 
führte  die  Ebene  als  ganzes  vor  Auge,  von  dem  nur  ein  irgendwie  grosser 
Teil  von  der  Handlung  des  Gehens  betroffen  wurde  (vgl.  egeiaaro  yai\g 
E  309),  im  Gegensatz  zu  Mifsne  nsStov  {A  496),  wo  der  Teilbegriflf  nicht 
vorschwebte.  Entsprechend  verlegte  der  Gen.  bei  Zeitbegriflfen  (0  470 
riovg  ii]  xal  fidXXov  vrreQineve'a  KQoviwva  oiptai  .  .  .  oXXvvt*  'Agyeimv  novXvv 
aiqatov  alxfirjTdon)  die  Handlung  in  einen  unbestimmt  grossen  Teil  des 
ganzen  Zeitraumes.     Vgl.  auch  iqxtmv  noxf  vjtiüg  iyxtxXijitrovg  gegenüber 


2.  Bas  Nomen.  (§  182—184.)  207 

(*V)  iQxstn  xA.,  dexa  rjfieQwv  ngoad^u)  gegenüber  ev  Säxa  rjfLisQaig  (Meister- 
hans, Gr.*  167)  und  {tffi)  rj/xägag  gegenüber  (rjj)  yu'^^  und  (riyr)  i^fiegar. 
Aber  der  partitive  Sinn  blieb  nicht  lebendig,  er  verblasste.  Das  att.  avrov^ 
welches  ursprünglich  den  Vorgang  in  einen  irgendwie  grossen  Teil  der 
Örtlichkeit  verwies,  wurde  gleichbedeutend  mit  dem  den  Ort  als  ungeteiltes 
ganzes  vors  Auge  führenden  Lok.  atnti;  daher  Hessen  diesen  (im  Dorischen 
erhaltenen)  Kasus  die  Attiker  als  terminus  in  quo  (vgl.  §  186)  fallen.  In 
gleicher  Weise  zeigt  sich  der  partitive  Sinn  verflüchtigt  Herod.  4,  48 
iaxQog  Xaoq  atl  avioq  iüJVTfp  Qt€i  xal  x}^t'Q€og  xal  xfijUoTfog,  el.  ijfiev  dl  xal 
da^ttkeiav  xal  noXhuto  xal  alQavaQ  (CoLLiTZ,  Gr.  D.  n.  1172,  23)  und  sonst 
oft.  Diese  Verflüchtigung  tritt  auch  in  der  Verbindung  dieses  Gen.  mit 
inl^  neql,  /uLerd  (§  196)  hervor. 

183.  B.  Ablativischer  Genitiv.  Im  Abi.  stand  das,  von  dem  etwas 
weg-  oder  ausgeht.  Er  verband  sich  daher,  wie  in  den  andern  idg.  Sprachen, 
mit  Verba  des  Gehens,  Herrührens,  Ablassens,  Befreiens,  Hörens  u.  a.,  z.  B. 
1^  125  OvXvfinoio  xarrjXx^ofiev.  Auch  mit  den  zu  diesen  Verba  gehörigen 
Adjektiva,  z.  ß.  Soph.  Ai.  511  trov  iiovog  =  aov  /lovwd^etg;  doch  mag  hier 
in  einigen  Fällen  auch  echter  Gen.  anzunehmen  sein,  vgl.  z.  B.  iXev^eQog 
ntjfActKov  mit  lat.  Über  laborum. 

Ablativischen  Gen.  hatte  der  Komparativ  bei  sich:  iit(^wv  aov  war 
„grösser  von  dir  (von  deinem  Höhenmass)  aus  gerechnet",  daher  „im  Ver- 
gleich zu  dir".  Diese  Aasdrucksweise  war  aus  uridg.  Zeit  mitgebracht. 
In  der  griech.  Entwicklungsperiode  stellte  sich  daneben  der  Gebrauch  von  ]] 
und  von  Präpositionen  wie  nqo  „vor"  (Vorzug)  und  dvti  „angesichts,  gegen- 
über". Denselben  ablativischen  Gen.  hatten  auch  die  aus  Komparativen 
gebildeten  Verba  wie  rjTTMx^ai,  •  vaT€Q€tv,  TiXeovexTcTv.  Ebenso  war  abla- 
tivisch der  Gen.  beim  Superlativ  in  Fällen  wie  A  505  (ig  (üxvnoQfaxatog 
aXX(av  inXeto  (der  kurzlebigste  im  Vergleich  mit  den  andern,  d.  h.  kurz- 
lebiger als  jeder  einzelne  von  den  andern),  Soph.  Ant.  100  xaXXiaxov  twv 
TiQoxiqwv  y^dogy  Thuk.  1,  .1  noXsiiov  d^ioXoyoiravov  twi'  nQoyeytvr^fit'vwv; 
daneben  war  der  gen.  partit.  üblich,  wie  Tqwcov  t6v  ixQiaTov  ^ntffvtr  P  80. 
Vgl.  Ziemer,  Vergl.  Syntax  der  idg.  Komparation  54  ff.  255  ff. 

Über  die  ablativischen  Adverbia  auf  -a)(^)  s.  §  80. 

184.  Dativ.  Wie  die  Formen  des  Dativs  der  traditionellen  Gram- 
matik teils  Dat.  (§  81),  teils  Lok.  (§  82.  90),  teils  Instr.  (§  83.  91)  waren, 
so  war  dieser  Kasus  auch  in  Bezug  auf  die  Funktionen  synkretistisch. 
Der  alte  Dat.  und  der  Instr.  waren  zunächst  zusammengeflossen  in  der 
Weise,  dass  im  lebendigen  Kasusgebrauch  jede  Stammklasse  im  Sing,  wie 
im  Plur.  für  die  alten  dativischen  und  die  instrumentalen  Funktionen  nur 
je  eine  von  beiden  Kasusformen  hatte;  zu  der  Zeit,  als  diese  Vermischung 
sich  vollzog,  waren  die  in  der  historischen  Zeit  begegnenden  Worte  auf 
-0),  -ij  und  -ö  (instr.  sg.)  bereits  Adverbia  geworden.  Die  Vermischung  des 
Lok.  mit  dem  Dat.  und  Instr.  erfolgte  in  jüngerer  Zeit,  wie  sich  u.  a.  daraus 
ergibt,  dass  im  Sing,  der  o-  und  «-Stämme  von  einem  Teil  der  Dialekte, 
z.  B.  dem  attischen,  die  Dativform  (cwxr»))  mit  Dat.-Instr.-Lok.-Bedeutung 
zur  Herrschaft  gebracht  wurde,   neben  der  die  Lokativform   nur  adverbial 


208 


A.  Oriechische  Grammatik,    d)  Syntax. 


verhärtet  mit  lokativischer  Bedeutung  weiter  lebte  (oTxcm),  in  andern  Dia- 
lekten dagegen,  im  böot.,  nordwestgriech.,  el.  und  arkadischen,  die  Lokativ- 
form siegte  und  die  dreifache  Bedeutung  weiter  trug. 

Dass  das  Zusammenrinnen  des  Dat.,  Instr.  und  Lok.  zum  Teil  durch 
Annäherung  der  Funktionen,  durch  gegenseitige  Berührungen  der  inneren 
Sprachform  veranlasst  worden  war,  unterliegt  keinem  Zweifel,  und  es  ist 
eben  wegen  dieser  Berührungen  nicht  überall  möglich,  die  drei  Qebrauchs- 
gebiete  reinlich  gegen  einander  abzugrenzen.^)  Daneben  kommt  Zusammen- 
fall der  Form  als  synkretismusbewirkender  Faktor  für  den  Dat.  sg.  der 
o-Stämme  in  Betracht,  wie  bereits  §  82  S.  122  Fussn.  1  angedeutet  wurde. 
Nach  der  dort  erwähnten  Hypothese  Streitberg's  hatte  das  Urgriechische 
bei  den  o-Stämmen  -öj  (Dativform)  als  Dat.  Instr.  und  -oi  als  Lokat.,  bei 
den  ^-Stämmen  aber  nur  -ai  (Form  des  Dat.  und  des  Lok.)  als  Dat.  Instr. 
Lok.  Nun  wurden  -öi  und  -öi  vor  Konsonanten  nach  §  26  zu  -oi  und  -at, 
so  dass  bei  den  o-Stämmen  die  Dat.-Instr.-Form  zum  Teil  mit  der  Lok.- 
Form  zusammenfiel  und  bei  den  O-Stämmen  eine  Form  entstand,  die  der 
idg.  Lok.-Form  auf  -0%  gleichartig  zu  sein  schien  und  die  daher  auch  den 
speziell  lokativischen  Gebrauch  an  sich  zog.  Bei  den  o-Stämmen  war  jetzt 
die  alte  Grenze  zwischen  Dat.-Instr.  und  Lok.  zum  Teil  verwischt  und 
für  die  a-Stämme  ein  mit  diesem  Zustand  parallel  gehendes  Verhältnis 
geschaffen.  Die  weitere  Entwicklung  war  für  beide  Stammklassen  im 
grossen  ganzen  dieselbe.  In  dem  einen  Teil  der  Dialekte  absorbierten  im 
lebendigen  Kasusgebrauch  die  Formen  auf  -^)  und  -f  diejenigen  auf  -oi 
und  -m,  die  sich  nur  in  adverbialer  Erstarrung  hielten,  in  dem  andern 
siegten  die  Formen  auf  -oi  und  -ai,  wie  oben  angegeben. 

Alle  kategorien weise  auftretenden  Funktionen  des  griech.  Dät.-Instr.- 
Lok.  finden  sich  in  den  andern  idg.  Sprachen  wieder. 

185.  A.  Echter  Dativ.  Die  Grundbedeutung  des  Dat.  ist  unermittelt. 
In  diesen  Kasus  trat  der  Begriff,  dem  die  Handlung  des  Verbum  gilt  oder 
sich  zuwendet,  zuneigt.     S.  §  175. 

Der  Dativ  stand: 

Bei  Verba  des  Bewegens  und  Zuwendens  zu  etwas,  z.  B.  r  318 
\}^€Oiai  6h  xsTqag  aväaxov,  J  443  avtdq  ineita  ovQav^  iatriqi^e  xccqi],  Eur. 
Herc.  für.  242  insiddv  d*  iaxoii^ad-wsiv  noXsi^   Thuk.  1,  13   Safufoig  rjkO^s. 

Bei  Verba  des  Gebens,  Sagens,  Nutzens,  Gesinntseins  u.  ähnl.,  wie 
diSivaij  (fbQSiv^  Xäyeiv,  äQijyeiVy  vnrjQexetv,  evvosTv,  o^yd^sax^aij  vTiaxoveiVj 
bei  den  entsprechenden  Adjektiven,  wie  evvovg,  vTrijxoog,  und  zuweilen  auch 
bei  anderen  dem  Verbum  nahe  stehenden  Nomina,  wie  Äschyl.  Prom.  612 
nvQog  ßQOTotg  äorfjQ*  oQ^g  nQOfAtjd-ea^  Plat.  apol.  p.  30  d  ne^i  Ttjv  zov  x^eov 
doaiv  vfiTvy  Theät.  p.   168  c  rf^  Sraigip  aov  elg  ßorjd^siav. 

Bei  slvai^  vndqxeiv  u.  ähnl.,  wie  /  144  xQetg  Sä  fioi  siai,  ^vyatQeg, 

Zur  Bezeichnung  des  Zweckes  bei  Abstrakta.    Hierauf  beruhte   ein 


')  So  kann  man  z.  B.  schwanken,  ob 
man  den  Dativ  bei  Tignea&ai  und  /ai^ftv 
als  lokativischen  oder  als  instrumentalen 
Dativ  zu  bezeichnen  habe.  Auch  können 
ehemals  Lokativ  und  Instrumentalis  zugleich 


angewendet  worden  sein.  S.  Delbrück,  S. 
F.  4,  57  und  Dbnbcke,  De  vi  atque  usu  da- 
tivi  localis  et  temporalis,  Braunschw.  ISSr), 
[).  28,  der  ohne  triftige  Gründe  ausschliess- 
lich instrumentalen  Dativ  annimmt. 


Fi 


2.  Das  Nomen.  (§  185-186.)  209 

grosser  Teil  des  Infinitivgebrauchs  (vgl.  §  170),  z.  B.  H  351  ^Eltvrjv  xat 
xvrjfAaxß'*  afi*  ainfj  dcioinsv  'ArQsidrjmv  ayciv;  ferner  nach  W ackern aoel, 
K.  Z.  28,  141  flf.  das  desiderative  Partizip  auf  -cr^cör,  z.  B,  6ip€{<ar  aus 
oipei  hiv  „zum  Sehen  gehend,  auf  das  Sehen  ausgehend^. 

Als  sog.  dat.  commodi,  wie  P  242  ifijj  xe^akjj  nsqidsidia^  Thuk.  7,  70 
riQxav  S^  xov  vavuxov  totg  2vQaxoaioiq  2ixav6g  xai  ^Äydd'CCQXoq. 

Zur  Bezeichnung  der  bei  einer  passivisch  ausgedrückten  Handlung 
beteiligten  Person,  der  diese  Handlung  gilt,  doch  so,  dass  die  Person  zu- 
gleich agens  ist.  Ausser  dem  Verbaladjektiv  auf  -t£o^  gehören  hierher 
Stellen  wie  Lys.  24,  4  Toaavtd  iiot  eigr^ad-w,  Xen.  an.  I  8,  12  xäv  tovto 
(ro  ifTQaT€V/iia)  vixäfiev^  ndvx^'  rjfitv  nsnon/tm,  att.  Inschr.  iiprjtpiaTm  Tg  ßovXij 
(Meistebhans,  Qr.2  156.  172),  Thuk.  1,  51  toTg  di  KeQxvQamg  ovx  ieoQwvTO, 
wohl  auch  ixO-ofiai  riv»  als  Passiv  zu  ix^^  ^*^'^  (vgl.  Äschyl.  Sept.  691 
0o(ßtp  {fTvyrjd'h^  nav  t6  Aätov  yävog).  In  diesem  Gebrauche  hatten  sich 
Dativ  und  Instrumentalis  berührt  (s.  §  187),  und  sie  sind  öfters  schwer 
gegen  einander  abzugrenzen. 

Als  sog.  dat.  ethicus,  zur  Bezeichnung  der  mit  dem  Gemüte  an  dem 
Vorgang  beteiligten  Person,  wie  *  42  daaadn€x>\  wq  infj  %iq  fioi,  dTefißo^ 
fjievog  xioi  tarfi.    Hierher  auch  roi,  ursprünglich  „tibi",^)  s.  §  201  S.  225. 

Zur  Bezeichnung  der  Person,  fQr  deren  Standpunkt,  in  deren  Augen, 
nach  deren  Urteil  etwas  gilt,  wie  Soph.  0.  C.  1446  dvd^iai  ydq  ndaiv  iare 
ivaxvx'Btv^  Äschyl.  Prom.  12  Kqdrog  Bia  t«,  cr^f^r  fikv  ivxoXt]  Jtog  ixei 
rdXog  iri* 

Es  entwickelte  sich  auch  ein  adnominaler  Gebrauch,  der  besonders 
der  volkstümlichen  Rede  eigen  gewesen  zu  sein  scheint.  Der  Dat.  be- 
zeichnete in  diesem  Falle  das,  für  das  etwas  vorhanden  ist,  wobei  er  sich 
mitunter  mit  dem  gen.  possess.  nahe  berührte.  Z.  B.  el.  Collitz;  Gr.  D. 
1152  d  fqdxqa^  xoXg  FaXemg  (Überschrift),  Eur.  Phon.  17  cJ  Or^ßaiaiv 
hvinnoig  ava^,  Äschyl.  Pers.  1022  x^rjtravQov  ßeXteaaiv^  att.  Inschr.  x^'^^" 
TUÖBg  raig  x^vqmg^  Xix^oi  dqovqdioi  htg  t6  atqtaiia  T(p  nvqyo^^  yQafA/iaxevg  rf] 
ßovXfj  xai  t(^  di^fio}  (neben  yQafifiaTevg  Ttjg  ßovXrjg),  ^iXotifi{a  rj  stg  tov 
dijfAov  Toig  TQ$r^QdQxo^g  (Meisterhans,  Gr.*  170  f.).  Anders  bewandt  war 
der  Gebrauch  von  ol  als  dat.  poss.,  wie  er  68  (pdvev  Sä  ot  svQtsg  aifioi, 
u.  ähnl.  (Vf.  Probl.  der  homer.  Textkr.  140),  da  dieses  Pronomen,  wie  ai. 
me,  U,  bereits  in  uridg.  Zeit  zugleich  Genitivbedeutung  gehabt  zu  haben 
scheint  (s.  Delbrück,  S.  F.  4,  136.  5,  204  f.,  Johansson,  Bezz.  Beitr. 
14,  152  f.). 

186.   B.  Lokativischer  Dativ.   Der  Lok.  diente  der  Ortsbezeichnung. 

Er  gab  erstens  den  Ort,  die  Sphäre  an,'  wo  etwas  sich  befindet  oder 
stattfindet,  wie  /  663  fvde  /xvxv  xXi<Tir^g,  X  195  /i*ya  rf^  ^Qcal  ntvx^og  ät^et, 
a  71  00  xgdrog  iavi  jiiäyiarot'  ndaiv  KvxXoineaciv,  Im  Att.  blieb  dieser 
Kasus  ohne  präpositionale  Stütze  besonders  bei  Ortsnamen  im  Gebrauch, 
wie  Nefiefj  <^vX^^  ^EXsimvi^  die  man  als  Adverbien  bezeichnen  darf  (vgl.  u.). 


')  Vgl.  unser  dir  in  Sfttzen  wie  da  kommt 
dir  uns  ein  Mensch  über  den  Hals,  der  .  .  ., 
F.  Rbuteb,  Volksausgabe  1,  839  dünn  was 

Baadlmcli  der  klMi.  AltertumswiflKiiBchaft.  U.    2.  Aufl.  14 


ok  unsen  Eddelmann  di  de  Geschieht  nich 
recht  tau  pass. 


210  ^  Griechische  Orammaük.    d)  8yiiiax. 

Ebenso  wurde  die  Zeit,  in  der  etwas  geschieht,  durch  den  Lok.  bezeichnet, 
z.  B,  A  1^1  tqixttfh  fjfiau  ndvteg  TjXx^ov,  att.  tccvTrj  r^  rjfxäQi^y  %([}  sttwvu 
iT€$j  vov/irjv{i^y  Jlavad'rjvaioig. 

Zweitens  wurde  in  den  Lok.  gesetzt  der  Ort,  die  Sphäre,  wo  etwas 
eintrifft,  wo  ein  heranbewegter  Gegenstand  Aufnahme  findet.  Die  hierher 
gehörigen  Verba  waren  neasTv  {E  82  Trtrf/'^)  näife),  rid-ivai^  ßdXXeiv  u.  ähnl., 
wohl  auch  iiiovai  (0  129  d(dov  da  d  rjvta  %8Qa(v,  vgl.  2  545  iv  xsqai 
(focrxfr),  Xafißdvsiv,  d^x^ad^ai  {E  365  xal  iqv(a  Xd^ezo  x^Q^^^^  ^  596  naiiog 
iit^aTo  x^^'Q*'  xvneXXoVy  vgl.  0  116  ^v  x^^Q^^^^  ^^ß*  ^jvfa);  vgl.  auch  77  258 
iv  TQcoai  oQov(Tavy  att.  ifimmetv  %i,v(.  Vgl.  Holzman,  Ztschr.  f.  Völkerps. 
10,  182  ff.,  Oaedicke  a.  0.  128  ff.  Auf  Grundlage  dieses  Lokativgebrauchs 
scheint  das  im  Attischen  zu  allen  Verba  der  Bewegung  sich  gesellende  ttoT 
»wohin?*'  [noi  %iq  (pvytj;  Aristoph.  Plut.  438)  erklärt  werden  zu  müssen, 
das  seinen  alten  Gebrauch  in  Verbindung  mit  Verba  des  Seins,  Sicli- 
befindens  (vgl.  dor.  net  „wo?*,  Ahbens,  De  Gr.  1.  dial.  2,  361  f.)  an  das 
ursprünglich  partitive  nov  (vgl.  über  avvov  §  182)  abgegeben  hatte.  Die 
Erweiterung  des  Gebrauchs  von  noi  wurde  durch  die  Sonderstellung  als 
Adverb  erleichtert. 

Die  Frage  nach  den  lokativischen  Adverbien  stellt  sich  für  die  ver- 
schiedenen Dialekte  verschieden,  je  nachdem  im  Sing,  die  Dativ-  {wxfo) 
oder  die  Lokativform  {otxoi)  die  Herrschaft  erlangte  (§  184)  und  je  nach 
der  verschiedenen  Behandlung  des  pluralischen  Lok.  und  Instr.  (§  90.  91). 
Ich  beschränke  mich  auf  die  Bemerkung,  dass  man  im  Att.  eine  ältere 
Schicht  von  Adverbien,  abgelagerte  Lokativformen  {oixoi,  liXaraiMt),  und 
eine  jüngere,  wie  xvxXq},  Nefie'i^,  IlXaTaiaig,  zu  unterscheiden  hat;  bei  der 
letzteren  fand  die  adverbiale  Erstarrung  erst  zu  der  Zeit  statt,  als  der 
Synkretismus  des  Dat.-Instr.-Lok.  vollendet  war. 

187.  C.  Instrumentaler  Dativ.  Alle  Gebrauchsweisen  lassen  sich 
leicht  aus  der  soziativen  (komitativen)  Bedeutung  herleiten,  der  zufolge 
in  den  Instrum.  derjenige  Begriff  gesetzt  wurde,  der  mit  dem  in  Thätig- 
keit  befindlichen  Hauptbegriff  zusammen  ist. 

Als  Soziativus  stand  der  Instr.  z.  B.  bei  IVro/im,  lifyvvfjit^  ofiiXito  und 
den  zugehörigen  Adjektiven  und  Adverbien,  wie  dxoXovd^og^  xoivog^  fiiyda. 
Strittig  ist  die  Auffassung  von  avvog  in  avroig  Vnnoiai  (9^  8)  „mitsammt 
den  Pferden*  (zuletzt  hierüber  Monro,  A  grammar  of  the  Hom.  dial.  99  f., 
VoGBiNz,  Bursian's  Jahresbor.  34,  57,  Ziemer,  Synt.   d.  idg.  Compar.  48). 

Zur  Bezeichnung  der  begleitenden  Umstände,  z.  B.  o)  416  i^oiTon' 
aXXo&€v  aXXog  fivxfi^)  t€  (TTovaxfj  t€  (vgl.  avv  Sixrj  neben  rf^xjj),  daher  man 
wohl  auch  in  Verbindungen  mit  vno  wie  Z  171  ßf^  Avxirjv  ie  -S-eSv  vtv 
d/ivfiovi  nofinfj  den  Instr.  zu  sehen  hat. 

Als  ^Prosekutivus"  (im  Ar.  und  Slav.  weit  verbreitet)  bezeichnete  der 
Instr.  den  Raum,  mit  dessen  Zurücklegung  eine  Bewegung  voranrückt 
(mit  dem  wege  gehen).  Hierher  die  Adverbien  tt^,  TavTt]  und  tt^,  tavtrj, 
mit  denen  ursprünglich  der  Instr.,  bez.  Dativ  von  odog  verbunden  war, 
z.  B.  0  509  7tf^  {Tifj)  m;  ^mit  welchem  Wege"  =  „in  welcher  Richtung 
soll  ich  gehen?**;  hieraus  waren  die  übrigen  Funktionen  dieser  Adverbien 
abgeleitet;    zu    dor.    tt«,    tt^    vgl.    Ahbens,    De   Gr.   1.   dial.    2,   370   f. 


2.  Bas  Nomen.  (§  187—188.) 


211 


Ferner  XQ^V  n^^i  d©r  Zeit*,  z.  B.  Demosth.  1,  18  nequcTai  t^j  XQ^vtf» 
Tfiäv  nohoQxovfiäviüv  (vgl.  Soph.  Ai.  306  ifiipQoov  fioXiq  nwg  ^vv  XQ^^'V  ^«^'" 
(TzaTcu).  Berücksichtigt  man  den  ai.  Instr.  der  Zeiterstreckung  (Delbrück, 
S.  F.  5,  130),  so  möchte  man  glauben,  dass  auch  manche  von  den  Zeit- 
dativen, die  man  als  Lokative  ansieht  (s.  §  186  und  Kühner  II^  385), 
ursprünglich  instrumental  waren,  z.  B.  vvxtI  nXsXv  (o  34);  bei  dem  ohnehin 
feinen  Bedeutungsunterschied  musste  hier  die  Grenze  sich  schon  frühe  ver- 
wischen. ^ 

Zum  Ausdruck  der  Beziehung  (vgl.  es  steht  schlecht  mit  ihm),  z.  B. 
r  194  €vqvT€Qoq  d'  wfAoiCi.  Dieser  altererbte  Gebrauch  (Delbrück,  S.  F. 
4,  38)  wurde  durch  die  gleiche  Verwendung  des  Akk.  (§  178)  wesentlich 
eingeschränkt. 

Beim  Passiv  zur  Bezeichnung  der  Person,  unter  deren  Mitwirkung 
eine  Handlung  vor  sich  geht,  z.  B.  X  40  llrjXeiwvt  SafAstg  eigentlich  »unter 
Mitwirkung  des  P.  gestorben"  (Delbrück,  S.  F.  4,  60.  78).  Diese  Ge- 
brauchsweise war  mit  der  Verwendung  des  echten  Dativs  beim  Pass.  zu- 
sammengeronnen (§  185). 

Zum  Ausdruck  des  Mittels,  wie  f  316  ifiaaev  (xdauyi^  wohl  auch 
in  Verbindung  mit  vnd,  wie  A  433  ^/i^j  vno  SovqI  tvneiq  (dagegen  Lok.  in 
vno  x^^cri  iafArjrai,  Delbrück,  S.  F.  4  76,  vgl.  ved.  üpa  mit  Instr.  und 
Lok.).  Wie  wenig  der  Instr.  des  Mittels  von  dem  soziativen  getrennt 
werden  kann,  zeigen  Stellen  wie  A  161  tj  vvv  dr]  TQofrj&ev  dX(6fjL€vog  ev^dd' 
Ixdvcig  vr^l  T€  xai  hdqoiai  noXvv  XQOVOv; 

Zum  Ausdruck  der  Ursache  und  des  Motivs,  wie  Xen.  an.  V  8,  2 
^i'yf*  d7ra)XXvfi€&ay  &  324  x^rjXvt€Qta  i^  d-sal  fitvov  aldi/t  wxoi  ixacttj. 

Zum  Ausdruck  des  Masses,  wie  noXltp  ia€iC(ov. 

Der  Gebrauch  des  Instr.  in  xqavy^  ßoav^  dqoiitf  ^sTvy  ^6ß(i)  dttaai 
(Kühner  II*  265,  Delbrück,  S.  F.  4,  60)  stand  dem  zur  Bezeichnung  des 
Mittels  am  nächsten. 

Bei  den  instrumentalen  Adverbien  sind  ebenso  wie  bei  den  lokativischen 
(§  186)  verschiedene  Schichten  zu  unterscheiden.  Solche  wie  a/ta,  tt?;, 
Xdd-Qäy  xQViffi  (§  83)  erstarrten  schon  zu  der  Zeit,  als  der  Instr.  noch  nicht 
mit  dem  Dat.  und  Lok.  zusammengeflossen  war,  in  jüngerer  Zeit  anovdfj^ 

^5t  XQ^V  ^-  *• 

188:  Die  Formen  auf  -y'j  "9*^  fungierten  bei  Homer  gewöhnlich 
als  Instr.,  z.  B.  n  826  iidiiaaae  ßifjfpiv,  als  Lok.,  z.  B.  K  496  xaxov  ydq 
ovttQ  xsipaXrjifiv  inätrzrj^  und  als  Abi.,  z.  B.  B  794  onniyis  vav(piv  difoq- 
HTld'sUv  'Axcnoi,  Nur  ausnahmsweise  erscheinen  sie  auch  als  Dat.,  B  363 
(aq  y>qijTQT]  ^^jtQjjfpiv  dQr^yr]^  und  als  Gen.,  <P  295  ttqIv  xatd  ^iXi6(pi 
xXwd  xeCx^ct  Xaov  iäXaai  TQmxiv.    Vermutlich  hat  man,  urteilt  Delbrück, 


ij  Zur  Bezeichnung  der  Zeit  eines  Vor- 
ganges verwendete  das  Griechische  also  den 
Akk.,  den  Gen.,  den  Lok.  und  den  Instr. 
Die  Unterscheidung,  die  Gaedickk  a.  0.  178 
fOr  das  Altindische  macht,  wo  wir  dieselbe 
Mannigfaltigkeit  finden,  kann  für  das  Grie- 
chische mit  gelten :  «Der  Akkusativ  von  Zeit- 
begriffen besagt,  dass  der  Vorgang  während 


ihrer  Dauer,  der  Genitiv,  dasa  er  während 
eines  Teils  derselben,  der  Lokativ,  dass  er 
zwischen  ihren  Grenzen,  der  Instrumental, 
dass  er  mit  ihrem  Eintritt  und  Verlauf  statt- 
findet." Allerdings  bewahrte  der  Gen.,  wie 
wir  §  182  sahen,  diese  ursprüngliche  besondere 
Funktion  nicht. 


14 


212  A.  Griechische  Grammatik,    d)  Syntax. 

S.  F.  4,  61,  an  diesen  Stellen  eine  nicht  berechtigte  Ausdehnung  des  ur- 
sprünglichen Gebrauches  dieses  Suffixes  anzunehmen,  welches,  wie  die  Be- 
ziehung desselben  auf  Sing,  und  Plur.  zugleich  zeigt,  schon  fUr  homerische 
Dichter  eine  Antiquität  war,  bei  deren  Verwendung  ihr  eigenes  Sprach- 
gefühl sie  nicht  mehr  ganz  sicher  leitete.'  Diese  Ausdehnung  konnte  leicht 
erfolgen,  weil  man  die  9^1-Formen  einerseits  als  Instrumentale  mit  den 
Formen  wie  iTtmpj  x^Q^  etc.  assoziierte,  die  neben  der  instrumentalen  auch 
dativische  Bedeutung  hatten,  anderseits  als  Ablative  mit  den  Formen 
wie  iTiTiovy  xd^aq  etc.,  die  neben  der  ablativischen  Funktion  auch  geniti- 
vische hatten  (vgl.  den  Gebrauch  der  ablativischen  Formen  auf  -d-Bv  wie 
ifiä&€v  als  Gen.,  §  181).  Adverbial  erstarrt  waren  ivvrj(pi  und  hxqiifi-g. 
Vgl.  §  92. 

Das  Adjektiv. 

189.  Zwischen  Subst.  und  Adj.  (Part.)  ist  eine  scharfe  Grenze  nicht 
zu  ziehen.  In  jeder  Periode  des  Griechischen  (wie  auch  der  andern  idg. 
Sprachen)  finden  wir,  dass  man  Adjektive  zu  Substantiven  machte  und 
umgekehrt. 

Substantivierung  erfolgte  öfters  in  der  Weise,  dass  in  den  Bedeutungs- 
inhalt des  Adjektivs  die  Vorstellung  eines  Dinges  aufgenommen  wurde, 
dessen  Attribut  das  Adjektiv  besonders  häufig  war,  z.  B.  rj  de^id^  sc.  x«/^, 
1;  TQiT^Qfjg  und  r}  nQVfivrj^  sc.  vavg,  rj  avXsioq^  sc.  x^vQa.  Gewöhnlich  fand 
die  Bereicherung  des  Bedeutungsinhaltes  in  der  Weise  statt,  dass  die  ganz 
allgemeinen  Vorstellungen  einer  Person  oder  einer  Sache  mit  aufgenommen 
wurden,  z.  B.  0*  ayad-oi,  %6  xaXov.  Adjektivierung  war  teils  die  Folge 
davon,  dass  sich  ein  Subst.  konkreter  Bedeutung  einem  andern  attributiv 
beigesellte,  wobei  man  für  das  eine  Substantiv  von  der  Vorstellung  einer 
Substanz  absah,  sodass  nur  die  der  Substanz  anhaftenden  Qualitäten  vor- 
gestellt wurden  {ävrJQ  aTqarrjyog,  d-vyarrjq  nccQd-evog,  Kühner  IP  232  f.), 
teils  davon,  dass  ein  abstraktes  Substantivum  mit  einem  Konkretum  attri- 
butive Verbindung  einging,  wie  oXed-Qog  Maxsdciv,  oXsO'Qog  yQaiifiazevg^ 
ovofia  ip€vdog  xccl  dXrj&eg,  igyov  fiäya  (ursprünglich  „ein  Werk,  das  eine 
Grösse  ist",  s.  §  71,  1  S.  105).  Hierher  gehören  namentlich  die  Adjektive  wie 
^oioääxTvXog  und  XQ^^^^^M^  (zp^'O'oxojui;) ,  worüber  §  105.  Vgl.  Paul, 
Princ.«  302  flf.,  Vf.  K.  Z.  24,  34  ff.,  M.  ü.  2,  175.  232,  Osthofp,  V.  i.  d. 
Nc.  128.  263  flf.,  M.  U.  4,  101  f.,  Schröder,  Über  die  formelle  Unter- 
scheidung der  Redeteile  197,  Delbrück  S.  F.  4,  6  ff.  65  f. 

Am  meisten  waren  die  Adjektiva  durch  die  Wandelbarkeit  nach  dem 
Genus  und  durch  die  Bildung  von  Komparationsformen  gekennzeichnet. 
Doch  kamen  diese  beide  auch  bei  Substantiva  vor,  z.  B.  x^eog  O^ea  wie  xaXog 
xaXtj,  und  xvi*T€Qog,  ßaaihsvxsQog  wie  (ofioregog.  Also  selbst  hier  war  die 
Grenzlinie  zwischen  beiden  Redeteilen  verwischt. 

Häufig  wurde  ein  Adjektiv  so  neben  das  Verbum  gestellt,  dass  wir 
geneigt  sind,  es  als  Ergänzung  des  Verbums  anzusehen  und  demnach  ad- 
verbiell  zu  übersetzen,  wie  P  361  rot  i*  ayxi^stivoi  ^nintov^  B  2  evdov 
navvvxiot  (Kühner  II ^  234  f.).  In  Wirklichkeit  gehörte  das  Adjektivum 
als   nähere  Bestimmung  zu  dem  mit    dem   Verbum   verbundenen  Kasus. 


2.  Das  Nomen.  (§  189.)    3.  Das  Pronomen.  (§190-191.)  213 

Dieser  Gebrauch  findet  sich  auch  im  Indischen  (Delbbübk,  S.  F.  5,  78  f.), 
Lateinischen  u.  s.  w.  und  kann  als  uridg.  gelten. 

3.  Das  Pronomen. 

190.  Personal-  und  Reflexivpronomen.  Die  Nominative  iyto^  av^ 
TjfAeTgy  vfAsTg  wurden  gewöhnlich  nur  des  Nachdrucks  oder  der  Deutlichkeit 
halber  gesetzt.  (Xv  als  Vokativ  beim  Imperativ  oft  weniger,  um  der  an- 
geredeten Person  bemerklich  zu  machen,  dass  man  gerade  sie  meine,  als 
um  die  Aufforderung  selbst  dringlicher  zu  machen,  sie  ans  Herz  zu  legen 
(daher  bildet  dieser  Gebrauch  ein  Analogon  zu  dem  dativus  ethicus  in  Be- 
hauptungssätzen, s.  §  185),  z.  B.  yi  131  C^YQ^h  ^Ä%(täoq  viäj  av  d'  ä^ta 
dä^M  anaiva;  in  derselben  Weise  wurde  ai.  tu  gebraucht,  das  geradezu 
Partikel  wurde  (Delbrück,  S.  F.  5,  517  f.). 

Der  Unterschied  zwischen  betonten  und  enklitischen  Formen  stammte 
aus  der  idg.  Ursprache  (§  68)  und  ebendaher  auch  die  mit  ihm  verbundene 
Funktionsdifferenz. 

Der  Reflexivstamm  /?f-,  i-  =  ai.  sva-,  dem  sich  auf  griechischem 
Boden  das  wahrscheinlich  in  Anknüpfung  an  o'-^i'(v)  entsprungene  cr^c- 
(§97)  in  gleicher  Bedeutung  zugesellte,  bezog  sich  ursprünglich  ebenso 
gut  auf  die  1.  und  2.  als  auf  die  3.  Person  (vgl.  das  Ind.  und  Slav.),  und 
von  der  Beziehung  auf  die  1.  oder  2.^ers.  finden  sich  noch  viele  Beispiele 
in  der  historischen  Gräzität,  wie  yi  142  vvv  fikv  drj  ov  natQoq  deixea  ti- 
(T€T€  Xtißrjv  (Aristarch  las  Toi),  Asch.  Ag.  1297  jhoqov  tov  avrr^g  olaO-a 
(MiKLosiCH,  Ber.  d.  kais.  Ak.  d.  Wiss.  zu  Wien  1  (1848),  119  flf.,  Vf. 
Ein  Problem  der  homer.  Textkr.  1876,  Christ,  Rhein.  Mus.  36,  36  f.). 
Über  das  Verhältnis  der  anaphorischen  zur  echt  reflexiven  Bedeutung  der 
Stämme  ^€-,  cry*-  s.  Vf.  a.  0.  83  flf. 

Wenn  der  mit  dem  gen.  possessivus  vergleichbare  Gebrauch  von  ol 
altüberkommen  war  (s.  §  185),  so  hatten  wohl  auch  iioi  und  aoi  ursprüng- 
lich eine  weitere  Anwendungssphäre,  entsprechend  den  ai.  m^,  te,  Delbrück, 
S.  F.  5,  205  möchte  diese  Pronominalbildungen  wegen  ihres  weiteren  Ge- 
brauchs nicht  sowohl  Kasus-,  als  Stammformen  nennen. 

Dem  Reflexivpronomen  stand  im  Gebrauch  das  etymologisch  noch 
nicht  genügend  aufgeklärte  av%6g  nahe,  das  mitunter  geradezu  das  Reflexiv 
ersetzte,  z.  B.  lakon.  (Cauer  D.*  n.  17,  28)  ivixrj  Jainmmv  ivtjßoicug  Innoiq 


ix  rdv  avTw  inTicov. 


191.  Die  Interrogativstämme  no-  (idg.  *qo-)  und  ti-  (idg.  *qi-) 
waren  seit  idg.  Urzeit  sowohl  fragend  (hochbetont)  als  auch  indefinit 
(unbetont).     Vgl.  §  67. 

Das  Neutrum  tl  erscheint  mehrfach  zu  einer  Partikel  erstarrt,  s.  §  201, 1 

Eine  griechische  Neuerung,  die  in  verschiedenen  Dialekten  begegnet, 
war  der  Gebrauch  von  rig  im  Sinne  von  oatig.    S.  §  206. 

Xen.  mem.  II  2,  3  xivag  ow  in 6  tivwv  evQOifiev  av  iiei^oo  eveQ- 
yertj^ävovg  ij  natiag  vno  yoväiov;  u.  dgl.  wie  Numquid  igitur  aliud  in  iu- 
dicium  venit  nisi  uter  utri  insidias  fecerit?  (Cic.  pro  Mil.  11,  31)  und  wie 
lit.  pcusnöczinOj  kür  katrdm  jöti  d.  i.   „idida^e^  nfj  noTCQov  Set  iXdaai'^, 


214  A.  Griechische  Grammatik,    d)  Syntax. 

192.  Die  Entwicklung  des  Demonstrativs  to-  (o,  i;,  to)  zum  sogen, 
bestimmten  Artikel  (vgl.  die  beachtenswerten  Bemerkungen  über  diesen 
Terminus  bei  Fr.  Kern,  Die  deutsche  Satzlehre,  2.  Aufl.,  S.  103  flf.)  gehörte 
dem  Einzclleben  des  Griechischen  an.  Auf  die  Einzelheiten  des  Gebrauches 
auch  nur  mit  Erwähnung  des  wichtigeren  einzugehen,  ist  hier  nicht  mög- 
lich, ich  verweise  beispielshalber  auf  die  neuesten  Behandlungen  des  homer. 
und  des  att.  Artikels  von  A.  Stummer,  Über  den  Artikel  bei  Homer, 
Münnerstadt  1886,  und  Meisterhans,  Gr.*  183  flf. 

In  die  Stelle  von  ro-  als  Demonstrativum  rückte  das  zusammengesetzte 
otitog  (§  94),  doch  wurde  jenes  durch  dieses  in  keinem  Dialekt  ganz  ver- 
drängt (z.  B.  att.  o  da  „dieser  aber"). 

Die  Gobrauchsverschiedenheit  zwischen  ovrog,  oSe  und  xsTvog  ixHvog 

auf  eine  kurze  erschöpfende  Formel  zu  bringen  ist  nicht  möglich,  ovrog 
diente  vorzugsweise  dazu,  auf  vorher  besprochenes  hinzuweisen,  und  als 
demonstratives  Korrelat  zu  Relativpronomina  („derjenige— welcher"),  oäe 
wies  auf  das  hin,  was  man  sinnlich  oder  geistig  gerade  anschaut.  ixsTiog 
ging  meist  auf  ferner  liegendes.  Diese  Pronomina  erscheinen  öfters  neben 
Verben  in  einer  Weise,  dass  wir  geneigt  sind,  sie  als  Ergänzung  des  Vcrbuni 

anzusehen  und  also  adverbiell  zu  übersetzen,  z.  B.  er  239  dg  vvv  V^og 
ix€ivog  in  aifkeiyat  O-vQrfiiv  rjavat  vevard^iov  xsipaXf^^  Thuk.  1,  51  einov^ 
St«  vii€g  ixitvai  ininXhovci,  Soph.  Plj^l.  1173  ri  xoi^  ike^ag;  In  Wirklich- 
keit gehörte  das  Pronomen  zu  dem  mit  dem  Verbum  verbundenen  Kasus, 
und  zwar  wurde  dieser,  wie  das  Fehlen  des  Artikels  in  jüngerer  Zeit  zeigt 
(vgl.  noch  Xen.  an.  IV  7,  5  ov  ydq  ir]  ix  rov  ivavxiov  oQWfjLcv  a  firj  oXiyovg 
Tovvovg  dvd^Qomovg),  als  in  einem  prädikativen  Verhältnis  zum  Demonstrativ- 
pronomen stehend  empfunden. 

193.  Von  dem  Gebrauch  der  Interrogativa  (§  191)  und  des  Stammes 
To-  (§  192)  als  satzverbindender  Pronomina  und  von  den  ausschliesslich 
satzverbindenden  Pronomina  og  „qui**,  orig  handeln  wir  in  §  204  flf. 

4.  Die  Präpositionen. 

194.  Die  Präpositionen  des  Griechischen  hatten  teils  bekannte  Kasus- 
suffixe, z.  B.  x^e^v  §  77,  ofiov,  i^  §  79,  Trfpi,  vnciQ  (aus  *v7i:€qj^),  ivl  §  82 
(Tteg-l  :  ti^q  =  noifiäv-i  :  dofiev),  oder  sogen.  Adverbialsuf&xe,  z.  B.  onia^^ery 
iv'Tog^  teils  waren  sie  ohne  solche  Suffixe,  z.  B.  a/ro,  tiqo,  iv,  welch  letz- 
teres an  sich  ursprüngliche  kasuale  Funktion  nicht  ausschliesst,  vgl.  i;dt), 
dofiev  u.  dgl.  §  175.  Bei  einigen  ist  unklar,  ob  der  Schlusslaut  Kasussuffix 
oder  stammhaftes  Element  war,  z.  B.  ava,  rf*a.  Einem  Teil  der  Präpo- 
sitionen lagen  nominale  (substantivische  oder  adjektivische)  Stämme  zu 
Grunde,  z.  B.  xo^e-v  und  ofiov  (St.  Ojuo-). 

Der  Gebrauch  der  präpositionalen  Ausdrücke  war  in  den  verschiedenen 
Mundarten  und  Litteraturgattungen  und  ihren  verschiedenen  Perioden  ein 
sehr  verschiedener,  was  bei  der  verhältnismässig  jungen  Ausbildung  vieler 
präpositionaler  Wendungen  nicht  verwundem  kann.  Vgl.  u.  a.  Tycho 
MoMMSEN,  Beiträge  zu  der  Lehre  von  den  griech.  Präpositionen,  1.  Heft  1887. 

195.  Echte  Präpositionen  nennt  man  solche  Adverbien,    die  ihrer 


8.  Das  Pronomen.  (§  192-193.)    4.  Die  Präpositionen.  (§  194-195.)        215 


ursprünglichen  Bedeutung  nach  dazu  dienten,  die  Richtung  der  durch  das 
Verbum  ausgedrückten  Thätigkeit  näher  zu  bestimmen,  und  die  Fähigkeit 
hatten,  wenn  zum  Verbum  ein  (lokaler)  Kasus  hinzutrat,  Begleitwort  von 
diesem  zu  werden.  Die  meisten  derselben  konnten  auch  mit  der  Yerbal- 
form  zu  einer  Einheit  verschmelzen. 

In  vecic  ßaivei  ano  „vom  Schiffe  (Abi.)  geht  er  weg"  war  ano  Adverb. 
In  vsiiig  ano  und  anoveayq  [ano  vedq)  ßaivei  war  es  nominales  Begleitwort. 
Die  Präpositionen  standen  ursprünglich  nach  dem  Kasus,  zu  dem  sie  ein 
engeres  Verhältnis  hatten.  Nur  verhältnismässig  selten  behielt  das  Grie- 
chische diese  Stellung  bei,  in  welchem  Falle  die  Präposition  auch  ihren 
alten  Accent  bewahrte,  vewg  ano,  tovtov  nsQi  u.  s.  w.  (vgl.  ai.  dpa,  pari). 
Gewöhnlich  setzte  man  die  Präposition  proklitisch  voraus  (s.  §  66,  S.  83),  eine 
Stellung,  welche  die  adnominale  Präposition  vorher  nur  im  Kompositum 
gehabt  hatte,  wo  ihr  diese  Stellung  als  dem  bestimmenden  Gliede  zukam, 
wie  iy^xäifaXog  naQa^xtaXatrtnog  (§  103,  S.  141). 

In  dnoßaivei  vedg  war  die  Präp.  verbales  Begleitwort.  Bei  Homer 
erscheint  die  Präposition  häufiger,  als  später,  noch  als  selbständiges  Wort 
(sogen.  Tmesis),  und  zwar  ging  sie  in  diesem  Fall  gewöhnlich  voraus,  wie 
A  346  ex  cf'  ayaye  xXicirfi^  0  108  ovq  no%*  an*  Aiveiav  eXofirjv;  hinter 
dem  Verbum  erscheint  sie  z.  B.  B  699  rore  6'  r^itj  ^x**'  xdra  yaTa 
fuXaiva,  €  196  vvfA(frj  i^  ri&ei  ndqa  näaav  eioydrjv.  Wahrscheinlich  hatte 
die  Präposition  nicht  bloss  in  dem  letzteren  Fall,  sondern  auch,  wenn  sie 
vorausstand,  ihre  ursprüngliche  Eigenbetonung  (?f,  ano  etc.),  vgl.  iv'&eg, 
sx'ßalov:  die  Alexandriner,  die  die  Tonzeichen  in  die  älteren  Dichtertexte 
einführten,  übertrugen  einen  Betonungsunterschied  fälschlicher  Weise  aufs 
Verbum  {ano  ßaivwy  ßaivta  ano),  der  nur  beim  Nomen  bestand  [ano  vedg^ 
vamq  ano).  Vgl.  hierzu  J.  Kühl,  Die  Bedeutung  des  Accents  im  Homer, 
Jülich  1883.  Im  Attischen  war  die  unmittelbare  Verbindung  der  Präpo- 
sition mit  nachfolgendem  Verbum  {dnoßaivco)  in  der  gewöhnlichen  Prosa- 
rede schon  im  Beginn  der  Überlieferung  Regel  (vgl.  Kühner  II*  467),  es 
war  also  der  auch  schon  bei  Homer  vorliegende  Verbindungstypus  dnoßa{v<o 
verallgemeinert  worden,  hauptsächlich  wohl  aus  Deutlichkeitsrücksichten. 
Der  Verbreitung  dieses  Zusammensetzungstypus  war  bereits  in  urgriechischer 
Zeit  durch  zweierlei  vorgearbeitet.  Einerseits  dadurch,  dass  schon  zu  der 
Zeit,  als  das  Verbum  finitum  noch  enklitisch  war,  dieses  sich  gerne  gerade 
den  Präpositionaladverbien  anhängte  (vgl.  §  67  S.  85).  Anderseits  dadurch, 
dass  die  Präpositionen  mit  den  Verbalnomina  bereits  seit  uridg.  Zeit  Kom- 
posita bildeten,  [vgl.  z.  B.  ini-d^srog  vno-d-exog  =  ai.  dpi-hita-s  üpa-hita-s 
(§  103);  wobei  freilich  nicht  zu  übersehen  ist,  dass  die  engere  Angliederung 
der  meisten  Verbalnomina  an  die  Gebrauchsweisen  des  Verbum  finitum 
auch  dazu  führte,  dass  man  Sätze  bildete  wie  A  67  ai  xsv  mag  dgvwv 
xvlcqg  aiywv  tb  tekeicav  ßovXexai  dvTidffag  rjfjiTv  ano  Xoiyov  d/AVvai,  i  17 
iyd  6*  av  Ineita^  g>vy(ov  vno  vrjle^g  rjficcQ,  vfxtv  ^sTvog  fco  (nur  hier  also 
kann  der  Ausdruck  %iA^aig  mit  einem  gewissen  Rechte  gebraucht  werden),^) 


')  Im  Altindiscben  kommt  die  Trennung 
der  Präposition  von  einem  Verbalnomen  nur 
ganz  selten  vor  (Whitney,  Altind.  Gramm. 


S.  377).  Ich  nehme  an,  dass  diese  Trennung 
in  beiden  Sprachgebieten  unabhängig  von 
einander  sich  vollzog. 


216  A.  Griechische  Grammatik,    d)  Syntax« 

eine  Neuerung,  welche  die  Zahl  der  assoziativen  Einfiuss  übenden  zusammen- 
gesetzten Yerbalnomina  bedeutend  einschränkte. 

Häufig  wurde  die  Präposition  dem  Nomen  und  dem  Verbum  zugleich 
beigegeben :  anoßaivBi  ano  vewq.  Diese  Ausdrucksweise  wurde  möglich,  als 
die  Präposition  mit  dem  Verbum  völlig  verwachsen  war. 

Durch  die  Verbindung  von  Präpositionen  mit  Verben  wurde  der  Sinn 
der  letzteren  in  verschiedenen  Beziehungen  verändert.  Ich  hebe  zweierlei 
hervor.  Erstlich,  dass  der  imperfektive  Sinn  durch  Präpositionen  in  einen 
perfektiven  verwandelt  werden  konnte,  z.  B.  ccTteifu  (§  154  Anm.  S.  179, 
§  156  S.  182).  Zweitens,  dass  das  Verbum  zuweilen  in  der  Zusammen- 
setzung mit  der  Präposition  eine  allgemeinere  Bedeutung  bekam,  die  es 
ermöglichte,  dass  man  es  auch  mit  solchen  Präpositionen  verband,  die  mit 
dem  Sinn  des  einfachen  Verbums  nicht  harmonierten:  so  schuf  man  nach 
(TV'^evYrvvai  „zusammenjochen,  zusammenthun"  ein  dia-l^evyvvvai  „aus- 
einanderthun,  trennen"  (vgl.  lat.  con-jungere  :  dis-jungere), 

196.  Die  echten  Präpositionen  verbanden  sich  mit  den  Kasus,  wo 
diese  räumliche  Bedeutung  hatten.  Mit  Lok. :  ev  vdcni.  Mit  Abi. :  e^ 
olxiag.  Mit  Instr. :  avv  haiQOK  Mit  dem  Akk.  „des  Ziels",  iv  {elg)  olxiav, 
und  dem  „der  Erstreckung",  dt'd  SdüfAUj  ävd  naaav  tijv -  ijfiäQuv  (§  178). 
Den  echten  Dat.  (§  185)  haben  wir  wahrscheinlich  bei  im  anzuerkennen 
in  Wendungen  wie  M  293  (OQifev  in  ^AgysCoKt^^  Soph.  El.  85  ravra  ydq 
(f€Q€i  vtxTjv  i(p  rjfAiv;  in  andern  Fällen  ist  bei  im  lokativischer  Dativ  an- 
zunehmen, die  Grenze  ist  aber  nicht  scharf  zu  ziehen.  Mit  dem  lokalen 
echten  Gen.  (§  182)  verbanden  sich  ini^  negly  (isxd,  z.  B.  in  rineCgov  „zu 
Lande",  «  68  Texdvvato  nsQl  aneiovg  (Delbrück,  S.  F.  4,  130  flF.).  Alle 
diese  Verbindungen  mit  Ausnahme  derjenigen  mit  dem  echten  Dativ  und 
dem  echten  Qen.  scheinen  aus  vorgriechischer  Zeit  zu  stammen. 

In  vielen  Fällen  wurde  die  Präposition  im  Laufe  der  historischen 
Gräzität  zu  einer  notwendigen  Stütze  des  Kasus,  z.  B.  att.  x(üQeTv  eig 
{nQog^  ini)  Tonov,  nicht  mehr  bloss  tonov.  Man  darf  annehmen,  dass  das 
Streben  nach  Deutlichkeit  (der  präpositionslose  Kasus  war  leicht  Misver- 
ständnissen  ausgesetzt)  hier  in  derselben  Weise  zur  Verallgemeinerung  der 
präpositionalen  Ausdrucksweise  beigetragen  habe,  wie  es  beim  potentialen 
Optativ  die  Verwendung  der  Partikel  av  zur  stehenden  Gewohnheit  wer- 
den liess. 

197.  Eine  besondere  Stelle  unter  den  echten  Präpositionen  nimmt 
das  (vielleicht  erst  nachhomerische,  s.  die  Erklärer  zu  q  218)  dg  mit  Per- 
sonenbenennungen im  Akk.  ein:  nifinstv  dg  ßaailäa.  Es  war  möglicher- 
weise identisch  mit  der  eine  Absicht  andeutenden  Partikel  dg  „ut"  (beim 
part.  fut.,  vgl.  auch  dg  ngig,  dg  etg,  dg  int,  z.  B.  Soph.  Phil.  58  nkcTg 
d*dg  nqog  oixov)  und  wurde  dann  zu  einer  Zeit  Präposition,  als  der  Akk. 
zur  Bezeichnung  des  Zieles  einer  Bewegung  noch  keiner  präpositionalen 
Stütze  bedurfte.  Deecke,  Programm  von  Buchsweiler  1887  S.  30  möchte 
dagegen  o)g  mit  oy-de  „hierher"  verbinden,  wonach  es  ursprünglich  unserm 
„hin"  („er  ging  hin  zum  König")  entsprochen  hätte.  Man  hätte  dann  dg 
wohl  als  alten  Ablativ  anzusehen,  wie  auch  unser  hin  in  älterer  Zeit  (ahd. 


4.  Die  PräpoBitionen.  (§  196-198.)  217 

hma,  mhd.  hine,  hin)  nur  „hinweg,  weg  von  hier"  bedeutet  hatte.    Verbales 
Begleitwort  ist  dg  nicht  geworden. 

198.  Unechte  Präpositionen  nenne  ich  solche  Präpositionen,  deren 
Nomen  von  Anfang  an  von  ihnen  abhing  in  der  Weise  unseres  infolge 
dieses  ereignisses.  Meist  stand  das  Nomen  im  adnominalen  Qen.  (§  182), 
z.  B.  bei 

X^^j  ifxfjv^  Akk.  zu  x^^^j  <^""?; 

^xtjt^  und  ?v€xa  aus  *€V'p€xa  von  W.  pex-  =  ai.  voi-  »wünschen, 
wollen*  (vgl.  Osthoff,  Z.  Q.  d.  P.  334,  W.  Schulze,  Quaest.  hora.  50  sqq.); 
zur  Form  ovvexa  s.  §  65,  7; 

äol.  dor.  arkad.  nedd  »mit",  das  instr.  sg.  von  neö-  »Fuss"  war  und 
ursprünglich  »mit  dem  Fusse  jemandes,  unmittelbar  hinter  jem."  bedeutet 
hatte  und  mit  fjifrd  gleichbedeutend  wurde,  dem  es  Terrain  abgewann  (vgl. 
auch  die  Kontaminationsform  netd  in  dem  koischen  neTaycfrviog,  s.  Osthoff 
a.  0.  574); 

dvTij  dessen  ursprüngliche  Bedeutung  »angesichts,  gegenüber,  vor** 
im  Gortyn.,  Delph.,  vereinzelt  auch  im  Att.  (Meisterhans,  Gr.*  173)  erhalten 
war  :  ai.  dnti  adv.  »gegenüber,  davor,  angesichts,  in  Gegenwart*,  lat.  ante; 

dfji^\  zu  afJi(f(o; 

cf*a,  zu  A-$. 

Im  Dat.  stand  das  Nomen  z.  B.  bei  ivavxiov^  wie  ivavxiov  T(p  oqxo} 
»contra  fidem*,  vgl.  ivavtioq  rm,  ivavriovfxai  rivi. 

Das  wesentliche  Kriterium  für  die  unechten  Präpositionen  ist  also, 
dass  sie  syntaktisch  isolierte  Kasusformen  oder  Adverbien  waren,  welche 
in  einem  andern  Kasus  ihre  notwendige  Ergänzung  hatten  und  zwar  so, 
dass  die  Verknüpfungsart  nicht  mehr  in  klar  empfundener  Analogie  zu 
einer  nominalen  oder,  sofern  der  regierende  Kasus  partizipialer  Natur  war, 
verbalen  Konstruktion  stand.  Dalier  haben  z.  B.  auch  ofiov  und  /*<>«, 
jMiycfa,  (fvfifxiya  mit  dem  Dat.  (Instr.)  als  unechte  Präp.  zu  gelten,  wenn 
sie  nicht  adverbial  zum  soziativen  Instrumental  hinzutraten  (wie  am% 
sondern  dieser  sich  ihnen  in  gleicher  Weise  wie  z.  B.  dem  Adjektiv  xwvög 
(xoivai  ddeXiffli  ^vfjKfogai)  und  den  Verba  ofiikstvj  fÄiyvvvai,  xoivovv  u.  s.  w. 
(§  187)  beigesellte.  Ebenso  war  ixdg  (aus  *<r/?«-xa$,  s.  Hartuno,  Über 
die  Casus  1831  S.  169,  Vf.  M.  U.  3,  68)  unechte  Präposition  z.  B.  in  f  8 
€l(T€v  di  2x€Qnj  ixdg  dvSQwv^  wo  der  ablativische  Genitiv  nur  von  ixdg 
abhing,  während  es  z.  B.  in  q  73  Trjkefiaxog  ^eivoio  ixdg  rqdnsTo  adverbial 
neben  den  zunächst  von  TQdnero  abhängigen  ablativischen  Gen.  gestellt  war 
(vgl.  2  138  Tcdhv  TQancd^*  vfog  i^og). 

Der  Übergang  vom  Nomen  und  Adverbium  zur  unechten  Präposition 
ist  überall  naturgemäss  ein  allmählicher,  und  wie  es  bei  uns  Ausdrücke 
gibt,  die  auf  der  Grenze  stehen,  z.  B.  in  folge  (infolge)  von,  an  stelle 
{anstelle)  von,  so  gab  es  deren  auch  im  Griechischen,  z.  B.  ivavriov  mit 
gen.  und  dat.  neben  ivai^to-g  mit  denselben  Kasus.  Anderseits  ist  auch 
zwischen  echten  und  unechten  Präpositionen  keine  feste  Scheide.  Es  war 
natürlich,  dass  sich  die  unechten  mit  bedeutungsverwandten  echten  im  Sprach- 
gefühl mischten.  Die  Folge  war,  dass  man  sie  nach  der  Analogie  der  echten 
mit  andern  Kasus  verband  als  denen,   die  zuerst  bei  ihnen  allein  möglich 


218  A.  GrieohiBche  Grammatik,    d)  S3mtaz. 

gewesen  waren.     So  wurde  z.  B.  nach  der  Analogie   von  riffl  nohv  auch 
aixifi  noXiv  gebildet. 

Wörter,  die  als  unechte  Präpositionen  fungierten,  konnten  sich,  wenn 
ihre  Bedeutung  es  mit  sich  brachte,  ebenso  gut  mit  Verba  zu  einem  Kom- 
positum verbinden  wie  echte  Präpositionen,  z.  B.  ävti-didwfii  (vgl.  Grass- 
mann, K.  Z.  23,  561). 

199.  Die  Zusammenrückung  mehrerer  Präpositionen  (wie  vnlx^ 
aiiifineqi^  arkad.  in-kq)^  war  sehr  alt.  Ursprünglich,  als  die  Präpositionen  noch 
selbständige  Adverbia  waren,  herrschte  in  der  Verbindung  der  verschiedenen 
Adverbia  grosse  Freiheit,  und  nun  gingen  solche  Adverbia,  die  in  engerer 
innerer  Beziehung  zu  einander  standen  und  besonders  oft  neben  einander 
vorkamen,  eine  nähere  Verbindung  ein.  In  der  Dichtersprache  und  bei 
Herodot  erscheinen  solche  Verbindungen  sowohl  als  verbale  wie  auch  als 
nominale  Begleitwörter,  z.  B.  0  243  vnsxifvytsiv^  <I>  604  vnexnQod-äeiv, 
N  89  ifsv^söx^ai  vnhx^  xaxoVy  im  Attischen  nur  als  verbale,  z.  B.  ävtt- 
naqatOTTsad'air, 

Manchmal  erscheinen,  äusserlich  genommen,  mehrere  Präpositionen 
vor  einem  Verbum,  aber  die  dem  Verbum  unmittelbar  vorhergehende  wurde 
so  wenig  mehr  als  Präposition  empfunden,  dass  sie  mit  ihm  ein  neues 
Simplex  darstellte  und  der  Vortritt  einer  andern  Präposition  in  derselben 
Weise  erfolgte  wie  bei  den  wirklichen  Simplicia,  z.  B.  cvfi-Tnä^w  (nu^ta 
aus  *(i)ni^ei'^  s.  §  200  unter  inl),  Aristoph.  equ.  893  ncQi-r^fjiTtKrxfv. 

200.  Da  eine  Darstellung  des  Gebrauchs  der  einzelnen  Präpositionen 
im  Rahmen  dieser  Grammatik  nicht  möglich  ist,  so  beschränken  wir  uns 
darauf,  diejenigen  Präp.  namhaft  zu  machen,  die  sich  auch  in  andern 
Sprachen  als  Präp.  vorfinden  und  von  denen  allermeistens  angenommen 
werden  darf,  dass  sie  bereits  als  fertige  Präpositionen  in  die  speziell 
griechische  Entwicklungsperiode  hereinkamen. 

äfji(pC :  lat.  amh'itt^s, 

ävdilsA.  aiP-hBlare,  got.  ana  „an,  auf,  in^.  Lesb.  thess.  kypr.  ov. 
Ob  in  ov  sich  a  vor  v  verdumpft  hatte,  wie  wir  §  27,  der  vulgaten  An- 
sicht folgend,  angenommen  haben,  ist  freilich  nicht  ganz  sicher:  es  kann 
auch  an  ein  altes  Ablautverhältnis  gedacht  werden. 

av€v  (el.  avev-g  vgl.  fxäxQ^  noXkaxi^q^  epidaur.  avev-v  vgl.  nokXdxi-v^ 
dor.  avig  wohl  nach  x^Q'^)i  stand  im  Zusammenhang  mit  av-  „un-*  und 
got.  inu  ahd.  ano  „ohne^  aksl.  vünu  „hinaus''.  Die  erste  Silbe  mit  Ablaut. 
Des  iivev  Grundform  mag  *^ne^  gewesen  sein.  Vgl.  J.  Baünack,  Stud.  1, 
271  (der  die  Formen  der  andern  Sprachen  zu  wenig  berücksichtigt),  Dar- 
BisHiRE,  Notes  on  the  Spir.  asp.  9. 

avTi  :  lat.  ante.  Ai.  dnti  (vgl.  §  198)  wurde  erst  in  späterer  Zeit 
Präposition. 

ano  :  ai.  dpa  „ab,  weg*,  lat.  ab. 

a-T6Q  :  as.  sun-dir  „ausser,  ohne" ,  vgl.  ätaq  §  201  S.  221.  Der  Spir.  lenis 
statt  des  asper  durch  Einfluss  des  bedeutungs verwandten  ai'«t;?  Nicht  wahr- 
scheinlich ist  mir  Darbishire's  (a.  0.  10)  Verknüpfung  von  otsq  mit  got. 
an-par  „der  andere". 


4.  Die  Präpositionen.  (§  199-200.)  219 

Sv  :  lat.  en  in,  svl  betrachtet  Baunack,  Qortyn  23  wohl  mit  Recht 
als  eine  griech.  Neubildung  nach  tt«^«,  nQoti;  *ivi,  woraus  «*>',  wie  *7i€Qjit 
*nQotk  (vgl.  §  64,  5).  ivg  {elg,  ig)  wai'  griech.  Neubildung  nach  dem  Oppo- 
situm  i^  (Vf.  Ber.  d.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  1883  S.  181  flf.),  vgl.  §  54.  55. 
56;  die  ältere,  wieder  von  Prellwitz,  De  dial.  Thess.  47  verfochtene  An- 
sicht, dass  *€v-(r€  zu  Gründe  gelegen  habe,  ist  unhaltbar.  Mit  Rücksicht 
auf  lit.  in  i  „in*,  das  auf  *^  weist,  vermutet  Solmsen,  K.  Z.  29,  97  in 
dem  d  -von  ä-xovtay  ä-anaiQWj  d-tfxaQi^w  u.  dgl.  die  schwache  Form  zu  «r. 

«J  :  lat.  ex.  Die  Form  ex  kann  überall  aus  urgriech.  «?  hervor- 
gegangen sein  (§  59  S.  71,  §  64  S.  77). 

€711  :  ai.  dpi  „auf,  in",  lat.  ob  op-erio.  Daneben  m-  =  ai.  i>*  in  m- 
e^w  =  *m'(f€(fd(o  (W.  sed-),  sowie  in  mil.  Hi-xQdtrjg^  böot.  üi-vixrfi,  falls 
man  annehmen  darf,  dass  diese  Formen  zu  den  Musterformen  gehörten, 
von  denen  die  bei  den  Eigennamen  so  häufige  Aphärese  (J.  Baunack,  Rh. 
Mus.  37,  477,  Studia  Nicolaitana  1884  S.  34.  48)  ihren  Ausgang  nahm. 

xttxd  :  kymr.  cant,  ir.  cEt  „längs,  bei,  mit",  gemeinsame  Grundf.  *A;^/a 
(ZiMMEB,  Kelt.  Stud.  1,  112  f.,  Windisch,  K.  Z.  27,  223).  Arkad.  xatv 
war  nach  dnv  (aus  dno)  gebildet. 

lisrd  :  got.  mift  ahd.  mit  „mit",  urgerm.  "^midi  aus  *meU,  Minder 
sicher  ist  Zusammenhang  mit  ai.  smdt  av.  maji  „zusammen,  mit,  sammt", 
weil  für  das  Urarische  vielleicht  '*(s)niad  anzusetzen  ist.  Das  ai.  s-  würde 
keine  Schwierigkeit  bereiten,  weil  es  nach  §  65,  3  erlaubt  wäre,  für  die  uridg. 
Zeit  eine  Doppelform,  mit  sm-  und  mit  tir-,  anzusetzen. 

naqd  wohl  nicht  zu  ai.  pdra  „weg,  fort,  hin",  dessen  -a  nicht  mit  dem 
gr.  -a  identifiziert  werden  kann,  sondern  zu  lat  por-,  das  mit  naqd  auf 
^p^r-a  (instr.  von  *per-)  zurückgeführt  werden  kann.  Dazu  wohl  als  Dat. 
sg.  nttQtti  lat.  prae,  als  Gen.- Abi.  sg.  ndqog  ai.  purds.  Vgl.  Stolz,  Archiv 
f.  lat.  Lexikogr.  2,  497  flf. 

TtfQi  :  ai  pari  „rings,  umher,  um",  vgl.  §  54.  56.  64,  5. 

Pamphyl.  ttsqz  in  n€Q%tdwx€  ist  wohl  mit  umbr.  osk.  -pert  (z.  B. 
osk.  petiro-pert  „quater"),  lat.  sem-per,  tantis-per,  wozu  Bücheleb,  Lexicon 
Ital.  p.  XXI  auch  lat.  perti-ca  stellt,  zu  verbinden. 

noTi,  ark.  kypr.  nog  :  av.  paiti  „gegen,  an,  auf."     Vgl.  §  64,  5. 

TtQo  :  ai.  prd  „vorwärts,  voran". 

tiqotI  nQog :  ai.  prdti  „gegen,  entgegen,  angesichts,  nach,  zu".  Vgl.  §  38. 
64,  5.  Die  kretische  Form  noQTi\  die  fünfmal  auf  der  grossen  gortyn.  In- 
schrift erscheint,  wird  durch  den  Hinweis  auf  gelegentliche  Metathesen 
wie  'AipoQdixa  (Cauer,  D.^  n.  121  A  27)  neben  'A^Qodka  (auf  der  Beromann'- 
schen  Inschr.  Z.  79)  nicht  genügend  erklärt.  Entweder  war  es  eine  Kon- 
taminationbildung, bei  der  nsQrf  beteiligt  war  (vgl.  koisch  neta-yeiTviog 
aus  Tieid  und  iJte%d\  oder  es  war  eine  alte  Nebenform  von  neqxi  (s.  o. 
TiBqfi),  zu  dem  sie  im  Ablautverhältnis  stand.  So  fällt  auch  Licht  auf 
das  Nebeneinander  von  nqoaa(a  nQoaia  (aus  "^nQotfia))  und  noQfSw  noqQw 
(nofjafo  aus  *noQTi(o  wie  (fäQovaa  aus  *tfi€QovTia,  §  38). 

Kypr.  pamph.  v-,  erweitert  vp^ig  (Ahrens,  Philol.  35,  38  flf.,  Deecke, 
Bezz.  B.  8,  149  f.,  J.  Baunack,  Stud.  1,  16  ff.),  und  vg-  in  vtr^nXr^^,  va-xQixeg 
(Curtius,  G.^  228,  Neckel,  De  nominibus  Graecis  compp.  1882  p.  28  sq.)  : 


220 


A.  Grieohische  Grammatik,    d)  S3mtax. 


ai.  lid  „empor, hinauf,  hinaus**,  av.  ns  aus  *ud+s  „empor,  hinauf,  hinaus/ 
Ansprechend  stellt  Bugoe,  Bezz.  B.  14,  63  hierher  auch  vßQig  als  v-ßg^-g,  zu 
ßQiaQo-g,  Dasselbe  Adverb  in  va-rcQQ-g,  *ud-\-s  (vgl.  ««//,  ^f  u.  dgl.)  kann  aus 
Scr-TrAijf  nicht  sicher  erschlossen  werden,  da  -g  vor  t-,  &-  in  vorgriech.  Zeit 
aus  'd  entstanden  und  von  da  ein  vg-  analogisch  weitergetragen  sein  kann. 
vTi^Q  vnslq  (§  54.  56.  64,  5)  :  ai.  upäri  »über**,  lat.  s-uper, 
V7i6  :  ai.  üpa  „von  unten  heran,  herzu,  herbei**  (Delbrück,  S.  F.  5, 
453  flf.),  lat.  S'Ub.  El.  lesb.  vnä  war  wahrscheinlich  nach  ora,  xard  u.  dgl. 
neu  gebildet  worden  (Q.  Meter,  Gr.  Gr.*  33). 

Minder  sicher,  jedoch  immerhin  wahrscheinlich  ist  der  Zusammenhang 
von  w-  in  'Q^xeavog  (§  70,  7),  w-ipeXhw^  ^'Q^yi^j  w-Qvofxm  u.  a.  mit  ai.  d  „an, 
heran**  (von  Fierlinger,  K.  Z.  27,  477  f.,  Moülton,  Amer.  Joum.  of  Phil. 
8,  209).  0 

Anmerkung.  Lautlich  nicht  zu  vereinigen  sind  Ivv,  avr  mifc  lat.  com-  cum^  osk. 
umbr.  com,  zu  denen  xoiyos  gehörte  (§  30  und  Östhoff,  Z.  G.  d.  P.  507). 


5.  Die  Partikeln. 


201.  Wie  zwischen  Präposition  und  Adverbium,  so  war  auch  zwischen 
den  Partikeln  einerseits  und  anderseits  den  Adverbien  und  gewissen  Verbal- 
formen keine  feste  Grenze.  Es  gab  in  altgriechischer  Zeit,  wie  anderwärts, 
Adverbia,  die  im  Übergang  zur  Verwendung  als  Partikel  begriffen  waren, 
und  so  hängt  es  oft  von  der  subjektiven  Empfindung  ab,  als  was  man 
das  Wort  will  gelten  lassen;  so  standen  z.  B.  iffcog^  ^^X^9  alXwg^  Sfxa  auf 
der  Grenze.  In  gleicher  Weise  war  der  Imperativ  ay«  schon  in  homer. 
Zeit  im  Übergang  zur  Partikel. 

Die  Partikeln  lassen  sich  nach  sehr  verschiedenen  Gesichtspunkten 
einteilen.  Z.  6.  in  solche,  deren  Funktion  auf  den  einzelnen  Satz  beschränkt 
war,  wie  y^y  ^^>  ^^S  ^^  solche,  die  nur  eine  Beziehung  zwischen  verschie- 
denen Sätzen  ausdrückten,  wie  (og  (aus  *jk(og),  Iva,  und  in  solche,  welche 
sowohl  im  Einzelsatz  als  auch  satz verbindend  fungierten,  wie  sl,  xai\  fiäv; 
von  den  der  Satzverbindung  dienenden  Partikeln  handeln  wir  §  202  S. 
Ein  anderer  Einteilungsgrund  kann  von  dem  Gedankenverhältnis  hergenommen 
werden,  in  dem  die  Partikeln  verwendet  wurden:  kopulative  Partikeln,  ad- 
versative, affirmative,  adhortative,  finale  u.  s.  w.  Weiter  kann  man  unter- 
scheiden nach  dem  Grade  der  Selbständigkeit:  die  einen  Partikeln  waren 
frei  bewegliche  Wörter,  wie  xm,  In;  andere  lebten  nur  in  Komposition, 
wo  sie  zum  Teil  ihre  ursprüngliche  Eigenart  völlig  aufgegeben  hatten,  z.  B. 
*0€  „oder"  in  ij^  rj,  *v  in  ovTo-g;  viele  waren  sowohl  als  selbständige  Wörter 
als  auch  in  Zusammensetzungen  im  Gebrauch,  z.  B.  ovv  und  ovx-ovv,  y^ 
und  ^yw-ye,  y^  =  Y'^Q  (toi^y^Q'Ovv).    Ferner  nach  der  Stellung:  die  einen 


*)  Nach  MouLTON  hierher  auch  iS-jteXXoy 
(vgl.  (o-<peXi(ay  ai.  pJidla-  , Frucht*),  fo^dvQo- 
fxrjy,  tS-xeXXovy  zu  denen  man,  nachdem  das 
GefOhl  für  die  Zusammensetzung  mit  einer 
Präposition  erloschen  war,  6q>^XXü),  odvQofjiai, 
ox^XXto  bildete  nach  oCcu  :  wCoy  u.  dgl.,  vgl. 
dvQofiai,  xEXXto.  Hierher  auch  o-tQiJytaf  das 
zu  lat.  triM  trulla  und  ai.  tvär-atS  .er  eilt*, 


ahd.  dweran  , drehen,  rühren*  dwiril  ,Rühr- 
stab,  Quirl*  gehörte:  t^v-  wie  xQv-tpaXeia 
(aus  *nti^v-)y  lat.  qwjLdrH',  av.  capru-  (§  65,  5), 
dagegen  o-r^aXiog  o-xqtjQO'g^  auf  die  das  ö- 
von  O'TQvyto  übergegangen  war,  von  rga- 
aus  *TfQa-  =  *tjST'  mit  urgriechischem  Weg- 
fall des  f  wie  in  terQa-  (vgl.  §  59  S.  71). 


5.  Die  Partikeln.  (§  201.)  221 

standen  hinter  dem  beteiligten  Wort,  wie  r^,  navrJQ  äviQwv  re  d'cm'  rs; 
andere  begannen  den  Satz  (Haupt- oder  Nebensatz),  z.  B.  älXd^lrce;  andere 
wieder  liebten  die  zweite  Stelle  im  Satz,  wie  y^y  ^^';  d^^  übrigen  bewegten 
sich  freier,  wie  ovj  oficog.  Und  so  lassen  sich  noch  andere  Einteilungs- 
gründe angeben.  Indessen  ist  für  eine  geschichtliche  Darstellung  keiner 
als  Hauptprinzip  der  Einteilung  brauchbar,  weil  man  es  allenthalben  mit 
Übergangsstufen  zu  thun  hat,  und  weil  die  verschiedenen  Gesichtspunkte, 
nach  denen  man  jedesmal  eine  Anzahl  von  Partikeln  zusammenfassend  zu 
betrachten  hat,  sich  zu  vielfach  kreuzen.  Eine  historische  Darstellung,  die 
allen  Seiten  gerecht  werden  und  einigermassen  übersichtlich  sein  will,  muss 
die  Partikeln  mehrmals  nach  einander  abhandeln. 

Wir  beschränken  uns  hier  auf  eine  alphabetische  Zusammenstellung 
der  Partikeln  1)  mit  Berücksichtigung  ihres  Ursprungs. 

i.  Folgende  finden  sich  in  andern  idg.  Sprachen  wieder  und 
scheinen  als  fertige  Partikeln  in  die  Periode  der  griechischen 
Sonderentwicklung  eingetreten  zu  sein: 

äv  :  lat.  an,  §  164. 

UQ,  ^d  (gewöhnlich  nach  einsilbigen  Wörtern,  s.  Hiller,  Hermes  21, 
563  fiF.),  aQa  :  lit.  tr  »und,  auch**  är  Fragepartikel,  gleicher  Wurzel  mit 
aq^isvoq.  S.  Vf.  Ber.  d.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  1883  S.  38  ff..  Per  Persson, 
Studia  etymologica  1886  (dessen  Herleitung  der  Partikel  von  einem  Pro- 
nominalstamm ara  mich  nicht  überzeugt),  Bloomfield,  Amer.  Journ.  of 
Philol.  6,  44.  aquy  lesb.  dor.  ly^a  aus  rj  üqu,  s.  Q.  Meyer,  Gr.  Gr.*  152. 
Eine  Komposition  mit  unserer  Partikel  war  auch  y^ff  ^^^  Y'^Q  (anders 
H.  Weber,  Phil.  Rundsch.  4,  1078).  Die  kypr.  Form  unserer  Partikel  ig 
oder  ^1^'  (xar'  ig'  i'^sro  in  der  paphischen  Rezension  der  homer.  Gedichte) 
repräsentiert  möglicherweise  einen  alten  Ablaut,  vgl.  Spitzer,  L.  d.  a.  D. 
7  f.,  G.  Meyer,  Gr.  Gr.«  64. 

d^uQ  :  ahd.  sun~tar  „für  sich,  besonders,  sondern,  aber";  der  unregel- 
mässige Spiritus  lenis  vielleicht  durch  Einwirkung  von  avvdQ.  Das  Wort 
hing  engstens  mit  a-reg  (§  200)  zusammen,  von  dem  es  nur  durch  den 
Ablaut  in  der  zweiten  Silbe  getrennt  gewesen  zu  sein  scheint.  Vgl.  Buqqe, 
Bezz.  B.  3,^120  f.,  Prellwitz,  Gott.  gel.  Anz.  1886  S.  758,  Vf.  Grdr.  2,  177. 

av  {av^€j  av^ig  etc.)  :  lat.  au^t,  au^tem,  osk.  av^ti.  Ob  av  die  Hoch- 
stufenform zu  V  (s.  S.  224)  war,  bleibt  fraglich. 

y*,  dor.  böot.  el.  ya  :  ai.  ha  enklitische  Partikel,  die  das  erste  Wort 
des  Satzes  hervorhob  (Delbrück,  S.  F.  5,  497  flF.).  f'/i6-yf  =:  got.  twi-Z*. 
Über  das  Verhältnis  der  Vokale  von  y^  und  ya  ist  bei  der  Mannigfaltigkeit 
der  Vokale,  welche  die  ver  «sandten  Partikeln  der  andern  Sprachen  (es 
kommt  besonders  noch  das  Baltisch-Slavische  in  Betracht)  zeigen,  nicht 
ins  klare  zu  kommen.  Vgl.  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  339  f.,  G.  Meyer,  Gr. 
Gr.*  29  ff.,  Bezzenberoer,  Gott.  gel.  Anz.  1887  S.  417. 

-<?€  in  dofiov^ds  (arkad.  O-vg-da  „hinaus**  kypr.  ay-da  „auf",  vgl.  yd 
neben  yi)  verwandt  mit  -cfov  in  ft'-cfoi»,  lat.  en^do  in-du  :  av.  vaesinen-da 
»zum  Hause".   Hierher  auch  das  -ie  von  S-cf«?  Kompliziert  und  mir  wenig 


*)  Die  rein  interjektionalen  Partikeln,  wie  (pevy  aiat,  evoi,  mögen  bei  Seite  bleiben. 


222 


A,  Griechische  Grammatik,    d)  S3mtax. 


wahrscheinlich  ist  J.  Baunack's  (Stud.  1,  55  f.)  Deutung  von  oSe^  die  von 
einem  neutr.  Hod-i  =  ai.  tad  id  ausgeht,  s.  §  94  Anm.  1 .  Nicht  unwahr- 
scheinlich ist,  dass  mit  unserm  -cF«  auch  der  Anfangsteil  von  dsvqo  devrs 
zusammengehangen  habe,  vgl.  §  74,  3  S.  116. 

i^ri  :  ai.  äti  ,über  etwas  hinaus,  sehr",  lat.  et. 

i'(oq  aus  hom.  f^oq  :  ai.  yd-vat  „quamdiu"  (vom  Relativstamm  *iö-). 
Über  die  Verschiedenheit  des  stammbildenden  Suffixes,  gr.  -poq  ai.  -vat, 
s.  8  72,  4  S.  109. 

'f€  »oder",  8.  unter  tj. 

ij,  interrogativ  und  asseverierend,  identisch  mit  dem  ij-  von  r^-it^ 
rj'fxbv^  rj'it\  ferner  mit  dem  jJ-  von  *jj-f^  (woraus  ij^,  ?;)  »oder"  (nach 
Komparativen  „als",  s.  Ziemer,  Vgl.  Synt.  d.  Comp.  149  flF.),')  endlich  mit 
dem  hervorhebenden  -i;  in  sytov-ri^  wir-rj.  Die  Partikel  gehörte  wohl  zum 
ai.  d  (hervorhebend  und  anreihend).  Die  Grundbedeutung  scheint*  „so" 
gewesen  zu  sein.  Vgl.  Kvicala,  Ztschr.  f.  Ost.  Gymn.  1863  S.  314  f., 
Fröhde,  Bezz.  B.  7,  327.  Der  zweite  Teil  von  *ij-f^  (proklitisch  für  *»;-f€ 
wie  alld  für  Ulla,  s.  §  66  S.  83)  war  gleich  lat.  -ve  (vgl.  Osthoff,  Z. 
Q.  d.  P.  128  f.).  In  Versen  wie  A  120  xTeivyg  ij^  (?;f^)  SoXfj)  fj  a^ifpadw 
o^ti  xaXxfl^  scheint  rjf '  oder  wenigstens  rj'  für  ^  gelesen  werden  zu  müssen 
(s.  L.  Havet,  Mdlanges  Renier  369).  iJvTe,  das  aus  ^rj/se^re  nicht  herleit- 
bar ist,  zerlegt  sich  wohl  in  *jJ-/?*  +  vre,  letzteres  =:  ai.  utd  „und,  auch", 
und  bedeutete  demnach  ursprünglich  „oder  auch"  (vgl.  ved.  utd  va  und 
va  utd),  alsdann  „als"  beim  Komparativ  {J  277)  und  „wie".  Anders  über 
rjVT€j  aber  unwahrscheinlich  L.  Havet  a.  0.  371.  Deecke,  Programm  von 
Buchsweiler  1887  S.  36  möchte  ^,  i;^  (^),  r^vve  zum  Relativstamm  *i<>-  „qui" 
ziehen  („etwa  =  *issie,  vgl.  ind.  gen.  sg.  yasya,  loc.  pl.  yH^  u.  s.  w."), 
was  mich  gar  nicht  überzeugt;  dass  lat.  -ve,  das  wir  mit  dem  zweiten 
Teile  von  *ij-/?f  und  mit  ai.  va  zusammenstellen,  vielmehr  zu  vis  „du  willst" 
gehöre,  wie  Deecke  behauptet,  bedürfte  doch  sehr  näherer  Begründung. 

rilAog  mit  seinem  Korrelativ  tijfxoq  (dor.  afioq  %ä(ioq)  war  gebildet  wie 
7^oq  i'atq  und  xi}oq  xtwq.  Während  diese  das  stammbildende  Suffix  -f^es- 
(Nebenform  von  -^ent-)  hatten,  hatten  jene  Suffix  -mes-  (Nebenform  von 
^ment',  ai.  -mant-).  Im  Thessalischen  Ta/jiovy  das  vermutlich  eine  Umbildung 
von  TccfLioq  war,  hervorgerufen  durch  das  bei  Indeklinabilien  häufiger  vor- 
kommende Nebeneinander  von  -q  und  -y,  vgl.  imdxiq  inraxiv.  Man  ver- 
gleicht wohl  mit  Recht  aksl.  ja^mo  „wohin"  ta-mo  „dorthin".  S.  Solmsen, 
K.  Z.  29,  77,  Babtholomae  ebend.  538  f.,  Vf.  Grdr.  2,  379  f.  Der  auf- 
fallende Spiritus  lenis  war,  wie  es  scheint,  durch  analogische  Einwirkung 
von  rjfiuQ  afxuQ  (zugleich  vielleicht  von  otpga,  vgl.  §  60  S.  73)  entsprungen. 

't  in  ovtoa-tj  el.  xo-t  u.  a.,  =  ai.  av.  t  oder  av.  t-fi  (Verstärkungs- 
partikel). Ob  -iv  in  ovxoa-tv  erst  auf  griechischem  Boden  -i'  bekommen 
hatte  oder  die  ai.  Partikel  l-w  war,  bleibt  zweifelhaft  (vgl.  Osthoff,  M. 
U.  4,  229  flF.).  Neben  -i  wohl  auch  kurzes  -t  =  ai.  i-d  in  hom.  vm  (in 
der  Überlieferung  vm  betont),  s.  §  96  unter  Nom.  S.  132. 


')  Die  von  Ziemer  angenommene  Be- 
griffsentwicklung scheint  mir  freilich  nicht 
sicher.    Man  geht  vielleicht  besser  von  der 


Verbindung  des  rj  mit  negierten  Satzgliedern, 
wie  ov^Big  (aXkog)  17  cv,  aus. 


5.  IMe  Partikeln.  (§  201.)  223 

xa/:abulg.  ce  „et  quidem,  xaitoi"  ]it.  kai  Tcai-p  »wie*',  gemeinsame 
Grundf.  *gax  (vgl.  §  35  Anm.  S.  54).  Über  die  Entstehung  des  kypr.  xa 
s.  §  64  S.  79;  diese  Form  wurde  nach  der  Analogie  anderer  Adverbia 
auf  s  zu  xdq  umgebildet.  Eine  andere,  aber  oinwahrscheinliche  Vermu- 
tung über  den  Ursprung  von  xai  trägt  Prellwitz,  Öött.  gel.  Anz.  1886 
S.  759  vor. 

liäv  und  thess.  iia  „aber,  cf«"  (vgl.  (Aävxot)  sind  zu  verbinden,  /i« 
=  ai.  sma  eine  verstärkende  Partikel  (s.  Delbrück,  S.  F.  5,  501  flf.);  eine 
unsichere  Vermutung  über  die  Wurzel  von  sma  bei  Osthoff,  Z.  G.  d.  P. 
575.  noQoq  ye  fie'v  wie  ai.  purd  ha  stna  (s.  Delbrück  a.  0.).  Dass  fid 
in  fjuv  aus  fi'iv  enthalten  gewesen  sei,  macht  Thumb,  Fleckeis.  Jahrbb.  1887 
S.  641  ff.  wahrscheinlich,  vgl.  auch  §  95. 

jui^ :  ai.  mä  Prohibitivpartikel  (g  164). 

*vt  muss  das  Griechische,  nach  Ausweis  der  andern  idg.  Sprachen, 
einmal  an  der  Stelle  von  oif  gehabt  haben.  Unsichere  Spuren  dieser  Par- 
tikel in  Kompositen  bei  J.  Baunack,  Stud.  1,  271  ff. 

vT^y  vctC :  lat.  n^  nae  Ja*. 

vv  :  ai.  nü,  dessen  Sinn  schwer  zu  definieren  ist;  „vielleicht  darf  man 
sagen,  dass  nü  einen  Entschluss  der  sprechenden  Person  begleitet,  welcher 
sich  aus  der  gegenwärtigen  Lage  ergibt"  (Delbrück,  S.  F.  5,  515).  Die 
Form  *vf  =  ai.  nv  (antesonantisch)  vermutet  Thumb  a.  0.  646  f.  in  vir, 
aus  *vp  iv  (vgl.  §  95).  Neben  vv  stand  einst  *rt;  (=  ai.  nü  „nun"), 
wovon  weitergebildet  vvv,  wie  vv-v  von  vv  (über  idg.  *nw  :  *nß,  die  mit 
vip-o-g  wurzelgleich  waren,  s.  Osthofp,  M.  U.  4,  272  ff.);  vertrat  -v  altes 
-m,  so  vergleicht  sich  lat.  nu-m  {etiam-^um).  Das  Nebeneinander  von  vvv 
und  vv  mag  zur  Ausbreitung  des  sogen,  v  iipeXxvffTixov  beigetragen  haben 
(§  64  Anm.  3  S.  80). 

o  aus  *jto6^  ai.  ydd  „dass,  quod**,  dazu  o  t»  (vgl.  og  ug).  Daneben 
/TOT«,  ort  neutr.  zu  orig,  worin  eine  Partikel  *cr/rocf  enthalten  war  (§  207). 

nif  verhielt  sich  zu  nsQi  (in  ne^i-xakkr^g  u.  dgl.,  vgl.  lat.  2?er-,  per^ 
magnus,  air.  er-,  er-chosmil  „persimilis*)   wie  vn^Q  zu   inefg  (aus  *v7T€Qi). 

noxxi  thessal.,  s.  unter  ri. 

Tä  :  ai.  ca  „und",  lat.  que.  Vgl.  Christ,  Sitzungsber.  der  Münch.  Ak. 
1880  S.  25  ff.,  Delbrück,  S.  F.  4,  144  f.  Das  Verhältnis  des  -re  in  o-t*, 
7t6^€  zu  -xa  in  dor.  o-xa,  no-xa^  ro-xa  und  zu  -t«  in  lesb.  o-ray  ni-ta  ist 
nicht  sicher  zu  bestimmen,  s.  Osthoff,  Z.  6.  d.  P.  333  f. 

Tä(üg  aus  hom.  frflg^  zu  ai.  td-vat  „tamdiu"  vom  Demonstrativstamm 
Uh.    Vgl.  oben  fiö$. 

x^  „da!  nimm!'  :  lit.  te  aus  *^  „da!  nimm!",  wohl  instr.  sg.  zu  St. 
Uh,  Sophron  bildete  einen  Plural  tr^-xe^  der  sich  mit  dev-tB  vergleicht. 
Das  kypr.  tä  „hier"  ist  von  unseren  tf^  zu  trennen,  es  gehörte  zum  Feminin- 
stamm /*-.    Vgl.  §  83. 

TfjfAog,  s.  oben  unter  rjfiiog. 

T«  erscheint  öfters  partikelartig  gebraucht,  wie  ai.  cid,  dem  es  ety- 
mologiBch  entsprach,  und  es  steht  nichts  der  Annahme  im  Wege,  dass 
dieser  Gebrauch  aus  vorgriechischer  Zeit  mitgebracht  war.  ovi  =  idg. 
^öd  gidf  ursprünglich    mit  demselben  Sinne  der  Verallgemeinerung   wie 


224  ^  Griechische  Grammatik,    d)  S3mtax. 

m 

og  Tig^  dazu  im  Gortynischen  ä-ri  neben  of  riveg.  Ebenso  ai.  ydS  cid 
»welcher  irgend*.  Thess.  noxxi,  im  Sinne  von  otiy  Collitz,  Gr.  D.  n.  345, 
12,  aus  *7rar  xi  (idg.  *qöd  qid),  zeigt  die  Verbindung  unserer  Partikel  mit 
dem  Fragepronomen,  wie-ai.  kdS  cid  „wer  auch  immer,  welcher  es  sei*; 
zur  Funktion  als  Relativum  s.  §  206. 

*v  :  ai.  u  deiktische  Partikel  nach  Pronomina  und  Verba  (Delbrück, 
S.  F.  5,  504  ff.).  ^  Diese  Partikel  in  ov-T(Hg  (§  di),  Ttavv.  Ob  sie  die  Tief- 
stufenform  zu  av  war,  bleibt  fraglich.  V^.  Osthoff,  M.  U.  4,  253,  Z.  G. 
d.  P.  328,  FiCK,  Bezz.  Beitr.  7,  270. 

(fTJ  :  av.  ha  „wahrlich,  fürwahr"  (Fick,  Vergl.  Wörterb.  1'  154). 
Anders  J.  Baünack,  Stud.  1,  23.  . 

-X*  in  ov'Xh  vai'Xh  ^"X*  •  ai-  **  hervorhebende  Partikel,  na-hi  »gewiss 
nicht,  keineswegs".     Vgl.  Osthoff,  M.  ü.  4,  239  ff. 

cö-cf«,  M-g  ,80"  :  lat.  sö-c  (LoEWE,  Prodr.  p.  350)  vom  Deutestamm  *so- 
(o,  rj);  hierher  auch  (og  avTwg  (oicr-aiJircö^),  Adv.  zu  6  avtog.  Vgl.  td-g  von 
Stamm  *tO'  und  §  203  Anip. 

di-g  »wie,  dass"  (satzverbindend) :  ai.  yäd  „soweit,  wie",  vom  Relativ- 
stamm *io-, 

äg  (fcig)  „wie"  (z.  B.  &€ov  /siog)  und  aig  „ungefähr"  (bei  Zahlwörtern) 
zu  got.  sv^  »wie"  (vgl.  §  80.  83.  98);  gleichen  Stammes  mit  o-  in  o-ti$, 
O'Uiog  §  207.  L.  Havet's  Ansicht  (Mdlanges  Renier  371),  Sg  sei  aus 
V'  ^9,  mit  V*  =  ai.  va,  entsprungen,  überzeugt  nicht. 

2.  Es  folgen  Partikeln,  die  etymologisch  aufgeklärt  sind, 
zu  ihrer  Funktion  als  Partikeln  aber  alle  erst  auf  griechischem 
Boden  gekommen  zu  sein  scheinen. 

ay€  „wohlan".  Am  häufigsten  in  der  Verbindung  aXX*  aye^  Die  Er- 
starrung zu  einer  Partikel  erhellt  am  besten  aus  der  Verbindung  mit  einer 
2.  plur.  imper.  und  mit  den  3.  Personen  imper.,  wie  B  331  äXl'  ays  fxii^iv€%s 
TTCfiTeg,  d-  542  aXX'  ay'  6  (ihv  axed-ärw^  B  437  uXX*  iiye  xrjQvxeg  itih'  .  .  .  dyei' 
QovTcov,    Vgl.  lat.  age. 

aXXd  (aXX*  iq)  war  proklitisches  aXXa^  von  aXXo-g.  Zur  Betonung 
s.  §  66  S.  83. 

d(ia  aus  ^stg^m-a  instr.  von  Stamm  sem-  (§  21,  4.  83). 

a-xe  zum  Relativstamm  *t<>-. 

irjv  zunächst  aus  *cf/?-av,  vgl.  Alkman's  doav^  das  auf  *iop-av  weist. 
Hierzu  irjQo-g  aus  "^df-aqo-g.  Mit  lat.  diu  ist  das  Wort  nicht  zu  ver- 
mitteln. Auch  kaum  mit  lat.  dum,  das  Deecke,  Programm  von  Buchs- 
weiler 1887  S.  46  vergleicht;  statt  der  Grundform  *d^om,  die  Deecke  an- 
setzt, müsste  wenigstens  dum  mit  ursprünglichem  u  angesetzt  werden 
(denn  *diwm  hätte  *bow  ergeben,  vgl.  bonus  aus  *duono-s),  und  so  wäre 
eine  lautliche  Vermittelung  möglich;  aber  der  Gebrauch  von  dum  liegt  von 
dem  des  griechischen  Wortes  weit  ab.  Unanstössig  ist  dagegen  Bütt- 
mann's  Vergleichung  mit  lat.  dürare  (Ausführt.  Sprachl.  1,  44). 

elnä  in  der  Verbindung  eint  fiot  auch  in  der  Anrede  an  mehrere, 
wie  Demosth.  4,  10  ^  ßovXsad-e^  etnä  fnoi,  TieQuovreg  avrwv  nvv&mea^ai  • 
XtystaC  Ti  xanm';  (Kühner  IP  75). 

^^i-nag  ^i-mrfi^  ^fn^-nitv,  ^finä.    Zu  Grunde  lag   ein  Abstraktsubstan- 


5.  Die  Partikeln.  (§  201.)  225 


i> 


tivum  in-na-  (Grundform  *-X-fi-a-),  das  etwa  ,, Gedrungenheit,  Vollkraft, 
VollgQltigkeit''  bedeutete,  von  dem  auch  i(A7id(a  „bringe  zur  Geltung,  voll- 
strecke*' kam,  das  durch  el.  ifin(p^  in-sfinq}^  €n-€fjinr^t(o  belegt  ist;  wurzel- 
verwandt waren  näg^  xväw^  xvQog  {ini-xvQOü)),  s.  §  18  S.  32.  Ob  ijunOg 
die  Genitivform  war,  oder  ob  ein  Instrum.  ^ifina  zu  Grunde  lag,  der  nach 
seiner  adverbialen  Erstarrung  -g  annahm  wie  ovtw^  u.  dgl.,  lasse  ich  un- 
entschieden,    i^nä  war  wohl  Neubildung  nach  litya^  [iidXa  u.  dg]. 

tSov,  war  identisch  mit  ISov. 

ofjKog  zu  ofAo-g,  W.  setn-, 

-n^  in  kypr.  xdg  ntf  u.  a. 

naqog  :  ai.  purds  »vor"  (§  23,  4). 

Hom.  n^tv^  att.  tt^V,  kret.  n^eiv  enthielt  'die  Tiefstufenform  des  Kom- 
parativsuffixes -len-  und  war  nächstverwandt  mit  *7iQ€ig  ,prius"  in  n^sTa- 
ßv^y  8.  §  73,  3,  weiter  auch  mit  ndqog^  nqo.^jj^ 

Tol  war  Dativ  (dat.  ethicus)  zu  et;,  s.  §  185  und  Näoelsbach,  Anm. 
zur  Ilias*  175  ff.,  Wackernaoel,  K.  Z.  24,  595. 

9>^^€,  in  nachhomerischer  Zeit  ähnlich  wie  aye  gebraucht,  z.  B.  Ari- 
stoph.  Thesm.  789  ffSQS  itj  vvv^  el  xaxov  iafiev^  zi  yaiieti^'  vfieic; 

og>€XoVj  w^sXe  erscheint  bei  späteren  Schriftstellern  als  eine  den  Wunsch- 
satz einleitende  Partikel.     Vgl.  §  169. 

3.  Ohne  sichere  Anknüpfung  in  den  verwandten  Sprachen 
und  etymologisch  nicht  genügend  klar  sind  folgende  Partikeln: 

al,  hom.  lesb.  lak.  herakl.  kret.  el.;  böot.  17.  Man  vergleicht  osk. 
svai  „si**,  doch  macht  der  Anlaut  Schwierigkeiten.  Mit  a,  1^  (s.  u.)  weiss 
ich  al  nur  unter  der  Voraussetzung  zu  vereinigen,  dass  h  der  Lok.,  17  der 
Instr.  eines  o-Stammes,  dagegen  al  derjenige  eines  d-Stammes  war.  Man 
könnte  an  den  ai.  deiktischen  und  anaphorischen  Pronominalstamm  a-  (gen. 
a^sya  etc.)  anknüpfen.  Vgl.  unten  et,  ferner  §  209  und  Lange,  Der  homer. 
Gebrauch  der  Part,  sl  321  f.,  G.  Meyer,  Gr.  6r.^  126,  DARBismRE,  Notes 
on  the  Spir.  asp.  11  sq.,  Tobp,  Geschlechtlos.  Pronom.  17  f.,  Deecke,  Pro- 
gramm von  Buchsweiler  1887,  S.  36  f. 

^X?*  ^X^*"5>  vgl.  unten  iiexQt. 

db\  Zusammenhang  mit  -de  in  dofiov-Se  (S.  221)  ist  schwer  denkbar. 
Ich  vermute  Identität  mit  aksl.  ie  „cf^,  aber*",  idg.  '*'gß  (s.  §  35  S.  55). 

rff/,  rj'irj,  irj-Ta,  wozu  wohl  auch  6a(j  vgl,  rtj  :  va(.  Die  Partikel  ist 
weder  mit  lat.  jam,  noch  mit  dip^  zu  vermitteln. 

ely  eUxa  ion.  el-^evj  in-efj  Mn-sita  ion.  In-eitev,  Daneben  fj  im  Herakl., 
Kret.,  Kypr.  (Baunack,  Gortyn  50.  78);  hierzu  el.  en-i]  gegenüber  att. 
in-€(.  el  mag  loc.  sg.  (vgl.  aüxci),  r^  instr.  sg.  gewesen  sein,  s.  o.  unter  al. 
idv  i]v  aus  el  av.  Die  att.  Formen  av,  enav  lässt  Wackernaoel  unter 
Einwirkung  von  ineidav  =  ineidt]  av  und  xav  =  xai  av  entstanden  sein 
(Phil.  Anz.  1886,  S.  68);  einfacher  ist,  wir  setzen  av  =  r)  ar,  d.  h.  r  war 
einst  auch  im  Att.  vorhanden.     Vgl.  oben  al  und  §  209. 

ehv.    Meine  Vermutung  M.  IT.  1,  185  f.  ist  unhaltbar. 

täte.  Ob  el.  Mcra  Colutz,  Gr.  D.  n.  1151,  2  (nach  Blass'  Lesung) 
urgriech.  -ra  enthielt  (vgl.  kret.  ^iata  u.  dgl.),  oder  ob  a  aus  e  hervor- 
gegangen war  (§  8),  bleibt  zweifelhaft.    Die  Annahme,  dass  die  Partikel  aus 

Bandbnch  dA  \\%m  AltertumawiMenacbaft.  n.    2.  Aufl.  15 


226  ^*  (hriechlBche  Chrammatik.    d)  Syntax. 

*ivg'T€  entstanden  war,  wird  durch  lokr.  delph.  h'-re  nahe  gelegt.  Doch 
macht  el.  foi^a  Schwierigkeit,  weil  die  Präposition  in  diesem  Dialekt  auch 
beim  Akk.  die  Form  ev,  nicht  eg  hatte.  Man  verbindet  for«  mit  ai.  dehn 
„zu  hin*",  lat.  usque.  S.  Wheeler,  Noroinalacc.  22,  Solmsen,  K.  Z.  29,  333. 
Letzterer  sagt:  „Lokr.  delph.  ^vre  könnte  man  zur  Not  als  Anlehnung  an 
iv  auffassen,  geratener  wird  es  sein,  es  von  iifre  zu  trennen  und  mit  got. 
und  „bis"  =  *^te  zu  verbinden*. 

€VT€.  Dass  dieses  aus  i)vt€  (vgl.  ?y  S.  222)  entstanden  war,  ist  unwahi-- 
scheinlich  trotz  scheinbarer  Analogien,  die  §  26  bietet.  Auch  leuchtet  L. 
Havet's  Vermutung  (Mel.  Renier  371),  es  habe  *rj/?'«  zu  Gründe  gelegen, 
indem  elidiertes  *jj/?^  vor  tc  getreten  sei,  nicht  ein. 

ij  „wenn,  falls"  s.  unter  et. 

'd-e  in  cu'^e  el-d^s.  Pott's  Herleitung  aus  dem  Vokativ  ^eä  ist  mehr 
geistreich  als  glaubwürdig. 

^v  in  ov  xhrjV  u.  dgl. 

l-dä  homer.  und  kypr.  Im  Kyprischen  vielleicht  auch  *  „und**  Collitz, 
Gr.  D.  n.  60,  24;  vgl.  Deecke  im  Wortindex  S.  76.  J.  Baünack's  Gedanke 
(Stud.  1,  55),  da  sei  Abkürzung  voniSä,  ist  lautlich  nicht  zu  rechtfertigen, 

Iva  scheint  ein  Instrumentalis  und  V-  die  schwache  Form  des  Relativ- 
stammes *to-  gewesen  zu  sein.  S.  Delbrück,  S.  F.  1,  57,  Deecke,  Progi*. 
von  Buchsweiler  1887,  S.  36. 

xkv  mit  den  Nebenformen  xd  (dor.  böot.  el.)  und  x^  (hom.  lesb.  thess. 
kypr.).    S.  §  164. 

fiäxQi'  fJ^^XQi-g  wird  von  Fick,  Bezz.  B.  5,  168  mit  «x^t  verknüpft,  indem 
er  das  a-  des  letzteren  aus  ^-  erklärt.  Verwandt  waren  ohne  Zweifel 
hom.  iiecffa^  kret.  iiäara,  gort,  fiärreg  (darf  in  fiett'  ig  zerlegt  werden), 
ark.  fiätTT*  {äv)y  thess.  fxäcnodi  {xs).  Der  Ausgang  der  letzten  Form,  /rocf-/, 
scheint  das  Neutr.  des  Interrogativstammes  mit  -»  =  ai.  t-d  gewesen  zu 
sein;  zur  relativischen  Bedeutung,  die  uns  schon  in  noxxi  (s.  unter  %l 
S.  223  f.)  begegnete,  s.  §  206.  So  über  utanodi  jetzt  auch  J.  Baunack, 
Stud.  1,  23,  während  Bücheler,  Rhein.  Mus.  40,  Ergänzungsh.  S.  8  und 
G.  Meyer,  Gr.  Gr.*  10  -/rocft  mit  nsdd  und  novg  zusammenbringen. 

jiir/v,  dor.  hom.  (idv.  Dass  hom.  (Ar]v  und  iiav  dieselbe  Form  waren, 
nur  dialektisch  verschieden,  ist  keineswegs  sicher.  Zusammenhang  mit  dem 
beteuernden  /ia  {Ä  86  ov  fid  ydq  UtioXIcovo)  ist  unleugbar,  zweifelhafter, 
ob  auch  fiäv  thess.  fid  (S.  223)  verwandt  waren. 

ov.    Vgl.  §  164  [und  den  Nachtrag  zu  diesem  Paragr.]. 

ovv  att.,  (OV  ion.  dor.  lesb.  böot.  Das  lautliche  Verhältnis  zwischen 
att.  ovv  und  ion.  (ov  ist  unklar. 

o-(pQa,  aus  *o-q>Qa  nach  §  60,  und  Twpqa, 

nXrjVj  dor.  nXav,     Vielleicht  nebst  ifinXtjv  zu  nXipio-g  näXag. 

6.  Satzverbindung. 

202.  Die  einzelnen  Gedankenkomplexe,  die  in  der  Sprache  zu  Sätzen 
werden,  liegen  meist  nicht  selbständig  und  in  sich  ein  vollständiges  ganzes 
bildend  in  der  Seele  neben  einander,  sondern  stehen  in  dieser  oder  jener 
inneren  Beziehung  und  im  Abhängigkeitsverhältnis  zu  einander.     Die  gegen- 


6.  Satzverbindiing.  (§  202-203.)  227 

seitige  Beziehung  der  Sätze  brauchte  zunächst  kein  äusseres  sprachliches 
Zeichen;  es  war  auch  ohne  ein  solches  möglich,  dass  der  eine  Satz,  statt 
durch  seinen  Inhalt  allein  bestimmt  zu  sein,  mit  Rücksicht  auf  den  Sinn 
eines  andern  Satzes  aufgefasst  und  verstanden  wurde.  Höchstens  wurde 
durch  die  Satzbetonung  und  durch  die  Handhabung  der  Satzpause  der 
wechselseitige  Bezug  auch  äusseriich  gekennzeichnet. 

Erst  nach  und  nach  wurde  der  Gebrauch  gewisser  Wörter  (Pronomina, 
Partikeln)  zum  Zweck  der  Satzverbindung  häufiger,  und  er  ist  in  keiner 
der  idg.  Sprachen  so  häufig  geworden  als  im  Griechischen.  Letzteres  war 
darin  begründet,  dass  der  Grieche  schon  im  selbständigen  Einzelsatze  eine 
grosse  Anzahl  von  Partikeln  gebrauchte,  um  der  besonderen  Stimmung, 
welche  Behauptungen,  Fragen,  Wünsche,  Befehle  u.  s.  w.  begleitete,  Aus- 
druck zu  leihen,  und  dass  diese  Partikeln  zum  grossen  Teil  sich  dazu  eig- 
neten, zugleich  die  gegenseitige  Beziehung  der  Sätze  zu  kennzeichnen,  wie 
z.  B.  fAilv  und  €1. 

Satzverbindende  Pronomina  waren  z.  B.  die  Demonstrativa  ocfc,  ovrog, 
dxsTvog,  da  diese  nicht  nur  direkt  auf  ein  Objekt  in  der  Aussenwelt  oder 
auf  vorschwebende  Gedanken,  sondern  auch  auf  das  sprachliche  Abbild 
derselben  hinwiesen ,  vgl.  z.  B.  iXeye  rade  •  syd  xrX.  und  das  nach  einer 
Aussage  folgende  tavta  slnsv  (vgl.  §  211).  Satzverbindende  Partikeln 
waren  z.  B.  xa«',  t^,  aqa^  da,  aXXä,  fiäv,  fitlvroi,  rj  „oder". 

Anmerkung.  Alle  diese  Wörter  konnten  dem  Zwecke,  dem  sie  in  der  Verbindung 
ganzer  Sfttze  dienten,  auch  in  der  Verbindung  Ton  Satzgliedern  dienen,  z.  B.  Herod.  5,  7 
^iovg  (fl  atßoytttt  fAovrovq  x  ovo  de,  "jQca  xtu  Jioyvaoy  xal^A^xBfAiy,  A  5  %vvi<s<siv  oiaiyoiai 
te  daira  A  68  (Of  Binmv  xtn'  uq'  i^eto.  Worauf  dies  beruhte,  sehe  man  bei  Paul,  Prin- 
cipien*  299  ff. 

Nur  selten  stellten  die  Griechen  in  der  historischen  Sprachperiode 
noch  zwei  innerlich  enger  verbundene  Sätze  so  neben  einander,  dass  keiner 
von  beiden  ein  auf  den  andern  hinweisendes  Wort  enthielt,  wie  z.  B.  x  320 
tQx^o  vvv  avifsov  cf* ,  iis't  aXXtav  Xä^o  ivatQcov.  Vgl.  Krüoer,  Sprachl.  I  59, 
1,  5,  n  59,  1,  Kühner,  Ausf.  Gramm.  II«  860  flF. 

Vgl.  C.  Hentze,  Die  Parataxis  bei  Homer  I,  Progr.  des  kgl.  Gymn. 
und  Realgymn.  zu  Göttingen  1888. 

203.  Ursprünglich  sprach  man  nur  in  Sätzen,  welche  die  Form  von 
Hauptsätzen  hatten.  Die  Unterordnung  (Hypotaxe)  war  aber  bereits 
urindogermanisch.  Sie  ergab  sich  von  selbst  durch  das  zwischen  den  ein- 
zelnen Sätzen  bestehende  Gedankenverhältnis.  Am  meisten  neigte  man 
zur  Unterordnung  bei  solchen  Sätzen,  die  zu  einem  andern  Satz  irgendwie 
als  dessen  Erklärung  oder  Epexegese  hinzugefügt  wurden,  die  z.  B.  nach 
einem  eine  Seelenstimmung  allgemein  bezeichnenden  Satze  {([poßov^m^  wofiai 
u.  s.  w.)  den  Inhalt  derselben  brachten  (daher  so  vielfach  der  Konj.  und 
Opt.  in  Nebensätzen);  bei  solchen,  die  zum  Zwecke  deutlicher  Bezeichnung 
eines  Gegenstandes  eine  Beschreibung  desselben  zufügten;  bei  solchen,  die 
den  Grund  oder  das  Motiv  von  etwas  darstellten.  Das  Gefühl,  das  solche 
Sätze  begleitete,  war  ähnlich  dem,  welches  das  Aussprechen  eines  unter- 
geordneten Satzteiles  (z.  B.  des  Objektes)  im  einfachen  Satze  begleitete. 

Satzunterordnende  Wörter  als  Kennzeichen  der  Unterordnung  gab  es 
von  Anfang  nicht.     Die   in  der  historischen  Gräzität  in  konjunktioneller 

15* 


228 


A.  Grieohische  Gmmmatik.    d)  S3mtax. 


Funktion  auftretenden  Wörter  drückten  ursprünglich  entweder  nur  im 
allgemeinen  eine  Relation  zwischen  Sätzen  aus,  z.  B.  o^,  oig,  o  („der^), 
oder  sie  hatten  nicht  einmal  an  und  für  sich  eine  Relationsbedeutung 
und  assoziierten  sich  erst  allmählich  mit  einer  nicht  ausgedrückten,  nur 
hinzugedachten  Beziehung  zwischen  zwei  Sätzen,  z.  B.  /atj.  Die  meisten 
von  den  konjunktionellen  Wörtern  behielten  neben  dieser  Funktion  die  ur- 
sprüngliche, nicht  satzverbindende  Funktion  bei,  z.  B.  juij,  vgl.  ^  470 
SeidcDy  inq  rt  ndd^aiv  (ursprünglich  8.  v.  a.  „Ich  bin  in  Furcht.  Dass  ihm 
nur  nichts  zustösst!'')  mit  «  356  co  /ioi  iyd^  fjitj  rfg  fioi  vfpaivuaiv  doXot* 
avT€  ä&avdTa)Vy  femer  «t,  Tig,  o  (»der*)  u.  a.  Nur  noch  konjunktionell 
fungierten  in  der  historischen  Gräzität  die  von  St.  o-  (idg.  Ho-)  abgeleiteten 
Formen  (§  204)  und  o-rig  o-nov  etc.  (§  207). 

Seltner  als  die  andern  Sprachen  hielt  das  Oriechische  neben  der  durch 
konjunktioneile  Wörter  gekennzeichneten  Hypotaxe  die  einfache  Beiordnung 
mit  nur  innerer  Hypotaxe  fest.  Z.  B.  Demosth.  3,  18  xai  vvv  ov  käyst  tig 
zd  ßeXxiaxa'  dvaatdg  aXkog  elndxfa  (=  idv  tig  fxrj  Xäyj]  xtX,);  Plat.  Prot, 
p.  336  b  dkX^  oQ^Cy  (o  JSoixQaxeg  *  ifxata  öoxeT  Xäyeiv  UfanayoQag  (=  o^g, 
oTi  xtL),  Vorzugsweise  gehören  kurze  Hauptsätze  wie  offiai  »glaub*  ich* 
=  (jig  oljiai  hierher,  die  fast  nur  wie  ein  Satzteil  im  Einzelsatz  erscheinen. 

Welcher  von  zwei  beigeordneten  Sätzen  hypotaktisch  wurde,  hing  oft 
von  der  Stellung  der  Sätze  ab,  d.  h.  davon,  welcher  von  den  beiden  in 
Beziehung  zu  einander  stehenden  Gedanken  zuerst  sich  im  Bewusstsein  hob, 
sich  sprachlich  formte  und  zur  Aussprache  kam.  Z.  B.  oq^g^  ddixst  führte 
zu  oQ^g^  (og  (oTi)  ddix€i^  dagegen  äSixei,  oQqig  zu  dSixeT,  wg  oQ^g.  Erst 
nachdem  diese  Satztypen  sich  im  Bewusstsein  befestigt  und  im  Gebrauch 
Bestand  gewonnen  hatten,  kam  man  auch  zu  (og  dti^xel,  o^^r^  und  <og  oq^g^ 
ddixst.  Der  untergeordnet  erscheinende  Satz  konnte  auch  in  den  andern 
Satz  eingeschaltet  sein,  z.  B.  @  536  dXX^  iv  nqfiro^aiv^  oiw,  xeifferai  orn^- 
•i>i(g;  dies  führte  zu  o)^  om.  So  kann  man  denn  die  Nebensätze  in  Vorder- 
sätze, angefügte  Sätze  (Hintersätze)  und  Zwischensätze  einteilen.  Alle  diese 
Typen  finden  sich  schon  bei  Homer. 

Anmerkung.  Die  oft  ausgesprochene  Behauptung,  dass  die  homerische  Sprache 
der  alten  parataktischen  Weise  der  SatzfUgung  wesentlich  treuer  gebliehen  war  als  die 
spätere  Sprache,  dass  sie  in  dem  Qebrauch  der  konjunktionellen  WOrter  vielfach  noch  die 
alte  Parataxe  durchblicken  lasse,  wo  die  spätere  Sprache  nur  Unterordnung  gekannt  habe, 
ist  unerwiesen. 

Das  aus  *if>B  entstandene  og  mit  seinen  Ableitungen  und  Adverbien  fahrte  schon 
bei  Homer  nur  Nebensätze  ein.  Das  rein  anaphorische  oq  (att  xal  og,  ij  d*  og)  war  älteres 
*so-8.  Und  das  anaphorische  Neutrum  o  bei  Homer  (M  844.  857  o  yuQ  x'  o/'  aQioroy 
andyxtüy  etrj,  ^9,  cu  190  o  ydg  yiffag  icri  ^ayoyrwy)  kann  entweder  ebenso  wie  oY,  at,  wg 
(ft  g  avrtog)  *)  eine  Neubildung,  bei  der  r-  durch  <r-,  bezieh,  h-  ersetzt  wurde,  gewesen  sein, 
oder  der  Umstand,  dass  dg  rj  zugleich  Relativ  und  Demonstrativ  waren,  führte  dazu,  dass 
man  das  anfänglich  nur  relativische  o  auch  demonstrativ  gebrauchte;  auch  kann  beides 
zusammen  gewirkt  haben'). 


^)  Über  die  Schreibungen  ol  al  tag  6  ^ 
für  Ol'  «r  etc.  s.  §  66  S.  83. 

0  Debcke,  Progr.  von  Buchsweiler  1887 
S.  29  f.  geht,  wie  wir,  davon  aus,  dass  im 
Urgriech.  einmal  alle  txi  og  ä  o  =  ai.  yd-s 
yd  ya-d  j^ehörigen  Formen  relativische  und 
alle  zu  b  a  to  =  ai.  sä  sä  td-d  gehörigen 
Formen    demonstrative    Bedeutung    hatten. 


Durch  den  gleich  gewordenen  Anlaut  sei  nun 
mannigfache  Analogiebildung  eingetreten.  So 
relativisches  masc.  o  neben  o;,  ^umgekehrt 
demonstratives  masc.  og  neben  o;  so  oV  ttV 
statt  rot  rat  nach  dem  Relativum,  und  das 
relative  Adverb  tag  .wie"  habe  das  Demon- 
strativum  ttlSg  fast  ganz  verdrängt,  daher 
auch  ig  o^ttH,  <»<fe.    «Ja  ich  bin  geDoigi» 


6.  SatzTerbindnng.  (§  204.) 


229 


Dass  (fe  oft  Nachsätze  eioleitete,  ist  richtig.  Aber  nicht  zu  beweisen  ist,  dass  diese 
Partikel  ursprünglich  nur  koordinierte  Glieder  habe  in  Beziehung  setzen  können.  Das 
richtige  lehrte  bereits  BIumlrin,  Untersuch,  über  ^ech.  Partik.  S.  92  ff. 

Der  Gebrauch  der  Partikel  r^  in  ^  218  6^  xe  ^eorg  inmei&tjnti,  fitiXa  %  exXvoy 
avjov  und  ähnlichen  Stellen  ist  nicht  durch  «und",  sondern  durch  «auch"  zu  verdeut- 
lichen u.  s.  w. 

Höchstens  lässt  sich  für  Sätze  mit  solchen  Konjunktionen,  die  auch  in  späterer  Zeit 
nicht  ausschliesslich  konjunktionell  waren,  wie  ei  und  ^17,  die  Behauptung  aufstellen, 
dass  sie,  im  ganzen  genommen,  noch  mehr  parataktisch  erschienen  als  in  späterer  Zeit. 

Zu  welchen  Irrtümern  das  Bestreben  verleiten  kann,  in  den  homerischen  SatzfQgungen 
eine  möglichst  primitive  Stufe  des  idg.  Satzbaues  nachzuweisen,  zeigt  u.  a.  H.  Gbabp's 
Schrift  De  coniunctionis  tag  origine  et  usu,  Memel  1874  (vgl.  dazu  Gebth  in  Bubsiai«*s 
Jahresb.  15,  270). 

Ein  TeU  der  konjunktionellen  Wörter  bedarf  einer  besonderen  Er- 
läuterung, zu  der  wir  übergehen. 

204.  Der  Stamm  0-  (=  idg.  to-)  war  ursprünglich  ein  anaphorisches 
Pronomen  etwa  mit  der  Bedeutung  unseres  «er*  und  wies,  durch  alle  Ge- 
schlechter und  Kasus  deklinierbar,  auf  voraus  genannte  Nominalbegriffe 
oder  seltner,  im  Neutrum,  auf  ganze  Sätze  hin,  um  eine  selbständige  Aus- 
sage einzuleiten  (vgl.  Windisch,  C.  St.  2,  201  ff.).  Schon  in  der  vorhisto- 
rischen Zeit  der  griech.  Sprache  wurden  aber  alle  Sätze  mit  Formen  von 
o-,  wie  Q-q  o~v  a  a-v,  zu  Nebensätzen  herabgedrückt,  wie  auch  im  Indischen 
alle  Sätze  mit  yd-  schon  als  Nebensätze,  nie  mehr  als  Hauptsätze  erscheinen 
(vgl.  §  94.  203  Anm.).  Dies  gilt  zugleich  von  den  zu  o-  gehörigen  Ad- 
verbien und  Ableitungen,  ov,  ol^  ©$,  o  «dass,  weil*,  r^og  i'iog^  oto-g  (aus 
^iai-io-s),  wro-g  (aus  *|0-^to-.s)  u.  a.,0  die  ebenfalls  entweder  einen  einzelnen 
Teil  eines  vorausgehenden  Satzes  wieder  aufnahmen,  wie  olog  «qualis*,  ov 
«ubi*,  oder  den  ganzen  Inhalt  eines  Satzes  einheitlich  zusammenfassten, 
wie  fiig  (z.  B.  B  363  xqTv  avÖQag  xa%a  (pQijTQag,  cJg  (pQt^TQrj  g>Qi^TQrj(piv 
a^jYH  ^-  ^'  A-  n^^^  welche  Weise  ein  Geschlecht  dem  andern  helfen  soll*). 

Der  Relativsatz  wurde  oft  durch  ein  Demonstrativpronomen  angekün- 
digt (vgl.  §  211),  dem  erst  durch  den  Nebensatz  sein  Inhalt  zugewiesen 
ward,  z.  B.  ravra  noirjao),  ä  ßovXei;  xämg  xa^SQrfio),  i'(og  iti  iXnig  iaxi. 
So  erschien  der  Relativsatz  als  Vertreter  eines  Satzteiles  des  Hauptsatzes 


die  dialektische  Verwendung  sämtlicher  mit 
r  beginnender  Formen  des  Demonstrativs 
(auch  nom.  pl.  toi  tat)  in  relativischer  Be- 
deutung auf  die  obige  Formenvermengung 
zurückzuführen.*  Unmöglich  sind  diese  An- 
ndlimen  nicht,  aber  wenig  wahrscheinlich. 
Wenn  im  AL  ein  sd-h  bestand,  warum  nicht 
auch  ein  gr.  *80'8?  Und  wenn  im  Ai.  ein 
in  Anknüpfung  an  sd  sä  gebildetes  sdsmin 
für  tdtmin  erscheint  und  im  Lat.  8ö-c  und 
sum  aam  8(f8  säs,  die  des  gleichen  Ursprungs 
waren,  so  ist  es  doch  sicher  das  einfachste, 
man  betrachtet  auch  die  demonstrativen  cu;, 
or,  al'  und  neutr.  0  als  Neuschöpfungen  nach 
masc.  o  fem.  S,  Nur  als  sekundär  mitwir- 
kendes Moment  möchte  ich  die  von  Dbecke 
als  allein  wirksamer  Faktor  betrachtete  Ana- 
logie gelten  lassen,  aber  nur  bei  hom.  0  ,id* ; 
ify  w  «r  kann  man  bereits  in  der  Zeit  ent- 
•tMid«n  sein  lassen,  als  die  Anlaute  von  *$0' 


und  *}0-  noch  nicht  zusammengefallen  waren , 
Dbecke  wird  nicht  beweisen  können,  dass 
diese  letzteren  Demonstrativformen  erst  ins 
Leben  traten,  als  *«o-  und  *io-  beide  die 
Form  ho-  bekommen  hatten.  Und  was  die 
Entwicklung  des  Demonstrativs  to-  zum  Rela- 
tivum  betrifft  (§  205),  so  erklärt  sich  dieselbe 
aus  der  Funktion  des  to-  selbst  so  leicht  und 
hat  in  der  bekannten  deutschen  Gebrauchs- 
weise desselben  Pronominalstammes  eine  so 
genaue  Parallele,  dass  ich  nicht  einsehe, 
warum  wir  sie  erst  als  eine  Folge  des  formalen 
Obereinkommens  von  *«o-  und  *jio-  betrachten 
mOssten.  Dass  dieses  in  späterer  2ieit  die  Aus- 
breitung des  Gebrauches  von  fo-  als  Relativ- 
pronomen gefördert  habe,  soll  damit  nicht 
geleugnet  werden. 

^)  Vgl.  die  Zusammenstellung  der  hier- 
her gehörigen  adverbialen  Ausdrücke  bei 
Debcke  a.  0.  33  ff; 


230 


A.  Grieohisohe  Orammaük.    d)  Syntax. 


und  trat  nun  oft  auch  in  die  Stelle  des  Demonstrativum  ein:  ix  ßovlei 
noirjtjü);  i'wq  exi  iXnig  iati  xaQt€Qr^(X(o.  Hierin  lag  der  Hauptanlass  zur 
Vorausstellung  relativischer  Sätze,  beziehungsweise  zum  Einschub  in  den 
Hauptsatz. 

In  doppelter  Weise  trat  der  Relativsatz  in  eine  noch  nähere  Verbin- 
dung mit  seiner  Bezugsmasse.  Einerseits  dadurch,  dass  für  den  Akk., 
seltener  für  den  Gen.,  Dat.  und  Nom.  des  Relativpronomens  der  Kasus  des 
Beziehungswortes  eintrat,  wenn  dieser  der  Gen.  oder  Dat.  war  (progressive 
Kasusassimilation),  z.  B.  Xen.  an.  I  7,  3  itfead-e  avdqsq  a^ioi  irfi  iXevx^eqiaq, 
r;«,*  xäxTtjad^e^  s.  Kühner  H^  912  flF.,  Meistebhans,  Gr.*  197,  oder  dadurch, 
dass  das  vorausgehende  Beziehungswort  den  Kasus  des  Relativs  annahm 
(regressive  Kasusassimilation),  z.  B.  S  75  tnjsg^  oaai  nqfatai  slqvatai  cry/i 
x}^aXaa(Srfi^  i'kxfafieVy  Lysias  19,  47  äXld  xrjv  ovtrtavy  rjv  xarähns  r^  vteT^ 
ov  nXsiovog  ä^ta  iarlv  fj  retTagcov  xai  däxa  xaXavnav  (vgl.  Kühner  H* 
918  ff.,  Frohberoer  zu  der  angeführten  Stelle  des  Lysias  und  Anhang 
S.  204).  Anderseits  dadurch,  dass  die  Bezugsmasse  entweder  ganz  oder 
teilweise  in  den  Relativsatz  herübergenommen  wurde,  z.  B.  A  566  iirj  vi 
xoi  ov  xQ^'^f^^^^^  ocoi  x^soC  ela  iv  'OlvfiTKiJ,  Xen.  an.  IV  4,  2  etg  di  rjv 
a(pixovTO  xcöjwijv,  iieyaXrj  rjV,  Soph.  Ai.  1044  tig  i'  iativ  ovrtv^  avdqa 
TtQOtxXsvaaetg  cr^aTov; 

Nach  Verba  des  Wissens,  Wissenlassens  u.  ähnl.  im  Hauptsatz  hatt« 
der  Relativsatz  mit  og  oft  einen  Sinn,  den  wir  als  den  der  indirekten 
Frage  bezeichnen  können.  Dieser  Sinn  entstand  dann,  wenn  der  regie- 
rende Satz  kein  Demonstrativum  hatte,  mit  dem  das  Relativpronomen 
in  Kongruenz  stand,  z.  B.  Xen.  mem.  U  6,  29  jui;  ovv  anoxQvnxov  fic^  oig 
äv  ßovXoio  (pflog  yeväa&ai^  Soph.  0.  C.   1171  i^otd'  axovwv  Twrrf',  Sc  iCx^*  o 

Mit  0-  wurden  auch  die  Ausrufesätze  gebildet,  wie  <P  441  vrinvri,  wg 
avoov  xQadirjv  ix^g,  Plat.  Euthyphr.  p.  15  e  oJa  noisTg^  (o  haiQs,  Diese 
Relativsätze  entstanden  durch  Verschmelzung  einer  in  einen  Relativsatz 
gekleideten  Erläuterung  zu  einem  Ausruf  mit  diesem  Ausruf.  Man  kann 
sich  jene  Homerstelle  so  verdeutlichen:  „Unverständiger,  der  du  ein  so 
thörichtes  Herz  hattest,  wie  du  es  hattest!**  Diese  Vereinigung  des  Relativ- 
satzes mit  seiner  Bezugsmasse  war  schon  in  vorhistorischer  Zeit  durch- 
geführt, schon  damals  ein  fertiger  Satztypus  geworden. 

Durch  Verbindung  von  og  mit  rlg  entstand  og  tig  „welcher  irgend*. 
Das  Altindische  hatte  in  gleichem  Sinne  yd^  cid  mit  der  Partikel  cid  =  ii, 
und  dieser  Verbindung  entsprach  gort,  a  n  (§  201,  1  unter  ri).  Auch  in 
der  Konjunktion  ovi  neben  o  mag  rt  von  Anfang  als  Partikel  zugetreten  sein. 

205.  Die  satzverbindende,  relativische  Funktion  von  3,  ^,  rö  und  den 
dazu  gehörigen  Adverbien  wie  raxög,  xwfQa^  roi^e  war  jüngeren  Ursprungs 
als  die  von  og  (*jfo?).  Sie  findet  sich  im  Herakl.,  EL,  Arkad.,  in  den  drei 
äolischen  Dialekten,  bei  Homer,  Herodot  und  hie  und  da  auch  in  den  att. 
Inschriften.  ^)    Die  Anfange  ihrer  Entwicklung  dürften  also  ins  Urgriechische 


^)  Möglich  ist,  dass  in  diesen  Dialekten 
sich  hinter  tug    »wie''    (vgl.  §  204)  zugleich 


altes  *<rwc    ^so*    (§  94)  verbirgt;    es   wäre 
dann  eigentlich  tag  zu  schreiben. 


6.  BatEYerbindang.  (§205-207.)  231 

hinaufreichen.  Herodot's  og  statt  o  war  wohl  das  alte  *ao-g  (§  94),  und 
die  formale  Gleichheit  mit  og  =  '*'io-g  erklärt  es  leicht,  dass  man  in  diesem 
Dialekte  in  relativischem  Sinne  dem  og  vor  o  den  Vorzug  gab.  Die  Mei- 
nung Deecke's,  dass  die  relativische  Funktion  des  Demonstrativstammes 
tO'  überhaupt  erst  eine  Folge  des  formalen  Zusammenfalls  von  *iO'  und 
*so^  gewesen  sei,  glaubten  wir  S.  228  Fussn.  2  ablehnen  zu  sollen. 

Bei  Homer  ist  man  oft  im  Zweifel,  soll  man  den  Satz  mit  o  als 
Hauptsatz  oder  als  Nebensatz  ansehen,  vgl.  Friedlandeb,  Nican.  p.  34. 

Selten  erst  finden  sich  bei  Homer  solche  Relativsätze  dem  Hauptsatz 
vorangestellt:  A  125  äXkd  zd  fi^v  noXifav  i^enQcc&ofiev ,  %d  Säiaatai. 
Häufiger  bei  Herodot:  1,  5  ra  yap  ro  ndkai  fieyccXa  tjv,  xd  noXXd  avrdiv 
(ffnxQa  ytyove.  Bei  diesem  Schriftsteller  erscheint  to-  auch  in  solchen 
Sätzen,  die  man  als  indirekte  Fragesätze  bezeichnen  kann  (vgl.  den  gleichen 
Gebrauch  in  Sätzen  mit  og  =  *io-$  §  204),  wie  1,  56  i^Qovti^e  iaxoQiwv^ 
%ovg  av  'Ekktjvtov  dvvavandtovg  iovrag  nQOCKiri<sm%o  ^(Xovg  (vgl.  Stein  zu 
d.  Stelle). 

206.  Die  Nebensätze  mit  den  Fragepronomina  xig^  noxsQog,  nov  etc. 
gehörten  der  oratio  obliqua  an.  Als  Nebensätze  waren  sie  am  deutlichsten 
gekennzeichnet  durch  die  Personenverschiebung  und  den  optativus  obliquus, 
z.  B.  o  423  slgcita  rfij  ineixa^  rig  sitj  xai  nod^ev  il&ot  (vgl.  Ubtel,  Progr. 
von  Weimar  1884  S.  5). 

Daraus,  dass  rig  und  og  rig  (§  204)  otig  (§  207)  in  indirekten  Frage- 
sätzen gleichwertig  neben  einander  standen,  scheint  es  zu  erklären,  dass 
tfg  auch  den  relativischen  Gebrauch  von  og  rig  und  oxig  übernahm.  Am 
verbreitetsten  scheint  diese  Funktion  im  Thessalischen  gewesen  zu  sein, . 
z.  B.  C!oLLiTZ  Gr.  D.  n.  345,  22  xai  xdv  ovdXccv  x(g  xe  yivvetxei  (=  i^xtg^ 
av  yi'yvr^xai)  iv  xdve  dofiev^  ibid.  20  tpvXdg  ikofiävoig  ixdaxov^  noiag  xs 
ßeXXHXBi  (=  oTtofag  av  ßovXrjxai).  Ausserdem  findet  sie  sich  im  Kypr., 
Boot.,  selten  im  älteren  Attisch,  aber  häufiger  in  alexandrinischer  Zeit. 
S.  Kühner  II«  §  587  Anm.  1,  Nauck  zu  Soph.  El.  316,  Caüer,  Wochenschr. 
f.  klass.  Phil.  1885  S.  804,  Immisch,  De  pronominis  xig  liberiore  quodam 
usu,  Leipz.  Stud.  1887  S.  309  «.  Wie  im  Thesa.  ii^  xi  als  Relativum 
erscheint  =  diini^  so  auch  noxxi  =  oxi  in  jener  selben  Inschr.  Z.  12  ive- 
(fav(<s<SOBv  avxov^  noxxi  xai  ä  dfifie'ovv  noXig  iU  xog  noXäfiog  rroxedbexo 
TtXeiovovv  xovv  xaxoixHfSovxovv  (vgl.  im  Brief  des  Philipp  Z.  5  evstpavi^ov 
/i(W,  OT«  xai  ij  vfisxBQa  noXig  did  xovg  noXe'fiovg  TtQOfSdeTxai  nXsoviov  olxr^xwv); 
vgl.  §  201,  1  S.  224  unter  li. 

207.  Die  auf  den  Nebensatz  beschränkten  oreg,  onoxsqog^  onov^  onu^g 
etc.  entstanden  durch  Zusammenrtickung  des  mit  homer.  f^fig  „wie**  (in  Ver- 
gleichungen)  nächstverwandten  Neutr.  ^df^od  (§  98)  mit  den  Indefiniten  ri$, 
ninsQog  etc.  Auf  diese  Komposition  wirft  Licht  die  im  Hochdeutschen 
sich  findende  Verbindung  von  so  (got.  sra),  welches  das  Pron.  relat.  in 
allen  Kasus  vertreten  konnte,  mit  den  Indefiniten  hwer  „wer**  und  hweo 
„wie**  zu  8ö  hwer,  swer  und  so  hwSOy  stvie  im  Sinne  von  „wer  auch  immer** 
und  „wie  auch  immer**  (vgl.  0.  Erdmann,  Ztschr.  f.  Völkerps.  15,  408). 
Man  wird  annehmen  müssen,  dass  *af6S  in  gleicher  Weise   wie   unser  so 


232 


A.  Oriechiaohe  Grammatik,    d)  Syntax. 


allgemeine  Relativpartikel  geworden  war  i),  und  dass  es  sich  in  Verbin- 
dung mit  Tig  hielt,  weil  das  angefügte  Pronomen  den  Kasus  deutlich  zum 
Ausdruck  brachte.  Der  Gebrauch  im  indirekten  Fragesatz,  wo  auch  das 
direkte  Fragepronomen  üblich  war,  führte  in  einigen  Formen  zu  einer 
Verschiebung  des  Accentes  nach  der  Analogie  dieses  Pronomens:  oniaog^ 
oTtijKxoq^  oTiod'Sv  u.  dgl.  nach  niaog  etc.,  im  Dor.  auch  on^  onsX  u.  dgl. 
(Ahrens,  De  dial.  Dor.  34).  Dass  sich  in  den  ein  r  enthaltenden  Formen, 
otig  etc.,  die  ältere  Betonung  erhielt,  darauf  war  die  Analogie  von  og  ng 
von  Einfluss. 

Ganz  anders,  aber  mich  nicht  überzeugend,  beurteilt  Deecke,  Progr. 
von  Buchsweiler  1887  S.  31  ff.  unser  Pronomen.  Das  ganz  unverdächtige 
lokr.  f^oTi  als  nicht  beweiskräftig  bezeichnend,  führt  er  arig  auf  *iod  %ig 
zurück :  y^qwrtav  airiv,  oTtrjUxog  iaxiv  sei  entstanden  aus  r^qwvwv  avriv  (irö), 
o  Titjkixog  iativ, .  Die  Betonung  des  Fragepronomens  sei  das  ursprüngliche, 
die  in  otxov,  onoag^  Zug  das  unursprüngliche.  Auf  letztere  sei  wohl  von 
Einfluss  gewesen,  „dass,  bei  der  nahen  psychologischen  Berührung  der 
indirekten  Fragesätze  mit  den  Relativsätzen,  sämtliche  mit  o-  zusammen- 
gesetzte Formen  auch  als  Relativa  verwendet  wurden,  wobei  dann  der 
relative  Teil  so  überwiegen  musste,  dass  das  Interrogativ  wirklich  zum 
Indefinitum  herabgedrückt  wurde,  was  in  der  grossen  Mehrzahl  der  Fälle 
dann  auch  im  Accent  seinen  Ausdruck  fand  und  auf  die  Verwendung  im 
indirekten  Fragesatze  übertragen  ward*". 

Anmerkung.  Nur  scheinbar  kommen  otig  u.  s  w.  auch  in  direkten  Fragen  vor. 
8.  KüHSEB  II>  §  587  Anm.  1  und  Kbügeb  §  51,  17,  3. 

208.  Für  die  verschiedenen  adverbialen  Gebrauchsweisen  der  Neutra 
o,  o  T€,  o  Ti  (*iorf)  und  oTTi  oTi  f^oTi  (*(Xf  orf-Ti)  —  o  ti  (zu  og  tu;)  und  Ott 
(zu  ortg)  waren  gleichwertig  und  sind  schwer  auseinander  zu  halten  —  ist 
von  der  Bedeutung  „in  welcher  Beziehung,  in  Beziehung  worauf*  auszu- 
gehen. Man  muss  aber '  berücksichtigen,  dass  die  Entwicklung  zur  Kon- 
junktion bereits  in  vorhistorischer  Zeit  abgeschlossen  war  (welches  letztere 
auch  für  die  ai.  Konjunktion  ydd  gilt,  s.  Delbrück,  S.  F.  5,  572  ß.).  Vgl. 
Capelle,  Philol.  36,  193  S.  (wo  mir  3  t«,  z.  B.  II  433  äfioi  iywv^  o  rs 
xtA.,  mit  dem  zu  nots^  t&ts  gehörigen  oxe  unrichtig  identifiziert  zu  werden 
scheint). 

Die  Funktionen  von  dg  =  *k(ag  und  onmg  =  ^^pod-^ntag  lassen  sich 
alle  leicht  von  der  Bedeutung  «wie*"  aus  entwickeln. 

209.  Die  Grundbedeutung  von  ai  und  von  ei  (rj)  ist  nicht  sicher 
ermittelt  (vgl.  §  201,  3  S.  225).  Nach  L.  Lange  (Partikel  «*,  1872)  waren 
die  beiden  Konjunktionen  zur  Einleitung  von  Wünschen  und  Fallsetzungen 
geeignete  interjektionsartige  Partikeln,  wofür  si  d^  aye  zu  sprechen  scheint 
Mit  Rücksicht  auf  «t-ra,  €7t'€i\  fn-ci-xa  darf  vermutet  werden,  dass  ei  einst 
„da""  bedeutete  und  im  Eingang  von  Wunschsätzen,  ähnlich  wie  oig,    dazu 


')  Vgl.  auch  lit.  kür  ,wo"  (und  A;a  «was'J 
in  Sätzen  wie  tos  dvdras,  kür  pö  tat  zeme 
hüüo  ,der  Palast,  wo  (=  welcher)  unter  der 
Erde  war**  (daneben  und  ursprünglicher  kür 


jis  ,wo  er*  =  .welcher*),  und  nhd.  dial. 
der  mann,  wo  {=  welchen)  ich  gesehen  habe 
(älter  wo  ihn  -—  welchen). 


6.  SatEYerbindimg.  (§  208-211.)  233 

diente,  den  Wunsch  an  die  vorliegende  Situation,  der  er  entspringt,  anzu- 
knüpfen (vgl.  auch  Vf.  Ein  Problem  der  homer.  Textkr.  130). 

Jedenfalls  gingen  aus  den  selbständigen  ai-  und  «^-Sätzen  zunächst 
präpositive  Nebensätze  hervor,  und  erst  nachdem  al  und  ei  ihre  kon- 
junktionelle  Geltung  befestigt  hatten,  konnte  auch  Nachstellung  des  Neben- 
satzes erfolgen.    Diese  ist  bei  Homer  schon  häufig. 

Zur  Verwendung  von  el  in  indirekten  Fragesätzen  im  Sinne  unseres 
,ob',  die  ebenfalls  schon  oft  bei  Homer  sich  findet,  scheint  man  von  zwei 
Seiten  her  gekommen  zu  sein.  Einerseits  von  dem  Gebrauch  der  Kon- 
junktion in  Sätzen,  die  sich'  an  Verba  des  Versuchens  anschlössen;  den 
Übergang  machten  hier  Sätze  wie  £  168  ß^  ...  UdvdaQov  dvrt&eov 
St^i^fievog,  €1  nov  i^evqoi.  Anderseits  von  Bedingungssätzen  aus,  die  sich 
an  Verba  des  Sagens  anschlössen,  wie  X  371  xardXB^ov,  ei  nvag  avtid^äwv 
itdqmv  tdsgj  a  206  xatdXe^ov,  ei  dij  i^  avtoXo  xiaog  ndig  sig  ^Odvtrfjog. 

210.  Oleich  andern  Sprachen  verwendete  das  Griechische  präpositionale 
Adverbien  als  Konjunktionen.  Wie  die  Präposition  ein  einzelnes  Nomen 
regierte,  so  konnte  ihr  auch  ein  ganzer  Satz  untergeordnet  werden:  so 
fiäXQh  ^X^9  i(TT€,  TtXrjVy  z.  B.  fie'xQf'  (T^otog  iyäveto.  Die  Präposition  gehörte 
ursprünglich  zum  Hauptsatz  und  wurde  dadurch  zu  einer  einen  Nebensatz 
einleitenden  Konjunktion,  dass  sie  dem  Sprachgefühl  gleichwertig  mit  den 
älteren  konjunktionellen  Wörtern,  wie  i'tag^  (og  etc.,  erschien.  Wesentlich 
erleichtert  wurde  das  Zustandekommen  solcher  Nebensätze  dadurch,  dass 
die  Ausdrucksweisen  mit  fi^XQ^  ^^j  nXrjv  ori  u.  dgl.  daneben  standen,  bei 
denen  die  psychologische  Gliederung  ebenfalls  (wie  bei  nhd.  bis  dass,  so 
dass,  lat.  postquam)  die  Grenze  zwischen  Haupt-  und  Nebensatz  durch- 
brochen hatte.  Die  Erklärung  der  konjunktioneilen  Präpositionen  durch 
wirkliche  Ellipsen  ist  nicht  statthaft. 

In  ähnlicher  Weise  wurde  der  Komparativ  ttqiv  (§  201  S.  225)  „prius* 
zur  Konjunktion.  Dem  zum  Nebensatz  gezogenen,  als  das  ihn  einleitende  Wort 
empfundenen  TtQiv  wurde  häufig  im  Hauptsatz  noch  einmal  ein  vorweisendes 
7TQIV  oder  nqinBQov^  ndqog^  nQwfÖ-ev  vorausgeschickt  {ov  tiqiv  .  .  .,  7iq(v). 
Auch  ngiv  ^'  ,prius  quam''  wurde  als  einheitliche  Konjunktion  zum  Neben- 
satz gezogen,  wie  man  daraus  ersieht,  dass  auch  hier  noch  einmal  n^iv 
im  Hauptsatz  vorausgeschickt  wurde:  nqh  .  .  .,  nQiv  ij.  Vgl.  hiermit  das 
einheitliche  dXX'  ij  {dXX'  rj)  in  ovi^v  aXXo  .  .  .  dXX'  ij,  z.  B.  Plat.  Phaed.  p.  97  d. 

211.  Korrelative  Satzverbindung.  Die  Beziehung  zwischen  zwei 
Sätzen  kann  in  jedem  derselben  einen  besonderen  Ausdruck  haben,  sowohl 
wenn  die  Sätze  beigeordnet  sind,  als  auch  wenn  der  eine  dem  andern  unter- 
geordnet ist. 

Korrelation  bei  parataktischer  Satzfügung.  Altererbt  war  die  Satz- 
verbindung durch  ri  —  ti  (ai.  ca  —  cd)  und  durch  V*  —  V*  (lat.  -ve — ve, 
ai.  va  —  vä),  worauf  iji— -rj^  beruhte  (§  201,  1  unter  rj).  Man  vermutet 
mit  gutem  Fug,  dass  die  verbindende  Kraft,  die  das  einfache  r^  {ca,  que) 
hatte,  ursprünglich  nur  der  korrelativen  Doppelsetzung  beiwohnte  und  erst 
sekundär  in  die  einfach  gesetzte  Partikel  einzog  (Delbrück,  S.  F.  4,  145), 
und  ebenso  mag  auch  nur  das  doppelte  *^e  —  *^e  die  disjunktive  Bedeutung 


234  A.  Griechiflohe  Orammatik.    d)  Syntax. 


erzeugt  haben,  die  dann  auch  dem  einfachen  *ue  mitgeteilt  wurde.  aXkog 
[liiäv)  —  aXXog  (de)  mit  den  zugehörigen  Adverbien  von  «AAo-  entsprach 
dem  lat.  alius  —  alitis.  aga  —  aga  neben  einfachem  iiga  (Vf.  Ber.  d.  sächs. 
Ges.  d.  W.  1883  S.  63  flF.)  halte  ich  trotz  dem  entsprechenden  lit.  ir  —  ir 
für  eine  erst  in  der  speziell  griechischen  Sprachentwicklung  eingetretene 
Neuerung.  Ebenso  waren  speziell  griechische  Entwicklungen  afia  (jiäv)  — 
&fia  (rffc-),  xai  —  xaiy  z^  —  xaf,  ti  —  d€\  fi^v  —  de  u.  a.  Zu  iikXog  —  aXlog, 
ajuia  —  afia  wurden  fiäv  und  da  erst  in  jüngerer  (aber  schon  vorhistorischer) 
Zeit  zugefügt,  so  dass  nun  die  Korrelation  einen  zwiefachen  Ausdruck  hatte; 
die  ältere  einfachere  Weise  aber  noch  in  volkstümlicher  Rede,   z.  B.  a/i' 

Anmerkung.  Alle  diese  konjunkiionellen  Wörter  konnten  auch  innerhalb  des 
Einzelsatzes  zur  Verbindung  und  Gegenüberstellung  einzelner  Satzteile  dienen.  Vgl.  §  202 
Anmerk.  S.  227. 

Die  Korrelation  von  ninsQov  [ntneqa]  —  Vj  beruhte  auf  einer  Ver- 
schiebung der  ursprünglichen  Beziehung  von  TtoteQov.  Dieses  war  anfäng- 
lich nicht  Glied  des  ersten  Satzes  oder  Satzteiles,  sondern  trat  beiden 
Sätzen  oder  Satzteilen  selbständig  voraus:  ,, welches  von  beiden?  dieses 
oder  jenes?''  Die  adverbiale  Erstarrung  des  Wortes  ersieht  man  aus 
Sätzen  wie  Äschyl.  Pers.  351  rfveg  xarf^g^av^  notSQOv  ''ElXrjveg,  M«X^5>  V 
natg  €fi6g;  Die  Verdunklung  der  ursprünglichen  Bedeutung  des  Schwankens 
zwischen  zwei  Dingen  tritt  in  noreQov  —  ^  —  ^'  (in  dreigliedrigen  Fragen) 
hervor.     Vgl.  lat.  utrum  —  an. 

Korrelation  bei  hypotaktischer  Satzfügung.  Die  korrelative  Ver- 
bindung war  namentlich  dadurch  gegeben,  dass  die  deiktischen  Pronomina 
mit  ihren  Adverbien  (5,  «g,  ovtog^  ovtwg,  roiog,  rtbog  u.  s.  w.)  die  Fähigkeit 
hatten,  auf  gesprochene  oder  noch  zu  sprechende  Worte  hinzuweisen. 
Bezog  man  sie  auf  Sätze  mit  relativischen  Pronomina  oder  Pronominal- 
adverbia  (og,  wg  etc.),  so  war  die  Doppelrelation  hergestellt.  Auf  gleiche 
Linie  mit  den  Relativadverbien  traten  d  (demonstratives  Korrelat  reo, 
ot^ro),  TOTf),  inei  sneiSij  (Korr.  totc,  ovtco),  iffre  f^f^^XQ''  (Korr.  rtfag,  Toaovtov 
XQovov)  u.  a. 

212.  Der  Gegensatz  von  Haupt-  und  Nebengedanke,  Haupt-  und 
Nebensatz  führte  zu  einigen  Neuerungen  im  Gebrauch  der  Verbalformen, 
und  so  entstanden  neben  den  die  Subordination  andeutenden  Verhältnis- 
Wörtern  noch  andere  Charakteristika  für  die  Nebensätze.  Zunächst  in 
negativer  Beziehung,  insofern  sich  gewisse  uridg.  Funktionen  der  Modi  ent- 
weder in  den  Hauptsätzen  oder  in  den  Nebensätzen  verloren,  wie  sich  z.  B. 
der  voluntative  Gebrauch  der  2.  Pers.  conj.  ohne  firj  nur  in  abhängigen 
Sätzen  erhalten  hatte,  wie  i  561  aXX*  ays  ievQO,  ava^y  Ir*  ^nog  xcu  [avx^ov 
axovatjg  (über  die  scheinbare  Ausnahme  Soph.  Phil.  300  s.  §  165).  Sodann 
in  positiver  Beziehung,  insofern  sich  in  Nebensätzen  der  Optativ  zum  Modus 
der  indirekten  Rede  entwickelt  hatte  (§  167);  in  Sätzen  wie  K  26  MeväXao^^ 
€%€  iQOfiog^  ovd^  yccQ  avt(^  vnvog  im  ßXs(pdQoiaiv  eifi^avs^  iirj  ri  Ttdx^oiev 
'Agyem  und  in  den  jüngeren  (nachhomerischen)  optativischen  Zwischensätzen 
wie  Thuk.  2,  72  naiäsg  ydq  .  .  .  strflav  war  der  Opt.  der  oratio  obl.  als 
solcher  und  er  allein  äusseres  Kennzeichen  der  Unterordnung. 


6.  SatsYerbindung.  (§212-218.)  235 

213.  Wie  ein  einzelner  Hauptsatz,  so  konnten  auch  zwei  und  mehrere 
unter  sich  verbundene  Hauptsätze  zu  gleicher  Zeit  zu  Nebensätzen  herab- 
gedrückt werden.  Daher  konnten  alle  der  Beiordnung  dienenden  konjunk- 
tioneilen Wörter  auch  in  untergeordneten  Sätzen  auftreten,  wobei  ihre  ur- 
sprüngliche beiordnende  Funktion  natürlich  dieselbe  blieb,  z.  B.  Xen.  an. 
Vn  6,  3  iXeyeVy  ort  ro  arQorvevfia  anod(dw<si^  (pflog  te  xai  (JVfifiaxog  eivai 
ßovXetaiy  Herod.  1,  91  XQ^t^  i7ieiQ€(r&aij  xorsga  trv  icovTOv  f  ttv  Kvqov 
Xi'yoi  aQX^v. 


Nachträge  und  Verbesserungen. 

Seite  3  Zeile  9  von  unten  lies:  Litteratorforschung. 

S.  8  Z.  2  von  oben.    Das   hier  als  vergriffen  bezeichnete   Buch  Henbt's  Pröcis  etc.  ist 

mittlerweile  in  zweiter  Auflage  erschienen  (Paris,  Hachette  et  C*^,  1889). 
S.  20  Fussnote  3  lies:  Amer.  Joum.  of  Phil.  7,  422  sqq 
S.  20  Fussnote  5  fttge  am  Ende  hinzu:  H.  W.  Smyth,  The  Arcado-Cvprian  Dialect,  Trans- 

actions  of  American  Philological  Association,  vol.  XVIII  (1887).    Chr.  £.  Brnnett, 

On  the  Sounds  and  Inflections  of  the  Cjprian  Dialect,  Nebraska  University  Studies, 

vol.  I  no.  2  (October  1888). 
S.  21  Z.  21  von  unten  fUge   vor  Huibichs  hinzu:  Voobinz,  Grammatik  des  homerischen 

Dialektes,  Paderborn  1889. 
S.  21  Z.  10  von  unten  füge  nach  13,  173  ff.  hinzu:  14,  252  ff. 
S.  24  Z.  11  von  unten  lies  imo  statt  vno. 
S.  26  Z.  19  von  unten  lies  bairdis  statt  baireis, 
S.  29  Z.  26  f.  von  oben  lies:  *AQyBTo'g  —  *'j4Qy€ai(Hg  —  *'^^y€tffto-ff,  statt  ^eTog  —  ^(^eitsfl'^  — 

S.  35  Z.  9  von  oben  lies  o-nvi  statt  6-nvt, 

S.  51  f&ge  hinter  §  32  als  Anmerkung  hinzu:  Gewisse  Schwierigkeiten,  welche  die  Gestalt 
einiger  Wörter  der  Annahme  urindogermanischer  Tennis  aspirata  bereitet,  lassen 
sich,  wie  ich  anderwärts  zeigen  werde,  beseitigen,  wenn  man  der  idg.  Urzeit 
einen  dem  Wechsel  von  Tennis  und  Media  (s.  Vf.  Grdr.  1,  §  469,  7  S.  348) 
parallel  gehenden  Wechsel  von  Tenuis  aspirata  und  Media  aspirata  zuschreibt. 

S.  51  Z.  2  von  unten  füge  hinzu:  Auch  fQr  den  kyprischen  Dialekt  nimmt  Meister,  Gr. 
D.  2,  216  f.  die  Aussprache  ^  für  d  an  auf  Grund  der  Hesychiusglosse  xoQCia  * 

S.  55  Z.  13  f.  von  oben.  Bei  der  Erklärung  des  x  von  dtQaxtog  und  (ttQaxe<og  sind  auch 
kypr.  TQofjffeaSat,  «sich  wenden**  und  lak.  inirQvaaeiy  «Kehrt  machen,  halten ** 
(beide  bei  Hesychius,  s.  Meisteb,  Gr.  D.  2,  251)  zu  berücksichtigen.  Da  eine 
Präsensbildung  mit  ursprünglichem  o  kaum  annehmbar  ist  (denn  schwerlich  darf 
man  jQoaüm  als  verbum  denominativum,  von  einem  *tq61^  oder  *tQ6\ff  herkommend, 
ansehen),  so  dürfte  XQvaato  auf  eine  mit  Xvxog  zu  vergleichende  Wurzelform 
TQvx-  zu  beziehen  und  das  o  von  kypr.  tQoaaea&cei  gleich  dem  in  &0Qdy€tg, 
f^oxoi  u.  dgl.  (Meisteb  a.  0.  217  ff.)  als  Vertreter  von  u  anzusehen  sein. 

S.  59  §  39  Z.  3  füge  hinzu:  Über  den  Übergang  von  -a-  in  -h-  im  Kyprischen  vgl.  jetzt 
ausser  Meisteb,  Gr.  D.  2,  249  ff.  auch  0.  Hoffmann,  Bezz.  B.  14,  282  f. 

S.  65  Z.  6  von  oben  lies:  armen,  garn. 

S.  66  Z.  15  von  unten  füge  hinzu:  Iin  Kyprischen  ging  auch  anlautendes  unursprüngliches 
(urgriechisches  und  urkyprisches)  tf-  in  h-  über,  wie  in  vy-ysfiog  •  avXkaßtj  (att. 
avy),  vQiyya  •  ntvoy  (att.  ffvQiy^).    S.  Meisteb,  Gr.  D.  2,  247  f. 

S.  68  Z.  4  von  oben  füge  hinzu :  Das  o-  von  6-M6g  6-ßoX6g  betrachtet  Meisteb,  Gr.  D.  2,  205 
Fussn.  als  den  mit  dem  Nomen  zusammengewachsenen  Artikel  6;  vgl.  auch  die 
§  51  extr.  erwähnte  Hypothese  Baunack's. 

S.  79  Z.  3  von  unten.  Mit  dem  Kypr.  xd  d{y)Tl  vergleicht  sich  auch  kypr.  ro  iQotyi  =  roT 
igtoy^,  6  i(y)  =  oX  i(y).    S.  Meisteb,  Gr.  D.  2,  238  f. 

S.  81  Z.  7  von  unten  füge  hinzu:  V.  Henby,  L'accent  dans  la  döclinaison  grecque,  M.  d. 
1.  8.  d.  1.  6,  368  ff. 

S.  84  Z.  17  V.  o.  lies  *tty-Bni/-&Bxoio  statt  ay-ent-^BToio. 

S.  99  Z.  7  von  oben.  Der  hier  gegebenen  Erklärung  von  fjtixaoaai  ist  vielleicht  die  von 
P.  GiLES  (The  Classical  Review  III  1889  p.  4)  gegebene  vorzuziehen,  nach   der 


236  Nachträge  nnd  yerbesseniiigeii. 

das  Wort  als   fiit-aatstu  ein   part  fem.   von   (nh-eifAi  {fjtBxa  eifui)  war  mit  der 
Stammform  «r-  =  *«-t/<-  (vgl.  §  112  S.  151).    fAe'raaaai  wäre  für  lautgesetzliches 
*fÄ6&aaaia  eingetreten  nach  den  Formen  mit  r  wie  fÄBTeifÄt  fisiBlvai. 
S.  105  Z.  4  V.  u.  Dasselbe  Suffix  -f^y-  in  dvgtSy   ,der  Kaum»  wo  sich  die  Thüre  befindet, 
Vorraum**,  welches,  wie  das  kypr.  ^oQnyag  *  ro  l^ai.  IJdtpioi  (Hesychius)  zeigt,  aus 

*^vQä-f:iov  hervorgegangen  war.  Also  alich  nvXtoy  aus  *7ivXtt-ftay,  Vgl.  Meistkr, 
Gr.  D.  2,  218,  der  die  Grundform  »vQafoiy  in  der  Inschrift  n.  86  (S.  162)  ver- 
mutet. Der  Plural  d^ogayas  ist  wohl  daraus  zu  erklären,  dass  &vQwy  in  manchen 
Wendungen  mit  ^vQd  gleichbedeutend  geworden  war;  wie  nun  bei  ^)Q€t  der 
Plural  üblich  war  (vgl  §  178),  so  bildete  man  nach  dieser  Analogie  auch  9o- 
Q^yeSy  vgl.  ^oQttyag  mit  »h'^aCe  d.  i.  O^vgoa-de, 

S.  106  §  71%  1  Anmerk.  Zeile  4  lies:  lit.  akmü\ 

S.  115  Z.  11  von  oben.    Zu  Ji/^ei-^efits  s.  jetzt  auch  Meister,  Gr.  D.  2,  228. 

S.  122  Z.  14  von  oben  lies : .  kypr.  nroXifi  Collitz,  Gr.  D.  n.  60,  6  (nach  der  Lesung 
Mbisteb*s,  Gr.  D.  2,  154.  233,  der  annimmt,  dass  in  *nr6h/!og  /  sich  als  Über- 
gangslaut zum  o  eingestellt  hatte  und  dann  in  den  dat.  verschleppt  wurde). 

8.  124  Z.  4  von  oben  fOge  hinter  roiy  azijXaiy  hinzu:  (taty  scheint  im  klassischen  Attisch 
nur  einmal  belegt  zu  sein,  C.  I.  A.  II  3,  n.  1559,  4.  Jahrh.  v.  Chr.). 

S.  125  §  87  Z.  9  füge  hinzu:  rgiiys  als  analogLsche  Neubildung  ist  allerdings  nur  unter 
der  Voraussetzung  begreiflich,  dass  in  der  zweiten  Silbe  nicht  derselbe  Laut  ( 
gesprochen  wurde  wie  in  der  ersten  Silbe  von  rgi^y  XQi-ai,  dass  es  also  etwa 
eine  Form  trins  (mit  nasaliertem  i)  war,  die  die  Umbildung  zu  rqUyg  erfuhr. 

S.  132  Z.  10  von  unten* lies:  Akkusative,  statt  Akussative. 

S.  134  Z.  21  V.  0.  Zur  Erklärung  des  arkad.  dat  ofpBt^  nimmt  Meisteb.  Gr.  D.  2,  115 
an,  dass  einmal  ein  loc.  sg.  *a<pBi,  gebildet  gewesen  sei,  wie  ndiy  oXxh,  und  dass 
dieser  dann  nach  dem  Muster  von  l^yotg  :  Igyoi  Pluralisierun^  erfahren  habe. 
Freilich  kommen  Formen  wie  *bI  ^ubi>  *aBi  neben  oT  fiol  aoi  nicht  vor,  und  so 
möchte  ich  meiner  Hypothese  den  Vorzug  geben. 

S.  134  Z.  11  von  unten  und  S.  231  Z.  9  ff.  von  unten.  Die  Annahme  Mbistbb's  (Gr.  D.  2, 
161.  242  u.  sonst),  in  der  kypr.  Inschrift  n.  77  sei  ifo  te  als  fo  dij  =  ,id  quod  hic 
(est)*  zu  lesen,  ist  unwahrscheinlich,  da  ein  solcher  Gebrauch  der  Partikel  fo 
=  *fffo&  ohne  Beispiel  ist  Ist  vielleicht  fd^e  ,de  suo*  zu  lesen?  Vgl.  kypr 
Tto^e  für  sonstiges  no^ey  und  t{y)9e  für  iy^ey  (Meisteb  S.  255  f.). 

S.  139  Z.  13  V.  o.  lies  tQi-novg  statt  XQi-noyg, 

S.  145  Z.  9  von  oben  füge  hinzu:   Pabmentibr,  M^m.  d.  1.  S.  d.  1.  6,  391  ff. 

S.  150  Z.  8  von  oben  füge  nach  *i'fff€Xxoy  hinzu:  Sollte  sich  herausstellen,  dass  -su- 
zwischen  sonantischen  Vokalen  lautgesetzlich  zu  -<r-  wurde  (vgl.  §  13  S.  33),  so 
wäre  für  *ie&i^oy,  *ieXxoy  (woraus  et&tCoy,  elXxoy)  anzunehmen,  dass  jene  Laut- 
gruppe in  ihnen  nach  den  Formen  mit  anlautendem  s^  (i&iCt^y  iXx<o)  behandelt 
wurde;   sie  verglichen  sich  also  mit  e-yyeoy  e-fifioge  u.  dgl.   (s.  u.). 

S.  153  Z.  9  von  oben  lies  ^yeyx-a  statt  ijyeyx-ix. 

S.  156  Z.  11  ff.  von  oben  (vgl.  S.  50  Z.  18  von  oben).  Das  befremdliche  i  in  oxidyafnu, 
mxytiiAii  niXyafAaij  xiQyrjjnt  erklärt  Moulton,  The  Classical  Review  III  1889  p.  45 
folgendermassen.  axi^ya/Aai  und  axe&dyyvfjii  gehörten  verschiedenen  Wurzeln  an, 
jenes  derselben,  die  in  <r/iCai  lat.  scindo  etc.  enthalten  war.  Sie  wurden  infolge 
ihrer  Laut-  und  Bedeutungsähnlichkeit  enge  assoziiert^  und  dies  hatte  zur  Folge, 
dass  man  zu  ntt-  ein  nityr^fui  stellte  u.  s.  f. 

S.  189  Z.  18  von  oben.  M^m.  d.  1.  S.  d.  1.  6,  378  ff.  sucht  V.  Henry  die  Bopp*sche  Zu- 
sammenstellung von  ov  mit  ai.  dva  «weg,  ab*  zu  rechtfertigen. 

S.  189  Z.  2  von  unten  (Anmerkung).  J.  van  LbetTwen,  De  particularum  x^y  et  ay  apud 
Homerum  usu,  Mnemosyne  N.  S.  XV  p.  75  sqq.  stellt  verschiedene  Bedeutung 
dieser  Partikeln  in  Abrede. 

S.  207  §  184.  Nach  Meister,  Gr.  D.  2,  295  f.  waren  im  Kyprischen  die  Form  des  instr. 
sg.  und  die  des  dat.  sg.  der  ä-Stämme,  -a  und  -ni,  auch  noch  im  Gebrauch 
geschieden.  Jene  liegt  nur  mit  Instrumentalbedeutung  vor,  dgä  „infolge  des 
Rufes*,  et'xfoXtt  .infolge  des  Gelübdes*,  av(y)  Tt»/a  „in  Verbindung  mit  einem 
Glücksfall*;  auch  bei  v  rv/a  „auf  Grund  emes  Glücksfalls*  (nach  Meister  v(y) 
rvx^)  und  an'  o<r(<r)f  j^  „infolge  eines  Traumgesichtes*  ist  von  der  instrumentalen 
Bedeutung  auszugehen.  ^ 

S.  225  vor  d^Qi  füge  hinzu:  kypr.  airdg,  wie  avtag  gebraucht,  aus  ait'  «q  „femer  nun*. 
*iU'ra  neben  ei-ra  wie  «^  neben  ei.    Vgl.  Meister,  Gr.  D.  2,  227. 


B. 


Lateinische  Grammatik 

(Laut-,  und  Formenlehre,  Syntax  und  Stilistik) 


bearbeitet  von 


Dr.  Friedrich  Stolz,       und  j.  H.  Schmalz, 

aord.  Profenor  der  vergleichenden  SprachwiaBeu^chaft  Oymnaaialdlrektor  zn  Tauberbiachofohelm. 

in  Innsbruck. 


Inhalt. 

a)  Einleitung  in  die  lateinische  Ghrammatik  (bez.  in  die  lateinische  Laut-  und  Formen- 
lehre), bearbeitet  von  Prof.  Dr.  Fr.  Stolz. 

1.  über  Oeschichte  und  Methode  der  laieiniiichcD  GnunnuiUk. 

2.  ÜberRichtUche  Oeschichte  der  latriuiscben  Bchrifüiprache. 

3.  StelluDg  defl  Lateinischcu  zu  den  verwandten  Sprachen  und  zu  den  übrigen  ItallMohen  Dialekten. 

b)  Lateinische  Lautlehre,  bearbeitet  von  Prof.  Dr.  Fr.  Stolz. 

1.  Schriftzeichen  und  Orthographie. 

2.  Verhältnis  des  lateinischen  Lautbestandes  zu  dem  der  indogermanischen  Grundsprache. 

3.  Zur  Aussprache  des  Latein. 

4.  Vokale. 

5.  Liquidae. 
G.  Nasales. 

7.  Verschlnsslautc. 

8.  Rpiranteu. 

9.  Lautwandel  in  Konsonantengrnppen  und  anderer  kombinatorischer  Lautwandel. 
10.  Betonung. 

c)  Lateinische  Formenlehre,  bearbeitet  von  Prof.  Dr.  Fr.  Stolz. 

1.  Deklination  des  Noraens. 

2.  Deklination  der  Pronomina. 

3.  Anhang. 

a)  Numeralia. 

b)  Steigerung  der  Adjektiva. 

c)  Nominalkomposition. 

4.  Flexion  des  Verbums. 

d)  Lateinische  Syntax,  bearbeitet  von  Gymn.-Dir.  J.  H.  Schmalz. 

1.  Ein&cher  Satz:  a)  Behauptungssatz  und  Aufforderungssatz. 

2.  Fortsetzung:  b)  Fragesatz. 

8.  Zusammengesetzter  Satz:  a)  Beiordnung. 
4.  Fortsetzung:  b)  Unterordnung. 

ec,  Übergang  aus  der  Parataxe  in  die  Hypotaxe,  Nebensätze  ohne  Verbindungswort. 
ß,  Nebensätze  mit  Verbindungswort. 
aa.  Relativsitze. 
ßß,  Konjunktionalsätze. 

e)  Lateinische  Stilistik,  bearbeitet  von  Gymn.-Dir.  J.  H.  Schmalz. 

1.  Eigentümlichkeiten  im  (}cbrauch  der  Redeteile. 

2.  Wortstellung. 

3.  Satzbau. 

4.  Reinheit  und  Korrektheit  der  Darstellung. 

5.  Reichtum  und  Mannigfaltigkeit  der  Darstellung. 

6.  Einfachheit  und  Kürze  der  Darstellung. 


Einleitung  in  die  lateinische  Grammatik. 

1.  Über  (beschichte  und  Methode  der  lateinischen  Grammatik. 
Während  die  Ausbildung  der  griechischen  Grammatik,  beziehungsweise  die 
spezielle  Beschäftigung  mit  der  Sprache,  in  eine  Zeit  fällt,  in  welcher  die 
Entwicklung  der  Litteratur  den  Höhepunkt  bereits  überschritten  hatte, 
sind  auf  lateinischem  Sprachboden  Schöpfung  der  Litteratur  und  Bildung 
der  Sprache  von  Anfang  an  eng  verschwistert.  So  kam  es,  dass  Staats- 
männer mit  grammatikalischen  Fragen  sich  befassten,  wie  denn  der  Censor 
Appius  Claudius  bekanntermassen  das  Alphabet  verbesserte.  In  beson- 
derem Grade  aber  waren  die  Dichter,  z.  B.  Ennius,  Accius,  Lucilius,^  auch 
Sprachbildner  und  in  gewissem  Sinne  Grammatiker,  die  sowohl  praktisch 
als  theoretisch  auf  die  Ausbildung  der  Sprache  tiefgreifenden  Einfluss  aus- 
übten. Mit  den  theoretischen  Studien  der  Griechen  wurden  die  Römer 
wahrscheinlich  zuerst  durch  den  Philosophen  Krates  von  Mallos  595  u.  n. 
bekannt  gemacht.  Eine  Folge  seiner  Wirksamkeit  ist  es  wohl,  wenn 
wir  von  jener  Zeit  ab  auch  die  römischen  Gelehrten  und  Staatsmänner 
(z.  B.  Varro,  Caesar)  in  den  Kampf  über  Analogie  [natura,  ratio,  aequa- 
litas]  ^)  und  Anomalie  [usus,  consuetudo,  inaequalitas]  eintreten  sehen,  aus 
dem  bekanntlich  erstere,  allerdings  nicht  ohne  dass  an  letztere  erhebliche 
Zugeständnisse  gemacht  wurden,  als  Siegerin  hervorging.  Überhaupt  haben 
auch  in  anderer  Hinsicht  die  grammatischen  Studien  der  Römer  dieselbe 
Entwickelung  erfahren,  wie  die  ihrer  griechischen  Meister.  Den  yXiaaaai 
entsprechen  wenigstens  teilweise  die  umfangreichen  lexikalisch-etymologischen 
Arbeiten  eines  Varro,  Nigidius  Figulus,  Verrius  Flaccus,  zum  Teil 
mit  dem  ausgesprochenen  Zwecke  geschrieben,  jLltes^  der  grossen  Masse 
unverständlich  gewordenes  Sprachgut  durch  die  Erklärung  zu  erhalten. 
Daran  schliesst  sich,  wie  bei  den  Alexandrinern,  die  Herausgabe  der  älteren 
Schriftwerke,  womit  der  Grammatiker  Valerius  Probus  aus  Berytos  den 
Anfang  machte;  seine  Lebenszeit  fällt  ungefähr  in  die  Regierung  des  Kaisers 
Nero.  Zahlreiche  Kommentatoren,  Asper,  Flavius  Caper,  Velins  Lon- 
gus,  Terentius  Scaurus,  haben  sodann  umfangreiches  Material  zur  Er- 
klärung namentlich  der  Dichter  aufgespeichert.    Auch  noch  in  einem  an- 


')  Die  Reste  dieser  grammatikalischen 
Th&tigkeit  des  Lucilius  in  der  Ausgabe  von 
L.  MOllbb  S.  43  ff. 


»)  Vgl.  Gellius  II,  XXV  2  Hertz;  Varro 
de  1.  1.  VIII. 


240  B.  Lateinische  Grammatik,    a)  Einleitung. 

deren  Punkte  haben  die  Römer  unmittelbar  an  die  Griechen  sich  angelehnt: 
wie  diese  den  alten  Homeros,  haben  sie  seinen  Nachahmer  Vergilius  in 
den  Mittelpunkt  ihrer  grammatischen  Thätigkeit  gerückt. 

In  der  Methode  der  Grammatik,  worunter  man  bis  zum  Schlüsse  des 
Altertums  die  ganze  wissenschaftliche  Beschäftigung  mit  der  Sprache  über- 
haupt zu  verstehen  hat,  sind  die  römischen  Nationalgrammatiker  ihren 
griechischen  Lehrmeistern  völlig  sklavisch  gefolgt,  indem  sie  das  von  den 
Stoikern  zu  einem  gewissen  Abschluss  gebrachte  System  der  griechischen 
Grammatik  einfach  auf  die  lateinische  Sprache  übertrugen.  Ihr  Verdienst 
ist  die  Übertragung  der  griechischen  Termini,  für  die  sie  die  noch  heute 
üblichen  Übersetzungen  aufbrachten,  von  denen  bekanntlich  „accusativus'^ 
ebenso  wie  „infinitivus'^  zur  Wiedergabe  der  griechischen  Ausdrücke  »o^ti- 
auxrj'^  und  ^änagäfi^ccrog'*  unrichtig  gewählt  sind.  Die  Behandlungsweise 
der  antiken  Grammatik  [ich  spreche  zunächst  von  der  Formenlehre]  war 
die  etymologische,  d.  h.  die  einzelnen  Bedeteile  wurden  der  Reihe  nach 
abgehandelt.  So  sind  die  grossen  Werke  des  Flavius  Sosipater  Cha- 
risius,  Diomedes,  Priscianus  angelegt,  ein  umfangreiches,  mehr  zu- 
fällig zusammengetragenes  statistisches  Material  aufhäufend,  ohne  Rücksicht 
auf  historische  Gesichtspunkte.  Es  gehört  bekanntlich  zu  den  Eigentüm- 
lichkeiten wie  der  späteren,  tiefer  gesunkenen  Zeit  überhaupt,  so  auch  der 
Grammatiker,  dass  der  Nachfolger  seinen  Vorgänger  auf  die  rücksichts- 
loseste Weise  ausschreibt,  ein  Umstand,  auf  den  man  bei  Abwägung  der 
antiken  Grammatikerzeugnisse  besonderes  Gewicht  legen  muss.  [Vgl.  je- 
doch auch  die  Bemerkungen  Brambachs  Neug.  50.]  Neben  den  grossen 
Lehrgebäuden  oder  »institutiones*  schuf  das  praktische  Bedürfnis  zum 
Zwecke  des  Unterrichts  kurzgefasste  Lehrbücher  „artes*,^  deren  Vor- 
bilder man  leicht  in  den  griechischen  „täxvai'^  erkennt,  die  Vorläufer 
unserer  Grammatiken.  Gleich  der  »i^^'x^^y*  des  Dionysios  Thrax  unter  den 
griechischen  Bearbeitungen  dieser  Art,  hat  unter  den  lateinischen  die  ,ars 
Donati''  die  meiste  Verbreitung  und  am  längsten  dauernde  Verwendung 
gefunden,  und  verschiedene  Grammatiker,  wie  Servius,  Sergius,  Pom- 
pe ius  haben  umfangreiche  Kommentare  dazu  geschrieben.  Dogmatisch  ab- 
gefasste  Traktate,  die  dem  (häufig  nur  vermeintlich)  Falschen  das  Richtige 
gegenüberstellen,  so  besonders  de  orthographia,  de  accentibus  u.  s.  w.  sind 
bei  den  jüngeren  Grammatikern  seit  Hadrian  beliebt.  Überblickt  man  die 
Gesamtthätigkeit  der  römischen  Nationalgrammatiker,  so  muss  unumwun- 
den zugestanden  werden,  dass  sie  nicht  durch  Vervollkommnung  der  Me- 
thode oder  Aufdeckung  neuer  Gesichtspunkte,  sondern  lediglich  durch  die 
Aufspeicherung  und  Erhaltung  eines  umfangreichen  Materials  sich  nicht  zu 
verachtende  Verdienste  erworben  haben. 

Das  Mittelalter,  seinem  grösseren  Vorgänger  an  geistigem  Schwünge 
überhaupt  nachstehend,  war  sicher  nicht  darnach  angethan,  auf  die  gram- 
matischen Studien,  die  jetzt  ausschliesslich  praktischen  Zwecken  dienstbar 
gemacht  wurden,  belebend  und  befruchtend  einzuwirken.  Was  in  dieser 
Zeit  Grammatik  heisst,  ist  ein  trockenes  Regelverzeichnis,  der  Niederschlag 
antiker  Gelehrsamkeit.  Seit  dem  Wiederaufblühen  der  humanistischen  Studien 

')  F.  BoLTB,  De  artium  scriptoribus  latiois  qnaestiones  din.  Bonn*  1B86. 


1.  über  Oeschichte  und  Methode  der  lateinischen  Grammatik.  (§1.)       241 

fand  wohl  auch  die  lateinische  Grammatik  eifrige  Pflege  bei  Männern,  wie 
Sanetius,  Scaliger,  Vossius,  Kuddimaniis,  welche  auf  die  Alten 
zurückgriffen,  jedoch  im  wesentlichen  über  die  Resultate  derselben  nicht 
hinauskamen.  Für  die  Verbesserung  der  Methode  ist  durch  ihre  zum  Teil 
sehr  umfangreichen  Arbeiten  wohl  soviel  wie  nichts  geschehen.  Inwieferne 
auch  6.  Hermann,  dessen  Theorien  ebenso  auf  die  lateinische  Grammatik 
angewendet  werden  konnten,  wie  auf  die  griechische,  einen  bleibenden  £in- 
fluss  auf  die  Methode  der  Grammatik  überhaupt  nicht  nehmen  konnte,  weil 
eben  seine  Voraussetzungeu  falsch  waren,  ist  von  Brugmann  in  der  Ein- 
leitung zu  der  griechischen  Grammatik  S.  6  f.  auseinandergesetzt  worden. 
Auch  Beisig  und  Haase  haben  sich  in  ihren  Vorlesungen  (von  letzterem 
ist  die  Formenlehre,  „Etymologie'^ ,  überhaupt  nicht  bearbeitet)  im  wesent- 
lichen an  die  antike  Grammatik  angeschlossen,  daher,  wenigstens  hinsichtlich 
der  Laut-  und  Formenlehre,  keinen  Fortschritt  zu  verzeichnen.  Einen  An- 
fang zu  besserer  Ordnung  und  umfassender  Darstellung  des  grammatikali- 
schen Stoffes  machte  Konr.  Leop.  Schneider  in  seiner  „Elementarlehre  der 
lateinischen  Sprache^ ,  von  welchem  Werke  nur  der  erste  Teil  und  die  erste 
Hälfte  des  zweiteu  Teiles  erschienen  sind  (die  Lautlehre  und  Deklination 
umfassend).  Jedoch  erst  durch  den  Einfluss  der  vergleichenden  Gram- 
matik einerseits  und  der  sogenannten  historischen  andererseits  wurde 
auch  die  Methode  der  lateinischen  Grammatik  zu  solcher  Vervollkommnung 
gebracht,  dass  sie  den  Anspruch  erheben  darf,  eine  „wissenschaftliche'' 
genannt  zu  werden.  Da  ich  auf  Brugmanns  oben  vorliegende  Darstellung 
verweisen  kann,  beschränke  ich  mich  hier  darauf,  zu  bemerken,  dass  es 
natürlich  auch  in  der  Methode  der  lateinischen  Grammatik  einen  Gegensatz 
zwischen  „historische  und  „komparativ"  nicht  gibt,  sondern  dass  diese 
beiden  Richtungen  der  Forschung  sich  notwendig  bedingen  und  gegenseitig 
ergänzen.^)  Um  jedoch  die  einzelnen  Fortschritte,  welche  in  der  wissen- 
schaftlichen lateinischen  Grammatik  (bez.  Laut-  und  Formenlehre)  gemacht 
worden  sind,  nach  Gebühr  würdigen  zu  können,  werde  ich  im  folgenden 
den  Ausdruck  „historische  Grammatik"  beibehalten,  und  zwar  in  dem  Sinne, 
wie  er  lange  das  Arbeitsfeld  der  Grammatik  beherrscht  hat.  Da  die  alten 
Grammatiker,  wie  bereits  oben  bemerkt  worden  ist,  die  geschichtliche  Ent- 
wickelung  der  Sprache  beinahe  gar  nicht  ins  Auge  fassten,  so  war  vor 
allem  ein  wenig  angebautes  Feld  das  alte  Latein.  Die  Kenntnis  desselben 
beschränkte  sich  bis  ins  19.  Jahrhundert  hinein  auf  die  handschriftliche, 
zum  Teil  durch  die  grössten  Verderbnisse  entstellte  Überlieferung.  Da  war 
es  Friedrich  Ritschi,  der  bei  seiner  Bearbeitung  des  Plautus  zur  Er- 
forschung des  alten  Latein  überhaupt  und  der  Inschriften  insbesondere  ge- 
drängt wurde.  Hiebei  hat  nun  Uitschl  mit  dem  glänzendsten  Scharfsinn 
das  früher  dunkle  Gebiet  der  archaischen  lateinischen  Sprache  aufgehellt, 
er  „hat  in  einer  Reihe  klassischer  Untersuchungen  die  Entwicklungs- 
geschichte der  lateinischen  Sprache  vom  6.  bis  8.  Jahrhundert  der  Stadt 
in  ihren  Grundzügen  dargestellt''  ^)  und  ist  so  der  eigentliche  Schöpfer  der 
sogenannten   historischen   Granfimatik  geworden,   allerdings    zu   sehr    den 

>)  Yfß.   auch  Dblbbück,    Das   Sprach-  ^)  Brambach,  Neug.  11. 

* —  Mf  den  deutschen  Universitäten  S.  5. 

tar  lÜMi.  AltertuiDflwiflKiMclmft.  U.    2.  Aufl.  IG 


242 


B.  Lateinische  Grammatik,    a)  Einleitung. 


Gegensatz  zu  den  Sprachvergleichern  betonend J)  Ihm  verdanken  wir  es 
vor  allen,  dass  wir  jetzt  eine  methodisch-kritisch  gesicherte  Kenntnis  der 
alten,  inschriftlich  überlieferten  Latinität  besitzen.  Die  zahlreichen  in 
Universitätsprogrammen,  in  Zeitschriften  (bes.  im  Rheinischen  Museum) 
zerstreuten  Schriften  Ritschl's  sind,  soweit  sie  die  lateinische  Grammatik 
betreffen,  im  2.,  3.  und  4.  Bande  seiner  Opuscula  gesammelt.*)  Von  grosser 
Bedeutung  ist  auch  K.  Lachmann's  Kommentar  zu  Lucretius.  In  Ritschl's 
Geiste  haben  0.  Ribbeck  und  andere  Schüler  weiter  gewirkt.  Ohne 
Zweifel  ist  auch  W.  Gorssen  vornehmlich  durch  die  Forschungen  des 
frübar  ^nannten  Meisters  zu  mannigfachen  Arbeiten  auf  dem  Gebiete  der 
altitalischen  Sprachen  überhaupt  und  des  Lateinischen  insbesondere  geführt 
worden.  In  seinem  Hauptwerke  „Über  Aussprache,  Vokalismus  und  Be- 
tonung der  lateinischen  Sprache"",  in  dessen  zweite  Auflage')  auch  die 
Resultate  der  inzwischen  erschienenen  „Kritischen  Beiträge*"  und  der 
„Kritischen  Nachträge""  aufgenommen  sind,  suchte  er,  namentlich  in  der 
zweiten  Auflage,  unter  weitläufiger,  aber  zu  wenig  kritischer  Heranziehung 
der  vergleichenden  Sprachforschung  ein  grundlegendes  Werk  für  die 
historisch-komparative  Grammatik  der  lateinischen  Sprache  zu  schaffen. 
Doch  ist  einerseits  die  Anlage  (hauptsächlich  wohl  durch  den  ursprünglichen 
Zweck  bedingt)  eine  wenig  durchsichtige  (besonders  stören  viele  lästige 
Wiederholungen),  andererseits  Corssens  Standpunkt  in  mancher  Hinsicht 
zu  eng,  so  namentlich  seine  Stellung  zur  komparativen  Grammatik.^)  Dazu 
kommt  noch  eine  höchst  einseitige,  verbissene  Polemik,^)  die  ganz  besonders 
in  seinem  letzten  Werke  ^)  hervortritt  und  ihn  sehr  oft  an  der  Erkenntnis 
des  Richtigen  gehindert  hat.  Aus  den  angeführten  Gründen  sind  Corssens 
umfangreiche  Arbeiten  trotz  der  unleugbaren  grossen  Verdienste  des  Ver- 
fassers nicht  ohne  bedeutende  Mängel,  die  den  Wert  des  Ganzen  erheblich 
herabdrücken  und  eine  neuerliche  Prüfung  der  in  denselben  enthalt^enen 
Anschauungen  dringend  notwendig  erscheinen  lassen,  und  dies  um  so  mehr, 
weil  seit  jener  Zeit  auch  in  der  indogermanischen  Sprachforschung  ein 
gewaltiger  Umschwung  sich  vollzogen  hat.  Im  wesentlichen  sind  die  Resultate 
der  Corssen'schen  Forschung  wiedergegeben  in  folgenden  Büchern:  R. 
Kühner,  Ausführliche  Grammatik  der  lateinischen  Sprache  Bd.  I  Han- 
nover 1877;  Domenico  Pezzi,  Grammatica  storico-comparativa  della 
lingua  Latina,  Torino  1872  [bedeutet  in  manchen  Punkten  einen  Fort- 
schritt über  C.  hinaus];  J.  Wordsworth,  Fragments  and  specimens  of 
early  Latin  London  1875  (in  der  Einleitung,  welche  einen  Abriss  der 
Grammatik   beibringt);^)   J.  M.  Guardia  et  J.  Wierzeyski,    grammaire 


')  Vgl.  jedoch  Opusc.  5.  573. 

^)  über  Ritschl's  Forschungen  zur  Ge- 
schichte der  lat.  Sprache  vgl.  Ribbeck,  N. 
J.  1857,  305  ff.,  1858.  177  ff.,  1862,  369  ff.; 
BuBsiAN,  Gesch.  d.  klass.  Phil.  etc.  S.  832  ff. 

»)  1.  Aufl.  2  Bde.,  Leipzig  1858—59; 
2.  Aufl.  2  Bde.,  Leipzig  1868  70;  die  .Kri- 
tischen Beiträge  zur  lat.  Formenlehre*  sind 
1863,  die  ,Krit.  Nachträge *"  1866  erschienen. 

*)  Benfey  in  „Orient  und  Occident*  1, 
250  f. 

*)  RiTSCBL,  Opusc.  4,  777. 


^)  Beiträge  zur  italischen  Spiachkunde, 
Leipzig  1876. 

^)  Eine  Ohersicht  der  altlateinischen 
Oberreste  auch  von  Fbederik  D.  Allen, 
Remnants  of  early  Latin  selected  and  ex- 
plained  for  the  use  of  students,  Boston  1880 
[ygl.  0.  Keller  in  Gott  Gel.  Anz.  1882, 666  f.] ; 
£.  Schneider,  Dialectorum  italicamm  aevi 
vetustioris  exempla  selecta.  Pars  I.  Lipeiae 
1886  (den  lateinischen  und  faliskiaehen 
Dialekt  umfassend). 


1.  über  Geschieht^  nnd  Methode  der  lateinischen  Grammatik.  (§  1.)       243 

de  la  langue  latine  d'apres  la  methode  analytique  et  historique  Paris  1876. 
Das  Buch  von  Dr.  H.  Merguet,  „die  Entwicklung  der  lateinischen  Formen- 
bildung  unter  beständiger  Berücksichtigung  der  vergleichenden  Sprach- 
forschung, Berlin  ISTO**  berührt  sich  naturgemäss  vielfach  mit  Corssens 
Arbeiten,  bedeutet  aber  nur  in  einigen  wenigen  Punkten  einen  Fortschritt, 
so  z.  B.  in  der  Erkenntnis  von  der  Unhaltbarkeit  der  Erklärung  der  so- 
genannten zusammengesetzten  Verbalformen  durch  '  die  Komposition  des 
Stammes  mit  Hilfsverben.  Auch  E.  Herzog,  Untersuchungen  über  die 
Bildungsgeschichte  der  griechischen  und  lateinischen  Sprache,  Leipzig  1871, 
bringt  nichts  Neues  von  Belang.  Eine  höchst  verdienstvolle,  wenn  auch 
rein   statistische    Arbeit  ist   F.  Neue,    Formenlehre   der   latein.    Sprache, 

1.  Bd.  2.  Aufl.  Beriin  1877,  H.  Bd.  2.  Aufl.  Berlin  1875,  3.  Aufl.  Lfg.  1  f. 
Berlin  1888,  Register  von  C.  Wagener,  Beriin  1877. 

Speziell  von  Seite  der  komparativen  Forschung  sind  die  bedeutsamen 
Arbeiten  von  G.  Curtius  hervorzuheben,  der  in  mehreren  kleineren  üni- 
versitätsschriften  und  Abhandlungen  (teils  in  anderen  Zeitschriften,  teils  in 
den  von  ihm  herausgegebenen  „Studien  zur  griechischen  und  lateinischen 
Grammatik ''),  in  dem  1846  erschienenen  Buche  „die  Bildung  der  Tempora 
und  Modi  im  Griechischen  und  Lateinischen **,  in  seinen  „Grundzügen  der 
griechischen  Etymologie,  5.  Aufl.  Leipzig  1879*^  und  in  dem  „Verbum  der 
griech.  Sprache  seinem  Baue  nach  dargestellt  1.  Bd.  2.  Aufl.  Leipzig  1877, 

2.  Bd.  2.  Aufl.  Leipzig  1880"  auch  zur  Aufhellung  des  Lateinischen  sehr 
viel  beigetragen  hat.  Um  von  kleineren  Arbeiten  zu  schweigen,  erwähne 
ich  weiter  „Leo  Meyer,  Vergleichende  Grammatik  der  griech.  und  lat. 
Sprache  L  Bd.  Beriin  1861  und  in  2.  Aufl.  1882—84,  IL  Bd.  Berlin  1865% 
enthaltend  die  Laut-,  Stamm-  und  Wortbildungslehre.  Die  zweite  Auflage 
des  ersten  Bandes  kann  lediglich  als  eine  grossartige  Materialiensammlung 
bezeichnet  werden,  da  der  Autor  die  Fortschritte  der  Wissenschaft  seit  zwei 
Dezennien  nur  höchst  spärlich  berücksichtigt  hat.  Von  besonderer  Wichtig- 
keit ist  K.  Brugmann,  Grundriss  der  vergleichenden  Gramiiiatik  der  indo- 
germanischen Sprachen  I.  Bd.  Einleitung  und  Lautlehre,  Strassburg  1886; 
n.  Bd.  1.  Hälfte  ib.  1889  (Nominalkomposition  und  Stammbildungslehre). 
Dagegen  hat  V.  Henry,  Precis  de  grammaire  comparee  du  Grec  et  du 
Latin  Paris  1888  das  Lateinische  im  Verhältnis  zum  Griechischen  ziemlich 
stieftnütterlich  behandelt.  King  und  Cookson,  The  principles  of  sound 
and  inflexion  u.  s.  w.  (vgl.  Bbuomann  S.  8)  habe  ich  nicht  einsehen  können. 

Mächtig  gefördert  haben  die  Kenntnis  der  altitalischen  Dialekte  und 
des  alten  Latein  F.  Bücheler's,  W.  Deecke's,  H.  Jordan's,  G.  Lowe's, 
A.  Pauli's  u.  a.  Arbeiten. 0    Ein  Unternehmen  von  der  grössten  Bedeutung 


*)  Des  erstgenannten  bochverdienten  Ge- 
lehrten Forschungen  sind  niedergelegt  in 
einer  Reihe  Universit&tsprogiamme  v.  Bonn 
und  Aufsätzen  im  Rheinischen  Museum ;  ferner 
in  dessen  «Umbrica  Bonnae  1883";  Jordan 's, 
gleichfalls  eines  gewiegten  Kenners  der  ita- 
lischen Sprachen  Arbeiten  in  mehreren  Pro- 
gnunmen  der  UniversitAt  Königsberg,  in  der 
ZMtadirift  Hermes  und  in  dem  Buche  ,Kri- 


Sprache,  Berlin  1879.  •  Von  Paüli's  scharf- 
sinnigen Arbeiten  sind  hier  zu  erwähnen 
, Altitalische  Studien*  Heft  I — V,  Hannover 
1883-87.  G.  LöwB  hat  der  Erforschung 
der  Glossen  seine  Hauptthätigkeit  zugewandt 
in  seinem  »Prodromus  corporis  glossariorum 
Lat."  Lipsiae  1876  und  in  «Glossae  nominum" 
herausgegeben  von  G.  Götz,  Lipsiae  1884. 
Neuestens  Götz  und   Gundermahn,  Corpus 


tiachfr   BeiMge    zur    Geschichte     der    lat.      Glossariorum  Latinorum  II,  Lipsiae  1888. 

16* 


244  S*  Lateinische  Ghrammatik.    a)  Einleitung. 

auch  für  die  Grammatik  ist  das  „Archiv  für  lateinische  Lexikographie 
und  Grammatik,  herausgegeben  von  Prof.  E.  Wölfflin,  Bd.  I — IV, 
Leipzig  1884  ff.  Femer  seien  noch  erwähnt  »A.  Vanicek,  Griechisch- 
lateinisch etymologisches  Wörterbuch,  Leipzig  IS??*,  und  von 
demselben  Verfasser  „Etymologisches  Wörterbuch  der  lateinischen 
Sprache,  2.  umgearbeite  Auflage,  Leipzig  1881. **  Beide  letztgenannten 
Werke  haben  vornehmlich  Wert  durch  die  (freilich  nicht  vollständige 
Sammlung)  des  weit  zerstreuten,  oft  schwer  zugänglichen  Materials.  ^  Ich 
mache  weiter  noch  aufmerksam  auf  Ch.  S.  Halsey,  An  Etymology  of  Latin 
and  Greek  Boston  1882  [vgl.  G.  Meyer,  Lit.  Centr.  1883,  Sp.  29],  H. 
Br^al  et  A.  Bailly,  Dictionnaire  etymologique  latin  Paris  1885  [„Gours 
superieur'^  der  „Lefons  des  mots**  vgl.  F.  Hartmann,  Arch.  f.  lat.  Lex. 
3,  287]  und  nenne  als  das  vorzüglichste  lexikalische  Hilfsmittel  K.  E. 
Georges,  Ausführliches  Lateinisch-deutsches  Handwörterbuch  7.  Aufl., 
2  Bde.,  Leipzig  1879—80  und  desselben  Verfassers  Lexicon  der  lateinischen 
Wortformen  1.  Lfg.,  Leipzig  1888.  S.  ßeinach,  Grammaire  Latine  Paris 
1886  enthält  auf  S.  251 — 321  den  Versuch  eines  Abrisses  einer  wissen- 
schaftlichen Grammatik.  Die  neueste  Bearbeitung  ist  Schweizer-Sidler 
und  Surber,  Grammatik  der  lateinischen  Sprache,  I.  Teil:  Gänzlich  um- 
gearbeitete Auflage  der  im  Jahre  1869  erschienenen  Elementar-  und 
Formenlehre  von  H.  Schweizer-Sidler,  Halle  1888. 

In  welch  umfassender  Weise  die  lateinische  Grammatik  aus  der  Lit- 
teratur  der  vergleichenden  Sprachforschung  und  der  altitalischen  Dialekte 
Nutzen  ziehen  kann,  ist  im  einzelnen  aus  der  folgenden  Darstellung  er- 
sichtlich, weshalb  ich  es  hier  unterlasse,  darauf  einzugehen. 

Dr.  A.  GulFKSBAVf  Geschichte  der  klassischen  Philologie  im  Altertum  4  Bde.,  Bonn 
1843—1850,  Bd.  2  und  3.  Prof.  K.  Reisig's  Vorlesungen  über  lateinische  Sprachwissen- 
schaft herausgegeben  mit  Anmerkungen  von  Dr.  Pbibdrich  Haasb,  Leipzig  1889,  bes. 
S.  19  f.,  28  f.,  dasselbe  neu  bearbeitet  von  H.  Haokn  1.  Bd.,  Berlin  1881,  S.  19  ff.  Fried- 
SICH  Haasb,  Vorlesungen  Ober  lateinische  Sprachwissenschaft  herausgeg.  von  Fbibdb.  Aug. 
Eckstein  Bd.  I,  Leipzig  1874,  bes.  S.  12  f.  Dr.  Julius  Jolly,  Die  Sprachwissenschaft. 
D.  H.  Whitney *s  Vorlesungen  über  die  Prinzipien  der  vergl.  Sprachforschung  f.  d.  deutsche 
Publikum  bearbeitet  und  übersetzt,  München  1874,  bes.  S.  652  f.  Dr.  H.  Stbinthal,  Die 
Entwicklung  der  Sprachwissenschaft  bei  den  Griechen  und  Römern,  Berlin  1863.  G.  Bubsian, 
Geschichte  der  klassischen  Philologie  in  Deutschland,  München  und  Leipzig  1883,  S.  971  f. 
B.  DelbbOck,  Einleitung  in  das  Sprachstudium,  2.  Aufl.  Leipzig  1884  (Bibl.  indog.  Gramm. 
Bd.  IV).  Weitere  Litteratumachweise,  bes.  über  grammatische  Einzelschriften,  Schul- 
grammatiken u.  s.  w.  bei  E.  Hübnkb,  Grundriss  zu  Vorlesungen  über  lat.  Grammatik, 
2.  Aufl.,  Berlin  1881,  S.  17  f.  Vgl.  auch  Fb.  A.  Eckstein,  Lateinischer  und  griechischer 
Unterricht  herausgeg.  von  Dr.  H.  Hbyden,  Leipzig  1887. 

2.  Übersichtliche  Oeschichte  der  lateinischen  Sprache.  Mit  Rück- 
sicht auf  die  Oeschichte  der  lateinischen  Litteratur,  mit  der  natürlich  die 
Sprache  in  enger  Beziehung  steht,  lassen  sich  etwa  folgende  Perioden  der 
Entwicklung  der  lateinischen  Sprache  abgrenzen. 

L  Vorlitterarische  Periode.  In  das  Dunkel  dieser  in  ihren  An- 
fängen prähistorischen  Zeit  bringt  nur  die  vergleichende  Sprachforschung 
einiges  Licht.  Aus  jenen  Zeiten ,  über  die  wir  bereits  historische  Kunde 
besitzen,   sind  nur  spärliche  Reste  aus  altüberlieferten  Gesängen  (carmen 


1)  Vgl.  übrigens  G.  Meter  in  Neue  Jahrb.  f.  Phil,  und  Päd.  Jg.   1878,  687  f.  und 
Philol.  Anz.  XIII,  1  f. 


2.  Überflichtliche  Geschichte  der  lateinischen  Sprache.  (§  2.) 


245 


arvaTe,  Carmen  saliare)  oder  Gesetzesformeln  (leges  XII  tabularum)  in  teil- 
weise ganz  unursprünglicher  Form  auf  uns  gekommen.  Erst  im  6.  Jahrhundert 
der  Stadt  beginnt,  wenn  auch  anfangs  sehr  spärlich,  die  inschriftliche  Über- 
lieferung; die  älteste  lateinische  Inschrift  überhaupt  ist  die  Aufschrift  der 
Fibel  von  Palestrinn  aus  dem  6.  vorchristlichen  Jahrhundert  [W.  Heibig, 
Mittheil.  d.  deutschen  arch.  Inst.  Rom.  Abtlg.  II,  37  f.,  F.  Dümmler  ib. 
40  f.,  G.  Lignana  ib.  139  f.,  Bücheier,  Rh.  M.  42,  317  flf.],  die  älteste  in 
der  Stadt  Rom  gefundene  die  Dvenosinschrift  vom  Quirinal  (vgl.  unten  §  4). 

II.  Archaische  Periode  von  demBeginne  derLitteratur  (c.  240) 
bis  Cicero.  Die  Entwicklung  der  Sprache  wurde,  wie  bereits  angedeutet, 
durch  das  Auftreten  der  ersten  Dichter  bedeutend  beeiuflusst.  Zwar  die 
älteren  (Livius  Andronicus,  Naevius)  hielten  für  das  Epos  an  dem  altererbten 
satumischen  Masse  fest  und  mit  ihm  bis  zu  einem  gewissen  Grade  auch 
an  der  flüchtigeren,  beweglicheren  Form,  die  jedes  Volksidiom  ohne  Lit- 
teratur  charakterisitrt.  Jedoch  ihre  Nachfolger,  an  ihrer  Spitze  Ennius, 
haben  die  lateinische  Sprache  nicht  nur  einem  fremden  Versmasse  angepasst, 
sie  haben  ihr  auch  bestimmte  Normen  geschaffen,  durch  die  der  erste  An- 
stoss  gegeben  wurde  zur  Sonderung  der  Sprache  der  Gebildeten  von  jener 
des  Volkes  und  der  Bauern.  Am  konservativsten  hält  noch  eine  geraume 
Zeit  der  Kurialstil  an  dem  Alten  fest,  übrigens  mit  sehr  erheblichen 
Schwankungen,  wie  man  am  besten  aus  der  von  Schneider  S.  162  ff.  ge- 
gebenen t^bersicht  „De  antiquae  orationis  varietate'*  ersehen  kann,  ebenso 
haben  sich  manche  Archaismen  in  der  Dichtersprache  erhalten  und  auch 
in  dem  folgenden  Zeitraum  behauptet.  Interessanten  Aufschluss  über  das 
Verhältnis  des  Plautus  und  Terentius  geben  A.  G.  Engelbrecht's  Studia 
Terentiana  (Arch.  f.  lat.  Lex.  1,  135  ff.). 

Eine  stattliche  Reihe  von  Inschriften  gibt  uns  willkommenen  Aufschluss 
nicht  nur  über  die  Fortbildung  der  Sprache  der  Gebildeten,  die  wir  ja  auch 
aus  den  litterarischen  Produkten  dieser  Zeit  kennen  lernen,  sondern  auch 
über  die  Volkssprache. 

III.  Das  goldene  Zeitalter  der  lateinischen  Sprache  von 
Cicero  bis  zum  Tode  des  Augustus  (14.  n.  Chr.).  In  dieser  Zeit  wird 
die  Scheidung  zwischen  dem  sermo  plebeius  und  rusticus  ^)  einer-  und  dem 
sermo  urbanus  andererseits  endgültig  besiegelt.  Ungezwungene  Weiterent- 
wicklung wird  nur  den  ersteren  zu  teil:  die  Schriftsprache  bewegt  sich  in 
fest  normierten  Bahnen,  die  nur  ein  beschränktes  Ausweichen  gestatten. 
Insbesondere  erlauben  sich  die  Dichter  zahlreiche  Archaismen  und  manche 
Vulgarismen;  vgl.  A.  Riese,  Die  Gedichte  des  CatuUus  S.  XXX,  St.  Steffani 
im  Programm  des  k.  k.  Stäatsgymn.  zu  Mitterburg  v.  J.  1884  über  die 
Archaismen  Vergils.  In  diese  Zeit  und  die  ihr  unmittelbar  folgende  fällt 
die  endgültige  Ausbreitung  der  lateinischen  Umgangssprache  über  ganz  Italien. 

Die  IV.  Periode,  die  der  silbernen  Latinität,  ist  die  Reaktion 
des  Individuums  gegen  die  strikten  Normen  und  die  allseitige  gesetzmässige 
Beschränkung  des  Sprachgebrauches,  die  die  klassische  Zeit  sich  auferlegt 
hatte.     Sie  charakterisiert  ganz  besonders  die  Durchsetzung  des  prosaischen 


>)  Bbhvhabdy,  GruDdriss  der  römischen 
Litterntar^  8.  350  verzeichnet  die  Litteratur 


über  diesen  Gegenstand.    Die  verschiedenen 
Bezeichnungen  bei  Schuchardt,  Vok.  1, 102  f. 


246  B.  Lateinische  Grammatik,    a)  Einleitung. 

Stiles  durch  den  poetischen.  Von  der  Sprache  des  Volkes  geben  uns  der 
Roman  des  Petronius  und  die  zahlreichen  pompejanischen  Wandinschriften 
willkommene  Kunde. 

Noch  ein  anderer  Versuch  wurde  gemacht,  um  der  alternden  Schrift- 
sprache neues  Leben  zuzuführen.  In  der  V.  Periode,  welche  man  die 
archaisierende  nennen  kann,  griff  man  wieder  auf  die  alte  vorcicero- 
nianische  Latinität  zurück,  ein  Versuch,  der  für  den  Sprachforscher  den 
Wert  hat,  dass  vieles  Archaische,  von  dem  sonst  keine  Kunde  auf  die  Nach- 
welt gedrungen  wäre,  durch  eifrige,  wenn  auCh  nicht  immer  glückliche 
Nachahmer  uns  erhalten  ist.  Um  die  Wende  des  zweiten  nachchristlichen 
Jahrhunderts  beginnt 

Die  VI.  Periode  der  lateinischen  Sprachgeschichte.  Die  Schriftsprache, 
welche  ohnehin  immer  nur  auf  einen  kleinen  Kreis  beschränkt  gewesen  war, 
wird  durch  das  Eindringen  des  sermo  plebeius  und  rusticus  mit  Vulgarismen 
durchsetzt.  Dazu  kam  noch,  dass  in  den  Provinzen  sich  mehr  oder  minder  grosse 
Eigentümlichkeiten  geltend  machten,  welche  der  herrschenden  Umgangs- 
sprache eine  eigenartige  Färbung  verliehen  (afrikanisches,  gallisches  Latein). 
Alle  diese  Umstände  führten  den  Untergang  der  Schriftsprache  herbei,  die 
am  längsten  noch  im  Kreise  der  christlichen  Schriftsteller  sich  behauptete. 
So  hatte  nach  einer  Herrschaft  von  ungefähr  300  Jahren  die  hochlatei- 
nische Schriftsprache  dieselbe  eingebüsst,  und  ihr  Erbe  trat  die  Vulgär- 
sprache an,  die,  von  jener  zuerst  in  den  Hintergrund  gedrängt,  in  steter 
Regelmässigkeit  sich  seit  den  Anfängen  der  lateinischen  Sprache  fortent- 
wickelt hatte.  Daher  denn  die  bekannte  Erscheinung,  dass  soviele  Vul- 
garismen und  Archaismen  sich  decken,  dass  der  Romanist  mehr  Anknüpfungs- 
punkte im  archaischen  als  im  klassischen  Latein  findet.  Die  ebenso  dank- 
bare, als  schwierige  Aufgabe,  das  Hervorwachsen  der  romanischen  Sprachen 
aus  der  römischen  Umgangssprache  zu  zeigen  und  so  gewissermassen  die 
Kette  der  lateinischen  Sprachentwickelung  zu  schliessen,  gehört  nicht  in 
den  Rahmen  dieser  Arbeit.  Diese  hat  vielmehr  im  wesentlichen  den  Zweck, 
die  Laut-  und  Formenlehre  der  hoch-  oder  schriftlateinischen  Sprache  fest- 
zustellen, ihren  Bestand  mit  Zuhilfenahme  der  archaischen  und  volkstüm- 
lichen Sprache  zu  erklären  und  an  gelegentlichen  Beispielen  zu  zeigen,  wie 
dieses  künstliche  Gebilde  eines  beschränkten  Kreises  durch  die  im  Volks- 
munde frei  und  ungezwungen  sich  fortentwickelnde  Sprache  allmählich 
wieder  verdrängt  wurde.  Über  das  Verhältnis  der  romanischen  Sprachen 
zur  lateinischen  vergleiche  man  jetzt  die  vortreffliche  Auseinandersetzung 
von  W.  Meyer  in  Qröbers  Grundriss  der  romanischen  Philologie  I,  352—382 
(Strassburg  1886). 

Anmerkung  1.  Über  die  Geschichte  der  lateinischen  Sprache  vgl.  Ritscbl,  Priscao 
Lat.  mon.  ep.  p.  V,  Brakbach,  Neug.  11  ff.,  Schmalz,  AnÜbarbarus  (Basel  1886),  S.  1  —  16; 
über  das  Verhältnis  der  lat.  Volks-  und  Schriftsprache  Schuchabdt,  Vok.  1,  44  ff.,  Körtino, 
Encyklopädie  u.  Methodologie  d.  roni.  Phil.  I,  122 f.;  über  die  Litteratur  des  Vulgär-  und 
Spätlatems  von  1877—1883  Sittl  in  Bubsian's  Jahresberichten  XL,  317  ff.  Vgl.  auch 
Stolz  in  Ersch  u.  Gbubbb's  Enc.  2.  Sekt.  42.  Tl.  S.  187  ff. 

Anmerkung  2.  Ober  die  dialektischen  Verhältnisse  des  alten  Latein  hat  R.  Sittl 
„Die  lokalen  Verschiedenheiten  der  lateinischen  Sprache,  Erlangen  1882"  jedenfalls  zu  weit- 
gehende Ansichten  aufgestellt  (vgl.  v.  Hartel,  Phil.  Anz.  13,  777  ff.  und  G.  Mbtee  und 
H.  Schvchardt,  Z.  f.  rom.  Phil.  6,  608  ff.).  Jedoch  ist  sicher,  dass  die  stadtrömische 
Sprache  sich  in  manchen  Punkten  von  den  nahe  verwandten  Idiomen  von  Falerii,  worüber 


8.  Btellnng  des  Lateinischen  sn  den  verwandten  Sprachen  etc.  (§3.)      247 


neuesiens  bandelt  Deegke,  Die  Falisker,  Strassburg  1888,  und  Praene^te  unterscbied  (z.  B. 
ist  bier  auch  inlautendes  idg.  bh  dh  =  f).  Insoweit  wird  man  daher  immerhin  auch  von 
dialektischen  Verschiedenheiten  der  lateinischen  Sprache  reden  dürfen.  Vgl.  darüber  auch 
Löwe,  Acta  soc.  phil.  lips.  2,  474,  Ritschl,  Op.  4,  479  ff.,  Schücbabdt,  Vok.  1,  89  f. 

Anmerkung  3.  Das  nach  der  Wochenschr.  f.  klass.  Phil.  1887,  Sp.  1597  von  der 
Academie  des  inscriptions  et  belles  lettres  preisgekrönte  Buch  von  Loth,  Etüde  gramma- 
ticale  et  historique  de  la  langue  des  inscriptions  latines  compar^e  avec  celle  des  ^crivains 
romains  u.  s.  w.  habe  ich  noch  nicht  zu  Gesicht  bekommen. 

3.  Stellung  des  Lateinischen  zu  den  verwandten  Sprachen  und 
zu  den  übrigen  italischen  Dialekten.  Eine  weit  verbreitete,  von  namhaften 
Forschem  vertretene  Ansicht  lässt  die  Italiker  mit  den  Oriechen  aus  dem  ge- 
meinsamen Grundstamme  der  Gräko-Italer  hervorgehen  und  nimmt  demzu- 
folge einen  engeren  Zusammenhang  zwischen  der  lateinischen  und  griechischen 
Sprache  an.  Diese  Ansicht,  ohne  Zweifel  vornehmlich  gestützt  durch  die  in  ge- 
meinsamen Bahnen  verlaufende  geschichtliche  Entwickelung  der  beiden  klassi- 
schen Völker,  erweist  sich  nach  dem  gegenwärtigen  Stande  der  Untersuchung 
über  die  Verwandtschaftsverhältnisse  der  indogermanischen  Sprachen  als  un- 
haltbar.^) Denn  gemeinsame  charakteristische  Eigentümlichkeiten,  wie  sie  zu 
einer  Zusammenfassung  unter  eine  engere  Einheit  unbedingt  notwendig  sind, 
fehlen  den  beiden  klassischen  Sprachen.  Überhaupt,  wenn  das  Italische 
mit  einem  Zweige  der  indogermanischen  Sprachen  in  eine  innigere  Be- 
ziehung gesetzt  und  zu  einer  engeren  Einheit  zusammengefasst  werden 
darf,  so  sind  dies  entschieden  die  keltischen  Sprachen,  welche  mit  dem 
ersteren  einige  charakteristische  morphologische  Eigentümlichkeiten  gemein 
haben:  die  eigenartige  Verwendung  gewisser  mit  dem  Eennlaut  r  gebildeten 
Verbalformen,  die  im  Italischen  zur  Bildung  eines  neuen  Verbalgenus,  des 
Passivums,  geführt  hat,  das  6-Futurum,  die  Erweiterung  der  /i-Stämme 
durch  n-Suffixe.^)  Eine  treffliche  Auseinandersetzung  über  diesen  Gegen- 
stand, zugleich  mit  Angabe  der  Litteratur  findet  man  bei  0.  Schbadeb, 
Sprachvergl.  78  f.,  desgleichen  bei  Brugmann  in  Techmer's  Internationaler 
Zeitschrift  für  Sprachwissenschaft  1,  226  f.  Neuestens  hat  v.  Bradke  in 
seiner  Schrift  „Beiträge  zur  Kenntnis  der  vorhistorischen  Entwickelung 
unseres  Sprachstammes,  Giessen  1888^  den  Versuch  gemacht,  die  gräko- 
italische  Einheit  einerseits  und  die  italo-keltische  andererseits  durch  An- 
nahme einer  gräko-italischen  älteren  und  einer  italo-keltischen  jüngeren 
Epoche  aufrecht  zu  erhalten.  Trotz  des  grossen  dabei  aufgebotenen  Scharf- 
sinnes scheint  mir  diese  Annahme  kaum  haltbar. 

Innerhalb  der  Völker  des  alten  Italien  bilden  die  Lateiner  mit  den 
umbrisch-sabellischen  Volksstämmen  eine  ethnographische  und  sprachliche 
Einheit,  die  sich  scharf  abgränzt  von  den  übrigen  Völkerstämmen  des  alten 
Italien,  den  Ligurern,  Japygern,  Iberiern,  Etruskern.     Das  Volk  der  Italiker 


*)  Daran  ändert  auch  nichts  B.  W.  Lbist, 
Gräko-italische  Rechtsgescbichte  Jena  1884; 
vgl.  M.  Voigt,  Berl.  Phil.  Woch.  5,  50  f. 
Während  die  im  Texte  ausgesprochene  An- 
sicht die  Zustimmung  sehr  vieler  Gelehrter 
gefunden  bat  (z.  B.  von  Windiscb,  bei  Gbö< 
BEB,  Grundriss  d.  rem.  Phil.  I,  300,  Köbtino, 
Encyklop.  u.  Meth.  d.  rem.  Phil.  I,  116, 
Heübt  rr^cis  9),  hat  sich  Ascoli,  Sprachw. 


Briefe  (Gütersloh  1887)  S.  55  Anm.  wieder 
für  die  gräko-italische  Hypothese  ausgespro- 
chen. Auch  Schwbizbb-Sidleb  bat  sich  in 
einem  Vortrage  auf  der  Philologen  Versamm- 
lung zu  Zürich  1887  gegen  die  gräko-italische 
Hypothese  ausgesprochen. 

s)  Über  das  Verhältnis  des  Altgallischen 
zum  Lateinischen  vgl.  Wibdisch  bei  Gböbbb, 
Grundriss  d.  rom.  Phil.  I,  300  f. 


248  B*  Lateinische  Grammatik,  a)  Einleitung. 

hatte,  wohl  noch  vor  seiner  Teilung  in  einzelne  Stämme,  nach  den  Nach- 
weisungen Helbig's  0  in  den  Pfahldörfern  der  Poebene  seine  ursprünglichen 
Sitze.  In  geschichtlicher  Zeit  treten  uns  vornehmlich  drei  grössere  Stämme 
mit  eigenartig  entwickelten  Dialekten  entgegen,  Lateiner,  Umbrer, 
Osker.  Die  umbrisch-oskischen  Mundarten,  zu  denen,  soviel  wir  nach  den 
dürftigen  sprachlichen  Resten  schliessen  dürfen,  auch  die  von  Picenum, 
die  der  Marruciner,  Sabeller,  Vestiner,  Päligner,  Marser,  Volsker 
gehörten,  treten  durch  gewisse  Eigentümlichkeiten  in  Gegensatz  zum  latei- 
nischen Dialekt;  einige  hervorragende  sind  die  Vertretung  des  indogerma- 
nischen labialisierten  volaren  A;-Lautes  durch  p,  die  Unterlassung  der  Ver- 
schiebung der  uritalischen  Vertreter  der  indogermanischen  Aspiraten, 
Bildung  des  Inf.  Präs.  auf  -um  u.  s.  w.  Sämtliche  italische  Dialekte  sind, 
wie  bekannt,  durch  die  lateinische  Sprache  verdrängt  worden;  zumeist  hat 
sich  dieser  Prozess  vollzogen  nach  dem  letzten  Versuch,  den  die  Italiker 
im  Sozialkrieg  für  die  Erhaltung  ihrer  Individualität  machten,  worüber  man 
vergleiche  Jordan,  Krit.  Beitr.  zur  Geschichte  der  lat.  Sprache  130  f., 
Nissen,  Italische  Landeskunde  I,  4G6  f. 

Anmerkung.  W.  Debckb  hat  neaestens  das  Einwkische  in  Gböber's  Gnindriss 
d.  rom.  Phil.  I,  345  mit  voller  Sicherheit  zu  den  flbrigen  altitalischen  Sprachen  gerechnet. 
Ich  vermag  auch  heute  noch  die  Berechtigung  nicht  zuzugeben.  Auch  durch  R.  Ellis, 
Sources  of  the  Etruscan  and  Basque  languages,  London  1886  (vgl.  Pauli,  Neue  phil.  Bund- 
schau 1887.  S.  359  ff.)  und  C.  Moratti,  Studii  sulle  antiche  lingue  Italiche,  Firenze  1887 
ist  die  Etruskerfrage  noch  immer  nicht  gelöst.  -  Die  Denkmäler  des  umbrischen  Dialektes 
sind  jetzt  am  besten  zugänglich  in  M.  Bb^l,  Les  tables  Eugubines,  Paris  1875  und  F. 
BücHBLBB,  Umbrica,  Bonnae  1883,  die  des  oskischen  in  J.  Zvetajeff,  Sylloge  inscriptionum 
Oscarum,  Petropoli  1878,  die  der  übrigen  mittel-  und  unteritalischen  Dialekte  in  desselben 
Verfassers  Inscriptiones  Italiae  mediae  dialecticae,  Lipsiae  1884  und  Inscriptiones  Italiae 
inferioris  dialecticae,  Mosquae  1886.   Die  ältere  Litteratur  bei  Hübnbb,  Gnindriss'  S.  11  f. 


^)  Beiträge  zur  altitalischen  Kultur-  und  Kunstgeschichte  I,  Leipzig  1879. 


Lateinische  Lautlehre. 


1.  Schriftzeichen  und  Orthographie.^ 

I.  Bestand  und  Herkunft  des  lateinischen  Alphabetes.  >) 

4.  Das  älteste  lat.  Alphabet  bestand  aus  21  Zeichen  und  zwar  für 
die  Buchstaben  a,  b,  c,  d,  c,  /*,  js^  h,  i,  k,  l,  w,  n,  x^  o,  2>,  q,  r,  s,  t,  u.^) 
Dieses  Alphabet  stammt  nach  den  Nachweisungen  Mommsen's  *)  und  Eirch- 
hoff's^)  gleich  den  Alphabeten  der  übrigen  italischen  Sprachen  aus  dem 
der  campanischen  Griechen  und  bildet  mit  dem  faliskischen  eine  Gruppe 
gegenüber  dem  etruskisch-oskisch-umbrischen/)  Das  griech.  Stammalphabet 
ist  das  chalkidische,  bez.  das  der  chalkidischen  Kolonien  (Kirchhoff,  Tafel 
II,  2).  Mit  diesem  teilt  es  die  Form  U  für  1,  die  ihm  bis  c.  580  u.  c.  (nach 
MoMMSEN,  Die  unteritalischen  Dialekte  S.  29  schwand  das  Zeichen  c.  240  v. 
Chr.  aus  dem  Gebrauche)  eigentümlich  war,  ferner  C  für  Gamma,  9  (Koppa), 
endlich  X  mit  dem  Lautwerte  von  ^,  dessen  ursprüngliches  Vorhandensein 


*)  Ich  habe  diese  gedrängte  Darstellung 
trotz  der  in  diesem  Handbuch  I,  492  ff.  gege- 
benen stehen  lassen,  um  dem  Benutzer  meiner 
Laut-  und  Formenlehre  die  Übersicht  über 
die  orthographischen  Fragen  zu  erleichtern 
und  ihm  lästiges  Nachschlagen  zu  ersparen, 
über  die  Geschichte  der  lat  Orthographie 
vgl.  Bbambach,  Neug.  17  —  69. 

^)  Zur  Entwicklungsgeschichte  und  For- 
menlehre der  lateinischen  Buchstaben  vgl. 
RiTSCHL  Op.  4,  691-726  =  Rhein.  Mus. 
24,  1—32.  Einen  kurzen  Überblick  über  die 
orthographischen  Thatsachen  des  Lateinischen 
bietet  Ritschl's  Syllabus  indiciorum  potiorum 
qnae  ad  definienda  tempora  inscnptionum 
latinamm  valent  in  Pr.  L.  m.  ep.  123,  124 
=  Op.  4,  765  =  ScHNBiDKB  S.  131.  Femer 
vgl.  WoBDSWORTH,  Fragments  u.  s.  w.  5  f. 
Pbzzi,  Gramm.  35—47;  Fabbetti,  A.,  Palaeo- 
graphische  Studien,  Leipzig  1877.  Auch  soll 
nicht  unerwähnt  gelassen  werden  der  Ver- 
soch  Dügkb's,  Zeitschr.  d.  deutschen  morg. 
G<0.  Bd.  81»  der  freilich  nicht  direkt  das 
lit  A]|lwiiet  betrifft,  aber  eine  neue  Hypo- 


these über  den  Ursprung  des  semitischen 
Alphabets  und  mithin  der  abendländischen 
Alphabete  überhaupt  aus  der  neuassyrischen 
Keilschrift  aufstellt.  Vgl.  auch  den  Artikel 
„Alphabet*  von  demselben  in  »Baumbisteb, 
Denkmäler  des  klassischen  Altertums*,  bes. 
S.  52  -  53  die  beiden  Schrifttafen.  Die  neuer- 
dings von  Fb.  Hommbl  (W.  Oncken,  Allg. 
Geschichte  in  Einzeldarstellungen  I,  2,  50) 
aufgestellte  Ansicht,  dass  das  phönikische 
Alphabet  aus  der  babylonischen  Keilschrift 
abgeleitet  sei,  bestreitet  E.  Meybb  (W. 
Oncken  ib.  11,  54  f.).  Vgl.  auch  des  letzt- 
genannten Verfassers  Geschichte  d.  Alter- 
tums 1,  16,  237  f.  und  Hinbichs  in  diesem 
Handbuch  I  359. 

^)  Über  die  Formen  der  Buchstaben 
vgl.   ausser    den    angeführten  Stellen  noch 

COBSSEN,  1,  5. 

*)  Unteritalische  Dialekte  3  f. 

*)  Studien  z.  Gesch.  d.  griech.  Alph.^ 
127  ff. 

*)  Ausser  anderem  vgl.  Nissen,  Italische 
Landeskunde  520. 


250 


B.  Lateiniflche  Grammatik,    b)  Lateinische  Lautlehre. 


MoMMSEN  erwiesen  hat; ')  wegen  seiner  eigentümlichen  Stellung  im  lat. 
Alphabete  hat  derselbe  Gelehrte  die  Vermutung  aufgestellt,  dass  es  der 
griechischen  Ziffernreihe  entnommen  sei.  2)  Die  Buchstabenzeichen  fUr  die 
Aspiraten,  0©O,  0*,  M^,  wurden  als  Zahlzeichen  für  100,  1000,  50  in 
Verwendung  genommen.  3)  Dabei  erfuhr  O  unter  dem  Einflüsse  des  c  von 
centum  die  Umgestaltung  in  C  C,  0  später  CO,  vom  2.  Jahrhundert  nicht 
selten  M,  aber  nicht  ziffermässig  verwendet  (Mommsen  a.  a.  0.  S.  601), 
während  D  =  500  an  die  ursprüngliche  Form  erinnert  und  nur  dadurch 
verständlich  wird;  ^l^,  woraus  4^  X  wurde,  wurde  erst  gegen  Ende  der 
Republik  durch  das  Zeichen  L  ersetzt.^)  Dass  auch  X  von  dem  griech.  ^ 
stamme  (nach  Abfall  der  äusseren  Begränzungslinien),  wie  fiiiher  zweifelnd 
vorgetragen  wurde,  ist  nicht  haltbar,  vgl.  Monmisen  a.  a.  0.  Das  fünf- 
strichige  t'^  ist  in  linksläufiger  Form  (^)  auf  den  Inschriften  des  Numa- 
sios  und  Dvenos  ^)  nachgewiesen,  sowie  vielleicht  in  M'  =  t'^  für  Manius 
(vgl.  jedoch  Hübner  in  diesem  Handbuch  1,  499).  Der  Vulgärschrift  ge- 
hören an  die  Zeichen  H  =  E  und  P  =  F  (auch  auf  der  nicht  römischen 
Inschrift  von  Rapino  Zvet.  Inscr.  It.  mediae  dial.  6  t.  II.  2).  Auf  der  In- 
schrift des  Numasios  ist  f  durch  FB  bezeichnet. 

Kurze  Geschichte  des  lat.  Alphabets. 

Das  7.  Zeichen  I  (z)  war  in  den  alten  Texten  des  Carmen  saliare  vor- 
handen;^) inschriftlich  vielleicht  nachgewiesen  ist  es  in  der  Dvenosinschrift, 
die  jedenfalls  nicht  unter  die  Mitte  des  5.  Jahrh.  d.  St.  herabzurücken  ist, 
ferner  (von  Jordan,  Krit.  Beitr.  155  bezweifelt)  auf  Münzen  in  der  Form 
CO^A  oder  CO^ANO.  Endgiltig  beseitigt  wurde  es  nach  dem  Zeugnis  des 
Marcianus  Capeila  ^)  von  dem  Censor  Appius  Claudius  und  an  seine  Stelle 
das  Zeichen  für  den  Buchstaben  g  gesetzt,  dessen  Erfindung  früher  ge- 
wöhnlich dem  Spurius  Carvilius  Ruga  c.  462  u.  c.  zugeschrieben  wurde,*) 
wahrscheinlicher  aber  nach  Jobdan's  Vermutung^)  dem  eben  genannten 
Verbesserer  des  lat.  Alph.  Appius  Claudius  zuzuschreiben  ist.  Das  Zeichen 
selbst  wurde  mittels  eines  Häckchens  von  dem  dritten  untei'schieden,  daher 
C  Q  Q*  Die  genaue  Unterscheidung  zwichen  den  Buchstabenzeichen  für 
die  tonlose  und  tönende  Gutturalis,  c  und  g,  {k  war  immer  nur  in  be- 
schränktem Gebrauche  gewesen,  c  hatte  früher  seinem  ursprünglichen  Werte 
nach  auch  für  g  gedient  und  hat  sich  in  einigen  Wörtern  immer  behauptet, 
z.  B.  in  den  Sigeln  C  =  GaiuSy  Cn,  =  Gnaeus  [GnaivodJ)  hat  ohne  Zweifel 
ihren  Grund  in  der  präzisen  Unterscheidung  der  beiden  Laute  in  der  Aus- 


0  Rh.  M.  15,  463  f. 

^)  Auf  volkstümlichen  und  späteren  In- 
schriften auffallend  unsicher  durch  xs  ex 
cxs  CS  xc  XX  sx  wiedergegeben  (Seblmaiin  352). 

3)  R1T8CHL,  Opusc.  4,  704  f.  u.  722  f.; 
Mommsen,  Hermes  Bd.  22,  598  ff. 

')  RiTscHL  Op.  4,  723. 

*)  BücHELEB,  Rh.  M.  36,  235  f.;  Osthoff 
ib.  489  f.;  Jobdan,  Hermes  16,  225  f.;  Bbeal, 
Revue  crit.  1882,  211;  d'Ovidio,  Riv.  di  phil. 
Jg.  10,  Heft  3,  4;  Deecke,  Bursians  Jb.  28, 
233:  SiTTL,  Die  lok.  Versch.  33  f.;  Pauli, 
Altitalische  Studien  Hft.  1.    Für  den  latei- 


nischen Charakter  der  Schrift  tritt  wohl  mit 
Recht  Dümmleb,  Mitteil.  d.  deutschen  Arch. 
Inst.  Rom.  Abthlg.  II,  41  gegen  Jobdan  ein, 
wfthrend  Pauli  a.  a.  0.  S.  54  die  Schrift 
für  etruskisch  halten  möchte.  Über  die 
erstgenannte  Inschrift  s.  oben  §  2,  I. 

«)  Vgl.  Vabbo  1.  1.  7,  26  M.  Dass 
übrigens  Zeul  der  Name  des  Sonnengottes 
sei  (Ribbeck,  Gesch.  d.  Dichtung  1,  6  nach 
Bbbgk),  ist  mehr  als  fraglich. 

7)  Mommsen,  Rom.  Forsch.  1,  304. 

^)  Plutabch,  Quaest.  Rom.  54  u.  59. 

»)  Krit  Beitr.  157. 


1,  Schriftseichen  und  Orthographie.  (§  4.) 


251 


spräche,  wozu  nach  Ck)Rss£N's  Vermutung^)  die  genauere  Bekanntschaft 
mit  der  griechischen  Sprache  den  Hauptanstoss  gegeben  haben  soll.^)  Das 
Zeichen  K  hat  sich  in  der  lat.  Schriftsprache  nur  in  einigen  wenigen 
Worten  und  zwar  nur  vor  a  behauptet,  häufiger  findet  es  sich  auf  spani- 
schen, gallischen,  britannischen,  afrikanischen  Inschriften,  handschriftlich 
z.  B.  in  Kaput,  Varro  bei  Non.  48,  26  Müll,  und  öfter  vgl.  Ribb.  Ind. 
Verg.  S.  429.  Nachdem  bereits  seit  Übernahme  des  kumanischen  Alpha- 
betes q  auch  vor  vokalischem  u  in  Gebrauch  gewesen  war,  machte,  wie 
es  scheint,  Accius  einen  reformatorischen')  Versuch,  den  Gebrauch  der 
Zeichen  für  den  tonlosen  Kehllaut  zu  regeln  {k  vor  a,  q  vor  halbvok.  u, 
c  in  den  übrigen  Fällen),  jedoch  hinsichtlich  des  k  ohne  durchdringenden 
Erfolg.^)  Zu  Augustus'  Zeit  wurde  das  bis  dahin  aus  21  Buchstaben  be- 
stehende Alphabet  durch  unmittelbare  Entlehnung  aus  dem  Griechischen 
um  die  Buchstaben  Y  und  Z  vermehrt.  Ersteres  wurde  in  älterer  Zeit 
durch  u  (daher  z.  B.  in  Lehnwörtern  cumba  cupresst^  cuprum,  turannc 
Plaut.  Pseud.  703  A,  und  noch  auf  Münzen  v.  J.  726  und  727  Javi  Olu{mpio) 
Aegupto  capta),^)  seltener  i,  einige  Male  auch  durch  oe  wiedergegeben.^) 
Letzteres  wurde  im  Anlaute  durch  s  (z.  B.  Seius  CIL.  1,  1047),  im  Inlaute 
durch  i<!s  wiedergegeben  ^)  (z.  B.  in  den  zahlreichen  griech.  Verben  auf  -/^o), 
wobei  allerdings  zu  berücksichtigen  ist,  dass  der  messapisch-tarentinische 
Dialekt  gleichfalls  die  Formen  auf  -iVrco)  hatte.  ^)  £s  wurde  auch  für  s  ge- 
schrieben, so  in  Artavazdis  Mon.  Anc.  6,  11  neben  Artavasdis  ib.  5,  26 
und  'i  5,  30.  Das  somit  aus  23  Zeichen  bestehende  Alphabet  suchte  noch 
Kaiser  Claudius  um  drei  neue  Zeichen  zu  vermehren:  h  =  Mittellaut 
zwischen  u  und  i,  inschriftlich  nur  für  griech.  v  nachgewiesen,^)  -j  =  kon- 
sonantisches V,  inschriftlich  häufiger  nachweisbar,  endlich  D  =  bs  und  ps. 
Die  alphabetischen  Reformen  des  Kaisers  überlebten  jedoch  seine  Regierungs- 
zeit nicht. 

IL  Die  Aspiration  in  der  Schrift,  ^o) 
In  alter  Zeit  wurden  die  griechischen  Aspiraten  x  ^  9  (ohne 
Zweifel  tenues  mit  scharfem^  nachstürzendem  Hauche  ^  0  durch  die  offenbar 
am  ähnlichsten  klingenden  Tenues  wiedergegeben,  die  sich  in  nicht  wenigen 
Fällen  für  immer  festsetzten,  z.  B.  calx  gr.  x^^f»^ws  gr.  xhvog,  Poeni 
0oivix€g  u.  a.**)  und,  wie  das  häufige  Schwanken  im  Gebrauche  der  aspirierten 
und  nicht  aspirierten  Zeichen,  sowie  die  Versetzung  der  Aspiration  lehrt, 
in  volkstümlicher  Sprache  wohl  immer  herrschend  blieben.  Dagegen  machte 
sich  in  der  lateinischen  Schriftsprache  das  Streben  bemerkbar,  die  griechischen 
Laute  der  Aspiraten,  die  man  offenbar  auch  möglichst  genau  nachzusprechen 


')  l  10. 

>)  Seelmann  343  f. 

>)  Seblmavn  342.  Über  den  Gebrauch 
von  c  und  k  siehe  Wbibsbbodt,  Observ.  in 
Sc.  de  Bacch.  32  f. 

♦)  RiTSOHL,  Op.  4,  492  Anni.,687;  Bebsu, 
Die  Qntturalen  52. 

>)  Wbibsbbodt,  Miscellanea  (1883)  17  f. 

*)  Rrbobl,  Fr.  Lat.  m.  e.  124,  Schmitz, 
Beilr.  108,  Ribpbok,  N.  J.  75,  316  ff.; 
FLBGEBiBXir,   50    Artikel    20;    Sobuchardt, 


Vok.  2,  254. 

^)   COBSSBN    1,    6. 

8)  Debcke,  Rh.  M.  37,  376  Anm.  2. 

»)  Cobssbn  1,  27. 

*®)  MoMMSEN,  Hermes  14,  68  f.;  Schnitz, 
Beitr.  110  f.;  Ritschl,  Fr.  Lat.  m.  e.  53; 
Seelmann  252  f.;  Jobdan,  Hermes  15,  541  ff. 

*  *)  CuRTius,  Grdz.  414  f. ;  Blass,  Ausspr.' 
99  ff. 

»«)  0.  WEisk  15  f. 


252 


B.  Lateinische  Grammatik,    b)  Lateinische  Lautlehre. 


bemüht  war,  auch  durch  die  Schrift  genau  zu  fixieren.  Die  ältesten  Bei- 
spiele der  Schreibung  mit  h  sind  triumphans  und  Achaia  neben  CoHnto 
(CIL.  1,  541  a.  u.  609)  und  Corintho  (ib.  546  a.  u.  608).  In  der  Schrift- 
sprache ist  die  Konsonantenaspiration  seit  Cicero's  Zeit  unbedingte  Regel 
und  damit  der  Gegensatz  zur  vulgären  Sprache  besiegelt,  in  deren  Urkunden, 
wie  bereits  angedeutet,  die  Schreibung  ohne  Aspiration  auch  in  der  Kaiserzeit 
häufig  begegnet.  Über  die  letzte  Stufe  der  Wiedergabe  von  griech.  9p 
durch  lat.  f  (vereinzelt  schon  seit  früher  Kaiserzeit,  regelmässig  seit  der 
2.  Hälfte  des  4.  Jahrh.)  vgl.  Mommsen,  a.  a.  0.  Über  vereinzelte  Wieder- 
gabe von  griech.  ^  durch  s  in  den  Tironischen  Noten,  ein  Zeichen  vul- 
gärer oder  provinzialer  Aussprache,  Schmitz,  Beitr.  109.  Die  Aspiration 
des  ^  im  Anlaut  und  des  ^^  im  Inlaut  griech.  Lehnwörter  fehlt  bei  älteren, 
wie  Regium  rosa  Burrus  u.  s.  w.,  gelehrte  Neigung  späterer  Zeit  hat 
sie  nicht  nur  in  den  griechischen  Lehnwörtern  eingeführt,  sondern  auch 
fälschlich  auf  Wörter  anderer  Sprachen  übertragen,  daher  immer  Rhemtö, 
weniger  gut  auch  Rhaeti  rheda.  Auch  in  echt  lateinischen  Wörtern  treffen 
wir  die  Schreibung  mit  A,  so  gegen  Ende  des  7.  Jahrhunderts  und  später 
gewöhnlich  pulcher  {*poUcrO'  von  polire)^  zuerst  auf  einer  Münze  v.  J.  650 
u.  c.  [CIL  1,  380],^)  Cethegus  Gracchus^  so  gräzisierend  in  den  italischen 
Wörtern  phalarica  lympha  Thalassio.^)  Über  volkstümliche  Aspiration 
RoscHEB  in  GuRTius  Studien  2,  143  f.  (hinsichtlich  des  Materials)  und 
Brandis,  De  aspiratione  Latina  quaestiones  selectae  Bonnae  1881.  Über 
die  ganze  Frage  der  Aspiration  auch  Bebsu,  Die  Gutturalen  S.  33  f. 

IIL  Gemination  der  Vokale»  I  longa,  apex. 

Der  Dichter  Accius  führte  zur  Bezeichnung  von  a  e  ü  die  Gemination 
der  einfachen  Lautzeichen  in  der  Schrift  ein,^)  ohne  Zweifel  im  Anschluss 
an  altitalische  Schreibweise.'*)  Das  älteste  Beispiel  ist  paastores  auf  dem 
Milliarium  Popillianum  622  u.  c.  Das  häufigere  inschriftliche  Vorkommen 
dieser  Schreibweise,  welche  nicht  annähernd  zu  allgemeiner  Geltung  kam, 
fällt  von  620 — 680  u.  c.  Vereinzelte  Belege  derselben  finden  sich  übri- 
gens in  allen  Bänden  des  Corpus  inscriptionum.  Handschriftliches  diee 
(Quint.  9,  4,  39)  ist  wahrscheinlich  durch  dice  zu  verbessern,*)  Plaut 
Merc.  985  ist  iuus  durch  CD  bezeugt.  Beispiele  dieser  Schreibweise  auch 
in  griechischer  Transscription  bei  Ritschl,  Op.  4,  151.  0  wurde  nicht  ver- 
doppelt,^) vgl.  jedoch  falisk.  vootum  und  censoor  Zvet.  Inscr.  It.  med.  68 
und  65,  f  von  demselben  Dichter  durch  ei  bezeichnet.')  Des  Lucilius  Schei- 
dung in  i  pinguis  (ei)  und  i  tenuis  (i)  drang  nicht  allgemein  durch  und 
fand  überhaupt  in  der  Zeit  des  Augustus  ihr  Ende.^)  Die  Schreibung  mit 
ei  verschwindet  grösstenteils  mit  dem  Ende  des  8.  Jahrhunderts  der  Stadt, 
wenn  auch  manche  Beispiele  sich  noch  später  finden.^)  Auf  dem  Mon.  Anc. 
finden  sich  nur  Dat.  Flur,  auf  -eis  und  pUhei.    Nicht  selten  sind  in  unseren 


1)  Bbambach,  Neug.  287  f. 

A  0.  Weise  14. 

*)  Ritschl,  Op.  4, 142  f. ;  Corssbn,  1, 14  f. 

^)  Jordan^  Krifc,  Beitr.  125. 

^)  Meünieb,  M^m.   d.  1.  S.   d.  1.  1,  34 

(BüCHELER-WiNDEKILDE   §    121). 


•)  RrrscHL,  Op.  4,  156  f. 
')  ib.  359. 

»)  ib.  376;  Brambach,  Neug.  181  f. 
»)  Weis8bboi>t,  Phil.  43,  444  f&hrt  an 
CIL  6,  1454  V.  J.  222  p.  Chr.;  Corssbn  I  787. 


1.  Schriftzeiohen  und  Orthographie.  (§  4.)  253 

Handschriften  die  Spuren  dieser  Schreibung,  so  namentlich  im  cod.  A  des 
Plautus,  bei  Varro,  Nonius  u.  s.  w.^) 

I  longa,  zur  Bezeichnung  des  t  seit  Sulla's  Zeit  inschriftlich  nachge- 
wiesen, z.  B.  CIL  1,  584  felIcI  und  vicvs  (a.  u.  67^/5).  Angebliche  ältere 
Beispiele  sind  unsicher.^)  Dasselbe  Zeichen  wurde  auch  für  j,  genauer 
ii  verwendet,  z.  B.  eIvs  und  dafür  auch  eIivs  und  eiIvs,  worüber  Weiss- 
BBODT,  Phil.  43,  444  f.,  woselbst  auch  die  ganze  Litteratur  snisammengestellt 
Lst.  Über  die  Verwendung  von  I  longa  für  l  Corssen,  It.  Spr.  253  f. 
Vereinzelte  Beispiele  von  E  und  V  longa  bietet  Schmitz,  Beitr.  29.  Über 
I  geminata  und  longa  ib.  70  ff.  Über  ii  =  i  pinguis  Ribbeck  Prol.  S.  138  f. 
ii  =  ii  schrieb  Cicero  nach  Quint.  I  4,  11  (übereinstimmend  Velius  Longus) ; 
auch  der  Ambrosianus  des  Plautus  hat  maiiores  aiiebas  cuiitis  u.  s.  w. 
(Studemund  Anal.  Plaut.  171);  vgl.  auch  Priscian  bei  Keil,  Gr.  L.  II  303,  G; 
Seelmann  236. 

Apex,  zur  Bezeichnung  der  Länge  der  Vokale  verwendet,^)  nicht  als 
Accent,  wofür  man  ihn  früher  wegen  seiner  am  häufigsten  vorkommenden 
Gestalt  (')  hielt.  Das  älteste  inschriftliche  Beispiel  ist  dIvo  ivlio  CIL  1, 
626,  ungefähr  zehn  Jahre  ält^r  zwei  numismatische.^)  Trotz  sehr  häufiger 
Setzung  ist  der  Apex  doch  nicht  allgemein  durchgeführt;  über  i  findet  er 
sich  seit  der  augusteischen  Zeit  (auf  dem  Mon.  Anc.  nur  excidere  I  15, 
sonst  I  longa),  gelegentlich  auch  über  Diphthongen.^) 

IV.  Gemination  der  Konsonanten,«)  Sicilicus. 

Die  graphische  Seite  der  Frage  ist  folgende.  Nach  dem  Zeugnisse 
des  Festus  s.  v.  soKtaurilia  hat  der  Dichter  Ennius  die  den  Lateinern 
früher  unbekannte  Gemination  der  Konsonanten  eingeführt.  Das  ältere 
HiNNAD  CIL  1,  530  V.  J.  543  u.  c.  wird  von  Ritschl  mit  Recht  aus  der 
griechischen  Herkunft  dieses  Stadtnamens  erklärt  \^'Evva,  auf  Münzen 
UENNAION],  Die  ältesten  lateinischen  Beispiele  sind  essmt  ojypidum 
possidere  vellet  turris,  daneben  allerdings  i(msit  posedisent,  auf  dem  aus  d. 
J.  565  u.  c.  stammenden  Dekret  des  Aemilius  Paulus.  7)  Die  übrigen  ältesten 
Beispiele  bei  Ritschl  1.  1.  88.  Nach  demselben  Gewährsmanne  zeigt  sich 
die  Gemination  der  Konsonanten  im  Fortschreiten  nach  620  u.  c.  Vollständig 
durchgedrungen  ist  sie,  von  spärlichen  Resten  abgesehen,  kurz  nach  640  u.  c. 
Nach  den  sorgfältigen  Untersuchungen  von  Weissbrodt,  Spec.  gramm.  23  f. 
und  part.  II,  1 — 13  hat  sich  die  von  Ennius  eingeführte  und  geregelte  Schreib- 
weise ungefähr  bis  zum  Jahre  640  in  offiziellen  Denkmälern  erhalten;  dies 
ergibt  sich  aus  dem  ziemlich  konsequenten  Gebrauche  des  s  und  ss  (ersteres 
nach  langen,  letzteres  nach  kurzen  Vokalen),  daher  z.  B.  esse  essent  seit 
565  u.  c.  (nur  CIL  1,  196  und  1166  bilden  Ausnahmen),  hingegen  s  im 
Inf.  Perf.  und  Coniunct.  Plusqpfct.,  wobei  allerdings  die  Quantität  des  i  in 
'isse  nichts  weniger  als  sicher   steht.     Nachdem  Bährens®)  die  Frage   in 


')  Lachmanh  za  LucretiuB  (2.  Ausgabe) 
S.  244,  Neue  I  97,  Jobdan,  Krit.  Beitr.  237. 

«)  RrrecHL,  Op.  4,  356  f.  und  bes.  382  f. 

»)  Ritschl,  Op.  4,  376  f.,  389  f.,  Corssbn 
1,  23  f.,  Schmitz,  Beitr.  38  f. 

^)  Bbambach,  Neug.  24. 

»)  WsissBBoixr,  Phü.  43,  444. 


«)  Ritschl,  Op.  4,  48  f.;  165  f.;  Weiss- 
BBODT,  Spec.  grammat.,  Confluentibus  1869; 
particula  secuuda,  Brunsbergae  1872.  Drecke, 
Rh.  M.  36,  577  hält  sie  für  messapischen 
Ursprungs. 

')  HüBNBB,  Hermes  3, 242  f.,  CIL.  2, 5041. 

8)  N.  J.  Bd.  127,  774—798. 


254  ^*  Lateinische  Grammatik,    b)  Lateinische  Lautlehre. 

einer  den  Laut-  und  Bildungsgesetzen  der  lateinischen  Sprache  vielfach 
widersprechenden  Weise  behandelt  hat,  ist  neuestens  Seelmann,  Ausspr.  109  f. 
ausführlich  auf  sie  eingegangen,  indem  er  mit  Recht  die  phonetische  Seite 
in  den  Vordergrund  stellt.  Darnach  werden  durch  die  Verdoppelung  ent- 
weder „Zwillingslaute**,  z.  B.  hcicca,  agger,  gibhus  oder  „Dauerlaute",  z.  B. 
r)\  ü,  SS,  bezeichnet.  Wir  werden  über  den  grössten  Teil  der  in  Betracht 
kommenden  Fälle  in  dem  Kapitel  über  die  Quantitätsminderung  der  Vokale 
zu  handeln  haben,  vgl.  §  40,  A  3.  Hier  genüge  es  zu  betonen,  dass  im 
alten  Latein  auch  dort  der  einfache  Laut  geschrieben  wurde,  wo  etymo- 
logisch nur  der  geminierte  berechtigt  war.  Dass  trotzdem  in  der  Aus- 
sprache ein  anderer  Laut  als  der  einfache  gehört  wurde,  zeigt  hinsichtlich 
des  s  z.  B.  deutlich  die  unterbliebene  Rhotazierung.  Sorgfältigere  Fixierung 
des  lautlichen  Ausdruckes  führte  sodann  zur  regelmässigen  Schreibung  der 
Doppelkonsonanten. 

Sicilicus;  nur  sehr  spärlich  zur  Bezeichnung  geminierter  Konsonanten 
angewendet.  Inschriftliche  Nachweise  seines  Vorkommens  sind  mvmiaes^) 
SABELio  CIL  5,  1361,  osA  10,  3743. 

2.  Verhältnis  des  lateinischen  Lautbestandes  zu  dem  der 

indogermanischen  Grundsprache. 

6.  Über  die  Laute  der  indog.  Qrundspr.  vgl.  oben  Bruomann  S.  23  f., 
dessen  phonetische  Erläuterungen  natürlich  auch  für  das  Lateinische  Geltung 
haben.  Denselben  Lautbestand  weist  hinsichtlich  der  Konsonanten  im  allge- 
meinen mit  Ausnahme  der  tenues  und  mediae  aspiratae,  welche  fehlen,  auch  das 
Lateinische  auf.  An  die  Stelle  der  letzteren  sind  zum  Teil  (die  genaueren 
Nachweise  unten)  der  Hauchlaut  h  und  der  labiodentale  Spirant  f  getreten. 
In  sonantischer  Funktion  sind  ^  ^  ^  f?  durch  en  em  {in  im\  |-  l  durch 
or  ol  {ur  ul)   vertreten    und   ihre  Längen   durch  na  (an?)  ar  ra  er  Ja  (?). 

3.  Zur  Aussprache  des  Latein. 

6.  Zur  Bestimmung  des  Lautwertes  der  lateinischen  Schriftzeichen 
stehen  uns  folgende  Mittel  zu  Gebote:  1)  die  Angaben  der  alten  Gram- 
matiker über  die  Natur  der  Laute;  2)  die  inschriftlichen  Zeugnisse,  die, 
soweit  sie  das  Schriftlatein  betreffen,  vornehmlich  diakritischer  Natur  sind, 
z.  B.  Apex  u.  s.  w. ;  aber  auch  volkstümliche  Schreibweisen  sind  geeignet, 
ein  Licht  auf  den  Lautwert  des  Zeichens  zu  werfen ;  3)  die  Thatsachen  der 
lat.  Lautlehre;  4)  Rückschlüsse  aus  den  romanischen  Sprachen  und  aus 
der  vergleichenden  Grammatik  der  indogermanischen  Sprachen ;  5)  die  grie- 
chische Transscription,  welche  freilich  nur  einen  bedingten  Wert  hat,  da 
wir  auch  die  Aussprache  des  Griechischen,  die  ja  gleichfalls  eine  tote 
Sprache  ist,  nur  durch  Kombination  erschliessen  können  (über  die  Ver- 
wertung vgl.  DiTTENBERGER  Hcrmcs  7,  129  ff.  und  281  ff.);  6)  die  lautliche 
Gestaltung  lat.  Lehnwörter  in  anderen  Sprachen,  z.  B.  im  Alt-  bez.  Neu- 
Hochdeutschen,  z.  B.  Keller,  Kiste  u.  s.  w.  Aus  der  gewissenhaften  Kom- 
bination  der  angegebenen  Faktoren    ergibt  sich    ein   annähernd  richtiges 

^)  HüBNBB,  Hermes  3,  413 f.;  B&ambacu  Neug.  2G. 


2 .  Yerhältnifl  des  lateinischen  Lantbestandes  zu  dem  der  idg.  Omndsprache.  (§  5.)    255 

Bild  von  der  Ausspraxjhe  des  Latein.  Den  ersten  Versuch  einer  wissen- 
schaftlichen Darstellung  der  Aussprache  des  Latein  hat  Gorssen  in  seinem 
bekannten  Werke  gemacht.  Keinen  wesentlichen  Portschritt  bezeichnen 
Edon  Traite  de  langue  Latine  Paris  1882  und  Schweisthal  Essai  sur  la 
valeur  de  Talphabet  Latin  Paris  1882.  Neuestens  hat  E.  Seelmann  in 
seinem  Buche  „Die  Aussprache  des  Latein  nach  physiologisch-historischen 
Grundsätzen,  Heilbronn  1885'  den  Gegenstand  einer  ausführlichen  Unter- 
suchung unterzogen,  welche  unsere  Kenntnisse  auf  diesem  Gebiete  wesent- 
lich gefördert  hat.  Eingehende  lautphysiologische  Studien  haben  es  dem 
Verfasser  ermöglicht,  durch  scharfsinnige  Deutung  der  überlieferten  Angaben 
der  Grammatiker  in  Verbindung  mit  den  übrigen  oben  namhaft  gemachten 
Faktoren  die  Natur  der  lateinischen  Laute  ihrem  Wesen  nach  festzustellen, 
und  es  muss  ausdrücklich  anerkannt  werden,  dass  Seelmann's  Buch  in 
dieser  Richtung  einen  ausserordentlichen  Fortschritt  bedeutet.  Nach  den 
von  Seelmann  entwickelten  Grundsätzen  haben  die  Engländer  angefangen, 
ihre  Aussprache  des  Latein  zu  verbessern,  vgl.  Summary  of  the  pronunciation 
of  Latin  in  the  Augustan  period  (Academy  v.  2,3  1887  S.  186  f.,  Berl.  Phil. 
Woch.  1887  S.  703).  Freilich  wird  man  zugestehen  müssen,  dass  es  wohl 
niemals  vollkommen  gelingen  wird,  die  Feinheiten  der  lateinischen  Aussprache 
in  vollem  Umfange  festzustellen  (Techmer  in  seiner  Zeitschrift  3,  322  f.). 
Eine  ganz  wertlose  Arbeit  ist  R.  Pötzl,  Die  Aussprache  des  Lateinischen, 
Leipzig  1888.  Vgl.  über  den  ganzen  Gegenstand  auch  Henry  Precis  S.  30  f.,  63. 
Ohne  auf  die  Beschreibung  der  lateinischen  Laute  im  einzelnen  einzu- 
gehen, 0  bemerke  ich  im  allgemeinen  folgendes.  Als  die  Normalaussprache  hat 
die  des  Schrift-  oder  Hochlatein  am  Ende  der  Republik  und  in  den  ersten 
beiden  Jahrhunderten  der  römischen  Kaiserzeit  zu  gelten.  Die  früheren 
Zeiten  haben  namentlich  hinsichtlich  der  Aussprache  der  Vokale  manche 
Besonderheiten,  während  in  der  Aussprache  der  Konsonanten  zwischen  dem 
älteren  und  dem  Hochlatein  kaum  wesentliche  Unterschiede  geherrscht 
haben  dürften.  Nach  dem  zweiten  nachchristlichen  Jahrhunderte  bringt 
das  Eindringen  der  vulgären  Elemente  besonders  im  Vokalismus  wesent- 
liche Abänderungen  hervor,  die  zum  Teil  an  das  archaische  Latein  an- 
klingen, vielfach  aber  doch  eine  andere  Begründung  haben.  Auch  in  der 
Aussprache  der  Konsonanten  ergeben  sich  wesentliche  Änderungen,  so  die 
lautliche  Gleichstellung  des  b  mit  v,  infolge  spirantischer  Aussprache  des 
letzteren,  die  Assibilierung  des  t  vor  i- Vokal  (vulgär  ausgedrückt  durch 
fsi  tzi  zzi  zi  si),  worüber  Seelmann  321  f.,  die  Verwandlung  von  j  und  v 
in  Spiranten  (im  4.  oder  5.  Jahrhundert)  u.  s.  w.  Dass  in  der  Aussprache 
der  Vokale  und  Diphthonge  sich  von  der  ältesten  Zeit  bis  zum  Ende  der 
Republik  ein  entschiedener  Wandel  vollzogen  hat,  hat  Seelmann  S.  158  flf. 


*)  In  die  erste  Auflage  hatte  ich  mit 
Genehmignng  des  Verfassers  E.  Seelmann 
die  lautphysiologischen  Definitionen  der  ein- 
zelnen Laute  aufgenommen.  Wenn  ich  jetzt 
hievon  absehe,  so  geschieht  dies  nicht  etwa 
deswegen,  weil  ich  dieselben  —  wenigstens 
der  Hauptsache  nach  —  nicht  mehr  für 
richtig  halte,  sondern  weil  ich  zugestehen 


muss,  dass  eine  trockene  Angabe  der  De- 
finitionen der  einzelnen  Laute  ohne  ein- 
gehendes Studium  des  Seelmann'schen  Buches, 
insbesondere  der  Al)schnitte  Ober  allgemeine 
Phonetik,  nicht  den  gewünschten  Einblick 
in  das  Wesen  der  Aussprache  des  Latein 
verschafft. 


256  B.  LateiniBche  Grammatik,    b)  Lateiniach^  Lantlehre. 

mit  Recht  hervorgehoben.  Das  alte  Latein  hatte  eine  entschiedene  Hin- 
neigung zu  diphthongierender  Aussprache  der  Vokale  (daher  au  für  o,  ei 
für  e  und  f,  ja  sogar  für  ^,  ae  für  e,  ou  für  ü  geschrieben)  und  eine  gewisse 
Vorliebe  für  ö-  und  ü-farbige  Vokale.  Auch  charakterisiert  das  archaische 
und  vulgäre  Latein  das  Schwänken  in  der  Aussprache  der  Vokale  und 
infolge  dessen  die  Vertauschung  in  der  Schrift;  dies  betrifft  S  und  i,  ö  und 
ü  (seltener  ü  und  ö),  ü  und  ^  (eigentlich  haben  wir  im  letztangeführten 
Falle  den  Mittellaut  ü  anzuerkennen).  Im  allgemeinen  ist  noch  zu  be- 
merken, dass  die  kurzen  Vokale  einen  mehr  offenen  (helleren),  die  langen 
einen  mehr  geschlossenen  Klang  hatten.  Nicht  überflüssig  mag  es  auch 
sein,  zu  bemerken,  dass  c  bis  zum  6.  Jahrhundert  n.  Chr.  auch  vor  hellen 
Vokalen  einen  A:-artigen  Laut  bezeichnete  (Seelmann  337). 

Anmerkung.  Bezüglich  der  in  neuerer  Zeit  viel  behandelten  Frage  der  Orthoepie 
vgl.  besonders  R.  Boutsrwek  und  A.  Teooe,  Die  altsprachliche  Orthoepie  und  die  Praxis, 
Berlin  1878  und  ausser  der  von  Hübneb,  Grundr.  §  20  angeführten  Litteratur  Bünobb,  Über 
die  lat.  Quantität  in  positionslangen  Silben,  Progr.  v.  Strassburg  1880,  A.  Mabx,  Uilfs- 
büchlein  für  die  Aussprache  der  lat.  Voc.  in  positionslangen  Silben,  Berlin  1888,  Bbndbb 
im  Correspondenzblatt  für  die  Gelehrten-  und  Real-Schulen  Württembergs  Jg.  30  (188^3) 
S.  349  f. 

4.  Vokale. 

7.  A.  idg.  betontes  ä  =  lat.  a,  z.  B.  acies  gr.  tixQog,  ago  gr.  ay«, 
madeo  gr.  juaSdu),  salio  aXXofiai,  dacruma  gr.  ddxqv^  ango  gr.  ccyY^f  arare 
gr.  aQowy  rapio  gr.  a^Traf  a>,  sarcio  gr.  ^a/rrcö.  i)  Vielleicht  ist  auslautendes  un- 
betontes idg.  ä  =  lat.  ^  im  Instr.  Sing.  z.  B.  a^^i^  (§  87)  aus  ^aer-a  vgl.  gr. 
ned'd,  inde  gr.  iv-d-a;^)  die  lat.  i^-Stämme,  die  ich  früher  nach  Osthoff  ^)  hier 
aufführte,  sind  richtiger  von  Brugmann,  Grundriss  2,  S.  313  ff.  behandelt. 
Idg.  a  =  lat.  Ä,  z.  B.  niater  dor.  iicnrjQy  clävis  dor.  xXa(f)tg^  malum  dor. 
fiaXov,  suävis  dor.  dSvg^  fari  dor.  g)äfit;  desgleichen  bei  den  a-Stämmen 
(im  Lat.  in  den  meisten  Kasus  gekürzt)  und  den  denominativen  Verben  auf 
—  *äio;  auch  im  Perfekt,  z.  B.  scabi  von  scäh-.^)  Über  lü  ra  na  ~  idg. 
l  f  9  vgl.  §  43,  45.     Über  sekundäre  Veränderungen  von  a  a  §  24  ff. 

8.  E.  idg.  d'=  lat.  e^  gr.  f,  skr.  a,  z.  B.  ego  gr.  ^yw,  es-  gr.  «V-, 
fero  gr.  (ptQw^  genus  gr.  yfcVog,  equus  gr.  iTiTiog  Qrdf.  *ek^O',  decetn  gr.  Säxa^ 
sedeo  gr.  i'^co,  que  gr.  r^  skr.  ca,  lupe  gr.  Xvxe;  age  gr.  dys. 

idg.  e  =  lat.  y,  besonders  vor  Nasalen  in  geschlossener  Silbe,  aber 
nicht  durchaus,  z.  B.  istum  umbr.  estu^),  in  indu-  alt  en  endo^)  umbr.  en 
und  ntannv-e  päl.  lex-e,  hirundo  gr.  x*^'<^<ö^',  Umpidus  für  *Iefnpidtis,'')  lig- 
num  tignum  von  leg-  teg-  gr.  Taxvrj^  tingo  gr.  r^yyw,  firmm  fere,^)  minisciiur 
Minerva  alt  Menervai  promenervat  Fest.  205,  12,  Untere  (entere,  minere 
ntentum,  quinque  gr.  ntvte,  millus  mellunt,  vereinzelt  irco  (Dvenosinschrift), 
stircus  (Eph.  ep.    2,  205  no.  298  =  CIL  5,  782),   Mirqurios  CIL   1,  59,^) 


^)  Vgl.  die  Übersiebt  bei  De  Sausscrb, 
Mäm.  55  f. 

^)  Per  Pebsson,  Studia  etymologica 
(Upsalae  1886)  setzt  es  gleich  *im-de  „von 
da**  nach  Br^al,  M^m.  d.  1.  S.  d.  1.  1,  198. 

»)  Z.  G.  d.  F.  338  Anm. 

*)  De  Saussurb,  M4m.  59. 

^)  Dakiblsson    bei   Pauli,  Altit.  Stud. 


3,  158  f. 

^)  Löwe.  Act.  soc.  phil.  Lips.  2,  469. 
in  ist  in  Verbindungen  wie  en  domo  u.  s.  w. 
entsprungen,  vgl.  Henry,  Pr^cis  S.  37. 

')  CüRTius,  G.^  265. 

8)  Br^al,   M^m.   d.  1.  S.  d.  1.  1,  162  f. 

f>)  Vgl.  auch  noch  Ind.  gramm.  zu  CIL.  1. 


8.  Zur  Ausspr&ohe  des  Latein.  (§  6.)    4.  Vokale.  (§  T— 9.) 


257 


contmirdum  Keil,  Gramm.  Lat.  7,  77.  Über  tp  ^  =^  im  in  vgl.  §  45. 
Öerselbe  Übergang  auch  in  Lehnwörtern,  z.  B.  incitega  inconima  (=  iyyv- 
^r^xTj  iyxojuiuia).  In  einigen  Fällen,  wie  miniscitur  minere  dlium,  sicher 
plico  gr.  nkh'xwy  altlat.  spielt  spicio  (Corssen  2,  359)  vigil  neben  vegere  liegt 
Verselbständigung  der  in  der  Zusammensetzung  regelrecht  erscheinenden 
Form  mit  -i-  vor,')  in  den  anderen  {irco  u.  s.  w.)  wird  man  mundartliche 
Besonderheiten  anzunehmen  haben;  Mirqurios  vielleicht  an  mirari  ange- 
schlossen (Citat  aus  Varro  bei  Bebsu,  Die  Gutturalen  49  Annf.  2).  Vgl. 
noch  Corssen  2,  257,  Brupp acher,  Oskische  Lautlehre  25,  Aüprecht- 
KiBCHHOFF,  Die  umbrischen  Sprachdenkmäler  27  f.,  J.  Schmidt,  K.  Z.  23, 
344.     Über  idg.  e  =  i  {u)  in  nachtoniger  Silbe  §  25  f. 

idg.  anlaut.  ve  =  lat.  vö-^)  in  voco  gr.  f*^-,  volup  gr.  psXn^,  volvo  gr. 
{f)ilvw,  vorno  gr.  (f)iiih(o,  desgleichen  in  den  etruskischen  Lehnwörtern  Vbla- 
terrae  veloUh-i,  Volumnim  velimna;  idg.  s^e^  =  lat.  so-  in  sodalis  für  *s^er 
dalis  gr.  *o'/?«;>-  skr.  svadhd-,  socer  für  *s^ecurO'  gr.  {pf!)€xvQ6q  skr.  iviUura", 
somnus  für  ^st^epno-  ^kv,sväpna-,  sonus  für  "^stfcno-  skr.  svan-;  ebenso  que 
vor  Konsonanten  =  gwo-  in  colo  für  *qüelo  gr.  tt« A-  vgl.  inquilinus.  Wegen 
«ifcws  neben  gr.  (f)*Axog,  wr^eo  gr.  ffßy-  siehe  §  60;  aber  Omentum  neben 
skr.  va^a  „Eingeweidehaut  Netzhaut*^)  fraglich.  In  venia  Venus  verber 
vema  vereor  vesper  Yesta  vestis  ist  nur  der  e-Laut  überliefert  (jüngere 
Lautgestaltung?,  vgl.  §  10);  vEnum  v^r  kommen  wegen  e  nicht  in  Betracht. 
Auch  idg.  ei^  =  lat.  ov,  so  in  suus  tuus  Grdfn.  *se^(h  He^o^y  gr.  iog  r^og, 
sovoni  CIL  1,  588,  sovo  soveis  öfter,*)  tovfam  CIL  1,  1290,  umbr.  tover, 
osk.  tuvai;  fovea  gr.  x*(f)**^;^)  wovtis  gr.  vä(f)ogy  novem  gr.  ivvia.  Nicht 
ganz  kiar  ist  Seispitei  CIL.  1,  1110  neben  gew.  sospes.^)  Vgl.  ausserdem 
wegen  eu  =  ou  §  35. 

idg.  e=  lat.  S,  z.  B.  felarefi^mina gr.  ^tjad^ai,  sSmi  gr.  ijjue-,  reg-em  skr.  ra- 
yVm-,  M^re  gr.  viq^w;  siem  aus  *siew  gr.  «rr^»'.  idg.  e  =  lat.  f,  z.  B.  /l^fo  gr.  ^/Jyco, 
/</m5  aus  *feliO'j  vulg.  /efew«  CIL.  14,1011,  umbr.  /eföw/', ')  sfca  für  *s^ca  von  s^c- ; 
\gl,suspiciodeliniosubttlis  Constva(<a)  {\]iT*Si4Specio*delenio  *subtdis*Conseva,^) 

9.  lat.  a  6  neben  e  a  anderer  italischer  Dialekte:  aries  umbr.  erietUy 
peto  volsk.  arpatiiu,  tepor  umbr.  tapistenu  (tepida),  trabs  umbr.  trebept  (sta-- 
iionem  liabet)  osk.  triibom  (domumj,  vasculum  umbr.  vescla.  quattuor 
umbr.  petur  osk.  petora  (idg.  *qet^er)  für  *quettuor  mag  sein  a  von  qtuirtus 
bezogen  haben. ^)  Wechsel  zwischen  a  und  e  ohne  bis  jetzt  hinlänglich 
ersichtliche  Gründe  auch  in  anderen  Fällen  wie  margo  merges,  pario  lit, 
periüy  tarmes  terere,  maneo  gr.  /iti'o),  pallidus  gr.  nsXiig  u.  a.  Zum  Teil 
dürften  Abstufungsverhältnisse  zu  Grunde  liegen. 


*)  OsTHOPP,  M.  ü.  4,  2  Anm. 

«)  ScHLWCHBB,  Comp.  82.  K.  Z.  9,  372; 
Sbelmakh,  171.  Eine  Scheidung  zwischen 
idg.  r  und  )f  durchzuführen,  ist  noch  nicht 
gelungen;  ich  schreibe  also  if. 

»)  Wi(in)iBCH),  Lit.  Centralblatt  1888, 
Sp.  608. 

*)  CoBssßH  1,  668. 

^)  Fböhdb,  K.  Z.  18,  100;  vgl.  auch 
Mahlow,  D.  1.  V.,  7. 

•)  J.   SomoBT,    Verw,    57,    Bbvgmann, 


Ein  Troblem  d.  hom.  Textkritik  131  u.  144. 

"*)  CoESSBN,  It.  Spr.  184  und  Thür- 
NETSEN,  Bkzz.  B.  8,  281  Am.  =  *füliu8; 
gegen  ersteren  mit  Recht  Bücheleb,  Rh. 
M.  39,  411;  allerdings  scheint  -^  aus  urspr. 
-ei-  hervorgegangen,  vergl.  Schulze,  K.  Z. 
27,  425. 

^)  Vgl.  übrigens  wegen  delinio  jetzt 
OsTHOFP,  P.B.  Br.  13,  400. 

9)  Anders  J.  Schmidt,  K.  Z.  25,  49; 
BuGGE,  Bezz.  B.  14,  57. 


Handbncb  der  klan.  AltertuiiiBwiaseiiBclutft.  II.    2  Aufl. 


17 


258 


B.  Lateinische  Grammatik,    b)  Lateinische  Lautlehre. 


10.  0.  idg.  ö  =  lat.  ö,  sehr  häufig  aus  den  übereinstimmenden  Wort- 
stämmen des  Griechischen  zu  erschliessen,  z.  B.  olere  gr.  oC^iv,  orior  gr. 
oQvvvai^  vorare  gr.  -ßoqog,  ah-olere  gr.  oXXvvm^  oeto  gr.  ox^ti,  domus  gr. 
So/iogy  corvus  xoqa^  u.  s.  w.;  von  suffixalen  Silben,  in  denen  der  o-Laut 
als  Vertreter  von  idg.  o  erscheint,  nenne  ich  das  -o-  der  o-Stämme,  z.  B.  egu-o-, 
-OS  in  opos  CIL  1  52,  Vmos  CIL  1  57,  -o-  in  der  Flexion  der  thematischen 
Verba.  Über  den  Übergang  dieses  o  in  u,  sowie  in  anderen  unbetonten 
Silben  vgl.  §  26,  2;  desgleichen  über  den  von  betontem  o  §  23,  6  und 
im  allgemeinen  die  ausführlichen  Nachweisungen  bei  Cobssen  2,  70  f. 
Über  den  Übergang  von  o  in  i  {e)  in  nachtonigen  Silben  vgl.  §  25  und 
BRuaMANN,  Qrundr.  1  §  81. 

Älteres  vo-  in  votare  z.  B.  votes  Plaut.  Trin.  457,  voster  ist  seit  der 
Zeil  des  Scipio  Africanus  in  ve-  gewandelt  worden  nach  Quint.  1,  7,  25, 
daher  vetare  vester,  so  auch  gr.  äoqvrjQ  in  averta.^)  Wegen  des  in  §  8 
angeführten  Gesetzes  ist  es  nicht  immer  möglich  zu  entscheiden,  ob  die 
Lautfolge  ve-  oder  vo-  die  ältere  ist;  vgl.  Voturia  noch  in  der  Eaiserzeit 
neben  Vetwia,  vorto  und  verto,  vortex  und  vertex  u.  s.  w.  Die  Gramma- 
tiker haben  Bedeutungsunterschiede  herausgeklügelt,  z.  B.  bei  vortex  und 
Vertex.  Auslautendes  ö  scheint  zu  e  geworden  zu  sein  in  ipse  aus  *ep'So 
(-so  =  gr.  o),  olle  =  *olso  und  in  der  2.  Sgl.  imp.  dep.  u.  pass.  sequere 
aus  *S€quiso  gr.  frr€(o')o.*)  Der  lautphysiologische  Erklärungsgrund  liegt  in 
sehr  geschlossener  Aussprache  des  o.')  Nach  Thurneysen's  wahrschein- 
lichen Auseinandersetzungen,  E.  Z.  28,  154  f.  hat  auch  Übergang  von  öv 
in  äv  stattgefunden  (infolge  sehr  offener  Aussprache  des  o)  in  caveo  gr. 
xo{f:)ä(o,  cavas  gr.  xotXog  aus  *x6/?iAo^,  lavere  gr.  >lo(/?)«W,  fovea  favisae, 
altlat.  vocivus  vocatio  CIL.  1,  198,  77  u.  ö.  vocuus  (Corssen  2,  10)  neben 
jüngerem  vacivtts  vacatio  vactius  und  in  einigen  anderen  weniger  sicheren 
Fällen.  Wahrscheinlich  gehört  auch  canis  für  *cuonis  gr.  xvaiv  hieher.  Vgl. 
auch  vulgäres  Incatio  für  locatio,*)  Analog  dem  Übergang  von  öv  in  äv  ist 
der  von  öv  in  äv  in  octavus.  Vgl.  auch  den  umgekehrten  Übergang  in  prän. 
Quorta  Schneider  217,  spätl.  quodratus  (Corssen  2,  65,  Brambach  Neug.  71). 

idg.  ö  =  lat.  ö,  z.  B.  glöcio  gr.  xAwfo),  cröcio  gr.  x^oJ^«,  wös  gr. 
vm,  nösco  gr.  yiyi'cocxa),  dönum  gr.  Sojqov,  öcior  gr.  aJxvg,  ät;um  gr.  ^Jor, 
rö5  gr.  fpwto)  (skr.  rosa-);  in  suffixalen  Silben:  -tör  gr.  -r«^  und  wieder 
mit  Verdumpfung  in  'turo,  -töd  im  Imperativ,  später  -tö  (vereinzelt  -titd 
z.  B.  facitud  CIL  1  813),  für  gr.  tpwQ,  hü-c  neben  gwo. 

11,  J,  idg.  1  =  lat.  ?  erscheint  in  den  schwachen  (tonlosen)  Stamm- 
formen der  Verba,  deren  starker  Stamm  ei  aufweist,  in  verbalen  Ablei- 
tungen und  in  nominalen  Bildungen,  z.  B.  -dico  indlcare  causidiciis  neben 
dicere  alt  deicere  gr.  Seixvv^ii  dixrj^  ftdes  neben  eonfJdo  (r=  ei)  gr.  ini&ov  neben 


^)  Wie  incitega  durch  volkseiymologische 
Umformung  (0.  Wbisb  67  f.). 

^)  So  ist  doch  wohl  gegen  meine  Aus- 
f&hrungen  in  Wien.  Stud.  10,  303  f.  beson- 
ders mit  Rücksicht  auf  ipse,  das  eine  andere 
Erklärung  nicht  gut  zulässt,  anzunehmen; 
dies  thun  Spbijeb,  Mäm.  d.  1.  S.  d.  1.  5, 
188;  Danielsson  bei  Pauli,  Altit.  Stud.  3, 


155;  Schulze,  K.  Z.  28,  270  Anm.,  Heiiry. 
Pr^cis  S.  38,  Schwbizbb-Sidler,  Gramm.* 
§  12,  8;  Brüomann,  Grundr.  1  S.  73. 

*)  ScHUCHARDT,  Vok.  2,  215  f.  Nicht  ge- 
nügend der  von  Havet,  Mäm.  d.  1.  S.  d.  1. 
5,  43  angegebene  Grund.  Vgl.  auch  13ram- 
BACH,  Neug.  101  ff. 

*)  LöwR,  Glossae  nom.  62. 


4.  Vokale.  (§  10-13.)  25(V 

Ttei&fo,  vfdere  gr.  {j:)sldh(o;  fld-  findere  skrt.  hhid-;  vic-is  skr.  viS^.  Für 
altes  t  wird  e  geschrieben  (geschlossenes  e)  in  tempestatebus  CIL  1,  32, 
fileai,  worüber  vgl.  §  25,  4.  Über  is  =  er  §  23,  1  und  25,  1,  über  i  =  e 
im  Auslaute  §  26,  1,  über  ri  =  er  z.  B.  in  secerno  aus  *S€-crino  §  43. 

idg.  f  =  lat.  f,  z.  B.  vis  gr.  (f)ig,  t?Frw5  gr.  (f)t6g,  flfgere  gr.  v^Af/?w  got. 
hligffvan,  fngus  gr.  ^ryo$;  regf-na  radl^c-  enthalten  dasselbe  f,  wie  die  Fe- 
minina des  Sanskrit;  es  gehörte  der  Grundsprache  an.  Anderes  Material 
suche  bei  Osthoff,  M.  U.  4,  4  f. 

12.  U.  idg.  u  =  lat.  ü,  z.  B.  müsca  gr.  iivTa^  iüvenis  skr.  yüvan-, 
in  den  schwachen  (tonlosen)  Stammformen  der  -e^- Wurzeln,  z.  B.  luc-ema 
gr.  Xevxog,  düc-  (Nom.  dux)  neben  düco  (f.  ^deuco)  got.  tiuhan,  fuga  con- 
fugi  gr.  yvyij  ^evyfo.  Über  idg.  ü  =  7  in  Stammsilben  [eigentlich  haben 
wir  es  mit  dem  Mittellaut  ü  zu  thun]  vgl.  §  23,  4,  in  nachtoniger  Silbe  §  25. 

idg.  ü  =  lat.  ü,  z.  B.  iüs  skr.  yii-,  «iws  skr.  mü^-y  mügio  gr.  (Avxäo^ 
fia^y  alat.  /ö-f  skr.  bhü-td",  congruo  aus  Hon-grü-irO  gr.  ßqvfo,^)  cluo  aus 
*clü'i'0  {clüeat  Plaut.  Men.  575).  *)    Anderes  bei  Osthoff  a.  a.  0. 

Anmerkung,  lat.  a  =  idg.  9  (,Schwa*)  in  pater  skr.  pitf-^  casttts  skr.  kfikd-, 
Status  skr.  8fÄffd-  (vgl.  satus,  caius,  datus),  gravis  skr.  gtiru-  (Bbuomann,  Qrundr.  2, 
S.  242).  Denselben  reduzierten  Vokal  repräsentiert  i  in  dom-i-tor  gen4-tor  an-i-m%i8 
veri-irsti,  vielleicht  auch  in  vomis  skr.  vdm-i-si,  e  in  vert-e-ro,  u  in  col-urmen  u.  s.  w. 
Vgl.  Bbuomakh  §  11  und  Grundriss  1,  §  109,  110. 

Diphthonge. 

13.  1.  idg.  ai  (betont)  =  lat.  m,  ae,  z.  B.  aides  aestas  gr.  oT^io, 
aiquom  gr.  mca,  aevom  gr.  alpei^  caecus  got.  Aa/^^  caedo  got.  skdidan^ 
caesaries  skr.  kesara-^  haerere  lit.  gaiztü,^)  haedus  got.  ^fatfe,  fotcvM«  gr. 
ilaiog,  sa6^  skr.  5e^w-  (Brugmann,  Qrdr.  1,  S.  88),  scaevus  gr.  axaiog;  nae 
gr.  rofi',  jpraa  gr.  naqai.  Hingegen  =  ?  in  Zmr  gr.  ^daiprjQ.  In  unbetonten 
Silben  erscheint  für  ai  t,  so  besonders  in  der  Zusammensetzung,  z.  B. 
in-quiro  neben  quaero;  ebenso  geht  -ai-  in  J  über  im  Dativ- Ablativ  der 
a-Stamme  (siehe  unten);  über  die  ganze  Frage  Osthoff,  Z.  Q.  d.  P.  197  f., 
Speijer  Mem.  d.  1.  S.  d.  1.  5,  186  f. 

2.  idg.  au  =  lat.  au,  z.  B.  auscuUo  audire  auris  got.  duso,  auteni 
gr.  avtoq^  augeo  got.  duka^  aurora  auster  lesb.  avtog^  huurio  an.  atisa,  pau-per 
gr.  nav'Qog, 

3.  idg.  ei  =  lat.  d,  wenngleich  in  den  uns  erhaltenen  Denkmälern 
ei  vielleicht  nur  mehr  monophthongische  Geltung  hat,  so  alt  deicere  gr. 
i€ixwj.u^   eeivis  got.  heiwa-frauja, 

4.  idg.  e^  =  lat.  ou  und  daher  mit  idg.  oy>  vollständig  zusammen- 
gefallen. Auf  Leucesie  des  Saliarliedes  ist  kein  Gewicht  zu  legen  (Jordan, 
Krit.  Beitr.  31  flf.,  Bruomann,  Grundriss  1,  §  65,  2  Anm.). 

5.  idg.  Ol  (betont)  =  lat.  oi,  oe,  w,  altl.  moincipium  comainem  skr. 
minoti,^)  aino  oinvorsei  gr.  olvog^  foidere  gr.  ntnoi&a.  In  den  Schlusssilben 
ist  oi  zu  oe  i  geworden,  desgleichen  -öis  zu  -ts, 

6.  Der  idg.  Diphthong  o^  ist  mit  Sicherheit  im  Lateinischen  nicht 
mehr  nachzuweisen. 


*)   OSTHOFP   1.    C.    15. 

»)  id.  16. 


3 


)  FicK,  2,  78,  DK  Saüssürb,  Moni.  69. 
^)  Osthoff,  Forsch.  1,  83  f. 

17* 


260  B.  Lateinische  Grammatik,    b)  Lateinische  Lautlehre. 

•    Die  Geschichte  der  Diphthonge  siehe  §  30 — 35; 

7.  Der  Diphthong  ^i  hat  bereits  in  der  Grundsprache  vor  folgendem 
Konsonanten  und  im  Wortauslaute  sein  i  eingebüsst  und  wiid  daher  in 
diesen  Fällen  im  Lateinischen  durch  ^  repräsentiert,  ^  ebenso  auch  eu; 
man  vgl.  res  rEm  r^  aus  *r^s  *r^w  *r^',  skr.  ras  rayds;  di€s  diSm  die 
aus  *di^s  *die^m  *die^.  Einige  andere  Beispiele  findet  man  von  Schulze 
a.  a.  0.  zusammengestellt.  Auch  äi  erscheint  durch  ö  reflektiert  in  p{}culum 
pötus  bi'bX'tnus  neben  skr.  päy-anam.  Im  Wortauslaut  hingegen  ist  es  als 
öi  erhalten  im  Dat.  Sing,  der  o-Stämme,  gr.  Itttt^)  altlat.  Nunuisioi  osk. 
Äbellanüi,  und  i  verfiel  vielleicht  erst  nach  lateinischen  Lautgesetzen  dem 
Schwund,  daher  populö.  Nach  J.  Schmidt,  Festgruss  an  0.  v.  Böhtlingk 
(Stuttgart  1888)  S.  102,  Meringeb,  Zeitschr.  f.  d.  öst.  Qymn.  1888,  770 
beruhen  diese  Dativformen  auf  -oi  und  -o,  ebenso  wie  die  auf  -ai  und  -« 
schon  auf  indogermanischem  Satzsandhi  (-oi-ai  vor  Vokalen,  -o-a  vor  Kon- 
sonanten). Auch  im  Dat.  Abi.  Plur.  populis  aus  *populöis  (vgl.  skr.  divaU) 
ist  -cFi-  auf  italischen  Sprachboden  übergegangen  und  erst  hier  ö  vor  i  ge- 
kürzt worden,*)  woraus  dann  oe  f  sich  entwickelte.  Ebenso  im  Dat.  Plur. 
der  fl-Stämme  urspr.  -äis  -äis  -t5,  vgl.  si  aus  *svai.  Derselben  Behand- 
lungsweise  wie  öi  im  Dat.  Sing,  der  o-Stämme  ist  auch  ai  im  Dat.  Sing, 
der  a-Stämme  verfallen,  daher  Feronia  CIL  1,  169,  Matuta  177,  vgl.  gr. 
%(OQ(f,  welche  echte  und  ursprüngliche  Dativformen  repräsentieren.  Bezüg- 
lich der  übrigen  Formen  vgl.  §  85.  idg.  öu  =  lat.  ö,  in  octä  duo  =  idg. 
*oktö^  *d^ö^.^)  hös  ist  zwar  Lehnwort,  wird  aber  doch  für  *bous  idg. 
♦gö^s  stehen.^)  navis  neben  gr.  vatg  ion.  vrjvg  idg.  *na^s  ist  jedenfalls  von 
den  obliquen  Casus  aus  neu  gebildet. 

Vokale  in  konsonantischer  Funktion.^) 
14.    A.    idg.  %  ^. 
1.   idg.  {  a.  Anlautendes  idg.  i  —  lat.  i  cons.  {j);  vgl.  §  58. 

i).  Intervokalisches  {  ist,  wie  es  scheint,  schon  im  Uritalischen 
geschwunden.  Man  vergleiche:  die  Verba  auf  -^lo,  fumö  aus  "^fümaiö 
vgl.  fumä'Vi,^)  ein  Teil  der  Verba  auf  -co,  wie  neo^  *ne-i-ö  ahd.  naan, 
fleo  aksl.  bleja,  sileo  got.  sildip  (3.  Sgl.  =  '^sileieti) ;  die  Kausativa  auf  -eo, 
wie  moneo  *m(me-i''ö  skr.  mandyämi,  die  abgeleiteten  Verba  auf  -ro,  finio 
^fini-i'ö  (aus /in^re  fim-tum  wird  man  nicht  auf  "^ßnl-i-^ö  schliessen  dürfen), 
einige  auf  -wo,  c?wo,  *cZw-i-ö  skr,  Srü-yd-te,  congruo  *con-^nT-{-ö;')  dagegen 
statuo  und  die  übrigen  abgeleiteten  Verba  auf  -tio  wohl  aus  *statU'i-o 
u.  s.  w.  Vgl.  ferner  aeris  aus  *aieses  skr.  dycis,  pleores  aus  "^pl^öses 
(§  92),  trBs  ovös  aus   Hreies    "^oveies  (§  91A,  80),  cum   ea  aus  '^eiom  "^eia 


')  J.  Schmidt,  K.  Z.  27,  305;  Schülzb 
ib.  420  f. 

')  Übrigens  aucb  urgriechiBcbes  Laat- 
gesetz  nach  Osthoff,  Phil.  Rundschau  1881, 
1593. 

3)  Brugmann,  Grundriss  1,  §  85;  Über 
die  ganze  Frage  auch  Merinoer,  Zeitschr. 
f.  d.  österr.  Gymn.  39,  112  ff. 


*)  Brugmakn,  Grundriss  1,  §612  Anm.  1. 

')  Brugmann,  Grundr.  1,  S.  122  ff. 

®)  Mahlow,  D.  1.  V.  12,  Johansson,  De 
der.  verb.  contr.  99  ff. 

')  Osthoff,  M.  ü.  4, 15.  Anders  Thvr- 
NEYSEN,  Die  Bildung  und  Herkunft  der  Yerba 
auf  -io  62  f. 


4.  Vokale  (§  U.)  ^  261 

(§  90a),  eo  queo  aus  *e/o  *qu€io  (§  100),  wcms  aus  *meios;^)  die  Adjektive 
auf  -CO  wie  aureus  aus  *aureio-  gr.  xQ^^^^^^  XQ^^^^^-  Wg.  t  ist  sonantisch 
geworden  in  venw  idg.  *g^i^,  morior  skr.  m^yäte, 

c.  idg.  -it-  :^  lat.  -i-  in  trium  patrius  siem  dubius  ßeri  =  triium  u.  s.  w.*) 

d.  Postkonsonantisches  {.  Über  die  Verbindung  von  anlautenden 
und  inlautenden  Konsonanten  mit  i  vgl.  §  63,  65,  1  und  2.  Im  allge- 
meinen ist  idg.  {  in  diesem  Falle  sonantisch  geworden.  Man  vgl.  die  Ad- 
jektiva  auf  -lo-,  wie  medius  hom.  [tiäaaog  aus  ^fiä^iog,  alius  gr.  älXog; 
socius  aus  *soku-ios.  In  der  Aussprache  war  t  gleichwertig  mit  -tj-  (so  nach 
Bruomann  auch  in  finio)^  wie  man  aus  der  Schreibung  mit  ii  und  i  longa 
ersieht.*)  Postkons,  i  liegt  vielleicht  auch  vor  in  capis  aus  *capies  capiet  = 
got.  hafjis  hafjip  (§  107).    Vgl.  jedoch  die  Nachträge. 

e.  Über  i  in  den  Diphthongen  ai  ei  oi  §  30,  32,  34;  in  ai  ^  öi  §  13. 
2.  idg.  tf-  a.  Anlautendes  idg.  t/^  =  lat.  v;  vgl.  §  60.    Über  idg.  ^ 

in  anlautenden  Konsonantengruppen  §  62. 

b.  Intervokalisches  ^  =  lat.  v  in  Jovi  skr.  dyävi  (Lok.),  novem  skr. 
ndva,  onis  skr.  dvi-  u.  s.  w.  Wegen  der  früher  hier  vorgetragenen  Ver- 
mutung über  den  Wechsel  von  lat.   ^  und  v  vgl.  unten  §  73,  Anm.  2. 

c.  idg.  ut^  =  lat.  -u-  in  duo  vgl.  ved.  duvd  aumbr.  tuva;  alat.  duonoro 
ved.  düV'OS'  „Verehrung" ;  su-is  aus  *swt^-€S;  in  einigen  adjekt.  Bildungen 
auf  "tuo,  wie  Fa-tuo-s  mu-tuo-s, 

d.  Postkonsonantisches  ^.  Die  im  Wortanlaut  begegnenden  Ver- 
bindungen von  Konsonanten  mit  ^  sind  in  anderem  Zusammenhange  §  63, 
1  und  2  behandelt.  Im  Wortinnern  ist  idg.  ^  im  Lateinischen  bald  kon- 
sonantisch geblieben,  so  in  Suffix  -?^o,  z.  B.  ar-vo-m,  heUvo-s,  saUvo-s, 
equos  u.  s.  w.,  bald  silbenbildend  geworden,  wie  in  ard-uo-s  mort-uo^s; 
vgl.  ausserdem  genua  av.  zanva  lesb.  yövva,  tenuis  skr.  tanv-t,  quattuor  skr. 
catvdr-ds,  andererseits  aevom  alt  aevitas  aeviternus  gr.  ai/?«/',  ?mr  idg. 
*daiu&r.  Inlautendes  -d^-  nach  r-  =  6  in  derbiosus  aus  *derd^'  skr.  dardü^ 
, Aussatz",*)  sonst  -d?^-  =  v-  in  simvis  aus  *suadms  skr.  suädv-i,  -6A^-  = 
-6-  in  -6o  -6am  (§  113). 

e.  Über  at^  o^  (=  idg.  e^  und  oy)  §  31,  35,  über  ati  St^  ö^  ^  13. 

B.    Lateinische  Vokale  in  konsonantischer  Funktion 

{j  V  vokalisch). 

1.  Anlautendes  i  (j)  ist  in  der  Zusammensetzung  nach  Vokalen 
geschwunden,  so  in  den  Kompositis  mit  iacio  als  coicio  deicio  aus  ^coiicio 
*deiiclo,  bifjae  aus  *bi'iigae,^)  komm  aus  *hO'iornus^^)  cuncti  conctos  carm. 
arv.  doch  wohl  aus  *C(hiuncti;  vgl.  ferner  50(26$  volkstümlich  und  archaisch 
aus  *si  odcs  si  audes^'^)  sultis  Plaut.  Asin.  prol.  1  aus  *si  uUis  (w  =  uo), 
sis  aus  *sj^«5. 

2.  Postkonsonantisches  i  wird  bei  Dichtern  ziemlich  häufig  kon- 


*)  Oder  ist  mius  ursprünglich?  vgl. 
Johansson,  a.  a.  195. 

*)  Bbuomann  Grundr.  1,  S.  124. 

*)  Sbelxann,  S.  237   und   oben  §  4,  III. 

*)  Van.  Et.  W.«  121. 

^)  Nach  G.  Mbyeb,  Z.  f.  d.  öst.  Gymn. 
30,  281  =  *bi'igae  von  ag-. 


*)  CüRTius,  G.'^  355  nach  Pott;  indes 
möglicher  Weise  =  *Äo-t?emu«;  wieder  an- 
ders BüBY  Bezz.  B.  7,  39  (vgl.  W.  Meyeb, 
E.  Z.  28,  162),  Danielsson,  Stud.  gramm. 
52  (vgl.  Peb  Pebsson,  Stud.  etym.  88). 

^)  Letzteres,  wenn  auch  in  etwas  anderer 
Verbindung  Plaut.  Trin.  246. 


262 


B.  LateiniBche  Grammatik,    b)  Lateinische  Lautlehre. 


8onantisch  gebraucht,  so  besonders  vor  unbetonten  Vokalen,  z.  B.  abieie 
ariete  Laviniaque  Verg.,  dierecte  Plaut.,  *)  otiinia  Verg.  Aen.  6,  33;  aber 
auch  vor  betonten  Vokalen,  Nerienem  Enn.  ann.  113  MülL,  insidiantes 
ib.  443,  oriundi  Lucret.  2,  991,  vgl.  Lachmann  im  Kommentare  und  zu 
2,  115;  3,  917).»)  Vgl.  auch  spätes  2}arete-s  CIL.  6,  3714,  des  (=  dies)  ib. 
5,  6244,  quescas  ib.  2108  u.  a. 

3.  Intervokalischest;  erscheint  als  ^  und  schwindet  gelegentlich, 
z.  B.  latrina  aus  *la^atrina  lavatrina,  adnuitfuimus  eiliadnüvU  füvimus;  ditias 
Terent.  Andria  797,  Heaut.  194  Urapfenbach  (vielleicht  von  dU-);  Gaius  doch 
wohl  aus  *Ga^ifiS  fal.  Cama  osk.  Gaaviis  (anders  Deecke-Müller,  Etrusker» 
1,  451),  Graii  für  *Grai^i  mess.  graivaihi,^)  dinai  Lex  Spolet.  f.  ^di^^maf  (dan. 
deifM),  contione  neben  coventionid  CIL.  1,  196,  ittmta  CIL.  1,  1202,  5,  obliscier 
Accius  bei  Nonius  500, 5  M.;  vgl.  {emevseorsum  quorsum  rursum  aus  *se^orsum 
u.  s.  w.,  dextrorsum  neben  dextrovorsum  Plaut.  Rud.  176.  Spätl.  inschr.  as  = 
dvis  CIL.  7,  972,  quixit  quexit  (=  qui  ^ixit),  vgl.  Weissbbodt,  Phil.  43,  466. 
Hier  dürfen  auch  die  plautinischen  einsilbigen  Messungen  von  naveni  ovis 
ovo  (=  na^etn  o^is  auo)  angeführt  werden.  Über  aetds  aus  aevUas  und 
analoge  Formen  vgl.  g  74  und  im  allgemeinen  noch  Corssen  1,  321  f. 

4.  In  unbetonten  Silben  ist  -o^-  zu  -Ur-  geworden,  so  dornui  getiui 
aus  *döma^i  gene^i  *d6mo^i  *genot^i,  ahluo  aus  *dblavo  *dblot/io,  eluäcrxjtö 
aus  "^elavacrus  ^elo^acras,  denuo  aus  *deno^o  de  novo,  induo  aus  Hnd-^o 
^indnovo,  inipluo  aus  *implo^o  Hmplovo,  vidua  vacuos  aus  "^vido^a  ^vide-^a 
vgl.  skr.  mdh-dva  *vace'^0'S*),  gen.  magistraitws  aus  *magistrate^os;  fluere 
pluere  nach  den  Compositis  für  "^flovere  plovere,  alat.  conflovont  perphvere; 
suus  aus  sovos  (CIL.  1,  1007  sovo  und  stwm)  wegen  der  häufigen  tieftonigen 
Stellung.  Desgleichen  ist  -?^o-  zu  u  geworden  in  ectis  aus  eqtws,  Gnacus 
alt  Gnaivodj  deus  me-dim  (Fidius)  alt  deivos,  Dvenosinschrift,  devas  CIL 
1,  814,  dium  (=  deorum)  für  divom  Cato  47,  16  Jordan;  Flaus  CIL.  1,  277 
regelrecht  aus  Flavos,  während  Ilavus  nach  lautgesetzlichem  Flavi  gebildet 
ist;  ebenso  equus  nach  equi^  divus  nach  divi;^)  mvtis  {tius  CIL.  1,  1223) 
nach  vivi;  so  auch  aevum  {aeum  CIL.  1,  1220)  nach  am,  vgl.  auch  inschr. 
aeditus  mortus, 

5.  Postkonsonantisches  u  erscheint  in  konsonantischer  Funktion 
in  solvo  aus  *se'lu0y  luere,  volvo  für  *vel^o  gr.  fXvo)  (über  vohw  L.  Müller, 
De  re  metr.  262  f.);  bei  Dichtem  in  qtmtt^or  Enn.  Plaut.  (Georges  s.  v.), 
inschr.  und  vulgär  quattor^)  {quattur  Löwe  Prodr.  423  no.  16  nicht  latei- 
nisch, vgl.  N.  J.  119,  710),  tentiis  gent^,  in  welchen  eben  angeführten 
Fällen  etwa  nicht  eine  uralte  Reminiszenz  zu  erkennen  ist  (vgl.  ob.  A  2  c); 
tis  =  tuis;'^)  über  anderes  dieser  Art  Corssen  2,  751  f.,  760  f.  und  Seel- 
mann 234,  der  viele  derartige  Vulgarismen  verzeichnet.  Umgekehrt  wird 
von  Dichtern  auch  konsonantisches  u   manchmal  vokalisch  gebraucht,   so 


')  Brix  zu  Trin.  457. 

'^)  Fleckeisen,  N.  J.  101,  70;  Hormno, 
Z.  f.  rom.  Phil.  7,  572. 

3)  Dbecke,  Rh.  M.  37,  379. 

*)  Siehe  besonders  Osthoff,  M.  U.  4, 
158,  Z.  G.  d.  P.  259;  Bkuomann,  Grundriss 
2,  128. 


*)  Bersu,  Die  Gutturalen  53  ff.,  Thur- 
netsen,  K.  Z.  28,  155  f.;  anders  Fröhde, 
Bezz.,  B.  14.  87  ff. ;  vgl.  auch  Brambach, 
Neug.  88;  Weissbrodt,  Specimen  gramm. 
excursus  I. 

«)  Gröber.  Arch.  f.  lat.  Lex.  5,  127  f. 

')  RiTSCHL,  Op.  4,  109. 


4.  Vokale.  (§  15.) 


263 


pduis  Laber.  94  Ribb.  II  siluae  aquae  (dreisilbig),  worüber  Lachmann  zu 
Lucret.  6,  552  (dagegen  Ritschl  op.  2,  604  ff.).  Allgemein  jüngeres  milviis 
neben  älterem  milutis. 

6.  e  in  Hiatusstellung  verliert  bei  Dichtem  nicht  selten  seine  voka- 
lische Geltung,  daher  Messungen  wie  aur^  aur^i,  d^s  dQorum  Plaut.  Amph. 
53,  45  (vgl.  do  dae  Schuchardt  2,  463;  3,  289)  und  anderes  dieser  Art 
bei  Dichtern   aller  Zeiten,  wofür  die  Belege  zu  finden  sind  bei  Corssen 

2,  755  f.  Überhaupt  begreift  sich  von  diesem  Gesichtspunkte  aus  der 
ganze  Vorgang  der  Synizese  oder  Vokalverschleifung. 

Vokalabstufüng. 

Vorbemerkung  1.  In  der  folgenden  Darstellung  ha^e  ich  mich  an  Bruomxkk, 
Grundriss  1,  S.  246,  bez.  Hübschmanh,  Das  indogerm.  Vocalsystem,  Sirassburg,  1885, 
Osthoff,  M.  U.  4,  1  ff.  angeschlossen.  Donpelheit  der  Tiefstufe  (nebentonige  und  tonlose) 
ist  wenigstens  für  einige  Fälle  sicher  nachgewiesen.  Anders  fassen  das  Verhältnis  von 
ü  :ü,  tili  3,  Schmidt,  K.  Z.  25,  30  ff.,  54;  26,  382,  ders.  bei  Bebsu,  Die  Gutturalen  7, 
Anmerk.  1,  Mbbiiiger,  Z.  f.  d.  öst.  Gymn.  1887,  363  ff.  Bei  der  eigentümlichen  Ent- 
wicklung des  lat.  Vokalismus,  der  fast  nur  bei  den  ei-  und  etf- Wurzeln  die  doppelte  Gestaltung 
der  Tiefstufe  erkennen  lässt,  mag  es  noch  gestattet  sein  schlechtweg  von  Tierstufe  (schwache 
Wurzelform),  Mittelstufe  (starke  Wurzelform)  und  Hochstufe  zu  sprechen.  Die  verwickelte 
Frage  des  Vokalablautes  kann  auch  nach  den  scharfsinnigsten  Untersuchungen  noch  keines- 
wegs als  gelöst  betrachtet  werden;  am  wenigsten  vermag  ich  mich  mit  der  neuestens  be- 
sonders von  JoHABssoN,  De  der.  verb.  contr.  S.  93  ff.,  Bbzz.  B.  13,  115  ff.  vertretenen  «Schwebe- 
ablautstheorie'' zu  befreunden.    Vgl.  jetzt  auch  K.  Z.  30,  402  Anm. 

Vorbemerkung  2.  Bezüglich  der  Vertretung  der  silbenbildenden  indogerm.  Li- 
quidae  und  Nasales  vgl.  §§  43  und  45. 

§  16.   ^Reihe. 

a.  1.  Hochstufe  p^t-  es,  tonlose  Tiefstufe  pt-  s-.  Letztere  noch  er- 
kennbar in  in-s^c-e  */n-(s)gM-iY;i)  sdä-eo  sido  =  "^si-zd-o  nldus  =  *ni'Zd-os 

3.  Hochstufe  söJMum;  d^c-et  disco  =  di-dc-sco,  3.  Höchst,  döc-eo;^)  sumus 
Grdf.  *s-fnos  skr.  smds  neben  es-t;  p^d^is  nebentonige  Tiefstufe,  tri-pod-are 
2.  Hochstufe,  p^s  3.  Hochstufe;  vöx  4.  Hochstufe. 

b.  1.  Hochstufe  et-,  sret^-,  bher-,  men-,  Tiefstufe  ?-,  srü-,  hhf-,  wig-. 
eis  eo  für  *c|-o  t-tum;  *6Ae^-  *bhü-  in  ftmt  fuetp=*fü-i'at  *fü'iO'it,  ersteres 
intransitiv  und  transitiv,  letzteres  transitiv,*)  superhus  für  *5w^er-6Ä^-os;  nuo 
für  ^ne^o  gr.  rfvw;*)  mens  für  *m^tl-  memento  für  *mem^t6d  osk.  me-mn-im 
Men-erva  mon-eo;  gi-gn-o  tnaU-gn-us  gall.  Truti-kn-os  gno^tus  {na  =  §) 
geti-us;  teU  tollo  für  *^^rnö  (vgl.  übrigens  §  43)  la-tas  Grdf.  Hl-tö-;  str-uere 
stra^tus  Grdf.  ^stf-tö-  ster-nere  stor-ea  tor-m;  re-fr-iva  Fest.  277,  17  M., 
fors  Grdf.  "^hh^-ti-  fer-o  für  für  för;  -cmi-qne  got.  -hun  mhd.  ier-gen;^)  -em 
'Om  in  id-em  doftic-um.^) 

c.  1.  Hochstufe  deik-,  bheugh-,  Tiefstufe  dFA-,  bhägh- .  pran-dt-um 
deiv-os;  fid-es  (tonlose  Tiefstufe),  fld-o  di-feid-ens  {ei  =  x)  CIL.  1,  1175 
foid-eratei  foidrcre  CIL.  206,  93;  in-dic-o  dlxt  alat.  dme-ere;  due-em  alat. 
douco  für  *dei4C0;  lüc-enia  lüc-is  lüna  für  "^loue-sna  alat.  losna. 


>)  BBüOMAMif,  M.  ü.  3,  35  A. 

*)  Stolz,  Verbalflexion  68  f. 

»)  LöWB,  Prodr.  363,  Osthoff,  M.  ü. 
4,  25. 

*)  G.  Mbybb,  Gr.  Gr.«  §  499,  5  Anm.  1 ; 
H.  W.  Smyth,  Der  Diphthong  El  S.  16  setzt 
es  =  *yivjfif,  Solmsen,  K.  Z.  29, 119  =  *yBvc(o) 


vgl.  auch  AscoLi,  Sprachw.  Briefe  S.  142. 

*)  Kluge,  Et.  W.  s.  v.  «irgend'' ;  Bbuo- 
MAHN,  Grundriss  1,  S.  176  und  506  hält  wegen 
umbr.  pumpe,  lat.  quomque  fOr  ursprünglich. 

*)  Leskiek,  Ber.  d.  k.  sächs.  G.  d.  W. 
36,  94  f. ;  Thurnbysbn,  K.  Z.  27,  175. 


20 i  B.  Lateinische  Grammf^tik.    b)  Lateinische  Lautlehre. 

Vergl.  ferner:  -cellere  cul-m^n  f.  '^ceUmen  cul^mus  f.  ^col-mos,  cofi- 
quinisco  f.  "^con-qucc-nisco  conquexi  coxa,  cer-vus  cor-nu  (pr  =  f),  domu&  gr. 
J^/io),  ed-ere  d-em^  fer-ire  for-are  fur^ca,  iüg-um  iüg^is  gr.  Csvy^vvfiij  men-ium 
min-ere  (wegen  i  §  8)  mons,  mord-eo  gr.  <r/Ä€Q6v6gj  moveo  *meveo  gr.  a-juctiw, 
neC'O  noc-ere  noxa,  p^d-ere  pöd-ex  für  '^pözdo,  pend-ere  pond-^us^preoor  proc-^us, 
reg-o  rog-are  (aber  r^g-is  skr.  rajan-  idg.  W.  *reg-),  trfc-ae  trTc-o  {treic-o 
Lucil.  sat.  XI,  11  Müll.)  für  Her-cae  Her^co  nach  Analogie  von  trl-vi  ter-o 
torqti-eOy  torp-eo  (idg.  *ttP-^y  Bbüomann,  Grundriss  1  §  303,  1),  terra  ex- 
torr-is,  teg-o  iug-uriuni  (Assimilation,  vulgär  teguriumY)  tog-a,  jünger  t^g- 
ula^  veh-erc  gr.  {fs)oxogj  rub-er  gr.  €-q€vO^-(o  röb-igo  (=  *reubigo  oder  *roubigo). 
Mit  t=  ei  dT-rus  gr.  isi-vog,  vtv-ere  veiv-ont,  lib-o  (de-llb-uere)  gr.  ksiß-ta, 
np-a  gr.  €'Q€in'(o,  scrtb-o  umbr.  sereihtor,  vTcus  {veict4$  CIL.  1,  S.  598) 
neben  gr.  poXxoq^  vf-num  gr.  j^oTvog,^)  vgl.  §  34  Anm.  1;  antt-cus  neben  gr. 
dvTt\  vgl.  -t^-  =  e^  in  albü-ctis  cadü-etis,^) 

Mit  fi  =  eu  :  erügere  (vgl.  rügire)  gr.  iqevyit),  iüs  iaüs  He^os,  scütum 
*sceutufn  gr.  tsxevr]^  uro  gr.  fiw  (für  "^svaw),  glübere  ahd.  hlioban,  trüdere 
got.  uspriutan;  nümen  für  *netiiMcn  gr.  vfVjua  (Solmsen  1.  1.  =  ^vews^na 
vgl.  r€i;(yrafa)),  ebenso //ö^wen ;  aber  degünere  für  *degüsnere  gr.  yew^fyhxi, 
u  ist  gekürzt  wegen  des  folgenden  Vokals:  crtior  Qrdf.  *cre^os  skr.  Äröra,^) 
die  Zeitwörter  ciwerc  flu^re  (vgl.  /?ere  aus  *fle^re)  pluere  (alt  conflovont 
aus  *fle^on{).  Mit  «*=  oi:  ^üdu^  Zoidos  CIL.  I  565,  Z%ere  Aoiyog,  lüridus 
XtiQog  •  wx^ög  Hes.,'')  brütus  gr.  /?^«-,  spüma  skr.  phena-  „Schaum*.  Dieser 
Ablaut  ist  auch  für  die  Deklination  und  Konjugation  von  Bedeutung,  daher 
der  Wechsel  von  o  und  e  bei  den  o-Stämmen,  von  -05  und  -es-  bei  den 
sigmatischen  Stämmen,  bei  denen  auf  -wen  (=  Grdf.  -my)  und  -mon,  auf 
"Cft-  -n-  -on-,  z.  B.  caro  car-n-is,  ratiön-em,  bei  den  Verwandtschaftswörtem 
auf  -ter  (patbr  aus  Später  patr-)  und  den  Nom.  ag.  auf  -for,  wie  datffr  aus 
*datör  datör-em  datr-ix,  vielleicht  auch  beim  Participium  des  Präsens 
{-ont  -ent  [=  -^^]),  (vgl.  jedoch  §  45),  bei  der  Konjugation  der  o-Verba. 
Das  Nähere  hierüber  wir4  in  Kürze  an  seinem  Platze  beigebracht  werden. 

Anmerkung.  Noch  nicht  vollkommen  klar  gelegt  ist  das  Verhältnis  einer  Reihe 
von  Worten,  in  denen  ä  und  ö  neheneinanderliegen :  acuo  äcies  ocris,  älere  ind-öles  ad- 
olescOy^)  ad-uncti8  (anctis  gloss.)  gr.  ayxüiy,  in-cohare  osk.  kahad,  fax  focus,  hasta  umbr. 
ho8tatir,  loqui  gr.  Xaxety,  scabere  scobis,  tongent  praen.  tongionem  osk.  tanginom}  baetere 
(foiTog,  ar-hi-tro-,  idg.  *hhaj^'t  auris  ovara  {hjau-d  gr.  or.^)  Über  car^eo  lavo  paveo  neben 
gr.  ^vo-ax6og  Xo{f)eo}  nxoiia  s.  §  10.  Doppelformen  der  Tiefstufe  liegen  vor  in  mcUtas 
molleSf  pars  portio  (vgl.  §  43),  vielleicht  auch  in  hara  co-hors. 

§  16.  e-Reihe.  Nebentonige  Tiefstufe  -a-  in  cre-ditus  aus  *cre-dätos, 
fä'Cio  1.  Hochstufe  idg.  *dÄe- gr.  x^r^-,  2.  Hochstufe  idg.  *dÄö-  in  sacer-dös 
^^sdcro-döt-;^)  vgl.  ferner  cUam  oc-culrttis  {-ul-  =  -jj-)  oc-cuUo  (-m?-  =  -eK) 
celno^  fänum  (=  "^fäs-no  fPs-tus  (Brüomann,  Grundriss  2,  S.  136),  flare  für 
*/?örc  nach    flatus    aus   *bhltö'    flös   idg.    Hhle-   (Feist,   Qrundr.    d.   got. 


')  Jordan,  Hermes  6,  193  f.  ^)  Bechtel,  Dissimilation  22. 

2)  Einheimisch  mit  0.  ScHRADEB,  Sprach-  *)  Fick,  K.  Z.  21,  3. 
vergl.  377,  Tier-  und  Pflanzengeographie  26, 
0.  Weise  32,  127  A.  9;  Reste  der  Weinrebe 
sind  in  der  Terramare  nachgewiesen,  Helbig, 
Beiträge  1,  109  f. 

3)  Kauffmann,  P.-B.  Br.  12,  206. 
*)  J.  Schmidt,  Voc.  2,  340. 


')  Vgl.  Osthoff  bei  Hübschmann  das 
indog.  Vokalsprstem  S.  190  f.;  Danislsson 
bei  Pauli,  Altit.  Stud.  3,  177  f.  Anm.  Anderes 
noch   zweifelhaftere   habe  ich   weggelassen. 

^)  W.  Schulze,  K.  Z.  28,  281. 


4.  Vokale.  (§  16-21.) 


265 


Etym.  20  f.),  xexccSotTo  cädo  cidere,  nätrix  got.  nadrs  idg.  ^mtrö-  W.  nc- 
(Feist  ib.  81),  rätus  r^ri,  sätm  s^men,  spätium  (?)  spSs;  evXijQa  lörum^  plere 
plörare.^)  Tiefetufen vokal -^-  durch  Angleichung  an  den  der  1.  Hochstufe, 
z.  B.  f^us  gr.  x^rjQ,  md-t-o  gr.  ä-firj-rog  ahd.  mäjan;  f&^lare  ß-mina  gi\ 
^-cr^a*,^)  n€re  gr.  ^rv?;,  s^mi-  gr.  ?Jjmi-,  ventus  Qrdf.  *v€'nt'-  gr.  *tt'f:r^'iii; 
Suffix  -törio"  gr.   -TJjQifh-   (Neutrum). 

Anmerkung  1.  Bei  ayo  :  ^pt,  -op-  :  co-epi  ist  e-  durch  Kontraktion  entstanden 
(Grdf.  *i'ag-'  *e-a/)-).  Nach  Osthofp,  Z.  G.  d.  P.  155  f.  sind  nach  diesem  Muster  auch 
cipi  fici^)  fregi  ieci  pegi  gebildet;  vgl.  §  109. 

Anmerkung  2.  Ugo  Ugx  (colliga),  sM-eo  sid-i  u.  s.  w.  sind  in  diese  Reihe  (mit 
secundärem  e)  übergetreten,  indem  zunächst  sSd-i  nach  altererbtem  sBdimus  gebildet  wurde ; 
vgl.  §  109. 

Anmerkung  3.  grfysus  ftsBua  (mit  ^  nach  Ausweis  der  romanischen  Sprachen) 
sind  die  aus  der  Komposition  verselbständigten  Formen.^) 

17.  Ä-Reihe.  Nebentonige  Tiefstufe  ä  =  idg.  9  in  stä^tus  skr. 
sthi-td'  »i-sti-mus  =  *si-5^-i»ws,  1.  Hochstufe  sta-  sta-men  Sta^tor;  fa^Ueor 
fa^-ri  fa-ma.  Aus  den  wenigen  einigermassen  gesicherten  Beispielen  mögen 
noch  suad-eo  stiäviSy  plango  {plag-)  plaga  hervorgehoben  werden ;  vielleicht 
hieher  gehörig  auch  scäpula  scapm  scöpae,  rädere  r ödere,  nates  vdnov; 
capitalc  Capitölium,  primCLrius  primöres. 

18.  ö-Reihe.  Tonlose  Tiefstufe  rfe-d-f,  nebentonige  Tiefstufe  dä-tus 
dä-muSy  Hochstufe  dös  dö^nunt;  äcti-pedius  öcior;  cäpuluin  gr.  xw/rry,  cätus 
cös,  gnö-scere  gna-rus  ^g^-rö-  scheint  in  diese  Reihe  übergetreten,  W.  ^m-; 
cognitum  aus  ^cö^gnatum  Grdf.  *flf§-^'-. 

19.  a-Reihe.  Nebentonige  Tiefstufe  in  äg-ilis,  1.  Hochstufe  ago 
(=  idg.  *dgö),  2.  Hochstufe  amb-ag-es  {Sgi  §  16  Anm.  1);  fd-m  aestus 
idg.  *a{dA-;  scindo  *scid-  neben  caedo  *scaid'  idg.  skaid-;  der  Auslaut 
a  :  ä  der  weiblichen  a-Stämme.     Über  ö  neben  ä  vgl.  §  15  Anm. 

20.  0- Reihe.  Tiefstufe  öc-ulus  gr.  wxp;  ßd-ere,  2.  Hochstufe  ßd-i; 
öd'ium  öd'i;  nös-ter  nös, 

21.  Aus  den  Doppelformen  der  Tief  stufe  ist  ein  scheinbares  Ablauts- 
verhältnis f :  K  und  ü  :  ü  erwachsen,  zum  Teil  beeinflusst  durch  den  Über- 
gang von  idg.  -ei"  ew-  in  lat.  -f-  -ü-,  vgl.  re-ltquri  re-hqu-os,  vld-i  vidiere, 
füg-i  ßig-ere,  iüv-i  iüv-are.  Auch  der  Perfektablaut  a\  ä  ist  nur  bei  den 
Wurzeln  der  a-Reihe  ursprünglich,  aber  durch  Analogie  auch  auf  die  der 
fl-Reihe  übertragen.  Auch  steht  das  ursprüngliche  indog.  Verhältnis  durch- 
aus nicht  immer  sicher  in  Fällen  wie  actis  acer,  -frägus  suffrägor,  päcare 
X)äx^  pläcere  plücare,  sägax  sagus,   tägat  contages,   vädum  vadere  u.  s.  w. 

Anmerkung.  Die  umfangreiche  Litteratur  über  den  indogermanischen  Vokalismus 
findet  man  am  vollständigsten  verzeichnet  bei  Bbugmank,  Grundriss  1,  S.  32  Note  2  und 
246,  Note  2;  desgleichen  sind  die  hauptsächlichen  Arbeiten  von  G.  Mgyeb,  Gr.  6r.'^  S.  \i 
angefahrt.  Der  Vollständigkeit  halber  vgl.  auch  L.  Meyeb,  Orient  und  Occident  1,  55  ff. 
Ausser  den  a.  a.  0.  verzeichneten  Arbeiten  sind  mir  noch  bekannt  geworden  Mbblo,  Ragione 
del  permanere  del  A  e  de!  suo  mutarsi  in  E  (0)  fin  dair  eta  protoariana  in  Rendiconti  del 
R.  istituto  Lombarde  Serie  11  vol.  XX  fasc.  XV — XVI  (ein  vergeblicher  Versuch,  die  ältere 
Ansicht  von  der  ursprünglichen  Dreiheit  der  Vokale  (a  i  u)  zu  retten)  und  Fum,  Per  la 
fonistoria  protaria  nota  preventiva  in  Rendiconti  d.  R.  Acad.  dei  Lincei,  classe  di  scienzo 
morali  etc.  vol.  IV,  fasc.  8,  S.  406  ff. 


*)  Bbuomavk,  M.  U.  1,  45. 

")  Urspr.  wie  es  scheint  ^Wurzel. 

3)  Babtuolomae,    K.    Z.  27,    355  setzt 


/^-c  =  &tj'Xf  während  facio  denominatives 
Zeitwort  ist,  abgeleitet  von  *fa'CO-. 
*)  OsTHOFP,  Z.  G.  d.  P.  537  f. 


266 


B.  Lateinische  Grammatik,    b)  Lateinische  Lautlehre. 


VokalwandeL 

22.  Da  die  Vokale  eine  fortlaufende  ineinander  übergehende  Reihe 
bilden,  so  ist  es  erklärlich,  dass  auch  bei  geringer  Veränderung  ihrer  Ent- 
stebungsbedingungen  Verschiedenheiten  in  der  Aussprache  hervorgerufen 
werden,  die  der  Schreibende  bei  dem  Mangel  einer  ausreichenden  Anzahl 
von  Vokalzeichen  durch  das  Zeichen  des  nächstverwandten  Vokales  fixierte, 
z.  B.  t-färbiges  e  durch  i,  w-färbiges  o  durch  u  u.  s.  w.  Uniäugbar  ist 
auch  der  konnexive  Einfluss  benachbarter  konsonantischer  Laute  auf  die 
Färbung  der  Vokale,  trotzdem  Cobssen  seine  Theorie  von  der  Wahlver- 
wandtschaft der  Konsonanten  und  Vokale  entschieden  übertrieben  hat.  Von 
besonderer  Bedeutung  für  das  richtige  Verständnis  der  hier  einzureihenden 
Erscheinungen  ist  die  Berücksichtigung  des  Accentes,  die  in  vielen  Fällen 
das  Wesen  der  Erscheinung  erklärt. 

Anmerkung.  Die  im  Folgenden  verzeichneten  Veränderungen  betreffen  die  indg. 
Vokale  a  e  o  u  9,  vgl.  Brugmann,  Grundr.  1,  S.  54,  74^  91.  Es  schien  mir  aber  im  Interesse 
der  Übersichtlichkeit  gut,  dieselben  hier  im  Zusammenhange  zu  behandeln.  Vgl.  auch 
ScHWEizBR-SiDLEB,  Gramm. ^,  §  43  und  E.  R.  Whabtok  in  Transactions  of  Philol.  Society 

1888,  43  ff. 

Vokalwandcl  in  nicht  zusammengesetzten  Wörtern,  bez.  nur  im  ersten 

Gliede  (in  der  Fuge)  der  Zusammensetzungen. 

Tonsilben. 

23.  1.  i  tritt  in  gewissen  Fällen  fQr  e  ein,  wie  bereits  §  8  auseinander- 
gesetzt worden  ist;  umgekehrt  e  für  i  infolge  konnexiven  Einflusses  von  r 
z.  B.  sero  *siso;  Falerii  neben  Faliscus, 

2.  idg.  e  in  den  Verbindungen  ve  ^e  ev  e^,  wird  zu  o,  vgl.  oben  §  8; 
hingegen  später  umgekehrt  vo  zu  ve,  vgl.  ebendort  §  10. 

3.  e  wird  zu  o  vor  Z,  so  in  solvo  für  *sel^o,  helusa  Paul  Fest.  100 
[vgl.  heUtores  Löwe,  Prodr.  339],  gewöhnlich  holera.  Von  derselben  Art 
sind  olea  [vgl.  oUva],  und  in  der  Stellung  nach  l  eloffiumj  wenn  sie  wirklich 
Lehnwörter  sind  von  iXaia  iXeyslov, 

4.  i  für  u  (eigentlich  der  Mittellaut  ü)  vor  Labialen  und  ?,  z.  B. 
Silva  für  "^siilva  gr.  SAr;  [nach  Osthoff,  M.  U.  4,  158  =  ^sur-lä-va  „die 
holzreiche**  (Gegend)],  luhct  Übet,  letzteres  von  Havet,  Mem.  d.  1.  S.  d.  1. 
6,  16*  aus  Wendungen  wie  qut  lubet  erklärt;  eluefis  Plaut.  Men.  575  neben 
gew.  cliens,  clupetis  Plaut.  Trin.  596  B  Mil.  1,  Mon.  Ancyr.  6,  20,  Verg. 
Aen.  12,  232;  simus  (=  summ)  Suet.  Aug.  87,  Verg.  Aen.  12,  231  Ribb. 
(vgl.  possimtis  Ind.  Verg.,  Eccl.  7,  23  Ribb.);  lunter  Unter  (Schmitz,  Beitr. 
102);  lumpa  limpa  osk.  Diumpais,  fimus  fimum  gr.  x^vfiov  (Brugmann,  Grdr.  1, 
S.  43).     Bemerkenswert  /  in  frtgo  gr.  (pQvy(o,^) 

5.  0  neben  gr.  v  in  folium  mola  nox  (hingegen  o  =  ^e  in  fores)  2) 
und  in  dem  Lebnworte  storax  atvQa^^),  0  für  c  in  dem  Lehnworte  lopades 
gr.  Xsnctdeq,  übrigens  auch  in  vulgäien  Beispielen:  consere  censere,  noxc 
colligate  (Löwe,  Prodr.  342,  371),  amploctor  ioeur  (nach  Grammatiker- 
angaben); tonores  Quint.  1,  5,  22  ist  an  gr.  rovog  angelehnt.'*)  0  für  t« 
sehr  häufig  in  archaischer  und  vulgärer  Rede,  z.  B.  sortus  surrectus  (Liv. 


')  Erklärungsversuch   von   Thuriieysen 
K.  Z.  30,  352. 

'^)  Andres  Havet,  Möra.   d.  1.  S.  d.  1.  6, 


114;  G.  Mbybb,  Gr.  Gr.*  §61. 
*)  Anderes  bei  0.  Weise  36. 
*)  Vgl.  auch  SoHUCBABOT,  Vok.  3,  245. 


4.  Vokale.  (§  22-25.) 


267 


Andr.),   connus  aus  Ciceros  Zeit,0   Fohius  CIL.  6,  1307;    10,  823C   u.   a. 
ö  für  ti  in  lacöna  für  lacüim  Varro  226,  7  Riese. 

6.  w  für  0  in  den  Lehnwörtern  amurca  funda  fungus  neben  gr. 
afioQytj  fSifsviovTi  fSifoyyoq;  ebenso  entspricht  lat.  u  besonders  vor  Liquidae 
und  Nasales  urspr.  o-Laut,  z.  B.  luxus  gr.  i-o^oq^  ululare  gr^  oXoXv^eiVy 
umbiUcus  umbo  gr.  ofXipaXog,  numerus  für  *nomesos,  umerus  gr.  cojuo^,  uncus 
gr.  oyxoq^  unguis  gr.  ovv^^  pullus  Grdf.  ^pelno^^  avunculus  älter  avonculus 
Grdf.  *avonclO'  St.  aro^i-*)  und  so  überhaupt  älter -owcwZo- jünger -wncwto-, 
cum  neben  cofw-,»)  swn^  älter  son^  CIL.  1,  1166,  ci*/;?a  i>MfcÄ6r  neben  älterem 
colpa  polcer,  uncia  onda  {tunica  aber  ist  semitisches  Lehnwort,  Voigt  in 
diesem  Handb.  IV,  2,  803);  ursus,  mulctus  [ur  ul  =  idg.  f  l\\  vereinzelt 
fumacalibusYsLTTO  1. 1.  6, 13  (von  fumax  für  foniax);  tuK  nach  den  Compositis 
{toU  CIL.  1,  208  u.  ö.);  fluvius  für  älteres  flovius  nach  fluere;  ü  für  ö  selten, 
so  für  gr.  ifipQy  hüc  (seit  der  Kaiserzeit),  illüc  {illöc  noch  in  der  Rede  des 
Claudius).*)    Über  ov  =  av  vgl.  §  10;  über  vo  =  vu  §  28,  1. 

Anmerkung.  Eigentümlich  ist  das  Lehnwort  agea^  gr.  ilyviti  {B  ■=■  i);  ebenso  die 
Wiedergabe  von  Bqixxioi  durch  Brütii  und  Bruttiif  Mommsen,  Unterit.  Dial.  253. 

Vortonige  Silben. 

24.  e  für  a,  z.  B.  in  dem  Fremdworte  Delmatia  und  Dalmatia,  ver- 
einzeint lenuarius,^)  i  für  a  in  Mithridates  gr.  Mix^qaddtrfi,  o  für  e  vor  /, 
so  Menolanus  CIL.  1,  1213,  Pilotaerus  570 ,  olopantus  {elephanius?)  CIL.  1, 
1091.  0  für  w  in  Posilla  CIL.  1,  953.  w  für  ö  in  wpi7w  neben  opiWo. 
w  für  0  in  adulescetis  (Subst.)  neben  dem  rekomp.  Part,  adolescens,  culina  arch. 
colhia.  u  und  i  wechseln,  z.  B.  monumentum  und  mofUmefitum,  testu-  und 
testimonium  u.  s.  w.  Bei  den  letzten  zwei  Wörtern  und  adulescetis  stand 
der  Vokal  nach  älterer  Betonungsweise  ursprünglich  in   nachtoniger  Silbe. 

Nachtonige  Silben.^) 

25.  1.  Als  Vokal  der  nachtonigen  Silben  (die  Endsilben  sind  dabei 
nicht  mit  inbegriffen)  erscheint  vor  r,  vor  mehrfacher  Konsonanz,  einfachem 
Vokal  und  nach  i  regelmässig  c,  daher  z.  B.  legere,  Venerem  (idg.  e); 
peperi  (idg.  a);  genetrix  (idg.  p);')  cineris  GtAS,  *cinis-is  vgl.  cinis-culum;^) 
soceri  (kaum  mit  -e-  =  idg.  -i^  gr.  ixvQo-g  wegen  des  altlateinischen 
Betonungsgesetzes);  daher  auch  regelrecht  die  griechischen  Lehnwörter 
siser  camera  phalerae  neben  gr.  (Siaaqov  xafxaQa  ^)  (päXaqa^  hingegen  Ö  für  v 
in  ancora  gr.  äyxvqa,  Caesaris  iubaris  nectaris  haben  ihr  a  vom  Nominativ 
bezogen.  Dazu  vgl.  die  Komp.  peicro  auger  augeratus  Priscian  bei  Keil, 
Gr.  L.  2,  27,  38  neben  gew.  augur  auguratus.  Vgl.  ferner  die  Perf.  peperci 
fefelliy  urspr.  *pfperci  *ff'felK  betont,   die   griech.   Lehnwörter  Alixetitroni, 

')  Fböhde,  K.  Z.  18,  258  f.;  Schuchabdt, 
Vok.  2,  169;  8,  221. 

')  Osthoff,  P.-B.  Br.  13,  447  f. 

^)  Dass  com-  infolge  der  Betonung  das 
0  erhalten  hat,  bemerkt  richtig  Skutsch,  De 
nom.  Lat.  compositione  quaest.  sei.  S.  34  Anm. 

*)  Vgl.  Fböhde,  Bezz.  B.  14,  95  ff. 

^)  Andere  Beispiele  bei  Seelmann  171. 

*)  Vgl.  die  AasfQhningen  von  W.  Meybb, 
Z.  f.  rem.  Phil.  8,  205  f.,  die  im  Folgenden 
benfitzt,  aber  mehrfach  richtig  gestellt  und 


vervollständigt  sind. 

^)  Lachmann  zu  Lucrbt.  1,  1  ;  darnach 
gefietivus  (umgekehrt  auch  genürix). 

^)  Weitere  Beispiele  bei  L.  Meter,  Bezz. 
B.  1,  153. 

^j  Dagegen  vulgär  camara,  carcares. 
sisarumf  ersteres  auch  Varro  r.  r.  1,  52,  2 
Keil  und  öfter.  Auch  Verrins  Flaccus  wollte 
camara  nach  Chabis.  bei  Keil,  Gr.  L.  1, 
58.  22. 


268 


B.  Lateinische  Grammatik,    b)  Lateinische  Lautlehre. 


talefitumj  Tarentum,  deren  Lautgestalt  die  ursprüngliche  Betonung  wieder- 
spiegelt, levirum  für  *leverum  nach  virum,  sattira  satira  nach  satur; 
so  zeigen  auch  5-  und  r-Stämme  Eindringen  des  Vokalismus  des  starken 
Stammes,  vgl.  z.  B.  tempöris,  decöris,  marmöris;  fulguris  (dagegen  inschr. 
auch  fulgerator)  gutturis  cicuris  u.  a.  mit  dem  Nom.  auf  -wr,  memoria 
haben  ihr  w  bez.  o  vom  Nominativ  bezogen.  Regelrecht  erscheinen  ebriciwi 
pietas  societas^  abietis  arietis  parietis  [vgl.  variegare  hietare  in  vortoniger 
Silbe];  ebenso  vinea  lancea  cavea  calceas.  Ausnahmsweise  iunipirus  Gato 
r.  r.  122,  Varro  r.  r.  1,  8,  4  Keil.  Vgl.  gr.  xi^fseqa  Foy,  Bezz.  B.  12, 
50  f.  In  filio,  i  =  ii,  dafür  in  älterer  Zeit  auch  fileai  Eph.  1,  no.  17  S.  12 
und  sogar  filei[ai]  Hermes  19,  453;  vgl.  ascea  neben  ascia,  Taseos  = 
&d(ftog  ScHNEiDEB  48,  prän.  Oveo  ib.  168  neben  gew.  Ovit^s;  ähnlich  auch 
tempestatebus  CIL.  1,  32.  So  wohl  auch  prän.  Fabrecio  CIL.  1,  106  zu 
erklären  (a  betont),  vgl.  Paperius  ib.  1,  554. 

2.  Regelmässig  behauptet  sich  lat.  o  =  idg.  o  in  den  Verbindungen 
-eoU  'iol-,  z.  B.  alveolus  filiolus,  ebenso  in  der  Lautfolge  -i?o-  bis  auf 
Augustus,  wo  'Vu  an  dessen  Stelle  tritt,  z.  B.  parvoltts.^)  Vereinzelt  vino- 
lenit4S  sanguinolentm.  Hingegen  tritt  für  idg.  a  e  o  9  sonst  vor  l  der 
Mittellaut  ü  ein,  in  der  Schrift  durch  u  oder  i  bezeichnet,  z.  B.  equula 
und  equila^  similat  neben  gew.  simulat,  in  vielen  Fällen  durch  den  Vokal 
der  nachfolgenden  Silbe  bedingt,  so  bei  den  Adjektiven  auf  -ulo  (Nom. 
"Ulus)  und  'ili  (Nom.  -tfe),  häufig  auch  beim  svarabhaktischen  Vokal  (vgl. 
§  37);  seduh  aus  se  dolo  {se  dtdo  {mlah]  CIL.  200,  39);  tetuK  u.  a.  Hieher 
gehören  auch  die  griech.  Lehnwörter,  wie  pessulus  Siculus  scopultis  gr. 
naaaaXog  JSixeXog  axonsXoq^  paenula  gr.  <paiv6Xr^g  u.  a.,  vgl.  catapuUa  gr. 
xataTtäXtrjg,  In  älterer  Sprache  ist  ursprüngliches  o  erhalten,  so  agolum 
Paul.  Fest.  29,  15,  epolonos  ib.  78,  11,  tegolis  Plaut.  Mil.  160  A;  gr.  ^ev- 
dvXoq  lat.  Pseudolus  nach  Analogie  der  ächtlat.  Wörter.*) 

3.  Vor  b  p  f  m  sind  alle  indog.  Vokale  durch  den  Mittellaut  ü  bez. 
u  oder  i  ausgedrückt;  s)  vgl.  den  Dat.  Abi.  Plur.  der  w-Stämme  auf  -wfcws 
und  'ibuSy  occupo  dissipo,  Crassupcs  CIL.  1,  436  neben  gew.  Crassipes, 
pontufex  pontifex,  aestumo  aestimo,  dacruma  lacriwa.*)  Älteres  o  in  fal. 
Maxomo  Zvet.  Inscr.  It.  med.  58,  incolomis  Plaut.  Truc.  168.  covenumis 
CIL.  1,  532  halte  ich   mit  Corssen   1,  334  Anm.   für  einen   Schreibfehler. 

4.  Vor  allen  anderen  einfachen  Konsonanten  sind  in  nachtoniger  Silbe 
die  idg.  Vokale  durch  i  vertreten,  z.  B.  serite  Grdf.  *si'Sa-te  (idg.  a), 
legite  oppidum  gr.  neSov  (idg.  e),  sonica  (v.  "^seno-)  funditns  (idg.  o),  domitus 
gmitus  (idg.  o);  vgl.  ferner  agidum  Plaut.  Trin.  369  B  gew.  agedum,  huncine 
quatinus  gew.  qtmtenus  quippini  u.  a.;  ferner  die  älteren  griech.  Lehnwörter, 
wie  machina  trutina  u.  a.  Für  dieses  /  steht  älter  und  vulgär  auch  c 
(geschlossen),  daher  acetare  Paul.  Festi  23,  10,  sineto  intercedeto  CIL.  1, 
206,  134,  164,5)   timedus  Naev.  nach   Non.   376,   12  Müll.  (==  *tinieS'dO'\ 


*)  Anderes  L.  Mbyer,  a.  a.  0.  155. 

«)  Götz  praef.  XL;  Wölfplin,  Siteb.  d. 
bayer.  Akad.  1887,  S.  203  (Wortspiel  mit 
dolus). 

')  Seit  Cfisar,  vgl.  Quint.  1,  7,  21, 
ScHucHARDT,   Vük.  1,  53:   WöLFFLiN,   Arch. 


f.  lat.  Lex.  4,  620.  Auf  dem  Mon.  Ancyr. 
stets  i  mit  Ausnabmc  von  8eptiwgenaum[Hm] 
6,  28,  vgl.  §91B. 

*)  Anderes  bei  Corssen  2,  136  f. 

^)  Corssen  2,  291  f. ;  L.  Meyer  Bbzz.  B. 
1,  143  f.;  Storm,  M^m.  d.  S.  d.  1.  2,  81  f. 


4.  Vokale.  (§  26-27.) 


269 


iuvenis  nach  iuventus;  pecudem  nach  dem  Nom.,  tutudit  nach  tundo;  arbutum 
coluhei'  volucer  u.  a.  verdanken  ihr  u  wohl  dem  Einfluss  des  b  bez.  ?J) 
Andere  bis  jetzt  nicht  aufgeführte  Ausnahmsfälle  erklären  sich  durch  As- 
Qimilation  der  Vokale,  so  alapa  anati^  farfarus  (vulgär  anitis^  anites  Plaut. 
Gapt.  1003,  farferi),  barbartis,  cannabis,  celeber,  integer^  vegetus  hebetis 
segetis  u.  a.;  bei  anderen  Wörtern  hat  das  Bewusstsein  der  Zusammen- 
setzung die  lautgesetzliche  Gestaltung  der  nachtonigen  Vokale  gehemmt, 
vgl.  z.  B.  afavus,  concavus,  itaque,  impetus^  duodecim,  compedis  (hingegen 
enico  bei  Plautus  gew.,  prosicarier  Plaut.  Pön.  328,  resicare  Cato  r.  r.  33, 
2,  47  Keil,  Varro  r.  r.  1.  31,  2)  praesecat,  avehit  u.  a.;  nicht  wenige 
endlich  sind  offenbar  als  später  eingebürgerte  Fremdwörter  nicht  mehr  dem 
älteren  Lautgesetze  verfallen,  z.  B.  hilans,  stomacht^,  pelagus,  cititara, 
Pegast48^  petasus,  cerastis, 

Endsilben. 

26.  1.  Bei  den  Neutris  auf  -e  -ale  -are  (jünger  -al  -ar)  ist  e  aus  f 
hervorgegangen,*)  ebenso  beim  Neutrum  der  Adjectiva  auf  -is;  ante  gr. 
ät'Ti,  Hingegen  sind  -m  und  re  der  2.  Sgl.  Pass.  zwei  selbständige  Formen,*) 
ebenso  -ins  und  -ve  (vgl.  §  69,  3),  magis  mage  vgl.  ved.  mdhds  mähe*)  und 
iwtis  pote,  e  zu  i  gewandelt  auch  in  undecim  u.  s.  w.  und  im  Gen.  sing, 
auf  -is  aus  -es  (vgl.  §  84). 

2.  Über  auslautendes  ä  und  ö  =  if  vgl.  §  7  und  10. 

3.  Das  (^  der  o-Stämme,  mit  Ausnahme  derer  auf  -uo  und  -ro,  bei 
denen  diese  Wandlung  erst  in  der  ersten  Hälfte  des  ersten  nachchrist- 
lichen Jahrhunderts  in  die  Schriftsprache  eindrang,  wich  seit  dem  Beginn 
des  sechsten  Jahrhunderts  endgültig  dem  w-Laute,  vgl.  z.  B.  älteres  Manios 
(Fibelinschrift,  Palestrina),  praen.  Novios  Plautios  (Schneideb  41),  Buenos 
u.  a.;  desgleichen  das  -os  der  s-Stämme  und  des  Gen.  Sing,  der  konso- 
nantischen Stämme  jüngerem  -us  (alt  Yenos  opos^^)  dazu  noch  quatenos 
(Scipio  Afr.  nach  Festus  258)  und  die  Adverbia  auf  -tus  (vgl.  §  88  Anm.  2). 
Nur  sporadisch  ist  ü  bei  den  o-Stämmen  zu  u  gesunken,  so  [nefjastud 
CIL.  1,  813,  [objlatud  193. 

,    4.   Über  oi  (bez.  öi)  =  i  in   Schlusssilben   und   ai  (bez.  ai)  =  7  im 
gleichen  Falle  vgl.  §  13,  7  und  1. 

Schwächung  der  Vokale  in  der  Zusammensetzung. 

27.  Als  Grund  dieser  Erscheinung  ist  §  73  die  ursprüngliche  Be- 
tonung nachgewiesen.  Das  Material  siehe  bei  Corssen  2,  396—435.  Grund- 
sätzlich ist  a  priori  festzuhalten,  dass  dieselben  Gesetze,  welche  wir  soeben 
für  die  nachtonigen  Silben  der  einfachen  Wörter  erwiesen  haben,  auch  für 
die  Komposita  gegolten  haben.  In  der  That  stimmen  z.  B.  aequipero  peiero 
conscendo  nuncupo  contubemium  u.  a.  genau  mit  den  aufgestellten  Gesetzen 
überein.     Da  jedoch  die  regelrechte  Ausbreitung  dieses  Lautgesetzes  durch 

0   Vgl.   auch  SSELMAKK   197. 

*)  Dagegen  Ritschl,  Op.  2,  622  f.,  dafür 
CüBTiüs,  K.  Z.  1,  269  f.,  Corssen  2,  238, 
Beitr.  546.  Ritschl  hinderte  eben  sein  Op. 
4,  414  Anm.  aufgestelltes  System  des  Vokal- 
wandels im  Altlateinischen  an  diesem  sonnen- 


klaren Zugeständnis. 

^)  MiSTBLi,     Zeitschr.    f.    Völkerpsych. 
14,  316. 

*)  Mahlow,  D.  1.  V.  45. 

')  COBSSEN,  2,  87. 


270 


B.  LateiniBohe  Orammaük.    b)  Lateinisohe  Lautlehre. 


andere  Einflüsse  gekreuzt  wurde,  ist  unmöglich  zu  erwarten,  dass  wir 
ein  einheitliches  Schema  der  in  Frage  stehenden  Erscheinung  erhalten 
werden.  Es  darf  auch  nicht  wunder  nehmen,  dass  gegenseitige  analogische 
Beeinflussungen  vorliegen.  Auch  eine  bestimmte  zeitliche  Grenze  läset  sich 
mit  Sicherheit  nicht  aufstellen;  wahrscheinlich  hörte  die  strenge  Norm  mit 
dem  Erlöschen  des  alten  Betonungsgesetzes  auf.  Schon  Plautus  hat  re- 
komponierte Formen,  z.  B.  requaerens  Merc.  633  (dagegen  requireres  637), 
exaestifnoMevc.  566  u.  a.  Der  thatsächliche  Verhalt  ist  folgender:  ä{=  idg.  ä) 
geht  über  in  d  in  geschlossenen  Silben  vor  gehäuften  Konsonanten  {scando 
conscendo  tnanceps  u.  s.  w.),  vor  r;  in  offenen  Silben  steht  ^  für  ä  infolge 
von  Assimilation,  vgl.  depecisci,  inlecebrcte,  perpeti,  defeügare;  vor  ng  wird 
es  zu  iy  z.  B.  atHngo  (einmal  vulg.  infistcbe  CIL.  1,  1009,  15),  ebenso  in  offenen 
Silben,  mit  Ausnahme  der  Stellung  vor  l  -\-  Cons.  (ausgenommen  U),  wo 
es  zu  u  wird,  z.  B.  insuUum,  und  in  älterer  Zeit  auch  vor  Lippenlauten 
z.  B.  mancupis  contubemium  condumno  (jünger  condemno),  surrupere  Plaut. 
Pseud.  288,  darnach  surruptum,  a  (=  idg.  ä)  manchmal  zu  ^  gewandelt, 
z.  B.  anh^lo  subW.  ^  (=  idg.  ^  in  offener  Silbe,  wenn  nicht  vor  r  (vgl. 
aufero  consero),  wird  regelrecht  zu  ?,  z.  B.  insidet,  colligo  u.  s.  w,,  jedoch 
sehr  häufig  ist  es  rekomponiert,  z.  B.  durch  Assimilation  elegans^  aber 
eliganüam  Turpil.  99  Ribb.  II.  Für  ?  tritt  manchmal  l  ein,  z.  B.  delinio 
neben  delenio.  Die  seltene  Wandlung  von  d"  in  ^  ist  regelrecht  in  ilico  = 
*{n  sloco,  hospitis  für  *hos[tiJ^potis;  gr.  iinoxog  lat.  ap1>ca  wird  wohl  kaum 
mehr  als  Kompositum  gefühlt  worden  sein;  regelrecht  ist  u  in  adulescens 
consulo  retuli  u.  s.  w.  wegen  l\  Formen  wie  assolet  suboles  sind  rekom- 
poniert, u  ist  meist  wiederhergestellt.  Nur  peiero  aus  *periüro;  periüro 
durch  Rekomposition  bei  Plautus,  z.  B.  Asin.  562,  Pseud.  1057  {peüurus 
Pseud.  974,  1083);  perierat  Asin.  293  u.  ö.;  peiero  nach  deiero  (CIL.  1,  198, 
19  deiuro)  eiero  [peiurare  Löwe,  Glossae  nom.  225,  1];  vgl.  auch  noch 
abiürant  Plaut.  Cure.  496.^)  Von  den  Diphthongen  erscheint  ae  in  nach- 
toniger Silbe  in  der  Form  von  T  {caedo  incTdo),  au  meist  rekomponiert, 
sonst  in  der  Form  von  ü  {claudo  inclüdo),  dagegen  auffallend  oboedire,^) 
oc  =  e  in  pomerkim  (vgl.  §  34). 

Assimilation  von  Vokalen.^) 
28.  Angleichung  von  Vokalen  findet  häufig  statt  in  zwei  aufeinander- 
folgenden Silben.  —  Der  Vokal  der  Reduplikationssilbe  im  Perfektum  gleicht 
sich  in  gewissen  Fällen  wurzelhaftem  i  o  ti  an;  vgl.  §  108.  Über  die  An- 
gleichung des  svarabhaktischen  Vokals  vgl.  §  37.  Im  einzelnen  vgl.: 
alapa,  cannabis^  alacer,  adagium,  vegetus;  segetis  tegetis  u.  s.  w.  für  zu 
erwartendes  *segitis  *tegüis  u.  s.  w.  Dagegen  peditis  equitis  nach  miUtüi; 
perpctis  nach  perpes;    die  Adjektiva   auf  -iU,   cicindela  für   *cicendela  W. 


^)  Vgl.  UsENBB,  N.  J.  91.  226  f.;  Stolz, 
Arch.  f.  lat.  Lex.  2,  501.  Osthofp's  Ableitung 
von  peior  (Z.  G.  d.  P.  115  A.  1),  auch  von  G. 
Meyer,  Z.  f.  d.  öst.  Gymn.  36,  280,  Havet, 
M^m.  d.  1.  S.  d.  1.  6,  23  angenommen,  scheitert 
an  dem  Umstände,  dass  sich  derartige  Bil- 
dungen (z.  B.  certiorare)  erst  bei  den  Afri- 
kanern finden  (Arch.  f.  lat.  Lex.  3,  566). 


^)  Am  wahrscheinlichsten  doch  wohl  oe 
umgekehrte  Schreibung  für  u  nach  Havet, 
M^m.  d.  l.  S.  d.  1.  4,  410;  anders  Daniblsson 
bei  Pauli,  Altit.  Stud.  4,  165;  Schulze  K. 
Z.  29,  251. 

^)  CoBssEN  2,  358  f.,  wo  jedoch  manches 
nicht  hiehergehöri^e  verzeichnet  ist ;  Dibtbich, 
Programm  von  HinolilMnr  1655, 


4.  Vokale.  (§  28-30.) 


271 


eand",  nihil  nisi  nimis  mihi  tibi  sibi,  quisquiliae  gr.  xoaxvXfiaTay  consilium 
famiUa  neben  consul  famulus,  Betilius  Aemilius  und  die  anderen  Eigennamen 
der  Reichen  Art;  sigillum  tigillum  für  *sigeUufn  '^sig(e)n'lO''  ^signCoJlO'; 
oppodum  GEL.  1,  200,  81 ;  soboles  für  richtigeres  suboles;  socors  für  ^se-^ors, 
secordis  Löwe,  Arch.  f.  lat.  Lex.  1,  27  und  darnach  sobrit4$,^)  homo  alt 
J^emonem,  vulgär  tonotru,  iugurium  für  tegurium  (vulgär  Iordan,  Hermes, 
6,  193  f.)  u.  8.  w.,*)  rutundtts  Fest.  262,  Lachmann  zu  Lucret.  2,  402, 
Varro  1.  1.  5,  26  u.  118,  purpura  gr.  7ioQ<pvQa,  aber  gurgulio  upupa  sind 
reduplizierte  Bildungen  (Bruomann,  Grundriss  2,  S.  94).  Vgl.  auch  noch  die 
spätl.  Formen  didif  didicavü  Cobssen  2,  363.  Artamo  CIL.  1,  1539  a, 
Chalchadona  el.  XXXIV  bemhen  auf  griech.  UfrafAtov  XaXxdScov^  das  häufig 
vorkommende  Kalandae  (z.  B.  CIL.  5,  1682;  9,  1095;  10,  539)  mag  volks- 
etymologisch angeschlossen  sein  an  calare.  Vgl.  noch  Seelmann,  Neue 
phil.  Rundschau  1886,  188  und  besonders  Schweizer-Sidler,  Gramm.^  §  51; 
vulgäre  Beispiele  bei  Brambach,  Neug.  74  f. 

Dissimilation  von  Vokalen.') 

29.  Die  Abneigung  der  älteren  Sprache  gegen  die  unmittelbare  Auf- 
einanderfolge zweier  gleicher  Vokale  zeigt  sich  besonders  in  der  langen 
Erhaltung  von  uo  und  vo,  die,  wie  §  14B,  4  angedeutet  wurde,  erst  in  der 
Kaiserzeit  endgiltig  verdrängt  wurden.  Durch  Dissimilation  ward  ii  zu  ie 
umgestaltet,  daher  adkse  CIL.  1,  196;  vgl.  ferner  ebrietas  pietas  societas 
neben  sanitas  vanitas  u.  s.  w.,  ebenso  abietis  arietis  parietis  und  variegarc 
hietare  neben  levigare  clamitare;  vgl.  §  25,  1. 

Geschichte  der  Diphthonge. 

30.  ai  (osk.  ai,  umbr.  selten)  ist  sowohl  als  Vertreter  von  idg.  a/- 
als  auch  als  Kontraktionsprodukt*)  im  Gen.  Dat.  Sgl.  und  Dat.  Abi.  Plur. 
der  o-Deklination,  hier  hervorgegangen  aus  -ai-,  auf  den  ältesten  Inschriften 
häufig  vertreten,  worüber  die  Nachweise  im  Ind.  gramm.  des  Corp.  Inscr.  I, 
bei  Corssen  1,  675  und  Schneider,  S.  138.  Daraus  entstand  ae  (vgl.  osk. 
ai);  diesen  Übergang  zeigen  conguaeisivi  CIL.  1  551,  Caeician\us\  378, 
Caeicilius  547  b,  1487,  Caeidia  9,  3087,  wobei  ei  =  i;  vgl.  Corssen  1  676, 
BiRT,  Rhein.  Mus.  34,  33,  Ritschl,  Op.  4,  140  f.,  Schüchardt,  Vok.  3,  39; 
vgl.  auch  kor.  -««*-,  z.  Ii/A&ava6(i)a,  Röhl,  I.  G.  A.  20,  4.  Der  Übergang 
zur  monophthongischen  Aussprache  hat  sich  ungefähr  550 — 600  u.  c.  voll- 
zogen. Indessen  behauptete  sich  die  Schreibung  mit  ai^  trotzdem  dasselbe 
längst  gleich  ae  gesprochen  wurde,  bis  in  die  Kaiserzeit;  vgl.  darüber 
Corssen  1  681.  ae  vertrat  in  einzelnen  Fällen  auch  e,  so  in  dem  griech. 
Lehn  Worte  scaena  {scaina  CIL.  1  1280,  ai  =  ae)y  saeculum^)  raeda  (kelt. 
reda).^)    Ob  Saeturnus  CIL  1,  48  zu  sero  gehört,  ist  zweifelhaft,  vielleicht 


*)  Vielleicht  noch  Nachwirkung  von  sve- 
(vgl.  «UIK?)? 

*)  Vgl.  auch  L.  Meyer,  Vergl.  Gramm.' 
1,  564  f. 

*)  DunuoH,  Gomment.  etc.  2,  14. 

^)  In  ata  airid  liegt  Verallgemeinerung 
der  fldiwaeheii    Stammform  *ai'8   vor  (fOr 


*ate8  sk.  ayas  vgl.  a^us  aus  *aji«Ä-no-) ;  vgl. 
Osthoff.  P.-B.  Br.  XIII,  405  Anm.,  dem 
jetzt  auch  Bruomann,  Grundriss  2,  S.'  392 
beistimmt  (anders  1,  §  604.) 

*)  Bruomann,  M.  U.  1,  33. 

^)  Fleokeisen  50  Artikel  S.  26,  Schmitz, 
Beitr.  102. 


272 


B.  Lateinisohe  Qrammatik.    b)  Lateihische  Lautlehre. 


steht  es  für  "^Saveiurnus  skt.  savitdr,^)  Nicht  rein  lateinisch  sind^  Cesula 
Diane  (Ksaur.),  cedre  cedito  (Lex  Spol.),  Grecia  (Prän.),  dazu  die  falis- 
kischen  Beispiele  (Schneider  S.  132).  In  vulgärer  Schreibweise  trat  e  an 
Stelle  des  ae,  ebenso  wie  ai  den  Vokal  e  vertrat.  Etwa  seit  dem  dritten 
Jahrhundert  nach  Chr.  fallen  ae  und  e  in  Aussprache  und  Schrift  voll- 
kommen zusammen.  Über  das  Schwanken  zwischen  ae  und  e  vgl.  Bbam- 
BACH,  Neug.  204  f.  Durch  Zusammenziehung  entstandenes  ai  bleibt  in 
(iaius  maior  aio,  wobei  i  =  ii;  vgl.  oben  §  4,  III.  Ceisia  Schneider  49 
(prän.)  und  queistores  ib.  84  sind  nicht  acht  lateinisch,  vgl.  auch  fal. 
Leivelio  (—  Laelio).  Über  ai  =  t  in  unbetonten  und  Endsilben  vgl.  §  13^ 
1  und  §  27. 

31.  au.  au  ist  sowohl  als  ursprünglicher  Diphthong,  wie  als  sekun- 
deres Produkt,  z.  B.  aurcella  für  *avi'Cella,  audere  avere,  cautus  lautus  von 
cavere  lavere,  cauda  caviae,  aufugio  skr.  ava,  ebenso  aus  -Ä?<-,  z.  B.  nau^ 
fragus  claudere  vgl.  §  40,  2,  fast  in  vollem  Umfange  in  der  Schriftsprache 
erhalten.  Wegen  seiner  eigentümlichen  Aussprache  (aü)  ging  dieser  Diph- 
thong in  der  archaischen  und  Vulgärsprache  in  o  über,  z.  B.  chstra  ospi- 
catur  (Diora.  bei  Keil  Gr.  L.  1,  383,  1  und  10),  später  auch  in  u.  Zu 
dem  eben  Gesagten  vgl.  man  gr.  ao  =  av  G.  Meyer,  Gr.  Gr.*  §  120,  sowie 
die  Transskriptionen  des  lat.  au  durch  gr.  ao^)  und  umgekehrt  Laudicaes 
CIL.  1,  1212  gr.  AaodixTj.  Im  Schriftlatein  haben  wir  o  (w)  =  au  in  opiter 
=  '^av{i)'piter^  frustum  gr.  ^gavarov,  frus-tra  zu  frau{u)sus  und  in  der 
Komposition;  Beispielsammlungen  bei  Corssen  1,  656  f.,  L.  Meyer,  Vergl. 
Gramm.  P  307.  Bemerkenswert  neben  gew.  nügae  naugatorius  Plaut.  Trin.  844 
(RiTSCHL,  Op.  2,  425)  nögas  Merc.  846  B.  Umgekehrt  ist  au  aus  o  hervor- 
gegangen in  aulla  =  olla  Paul.  Festi  23,  13  fal.  olna  Zvet.  inscr.  It.  med.  51, 
aureae  für  äreae  {aurjga),  ausculari  Paul.  Festi  28,  9,  austia  CIL.  1,  1463, 
cauda  aus  cöda  gr.  noaxß-rj  Grdf.  ^q^ozdJui^^)  Plautus  (älter  Flötus)^  in  dem 
griech.  Lehnworte  aurichalcum  (Plautus,  dagegen  bei  Cicero,  Vergil,  Horaz 
arichukum);  anderes  weniger  sichere  Material  bei  Thurneysen,  K.  Z.  28, 159  f. 
und  ScHWEizER-SiDLER,  Gramm. ^  §  23,  4.  au  =  a  {a^  a)  im  Schriftlatein 
in  Mars  alt  Mavors  vgl.  Maurte,  in  dem  apulischen  Stadtnamen  Asculum 
neben  Ausculum  und  Osculum,  in  Agustus  u.  anderen,  worüber  vgl.  Corssen 
l,  664,  Schmitz,  Beitr.  96  f.,  Löwe,  Prodr.  421,  Seelmann,  Aussp.  223. 

32.  ei.  Seiner  diphthongischen  Natur  ging  am  frühesten  ei  verlustig, 
das  auch  auf  den  ältesten  Denkmälern  nicht  mit  Sicherheit  als  wirklicher 
Diphthong  betrachtet  werden  kann,  z.  B.  deivos  (Dvenos-Inschrift),  quei 
CIL.  1,  29,  Äpolenei  CIL.  1,  167.  Allerdings  noise  der  Dvenosinschrift 
(angeblich  =  *noisei  nisi)  ist  zu  unsicher,  um  darauf  einen  Schluss  auf  die 
monophthongische  Aussprache  des  ei  bauen  zu  können,*)  aber  in  der  lex 
Spoletina   (Schneider   95)   kann   dinai  doch   nur  graphische  Variante  von 


^)  ScHWBIZER-SiDLEB,    K.    Z.    4,     68;    0. 

Meyer,   Quaest.  Homer.  (Bonn  1868)  S.  8; 
Nissen,  Das  Templum  130,  Pauli,  Altit.  Stud. 
4,  41  ff.;    vgl.  Übrigens  auch   Deecke,   Etr. 
Forsch.  4,  65  f.  und  Sbelmann,  162. 
'^)  Seelmann  223. 


^)  Havet,  M^m.  d.  1.  S.  d.  1.  5,  444, 
Thurneysen.  K.  Z.  28,  157. 

*)  Vgl.  Pauli,  Alüt.  Stud.  1,  18  f.  und 
0.  Brugmann,  Progr.  d.  Nikolaigymn.,  Leipzig 
1887,  S.  31  Anm.  61. 


4.  Vokale.  (§  31-33.) 


273 


deina  sein  (mithin  ei  =  t).  Die  Aussprache  des  ei  fiel  frühzeitig  mit  der 
des  (offenen)  f  und  geschlossenen  e  zusammen,  daher  ei  auch  für  die  beiden 
letztgenannten  Laute  geschrieben  wurde.  ^)  Daher  z.  B.  inceideretis  CIL. 
1,  196,  audeire  ib.  198,  occeisus  624  u.  a.  bei  Cobssen  1,  719,  Schneider 
S.  139  f..  in  welchen  ei  entweder  idg.  %  oder  auf  lat.  Sprachboden  entstan- 
denes J  vertritt.  Andrerseits  Schwanken  zwischen  -e  und  -ei  im  Dat.  Sing, 
der  kons,  und  i-Stämme,  -et  und  -eit  in  der  3.  Sing.  Perf.;  vereinzelt  de- 
cmVtY CIL.  2, 5041  (vgl.  §  43  Ende),  Uigibus  (Inschr.  v.  Palestrina),«)i>?ci6/c57,8) 
fal.  Pleina  Zvet.  Inscr.  It.  med.  dial.  53  neben  Plenes  ib.  64.  Eine  bestimmte 
Kegel  für  die  Bezeichnung  des  i  durch  ei  bildete  sich  nicht  heraus,  auch  des 
Lucilius  §  4 III  berührter  Versuch,  ei  und  i  im  Gebrauche  bestimmte,  durch  die 
von  ihm  beobachtete  Aussprache  bedingte  Sphären  anzuweisen,  drang  nicht 
dui*ch;  in  den  Urkunden  der  Gracchenzeit  bis  auf  Cäsar  erscheint  in  denselben 
Wortstämmen  ei  und  i  promiscue.^)  Gelegentlich  werden  auch  l  und  if  durch 
ei  ausgedrückt,  wobei  ich  absehe  von  dichterischen  Messungen,  wieubei.^)  Für 
ei  =  ^  siehe  Cobssen  1, 788  Anm. ;  für  ei  =  ^vgl.  impeirator  CIL.  2, 5041,  heicei 
1,  1297.  Schwanken  zwischen  Fund  e  =-•  etymologisch  berechtigtem  6>  findet 
öfter  statt,  z.  B.  devas  CIL.  1,  814  neben  gew.  dlt?w5,  vgl.  oben  deivos;  aber 
inschr.  nei  =  nT.  Das  Schwanken  zwischen  ei  und  e  ist  in  der  Schrift  auch  auf 
solche  Fälle  ausgedehnt,  wo  nur  ersteres  als  Vertreter  von  f  berechtigt  war,  z. 
B.  Lehro  CIL.  1,  174  neben  prän.  Leiber  Eph.  ep.  1,  21,  compromesisseGYL,  1, 
196  neben  ameiserunt  204,11 2  und  öfter.  Über  die  hier  skizzierten  Punkte  vgl. 
bes.  RiTSCHL,  Op.  2,  622  f.,  Corssen  1,  715  f.  Dasselbe  Schwanken  zwischen  e 
und  i  waltet  ob  in  der  Transskription  von  gr.  «*,  z.  B.  Daraus  und  Darias ; 
dass  ersteres  schwerlich  die  ältere  Form  ist,  wie  Brambach  Hilfsbüchlein  33 
meint,  ersieht  man  aus  Meisterhans  Gramm,  d.  att.  Inschr.*  37  f.  Voll- 
ständig latinisiert  sind  plat^a  balineum^^)  numviis  gr.  iiovastoq^  während 
Achivi  hinsichtlich  des  Suffixes  an  kypr.  'Axcci/^og  eine  Stütze  zu  finden  scheint) 
ei  =  i  =  gr.  t;  in  päl.  Crisida  Creisita  (übrigens  auch  gr.  KQiarji'q,  Kretzschmer, 
K.  Z.  29,  433  Anm.  2).   In  eius  meio  peior  ist  -ei-  =  -eij-. 

33.  eu.^)  Für  Leucesie  (Carm.  sal.)  müsste  nach  italischen  Laut- 
gesetzen *Loticesie  erwartet  werden,  es  hat  daher  keine  sprachgeschicht- 
liche Bedeutung.^)  Wegen  des  lautgesetzlichen  Übergangs  in  ou  (vgl.  §  35) 
muss  man  dem  echten  Diphthong  mit  Seelmakn,  Ausspr.  228  den  Laut- 
wert eü  vindizieren.  Für  neuter  neutiquam  ist  ausdrücklich  die  dreisilbige 
Aussprache  bezeugt;  ^®)  denselben  Lautwert  {e  +  u)  dürfen  wir  auch  für  ceu 
neu  seu  für  ♦cc-v(e)  *ne^{e),  *se-t;(e),  heu  heus  voraussetzen,  t  (wohl  für 
ü)  =  eu  liegt  vor  in  Über  Grdf.  *leubrO',  vgl.  §  35,  Anm.  1.  Wegen 
spätl.  Orphaeus  u.  ähnlicher  Formen  (Birt  33)  vgl.  Seelmann,  Ausspr.  229. 
Gr.  Aevxiog  A€vxavoi  AsvxoXXoq  gegenüber  lat.  Lucius  osk.  lüvkan^  {loukan-) 


^)  Bbugmann,  Grundriss  1,  §  41  und  73. 

2)  Phil.  Woch.  2,  91. 

»)  RiTSCHL,  Op.  2,  776. 

^)  Cobssen  1,  719. 

*)  RrrecHL,  Op.  2,  632  f.  Übrigens 
mögen  zam  Teil  auch  Schreibfehler  vorliegen 
Pauu,  Altit  Sind.  1,  24  f. 

•)  0.  Wmbb  36  f. 


')  Sayce,  Berl.  Phil.  Woch.  4,  671 ;  0. 
Hoffmann  Bezz.  B.  14,  294. 

«)  Biet,  Rh.  M.  34,  1  f. 

•)  Jobdan,  Krit.  Beitr.  31  ff.,  Bbugmann, 
Grundr.  1,  S.  53. 

'")  CoNSENTius  bei  Keil,  Gr.  L.  5,  389; 
ausser  Biet,  vgl.  Schmitz,  Arch.  f.  lat.  Lex. 
1,  286. 


Alt«riiim«wtaeiiflcluift.  II.    2.  Aufl. 


18 


274 


B.  Lateinische  Grammatik,    b)  Lateinische  Lautlehre. 


Lucullas  erklären  sich  aus   dem   Anklang  an   Xevxog;   übrigens  sind  seit 
Claudius  die  Formen  mit  -or-  häufiger.^) 

34.  Ol.  Der  Diphthong  oiy  auf  den  älteren  Urkunden  noch  vollständig 
in  Stammsilben  erhalten,  im  Kurialstil  noch  bis  c.  100  (CIL.  I  201,  9  oitile) 
vereinzelt  angewendet,  wobei  oi  ebenso  wie  oben  ai  nur  als  graphisches 
Zeichen  zu  betrachten  ist,  wofür  namentlich  das  Vorkommen  von  oi  und  ü 
nebeneinander  spricht,^)  wurde  in  haupttonigen  Stammsilben  auf  demselben 
Wege,  wie  ai  zu  ac,  zu  oe  (osk.  üi)  übergeleitet,  z.  B.  moiros  moerus 
{moerorum  noch  Verg.  Aen.  11,  382  Ribb.),  coirare  coerare  u.  andere  Bei- 
spiele im  Ind.  gramm.  CIL.  1.  Nicht  vor  der  Mitte  des  7.  Jahrhunderts 
trat  die  Verdumpfung  zu  ü  ein,  die  in  den  meisten  Wörtern  (ausgenommen 
z.  B.  foedus  Poeni  poena  impoene  Cato  ed.  Jordan,  37,  21,  aber  gew.  impünis 
pünire  Coelius)  Regel  geworden  ist,  z.  B.  oino  CIL.  1  32  oenigenos  Fest.  195 
unus,  comoinem  CIL.  1  196  moenitum  (Plaut.  Bacch.  926)  wwmVe,  Iaidos  CIL.  1 
565  loedis  Cic.  de  leg.  II  9,  22  (hat  also  nichts  mit  den  Lydem  zu  schaffen, 
wie  Ribbeck,  Gesch.  d.  röm.  Dicht.  1,  10  will)  lüdus.  Aus  dem  nach 
Aufgebung  der  diphthongischen  Aussprache  entstandenen  Mischlaute  oe  (Ö) 
hat  sich  mithin  der  dunkle  t^-Laut  herausentwickelt,'  für  den  gelegentlich 
in  der  Schrift  o  auftritt,  z.  B.  immer  in  non  aus  noenom  *ne^oinom  vgl. 
deutsch  nein;  wegen  ö  vgl.  unten  coravero{nf);  ähnlich  diesem  Vorgänge 
ist  die  gelegentliche  Wiedergabe  von  gr.  v  durch  oe  schon  in  alter  Zeit, 
z.  B.  Chetemestra,^)  ferner  vgl.  man  böot.  oi  oe  v  (G.  Meyer,  Gr.  Gr.*  §  116). 
Übrigens  herrschte  lange  grosses  Schwanken  zwischen  oe  und  u,  ersteres 
länger  im  Kurialstil  (Jordan,  Krit.  Beitr.  239),  beide  häufig  nebeneinander 
in  Varro's  Schrift  De  lingua  latina.  Die  Schwächung  von  oi  zu  e  in 
einer  (betonten)  Stammsilbe,  pomerium  aus  "^pös-moitiom  erklärt  sich  wohl 
aus  der  älteren  Betonung  der  Präfixsilbe.'')  Über  -o/-  bez.  idg.  -öt-  =  oe  i 
in  unbetonten  Schlusssilben  vgl.  §  13,  7.  Zeugen  des  Übergangs  sind  z.  B. 
pilumnoe  poploe  Fest.  205,  19,  phinime  CIL.  1,  32,  oloes  Fest.  205,  19. 
l  in  qui  quiS  in  unbetonter  Silbe  entsprungen  {sf  gut  dli-qtil)^  darnach  und 
nach  den  mehrsilbigen  Formen  wie  iUt  Ulfs  auch  hi  his  (Brüomann,  Grundr.  1 
S.  75).  T  =  Ol  im  griech.  Lehnworte  anquina  =  äyxoivrj.  Als  Produkt  einer 
Zusammenrückung  erscheint  der  Diphthong  oe  in  {*c0'epi),  coetus  (co-itus). 

Anmerkung  1.  Dass  auch  in  haupttonigen  Silben  idg.  oi  zu  t  geworden  sei  z.  B.  in 
vfnutn  otyog  vicus  oixog  u.  s.  w.,  ist  jedesfalls  zweifelhaft  (Bruomank,  Grdr.  1  S.  75).  Da- 
selbst auch  über  feres  =  (pigoig;  vgl.  auch  unten  §  115.  Über  neben  loehertatem  (Fest. 
121  M.)  fal.  loferta  osk.  Ltivfreis  ist  ani  wahrscheinlichsten  mit  Brugmakn,  Grundr.  1 
§  49  Anm.  aus  *lo^b'  *loih-  zu  erklären  durch  eine  Zwischenform  *lüb't  vgl.  Intet  und 
libet.  Andere  Erklärungsversuche  bei  J.  Schmidt,  K.  Z.  28,  348  und  Dakielssok  bei  Fault, 
Altit.  Stud.  4,  156  ff. 

Anmerkung  2.  In  couraverunt  CIL.  1  1419  ist  ou  =  u,  denn  oi  ist  in  diesem  Woi-t- 
stamme  heimisch,  wie  ausser  coirare  päl.  coisatens  beweist;  singulär  corav€ro{n)t  CIL.  1  73.^) 

35.  ou,     ou,^)   inschriftlich   bis  zur  Zeit  des  Bundesgenossenkrieges 


')  DiTTBKBEROEB,  Hcrmcs  7,  312. 

'-')  RiTscHL,  Op.  4,  168,  765. 

2)  RiTSCHL,  Op.  2,  517,  Schmitz,  Beitr. 
107;  anders  Corssbn,  1  710  A.,  G.  Meyeb, 
Gr.  Gr.2  §  85. 

*)  Vgl.  über  das  Wort  Mommsen,  Röm. 
Forech.  2,  23  flf.  (Hermes  10,  40  if.);  Corssen 


1,  708. 

^)  Ritschl's  Erklärung  des  Zusammen- 
hangs dieser  Formen  (Op.  4,  517)  verträgt 
sich  nicht  mit  päl.  coisatens, 

®)  Krüczkiewicz,  Z.  f.  d.  öst  Gymn. 
1879,  1  f.;  Weissbrodt,  spec.  gramm.  alt. 
14  f.;  RiTSCHL,  Op.  4,  116,  157  f. 


4.  Vokale.  (§  34-36.)  275 

häufig,  mit  einiger  Eonsequenz  jedoch  nur  in  iousi  ioudicium  ioudi<^  ioudex 
iourare  nachweisbar,  ist  ohne  Zweifel  ursprünglich  echter  Diphthong  ge- 
wesen und  daher  auch  diphthongisch  gesprochen  worden,  wie  Eruczkiewicz 
a.  a.  0.  mit  Recht  unter  Hinweis  auf  oskisch  üv  und  vü  hervorhebt; 
jedoch  ist  zuzugeben,  dass  jedenfalls  schon  frühzeitig  die  monophthongische 
Aussprache  Platz  gegriffen  hat.  In  der  Schrift  ist  es  gelegentlich  noch 
später  verwendet,  z.  B.  sahnte  CIL.  6, 406, 5.  ou  als  ursprünglicher  Ablaut  von 
eMÜst  im  Lateinischen  mit  Sicherheit  nicht  nachzuweisen  (Lof4C^foos  loumen  nach 
Mar.  Yict.  bei  Keil,  Gr.  L.  6,  12.  18,  clouacas  CIL.  1,  1178  u.  a.  können 
natürlich  ou  =^  eu  enthalten),  sondern  nach  §  8  aus  eu  hervorgegangen, 
z.  B.  douco  für  *deucOy  iom  für  *ie^os  u.  s.  w.  *)  Dieses  ou  wurde  gewöhnlich 
in  ü  umgewandelt,  düco  iüs;  so  auch  aus  ev  {ov)  hervorgegangenes  un- 
betontes e^  (oy;)  in  Ä,  z.  B.  denuo  aus  *d^ne^o  *deno^o.  Vgl.  §  14  B  4. 
Neben  ü  erscheint  auch  ö,  so  röhigo,  losna  *louc-sna  CIL.  1,55,  Poblicai  Schneider 
107,  pouhlicom  CIL.  1  185  poplicod  196  neben  gewöhnlichem  i>M&KcttS,*)  nouip- 
dinum  ib.  196  nondinum  197  gew.  nundinum  Grdf.  *neu^dinom.  In  mütare 
gebt  ü  nicht  unmittelbar  auf  eu  zurück  (St.  mey-),  mötum  vgl.  umbr.  eomo- 
hota  ist  zu  mövi  neugebildet.  ^)  Übrigens  ist  ein  Grund  dieser  verschiedenen 
Umgestaltung  von  eu  ou  nicht  ersichtlich  (vielleicht  ursprünglich  ü  =  eu, 
ö  =  ou?).  In  pr{o)bouin  CIL.  1,  16  vivous  1418  mögen  wohl  Schreibfehler 
vorliegen,  nach  anderen  Gelehrten  soll  ou  einen  kurzen  Mittellaut  bezeichnen. 

Kontraktion  der  Vokale.^) 
36.  1.  Zwei  gleiche  Vokale  vereinigen  sich  zur  Länge,  z.  B.  latrina 
aus  lavairina  Pomp.  53  Ribb.  II,  Lachmann  zu  Lucr.  6,  199,  Phrates 
(Mon.  Ancyr.  5,  54;  6,  1)  neben  Phraates;  vemens  prendere  nemo  aus 
ve{h)effiens,  pre{h)endere  *ne{h)emo;  pontes  res  tres  aus  *ponteies  *reies 
*treies;  dest  Verg.  Aen.  10,  378  dent  ib.  7,  262,  derasse  (Lucret.),  reapse 
CoRSSEN  2,  847  und  wohl  auch  nescit  (=  ne-escit)  Leg.  XII  tab.  rel.  V,  5 
(ScHÖLL  c.  nee  escif);  conestat  (=  cohonestat)  Acc.  445  Ribb.  L,  cors  aus 
co{h)ors  (inschr.  häufig  auch  chors);  lyrorsus  aus  pro(v)orsus;  eopia  co- 
pertus  coram  proles  aus  *C0'02)la  ^co-opertus  *co-oram  ^pro-oles,  cop^ 
tnmus  CIL.  1,  532,  gew.  rekomponiert  coopto;  nil  himus  aus  ni{h)il 
*bi{h}imuSy  aber  mi  wahrscheinlich  =  skr.  me;^)  ingeni  tibTcen  aus  ingenii 
*tibiicen  (letzteres  fraglich),  abU  abimus  u.  s.  w.  (Arch.  f.  lat.  Lex  4,  469), 
petU  Verg.  Aen.  9,  9,  provincIs  Mon.  Ancyr.  2,  37  und  oft  im  Dat.-Abl. 
Plur.  auf  -MS,  ebenso  im  Gen.  sing,  auf  -w,  z.  B.  congiari  (aber  ohne  Kon- 
sequenz, Res  gestae  divi  Aug.  it.  ed.  Th.  Mommsen,  S.  191),  ferner  vgl. 
jyassuni  für  passuum,  inschr.  mortus  f.  mortuus,  tüs  (Lehnwort)  gr.  d^vog 
aus   Huus  mit  Anschluss  an   die  Flexion  von  ius  rus^  püs  gr.  nvog.     ac 


')  Anderes  bei  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  259, 
M.  U.  4,  158. 

^)  Zur  Erklärung  der  Vokal  differenz  ist 
vielleicht  die  Annahme  von  Wharton,  Aca- 
demy  1886,  S.  187  f.  dienlich,  flass  poplicus 
zu  pöpulus  umbr.  poplom  gehöre,  aber  pü- 
bltcus  zu  umbr.  pupäike  osk.  Pupdiis.  Vgl. 
die  Nach  tr&ff e 

3)  Osthopf,  Z.  G.  d.  P.  613.  müto-  hat 
nebentonige   Tiefstufe,     wie    strätvis  u.    a. 


Übrigens  vieUeicht  zu  mutuua  gehörig,  vgl. 
Feist,  Grundz.  d.  got  Et.  74,  woselbst  irr- 
tümlicher Weise  moitare  aus  L.  Meteb, 
Vergl.  Gramm. '^  1,  626  als  altlateinische  Form 
angeführt  ist. 

*)  Vgl.  über  den  Begriff  der  Contr. 
Bbugmann  §  17 ;  Corssbn  1, 628  f. ;  L.  Meyer '^ 
1,  529  f.;  KüHNEB,  Lat. Gr.  §28  f.;  Schweizer- 
SiDLBB,  Gramm.2  §  31—33. 

^)  ScHWEizER-SiDLER,  Phil.  Woch.  3,  715. 

18* 


276  B.  Lateinische  Qrammatik.    b)  Lateinische  Lautlehre. 

und  e  gelten  als  gleichwertig,  daher  z.  B.  inschr.  praesse  (die  Formen  bei 
Kühner,  Lat.  Gr.  1,  S.  90),  praensus  Plaut.  Asin.  569. 

2.  Bei  dem  Zusammentreffen  zweier  ungleichartiger  Vokale  gelten 
verschiedene  Gesetze.  Die  Vokalverbindungen  eä  eö  iä  (-ta  z.  B.  im  Noni. 
Akk.  Plur.  der  neutralen  -eo-Stämme)  i^  uä  ue  ae  (z.  B.  a^eus)  bleiben 
lautgesetzlich  bestehen,  triginta  ist  nicht  für  urspr.  *triaginta  (vgl.  gr.  TQui- 
xovTa)  nach  Analogie  von  vi-ginti  neu  gebildet,  sondern  trp-  ist  die  alte  Form 
des  Nom.  Akk.  d.  Flur.,  vgl.  Bruomann  oben  §  88,0  die  Formen  sis  sU  sind 
nicht  aus  sies  u.  s.  w.  kontrahiert,  sondern  nach  dem  Plural  simus  sitis  unifor- 
miert. Tritt  Eontraktion  ein,  so  werden  zwei  ungleichartige  Vokale  zur  Länge 
des  ersten  zusammengezogen,  wenn  der  zweite  kurz  ist.*)  a  +  ^  =  ö, 
z.  B.  amare  aus  ^amaiere,  ama  aus  *aniaie  und  wohl  auch  amcis  amaf, 
Lartius  aus  Laertius  Plaut.  Bacch.  946  A.  a  -\-  ö  =  a,  bo  mdlo  aus  maveh 
ma{^)olOy  vgl.  übrigens  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  158  f.  aa  -f-  I  =  ae,  z.  B. 
praetor  aus  *prae-itor,  e  -\-  ä  =  ^  in  der  Zusammensetzung,  daher  digo 
n&go  aus  de^ago  ^ne-ago  (jünger  die  Vokalschwächung  im  zweiten  GHede). 
Jüngeren  Datums  sind  natürlich  auch  deamare  (Terent.  Heaut.  IV,  6,  20, 
Afran.  357  Ribb.  II),  deamhulo  (Cato  u.  a.),  deargento  (Lucil.),  deartuo 
(Plaut.),  dearmo  (Liv.).  Dass  i  -\-  d  =  T  sei,  nimmt  man  wegen  at^df  aus 
*audi-i~e  an,  das  übrigens  wahrscheinlicher  zu  audite  nach  dem  Verhältnis 
lauda  :  laudate,  mone  :  monete  neu  gebildet  ist.  Über  die  Vokative  fiU  fni 
vgl.  §  80  Anm.  Die  Formen  alis  Comelis,  die  ich  früher  mit  J.  Eremer  Bezz. 
B  7,  60  für  -ie-Stämme  hielt  und  zum  Belege  der  Eontraktion  von  -i^  zu  -f- 
hier  anführte,  finden  die  richtigere  Erklärung  durch  Streitberg  beiBRUGMANN, 
Grundriss  2,  S.  116  Anm.  und  P.-B.  Br.  14,  197  ff.,  vgl.  §  78,  3.  o  +  a  =  ö, 
in  den  Compositis  cogo  coglto  copula  aus  "^co-ago  *cO'agito  ^co-apulu  (vgl.  oben), 
ebenso  wohl  auch  conihurere  =  co-amh-urere^^)  sicher  porcet  =  ^po-arcet. 
Hingegen  sind  spätere  Neubildungen  co-acervo  co-agito  co^lesco  (älter  cö- 
lesco),^)  vgl.  prohibeo  {pröheat  Lucr.  1,  977)  cohibeo  neben  älterem  praebeo 
(nicht  selten  praehibeo  Plaut.)  deheo  aus  *prae{h)abeo  *de{h)abeo.  o  +  ^  =  ^r 
cömere  cömpHonalis  Lachmann  zu  Lucr.^  134  f.  prömere  aus  *co-emere 
co-emptionalis  ^pro-emere.  Ausserdem  liegt  noch  Eontraktion  vor  bei  den 
Verben  auf  -are,  amö  aus  *amaiö,  also  a{a?)  -f-  ö  =  ö:  amamus  amant 
Grdfrn.  *amaiamos  *atnaioni  sind  demnach  Analogiebildungen  nach  den  übrigen 
Personen,  wie  docemus  doccnt  für  *doceiomos  *doceiont  *doceunt,^)  o  +  ä  =  ö 
in  octöginta  aus  *octoväginta  .  ei  -\-  ^=  t,  aurfga  aus  aurei-iiga  (wenn  nicht 
der  zweite  Teil  des  Eomp.  von  ag-  abzuleiten  ist,  vgl.  auteax  ( —  ^^aureiax) 
Paul.  Festi  8  M.),  aureas  frenos  ib.  27.  Bei  Länge  des  zweiten  Vokales  unter- 
bleibt in  der  Zusammensetzung  die  Eontraktion,  daher  codcius^  coegi  (da- 
nach auch  coegisti  u.  s.  w.).     cocpi  nach  coepistl  für  zu  erwartendes  *eO'^pi,^) 

Anmerkung.  In  noenum  {non)  numquam  nullus  nutiquam  hat  Elision  des  aus- 
lautenden e  von  ne-  stattgefunden  so  wohl  auch  in  sorsus  Plaut.  Rud.  1314,  südus  fQr 
*8e-udus.  Unklar  ist  das  Verhältnis  von  nutiquam  u.  s.  w.  zu  neuter  ne-uter.  Vgl.  an-helo 
gr.  «V«  got.  ana  und  §  94. 


^)  Nach  Johansson  K.  Z.  30,  402  Anm. 
ist  tri-  Ablautsstufe  zu  gr.  TQia^. 

*)  ScHWEizKR-SiDLER,  Gramm.*  §  32. 

^)  AscoLi,  Due  rec.  lett.  glott.  41  (Übers. 
S.  133). 


*)  OsTHOFF  a.  a.  0. ;  BOohilbb,  Rh.  M. 
33,  35. 

*)  Bruomann,  M.  ü.  1,  87, 

•)  Bruomann,  (}nuidp  '*   ' 
und  OsTuoFF,  Z.  w€^.  d.  J 


4.  Vokale.  (§  37.^ 


277 


Svarabhaktische  Vokale.  0 

37.  über  das  Wesen  dieser  Erscheinung  s.  Bruomann  §  29.  Ein 
bestimmtes  Gesetz  für  das  Auftreten  solcher  Vokale  ist  für  das  Lateinische 
nicht  erkennbar.  Vor  1  m  erscheint  gewöhnlich  u  (älter  o),  vor  r  e,  vor 
n  I,  wobei  allerdings  die  Färbung  des  svar.  Vokals  sich  sehr  häufig  nach 
dem  der  folgenden  Silbe  richtete,  besonders  bei  dem  aus  l  entwickelten 
(Havet,  Mem.  d.  1.  S.  d.  1.  6,  27).  Übrigens  vgl.  §  25.  Vor  Liquida  ist  svar. 
Vokal  in  folgenden  Fällen:  die  Suffixe  -tlo  -bh  -ch  entwickeln  sich  zu  -tuh, 
-buloy  'Culo  (älter  -bolo  -colo^  z.  B.  condliabolum  Plaut.  Trin.  314,  pocolom 
Jordan,  Annali  deir  inst.  1884,  7),  vgl.  auch  Tuscolana  CIL.  1,  1220; 
vgl.  ferner  umbr.  katles  catuli,  osk.  pestlom^  vitulus  umbr.  vitlufGrdf.  *vitlo-; 
iabula  tableis  CIL.  1,  200,  46  tabolam  196,  26  tabelai  Sc.  d.  Bacch.  umbr. 
taße,  vgl.  nebula  aus  *neb'la;  saeclum  neben  saeculum  piacli  (Lex  Spol.), 
vgl.  umbr.  persklum  pihaclo^  osH.  sakarakloni;  singuK  Grdf.  *Sfp-klo-,  Man 
vgl.  ferner  Fostlm  CIL.  1,  362  und  die  griech.  Transskriptionen  KdtXog 
JlQoxXog  für  Catulus  Proculus.^)  Die  ursprünglichen  Formen  sind  in  der 
Volks-  und  Dichtersprache  stets  üblich  gewesen:  spectcLcla  Plaut.  Cure.  647  B, 
sjaeclfarejs  Mon.  Anc.  IV,  37,  congenuclo  Cael.  Antip.  Sisenna  neben  geni- 
culo,  anch  anclubris  neben  ancuh  anculus,  catlaster  neben  catulus,  vinclum 
Varro  1. 1.  5,  62.^)  Vgl.  ferner  famulus  osk.  famel  Grdf.  *fam-lO'j  populus 
-pophe  (Carm.  sal.)  poplus  (Plautus,  Decr.  d.  Aem.  Paullus)  umbr.  pophm 
Grdf.  ^po-pl-o-,  stipulare  umbr.  stepJatu,  nomenculator  neben  gewöhnlichem 
nomenclator,  extempulo  (Plaut.),  discipuUnae;  dazu  die  Lehnwörter  Hercules 
neben  Hercles  {Hercele  CIL.  1 ,  56  Assimilation)  vest.  Herclo  osk.  Hereklüi^*) 
Aesculapius  gr»  UaxXrjTiiogj  älter  Aesclapio  Aescolapiiis  (Jordan-Preller, 
Rom.  Myth.»  2,  241  Anm.,  Röscher,  Lex.  d.  Mythol.  617);  Patricoles  (En- 
nius)  ist  mit  Anlehnung  an  die  Namen  auf  -cola  latinisiert;  Vistula  sl. 
Visla  (v.  FiERLiNGER,  K.  Z..27,  479,  Hanüsz  ib.  28,  210  flf.,  Müllenhoff, 
Deutsche  Altertumskunde  2,  207).  Über  den  Grund  der  schwankenden 
Schreibweisen  -ci-  -col-  -cuU  u.  s.  w.  Brugmann,  Qrundr.  1,  §  627  Anm.  1. 
Svar.  e  nach  l  liegt  vor  in  paUa  Grdf.  *palva  gr.  ndkrj^  vor  r  in  magfijsteratus 
(lex  Luc),  magisterare  Paul.  Fest.  152,  3  Müll.,  infera  CIL.  1,  1166  (da- 
selbst SLUch  calecandam),  supera  1011,  Terebonio  190.  Über  das  eigentlich 
auch  svar.  e  von  -er  =  lat.  silbenbildendem  f  siehe  §  43.  numerus  osk, 
Niumsieis,^)  unterus  umbr.  onse  got.  amsa  gehören  schwerlich  hieher.^) 
Nach  bez.  vor  l  ist  svar.  u  in  volup  gr.  pskn-^  iugulandes  Varro  r.  r.  1, 
16,  6  K.;  i  in  figilinae  ib.  1,  2,  22  K.  Dagegen  die  deae  Suleviae  {SuUviae) 
haben   nichts  mit  Silva  zu   thun   (Sieburg,    De  Sul.   campestr.   fatis  diss. 


')  C0B88BN  (irrationale  Vocale)  2,  607  f. ; 
J.  ScHi[n>T,  Vok.  2,  342  f. ;  Schuohabdt,  Vok. 
2,  416 f.;  Schmitz,  Beitr.  105  f.;  0.  Wbisb, 
42;  Kbumbaohbb,  K.  Z.  27,  514  Anm.  2; 
über  dieselbe  Erscheinung  im  Oskischen 
KiBCHBOFF.  K.  Z.  1,  36  f.;  Cobssbn  2,  387  f.; 
TBüKSBTBnr,  K.  Z.  27,  181;  Ritschl  Op.  2, 

482  ir. 

*)  DmaxoB,  Programm  v.  Hirscbberg 
185».  <     ^ 

«r.  L.  4,  119,11; 


Stobk,  M^m.  d.  1.  S.  d.  1.  2,  81,  Bbambach, 
Neug.  130.  Vgl.  auch  Bbugmanv,  Grund- 
rias 2,  S.  192. 

*)  Jobdan,  Krit,  Beitr.  2,  15  f.,  die  in- 
schriftiichen  Nachweise  bei  Jobdan-Pbbllbb, 
Rom.  Myth.3  2,  21S\  Rosohbb,  Lexikon  d. 
Mythol.  2253  f.  Ygl.  übrigens  Dbecke,  Etr. 
Forsch.  4,  75. 

^)  BtcBVLKR,  Pop.  Igav.  lustr.  16. 

*)  Bbuomaivn,  Gmndr.  1,  §  269  Anm., 
568,  3  Anm. 


278 


B.  LateizÜBche  Ghrammatik.    b)  Lateinische  Lautlehre« 


Bonn  188G).  Vor  m  haben  wir  svar.  u  in  den  griech.  Lehnwörtern  dracuma 
Acume  Tecumessa^^)  in  columna  neben  culmen,  alunmus,  volumus  {volimus 
Plaut.  Truc.  192  A)  neben  volt  u.  a.),*)  wenn  nicht  im  letzten  Falle  u  =  g 
ist  und  doch  wohl  auch  in  sumus  skr.  smds.  i  erscheint  in:  adnus 
gr.  oxvf],  asinus  gr.  ovog  (für  *o(y-i'o-  sewiitisches  Lehnwort),^)  mimtno  neben 
musmo  (Name  eines  sardinischen  Tieres),  posimerium  (Paul.  Pesti  248  M.) 
gew.  pomerium,  guminasium  Varro  r.  r.  1,  55,  4  K.;  ferner  in  den  griech. 
Lehnwörtern  zwischen  fiv  (fv  Sv  xv  xv,*)  z.  B.  mina,^)  Daphine,  Äriadine 
techina,  Procine,  cucinus  {xvxvog),  Iticinus  {^vxvog),*^)  vielleicht  auch  in  dem 
Suffix  "ino  -dna  (=  gr.  avo  =  idg.  g^w),  z.  B.  dominus  neben  domnus'') 
(spätlat.  domeno)y  terminus  Grdf.  *^enwno-.®)  Dasselbe  t  =  6  in  tief- 
toniger  Mittelsilbe  in  den  Neutris  auf  -men,  nominis  für  *nofnn€$  umbr. 
nomner.  Von  einzelnen  Fällen  der  Assimilation  des  svar.  Vok.  vgl. 
noch  balatrones  hlaterones,^)  anas  lit.  anti^^^)  humilis  similis  gr.  x^^' 
fxaXog  ofiaXog;  wahrscheinlich  auch  in  Suff.  -Uli,  z.  B.  stabilis  aus 
^sta-hli-j  'tili  aus  *-rti,  z.  B.  fcrtilis  päl.  fertlid;  Calvenet[ius]  CIL.  1, 
1539a,  in  den  griech.  Lehnwörtern  Acmem,eno  trichilino  tricüinium  Varro 
r.  r.  3,  13, 2,  vulgär  salapitta  {salapuUium)  für  salpicta.  Volkstümliche  Svara- 
bhakti  trifft  man  zerstreut  auf  ziemlich  vielen  Inschriften;  siehe  die  Ind.  zu 
den  einzelnen  Bänden  des  CIL.  und  £don,  Traite  de  langue  Latine  215  f. 

Anmerkung.  Mit  Recht  bringt  J.  Schmidt,  Vok.  2,  343  die  Erscheinung,  dass 
Konsonant  -\-  r  l  in  der  alten  scenischen  Poesie  nie,  später  nicht  immer  Position  bflden, 
im  Gegensatz  zu  Cobsssn  2,  616  in  Kausalasusammenhang  mit  der  Svarabhakti.  Das  Auf- 
treten des  reduzierten  Vokals  zwischen  den  Konsonanten  und  r  l  hinderte  die  positions- 
bildende Kraft  der  Konsonantengruppen.  Dies  bleibt  richtig,  wenn  man  auch  mit  H^vst, 
Möm.  de  1.  S.  d.  1.  4,  21  f.  positione  =  conventione  erklärt. 

Protheüsche  Vokale. 

38.  Die  Entwickelung  prothetischer  Vokale  ist  der  lateinischen  Sprache 
bis  zum  zweiten  Jahrhundert  nach  Christus  frßmd.  Erst  von  dieser  Zeit 
an  findet  sich  inschriftlich  vor  den  Konsonantengruppen  sc  sm  sp  st  häufig 
i  geschrieben,  z.  B.  iscolasticus,  iscripta  u.  s.  w.,  ebenso  auch  e  z.  B. 
espiritum  CIL.  9,  6408.  Ich  verweise  auf  die  ausführlicheit  Beispiel- 
sammlungen bei  CoRSSEN  2,  786,  Schmitz,  Beitr.  63,  Schüchardt,  Vok.  2, 
337;  2,  365  f.;  3,  271;  Seelmann  317.  Vor  anderen  Konsonanten  sind  prothe- 
tische  Vokale  überhaupt  nicht  nachweisbar.  Über  prothetisches  i  in  Hand- 
schriften siehe  auch  Lachmann  zu  Lucret,  4,  283,  Ribbeck,  Ind.  Verg.  p.  428. 

Epenthese  der  Vokale. 

39.  Dieser  in  den  romanischen  Sprachen  bei  den  Lautgruppen  aU  alu 
so  geläufige  Vorgang  ist  dem  Lateinischen  vollständig  fremd.  Nur  taurus 
neben  gall.  tarbos  air.  tarh  (oder  Lehnwort?)  scheint  demselben  sein  au  zu 
verdanken,  möglicherweise  auch  laurus  (Stokes,  Bezz.  B.  9,  88). 

^)  Scholl,  Rh.  M.  38,  312. 

^)  Über  das  Eintreten  dieses  svar.  Yoc. 
eine  Vermutung  bei  Thurneysbn,  K.  Z.  26, 
308  A.  Vgl  jedoch  auch  Bbuomann,  Gmndr. 
1,  §  241. 

9)  CoBSSBN,  2,  384. 

'0)  J.  SoHiaDT,  K.  Z.  23,  268,  274. 


*)  Priscian  bei  Keil,  Gr.  L.  1,  29,  5  f., 
Marius  Vict.  ib.  6,  8. 

'^)  Brüomann,  M.  U.  2,  183. 

^)  Hbhn,  Kulturpflanzen  514. 

*)  C0B88EN  2,  263;  R1T8CHL,  Op.  2,  491. 

^)  ZiMMEB,  Altind.  Leben  50  f. 

«)  RiTscHL  Op.  2,  477  ff.;  ib.  469  über 
dracuma  und  473  Qber  techina. 


4.  Vokale.  (§  38-40.)  279 

« 

Anmerkung.  Ganz  unbegründet  ist  die  Annahme  einer  Epenthese  des  }  bei  caedo 
iaedo,  angeblich  aus  *cadip  *ladio  (Pauli,  Altii  Stud.  5,  130). 

Quantitätsminderung  und  -steigerungr  bei  Vokalen. 

Minderung. 
A.  Inlaut. 

40.  1.  Ein  Gesetz,  welches  erst  in  litterarischer  Zeit  sich  allmählich 
entwickelt  hat  und  nur  in  der  Kunstsprache  der  Dichter  vollständig  durch- 
gedrungen ist  (vgl.  pros.  UUus  u.  s.  w.  fJo  fluni  dfus  dies  neben  fXeri 
(tXalis  nudius,  wobei  allerdings  Accentverhältnisse  in  Betracht  kommen),  ist 
die  Kürzung  eines  langen  Vokales  vor  einem  anderen  ungleichartigen  Vokale, 
und  zwar  ohne  Unterschied  in  unbetonten  und  betonten  Silben;  *)  in  älterer 
Zeit  unterlagen  demselben  auch  Fremdwörter,  so  baln^m  plaiffa  neben 
ßaXavsiov  nXaxsTa.  In  der  Umgangssprache  war  auch  der  betonte  Hiatus- 
vokal von  verschiedener  Dauer  (W.  Meyeb,  K.  Z.  30,  335  f.).  Das  Material 
ist  gesammelt  bei  Corssen  2,  671  f.;  vgl.  auch  Scuweizer-Sidler,  Gramm.' 
§  48  a.  Analoge  Erscheinungen  bietet  auch  das  Griechische  (G.  Meyer, 
Gr.  Gr. 2  §  136,  138,  140).  Der  lautphysiologische  Erklärungsgrund  dieser 
Erscheinung  liegt  wohl  darin,  dass  durch  den  Exspirationshub  des  zweiten 
Vokales  die  Tondauer  des  vorausgehenden  Vokales  vermindert  wird. 

2.  Kürzung  eines  langen  Vokales  in  der  Stellung  vor  {  ^  Nasalen 
Liquiden  +  Verschlusslaut  bez.  Spirant  (Brügmann,  Grundr.  1,  §  612),  vgl. 
die  Komposita  mit  naifr  aus  na^(^)'^  claudo  aus  *cla^{i)do  clavis,  ventus 
aus  *tfenios  W.  v€-  gr.  a'(f)ii'fjLij  membrum  aus  *m€msrO'.  So  auch  im 
Auslaute  -*s  aus  -ois  -öis  (vgl.  §  13,  7). 

3.  Konsonantendehnung.  Unter  dem  Einflüsse  des  starken  ex- 
spiratorischen  Accentes  („energisch  oder  stark  geschnitten^  Sievers, 
Phonetik  164)  werden  lange  Vokale  gekürzt  (ib.  205);  auf  den  darauf- 
folgenden Verschlusslaut  witrde  ein  Teil  der  dem  langen  Vokale  zustehenden 
Kraft  übertragen,  es  entstand  ein  silbenschliessender  selbständiger  Neulaut, 
die  Implosiva,  zu  dessen  Bezeichnung  (in  Verbindung  mit  der  folgenden 
Explosiva)  in  der  Schrift  Doppelung  gewählt  wurde.*)  Dauerlaute  be- 
zeichnen II  rr  nn  mm.  Vgl.  z.  B,  cuppa  {cüpä)  skr.  küpa-,  glütire  und 
gluttire,  meiliu  CIL.  1,  551  und  milliu,  Forsena  und  Porsenna,  Varro  Vürtis 
u.  a.  In  cottidie  aus  * c^et{i)tei'diG  ist  das  tt  durch  Vokalsynkope  entstanden,^) 
jüngeren  Datums  cuotidie.  Infolge  volksetymologischer  Umdeutung  ist 
accipUer  (angelehnt  an  aecipere)  aus  "^acu-peter  geworden.^)  An  die  Kürzung 
des  ü  in  iüssi  schliesst  sich  auch  das  Präsens  lie&crean.  Im  einzelnen  verweise 
ich  hinsichtlich  des  Materials  in  der  vorliegenden  Frage  auf  Pauli,  K.  Z.  18, 
1  f.;  Fröhde,  K.  Z.  22,  257,  Bezz.  B.  3,  289  f.,  8,  164;  L.  Meyer,  Vergl. 
Gramm.«  1,  378,  Corssen  1,  249  f.,  It.  Spr.  236  f.;  Jordan,  Hermes  8, 
217  f.;  0.  Weise,  Bezz.  B.  5,  68  f.,  Danielsson  bei  Pauli,  Altit.  Stud.  4, 
139,  ScHWEiZER-SiDLER,  Gramm.*  §  71;  vgl.  auch  Bruomann,  Grundr.  1, 
§  612.   Analog  ital.  brutto  fhnmina  figgere  (Schuchardt,  Vok.  1,  186),  mhd. 

')  Vgl.  fiber  diese  Erscheinung  Seelxakn  |           *)  J.  ScnxiDT,  K.  Z.  25,  94;  Bebsu,  Die 

80  f.,  93.  Gutturalen  90  f.,  Osthofp,  Z.  G.  d.  P.  557. 

<)  Vgl.  bes.  Sbblmann  96,  112  f ,  desgl.  *)  Bersu,  Die  Gutturalen  S.  119  f. 
OsTHOFF,  Z.  G.  d.  P.  558  f. 


280 


B.  Lateinische  Chrammatik.    b)  Lateinische  Lantlehre. 


muotcr  näter  nhd.  Mutter  Natter.  Über  die  Schwankungen  in  der  Schreibung 
des  einfachen  und  doppelten  Konsonanten  bei  Transskription  lat.  Eigen- 
namen ins  Griechische  siehe  Dittenberger,  Hermes  7,  152. 

3.  In  einzelnen  Fällen  hängt  die  Kürzung  inlautender  Vokale  mit  der 
Verschiebung  des  Hochtones  zusammen,  z.  B.  deiero  peiero  neben  iüroy 
müto  mütoniatus  und  mit  Vereinfachung  der  Doppelkonsonanz  in  mämüla 
mdnima,  öfella  offa  (Lachmann  zu  Lucret.  1,  360).  Anderes  zum  Teil  nicht 
hieher  gehörige  Material  bei  Corssen  2,  515  f.,  Schweizer-Sidler,  Gramm.^ 
§  48  e,  72,  3.  Mehreres  Singulare  gibt  Büoheler  bei  Marx,  Hilfsbüchlein 
S.  V  f.  Nicht  selten  beruht  die  Quantitätsverschiedenheit  auf  ursprüng- 
licher Stammesverschiedenheit,  z.  B.  defrütum  und  defrütum  (Doppelformen 
der  Tiefstufe);  so  auch  w^-  und  nd-  in  n^'qtmm  nd-que  u.  s.  w.;*)  pro 
=  gr.  7t q6  (pröfanus  durch  Hypostase  gebildet?)  neben  pro-  aus  pröd-, 
worüber  das  Material  bei  €orssen  II,  482;  hingegen  ist  r^-  neben  r^d- 
(Corssen  II,  465  f.  unrichtig  r^d-)  aus  der  Zusammensetzung  erwachsen 
{re-spicio  u.  s.  w.,  während  vor  einfachem  s  überall  die  Kürze  ist),  dann 
auch  religio  reicio  gegenüber  älterem  r^igio  {relligio)  r^cio.  Vgl.  auch 
Lacumann  zu  Lucret.  5,  614.  Auf  dichterischer  Freiheit  beruhen  Messungen 
wie  glömus  Lucret.  1 ,  360  (sonst  glömus),  diu^turntis  (Ovid  zweimal,  Georges 
s.  V.),  sonst  diü-turnus.^) 

B.  Aaslaut. 

1.  Die  von  Corssen  2,  436  f.  in  weitem  Umfange  angenommene 
Kürzung  der  Endvokale  muss  nach  den  Ausführungen  von  Stadelmann,  De 
quant.  voc.  erheblich  eingeschränkt  werden.  Allgemein  durchgeführt'  wurde 
die  Kürzung  nur  in  iambischen  Wortformen,  doch  scheint  sie  bei  gewissen 
Kategorien  von  diesen  aus  sich  weiter  verbreitet  zu  haben  (z.  B.  Nom. 
Akk.  Plur.  d.  Neutra,  Loc.  der  i-Stämme).  Hingegen  behaupten  jene  Silben, 
die  ursprünglich  auf  einen  Konsonanten  sich  endigten,  die  Länge,  so  der 
Abi.  Sing.,  Jer  Imp.  auf  -to  (urspn  -töd),  ebenso  die  einsilbigen  {sf  pro 
cur  u.  s.  w.).  Die  Abi.  auf  -^  sind  eigentlich  Instrumentales  (vgl.  §  87) 
mit  regelrechter  Kürze;  in  den  Imperativen  tritt  die  kurze  Messung  erst 
spät  auf  (Corssen  2,  487). 

2.  Von  den  auf  Konsonanten  endigenden  Silben  unterliegen  die  auf 
-t  und  --m  ausgehenden  stets  der  Kürzung;  desgleichen  werden  bei  den 
Verben  -är  und  -^r  im  Passivum,  -tör  -sör  -ör  -dl  -ar  im  Nom.  Sing,  der 
Substantiva  immer  gekürzt.  Jedoch  noch  bei  den  augusteischen  Dichtem 
hat  sich  eine  nicht  unbeträchtliche  Anzahl  von  langen  Messungen  erhalten 
(siehe  Corssen  a.  a.  0.).  Bedenklich  erscheint  es,  aus  dem  einmaligen 
oder  wenigstens  seltenen  Vorkommen  von  langen  Messungen  von  Vokalen, 
die  spracbgeschichtlich  als  Kürzen  aufgefasst  werden  müssen,  auf  ursprüng- 
liche Länge  zu  schliessen.  In  diesem  Falle  werden  wir  falsche  Analogie 
zur  Erklärung  herbeiziehen  müssen. 

Steigerung. 
41.   Hauptsächlich  kommen  hiebei  zwei  Gesichtspunkte  in  Betracht, 

gegensätzlichen  noctumus  her.    YgL   aaoh 
Pur  Febsson  Sind,  efym.  7  Note  4. 


^)  Vgl.    Feist,  Grundz.   d.    got   Etym. 
84,  85. 

^)  Das  t  stammt  wahrscheinlich  von  dem 


4.  Vokale.  (§  41.) 


281 


nämlich  die  sogenannte  „Ersatzdehnung''  und  die  Längung   kurzer  Vokale 
vor  gewissen  Konsonantengruppen. 

1 .  In  gewissen  Konsonantengruppen  findet  nach  dem  Ausfal]  eines  oder 
mehrerer  Konsonanten  YeHängerung  des  vorangehenden  Vokales  der  Silbe 
statt,  wenn  sie  betont  ist;  ist  sie  unbetont,  so  unterbleibt  dieselbe.  Es 
sind  folgende  Konsonantengruppen  (das  Genauere  siehe  unten  §  64  u.  65): 
-de-  (Aöc),  -gh-  (fibulä),  -t^d-  (wrfws),  -jgrd-  {sido),  -gl-  (päla),  -gfn{cmy  iümentum 
rfma^  -bm-  {glümai?))^  -pm-  {rümentum)^^)  'dm-  (flämen),  sU-^m-  -sw-  {querela 
prtmus  penis),  "msl-  {pr&lum),  -^isU  {pjluw),  -csU  (öfe),  -csw-  {lüna)y  -est- 
{S^stius,  aber  S^tius),  -tsm-  {r€mus),  -rso  (pöscö),  -ndsl-  (bez.  -ntsU,  scäla), 
"dsU  {antTsto),''Csm'  (tento),  ^hi~  (mäior),  -ncn-  {quTni),  Selten  sind  Ausnahmen 
wie  Sit-  multis.  Vgl.  dagegen  sedXbtis  {^sedesbos),  corpüUntus  {*corposlentO"), 
cüUna  {*coclind)  Camena  {Casmena),  frigidus  aus  *  friges-do^y^)  Tellumo  doch 
wohl  aus  ^Tellus-mo  u.  s.  w.  Inp^s  für  *pös  ist  die  Länge  ursprünglich  (vgl. 
dor.  noig  skr.  -pdf),  in  abies  aries  paries  nach  dem  Muster  der  Stämme  auf 
-Es  -etis  (z.  B.  requies)  eingeführt;  daneben  sind  auch  die  Nom.  fades 
effigi^s  von  Einfluss  gewesen. 

2.  Nasal  und  Liquida  -|-  Konsonant  bewirken  häufig  Dehnung 
des  vorhergehenden  Vokals.^)  Vor  nf  und  ns^)  ist  jeder  Vokal  lang.  Von 
Belehrung  sind  hiebei  die  Apices  und  die  griech.  Transskriptionen;  vgl. 
bes.  Schmitz,  Beitr.  3  f.  27  f.  4  f.  25  f.  (Adj.  auf  -ensis  und  Part,  auf 
-ns).  Die  angeführten  Thatsachen  lassen  es  als  unzweifelhaft  erscheinen, 
dass  auch  in  jenen  Fällen,  wo  der  Nasal  später  ausfiel,  der  vorausgehende 
Vokal  bereits  früher  gedehnt  war,  beziehungsweise  langer  nasalierter  Vokal 
gesprochen  wurde  (Bruomann,  Grundr.  1,  S.  177).  Vgl.  oben  Brugmann 
§  55.  Auch  vor  Nasal  und  anderen  Konsonanten  erscheint  gelegentlich 
die  Länge,  so  in  quinque^  inschriftlich  mit  I  longa  (trotz  Corssen's  Wider- 
spruch It.  Spr.  252  f ,  vgl.  Schmitz,  Beitr.  45  unter  Verweisung  auf  Festus 
254  M.),  quintiAS  qmndecim  (Arch.  f.  lat.  Lex.  5,  129).  -  Vgl.  die  Nachträge. 
Ausfall  des  Nasals,  wenigstens  in  der  Schrift,  hat  stattgefunden  in  lätema 
(gr.  kafiTtti^o)  neben  besserem  lantema,^)  scröfa  gr.  yQOfKfceg  (übrigens  wohl 
Lehnwort  aus  einem  italischen  Dialekt  wegen  f) ;  dagegen  sind  andere  von 
J.  Schmidt  a.  a.  0.  aufgeführte  Fälle  nicht  hieher  zu  stellen,  sondern  als  von 
einer  nicht  nasalierten  Wurzelform  herkommend  zu  betrachten.  Über  tüber^) 
(die  Länge  des  u  erklärt  sich  wohl  aus  der  folgenden  Konsonantengruppe  ^mr-) 
8.  u.  §  44.  Auch  bübo  neben  gr.  ßofjißog  neup.  büm ')  gehört  natürlich  nicht  hieher. 
Vgl.  auch  §  44.  Vor  r  -f-  Konsonant  erweisen  Vokaldehnung  inschr.  Maarcus 
ördinis  u.  a.  bei  J.  Schmidt,  Voc.  2,  348,  Schweizer-Sidler,  Gramm.*  §  49. 

«S.  Auch  vor  gn »)  und  gm  ^)  haben  wir  nach  Priscian  stets  die  Länge 
des  Vokals,  also  benignus  maltgnus  privtgnus.     Den  Widerspruch,   den   die 

')  Nicht  mit  Sicherheit  za  ermitteln  ist,  ob 
das  Saffiz  'Smento-  gewesen  ist,  wie  mehrere 
Gelehrte  ansetzen,  ebenso  in  anderen  Fällen. 

«J  W.  Mbyeb,  Z.  f.  rom.  Phil.  8,  241. 

•)  J.  Schmidt,  Vok.  1,  98  f.;  Sibvbrs, 
Phon.  215;  Sbblmann  77,  87. 

*)  Cicero  orator  48  §  159,  reproduziert 
von  Gkluus  II,  XYII  H. 

»)  BCcHBLXB,  Rh.  M.  78,  393,   Schmitz, 


Beitr.  143. 

«)  NachBENFEY,  Gott.  g.N.  1880,  S.  315 
sollte  es  eben  für  *tumber  stehen. 

^)  SpiiioEL,  Die  arische  Periode  58.  Rich- 
tiger Bbugmakn,  Grundr.  1,  §  331. 

8)  Priscian  bei  Keil,  Gr.  L.  2,  82,  7, 
Schmitz,  Beitr.  56. 

®)  Vgl.  pigmentum  segmentum;  Marx, 
Hilisbachlein  ü.  s.  w.    Berlin  1883. 


282 


B.  Lateinische  Orammatik*    b)  Lateinische  Lautlehre. 


romanischen  Fortsetzer  gegen  Priscians  Angabe  erheben  (vgl.  Cocchia 
Rassegna  critica  64  f.,  Havet,  Mem.  d.  1.  S.  d.  1.  6,  34*)  sucht  W.  Meteb, 
K.  Z.  30,  337  zu  beseitigen.  Wahrscheinlich  handelt  es  sich  um  Differenzen 
zwischen  dem  klassischen  und  vulgären  Latein. 

4.  Viele  sigmatische  Perfektformen  und  Supina  der  Verba,  deren 
Stamm  sich  auf  b  d  g  endigt,  haben  langen  Stammvokal,  also  actum  rexi 
ssssum  u.  s.  w.;  daneben  auch  redemptus,  wie  P€SrjV7r{T)a  CIGr.  4,  9811 
p.  565  beweist.  0  Der  Grund  der  Längung  liegt  hier  nicht  in  der  Wir- 
kung der  Konsonantengruppen,  sondern  der  lange  Vokal  ist  von  den  For- 
men mit  ursprünglich  langem  Vokal  auch  in  jene,  denen  ursprünglich  Kürze 
zukam,  übertragen,  vgl.  egi  s^dimtis  ^mi  u.  s.  w.  So  nach  Osthopf's 
überzeugenden  Ausführungen  Z.  G.  d.  P.  112  f.  Bez.  der  angeblichen 
Länge  vor  -ss-  ders.  522  f. 

5.  Liquidae.^) 

Die  Frage,  ob  l  bereits  der  idg.  Grundsprache  angehört  habe,  scheint 
nach  den  Ausführungen  von  0.  Weise,  Bezz.  B.  6,  115  über  die  Anlauts- 
gruppen „griech.  Kehllaut  +  ^"  =  »skr.  Kehllaut  +  r"  und  „griech. 
Kehllaut  +  /  (auch  lat.)**  ^^  „skr.  S  j  h  -\-  r,  sowie  von  Fortunatow 
ib.  215  f.  über  die  Lautgruppe  J -\-  Dental"  =  „skr.  Lingual  (z.  B.  at- 
gr.  aXbti))  in  bejahendem  Sinne  beantwortet  werden  zu  müssen;^)  vgl.  auch 
Pezzi,  Glottologia  aria  recentissima  Torino  1877  17  ff.  und  jetzt  besonders 
Brugmann,  Grundr.  1,  §  254. 

Als  Konsonanten. 

42.  idg.  (eur.)  r  =  lat.  r,  z.  B.  crepare  gr.  xQäfißaXov  skr.  krap-, 
sorbeo  gr.  ^oipäw,  renius  gr.  egstfiog,  rego  gr.  oQtyün^  ruber  gr.  iqvd-Qog^  arare 
gr.  aqovv^  verbum  got.  vaürds  cernere  gr.  xgiveiv,  SuflF.  -ter  -tor.  Vgl.  L. 
Meyer,^  Vergl.  Gramm.  1,  14l  f. 

lat.  r  =  gr.  A:  gramiue  yh'iiiri^  muscerda  iÄvaxeX€vSQov{?),  hirundo 
XeXiSciv;  wahrscheinlich  ist  r  ursprünglicher. 

lat.  /  =  gr.  Qj  z.  B.  mulceo  ßga^ai  (wobei  allerdings  f  vorliegt). 
Auch  innerhalb  des  Lat.  wechseln  r  und  /  in  Wörtern  der  gleichen  Ab- 
stammung: fornix  fulciOj  gracillare  glocire,  serväre  salvus,  vergere  valgus, 
reniures  lemuresA)  Es  sind  wohl  indog.  Doppelformen  anzusetzen.  Die  Suffix- 
formen -ari'  -cro-  sind  durch  Dissimilation  ^)  aus  den  altern  -alt  "Clo-'  (aus  -tlo-) 
hervorgegangen,  vgl.  exempl-aris  lu-crum,  dann  aber  auch  über  den  ursprüng- 
lichen Kreis  hinaus  verwendet  worden.  Jedoch  ward  schon  frühzeitig  von 
dieser  Dissimilation  abgegangen,  wie  die  grosse  Zahl  von  Ausnahmen  beweist. 
Auch  'blo  ist  manchmal  durch  -bro  verdrängt  worden.  Vgl.  jetzt  Bruomann, 
Grundriss  1,  S.  219;  2,  S.  203  und  275.  Vereinzeint  erscheint  statt  eines  ur- 
sprünglichen r  sekundäres  /,  so  in  Clustumina  CIL.  1,  S.  391,  lolarii  gew.  hrarii 
Plaut.  Capt.  ed.  Scholl,  (Personae),  spätlat.  Felegrinus^)  und  in  griech.  Lehn- 


>)  Osthoff,  Z.  G.  d.  F.  148. 

*)  F.  Bbchtbl.  Über  gegenseitige  Assi- 
milation und  Dissimilation  der  Zitterlaute 
u.  8.  w.     Göttingen  1876. 

^)  Indessen  ist  Fortunatow*s  Regel  keines- 
wegs sicher,  vgl.  Bruqmann,  Grundr.  1,  S.  211 


Fussnote. 

*)  Nach  FicK  1,  736  zu  gr.  tjQifjM  (?). 

^)  CoRSSBN,  Beitr.  328.  Bbchtkl  24,  25, 
Seelmakn  328  f. ;  Stünkel,  De  Yarroniana  ver- 
borum  formatione  (Argentorati  1875),  S.  40  f. 

^)  COBSSBN,  1,  223. 


5.  Liqnidae.  (§  42.) 


283 


Wörtern,  so  lilium  gr.  XsfQwv,  Ulinum  (al.  Urinum)  XefQivov.  Ladinod  CIL.  1, 
24,  506  für  Larinod  mag  auf  oskischem  Einfluss  beruhen. 

idg.  /  =  lat.  /,  z.  B.  Clemens  skr.  iräyamana^,  *)  clueo  {cluö)  gr.  xXvm 
skr.  ^rury  clunis  gr.  xXovtg  skr.  SrönU,  lascivus  gr.  Aao)  skr.  fa^-,  linquo 
gr.  Af/TTO)  skr.  rindkti,  solvo  (für  *S6-?t«-o)  gr.  Ai^w  skr.  ?w-,  cefer  gr.  xäXr^g 
skr.  cat-,  toZto  gr.  rAr;-  skr.  ^w?-,  Suflf.  -/o  -?a  -?w. 

eur.  1.  (ar.  r)  =  lat.  ?,  z.  B.  saft'o;  gr.  «Aixi;  ahd.  salaha  ir.  saf?,  aKws 
gr.  aXXog  got.  aK5.  ^ 

lat.  1=  gr,r  durch  Dissimilation  entstanden  in  IdWus  gr.  ßaqßaqog  (lat. 
harbarus  ist  Lehnwort),  gurguUo  YceQYaQsoiv,  umgekehrt  r  für  Ain  Äleria  neben 
*AXaX(a  (Havet,  Möm.  d.  1.  S.  d.  1.  6.  27  flf.).  Gleichfalls  durch  Dissimilation  ist 
r  aus  ?  hervorgegangen  in  caeruUxiS  (vgl.  caelum),  Parilia  (Fasti  Praen.)  für  Pa- 
lilia^^)  volkstümlichem  fraglare  neben  fragrare  (fragare);^)  spätlat.  Beispiele 
dieses  Wandels  bei  Bechtel  23,  Schuchabdt  Vok.  1, 138  f.  kadamitas  (von  Pom- 
pejus  gebraucht  nach  Mar.  Victor,  bei  Keil,  Gr.  L.  6,  8,  15)  ist  wegen  osk.  ca- 
deis {incommodi)  Tab.  Baut.  6  vielleicht  ein  selbständiges  Wort  neben  calamitas 
(BücHELER  bei  Bruns  Fontes  iur.  Rom.  ant.^  47  Anm.  10);  Izn  d  verschoben 
in  Capitodium,  in  dem  griech.  Lehnworte  adeps  =  aXsupa  (spätlat.  wieder 
alipes);  vereinzelte  Erscheinungen  dieser  Art  bei  Corssen  1,  224,  Schbutz, 
Beitr.  142.  pulmo  neben  gr.  TtXevfxtov  skr.  Jcloman-  enthält  den  schwachen  Stamm, 
ist  also  kein  Lehnwort,  nvsvniov  überhaupt  jüngeren  Datums  (Möller,  P.-B. 
Br.  7,  518  ^  CuRTius,  Qrdz.^  280).  Vereinzelt  ist  nymphaiicus  lymphaticus*), 
eine  gräzisierende  Form  für  lumpaticus;  vgl.  osk.  Diumpais;  vulgär  muntu 
=  muUum  CIL.  4,  1593.  r  zu  n  dissimiliert  in  Cancer  Grdf.  *carcro-  gr. 
xaQxfvog  skr.  kdrkata-,  (aber  menetrix  Non.  423,  10  M.  volksetymologische 
Bildung  für  meretrix),  umgekehrt  r  für  n  in  dem  Lehnworte  groma  gr. 
yvo)jj.a.  Vertauschung  der  beiden  Liquidae  liegt  vor  in  colurnm  für  *co- 
rulntis  von  carulus^)  (kein  Lehnwort,  vgl.  ahd.  hasal  Fick  II  326,  Vanicek, 
Fremdwörter  69,  0.  Weise  77)  und  in  clustrum  =  crustlumf)  andere  Belege 
aus  der  späteren  Volkssprache  bei  Corssen  1,  247.  r  ist  ohne  etymologische 
Begründung  in  den  beiden  griech.  Lehnwörtern  aplustrum  =  aipXaaxor 
(offenbar  im  Anschluss  an  die  zahlreichen  Bildungen  mit  Suffix  -tro,  wo- 
durch das  Wort  ein  mehr  lateinisches  Gepräge  bekam)')  und  crocodrilhis 
neben  corcodillus  und  crocodillus.^)  Inlautendes  r  ist  nicht  geschrieben  in 
controvosias  CIL.  1,  199,  2,  su^o  199,  8,  wobei  wohl  zunächst  s  für  ss  —  rs 
steht;  durch  die  Dissimilation  ist  -r-  geschwunden  in  lucu-lentus  {lucrum)^ 
praestigiae  praestrigiator  Plaut.  Poen.  1125,  Aulul.  G30  B,^)  sempiternus  {\lr 
*sempe{r)ternus;  ebenso  crebesco  neben  crebresco  *^)  {ober  pütesco  und  pütresco 
sind  zwei  verschiedene  Worte).  Arch.  tegm,  z.  B.  Plaut.  Capt.  915  A  u.  ö., 
Varro  1.  1.  5,  110  ist  eine  selbständige  Bildung  neben  tergus,  von  St.  tdg- 


0  0.  Weise  a.  a.  0. 

')  Ersteres  ist  die  filtere  Schreibweise; 
siehe  a.  a.  Jordan-Pbelleb,  Rom.  Myth.* 
1,  416  Anm.  2. 

*)  BücHELEB,  N.  J.  105,  111;  Enoel- 
BBBCHT,  8itzb.  d.  Wien.  Akad.  CX,  512  f.; 
WöLFFLDT,  Arcb.  f.  lat.  Lex.  4,  8,  wo  auch 
andere  Diesimilationserscheinungen  bespro- 
chen sind. 


*)  Löwe,  Arch.  f.  lat.  Lex.  1,  25. 

»)  Bechtel  20. 

^)  BÜCHELER,   Arch.  f.  lai  Lex.  1,  111. 

')  Zeyss,  K.  Z.  17,  432. 

^)  Schmitz,  Beitr.  144. 

9)  Büchbleb,  N.  J.  105,  109  f.,  woselbst 
auch  noch  manches  andere  Hiehergehörige 
besprochen  ist. 

i<>)  ib.  114  f. 


284 


B.  Lateinische  Grammatik,    b)  Lateinische  Lautlehre. 


vgl.  t&gula.  Die  Mouillierung  des  l  ist  eine  auf  die  spätlateinische  Volks- 
sprache beschränkte  Erscheinung;  Belege  dafür  bei  Corssen  1,  228.  fia 
[=  filia)  CIL.  1,  1347  ist  wohl  eine  Abkürzung. 

Als  Sonanten. 

43.  Die  silbenbildenden  idg.  Liquidae  l  und  r  (auch  liquidae  sonantes 
genannt)  haben  ihren  ursprünglichen  Sitz  nur  in  unbetonten  Silben;  sie 
erscheinen  inlautend  im  Lateinischen  regelmässig  in  der  Gestalt  -ol  -ul, 
'Or{ro)  "Ur  gegenüber  griech.  -cf^-aA-^a-A«,  got.  aür~ul.^)  Man  vergleiche: 
cord'  gr.  xagSta  skr.  Srad-^)  in  irad-dhd^^  comu  got.  haüm,  corpus  skr. 
krp-  „Gestalt,  Erscheinung**  av.  kehrp-  „Gestalt,  Leben";  cortex  skr.  kfUi^i?);^) 
currere  *cpere  an.  hross^);  curtus  {*cortus)  gr.  xa^og  Grdf.  *sq^tö  lit.  skiriü 
„schneide";  curvtis  neben  cervix;  dormio  Grdf.  *dpmio  {oder  *drdhmio^)  gr. 
SaQÖ-dvfü  (*rffv^gwco),  formus  skr.  gharmd-;^)  fors  skr.  bhrti-;'^)  fortis  alt 
forcttts  skr.  df-dhar-  von  dfA-;®)  fumtis  {*farniis)  skr.  ghrfWr-;^)  mors  skr. 
mrti'  morior  skr.  mrye\  porrum  gr.  nQtiaov  Grdf.  *p^sö'  trotz  Hehn'  175  kein 
Lehnwort,  da  die  Form  unbedingt  Entlehnung  ausschliesst,  ^^)  wie  bei  corntis 
gr.  xQccvov;  mo-mord-imus  skr.  mamrdinid;  ortus  skr.  rtd-;  por-  in  por-tendo 
u.  s.  w.  gr.  7ra^(cf)ii);  porca  ahd.  furuhporta  W.  i>er-  gr.  neiQO)  Grdf.  *i>fW-; 
ebenso  sporta  sportula  gr.  cTTrcf^Tov;  portus  zd.  äw  -per'pun  gall.  -ritum  für 
*-pnYwwi2)  evnoQx^fiog;  sorbeo  arm.  ari-  Grdf.  *5f6Ä-;i3)  sor5  Grdf.  *Sf<f- 
<orvt«s  gr.  TiXQßog  Grdf.  *^fgo-;  turgere  gr.  (r7ra^yar(?);  ur^tiS  (*orcsws)  gr. 
ÜQXTog  skr.  fÄ^V;  vorsw«  skr.  t;rW.  Wahrscheinlich  liegt  eine  Reminiszenz 
an  den  Wechsel  von  starker  und  schwacher  Stammform  vor  in  verto  vor- 
timus,^^)  skr.  va-vri-imd;  vgl.  stark  vel-  schwach  vol-  *i;^-.  Auch  morstiS 
tostus  gehen  auf  die  Grundformen  ^mpdiö-  H'^stö-  zurück;  posco  Grdf. 
"^p^ksko  wahrscheinlich  =  skr.  prchämi.  In  prope  ist  ro  =  f,  vgl.  skr. 
pfc-.^^)  Im  Auslaute  idg.  f  stets  =  wr,  so  fenmr,  iecur  vgl.  gr.  r^n-aq^ 
dagegen  in  über  gr.  ov&aq  -er-  wahrscheinlich  =  -f-.^^)  Silbenbildendes  / 
erkennen  wir  in  doleo  daXXei'  xaxovQyel  Hes.,  rnuUa  Grdf.  *mlktä  skr.  mr^td- 
ulmms  Grdf.  *^-mo  aksl.  ^timü\  in  den  Part,  -culsm,  occultus^  mulsus,  pulsus, 
sepuUus,  vulsus  von  den  Stämmen  -cel-,  melg-y  pel-,  sepel-,  veU^  die  auf 
die  Grdf.  ^kldtö-  u.  s.  w.  zurückführen  {u  wegen  l  für  o).  mollis  ist 
höchst  wahrscheinlich  der  Repräsentant  von  skr.  mrdü-,^'^)  also  gleich 
*molduis  Grdf.  ^wldü-y  mulceo  gr.  ßga^ai,  ßqaxeiv  Grdf.  *nilk:  Als  Ver- 
treter von  f  erscheint  ar  (wahrscheinlich  aus  är  gekürzt,  so  auch  l  =  al 
vgl.  maltas  Grdf.  ^mltO'  W.  wo?-,  veteres  molles  Lucil.  nach  Non.  1,  37,  8 
Müll.,  salvos  für  *5j-^o  nach  Brüomann,  Grundriss  2,  S.  137),  vgl.  arduos 


')  Brüomann,  M.  Ü.2,  154  Anm.;  Grund- 
riss 1,  §  284. 

')  Ders.  Lit.  Centr.  1883,  Sp.  1384. 

')  L.  Meyer  *  1,  34;  nach  Brüomann, 
Grundriss  2,  S.  287  gehört  das  ai.  Wort  zu 
lit.  kifsti. 

*)  Kluge,  Et.  Wort.  s.  v.  ^Ross." 

^)  W.  Meyer,  K.  Z.  28,  172. 

«)  J.  Schmidt,  K.  Z.  25,  80.  Wegen  f 
siehe  §  53. 

')  De  Saussüre,  Möm.  15. 

»)  FicK,  1,  107. 


»)  De  Saussüre,  M6m.  17. 

»0)  0.  Weise  128. 

»0  Stolz,  Arch.  f.  lat.  Lex.  2.  498  f. 

^'^^  Brüomann,  Grundr.  1,  S.  238,  Kluge, 
Et.  Wort.  s.  V.  „Furt* . 

'»)  Brüomann,  Grundr.  1,  §  332. 

**)  De  Saussure,  Möm.  12. 

»»)  Fröhde,  Bezz.  B.  7,  125,  L.  Meyer, 
ib.  296. 

»«)  Brüomann.  Grundr.  1  S.  281. 

^^)  FiCK  1.  175;  vieUeicht  aber  zu  ahd. 
müti,  Kluoe,  Et  Wort  s.  v.  «mild*. 


5.  Liqnidae.  (§  43.)    6.  Nasales.  (§  44.)  285 

skr.  ürdhväs  gr.  ogO^og  Qrdf.  ^fäk^o-,  armtis  skr.  frmd-  Grdf.  *fmö-,  ars 
Grdf.  *fii'i  pars  Qrdf.  *pfti'  (dagegen  in  portio  or  --  f),i)  quartus  aus  ^qt^g'tö^ 
*c{t)vartO';  im  Wurzelauslaut  ra  la,^)  granum  got.  kaum,  crdbro  f.  *cra$ro 
*X:fs-3),  crates  got.  haürds,  radix  Grdf.  *?^fd-4C-  got.  vaürts,  lana  f.  *^lana 
vgl.  t;e2/us  skr.  wrnd  got.  vw/id,  gratas  skr.  gürtä-,  percello  clades^  bei  den 
Part.  Perf.  Pass.  stratus  latus  zu  s^er-  ^e/-,  Grdf.  *s^f^'-  *^J^o-  (dazu  tollo 
aus  *<|nd,  wenn  nicht  =  Holdo  Eluoe  s.  v.  „dulden").  So  erklären  sich 
nebeneinander  fulvus  und  flavus,  fulgur  und  flamma,  fulgeo  und  flagro; 
allerdings  könnten  erstere  auch  auf  *felvo-  *felg-  zurückgehen.  In  gerro 
neben  y^acrwr*),  vermis  gr.  ^ofiog,  quercus  ahd.  forhe^)  liegt  der  starke 
Stamm  vor.  idg.  f  ist  nicht  gleich  lat.  tr,  wie  Fröhd£:,  Bezz.  B.  7,  115, 
Pauli,  Alüt.  Stud.  5,  113  behaupten. 

r,  das  auf  lateinischem  Sprachboden  silbenbildend  wird,  ist  =  -er-; 
daher  acerlms  aus  *a(?r(i)-&o-,  daher  der  Nom.  Sing,  der  ro-Stämme,  wie 
ager  für  *agros  gr.  dygog  *agrs  *agr,  so  auch  conger  {gonger)  Lehnwort  vom 
gr.  Y^YYQ^^i  femer  die  Deminutiva  auf -?o-,  z.  B.  agellus  aus  dgr^ojlo";  ebenso 
catellus  aus  *catl{o)lm;  libertas  aus  *fo'6f(o)to;  die  Komposita  alterpUx  puer^ 
peroi  sacerdos  (vgl.  §  95)  für  *aUr{o)'plec-  u.  s.  w.,  endlich  cemo  tergo,  die  die 
aus  den  Kompositis  verselbständigte  Form  enthalten;^)  zunächst incertussecemo 
ahsiergo  aus  HYhcr{i)tos  ^secr{x)no  *abtr{i)go,  vgl.  gr.  xQiv(o  xQiTog  TQißoa^  crX-men 
gr.  xQifAa,  decreivit  CIL.  2,  5041,  worin  doch  wohl  ei  =  i,  während  cr^t?* 
wie  spr^i  Analogiebildung  nach  ISvi  sind.')  Vgl.  ferner  tero  für  *trio 
{cantrire  wohl  nur  volkstümliche  Bildung,  Thielmann,  Arch.  f.  lat.  Lex.  3, 
559),  vgl.  deirtmentum  (hingegen  termentum  Fest.  363  M.,  Götz,  Arch.  f. 
lat.  Lex.  2,  337)  irt-vi;  ferner  tr^i  trini  tritus  und  tertius, 

Anmerkang.  Auf  Vokalablaut  beruht  die  sogenannte  Metathesis  in  cäl-ar-e  clä-rus, 
Cir- es  cre-scere,  fre-tus  fir-mus  (*fer'mo-),  scor-tum  {^skrtö-),  acrü-ta ;  vgl.  aträ-tus  lä-tus  zu 
ster-tel-;  ferner  {g)nä'tti8  gnärus  zu  gen-.  Hingegen  ist  kein  Grund  ersichtlich  bei  den 
altlat.  Procobera  fttr  Porcobera  CIL.  1,  199;  TarsumennuSy  Cortona,  corcodilus,  bar  das 
(ßqudvq),  iarpezita;  vgl.  Corssbn,  1,  246,  Ritschl,  Op.  2,  524  ff.,  Seblmann  330. 

6.  Nasales. 

Als  Konsonanten. 

44.  idg.  n  =.  lat.  n  (dental  u.  guttural),  idg.  m  =  lat.  m  (labial). 
nös  skr.  nas  gr.  vm^  nec-o  gr.  vexvg^  nemus  gr.  vofiog,  nepos  gr.  ävsipiog;  in 
gr.  f  V,  ianitrices  gr.  ehareQegy  senex  i'vog^  ango  gr.  «yy«,  qmnque  idg.  *pefdqe. 

meto  gr.  äfAÜv,  mollis  skr.  mrdü',  morior  gr.  i^o^,  medius  gr.  fit'aoc^ 
mensis  gr.  firjv  äol.  gen.  fifjvvog. 

n  ist  aus  m  hervorgegatigen  infolge  lautgesetzlicher  Veränderungen 
in  tenehrae  neben  skr.  tamisra-  ahd.  dinstar  urg.  *piins{t)ra-j  welches  sich 
aus  der  ursprünglichen  Doppelheit  *temsra  Hensra  und  Hemosra-  und  späterer 
Übertragung  des  n  erklärt.^)     Ich  schliesse,  obwohl   der  Nasal  als  Sonant 

0  Die  Belege  bei  Kluge,  P.-B.  Br.  9,  |  «)  Osthopf,  M.  U.  4,  1  f. 


193,  Bruomakn,  Grundr.  1,  S.  243  ff. 

*)  J.  ScHKiDT,   K.   Z.  25,  49;  Mablow, 
D.  1.  V.  2;  Osthopf,  Z.  G.  d.  P.  178. 

')  Bbuoxakn,  Grundr.  1,  S.  244. 

*)  FiCK,  Orient  and  Occident  3,  295. 

*;  Elüob,  Etym.  Wort.  s.  v.  »Föhre». 


')  OsTHOPP,  Z.  G.  d.  P.  253  nach  dem 
Verhältnis  Uno  :  litus :  levi  =  *crino  :  critus : 
crem.  Über  decreivit  vgl.  J.  Schmidt,  Rh. 
M.  23,  667  f.,  VoK.  2,  365,  Cobssbn  2,  331 ; 
anders  Pauli,  Altit.  Stud.  1,  26. 

^)  Bbugmann,  Grundr.  1,  S.  430. 


286  B.  Lateinische  Graolmatik.    b)  Lateinische  Lautlehre. 

erscheint,  des  Zusammenhanges  halber  an:  centum  aus  *ifpto-  lit.  szimtas; 
venio  ventum  aus  *g^t^  *gw^o-  lautgesetzlich  entwickelt.  *)  permities  hingegen 
und  pernicies  sind  zwei  verschiedene  Wörter,  ersteres  zu  skr.  a-mi,  pra^mi, 
vernichten,  letzteres  zu  nec~  gehörig.*)  Septunolena  CIL.  1,  1491  kann 
Schreibfehler  sein  (vgl.  inschr.  Septumulentis).  Vereinzelt  ist  n  durch  Dissi- 
milation zu  /  geworden :  sterquilinium  für  *sterquininium  3),  vespertiKo  neben 
vcspertinus;^)  volkstümlich  leptis  für  neptis^)  lumphieis  ^=  nyvnphis  CIL.  1, 
1238.     Behlai  CIL.  6,  2235   ist  wohl  verschriebea  für  Belonai. 

m  ist  nicht  in  b  übergegangen,  wie  man  wegen  hihernus  neben  hiems 
annehmen  zu  müssen  glaubte,  vielmehr  liegt  hier  wahrscheinlich  Übergang 
der  Lautgruppe  -mr-  in  -&r-  vor,  indem  hibemus  mit  Johansson,  K.  Z.  30, 
441  f.  und  G.  Meyer,  Litt.  Centralblatt  1889,  Sp.  86  aus  *Afmrtwö-  vgl. 
gr.  x^^f^^Q'''  herzuleiten  ist.  Damit  entfallen  andere  unhaltbare  Vermutungen.^) 
So  wohl  auch  tüber  neben  tümuli^  f.  Hüm-lo-  aus  Hüm-rO',  (vgl.  §  41,  2)  mit 
Übergang  in  die  konsonantische  Deklination ;  dagegen  muss  gener,  das  früher 
nach  CoRSSEN  aus  ^gem-ro  erklärt  wurde,  mit  Ascou,  Lautlehre  101  als  ur- 
sprüngliche Doppelform  neben  gr.  yaiißqog  angesetzt  werden;  vgl.  auch 
CuRTius,  Grdz.^  547.  m  ist  nicht  aus  v  hervorgegangen  und  ebensowenig  aus  /, 
wie  von  mehreren  Seiten  angenommen  worden  ist;  vgl.  Corssen,  Beitr.  237  f., 
245  f.   In  lat.  iwa^wfa  neben  gr.  avxXov  skr.  dnuUra-m  ist  m  ursprünglich.') 

Dentales  und  gutturales  n,  sowie  m  bleiben  graphisch  häufig  unbe- 
zeichet.  m  schwand,  wie  es  scheint,  nach  altem  Gesetze  vor  n  gn  h  u 
(vor  I  kaum  lautgesetzlich  wegen  venio  quoniam  vgl.  §  65,  1,  z.  B.  conecto 
cognatus  cohibeo,  coventionid  CIL.  1,  196  coveniatis  Cato  bei  Gellius  I,  XV 
9H.  {coiux).^)  Später  findet  häufig  Rekomposition  statt  (hochlat.  immer 
z.  B.  convenio  u.  a.).  Dentales  n  bleibt  häufig  ungeschrieben  vor  d  t  s, 
gutturales  vor  g  c  q  x,  der  Mittellaut  zwischen  ni  und  n  (vgl.  §  65,  3  b) 
vor  f  V  m  vor  p  6,  besonders  vor  s,  so  in  der  Endung  -ensis,  z.  B.  Albesia 
Paul.  Festi  4,  7  M,  Alliesis  ib.  7,  3,  Lepareses  ib.  121.  9,  foresia  Mega- 
lesia  hortesia  Cic.  nach  Vel.  Long,  bei  Keil,  Gr.  L.  7.  79,  4,  in  den 
Partizipien  des  Präsens,  z.  B.  scies  Schneider  95,  arquitenes  libri  Accius 
52  Ribb.  I,  vgl.  Ritschl,  Op.  2,  715,  mostrare  bei  Plautus  sehr  häufig,  Mo- 
stellaria {ntostellum  Löwe,  Prodr.  282),  mostrator  Verg.  Ge.  1,  19  M\ 
Aen.  3,  26  u.  s.  w.  Dieser  Schwund  des  Nasals  findet  sich  besonders  in 
vulgärer  Rede,  z.  B.  CIL.  10,  8249  (=  Schneider  389).»)  Der  Grund  liegt 
in  einer  starken  Reduktion  des  Nasals  vornehmlich  im  alten  und  vulgären 
Latein  (jedoch  auch  hochlateinisch  formösus  u.  s.  w.).  Vgl.  §  41,  2. 
Bugoe  Bezz.  B.  14,  68  ff.  sucht  diesen  Schwund  in  Worten  wie  catulus 
neben   canis  aus  der  ursprünglichen  Betonung  zu  erklären.    Dass  der  na- 


')  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  505;  anders 
AscoLi,  Sprachw.  Briefe  150  ff. 

^)  CoKssEN,  Beitr.  26G  f. ;  Berok,  Beitr. 
1  154  f.  verficht  ohne  zureichende  Gründe 
die  Identität. 

8)  Bersu,  Die  Gutturalen  120. 

*)  BüGGE,  K.  Z.  20,  47  f.  (viel  zu  weit- 
gehend). 

'")  Löwe,  Prodr.  lUO.  \  Neug.  2m  ff. 

^)  Vgl.  der  Vollständigkeit  halber  AscoLi,   | 


K.  Z.  17,  328,  Per  Pebsson,  Stud.  etym.  123. 

')  J.  Schmidt.  K.  Z.  23,  277. 

•*)  über  CO'  Lachmann  zu  Lucret.  2, 
lOGl  und  HiBBECK  im  Ind  zu  Vergil.  Buggr, 
P.-B.  Br.  12,  419  hält  eine  Doppelform  co- 
covi-  für  wahrscheinlich  (vgl.  yv  :  i'vy), 

®)  Anderes  bei  Seelmann  283  f.;  die 
orthographischen  Vorschriften  bei  Brambach, 


6.  Nasales.  (§  45.) 


287 


salierte  VokaP)  auch  spontan  erzeugt  wurde  (ohne  etymologische  Be- 
gründung), zeigen  altlat.  thensaurus  Scaptensula,  sowie  die  zahlreichen 
spätlateinischen  Beispiele,  von  denen  freilich  manche  auf  umgekehrter 
Schreibung  beruhen  mögen.  Ähnlich  attisch  TXijVTtcXeiiog  Meisterhans, 
Oramm.  d.  att.  Inschr.*  S.  88  N.  865.  Die  griech.  Lehnwöi-ter  Allans  Atha- 
mans  sind  nach  Analogie  der  lat.  Participia  auf  -ans  u.  s.  w.  zu  erklären. 

Als  Sonanten. 

46.  idg.  rp  =  lat.  em  (im),  gr.  «(«jw).  idg.  9  =  lat.  en  {in)  ar.  a 
gr.  a{av)  got.  un.  Vgl.  sem-  gr.  Sjua  Grdf.  *s^-  in  alat.  seniol  CIL.  I,  1175, 
semel  (aber  sentper  für  ^sen^per  zu  skr.  sdna  ,von  jeher**,  got.  sinteins 
„täglich");  mit  Übergang  des  e  in  i  simpkx  singuli  Grdf.  *sjp-Ato-.  Über 
ventum  =  *2tpto-  und  centum  =  ^kr^itö'  wurde  bereits  oben  §  44  gehandelt. 
Septem  decem  führen  auf  die  Grundformen  ^septtfi  ^deJcTp,  zurück,*)  (darnach 
novem  aus  *nev^)»)  vgl.  gr.  sma  Säxa,  —  Sonantisches  m  enthalten  auch 
alat.  hemo  got.  guma,  imber  skr.  abhrd-  idg.  Grdf.  *rpbh-r6'  osk.  anafriss;  in 
vicesimus  steckt  Suffix  4rgtmo-\  im  Akk.  Sgl.  der  konsonantischen  Stämme 
ist  -em  =  jp;  vgl.  pedem  gr.  noda,  Grdf.  ♦ped^.'*) 

argentum  Grdf.  *arg^tö--/^)  census  für  *censttis  idg.  *k^tö-;^)  densus 
*d^stl'  gr.  Saövg;  emo  *^m-S  *rpm6  gr.  r*/*-«; ')  ewsis  *^e  skr.  asi-;  iuvencus 
skr.  yuvctSd',  *|Mf/§Ao-;  memento  gr.  iisiicadn  Grdf.  *mem^t6d;  -mentus  gr. 
'fAcctog  Grdf.  *m^tö-;  mens  ved.  wa^i-  got.  ga-munds  Grdf.  *m9^/-;  mew- 
fttfw  ahd.  umw^;  sentina  gr.  amg;^)  tentus  gr.  tottos  skr.  to^a-  Grdf.  Hfitö-; 
tentio  gr.  Tcwrig  Grdf.  *^9^i;  ^ewwis  skr.  toww-  Grdf.  *^9nw-;  vensica  skr. 
t;a5^/-  Grdf.  *t?^-.  Mit  Übergang  des  e  in  i  i^fnis  für  *mgnis  skr.  ajwe- 
aksl.  (?(;»?;  ingiien{,*^guen  gr.  aJiJr;^)  insula  *i^la  neben  gr.  vfjaog;  ^^)  lingua 
Grdf.  ^df^^h^a  got.  tuggön-;  pinguis  f.  *penguis  Grdf.  i^^gA?/-  gr.  naxvg 
(dagegen  nicht  klar  /ms  neben  iXaxvgj  vgl.  Kluge,  Et.  Wort.  s.  v.  „leicht**); 
stringo  f.  *strengo  gr.  ctQay^  aTQttyysvm;  strangulare  hingegen  ist  griechisches 
Lehnwort;  ^>)  viginti  f.  *vigenti  Grdf.  *vii^ti  dor.  pixaxi.  In  suffixalen  Silben: 
Neutra  auf  -wen  gr.  -^a  Grdf.  -mg,  z.  B.  ovoiia  nomen  Grdf.  *nom^,  ebenso 
-mento  gr.  -aro,  z.  B.  drofiatog  *6v6fjL^-tog;  *-ßw^  in  der  dritten  Pers.  Plur. 
Perf.,  wenn  dedere  für  *dederent,  steht,  geht  wie  osk.  set,  umbr.  sen^  auf 
-nt  zurück;**)  das  Partizipium  Präs.  von  es-  ist  -sent  =  *s^f,  vgl.  gr.  ^aaacc 
skr.  satt;  der  Ausgang  -ent  des  Part.  Präs.  enthält  nach  älterer  Auffassung  den 
schwachen  Stamm:  stark  -ont,  schwach  -nt,  daher  idg.  ^bheront-  *hhernt-,  lat. 
*eiont^  (euntif)  ferent-;  stark  auch  flexuntes  lucuns  u.  a.  bei  Beckstein,  Curt. 
Stud.  8,  345  f.;  vgl.  jetzt  auch  Bruomann,  Grundriss  2  S.  37G;  anders  urteilt 


')  So  ScHUCHABDT,  Vok.  1,  98  ff.;  J. 
Schmidt,  Vok.  1,  98  f.;  Kbuszewski,  Tech- 
mers  Intern.  Zeitschr.  3,  159;  Bruomann, 
Grundr.  1,  S.  177.  Dass  die  Ausführungen 
Sbelmanns  damit  wohl  vereinbar  sind,  zeigt 
Kbstzschmeb,  K.  Z.  29,  439  Anm. 

')  DB  SAU88UBE,  M^m.  29. 

«)  Wackbbnaoel,  K.  Z.  25,  260  f. 

*)  Brugmann,  C.  St.  9,  306. 

^)  OSTHOFP,  M.  U.  1.  105. 

«)  Bbugmann,  Grundr.  1  §  238. 

^)  OflTHOFP,    Z.  G.   d.    P.   142;   Bbug- 


mann, Grundr.  1,  §  201;  Bezzenberger,  in 
seinen  Beitr.  10,  72. 

»)  Fböhde  Bezz..  B.  7.  85. 

^)  NoBEBN,  Altisl.  Gramm.  §71,  4;  de 
Saussube,  Möm.  d.  ].  S.  d.  1.  0  o3;  Bbug- 
mann, Grundr.  1  §  432. 

'^)  Nicht  *ii8la  mit  Schulze,  K.  Z.  27, 
G06  (vgl.  unten). 

»»)  0.  Weise  524. 

^^)  Stolz,  Verbalflexion  22.  vgl.  jedoch 
§111. 


288 


B.  LateiniBche  Grammatik,    b)  Lateinische  Lautlehre. 


Bartholomae,  K.  Z.  29,  549  flf.  [=  Beitr.  z.  Flexiouslebre  S.  129  ff.],  der 
Stammabstufung  in  Abrede  stellt  und  den  Wechsel  von  -ont  und  -ent  durch  die 
verschiedene  Stellung  des  Accents  erklärt.  Dieser  Auffassung  hat  jetzt  auch 
Bruomann  (vgl.  oben  S.  108)  sich  angeschlossen,  und  in  der  THat  scheint  bei 
diesen  Partizipien  niemals  Stammabstufung  vorgelegen  zu  haben.  Suff.  -v?^~  i^ 
-ösus  aus  *'0^ensO'  *-ö-f^g^^o;*)  -inquo-  in  prop-inquus  u.  s.  w.  skr.  -ac-  -a^-, 
gr.  7roJ-a7r-(>g,2)  vielleicht  auch  -Uno  =  *'t^no  vgl.  gr.  -raro-.^)  idg  §  =  lat. 
a«- ;  antae  skr.  äta-,  anas  gr.  vijaaa,  ianitrices  gr.  etvdveQsg;*)  neben  lat.  in-  == 
ü  gr.  a(r)-,  alt  en-  vgl.  ewpos  enfitiare,^)  steht  osk.-umbr.  aw-  gr.  rö-rjj-  =  p, 
vielleicht  auch  lat.  ampotis  (Löwe  a.  a.  0.,  von  Scholl  Plaut,  Trin.  131  in  den 
Text  gesetzt).  Anderes  recht  zweifelhafte  Material  bei  Schweizer-Sidler, 
Gramm,*  §  11,  6.  Im  Stammauslaut  idg.  -§  =  lat.  -na  in  gno-tus  na-tio 
(aber  gens  =  *g^ti',  Satzdoppelform,  wie  pars  und  portio),  gna-rus  W.  gen-. 


1.  Verschlusslaute. 

Vorbemerkung.  Die  Artikulationsart  der  tonlosen  und  tönenden  Verschlusslaute 
ist  im  allgemeinen  dieselbe  geblieben  wie  in  der  indog.  Grundsprache. 

Tonlose  und  tönende  Gutturalis.^) 

Vorbemerkung.  Das  von  den  Lateinern  neben  c  (X;)  verwendete  Schriftzeichen  ^ 
hat  lediglich  den  Wert  der  gutturalen  Tennis  (Ascoli,  Bbrsu  52),  also  nur  graphische  Be- 
deutung. Seine  Setzung  war  ursprünglich  nach  demselben  Gesetze  geregelt,  wie  die  des 
griech.  9»  ^^  stand  vor  o  und  t«.  Daher  inschr.  praen.  Luqorcos  Maq(olnia)  (=  g,  Ma- 
golnia  Eph.  1,  17);  q(olonia)  (Bebsu  36).  Inschr.  Proqilia  nach  Proqultis;  in  qai  (Nom. 
Sgl.)  der  Dvenosinschrift  fOr  *quoi  und  umgekehrt  oquoltod  (Sc.  d.  Bacch.)  quom  (Vnep.) 
liegen  höchst  wahrscheinlich  Schreibfehler  vor  fttr  *oqoltod  *qom  =  o{c)culto  cum  infolge 
Verwechslung  von  qo-  und  quo-  durch  schriftunkundige  Schreiber.  Ebenso  gti-  fOr  cu- 
in  Mirqurios  oqupatvm  quraverunt  pequlatu  u.  s.  w.  (Bersu  49),  daneben  und  frOher 
inschr.  cu  bezeugt.  Vgl.  auch  umgekehrt  inschr.  Acuino  fOr  AqmnOf  rustikes  cuam  (Ausf. 
Bei.  Bebsu  82*),  fal.  cuando  Zvet.  Inscr.  It  med.  68.  Niemals  ist  qu-  =  guu-,  wie 
CoBSSEN  I,  71  f.  behauptet  hatte:  locütus  secütus  nicht  aus  *loquutus  *8equutus,  sondern 
Analogiebildungen  nach  acutus  staiütus  u.  s.  w.  (Bkrsu  122).  Der  Schreibung  mit  c  an 
Stelle  eines  älteren  q(u)  vor  a  e  %  kommt  im  historischen  Latein  niemals  sprachgeschicht- 
liche Berechtigung  infolge  Schwunds  des  u  zu,  sondern  es  sind  stets  andere  Einflasse 
massgebend  gewesen:  Aecetiai  (=  Äequittae  CIL.  1,  43)  ist  ein  Provinzialismus  (Bebsu  97, 
nach  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  581  regelrecht),  usce  cuiiMcemodi  beruhen  auf  falscher  Analogie 
(vgl.  umgekehrt  huiusqiie)^  ebenso  relicicte  execiae  nach  relicuti^  execuntur  u.  s.  w.  (Bebsu 
113  f.).  Umgekehrt  berechtigt  auch  die  Schreibung  mit  g(u)-  statt  eines  älteren  c-  nicht 
zu  dem  Schlüsse,  dass  der  volare  Nachklang  sich  im  historischen  Latein   entwickelt  habe 


*)  Osthoff  bei  Bbugmank,  Grundr.  1,S.  202. 

^)  Bezzekbeboeb  in  seinen  Beiträgen  4, 
837  ff. ;  Osthoff,  M.  U.  4. 249  f. ;  Peb  Pebsson, 
Stud.  et.  7. 

•)  Beugmakn,  Grundriss  2,  §  69 ;  Bab- 
tholomae,  K.  Z.  29,  103. 

*)  Bbugmann,  Grundrisp.  1,  §  253. 

^)  Löwe,  Acta  soc.  phil.  Lips.  5,  306. 

^)  Ich  spreche  selbstverständlich  vom 
Standpunkte  der  lat.  Spezialgrammatik  und 
habe  der  Kürze  halber  den  Ausdruck  «Gut- 
turalis**  beibehalten.  Über  die  X-Frage  eine 
kurze  Skizze  von  Bbugmann,  Ebsch  und 
Gbubeb,  Encykl.  32.  Teil  und  Grundr.  1, 
S.  289  mit  Angabe  der  Litteratur.  Vgl. 
übrigens  auch  Ö.  Meyeb,  Gr.  Gr.«  §  183, 
Pezzi,  Glottologia  aria  recentissima  4  f. 
Regnaud,  La  theorie  de  deux  iL  indo-europöens 
in  Revue   de   ling.   et   de  phil.  comp.  XXI 


Janv.  und  Meblo,  Considerazioni  fisiologiche 
sulla  storia  delle  gutturali  ariane  Milano  188G 
habe  ich  nicht  zu  Gesicht  bekommen.  Aben- 
teuerliche Phantastereien  über  den  Gegen- 
stand bei  Penka,  Origines  Ahacae  S.  139  f. 
In  der  keineswegs  noch  endgiltig  entschie- 
denen Frage  bin  ich  Bbugmakns  lichtvollen 
Ausführungen  gefolgt.  Fttr  das  Lateinische 
vgl.  speziell  Bebsu,  Die  Gutturalen  und  ihre 
Verbindung  mit  v  im  Lateinischen,  Berlin 
1885  (dazu  Thubnetsen,  Deutsche  Ijitteratur- 
zeitung  1885,  S.  1140  und  Schweizbb-Sidlbb, 
Woch.  f.  klass.  Phil.  1887,  S.  65  ff.).  Bau- 
DouiN  DE  Coubtenay,  Gott.  gel.  Anz.  1888, 
S.  652  bringt  nichts  von  Belang  bei.  Eine 
übersieht  aller  hieiher  gehörigen  Wörter 
bietet  auch  Schweizeb-Sidleb,  Gramm. ^  §  5:5; 
ein  ausführliches  Verzeichnis  bei  Fick,  Sprach- 
[  einheit  62  f.  und  Bebsu  a.  a.  0. 


7.  VerflchlasBlaate.  (§  46.)  289 

(von  CoBSSEN  wiederholt  behauptet,  die  Stellen  bei  Bebsu  116).  Sanqualia  ist  Archaismus 
für  *Sancualis  (vgl,  pe^nia),  Faquius  wahrscheinlich  =  Pacuius  nach  der  Orthographie 
des  Accius;  qui  für  cü  in  einigen  Fremdwörtern,  wie  Tarquiniua  liquiritia  etr.  tarxunie, 
gr,  yXvxvQ^C»f  (vgl.  inschr.  Cinti  =  Quinti,  i  =  ü  wie  in  Kvvrog  Cun[tu8])  und  in  vul- 
gärem aquipediwn  aquifolius;  aquipenser  für  acupenaer  durch  Anlehnung  an  aqua  (Bersu 
119  f.),  ahlaqueare  (von  lacus)  neben  richtigem  ahlacuari  Varro  r.  r.  1,  29,  1  durch  An- 
lehnung an  laqueus.  Auch  hinter  g  hat  sich  im  historischen  Latein  der  velare  Nachklang 
nicht  entwickelt.  Die  Fälle,  welche  dagegen  zu  sprechen  scheinen,  sind  entweder  Schreib- 
fehler, wie  Jjangueses  neben  Langensium  CIL.  1,  199  oder  beruhen  auf  später  Analogie- 
bildung, wie  linguere  urguere  für  älteres  lingere  urgere,  deren  g  =  idg.  tön.  Palatalis 
(Ausf.  Bek  ßsBSU  109  ff.).  Aber  auch  Schwund  des  älteren  u  in  stinguo  tinguo  unguo, 
deren  Wurzelauslaut  =  idg.  tön.  Velaris  ist,  ist  nicht  lautgesetzlich,  sondern  nur  vereinzelt 
und  spät  durch  Analogie  hervorgerufen  (Bebsu  99  ff.),  ungella  regelrecht  als  Deminutiv 
von  ungtUUf  dessen  g  vor  u  lautgesetzlich  berechtigt  ist. 

46.  a.  Die  indog.  Palatalis  k  {k\  1^  Fick)  =  lat.  c  in  centum,  dicere, 
socer^  iuvencus  u.  s.  w.,  idg,  ^kr^itO',  *de{A-,  ^suekuro-,  ^inu^-kö-;  =  lat.  qu-  in 
queror  questiAS  ^\iT,  Svdsimi,  queo  skr.  Svdyati;  equos  skr.  äiva-  idg.  ^ekuo-. 

Die  idg.  Velaris  q  {k^,  k  Fick)  1)  ohne  Labialisierung  =  lat.  c 
in  der  weitaus  überwiegenden  Anzahl  der  Fälle  vor  vokalischem  Anlaute, 
z.  B.  capere,  cavus  cavere  {^scov-)  cernere  u.  s.  w.  (die  Belege  bei  Bersü, 
S.  169  f.);  2)  mit  Labialisierung  urit.  Alf  =  a)  lat,  q  vor  allen  Vokalen 
mit  Ausnahme  von  u  (umbr.  osk.  p,  gr.  n  vor  dunkeln,  t  vor  hellen  Vo- 
kalen), z.  B.  quis  umbr.  osk.  pis  gr.  tig;  quo-d  umbr.  osk.  St.  po-  gr.  no-; 
sequ-or  gr.  inofxm.  In  coquo  aus  *quequo  gr.  näTi-oav  und  quinque  für 
*penque  idg.  *pet9qe  hat  sich  der  anlautende  Labial  dem  Velarlaute  der 
folgenden  Silbe  assimiliert,  umgekehrt  prope  vgl.  proximus^)  Während 
qae-  verblieb  in  quercus  querquedula  querquerus  tri^quetrus  con-quexi,  ging 
es  in  CO  über  in  colo  aus  *quelo  gr.  TäXlio  M-nXe-xo  neben  in-quiUinus,  mit- 
hin der  Übergang  von  que-  in  co-  jünger  als  die  Schwächung  von  6  in  i 
in  nachtoniger  Silbe,  daher  wahrscheinlich  auch  linquis  linquitis  u.  s.  w. 
lautgesetzlich.  Übergang  von  quo-  in  cü-  im  8.  Jahrhundert:  Unquont, 
'Sequos,  quam,  -quomque  u.  s.  w.  werden  lincunt,  -secus,  cum  --cumque. 
Wie  aiquos  accus  auch  equos  ecus  (Bebsu  53  flf.).  Die  Grammatikertheorie 
des  2.  Jahrhunderts  n.  Chr.  (speziell  Velius  Longus)  hat  dann  nach  Ana- 
logie von  equi  den  Nominativ  equus  geschafifen,  ebenso  loquuntur  reUnquunt 
nach  loquHur  relinquit  u.  s.  w.  (Bersü  68  flf.).  In  den  folgenden  Jahr- 
hunderten ging  quu'  auch  in  die  Aussprache  über.  Beim  Relativ  regel- 
recht qua  quorum  qui  u.  s.  w.;  quöüis  für  *queios  quöd  (dagegen  cur  aus 
quör)  mit  analogisch  behauptetem  qu-.  Darüber  ausführlich  Bersu  S.  53  f. 
£inmal  co  =  quo  C  Afranius  bei  Non.493, 3  M.  Auslautendes  qu  =  c,  daher 
ne-c  ne-que  {-que  =  idg.  *qe  umbr.  -p  in  nei-p  gr.  t^),  ac  aus  *a^-c.  ß)  =  lat.  c 
vor  u  und  Konsonanten;  vgl.  sterqui-Knium  stercus.  arquitenens  arcui^, 
quercus  und  darnach  querceus  (Bersu  134);  die  Part.  Perf.  der  auf  -qu 
(bez.  auch  -gu)  endigenden  Verba,  wie  coctus  *quectos  gr.  nemog  coquo^ 
'lictus  linquo;  tinctus  tinguo  u.  s.  w.;  vgl.  ferner  iw-sccf/ow-e5  insexit  inseque 
inquam  (=  *in-sqtuim)  gr.  ivvfne,  laqueus  lax  „Betrug**,  obliquos  lixula; 
quinque  quin{c)tus  (wegen  osk.  JIof^iTiTifg  =  urit.  *penkut0').  In  soc-ius 
sequi,   convic-4uni    inog,   colliciae    , Wasserrinne**    liquere   hatte    das    Suffix 


')  Fböhdb  Bezz.  B.  7,  125.   Die  Assimi-      Woch.  1884,  Sp.  1324)  auf  dem  Gesetz  von 
lation  beruht  nach  Babtholomae  (Berl.  Phil.      der  Erspaiang  der  Arbeit. 

Bandbach  der  kUas.  AltertumswiBa^DS^haft.  U.    2.  Aufl.  19 


290 


B.  Lateinisohe  Grammatik,    b)  Lateinische  Lantlehre. 


die  Geltung  -{o-  (Bersu  126  f.),  daher  c  für  q{u).  iecinoris  von  iecur  =  "^ieqor 
gr.  fjTtaQ  aus  *jeh^n';   torcultis   torquere  miisculus  aus  *torkulo-  ^mushklO'. 

Anmerkung  1.  Der  für  vapor  lit.  kvapas^  vellere  gr.  riXXia,  ver(ni8  skr.  kfnn\ 
verrere  gr.  taXaoy,  invüus  skr.  keta-  (Bersu  151  f.)  angenommene  Abfall  von  c-  könnte  nur 
durch  die  Mittelstufe  g^-  erklärt  werden.  Der  gleichfalls  früher  angenommene  Abfall  von  c- 
in  uter  unde  ubi  vgl.  ali-cunde  ali-cubi  cubi  Plaut.  Trin.  934  B,  die  man  zu  idg.  •go-  osk. 
putürüS'pid  pu'f  umbr.  pu-fe  gr.  norsQog  stellt,  ist  mit  Bersu  138  abzulehnen.  Brüokann, 
Grundr.  1  S.  323  ist  geneigt,  Vermischung  der  Stämme  u-  qu-  (skr.  kütra)  qo-  anzunehmen. 
Vgl.  jetzt  auch  Kozlovski,  K.  Z.  30,  563  f. 

Anmerkung  2.  Nicht  klar  ist  der  Ausfall  von  \f>  nach  palatalem  c  in  canis  für 
*cuofii8  und  vielleicht  auch  in  caseus  aksl.  kvasü  (Bersu  1^6).  ccdix  :  xvAil  mag  sich 
ähnlich  verhalten  wie  nox  :  vv^  (G.  Meyer,  Gr.  Gr.^  §  61). 

Anmerkung  3.  In  echt  lateinischen  Wörtern  ist  idg.  q  niemals  durch  p-  ver- 
treten, wie  oftmals  angenommen  wurde,  s.  Corssen  1,  115  f.;  It.  Spr.  121  f.,  Schleicher 
§  151,  Anm.  4,  Ascoli,  Vorl.  67  f.,  Jordan,  Krit.  Beitr.  161  f.,  Fröhde.  Bezz.  B.  8,  16a 
(neuerdings  modifiziert  ib.  14,  92),  0.  Weise  25,  Büoge,  Bbzz.  B.  14,  63  f.  Die  dafür  an- 
geführten Beispiele  sind  teils  Lehnwörter  (EpÖna  keltisch,  papina  pcdumbes  oskisch,  poena 
griechisch),  teils  beruhen  sie  auf  falschen  Etymologien  (Bersu  136  f.,  143). 

47.  b.  idg.  Palatalis  g  =  lat.  g,  z.  B.  gnö-  lit.  zinöti,  genu  av.  eanva, 
ago  skr.  djami,  argentum  gr.  aqyrig. 

idg.  Velaris  g  1)  ohne  Labialisierung  =  lat.  g  in  grus  gr.  yäqavoq 
aksl.  zeravif  gelu  aksl.  zUdica]  tego  gr.  athyoq  lit.  stögas;  idg.  Velaris  g 
2)  mit  Labialisierung  =  urit.  gu  =  a)  lat.  gu  (umbr.  h)  nach  f9  in  stinguo 
unguen  vgl.  skr.  tignid-,  umbr.  unten  für  *umben  gr.  äSrjv;  b)  lat.  v  im  Anlaut 
(umbr.-osk.  6,  gr.  i  vor  hellen,  ß  vor  dunklen  Vokalen  und  Konsonanten)  in 
venire  umbr.  benust  osk.  kümbenedgr,  ßaCvcD,  vivos  osk.  bivus  (Nom.  d.  Plur.),  veru 
umbr.  berus  (Dat.-Abl.  Plur.),  -volus  volare  gr.  ßoki^y  valere  lit.  galeti,  -vorus 
gr.  ßoQog;  im  Inlaut  zwischen  Vokalen  avilla  agnus  gr.  äfivog  für  ^aßvog^ ')  nüdiis 
'^no{g)^edO'  got.  naqaps  u.  s.  w.,  uvere  an.  vöJcva;  c)  lat.  g  vor  Konsonanten  in 
glans  gr.  ßaXavog,  gravis  skr.  gurü-Miii  anderen  zweifelhaften  Fällen  bei  Bebsu 
130  f.;  agnus,  migrare  gr.  afieißo).   Zweifelhaft  sind  gula  gurges  gurguUo. 

Anmerkung  1.  Die  früher  von  mir  vertretene  Ansicht,  dass  ind.  g  in  gewissen  Fällen 
=  lat.  b  sei  (neuerdings  sucht  sie  Buggb,  Bezz.  B.  14,  59  f.  zu  verteidigen)  ist  kaum  haltbar. 
boere  und  blaesus  scheinen  griechische  Lehnwörter  zu  sein,^)  bös  (für  lautges.  *rö8)  aus 
einem  anderen  Dialekt  zu  stammen,')  die  anderen  Beispiele  sind  etymologisch  unsicher. 

Anmerkung  2.  Gleichfalls  zweifelhaft  ist,  dass  -rg^-  zu  -rv-  geworden  sei,  wie 
wegen  serrm*)  und  torvus^)  angenommen  wurde;  vgl.  Bersu  142. 

Anmerkung  3.  Regelrecht  ist  vixi  aus  *rtp^M*  neben  vivere  aus  i^i{g)uere.  Von 
derselben  Art  conivere  canixi,  fluere  fluxi  mit  urspr.  media  aspirata.  figere  neben  fiveie 
Paul.  Festi  92,  8,  Bebsu  104  ist  Analogiebildung  nach  fixi,  wie  umgekehrt  struxi  zu 
Btruere  W.  ster-  str-.  Vgl.  auch  conflugae  Liv.  ^dr.  18  Ribb.  I  confluges  nach  conflux 
neben  regelrechtem  fluvius. 

Anmerkung  4.  g  neben  urspr.  k  erscheint  in  einer  Reihe  von  griechischen  Lehn- 
wörtern, z.  B.  gubemator,  gummiy  gobius,  Agrigentum.^)  Umgekehrt  haben  wir  omwia 
gr.  dfiOQyi],  clucidattis  (Naev.)  gr.  yXvxiddeiy,  sjyelunca  gr.  anrjXvy^.  Für  andere  Fälle 
hat  J.  ScBMiDT,  Voc.  2,  350  Anm.  den  richtigen  Gesichtspunkt  der  Erklärung  angedeutet, 
die    Verschiedenheit    der   Bedeutung,    so   gurgulio   Gurgel  und   curculio  Korn  wurm.     Die 


>)  Fröhde,  Bezz.  B.  1,  327.  Vgl.  auch 
aububulcus,  Löwe,  Prodr.  348. 

2)  Bersu,  140  S*  0.  Weise  28. 

3)  W.  Meyer,  K.  Z.  28,  169;  Ascoli, 
Due  rec.  lett.  glott.  16  Anm.,  Bersu,  139, 
Bruomann,  Grundr.  1,  S.  324.  Nach  Fröhde 
Bezz.  B.  14,  92  soll  das  Wort  vom  platten 
Lande  in  die  Stadt  gekommen  sein.  Vgl. 
auch  Thürneysen,  K.  Z.  30,  486  f. 

*)  J.  Schmidt,  Vok.  2,  76. 


">)  Kuhn,  K.  Z.  13,  454. 

^)  Die  zahlreichen  Beispiele  s.  Saalfeld 
D.  Lautgesetze  d.  griech.  Lehnwörter  27  f . 
Sbelmann  346.  Überhaupt  Eigentümlichkeit 
des  Vulgärlateins  nach  W.  Meyer  bei  Gröber, 
Grundr.  d.  rom.  Phil.  1,  365  (32).  Vgl. 
auch  fal.  gonlegium  gondecorant  Zvet.  Inscr. 
It.  med.  70  b;  gragulus,  Varro  1.  1.  5,  10 
neben  gracidus. 


7.  VerschlnsBlante.  (§  47—49.) 


201 


Bchwankenden  Schreibungen  virco  (Dvenosinschrift),  acetat  Paul.  Festi  23,  10  neben  agiiat, 
cracentes  er  actio  Turp.  bei  Non.  116,  13  M.  neben  gracilis,  promulgare  pi'omulcum  Fest. 
224  M.  finden  ihre  Erklärung  aus  der  Verwendung  des  einen  Zeichens  C  für  die  tönende 
und  ionlose  Gutturalis.  neglego  neben  neclegens  Paul.  Festi  162,  12  und  öfter  bei  Plautus 
und  Terentius  nach  neg-otium, 

Anmerkung  5.  In  paciscor  und  pag-  ist  der  Wechsel  der  Tenuis  und  Media  wohl 
schon  indog.    Über  pcuiunt  Scholl  Leg.  XII  tab.  rel.  118.     Vgl.  auch  ping-o  gr.  noixAXog, 

Anmerkung  6.  In  einigen  inlautenden  Lautgruppen  ist  g  aus  k  hervorgegangen, 
worüber  unten  §  65.  2  b  und  3  g. 

Tonlose  und  tönende  Dentalis. 

48.  a.  idg.  t,  anlautend  und  inlautend  =  lat.  t^  z.  B.  tutis  tovos 
gr.  T«(f)o$,  iS'te  gr.  t6,  tendere  gr.  reivcoy  ires  gr.  TQsTgy  termintis  gr.  tt'Qfnov; 
vetus  gr.  fsätogy  pater  gr.  natrjQ,  Septem  gr.  imcc;  in  den  Suffixen  -to  -ti 
"tor  -tero,  gr.  -to  -T«(cy«)  -tcö^,  -rcQQ.  idg.  t  erscheint  infolge  von  Ver- 
schiebung der  Axtikulationsstelle  im  Italischen  als  k  im  Suffix  -klo  = 
idg.  -^fo,9  vgl.  lat.  ptorclur-m  pia-culu-^i  umbr.  piha-klu  (Gen.  Plur.), 
osk.  sakaraklüm,  jedoch  osk.  pestlüm  neben  umb.  persklum;  lat.  -c2o  durch 
Dissimilation  weiter  entwickelt  zu  -crOy  z.  B.  lava-cmm.  Dieselbe  Ver- 
schiebung in  lat.  stU  zu  scU,  vgl.  stlis  sclis  [sclitib  .  .  .  CIL.  10,  1249], 
stlcppus  sclopptis,  ferner  in  anclare  gr.  arrAav,  crepiculum  und  crepitulum 
und  einigen  anderen  von  Osthoff  a.  a.  0.  beigebrachten  Beispielen.^)  Auf 
spätlateinischen  afrikanischen  Inschriften  ist  -tr-  in  -er-  verschoben,^)  vgl. 
päl.  pristafaladrix  sacaracirix  lat.  *prae8tabulatrix  sacratrix,^)  In  latere 
putere  rutilus  neben  gr.  Aa^-  nvd^-  iqvO-qoq  sind  t  und  vf  selbständige 
Wurzeldeterminative;  ^)  patior  und  nux^-  überhaupt  nicht  verwandt.*)  In- 
lautendes d  für  ^  erscheint  in  quadraginta,  quadri-.  Über  die  spätlateinische 
Erscheinung  der  Assibilierung  des  t  vor  i  -\-  Vokal  und  ihre  Analogien 
in  den  übrigen  italischen  Sprachen  vgl.  Corssen  1,  53  flf.,  Krit.  Beitr.  468  flf., 
Seelmann  321  f.  Über  die  Verwechslung  von  -ti-  mit  -e/-,  z.  B.  Bonifadus 
statt  BonifaUtiS  (=  gr.  Evrvxrjg)  auch  Schmitz,  Beitr.  140  f.;  M.  Deloche, 
Extrait  d.  M^m.  d'  TAc.  d.  inscript.  t.  30.    . 

49.  b.  idg.  d  =  lat.  d,  z.  B.  dare  gr.  did(o/iiy  dccem  gr.  6txay  dens 
gr.  oJovgj  deus  divm  gr.  6i{f)ogy  duo  gr.  hom.  rftw,  edere  gr.  W«,  cord-  gr. 
xaqiiUy  oppidum  gr.  ntSov^  videre  gr.  firf-.  Urspr.  d  --  r  infolge  Ver- 
änderung der  Artikulation;^)  wohl  nur  vulgär  und  dialektisch,  a)  im  In- 
laute, z.  B.  maredus  neben  madidus;^)  mendies,  das  schon  Varro  für  *medi' 
dies  erklärte,  ist  wahrscheinlicher  mit  Stowasser^)  von  meri  die  „am  hellen 


0  Vgl.  auch  Immisch,  Leipz.  Stud  8,  311. 

»)  Bbhfäy,  Gott.  g.  A.  1858,  S.  1629; 
BuooB,  K.  Z.  20,  134 f.;  Obthofp,  Forsch. 
1,  1  f.;  Flbchia,  Postilla  sopra  un  fenomeno 
fonetico,  Torino  1871;  Ascoli,  Krit.  Stud. 
127  f.,  144,  407;  Studj  critici  2,  108,  wo 
jedoch  auch  -öro  damit  identifiziert  wird; 
dagegen  Cobssen,  lt.  Spr.  13  f.  Vgl.  jetzt 
auch  Bbuomamit,  Grundriss  2,  S.  112  f. 

')  Vgl.  HoFFMANN,  Dissert.  phil.  Argen- 
toratenses  sei.  I. ;  B^msch,  Berl.  Phil.  Woch.  4, 
1177  f.;  Sbblmamn  312. 

«)  BOcHXLBB,  Rh.  M.  33,  271  f.;  Buoge, 
Altit.  Stud.  65. 

'^)  CuRTius  G.n^35, 420 ;  Corssen,  Beitr.  75. 


•)  J.  Schmidt,  Vok.  1,  94  A. 

^)  SiEYERS  Phonetik  203. 

®)  Löwe,  Prodr.  353.  Andere  Zeugen 
desselben  Wandels  aus  Glossen  bei  Schweizer- 
Sidleb^  Gramm.'*  §  67,  3.  peres  ^^  pedes 
wird  von  Consentius(KEiL,  Gr.  L.  5,  392,  15) 
ausdrücklich  als  Barbarismus  bezeichnet.  Im 
allg.  Seelmann,  310  f.;  so  auch  über  d  =  l. 

»)  Stowasser,  Arch.  f.  lat.  Lex.  1,  273. 
HiNTNER,  Progr.  d.  akad.  Gymn.  in  Wien 
1886  und  Bbeal,  M6ra.  d.  1.  S.  d.  1.  6,  163  f. 
(dazu  Arch.  f.  lat.  Lex.  3,  566)  haben  mich 
nicht  von  der  Richtigkeit  der  älteren  Auf- 
fassung überzeugen  können. 


19 


292 


B.  LateiniBche  Grammatik,    b)  LateiniBche  Lantlehre« 


Tage"  herzuleiten,  woraus  meridies  durch  Hypostase  gebildet  wurde.*) 
Aus  urspr.  *medidies  wäre  *medies  zu  erwarten  (vgl.  Paul.  Pesti  124,  7 
medialis).  b)  im  Auslaute  bei  den  Präpositionen  ar  vgl.  umbr.  arfeHur 
Volks,  ar  osk.  az^  klassisch  nur  in  arhiter  und  arcessere,  apor  neben  ad 
und  apud.  Brugmann,  Grundr.  1  §  369  Anm.  1  sieht  darin  Eindring- 
linge eines  umbrisch-samn.  Dialektes,^)  anders  Thürneysen,  vgl.  die 
Nachträge.  Nicht  von  Belang  John  B.  Bury,  Bezz.  B.  12,  242.  Vgl. 
noch  2>^or  ==  pro{d)  Löwe,  Qloss.  nom.  S.  106.  Den  umgekehrten  Wandel 
zeigt  caduceus,  das  vom  gr.  xagvxeiov  entlehnt  ist.  Noch  häufiger  ist 
der  auf  dem  gleichen  Vorgange  beruhende  Wandel  von  urspr.  d  in  l 
in  folgenden  Fällen:  levir  gr.  iccrjQy  lacruma  alt  dacruma,^)  lingua  alt  dingua^ 
wobei  ohne  Zweifel  auch  volksetymologische  Anlehnung  an  lingere  im 
Spiele  ist*)  (vgl.  lit.  lezüvis  für  *ißuvi-s  nach  leziü  „ich  lecke**,  Brugmann, 
Grundr.  1,  S.  207),  Novensiles  für  Novensides,^)  solium  solea  neben  sedere,^) 
uligo  für  *udigo  neben  udus,  in  den  Eigenamen  auf  -xlius  neben  solchen 
Skuf'tdiiis,  vereinzelt  praesiKum'^)  impelimentum;  sehr  wahrscheinlich  femer 
in  malus  für  ^mäzdo-  ahd.  ma^t^^)  ludtis  für  *daidos  aisl.  teitr  ahd.  eeiz 
„anmutig,  angenehm",^)  vielleicht  auch  in  miles  für  *mizdes  gr.  iiiad^og^ 
mulicr  iHr  "^mudies  gr.  fiv^ao),^^)  larix  ir.  dair,  Zawrws  für  *darvus\^^)  proles 
idg.  *prozdi'  got.  frastsJ-)  In  Ulixes  ist  dieser  Wandel  bereits  auf  griech. 
Sprachboden  volLsogen  worden.*^)  Vgl.  E.  R.  Wharton,  Latin  L  for  D 
Academy  681,  Postgate  Transact.  of  the  Philol.  Soc.  1880—81  p.  335  ff. 
und  anderes,  was  Seelmann,  Neue  phil.  Rundsch.  1886,  S.  189  erwähnt. 
Über  urspr.  l  ^=  d  siehe  §  42.  t  fUr  d  ist  geschrieben  in  dem  Eigennamen 
Hartionius  CIL.  1,  568,  und  in  den  griech.  Cotoneus  neben  Cydonius  gr. 
Kvidvioq,  JEuretice  für  Eurydice,  wahrscheinlich  auch  citrus  neben  xsdQog; 
vgl.  ferner  prän.  CasenterfaJ  Alixentrfos],  CIL.  1,  1501  add.  (59  Ali- 
xentrom)^^)  für  Cassandra  Alexander,  ebenso  Creisita  CIL.  1,  1501  add.  d 
für  t  gelegentlich  auf  vulgären  Inschriften,  z.  B.  quodannis  CIL.  2,  1174 
u.  ö.,  mudavit  ib.  462. 

Über  auslautendes  i  und  d  vgl.  §  69.    Über  d  =  idg.  dh  §  55. 

Gänzlich  verfehlt  ist  R.  Gbossrb,  Sporadische  Laatv«rtretung  des  griech.  d  durch 
lat.  I»,  N.  J.  115,  387  f. 

Tonlose  und  tönende  Labialis. 

50.  a.  idg.  p  =  lat.  p,  z.  B.  pater  gr.  naTi^Q,  potis  gr.  norvia,  pecu 
skr.  pdSu',  pes  gr.  novg;  clepere  gr.  xAt/rTw,  Septem  gr.  imd,  setpere  gr. 
i'qno),     ap'  in  ap-age  ap-erio  (skr.  ar-)^^)   ap-s  (z.  B.  ap-s  te  Plaut.  Men. 


»)  USBNKB.  N.  J.  117,  74. 

''')  Über  ar  =  ad  ausführlich  Scholl, 
Leg.  XII  tab.  rel.  S.  81  ff.;  Priscian  bei  Keil, 
Gr.  L.  2, 35,  7  führt  auch  arger  neben  aggernn. 

*)  Bei  Liv.  Andr.  nach  Paul.  Fksti  08, 
10  M.;  Berok,  Phil.  14,  187. 

'*)  Bechtel,  Dissimilation  u.  s.  w.  21  f. 

^)  Bücheler,  Lex.  It.  XXV.;  Debcke, 
Etrusk.  Forsch.  4.  17  A.  11. 

«)  CüRTius,  G.^  240. 

')  0.  Weise,  Bezz.  B.  5,  79. 

«)  Kluge  K.  Z,  20,  313. 

^)  De  Saussube  Möm.   d.   1.  S.  d.  1.  6, 


75,  Windisch,  Ber.  d.  k.  sächs.  G.  d.  W. 
38,  245. 

'0)  FicK,  Bezz.  B.  1.  03. 

»')  Stockes,  Bezz.  B.  9,  88. 

>2)  Kluge,  K.  Z.  25,  313.  Vgl.  auch 
Feist,  Grundr.  d.  got.  Etym.  37  f. 

^')  Vgl.  die  inschriftlichen  Belege  auf 
attischen  Vasen  bei  Kretzschhbb,  E.  Z.  29, 
430  f. 

*^)  Nicht  durch  etmskischen  Einflnas  sa 
erklären  (G.  Meteb,  H.  Sohuobardt,  Z.  f. 
rom.  Phil.  6,  620). 

>^)  BBUOMAm,  G'  ^   >f  488, 


7.  VerscliliuiBlante.  (§  50—51.) 


293 


264  und  nicht  selten  in  der  Zusammensetzung),  worin  -s  das  Genetiv- 
Ablativ-Suffix,  >)  gr.  nno;  op-  z.  B.  op-secro  Plaut.  Rud.  1032,  op-stiterit 
Capt.  801  B,  op'trudere  Pseud.  945,  gr.  im;  sup-  in  sup-sterne  Ter.  Andria 
4,  3,  12,  sup-ra  sup-er  gr.  vno.^)  Die  gewöhnlichen  Formen  ab  ob  sub 
sind  vor  tönenden  Lauten  entsprungen  und  verallgemeinert  worden,  af, 
vor  c  l  m  s  sp  V  auf  Inschriften  der  Republik  {af  Capua  Clli.  1  551  v. 
J.  132  ist  das  älteste  Beispiel)  und  der  Kaiserzeit  erscheinend,^)  ist  nur 
eine  volkstümliche,  vielleicht  durch  Nachbarmundarten  beeinflusste  Form.^) 
Von  ab  af  abs  zu  trennen  sind  ü  =  westgerm.  o-  in  nominalen  Zusammen- 
setzungen, z.  B.  a-werf,  ved.  a  mit  Abi.  „von— her"  Whitney  §  293c,*)  und  au-, 
skr.  dva.  Die  enklitische  Form  von  ab isti>o-  in  po~liopO'Sittis,porcet  ^po^arcet^) 
Wechsel  zwischen  Tenuis  und  Media  im  Wurzelauslaut  in  scapres  scabo,  sapio 
skr.  sabar-,  wobei  die  Tenuis  als  ältere  Artikulation  zu  gelten  hat;^)  zu  letz- 
terem vielleicht  auch  persfbus  (=  *-sebiis)  gehörig.  Vgl.  ferner  scapus  scapula 
scabellum.  Durch  Assimilation  erklären  sich  bibo  für  *pibo  neben  potiis  skr.  pi- 
bämi,  Boblicola^)  neben  Poplicola,  sofern  nicht  beide  wiepopUcus  und  publicus 
auf  verschiedenen  Ursprung  zurückgehen,  vgl.  §  35,  endlich  propom  CIL. 
1,  19.  Da  in  altlateinischer  Sprache  auch  griechische  mit  n  an-  und  in- 
lautende Wörter  mit  b  geschrieben  werden,  so  Burrus  burrtis  {birrus  Löwe, 
Prodr.  82)  buxum  carbasus  neben  Ilv^^og  nv^^og  rtv^og  xccQiiacfog  skr.  kar- 
posa^,  so  liegt  der  Grund  dieses  Schwankens  zweifellos  in  der  nicht  deut- 
lich geschiedenen  Aussprache  der  tönenden  und  tonlosen  Verschlusslaute. 
Damit  vergleiche  man  das  Fehlen  der  Buchstabenzeichen  für  die  tönenden 
Verschlusslaute  in  der  etruskischen  und  für  d  g  in  der  altumbrischen 
Sprache.  Indog.  p  ist  durch  q  reflektiert  in  quinqe,  gr.  nävrs  urit.  *kuenkue 
idg.  *pef9qe,  coquo  urit.  *k^ek^ö  idg.  *peqö,  gr.  näaaw.  Diese  unregel- 
mässige Lautvertretung  erklärt  sich  durch  Assimilation  des  anlautenden 
Konsonanten  der  ersten  Silbe  an  den  der  zweiten.®)     Vgl.  §  46. 

51.  b.  idg.  b  =  lat.  &,  in  einer  sehr  beschränkten  Zahl  von  Beispielen 
überhaupt  nur  nachweisbar,  so  baculum  gr.  ßdxTQov,  balbus  gx.  ßdgßaQog,  brevis 
gr.  ßqctxvg  (?)  vgl.  den  Nachtrag  zu  S.  303  Anm.  17,  lubricus  goi,sliupany  labium 
für  Hebium  nach  lambere  ags.  lippa,^^)  bücina skr.  buk-kära-  „das  Brüllen  des 
Löwen*  dks,bucati,^^)  scabo  lit.  skabüs  „schneidend*.  Über  b  =  urspr.  d^ 
siehe  §  63 ;  über  b  als  Vertreter  von  idg.  bh,  dh  im  Inlaute  den  folgenden 
Abschnitt.  Vereinzelt  ist  gr.  ß  durch  p  wiedergegeben,  so  Canopm  neben 
Kttvaoßog;   wahrscheinlich   auch    triumpe  triumphus   neben   gr.   x/Qiafißog.^^) 


^)  Bbüomann,  Ber.  d.  kgl.  sächs.  6.  d. 
W.  1883.  189  f. 

')  UM-  neben  aubs-  zu  erschliessen  aas 
suremü  sümpsit  Paul.  Festi  299,  2  (oder 
Analogiebildung  nach  dvr-imo?);  sursum  nur 
aus  *8U8üor8um  zu  erklären  (aber  wahr- 
scheinlicher nach  rursum  gebildet) 

')  ColtssEN  1,  157,  Jobdan,  Erit.  Beitr. 
312,  Gboboxs,  Lex.  d.  lat.  Wortf.  s.  v. 

*)  Vgl.  fibrigens  Cobssen  1,  152  f., 
BuooB  bei  Ducke,  Etnisk.  Forsch.  4,  115. 
AUiffdauDi  pftL  afded  kann  man  nach  Paulis 

jen  Altit.  Stud.  5,  119 
«nfBhren. 


»)  J.  Schmidt,  K.  Z.  26,41f.,  Fböhdb,  Bezz. 
B.  7,  327. 

«)  OsTHOFP,  M.  ü.  4,  340  f.,   Z.  G.  d. 
P.  25,  611. 

')  Brüomaiw,  Grundriss  1,  §  469, 7  u.  328. 

8)  Cobssen  1,  127. 

•)  CuBTius,  G.*465;  Bbugmann,Tbchmbb'8, 
Int.  Z.  1  233 ;  anders  Osthoff  M.  ü.  1 94, 234. 

•°)  Kluge  s.  v.  »Lippe*. 

**)  Bruomann,  Grundriss  1,  S.  267.   ün-. 
richtig  behauptet  Pauli,  Altit.  Stud.  4,  34, 
in  acht  lateinischen  WOrtem  sei  b  kein  ur- 
sprünglicher Anlaut 


igjicni 
>^  0. 


Weise  18. 


294  ^*  LateiniBche  Grammatik,    b)  Lateinische  Lantlehre. 

Im  zweiten  Jahrhundert  nach  Christus  tritt  zuerst  v  für  inlautendes  b  in  der 
Schrift  ein;*)  vereinzelt  CIL.  1  1063  libertav[us]  auf  einer  chronologisch  nicht 
genau  fixierbaren  Inschrift  (von  Corssen  übersehen,  von  Brambach  Neug. 
238  bald  nach  der  augusteischen  Zeit  gesetzt).  In  den  Handschriften  von 
Varro  1.  1.  viel  häufiger  Savinus  als  Sabinus.  Dieser  Vorgang  in  der  Schrift 
bedeutet  Übergang  des  tönenden  Verschlusslautes  b  in  die  tönende  Spirans  |t;, 
der  also  im  2.  Jahrhundert  n.  Chr.  begann;  vgl.  Corssen,  1  131;  Schuchabdt, 
Vok.  1,  131 ;  3,  39;  W.  Meyer  bei  Gröber,  Grundr.  d.  rom.  Phil.  1,  362  (21). 

Anmerkung.  In  dem  archaischen  Melerpanta  {Bellerophantes)  CIL.  1,  60  ist  gr.  ß 
durch  m  wiedergegeben.'')  promoscis  volksetymologisch  angelehnt  an  promere  und  os, 
vgl.  Schmitz^  Beitr.  137  f.  und  Stolz,  Lat.  Nominalkomposition  34. 

Idg.  Aspiratae  im  Lateinischen..  3) 

52.  idg.  gÄ  «)  =  lat.  h  im  An-  und  Inlaute  zwischen  Vokalen.  Mems 
skr.  himd^  gr.  xHiim\  humus  gr.  xctiiai\  helus  holus  aksl.  zelije  (daneben 
folus  Paul.  Fest.  84),  hira  skr.  Atra-  lit.  garna  (daneben  farioluß),*)  anser 
für  *hanser  lit.  iasts,^)  {h)ir^)  gr.  x^^Q  skr.  har-,  trahere  ksl.  trezati,  veho 
ksl.  vcza,  meio  fiir  *meiho  skr.  mih-  gr.  ofiix^Tv,  aio  für  *aA|ö  skr.  dha 
(3  Sgl.  perf.),  vielleicht  auch  gr.  rjxccvevy  wie  via  *veia  für  *vehia  ^veghia-  W. 
tjegh'  lat.  veho  gr.  oxog,  (gegen  diese  Ableitung  Thurneysen,  K.  Z.  30, 
499),  wogegen  agis'^)  wahrscheinlich  für  ajis  steht;  übrigens  beweisen 
adagiuni,  nego  auch  nichts  dagegen,  sie  sind  nach  dem  ursprünglich  voraus- 
zusetzenden *agmi  für  *a^Ämi  gebildet,  wie  niagis  nach  magnus;  lien  für  *lihefi 
*splehen  aksl.  slezena  lit.  bluznis,  vgl.  auch  tragula  neben  trah4x  „Schleife.* 

ß)  =  lat.  g  nach  t9  in  ango  gr.  «yy«,  mingo,  fingo  got.  deigan  gr. 
teixog  idg.  *dheigh'.^)  Regelrecht  auch  axare  zu  agh-,  y)  Schwerlich  ab- 
zuläugnen  ist  der  Zusammenhang  von  fundere  got.  giutan  gv.  x^'^i^)  viel- 
leicht doch  auch  fei  x^^^^  aksl.  ilüci  (J.  Schmidt,  K.  Z.  25,  133,  Kluge 
s.  V.  „Galle");  hieher  auch  */a?i-,  wovon  Falisci,  gr.  x^^^  „ungemischter 
Wein*"  nach  0.  Schrader,  K.  Z.  30,  484  f.  Ein  Erklärungsversuch  dieses 
singulären  Lautwandels  bei  Brugmann,  Grundr.  1,  §  389  Anm.  Über  das 
Nebeneinander  von  h  und  f  siehe  unten. 

53.  idg.  gÄ  1)  ohne  Labialisierung  =  lat.  h  in  hostis  (fosHs)  got. 
gasts  aksl.  gosü,  pre-hend-o  gr.  x^'^^-^'^^l  =  lat.  g  vor  r  in  gradior  got. 
grips  aksl.  greda,  vielleicht  auch  grä-tus.  2)  Mit  Labialisierung  =  lat.  f 
im  Anlaute  in  formus  &epfi6g  skr.  gharmd-,  fomus  skr.  ghrnd-,  fer  gr.  ^ly^; 
/rio  gr.  x^''^;  =  'ßt.  6  (aus  f  verschoben)  im  Inlaute  vor  r  in  lanuv.  nebrun- 
dines  praen.  nefrones  gr.  vsipQog  ahd.  nioro  Grdf.  *neghrö-;  =  lat.  (/m  nach  f? 
anguis  skr.  dÄf-  lit.  angi-s,  ninguit^^)  gr.  veiifsi  lit.  sni^fi  W.  snejfgA-^  ^m- 


>)  Corssen  1,  131. 

*)  Jobdan's  AfeXXBgoq>aytfjg  (Kr.  Beitr. 
47)  ist  eine  unhaltbare  Voraussetzung. 

»)  Grassmann,  K.  Z.  12,  81  f.;  Ebel  ib. 
13,  261  f.;  AscoLi  ib.  17,  241  f.  u.  18,  417  f. 
=  Studj  critici  2,  108  f.;  Vorlesungen  118 f. 
Dagegen  Corssen  1,  802  f.,  K.  Z.  19.  190  f. 
Femer  vgl.  Schmitz,    Beitr.  JlOf,   Collitz, 


*)  Keller,  N.  J.  87,  S.  766. 

«)  Löwe,  Prodr.  328  f. 

')  ib.  366. 

8)  Kluge,  Et.  W.  s.  v.  .Teig",  Brug- 
mann, Grundr.  1  §  395. 

®)  Osthoff,  M.  U.  4,  99  läugnet  diesen 
Wandel ;  vgl.  auch  0.  Danielbson  in  Pauli. 
Altit  Stud.  3,  144  Anm. 


Bezz.    B.   3,    177  f.,    jetzt  auch   Brugmann,  >  ^^)  Dies  ist  die  für  die  ältere  Zeit  nach- 

Grundr.  1,  §  383,  389,  422,  423,  430,  433.  \  weisbare  Form,   ningü  analogische  Nenbil- 

*)  Vgl.  jedoch  auch  Kluge   Et.   W.   s.  |  düng,  vgl.  Bersu  103  f. 

V.  .Garn".  1 


7.  VerflchliuiBlante.  (§52-55.) 


295 


guis  für  *penguis  Tiaxvg;^)  =  lat.  v  zwischen  Vokalen  in  nivis  für  *niguis 
{ningues  Lucret.  6,  736  Neubildung),  co-niveo  got.  hneivan  W.  kneigh-;  üva 
lit.  uga.  Dagegen  unklar  der  Zusammenhang  von  levis  eXaxvg,  brevis  ßgaxvg. 
Wechsel  von  h  und  f  im  Anlaute,  ohne  dass  die  ursprüngliche  Natur 
der  Aspirata  genauer  bestimmt  werden  kann,  zeigen  noch  manche,  zum  Teil 
nicht  vollständig  sichere  Beispiele,^)  so  faedus  haedus  aedus,  fostia  hostia, 
fordeum  hordeum;  vgl.  Paul.  Festi  2,  6;  84,  5;  102,  12;  103,  8  M. 

64.  idg.  bh  =  lat.  f  im  Anlaute:  fari  gr.  (pr]fii\  fui  gr.  yv«, 
fagus  gr.  (prjyogj  fh'O  für  gr.  (f€Q(ü  (pcig^  farcio  gr.  ypa<r<rü),  folium  gr.  (fvXXov, 
idg.  hh  =  lat.  h  im  Inlaute  (umbr.  o^.  f):  ambo  gr.  afi^o},  amb-itus 
osk.  amfr-etf  orbus  gr.  o^yarog,  umbilicus  ofifpalogy  nubes  v€(pog,  sibi  osk. 
sifci,  mor-bus  Suffix  -feAo-  (Brugmann,  Qrundriss  2  S.  204).  Im  Anlaute 
wechselt  h  mit  Z*:^)  hordus  fordtis,  haba  faba,  hebris  febris,  horreum  farreum^ 
herba  forbea,  hilum  filum,  hanulum  fanum,  harena  sab.  fasena.  Die  Er- 
klärung dieses  Wechsels  wird  später  im  Zusammenhange  mit  ähnlichen 
Erscheinungen  in  der  Vertretung  der  beiden  anderen  indogermanischen 
Aspiraten  gegeben  werden,  f  als  Vertreter  von  idg.  bh  im  Inlaute  in 
amfractus  neben  regelrechtem  ambrices  ist  durch  die  Anlehnung  an  frangere 
zu  erklären;^)  scrofa  sifilus  (neben  regelrechtem  sibilus),  sifilare  (von  Nonius 
531,  2  M.  mit  „vilitas''  charakterisiert),  tofus,  dazu  aus  Glossen  crefrat 
{cribr{U)y  Mulcifer,  buftis,^)  sind  trotz  Cobssen^)  aus  italischen  Dialekten 
entlehnt.  So  auch  Ascoli,  Sprach w.  Briefe  83  f.;  vgl.  auch  Bücheler, 
Rh.  M.  42,  584  f.  mihi  (älter  mihe  CIL.  1  1 049),  umbr.  mehe  ist  nicht  aus 
*fnibhi  zu  erklären;  vielmehr  lässt  der  Vergleich  mit  skr.  mdhyam  (neben 
tübhyam)  bereits  eine  voritalische  Grundform  ohne  die  labiale  Aspirata  er- 
kennen (wahrscheinlich  gh,  wie  in  skr.  ahdm,  vgl.  Brugmann,  Grundr.  1  §  389). 

65.  idg.  dh  =  lat.  f  im  Anlaute:  faber  lit.  dabinü  aksl.  dobrW^), 
facere  gr.  ti-d'rj'fAi,  sufflre  gr.  &vü),  felare  femina  gr.  ^ijat^m,  fortis  (altlat. 
forctus)  skr.  drdhd-,^)  =  b  (aus  f)  im  Inlaut  vor  und  nach  r^)  in  barba 
(für  *farba  vielleicht  mit  Assimilation  des  anlautenden  f)  ahd.  bart  abulg. 
brada  Grdf.  *bhardha-^  combret-um  „ Binsenart **  lit.  szvendrai  pl.  „eine  Art 
Schilf  oder  Rohr"  Grdf.  *k^endhrO',^^)  rubro-  gr.  igvd-Qog  skr.  rudhird-. 
glaber  aus  ^gladhro-  oder  *gbdhro-  ahd.  glat,  Über  osk.  lüvfreis  gr.  iXev^ 
d-sQog,  über  gr.  ovd-ag  skr.  üdhar,  hingegen  arduos  idg.  "^fdliuö-  wegen  -dhu-, 
Suffix  'brO'  gr.  -^po-  europ.  ^-dhro-;  vor  l  in  Suflf.  -bulo-  -bula-  ital.  -flo- 
'fla-  gr.  'd-Xo'  europ.  *'dhlO'  z.  B.  stabulum  ixmhv.  stafla-^em;  -bili'  umbr. 
'feie  z.  B.  fagefele  (überliefert  fagefete);  nach  m  in  lumbus  anord.  Und 
ahd.  lenti  idg.  *lomdhos,^^)  =  lat.  d  im  Inlaute  (ausser  den  angegebenen 
Fällen)  (osk.  umbr.  f):  medius  skr.  mädhya-  osk.  mefiat,  aedes  gr.  oTiJ^cö, 
gaudere  gr.  yrj&to)    (für   *ya/?u^«w),  vidutis  gr.  r/^sog  skr.  vidhdva-,  credo  für 


*)  Anders  Fick  1,  155. 
3)  CoBSSBN  1,  158;  Bbbsü  131. 
*)  CoBSSEN  1,  102;  Bersu  131. 
^)  BOcHBLEB,  Lex.  It.  IV;  de  Saussube, 
Mto.  17erkläit  es  aus  *am'8r<icfiM. 
*)  Löwe,  Prodr.  421  f. 
•)  Beitr.  194  f. 
')  Fick,  Ei  W.  1,  633,  Vani  ek»  130; 


Bbuomann,  Grundr.  2  S.  200  stellt  das  Wort 
mit  gr.  Tc&fÄog  zusammen. 

^)  De  Saussüre,  M^m.  15. 

»)  Osthopf,  M.  U.  .4.  199;  Z.  G.  d.  P. 
534,  Jenaer  Lit.  1878,  S.  486. 

^^)  Bezz.  B.  6,  237;  Bbüomanh,  Grundr. 
1,  §  370. 

>•)  Osthoff.  Z.  G.  d.  P.  534. 


X 

X» 

f 

l> 

h  g 

f 

f 

f 

— 

gv,  V,  b 

h 

d  h 

296  B.  Lateiniflche  Grammatik,    b)  LateiniBche  Lantlehre. 

*cred'dho  ^crez-do  skr.  Sraddddhann,  inde  gr.  iv&a  vgl.  skr.  ddha,  iubere 
wegen  iussi  aus  Hud^i  (Etymon  unsicher),  h  im  Wechsel  mit  f  im  Anlaute 
ist  sehr  unsicher,  vielleicht  in  forctus  horctus;^)  die  Erklärung  siehe  unten. 
rufus^)  neben  regelrechtem  ruber  ist  wieder  durch  umbrisch-sabinischen 
Einfluss  zu  erklären,  mufrius  von  Bücheler,  Rh.  M.  39,  426  mit  gr.  fivd^- 
zusammengestellt  und  für  alt  und  volkstümlich  erklärt,  kann  ebenfalls 
nur  Produkt  der  Dialektmischung  sein,'  wie  oben  sifilus  u.  s.  w.  Ufens 
Aufidus  sind  oskische  Worte. 

Anmerkung,  infimus  skr.  ddhama-,  hat  regelwidriges  f,  ebenso  inferus  skr. 
ädhara-  got.  undar;  eine  nicht  allzu  sichere  Vermutung  über  die  Herkunft  des  f  (infimus 
aus  *tn  fumo  —  in  humo)  bei  Bbugmann,  Grundr.  1,  §  389  Anm.  Nach  Ascoli,  Sprachw. 
Briefe  83  hat  die  scheinbare  Komposition  die  regelrechte  Lautgestaltung  von  infero-  ge- 
hindert. imu8  Grdf.  *tidhm6'  vgl.  primus  aus  ^pris-mo  (nach  Schwbizbb-Sidlbb,  Gramm.' 
§  148  =  *insmus\  nach  d'Abbois  de  Jübainvillb  M^ra.  d.  1.  S.  d.  1.  6,  56  =  *fc-mo  ir. 
ichtar  „partie  inferieur"^  dafür  auch  Bbugmann,  Grundriss  2,  S.  158).    Vgl.  die  Nachtrftgc. 

56.  Für  die  Vertretung  der  idg.  mediae  aspiratae  im  Lateinischen 
ergibt  sich  nach  dem  Gesagten  folgende  Übersicht: 

idg.  gh  g/*  bh  dh 

urit.  X 

,  ,     (  anl.  h  if?) 
\  ml.      h  g 

Die  idg.  med.  asp.  waren  bereits  im  Uritalischen  durch  die  Mittel- 
stufen von  tenues  asp.  und  tonlosen  Aifrikaten  zu  tonlosen  Spiranten  ge- 
worden, 3)  wie  wir  mit  Ascoli,  dessen  Darstellung  der  vorliegenden  Frage 
uns  massgebend  erscheint,  annehmen.^)  Die  tonlosen  Spiranten  lat.  h  =^ 
idg.  gh  und  gÄ  und  f  =  idg.  {gh?)  gA  mit  Labialisierung  (ausgenommen 
nur  urit.  x^r-  =  lat.  gr-)  bh  und  dh  verblieben  im  Anlaute  intakt.  Nur  h 
fiel  wegen  seiner  schwachen  Artikulation  gelegentlich  gänzlich  weg,  z.  B. 
anscr  (vielleicht  zunächst  dialektische  oder  vulgäre  Eigentümlichkeit). 
Sicher  dialektisch  ist  der  Wechsel  von  h  und  f  im  Anlaute  in  den  oben 
angegebenen  Fällen,  die  allen  vier  Explosivreihen  anzugehören  scheinen, 
worüber  zuletzt  ausführlich  gehandelt  hat  Ascoli,  Due  rec.  lett.  glott.  1  ß. 
=  Sprachw.  Briefe  80  flf.  Vgl.  dazu  die  Wiedergabe  von  gr.  spir.  asper 
durch  F  bez.  C  in  prän.  Felena  Fercles  CIL.  1,  1501  add.,  1500,  ferner  prän. 
Foratia  Schneider  200  neben  lat.  Horatia  und  das  gleiche  Schwanken  zwischen 
A  und  f  im  Etruskischen  (Pauli,  Etrusk.  Stud.  1,  14  und  Altit.  Stud.  4, 
111  f.).  Im  Inlaut  wurden  die  tonlosen  Spiranten  zu  den  entsprechenden 
Medien  verschoben;  weiter  schwand  intervokalisches  A  =  idg.  ^A,'^)  intervok. 
gv  =  idg.  gA  mit  Labialisierung  ward  zu  v,  inlautendes  urit.  ^  =  idg.  dh 
nach  der  Natur  der  umgebenden  Laute  zu  d  oder  b. 

Die  aus  idg.  med.  asp.  hervorgegangenen  lat.  b  d  g  erfuhren  in  Kon- 
sonantengruppen dieselbe  Behandlung  wie  idg.  b  d  g. 

ADmerkung.  Die  Bezeichnung  des  f  durch  FH  in  FHEFHAKED  (Fibel  von 
Palestrina,  vgl.  §  2)  ist  wohl  gewählt,  um  die  Tonlosigkeit  der  Aussprache  zu  kennzeichnen. 

57.  Idg.    tenues  aspiratae   sind  nachzuweisen  in  scelas  skr.  skhdlati 


')  Paul.  Fest.  84;  Bbbsü  131. 
•2)  CoBSSBN.  Beitr.  198. 
^)  Über  letzteren   Übergang  6.  Meyer, 
Gr.  ür.2,  §  210. 

*)  CuRTiüs,  G.*  424.    Jetzt  auch  Bbug- 


MANN,  Grundr.  1,  §  509. 

^)  Osthoff,  P.-B.  Br.  13,  395-  laset  es 
uaentechieden,  ob  *ahiq  oder  *agiq  anzu- 
setzen sei. 


7.  VersohliuiBlante.  (§  56-57.)    8.  Spiranten  (Beibelante).  (§  58—59.)       297 

gr.  cftpaXXofiai  W.  sqheU,  sclndo  caedo  skr.  chinddmi  gr.  «rx'?*)  got.  skäi- 
dan  W.  sqhaid-,  calx  gr.  x^^^S  j  wenn  nicht  ersteres  ein  Lehnwort  ist; 
cangius  skr.  iaf9khd'  gr.  xoyxog,  unguis  skr.  nakhd-  gr.  ovv^  (vgl.  jedoch 
auch  Feist,  Grundz.  d.  got.  Etym.  .82);  habeo  got.  habdiff  W.  ^khahh-; 
im  Suffix  der  2.  Sgl.  perf.  -M  gr.  -t>-a-  skr.  -tt-a  idg.  -th-a^)  Über  altlat. 
a^i»a,  das  Kluge  und  6.  Meyer  wegen  gr.  äxvij  mit  qh  ansetzen,  vgl.  jetzt 
Feist,  Grundr.  d.  got.  Etym.  2  s.  v.   „ahana**. 


8.  Spiranten  (Reibelaute). 

Der  palatale  Spirant. 

58.  Während  anlautendes  idg.  Jod  eine  doppelte  Geltung  hatte,  ent- 
weder konsonantische  oder  halbvokalische,  die  deutlich  noch  erkennbar  ist 
durch  die  verschiedenen  Vertreter  desselben  im  Griechischen  (spir.  asper 
bez.  lenis  und  C)')  und  Albanesischen  ^)  sind  im  Lateinischen  beide  Laute 
zusammengefallen,  idg.  i  =  gr.  spir.  asper:  iecur  gr.  rjnaQ  skr.  ydkrt^, 
iunitrices  gr.  dvdrsQeg  skr.  ydtar-,  idg.  j  =  gr.  f :  iugum  lungere  gr.  ^vyov 
skr.  yuj-,  ius  gr.  f  i/t>?,  skr.  i/üSa-.  j  und  i  nebeneinander  in  jugerc  und 
iugerc  (vom  Schreien  des  Hühnergeiers),  aber  gr.  ivyri  für  *pivpj  wegen 
dßiifxTov  Hes.  Die  Beispiele  für  spätlateinisches  z  statt  /,  z.  B.  Zanuari 
IRN.  1622,  ZovXiae  GIG  6710,  bei  Corssen  1  309,  ebenso  für  den  umge- 
kehrten Fall;  Seelmann  233.  In  ahmeus  ist  nicht  h  =  ?,  sondern  Tren- 
nungszeichen (vgl.  umbr.  stahu  pihafi).    Über  lat.  i  im  Inlaute   vgl.  §  14. 

Der  dentale  Spirant  s. 

69.  1.  idg.  s  (tonlos)  =  lat.  s  im  Anlaute  und  im  Inlaute  vor  ton- 
losen Yerschlusslauten  und  nach  Konsonanten :  serere  gr.  l't,iiu  (für  *aiai^^u), 
sus  gr.  vg,  sequi  gr.  i'neaO^ai^  senex  gr.  i'vog^  sent"  gr.  a-  in  ana^  Grdf. 
*5w-,  suus  sovos  Grdf.  *sevos  gr.  i{f^)og,  stare  gr.  cttö-  airj-^  scdbo  got.  skaban, 
castus  skr.  H^id-,  vestis  gr.  psa-  skr.  vas-,  est  gr.  fcrT/,  gcs-tus  (neben  ger-) 
gr.  ßaavd^siVy  quisquiliue  gr.  xoaxvXfiara;  dexter  gr.  Se^iog,  luxus  gr.  Aofo^; 
ensis  skr.  a5^-,  mensis  gr.  /i^jV  äol.  Gen.  firjvvog  {vv  =  rcr). 

2.  idg.  5  =  lat.  r  im  Inlaute  zwischen  Vokalen,*)  in  diesem  Falle 
bereits  italisch  z  (Brugmann,  Grundr.  1,  §  567),  und  vor  v,  g.  Aus  älterer 
Zeit  sind  namentlich  bei  Festus  und  Varro  noch  manche  Beispiele  von 
erhaltenem  s  überliefert,  die  man  bei  Walter  p.  4,  Jordan  134,  Corssen 
1,  229  gesammelt  findet;  arbosem  (Paul.  Fest.  15),  helusa  (100),  pignosa 
(213),  fesias  (86),  dasi  (63),  vgl.  ausserdem  ib.  264,  Varro  1.  1.  7,  27  Sp., 
Vel.  Long,  bei  Keil,  Gr.  L.  7,  73,  8,   Löwe,   Arch.  f.  lat.  Lex.  1,  28   esa 


')  Klugb.  K.  Z.  26,  88  f.;  Bbüomanh, 
Grundr.  1  §  553;  G.  Meybb,  Gr.  Gr.«  §  203. 
Über  habere  urteüt  anders  Ascoli,  Sprach w. 
Briefe  S.  92. 

')  G.  Schulze,  Über  das  Verhältnis  des 
-C  zu  den  entsprechenden  Lauten  der  ver- 
wandten Sprachen,  Göttingen  1867.  Anders 
aber  gewiss  unrichtig  Havet,  M^m.  d.  1.  S. 
d.  I.  6,  325;  vgl.  auch  Hbugmann,  Grundr.  1, 

^  G.   Mktkb,    Phil.  Abb.  z.   70.     Ge- 


burtstag Hbbtz*s  S.  87  Anm.  1. 

*)  Louis  Gaussin,  Möm.  d.  1.  S.  d.  1. 
1,  126  f.;  Walteb,  Rhotacism  in  the  old  ita- 
lian  languages  and  the  exceptions,  Leipzig 
1877 ;  Jobdan,  Krit.  Beitr.  89- 166 ;  G.  Meybb, 
Zeitschr.  f.  d.  Ost.  Gymn.  1880,  S.  120.  R. 
Seymoub  Conway,  Yemers  Law  in  Italy, 
London  1887.  Ciavabelli,  Sulla  cons.  con- 
tinua  S  nelle  lingue  europee,  Napoli  ist  mir 
nicht  zu  Gesicht  gekommen. 


298 


B.  Lateinuiche  Grammatik,    b)  Lateinische  Lantlehre. 


domna,  ders.  Act.  soc.  phil.  Lips.  2,  473  f.;  inschr.  Loses  CIL.  1  28.  Am 
auffälligsten  zeigt  sich  dieses  Lautgesetz  in  Fällen  wie  gero  gcstum,  nefa- 
rius  nefas,  funeris  funestus ;  im  Suffix  des  gen.  plur.  -rum  =  urspr.  ~sum 
(osk.  -zum);  in  der  Zusammensetzung  dir-imo  neben  dis-tineo.  Vor  v: 
furvus  neben  fuscus  (oder  =  *fursvus?),^)  Minerva  für  *Menezva  gr.  fiävog^ 
larva  Has-va  zu  Ldses,^)  aber  nicht  lavema  mit  Götz,  Ind.  schol.  aest.  Jenens. 

1887  s.  vm. 

Anmerkung.  Dass  •8n-  =  'm'  geworden  sei,  ist  zum  mindesten  fraglich,  vetemus 
kann  von  veter-  abgeleitet  sein'),  der  Zusammenhang  von  vema  mit  Ves-ta  skr.  vfis-  ist 
nicht  sicher;^)  diumtts  ist  trotz  qtiamditAS  tamdius  Schxjchabdt,  Vok.  3,  282  Analogie- 
bildung nach  noctttr-ntis;  fraglich  ist  caverna,  das  freilich  von  einem  Nomen  *cavo8  *caves 
herzukommen  scheint.  Das  späte  modernus  wird  wohl  auch  nicht  in  Betracht  kommen. 
Jedesfalls  müsste  diese  Behandlung  der  Lantgruppe  -sn-  =  -m-  chronologisch  jünger 
sein  als  die  gewöhnliche,  z.  B.  in  cänus  =  ^cas-nO',  Casmena{e)  Fest.  205,  14  Camena 
skr.  idsman'  ist  etymologisch  zu  trennen  von  carmeUt  welches  nach  Bebsu,  Die  Gutt 
S.  174  zu  gr.  xij^'vl  skr.  käru-  „Lobsänger  Dichter"  gehört*) 

3.  idg.  0  (tönend)  =  lat.  r  in  mergo  (idg.  »we-erg-  oder  mezgh');  idg. 
-jsrdÄ-  =  ^st-  vielleicht  in  hasta  got.  gazds  =  Grdf.  *ghazdha.^)  Über  crBdo 
aus  Hrezdo  idg.  *kred  dhs-  Brugmann,  Grundr.  1,  §  507  und  521.  ardere 
volsk.  aso  ist  von  ardiis  (=  aridus)  abgeleitet,  lat.  z  in  inlautenden  Kon- 
sonantengruppen s.  §  64,  65. 

Anmerkung.  Ein  sonantisches  z  (z)  sucht  Thubnetsbn,  K.  Z.  30,  351  ff.  nach- 
zuweisen. 

4.  Nach  Erlöschen  des  unter  2)  erwähnten  Lautgesetzes  ist  s  im  In- 
laute zwischen  zwei  Vokalen,  wenn  der  vorausgehende  lang  war,  oft  aus 
Reduktion  von  ss  hervorgegangen,  welch  letztere  Schreibung  häufig  genug 
bezeugt  ist,  z.  B.  quaesso  IRN.  6482,  caussa  CIL.  1  575  Mon.  Ancyr.  III  1,') 
accussasse  CIL.  1  206,  120,  crissare  und  crisare,  und  zu  Ciceros  Zeit  nach 
Quintilian  1,  7,  20  noch  die  allgemein  übliche  war.  So  sind  die  Perfekta 
auf  'Si  aus  solchen  auf  -5si  hervorgegangen,  misi  aus  missi  *mtt'Si^  missit 
CIL.  1,  1012,  stmsi  ^suad-si,  haesi  *haes-si;  so  die  Part.  Perf.  bez.  Supina, 
wie  ausus  aus  aussus  (vgl.  d.  a.  St.  a.  Marius  Vict.)  [atis^imne  Plaut. 
Merc.  301  A];  [cljaussum  Mon.  Ancyr.  II  42;  essum  (aber  schon  idg.  *i^d^t(h 
Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  147)  und  Ableitungen  bei  Plautus  an  nicht  wenigen  Stellen; 
ossor  Plaut.  Poen.  Arg.  2  CDZ;  ussurae  Plaut.  Trin.  181,  visso  Pseud.  1063; 
-ÖSW5  aus  häufig  bezeugtem  -ossvs  -onsus  (häufiger  nur  formonsus) ,  worüber 
jetzt  ausführlich  Schönwerth-Weymann,  Arch.  f.  lat.  Lex.  5,  192  flf.;  über 
die  Ableitung  §  45.  An  einzelnen  Wörtern  erwähne  ich :  quasi  für  *quamsi, 
qaansei  CIL.  1,  200,  27,  quasilltis  für  *quassiUtis  von  qualus  aus  "^quat-slo^ 
gr.  xd&og  '  anvQig  Hesych.,^)  ca^a  neben  cassis^  suasum  {sordes)  got.  svarts, 


^)  fiisvus  (Keil,  Gramm.  Lat.  7, 13)  ist  nur 
Konjektur  Futschb's  (Jobdan,  Krit.  Beitr. 
358).  An  dem  Verhältnis  von  fur-vus  und 
fu8-c^i8  wird  dadurch  nichts  geändert. 

*)  Jobdan-Pbellbb,  Rom.  Myth.^  1,  182; 
Deecke,  Etrusk.  Forsch.  4,  44. 

'*)  Doch  vgl.  Wackbbnagel,  K.  Z.  30, 
300 ;  Analogiebildung  nach  Bbugmann,  Grundr. 
1,  S.  428. 

*)  Zimmer's  (Anz.  f.  deutsch.  Alt.  1,  112) 
Zusammenstellung  mitanord.  hornimgr  schei- 
tert   an   der   Mittelform   *cvema;   übrigens 


möglicherweise  =  *ves-ttia  (Bbuomamn,  Grund- 
riss  2,  S.  137). 

^)  Fälschlich  hält  an   der  Identität  von 
Casmena  und  Carmen  fest  Ribbeck,   Gesch 
d.  röm.  Dicht.  1,  6.    Ein  anderer  etym.  Ver 
such  von  Bähbens  N.  J.  135,  65  f. 

«)  Osthoff,  K.  Z.  23,  87  f.;  Bbugmann 
Grundr.  1,  §  507,  594, 

')  Quintilian  1,  7,  20;  Mabius  Vict.  bei 
Keil  Gr.   L.  6,   8.     Vgl.   auch  Bbambach 
Neug.  273  ff. 

*)  Osthoff,  Forsch.  1,  197. 


d.  Spiranten  (Beibelante.)  (§  59.) 


299 


pisere  pinsere,  pisum  gr.  maoq  Qrdf.  *jpi>i5-/)  vesica  vensica  ahd.  watist,^) 
nctötis  nasum  {imssum  Plaut.  Merc.  310  A)  mag  auf  einen  5-Stamm  zurück- 
gehen (also  'S'  aus  -55-),  vielleicht  auch  vasum  {vassa  Plaut.  Merc.  781 
gegen  vasa  Stich.  595).*)  l<ibosi4S^)  hat  mit  labor  nichts  zu  thun  (s.  Georges 
s.  V.).  Ein  grosses  Kontingent  an  Wörtern  mit  inlautendem  intervoka- 
lischen  s  stellen  die  Fremdwörter,  welche  nach  dem  Erlöschen  des  Laut- 
gesetzes eingeführt  wurden.  Gering  an  Zahl  sind  die  echt  lateinischen 
Wörter,  welche  bis  jetzt  noch  nicht  hinlänglich  aufgeklärt  sind,  um  das 
intervoKalische  5  zu  begreifen:  agaso^  equiso,  basium,  caesaries,  Kaeso,^) 
caesitiSf  indusium,  miser  (vgl.  Johansson,  K.  Z.  30,  422)  u.  a.  Unhaltbar 
ist  der  Versuch  Conway's,  die  Erhaltung  des  5,  bez.  den  Übergang  in  r 
auf  Rechnung  der  Beton ungsverhältnisse  zu  setzen,^)  woran  schon  Bugoe, 
Rh.  M.  40,  473  gedacht  hatte,  pubertas  ist  nach  ub^rtas  libertas  (f.  Hibr{o)t'as) 
gebildet,')  noch  auffallender  viduertas. 

5.  Auslautendes  s  ist  auf  lautgesetzlichem  Wege  niemals  dem  Rhota- 
zismus  verfallen.  Die  Substantiva  auf  -or  -oris  und  die  Komparative  haben 
das  r  im  Nominativ  aus  den  obliquen  Kasus  bezogen,  wie  am  besten  das 
Schwanken  zwischen  -or  und  -os  bis  in  die  klassische  Zeit  beweist  {arbos 
zu  Ciceros  Zeit  gewöhnlich,  zu  Quintilians  Zeit  veraltet  (1,  4,  13),  honos 
auch  in  der  Prosa  und  Mon.  Ancyr.  II  36)®)  und  die  Differenzierung  der 
Formen  decar  und  decm,  simltur,  von  Corssen,  Beitr.  23  aus-5?V»t-  (Abi. 
von  siniO'  semo-)  und  -tm  erklärt,  deutet  Jordan  a.  a.  0.  93  f.  richtiger 
aus  *simUud,  wovon  regelrecht  alat  simUu,  während  die  Form  auf  -ur  als 
eine  dialektische  oder  durch  Satzsandhi  entstandene  Nebenform  bezeichnet 
werden  muss  (vgl.  §  49  ar  ad). 

Der  Prozess  des  Rhotazismus  war  jedesfalls  bereits  vor  dem  Beginn 
einer  Profanlitteratur  zum  Abschlüsse  gekommen;^)  jedoch  vermag  ich 
nicht  Jordans  weitgehende  Vermutungen  über  das  Verhältnis  der  Suffix- 
formen 'Sius  und  -nw5  für  berechtigt  anzuerkennen  {-äsio  und  -ärio  sind 
überhaupt  zu  trennen),  sondern  bin  vielmehr  der  Ansicht,  dass  die  Tradition 
bezüglich  der  Umformung  der  Gentilnamen  auf -5«w5  {Papisius  VaUsitis  u.  s.  w.) 
im  ganzen  richtig  ist.  ^®)  Namen  auf  -isitis  -esius  -nsius  müssen  nach  dem 
Erlöschen  des  in  Frage  stehenden  Lautgesetzes  eingeführt  sein. 

Anmerkung  1.  Schwund  des  intervokalischen  s  ist  nicht  nachweisbar:*')  rer  ist 
wahrscheinlich  aus  *^eseT  in  *vezr  umgeformt,  daraus  r^r-,  entstanden  aus  *t<c/r-  \iebr' 
=  idg.  *rte8r-^^)  oder  gleich  aisl.  vär;  pruina  neben  prurigo  ist  eine  Weiterbildung  von 
*prtu!nO'  pruno-;  Cerealis  ist  nicht  aus  *  Ceresalis  hervorgegangen,  sondern  von  *Cereus 
=  osk.  kerreio-  abgeleitet  (anders  Osthopf,  P.-B.  Br.  8,  549).  Andere  noch  problema- 
tischere Beweise  fQr  diesen  angeblichen  Ausfall   des  interv.  s  habe  ich  a.  a.  0.   beseitigt. 


0  0.  Weise  29. 

^)  Lachxakn  zu  Lucret.  ^  p.  357. 

^)  Bbuomann,  Grundr.  1,  8.  428  Anm.  3, 
457  f.;  anders  OsTBOFF,  M.  U.  2,  48  f.,  Mah- 
LOW,  D.  1.  V.  32;  noch  weniger  klar  Feöhde 
Bezz.  B.  7,  110  und  ganz  unhaltbar  0. 
Weise  29  Anm    2 

*)  Lucil.  bei  Nonius  489,  12  (III 6  Müll.); 
Pott  Bezz.  B.  8,  96 

^)  De  Saussube,  M^m.  286. 

•)  Vgl.  auch  Deecke,  Woch.  f.  klass. 
Phil.  1888,  S.  737  flF. 

')  Bbügmahn,  E.  Z.  24,  32. 


*)  Neue,  1,  169  f.;  Joedan,  Krit.  Beitr. 
141  f. 

^)  Jordan,  Krit.  Beitr.  143.  Die  einzige 
Spur  in  der  uns  überlieferten  Litteratur  wäre 
glisis  Naev.  65  Ribb.  II;  jedoch  ist  hand- 
schriftlich glifis  (C)  oder  clifis  (L)  Überliefert; 
vgl.  Nonius  151,  1  M. 

*<>)  G.  Meyer  a.  a.  0.;  Pauli,  Altit. 
Stud.  1  53;  Osthoff,  Lit.  Centralbl.  1879, 
Sp.  1094  f. 

>')  Stolz,  Wiener  Studien  6,  129  f. 

»2)  Bruomanw,  Grundr.  1  §  570,  3  nach 
Havbt,  Mäm.  d.  1.  S.  d.  1.  5,  447. 


300 


B.  LateiniBche  Grammatik.    Lateinisohe  Lantlehre. 


Anmerkung  2.  In  dem  italo-keltischen  Passivum  ist  r  nicht  durch  Rhotazismiis 
entstanden,  sondern  ursprünglich,  wie  aus  dem  Umstände  hervorgeht,  dass  erstens  in  der 
oskischen  Sprache  dieselbe  Passivbildung  vorliegt  (sakarater  =  sacrcUur),  hier  aber  nur 
z  als  Vertreter  von  intervokalischem  8  erscheint  (egmazum  gen.  plur.  für  -stim) ')  und 
zweitens  auch  in  den  keltischen  Sprachen  intervokalisches  8  nicht  dem  RhotazismuB  ver- 
fällt.   Die  genaueren  Nachweise  siehe  unten  §  98. 

Anmerkung  8.  Anlautendes  lat.  s  in  süb,  super  gegenüber  ^r.  vtio,  vnBQ,  skr. 
npa,  updri  erklärt  Osthoff,  M.  U.  4,  156,  265  f.  am  wahrscheinlichsten  ab  Rest  von  *k8, 
der  schwächsten  Form  der  Präposition  ex,  so  dass  s-uper  zunächst  zu  gr.  i^-vneg&e  gehörte. 

Anmerkung  4.  Die  griech.  Lehnwörter  resina  rosa  können  ihr  s  wohl  nur  grie- 
chischen dialektischen  Nebenformen  verdanken  (gew.  ^rjriyrj  ^odoy);  brisa  neben  gr. 
ß^vTsa  Lehnwort  aus  dem  Altspanischen  (?)  nach  Dieffekbach,  Orig.  £ur.  273. 

Über  den  Abfall  des  auslautenden  s  vgl.  §  69. 

Der  labiale  Spirant  v.^) 

60.  In  den  einzelnen  Fällen  lässt  sich  nicht  erkennen,  ob  idg.  v  oder 
U  vorliegt;  ich  muss  dah^r  davon  absehen,  problematische  Beispiele  vorzu- 
führen. In  den  für  den  Übergang  von  anl.  vo-  in  m-  vorgebrachten  Bei- 
spielen scheinen  Abstufungsverhältnisse  zu  Grunde  zu  liegen,  so  urgeo  neben 
pcQY',  ürina  skr.  väri-  u.  s.  w.^)  Über  t;  =  ?/  im  Inlaute  §  14.  lat.  v 
aus  u  in  solvo  für  ^se-l^o,  volvo.  lat.  v  im  Wechsel  mit  b  in  fervere  ferbui, 
jungen  Datums  auch  ferbeo ;  der  Grund  des  Wechsels  von  v  und  b  ist  nicht 
vollkommen  klar  (nach  Corssen  1,  126  Dissimilation  von  -vu-  zu  -&tt-; 
Bersu,  die  Gutturalen  139  auch  keineswegs  ausreichend);  bubulcus  ist  mit 
AscoLi,  Sprachw.  Briefe  94  zu  bubalus  (Büffel)  zu  stellen  vgl.  it.  bifolco, 
davon  auch  bubile  JBubona.  lat.  w  =  t;  in  den  Suffixen  -vo  -tvo  nach  Ver- 
schlusslauten, z.  B.  vacutts  mortuus  {salvus  arvum). 

Anmerkung  1.  Itcdia  vgl.  osk.  vüeliü,  lat.  vitulus  ist  von  den  unteritalischen 
Griechen  entlehnt/) 

Anmerkung  2.  Angeblicher  Übergang  von  v  in  f,  von  Buoge,  E.  Z.  20,  15  f.  be- 
hauptet, widerstreitet  den  Lautgesetzen  der  lateinischen  Sprache;  vgl.  Corssen,  It.  Spr.  155  f. 

Anmerkung  8.  Aus  v  ist  nicht  g  hervorgewachsen,  wie  man  für  vixi  neben 
viv-ere  manchmal  angenommen  hat;  vgl.  oben  §  47  und  ausserdem  Cobssen,  Beitr.  70, 
Nachtr.  82,  A  u.  V.  1  89,  Cubtius,  G.^  596  f. 

Der  Hauchlaut  k 

61.  Der  tonlose  Hauchlaut  erscheint  im  Lateinischen  als  Residuum 
der  drei  Aspiraten.  Die  eigentümlichen  Aspirationsverhältnisse  des  Latei- 
nischen^) veranlassten  den  gänzlichen  Schwund  des  h  im  Anlaute,  ansei' 
für  *}ianser  gr.  x^y^>  und  im  Inlaute,  daher  z.  B.  Um  skr.  plihdn'  vemens 
prendo  nemo  nil  cors  pracbere  probere  (Lucr.)  für  vehemens  u.  s.  w.  Um- 
gekehrt erscheint  ä,  wo  es  etymologisch  nicht  berechtigt  war,  festgewachsen 
in  haurio  anord.  ausa  gr.  i^avaai  •  i^eXeivües.y^)  halare  zu  alum,'^)  übrigens 


^)  Darauf  hat  schon  Mommsen,  Unterit. 
Dial.  225  aufmerksam  gemacht. 

')  BöHLiNO,  Schicksale  und  Wirkungen 
des  2(7-Lautes  in  den  indog.  Sprachen  I.  Han- 
nover 1882  (zum  Teil  unkritisch). 

^)  Bersu,  Die  Gutturalen  138;  neuere 
dings  dagegen  ohne  zureichende  Gründe 
Fböhde  in  Bezz.  B.  14,  101  flF.  Plaut,  voxor, 
vgl.  Koch,  N.  J.  101,  283  und  685,  sehr 
zweifelhaft;  z.  B.  trotz  voxorem  B  Trin.  800 
von  Scholl  nicht  in  den  Text  gesetzt;  neuer- 
dings  dafür  Fröhde  a.  a.  0.  S.  95  f. 

*)  0.  Weise  31;   Nissen,   Ital.  Landes- 


kunde 1,  58  ff..  Niese,  Gott.  Gel.  Anz.  1885, 
243  A.  1  ist  ohne  zureichenden  Grund  da- 
gegen. Vgl.  übrigens  auch  Hbistebbergk, 
Über  den  Namen  Italien,  Freiburg  und  Tü- 
bingen 1881. 

^)  Seelmann  256. 

8)  FicK,  K.  Z.  22,  384,  Bezz.  B.  2,  187; 
Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  491  f.;  Cobssen,  It.  Spr. 
120  beweist  nichts  dagegen.  Nach  Thur- 
NEYSEN,  K.  Z.  28,  158  zu  skr.  ghas-  «ver- 
schlingen". 

')  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  491,  Bbugwanv, 
Grundr.  1,  S.  177. 


8.  Spiranten  (Beibelante).  (§  60—61.) 


301 


exalans  B,  L,  G*,  Lucil.  nach  Nonius  279,  27  M.  Aber  in  coerceo  und  cohercco 
liegen  die  beiden  St.  arc-  und  herc-,  vgl.  herctum,  zu  Grunde.  Über  die  häufigen 
Fälle  der  Weglassung  des  A  in  der  Schrift,  wo  es  etymologisch  gesetzt 
werden  musste,  und  den  umgekehrten  Vorgang,  der  nicht  minder  häufig  ist, 
(so  in  dem  Fremdworte  Herucina  CIL.  1,  579,  aber  HENNAION  (vgl.  S.  253) 
auch  auf  den  Münzen,  vgl.  Collitz-Bechtel,  Gr.  D.  3252)  genügt  es  auf 
CoRSSEN  1  103  f.,  Brambach,  Neugestaltung  283  f.,  Cürtius  G.^  684  zu 
verweisen.  Die  z.  B.  bei  Varro  häufigen  Formen  ohne  h  {prtus  in  versch. 
Kasus,  olera  asta  aruspices  ordeum  orrent  und  die  griech.  Arpocrates  Ectiba, 
ErcuUs  ElUspontum  u.  s.  w.)  beweisen  neben  den  inschriftlichen  Formen, 
dass  auch  hier  archaisches  und  Bauernlatein  übereinstimmten. 

Anmerkung  1.  veod,  rectum  fQhren  auf  *veg'Si^  bez.  *veC'8i  ^veg-tum  zurück, 
wie  man  nach  Analogie  von  tningo  u.  s.  w.  schliessen  muss.*) 

Anmerkung  2.    ^  ist  nicht  aus  j  hervorgegangen  in  aheneus;  vgl.  oben  §  58. 
Anmerkung  3.  Über  prän.  Felena  (Quint.  1,  4,  15  Bdena)  Fercles  Foratia,  vgl. §  50. 

9.  Lautveränderungen  in  Konsonantengruppen  und  anderer 

kombinatorischer  Lautwandel. 

Vorbemerkung.  Ich  behandle  hier  im  Zusammenhange,  was  Brugmann  nach 
streng  wissenschaftlicher  Scheidung  zum  Teil  bei  den  einzelnen  Lauten  und  zum  grösseren 
Teil  in  dem  Kapitel  ,Die  Verschlusslaute  nach  ihrer  Artikulationsart"  behandelt  hat.  Ich 
glaubte  um  der  Übersichtlichkeit  willen  bei  der  früher  gewählten  Anordnung  der  Haupt- 
sache nach  bleiben  zu  sollen.  Eine  Übersicht  der  hier  zur  Behandlung  kommenden  Er- 
scheinungen nach  etwas  anderen  Gesichtspunkten  bei  Schwbizbb-Sidlbb,  Gramm.'  §  73—79. 

Anlaut. 

62.  1.  Von  zwei  Verchlusslauten  schwindet  der  erste;  tilia  Grdf. 
*ptiKa  gr.  meX^a^,)  womit  man  das  Fremdwort  tisana  (Fleckeisen  in  N.  J. 
93,  3  f.  Anm.)  gr.  miadvrj  Gerstengrütze,  Tolomaid  für  Ptolomaid  auf  einer 
spätlateinischen  Inschrift  IRN.  3395,  Tesifon  CIL.  5,  500  vergleiche,  pt- 
erscheint  nur  im  Anlaut  griechischer  Lehnwörter. 

2.  Verschlusslaut  und  Spirant.  Nach  Brugmann,  Grundriss  1, 
S.  426,  ist  Reduktion  von ps-  zu  s-  eingetreten,  daher sabulum  Grdf.  ^psaflom; 
indes  kann  das  Wort  auch  mit  deutsch  Sand  gr.  ccfnad^og  zusammenhängen 
(Kluoe  Et.  Wort.  s.  v.).  Die  etym.  doch  wohl  zusammengehörigen  Worte  pal- 
pare  gr.  iptjXag)äv,  parva  gr.  i/^a^,  pulex  gr.  ipvXXa,  pilare  gr.  ipiXovv  ^)  mögen 
ursprünglich  mit  sp-  angelautet  haben,  das  in  der  idg.  Grundsprache  nach 
einem  noch  nicht  ermittelten  Gesetze  mit  ps-  gewechselt  zu  haben  scheint 
(Kretzschmer,  K.  Z.  29,  469).  pst-  ist  zu  sU  vereinfacht  worden  in  stemuo 
gr.  mdqvviicti  Grdf.  *jps^fw-,*)  constemare  gr.  mvQsiv.  ps-  und  x-  erscheinen 
nur  im  Anlaute  griechischer  Lehnwörter. 

3.  Spirant  und  Verschlusslaut.  Die  anlautenden  Eonsonanten- 
gruppen  dieser  Art  sind  die  zahlreichsten.  In  der  weitaus  grösseren  Mehr- 
zahl der  Fälle  intakt  erhalten,  zeigen  sie  doch  auch  nicht  selten  die  Nei- 
gung,*) den  anlautenden  Spiranten  abzuwerfen  und  so  die  Aussprache  zu 

0  Anders  Cobssen  1,  98.  germanisch  und  hat  seinen  Gmnd  in  einem 

^)  FiCK,  Orient  u.  Occident  3,  118.  Satzsandhigesetz.    Die  in  Betracht  kommen- 

^)  Fböhob,  Bezz.  B.  1,  249.  den  Anlantsgruppen   sind   nach  unmittelbar 

*)  Fböhdb  Bezz.  B.  6,  182;  J.  Schmidt,  vorhergehendem  s  und  vielleicht  auch  nach 

K.  Z.  27,  230.  anderen    Konsonanten    des  8   verlustig   ge- 

')  Der  Abfall   des  s   ist    bereits   indo-  gangen.     Durch  Verallgemeinerung    der  8- 


302 


B.  Lateinische  Grammatik,    b)  Lateinische  Lantlehre. 


erleichtern.  Ich  führe  einige  der  wichtigsten  Fälle  vor:  sJc-:^)  scindo 
caedo  got.  skdidanj  scutum  cutis,  cavere  got.  us-skavs,  scortum  corium, 
sconisctis  {sconscus  Probi  app.  Keil,  Gr.  L.  4  198,  32)  coruscus,^)  cena 
sab.  scensas  Fest.  339  M.  (Qrdf.  *sced^na,  nicht  sced^na,  wie  Immisch  Bezz. 
B.  13,  139  f.  will,  vgl.  alat.  caesnas  Fest.  205,  15  M.,  vielleicht  von  derselben 
Wurzel  wie  gr.  axei-ygl.  6aig),  capus  aksl.  skopM  „Verschnittener",*)  aber  cum 
coni--  ist  nicht  mit  Fick  2,  272  zu  ^vv  cfvv,  sondern  mit  Q.  Meyer,  Gr.  Gramm.* 
§  249  zu  xoivag  air.  con-  zu  stellen.  5^-;*)  tonare  gr.  athvsiv^  tego  gr.  tfr^yoi, 
tunderc  got.  stdutan,  trio  für  *strio  Stella '^)f  torus  gr.  CTOQvvfiij  turdus  lit. 
strazdas  neben  stumus^  turba  masturbare^)  gr.  aTvgßa^üOy  strigilis  Schab- 
eisen tergere,  st-  aus  sk-  hat  den  Spiranten  wahrscheinlich  eingebüsst  in 
falpa  aus  *sta1pa  Grdf.  *skalpa  gr.  cfxakoip ;  vielleicht  auch  st-  aus  sp-,  tur- 
gere  gr.  anccQyäv.'^)  Hingegen  hat  taurus  nichts  mit  got.  stiur  zu  thun, 
sondern  gehört  zu  gall.  tarbos  air.  tarb.^)  st-  ist  durch  Verschiebung  der 
Artikulation  aus  sp-  hervorgegangen  in  studere  gr.  ansvio)^  aus  «A;-  in  stercus 
gr.  ax(oq  axaroq.^)  sp-:^^)  spuma pumex, parcus  gr.  anuQvoq^  picus  ahd.  sp'etU^ 
vielleicht  auch  passer  für  Hpat-ter  (Kluge,  Et.  W.  s.  v.  „Spatz").  In  specere 
neben  gr.  axtTtTsa&ai  ist  sp-  ursprünglich  vgl.  ai.  spa^-  ahd.  spehon. 
Über  SV'  vgl.  §  63,  2. 

Anmerkung,  sc-  und  8-  schwanken  in  scirpus  und  sirpiM.  Vulgär  und  archaisch 
ist  obsetrix  Löwb,  Prodr.  423. 

4.  Spirant  und  Spirant,  sf-  hat  vielleicht  nur  in  fOcus  (für 
*föcus"^)  gr.  oryijf  vorgelegen.  Die  anderen  hiefür  vorgebrachten  Beispiele 
sind  hinfällig:**)  fallo  gr.  yryAtyrij^,  /?des  gr.  ^iddxvrjy  fingere  got.  deigan. 
Sicher  haben  die  beiden  Lehnwörter  funda  gr.  atpeviovr^  und  fungus  gr. 
Cifoyyoq  die  Anlautsgruppe  s/"-  besessen  und  zu  /*-  vereinfacht,  mit  Anlehnung 
an  lateinisches  Sprachgut  (fundere  fungi).^^) 

63.  1.  Verschlusslaut  und  i  u  Liquidae  und  Nasales,  bh/t- 
=  f'  in  fio  aus  *bh/'ii6  gr.  yvw.i^)  d{-  =  {-  (^'-),  lupiter  {DiespUer)rIuturna 
(Diuturna  Bull.  1871,  S.  137  f.,  144).  du-  =  d-,  jünger  6-,  duellum  bellum, 
duis  Paul.  Festi  66,  15  M.,  duicensus  duidens  ib.  66,  14,  16,  dimus  bimus,^*) 
duplex  biplex,^-')  duonoro  bonus,^^)  des  (Varro)  bes,  dtrus  W.  duei-  gr.  rff«-. 
dhii'  =  /*-  in  suf'fio  aus  *'dh^iio  gr.  iJ^r«,  /bres  *dh^eres  gr.  i>vpa  got. 
öfawr.  g^-  =  c-  in  inciens  aus  Hn-c^-i-efis  Grdf.  ^-q^iiö  gr.  iyxvm.  ghi-  lat. 
Aj-  =:  A-  in  heS'temus  h^r-i  skt.  %d5.    |)w-  =  j?-  in  i?JW5  aus  "^p^-i-ws  vgl. 


losen  Formen  und  umgekehrt  entstanden  die 
Doppelformen  wie  sieg-  leg-  u.  s.  w.  Vgl. 
OsTBOFP,  M.  ü.  4,  329  f.  Anm.,  Bbugmann, 
Grundr.  1,  §  589,  3,  Johansson,  P.-B.  Br. 
14    291  f. 

»)  CoRSSEN  1,  277,  Beitr.  442  f.,  Bbüo- 
MANN,  Grundr.  1,  §  589. 

■^)  Löwe,  Prodr.  355. 

3)  Fick  1,  808  (jedoch  das  lit.  dort  an- 
geführte Wort  nicht  sicher,  vgl.  Kubschat), 
Kluge,  Et.  Wort.  s.  v.  ^Schöps." 

*)  CoBSSEN,  Nachtr.  118,  Beitr.  135. 

5)  Bruomann,  C.  St.  9,  389. 

®)  BücHELEB,  Arch.  f.  lat.  Lex.  1,  107. 
Nach  0.  Weise,  Saalfeld  entlehnt  von 
fjLnaxQonevta. 


')  L.  Meyeb  I  ^  346. 

^)  J.  Schmidt,  Deutsche  Litz.  1881  S. 
1000,  übrigens  vgl.  Kluge,  Et.  W.  s.  v. 
"Stier.* 

»j  CuBTius,  G.«*  167,  Fick,  Bezz.  B.  5, 312. 

»«)  CoBSSEN,  Nachtr.  111,  Beitr.  457  f. 

»')  Fick,  K.  Z.  22,  102.  Wegen  fallo 
auch  W.  Meyeb,  K.  Z.  28,  176. 

'2)  0.  Weise  73. 

*^)  OsTHOFP,  M.  U.  4,  15  f,  Thubneysen, 
Die  Bildung  und  Herkunft  der  Verba  auf 
-io  63  f.  und  Bezz.  B.  8,  281,  Osthofp,  Z. 
G.  d.  P.  430  f. 

'*)  Löwe,  Prodr.  363. 

'^)  ib.  73  f. 

>6j  CIL.  1,  32. 


9.  Lantwandel  in  Konsonantengrnppen  u.  a.  kombinat.  Lantwandel.  (§  62—63.)  303 


pu-tus  .  spj-  =  5jp-,  in  spuo  für  *spiu-  lit.  spiduju.  tu--  =  U  in  te  tili 
(nach  Wackernagel,  K.  Z.  24.  592  flf.  schon  indog.  Doppelformen),  viel- 
leicht auch  in  trua  für  H^r'Ua  (vgl.  siliui)  gr.  toqvvtj  ahd.  tunril,  *)  ^/-  wirft 
den  anlautenden  Verschlusslaut  ab,  to^ws  St.  teU  für  Hiatus  gr.  TAr^rd^, 
umbr.  ajfrc  Tlatie  {tributarii);  für  iena  laridus  laefus  largus  locusta  sucht 
Osthoff,  P.-Br.  Br.  13,  400  flf.  ursprünglichen  Anlaut  tU  zu  erweisen. 
pU  ist  vielleicht  zu  /vereinfacht  in  latus  gr.  nXatvq^^)  dazu  wahrscheinlich 
auch  Lätium;^)  so  auch  in  dem  griechischen  Lehn  werte  lunter  Unter  gr. 
TrAvmjp.*)  lanx  lividus  gehören  nicht  hieher.'^)  Anlaut,  dl-  ist  nicht  mit 
Sicherheit  nachzuweisen,  vielleicht  in  longus  apers.  dranga.^)  Ebenso  scheint 
dr-  eine  nur  in  Fremdwörtern  vorkommende  Lautverbindung  zu  sein.') 
Der  von  Corssen^)  angenommene  Abfall  eines  anlautenden  d  in  racemus 
rorarius  ruere  runa  entbehrt  der  etymologischen  Begründung.  Übergang 
von  er-  in  cn-  wird  ohne  hinlängliche  Begründung  in  crepusculum  crus 
neben  gr.  xvt(pag  x%rjfi7j  angenommen.^)  gn-  ist  in  historischer  Zeit  regel- 
mässig zu  n  vereinfacht  worden,  gnatus  inschr.  öfter  neben  nasci,  narus 
neben  i^gnarus,  noscere  neben  gnoscier  CIL.  1,  196,  28  gnovit  gnobilis  Accius 
283  Ribb.  I,  Naevius  neben  Gnaivod,  navus  gnavare,^^)  Gnixi  neben  niti,^^) 
gnanus  neben  nanus,  Ist  letzteres,  woran  kaum  zu  zweifeln,  ein  Lehnwort 
aus  dem  Griechischen,  so  ist  das  g  in  gnanus  spätere  analogische  Zuthat, 
wie  dies  sicher  der  Fall  ist  in  co-gnonien  co-gnecto^*)  neben  nomen  Qrdf. 
♦nom^,^3)  necto^  nach  cognosco  ignotus  u.  s.  w.  gebildet.  Die  für  die  Verein- 
fachung von  hU  zu  U  von  Fröhde^*)  angeführten  Beispiele  sind  etymologisch 
nicht  sicher;  in  dem  griech.  Lehnworte  laena  gc.  x^^^'^^  ist  c  abgefallen. '^) 
Abfall  von  g  in  gV-  ist  vielleicht  nur  bei  lac  für  ^glaet  gr.  yakccxt-  anzu- 
nehmen. Die  neuerdings  von  Wiedemann  Bezz.  B.  13,  301  f.  versuchte 
Herleitung  aus  *mlctö-m  W.  melg-  scheint  mir  wegen  inlautend  -w/-  =  -wp/- 
nicht  recht  wahrscheinlich  (vgl.  die  übereinstimmende  Behandlung  der 
griech.  Lautgruppe  fiQ  im  An-  und  Inlaute),  wenn  auch  das  Verhältnis  von 
plumbum  (Grdf.  *mlombo-?)  und  fiokvßog  und  überhaupt  der  Zusammenhang 
dieser  beiden  Worte  sehr  fraglich  ist.* ^)  Neben  obigem  jedesfalls  problema- 
tischen Beispiel  stehen  sicher  das  durch  Volksetymologie  entstellte  liquiritia  = 
gr.  YXvxv^^^^a  und  ravistellus  neben  gravasteUus,^'^) 

2.    Spirant  und  {  u  Liquidae  und  Nasales,    si-  =  5-  in  suere  für 
*siu-i'ere  lit.  suliti  got.  siujan,   ebenso   sütum   ^siü-tö-,     s^-   ohne   ersicht- 


»)  Klugb,  Et.  W.  8.  V.  .Quirl*. 

*)  CuBTiüs,  G.*  278.  Der  Abfall  von 
p-  in  UUus,  während  die  Anlautsgruppe  pl- 
sonst  erhalten  bleibt,  müsste  durch  Satzsandhi 
erki&rt  werden  (s^8C- neben  t-  c-);  vgl.  übrigens 
auch  lien  aus  *8plehen  neben  aplendeo. 

')  Nissen,  Ital.  Landeskunde  250,  an- 
ders BüCHELBB,  Lex.  It.  XXVIIL 

*)  0.  Weise  34. 

*)  CoBSSEN  1,  114,  Beitr   149. 

«)  Kluge,  Et.  Wort.  s.  v.  .lang*;  übri- 
gens   vgl.    CUBTIUS,    6.^    183,    191,    COESSEN 

1,  210  Anm. 

^)  Benaby,  K.  Z.  1,  78;  Kühn  ib.  7,  61. 

«)  A.  u.  V.  1,  210,  Beitr.  142. 

^)  CuBTiüs,  G.*  705;  Bebsü,  Die  Guttur. 


164  Anm.  2. 

»0)  Löwe,  Prodr.  354. 

^')  Paul.  Festi  96;  gn-  =  j^n  =  cn- 
W.  Jcneiah-)  so  auch  nidor  neben  gr.  xyiat]. 

'')  Löwe,  Prodr.  354  f.  Über  den  ety- 
mologischen Zusammenhang  Kluge,  Et.  Wöit. 
s.  V.  ^Nestel*. 

»«j  J.  Schmidt,  K.  Z.  23,  267;  über  die 
ganze  Frage  auch  Seelmann  349. 

'*)  K.  Z.  22,  250  f. 

»*)  CoBSSEN   1,  793. 

»«)  ScHBADEB,  Sprachvergl.  303  f.,  G. 
Meyeb,  Gr.  Gr.2  §  61,  vgl.  auch  0.  Weise, 
Bezz.  Beitr.  6,  109. 

^')  Über  anlautendes  mr-  vgl.  die  Nach- 
träge. 


304  B.  LateiniBche  Grammatik,    b)  LateiniBche  Lantlehre. 

liehen  Grund  entweder  gleich  su  in  suavis  skr.  suadü-,  suescere  (sehr  spät 
cofisetudo),^)  suad,^)  ferner  in  so-  =  sue-^  worüber  §  8,  vgl.  auch  soror  *svesor 
skr.  sväsr-,  sordidus  neben  suasum,  sudor  *sueido8  {*s^oidos)  skr.  svedas-^  oder 
=  s-,  vgl.  salum  gr.  aaXoq,  serere  gr.  aagd,  sidas  lit.  svidas,  sc  sibi  neben 
suad,  si  Grdf.  *s^ai  osk.  svai  umbr.  sve,  sex  gr.  ^J  Grdf.  *svex.  Nach 
Bartholomae,  K.  Z.  29,  156  hatte  schon  die  idg.  Grundsprache  Doppel- 
formen *s^eks  und  *seks.  Über  eine  ähnliche  Erscheinung  im  Griechischen 
G.  Meyer,  Gr.  Gr.*  §  247;  ausserdem  Schweizer-Sidler,  Gramm.*  S.  66. 
Die  Anlautsgruppen  sm-  sn-  sl-  haben  den  Spiranten  eingebüsst;  man  vgl. 
niirus  skr.  5wi-,  memor  mora  f.  *smora  oder  *siwfm  (Brugmank,  Grundr.  1, 
§  298,  3)  skr.  smärami,  altl.  co-smiitere  Paul.  Festi  67,  8  (Etymon?),  macula 
gr.  Cfido),  mica  gr.  afiixQogj  merda  lit.  smirdas,  mordere  gr.  CfisQdvogahd.  smergo; 
nix  got.  snaivs,  nare  skr.  snö-  umbr.  snata  asnata,  nunis  skr.  snu^,  nSre  air. 
snathe  „Faden,**  Tabsaksl.  slabü  got.  ^Z^an^^)  luhrioAS  got.  ^Jmpan;  languere 
anord.  slakr;  laevosshd,  sleo  ags.  52at(;  (Bruomann,  Grundr.  2,  S.  127).  Es  ist 
ganz  unwahrscheinlich,  dass  sl-  sich  andererseits  auch  zu  /?-  sollte  weiter  ent- 
wickelt haben.  ^)  Hingegen  spricht  grosse  Wahrscheinlichkeit  dafür,  dass  sr-, 
wenn  nicht  sogenannte  Metathesis  eintrat,  durch  die  Mittelstufe  pr-  in  /r-  über- 
gegangen ist;^)  so  vereinigen  sich  lat. /*n^t*s  gr.  ^lyog^fragum  gr.  ^aj  durch  die 
Grundformen  Hrigos,  *sragom.  Roma  rumen  und  reie  müssen  freilich  von  sru- 
und  ser-  getrennt  werden.^)  Mit  -or-  =  -y-  sorbeo  gr.  ^(npäfo  für  ^CQo^hw  W. 
srehh-,  sarc-io  gr.  ^«tt-to).'')  Die  Lautgruppen  vf-  vr-  haben  gleichfalls  den 
anlautenden  Spiranten  verloren,  lana  Grdf.  *^laf^a  skr.  ürna  veUus,^)  larum 
Grdf.  *^lorom  gr.  «iJAi^^a,  Zacer  Grdf.  ^^lacer  volnm;  ra^ix  Grdf.  '^^radix 
got.  vaürts,  repere  lit.  virp^/  gr.  pqsn-, 

3.  Spirant,  Verschlusslaut,  Liquida.  5^^  und  «rf-  sind  zu  /- 
vereinfacht  worden  in  lien  für  *splehen  gr.  anXrjV,  wovon  das  lat.  splm 
entlehnt  ist,  latus  „breit"  dXiX.  stlatus,  süenibus  „schwerfällig**,  Paul.  Festi, 
312,  7  M.,  locus  altl.  stlocus  (noch  CIL.  5,  7381  aus  dem  2.  Jahrh.),»)  lis 
stlis;  belehrend  slis  CIL.  1,  198,  7;  stloppus  „Klapps**,-  stritavus  für  gew. 
tntavus  (Fest.  314).*^)  Über  die  Anlautsgruppen  s  {z)  +  Guttural  -\-  Imn 
(speziell  im  Germanischen,  aber  mit  Beziehung  auch  auf  das  Lateinische) 
findet  mau  weitgehende  Vermutungen  bei  Johansson,  P.-B.  Br.  14,  288  flf. 
Vgl.  die  Nachträge. 

Inlaut. 

64.  Auch  hier  begnüge  ich  mich,  auf  jene  Fälle  aufmerksam  zu 
machen,  in  welchen  durch  das  Zusammentreffen  von  mehreren  Konsonanten 


•)  ScHucHABDT,  Vok.  2,  481. 

0  Fest.  351,  15  M. 

3)  J.  Schmidt,  Vok.  1,  162  f.;  Kluoe, 
8.  V.  „Schleife*.  Anders,  aber  viel  weniger 
wahrscheinlich  Pbellwitz,  Bbzz.  B.  13, 142  f. 
Feist,  Grundz.  d.  got.  £tym.  stellt  läbare 
läbare  skr.  lämhate  zusammen. 

'')  BuooE  in  Deecke,  Etrusk.  Forsch, 
u.  Studien  4,  114. 

^)  CoLLiTz,  Bezz.  B.  3,  322;  6,  240. 

«)  CüRTius,  G.*  353.  354.  Über  Roma 
neuerdings  Bibt,  Marburg.  Universitäts- 
prograinm  1887,  dazu  Richter  in  Berl.  phü. 


Woch.  1887,  S.  209. 

')  BuoGB,  K.  Z.  20,  32.  Vgl.  jedoch  den 
Nachtrag  z.  S.  256  §  7. 

«)  CuBTiTJS,  Gr.'  345. 

)  Wegen  alat.  ailocus  ist  Zusammen- 
hang mit  skr.  lök-  ahd.  luogen  nicht  mög- 
lich (Kluoe,  Festgruss  an  0.  Böhtumok, 
Stuttgart  1888,  S.  60). 

'")  Die  Etymologie  v.  John  B.  Bury 
Classical  Review  2,  43,  der  strü-  auf  *8tci'- 
aksl.  starü  zurückführt,  ist  schon  wegen  des 
't  nicht  haltbar. 


9.  Lautwandel  in  Konsonantengmppen  n.  a.  kombinat.  LautwandeL  (§  64.)    305 


Veränderungen  in  dem  ursprünglichen  Eonsonantenbestand  hervorgerufen 
worden  sind.  Ein  umfangreiches  Verzeichnis  aller  inlautenden  Eonsonanten- 
verbindungen,  freilich  vielfach  ohne  die  nötige  Eritik  zusammengestellt, 
bietet  L.  Meyer,  Vergl.  Gramm.  I«  377  f. 

1.  Verschlusslaut  und  Verschlusslaut.  Der  tönende  V.  geht  vor 
tonlosem  in  den  entsprechenden  tonlosen  über:  ag^  acutum,  cette  aus 
*ced{a)te  (vgl.  §  74),  scrih^  scrip-tum;  veh-  vor  Eonsonanten  veg^  vectum 
(siehe  oben  §  61  Anm.  1);  in  der  Schrift  ist  die  Assimilation  bei  zusammen- 
gesetzten Wörtern  öfter  nicht  ausgedrückt,  obwohl  sie  in  der  Aussprache 
stattgefunden  haben  muss,  so  in  vielen  Eompositis  mit  ob-  sub^,  z.  B. 
obtinere,  subtrahere,  subter.^)  Ältere  Schreibungen  wie  apscede  ß  Plaut. 
Trin.  537,  apsterserunt  Poen.  970,  opsecro  ib.  967  u.  ö.,  apstiterit  B  Capt. 
901  weisen  die  ursprüngliche  Tennis  auf.  Eine  etwas  ausführlichere  Dar- 
legung erfordern  die  Dentallaute.*)  Dental  -\-  t-  ==  idg.  -^'^  =  lat.  -5s-, 
bez.  -s-  nach  langen  Vokalen:  sesstis  *sed^to^  *set^tO',passus  *paUto^  *pat'to~, 
morsus-^m^d-iO'  ^m^iHo-^  sponsus  ^spond^o-  ^sponHo-,  vicesimus  *vikQt'timo~ 
^vik^timo-,  virosus  *^isO'U^t'tO';  caesum  ftsus  suäsum  usus  {ussurae  Plaut. 
Trin.  181)  püsus  aus  ^puUto-;  nassa  »Fischreuse,  Netz*  aus  *naMä  got. 
nati.^)  Hingegen  ist  der  mitunter  angenommene  Übergang  in  -st-  bei 
den  in  Frage  stehenden  dentalen  Eonsonantengruppen  zwischen  Vokalen 
lautgesetzlich  nicht  erfolgt  und  -sU  entweder  ursprünglich  oder  durch 
Analogie  entstanden.  Ersteres  ist  der  Fall  bei  castus  skr.  ii^fd-y*)  St.  cus- 
in  curo  cus-tos  päl.  coisatens,^)  confestim  skr.  dhf§ti-  „kühn**,^)  frustum 
gl*.  ^Qavarovy  fustis  gr.  x^vQCog  (?),  nicht  ganz  sicher  sind  mustum  pestis  (je- 
doch vgl.  ^esestos  Fest.  210,  211).  Analogiebildungen  sind  est  estis  comestus 
für  lautgesetzliches  *ess  *€ssis  *coinessus,'^)  desgleichen  aestus  aestas  von  W. 
aidh-,  vgl.  regelrechtes  haus^tum  osk.  keenzs^tur;  egestas^  wie  honestas  ge- 
bildet, geht  auf  *egeS' zurück,  vgl.  egenm  aua* eges-no-,  potestas  auf  *potent4at- 
(vgl.  §  65,  f.),  restis  endlich  steht  für  *recS'tis,  lit.  regzti^)  Wenn  aber  im  histori- 
schen Latein  Dentale  -f~  ^  infolge  von  Zusammensetzung  oder  Vokalausfalles 
zusammentrafen,  wurden  sie  zu  tt,  daher  attendo  attingo  attollo,  alat.  adgretus 
Paul.  Festi  6,  78  t\lT*ad'gred{i)to-,  exfuti  =  exfusi  id.  81,  10  für  *  ex'fud{i)to-y 
matus  (mattus)  für  '^mad{i)tO',  cette  für  *ced{ä)te.  Es  liegt  keine  Berechtigung 
vor,  dieses  -^  =  pp  zu  setzen.  -6c-  ==  -cc-,  -bf-  =  -ff-^  -bg-  =  -gg-,  -bp* 
=  ~pp'  in  Zusammensetzungen  -der  Präpositionen  sub  und  o6,  worüber 
Brambacu,  Neug.  294  ff.  und  betreffs  Plautus  und  Terentius  J.  Dorsch  in 
, Prager  phil.  Stud.  I,  1887*.  -dg-  =  -gg-  in  agger  f.  *ad-ger,^)  -dp- 
■=^  'PP'  in  topper   altlat.  für  *tod'per  quippe  quippiam  für  *quid-pe  (nicht 


*)  Bbambach»  Neag.  241  f.,  338;  Corssbn 
1,  119  f.;  RiBBEOK  im  Index  zu  Verg. 

^)  Db  Saussubb,  M^m.  d.  ].  S.  d.  l.  3, 
293  f.;  Fböhdb,  Bbzz.  B.  1, 177  f.';  Bruomann, 
M.  U.  3,  132  f.;  Cocchia,  Rivista  di  filol. 
a.  XI  (1882)  f.  1.  2;  Birt,  De  participiis 
quae  dicuntor  perfectipassiyi  Marburgi  1883; 
08TH0FP,  Z.  G.  d.  r.  550  f.;  Brugmann. 
Grundr.  1,  S.  369;  Bartholomab  Bezz.  B. 
12,  80  ff.;  CoNWAY,  Vemers  Law  in  Italy 
39  ff. 


^)  Feist,  Grundz.  d.  got.  Etym.  83. 

*)  Etwas  anders  Fröhde,  K.  Z.  23,  310. 

^)  J.  Schmidt,  K.  Z.  25,  166.  Von  Brug- 
mann, Grundr.  1,  S.  428  zweifelnd  zu  gr. 
T€riT]fA^yog  gestellt;  zu  gr.  xoiQayog  von 
Bezzenberger  in  seinen  B.  4,  331;  vgl.  auch 
Feist,  Grundz.  d.  got.  Etym.  58  f. 

«)  Fröhde,  Bezz.  B.  1,  195. 

^)  Brugmann  a.  a.  0.  133. 

8)  FicK,  Bezz.  B.  1,  172. 

^j  Brugmann,  Grundr.  1,  S.  283. 


Handbuch  der  klue.  Altertmuswlasenflchaft.  n.    2  Aufl. 


20 


306 


B.  Lateinisohe  Ghrammatik.    b)  Lateinisohe  Lautlehre. 


*qut-pc,  wie  Ribbeck,  Z.  Lehre  v.  d.  lat.  Part.  S.  17  f.  will,  vgl.  besonders 
quippini  „warum  denn  nicht**)  quid-piam.  -de-  =  -cc-  -c-  mit  Dehnung 
des  vorausgehenden  Vokals:  höc  für  *hod-ce;  Assimilation  in  quicquam 
neben  quidqtuim,^)  iccirco  neben  iddrco,  quicque  Plaut.  Asin.  945  neben 
gew.  guidque.  In  fascis  muss  s  stammhaft  sein,  wie  in  fiscus;^)  in  esca 
ist  entweder  dasselbe  es-  wie  in  es4  u.  s.  w.  enthalten  oder  es  geht  wahr- 
scheinlicher auf  *ed'Sca  zurück  (vgl.  po^ca).  -gh-  =  -6-  mit  Dehnung 
des  vorausgehenden  Vokals  in  fibula  aus  *fig-bula;  vielleicht  auch  teba  (ßttgel) 
aus  *teg-ba.^)  -tc-  ■■=  -cc--  siccas  *sit~c(h  idg.  ^sit-qo-  zu  sitis,  pecco  aus  *pet<o 
*ped-co  zu  impedio,  floccus  *floUcO'  *flod-cO'  gr.  yAacJm'.*)  Vereinzelt  ist  pro- 
tervus  ans  proptervus  (-e  A  Plaut.  Truc.  256,  Löwe,  N.  J.  119,  709  und  Acta 
soc.  phil.  Lips.  2,  468),  prän.   VUoria  CIL.  1,  58  (Schuchardt  1,  133). 

2.  Verschlusslaut  und  Spirant.  Neben  älterem  Opscus  Ekniüs 
ann.  327  Müll.  Obscus  jüngeres  Oscus,  In  Verbindung  mit  folgendem 
Verschlusslaute:  -bsc-  {-psc-)  =-  -sc-  in  suscipio  aus  *subS'eipio;  -6sp- 
{"psp-)  =  sp'  in  asporto  für  *absporto  aspelhre;  -isU  {-psU)  =  sU  in 
astulit  Char.  bei  Keil,  Qr.  Lat.  1,  236,  7,  gew.  rekomponiert  dbstuUt; 
'bst'  {-pst-)  =  -s^  in  ostendo  aus  *obstendo  [pbstinet  Fest.  197,  obstrudant 
id.  193);  -esc-  {-gsc-)  =  -sc-,  so  mtsceofür  *mi{g)c-sc-eo,  aesculus  für  ^aeg-sdo- 
gr.  atyaväTj^),  disco  für  *di-dc-sc-o,  sescentae  Plaut.  Trin.  791.  -cs^  =  -s^-,  so 
SBstius  neben  Sextius  (schon  indog.  *s^e^tos  und  *s^ektos,  vgl.  Brugicann, 
Qrundr.  1,  S.  448),  neis^tis  mixtus  (allerdings  ist  letzteres  gebräuchlicher),^) 
iUustris  für  *iUuc-stris,  ^  -dsc-  {-tsc-)  (für  urspr.  dh)  in  suSsco  aus  *s«^(i-sco  skr. 
svadhd-  „Gewohnheit,  Sitte**,  d  t  -\-  s  =  ss,s,  bo  quassum,  messui  für  *quat- 
sum*met-suif  iussi  für  *iud-si  *iut-si, passe t\lr*pofsse,  assiduus  für  *adsiduus 
*at-siduus.  Die  Vereinfachung  zu  stritt  nach  langen  Vokalen  ein,  so  .besonders 
in  den  Perf.  auf  -si  der  Verba  mit  langem  Stammvokal.  Übrigens  liegt  hier  teils 
schon  italischer  VSTandel  vor,  teils  spezifisch  lateinischer  {posse,  assiduusn.  s.  w.), 
vgl.  Brügmann,  Qrundr.  1,  S.  369.  -bf-  =  -/f-  in  Zusammensetzungen  der  Prä- 
positionen sub  und  ob.  -pf-  =  -ff-  in  officina  für  *op-ficina,  *op{i)-ficina;  -csf- 
=  -cf-  in  ecferri  Plaut.  Bacch.  95  u.  ö.  (ab^er  exferri  Plaut.  Merc.  420),  ecfo- 
dito  Men.  158.   Über  issa  issulus  fiir  ipsa  *ipsulus  Osthoff,  Z.  6.  d.  P.  554. 

3.  Spirant  und  Verschlusslaut,  -sb-  =  s-  ohne  Dehnung  des 
vorausgehenden  unbetonten  Vokals  im  Dat.  d.  Plur.  der  s-Stämme,  z.  B. 
sedibus  aus  *sedesbos,  vgl.  §  41,  1  und  77,  4.  -st-  =  urspr.  -st-,  so  aes-timo, 
exta  für  *ec-sta,  aus-ter,  soUi-stitnus,  deps4us  tex-tus  us-tus.  -st-  ist  auf  laut- 
gesetzlichem Wege  niemals  zu  -ss-  geworden;^)  daher  ist  die  früher  allgemein 
angenommene  Erklärung  der  Supina  hausuni  neben  regelrechtem  haus-tum, 
censum  neben  osk.  keenzs-tur  durch  die  Mittelstufen  *haussum  *censsum 
nicht  stichhältig.  Es  bedarf  auch  nicht  der  Annahme  eines  Suffixes  -so, 
das  BiRT  a.  a.  0.  erweisen  will,®)  vielmehr  reicht  (vgl.  Bruomann,  M.  U. 


')  Brambacu,  HilfsbQchlein  56. 
»)  FicK  2,  163. 

=»)  BücHELEB,  Rh.  M.  39,  420  f. 
*)  W.  Meyer,  K.  Z.  28,  172,  Bruomann, 
Grundr.  1,  S.  282. 

^)  SCHRADER,  K.  Z.  30,  462. 

«)  Brambach,  Hilfsb.  48. 

^)  vaao^  zu  hasta  und  pessulum,  pestu- 


lum  (BOcHELER,  Rh.  M.  39,  423)  siud  kaum 
beweisend.  Auch  Pauli,  Altit.  Stud.  2,  140  f. 
bringt  keinen  stichhältigen  Beweis  bei. 

^)  Auf  die  UnWahrscheinlichkeit  der  B.'- 
sehen  Ausführungen  macht  mit  Recht  auf- 
merksam W.  Meyer  im  Litteraturbktt  f. 
germ.  u.  rom.  Phil.  1884,  S.  185  und  aus- 
führlicher Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  550  f. 


9.  Lautwandel  vpL  Eonsonantengruppen  n.  a.  kombinat.  LautwandeL  (§  64.)    307 

3«  134)  zur  Erklärung  der  Supina  auf -siim  neben  solchen  SLut-tum  (bez.  Parti- 
zipien d.  Perf.)  die  Analogie  vollständig  aus.  Es  gibt  mehr  als  50  lautgesetzlich 
gerechtfertigte  Bildungen  auf  'Stim,  aus  -d  +  tum  oder  -t  -f-  ^^^  erwachsen, 
vgl.  cessum  casum  pensum  morsum  salsum  versum  sensum  quassum  aus  *ced4um 
^cad'tum  *pend4um  *mord'tum  *sald-tum  *vert'tum  ^sent-tum  ^quat-tum, 
dazu  vielleicht  aueh  pressum,  vgl.  §  65,  3  b.  Die  übrigen  Supina  auf  -sum 
sind  analogische  Neuschöpfungen,  zunächst  durch  das  Verhältnis  von  -si : 
-51*1»  veranlasst,  z.  B.  parsum  zu  parsi  und  dann  noch  weiter  ausgebreitet, 
daher  auch  lap-sum.  Die  ursprüngliche  Bildungsweise  zeigen  die  altlat. 
Verba  mantare  mertare  pultare  (die  Stellen  vom  Verf.  gesammelt  in  Wiener 
Stud.  10  301  f.),  vgl.  auch  Brambach,  Neug.  276;  vgl.  ausserdem  das  Part. 
terta  =  tersa  Varro  nach  Non.  179,  4  Müll,  und  umgekehrt  rapsare  und 
Part,  assus  neben  nrere  alat.  asa  (vgl.  auch  assula  und  astula).  Vgl.  jetzt  auch 
Bruomann,  Grundriss  2,  S.  217  Anm.  2,  wo  allerdings  über  die  lautlich 
genau  entsprechenden  ^o-Partizipien  gehandelt  ist.  Eine  bestimmte  Regel 
hat  sich  nicht  herausgebildet,  wie  denn  gerade  das  Willkührliche  in  diesen 
Bildungen  gegen  die  auch  sonst  nicht  zu  begründende  frühere  Annahme 
der  Assibilierung  des  ^Lautes  spricht;  darauf  hat  schon  d'Ovidio  in  einer 
Anmerkung  zu  Cocchia's  früher  erwähntem  Aufsatz  mit  Recht  aufmerksam 
gemacht.  Die  Bildung  der  Ordinalzahlen  ist  nach  dem  früher  Erörterten 
regelrecht,  z.  B.  vicensimus  aus  ^mk^t-timo-.  Bei  der  Erklärung  der  Super- 
lative, wie  maximus^  reicht  die  Analogie  von  plisima  Fest.  204  und  den 
gleichen  Bildungen  aus  (übrigens  vgl.  §  91  B  und  92).  Über  das  schein- 
bar abweichende  ossua  wahrscheinlich  aus  *ost'tua  vgl.  Asooli,  Sprachw. 
Br.  69  f.  Anm.  -sct-  =  -sU,  so  pastus  für  *pasC'tus  vgl.  pasc-uus,  -spt- 
=  'pU,  vqpte  für  *voS'pte.  -zd-  =  -d-  mit  Dehnung  des  vorhergehenden 
Vokales  (vgl.  oben  §  59,  3):  audire  für  *auZ'dire  {*avü'dire?)  vgl.  aus- 
culto,^)  nldus  füi*  "^nizdos  ahd.  nest^'^)  pedo  für  *pezdo  nsl.  pezdeti,^)  sido 
für  *si'Zd-o,^)  qutdam  für  "^quizdam,  fdem  für  *izdem,  tr^dedm  für  *trez^ 
decim,  iudex  für  *iüzdex;  über  miles  und  malus  §  49.  Über  frigidu^s  = 
*friges-dO'  §  41,  1:  andererseits /H^fedö  und  darnach  gravSdo. 

4.  Spirant  und  Spirant,  -zv-  =  -rv-  (vgl.  oben  §  59),  daher  Minerva 
furvus  für  *Menez-va  (vgl.  gr.  jw^y^cr-)  *fuzvus  {fus-cus),  vgl.  S.  298,  wahr- 
scheinlich auch  acer-vus  für  *acez-vus,  vgl.  actis  aceris.  Es  ist  nicht  zu 
bezweifeln,  dass  dies  die  lautgesetzliche  Behandlung  der  Qruppe  -zv- 
ist.  Die  Zusammensetzungen  von  dis  -\-  v  .  .  .,  welche  dlv  ,  .  .  ergeben, 
z.  B.  dtvello  dTvergo  u.  s.  w.  sind  jüngeren  Datums  und  beruhen  auf  Ana- 
logie der  zahlreichen  Fälle,  in  denen  -s-  lautgesetzlich  ausfiel,  nämlich  vor 
b  d  g  [disgressus  ist  sehr  jungen  Datums)  l  m  n  (später  auch  r),  denen 
nur  -sf"  =  -/f-,  z.  B.  difficilis  und  die  Gruppen,  in  denen  s  lautgesetzlich 
erhalten  blieb,  gegenüberstehen,  nämlich  -sc-,  -sp-,  -sg-,  -ss-,  -st-,  vereinzeint 
'Sh'  in  dishiasco  (Cato)  (nach  Erlöschen  des  Lautgesetzes  des  Rhotazismus 


')  J.  Schmidt,  K.  Z.  26,  17;  Schulze 
ib.  29,  251.  Vgl.  auch  Daniblsson  bei  Pauli, 
Altit.  Stad.  4,  165  und  Haybt,  M6m.  d.  1. 
8.  d.  1.  4,  410. 

•)  CüBTiüB,  G.^  315,  FicK  2,  134;   vgl. 


§  15a,  1. 

«)  FicK,   Bezz.  B.   7,  270,   J.  Schmidt, 
K.  Z.  27,  320. 

*)  Osthoff,  V.  i.  d.  Nc.  340. 


20 


308 


B.  Lateinische  Grammatik,    b)  Lateinische  Lautlehre. 


gebildet)  neben  älterem  diribeo,  disicio  {dis^ice  Verg.  Aen.  1,  70  Ribb.)') 
neben  analogisch  gebildetem  diiungo.  Neben  den  regelrechten  Formen  auch 
rekomponierte,  z.  B.  dismota  disiungere  disdidi  disrumpetur  Lucil.  fr.  XX, 
5  Müll.  Anderes  bei  Löwe,  Prodr.  383.  Ausserdem  vgl.  Priscla.n  bei  Keil, 
Gr.  L.  3,  56  und  Al.  Neumann,  De  compos.  a  dis  (di)  incipientium  apud 
priscos  scriptores  vi  et  usu,  diss.,  lenae  1885. 

66.  1.  Liquidae  Nasales  un,d  i  ^.  -mi-  =  -nj-,  so  venia  für 
*gvemio  idg.  *g^i^,*)  quoniam  für  "^quomiam.  -um-  =  -m-,  adiumentum  aus 
*ad'iuu'mentum;  -mr-  =  6r-  vgl.  §  44  (S.  286).  Jungen  Datums  ist  -6-  in 
der  Lautgruppe  ^mr-^  z.  B.  Camhrianus),^)  -ml-  =  wi-^-?-,  daher  ex^em-p-lum 
tem-p^uni*)  von  tem-  em^,  sim-p-ludiarea^^)  aber  pr^lum  aus  ^prenhslo^.^) 
Vereinzelt  ist  die  Schreibung  -w-j>-n-  für  -»m-,  z.  B.  condempnaverit  Cato 
nach  Festus  344,  27,  sompnus.'^)  Vollständige  Assimilation:  -Zn-  =  -ß-, 
worüber  ausführlich  Fröhde  Bezz.  B.  3,  297,  z.  B.  collis  gr.  xohavig,  peUis 
aus  *jpe?-ni-s8),  pullus  (schwarz)  kypr.  nikvog^  tellus  HeUnus  (?)  ahd.  dil 
dillo  und  die  meisten  Präsentia  auf  -/2Ö,  vgl.  §  105.  Dagegen  ulna  aus  ^ul{e)na 
gr.  (iXtvri  ahd.  elina,  volnus  vielleicht  wie  facinus  gebildet,  mit  Synkope  des  ♦ 
{e);  alnm  für  *alsno-,  vgl.  §  65,  2  f.  -^-  =  41-  für  palUdus  lit.  palvas, 
culleus  f,  *colveos  angenommen  ist  sehr  unsicher;  vgl.  W.  Meyer,  K.  Z. 
28,  163,  Brügmann,  Grundr.  1  §  170  Anm.  Corssen,  Beitr.  313  f.,  1  225 
muss  vielfach  modifiziert  werden,  vgl.  Fick  1,  797.    Auch  Havet,  Mem.  d.  1. 

S.  d.  1.  6,  120  f.  bringt  keine  Klarheit  in  die  verwickelte  Frage. wn-  = 

-n«-  in  tanne  =  tam-ne  Afran.  bei  Paul.  Festi  358,  3,  prfmum  vielleicht 
Lehnwort  von  gr.  nqoviivov\^)  nov^ni  wohl  nicht  aus  *novem''ni,  sondern 
Analogiebildung '0);  sollmmis  und  soU-ennis  sind  zwei  ursprünglich  ver- 
schiedene Wörter.  ^  *)  -nU  =  -7/-  bei  den  Deminutiven,  z.  B.  ullus  Grdf.  "^onJo-, 
homulhis  Viomon-lo-,  sigillum  ^sigen-lo-  *»ign{o)lO''.  -nw-  =  -mM',  gemma 
(Spross  Knospe)  aus  "^gen-ma.  -rU  =  77-  sehr  häufig  bei  der  Ableitungs- 
silbe -7ö-,  z.  B.  *ageUiis  Stella  aus  *agr{o)10'  *agplO',  ^ster-la  (vgl.  trio  aus 
*str-io),  paullus  aus  ^paur-lo-  gr.  natQog^  jmllus  (rein)  aus  ^pur-lo-  (nicht 
zu  verwechseln  mit  pullus  =  ^plnö-  vgl.  gr.  nekXog  und  pullus  (jung)  für 
*put'lo-,  vg],  püt-us,  oder  ^pul-no-,  wozu  gr.  ncoXog  vgl.  S.  310);  Atella  osk. 
-4d<?r7,  Zvet.  Syll.  inscr.  Ose.  177  a.  Nur  dialektisch  (vulgär)  ist  der  Über- 
gang von  -rw-  in  -wn-  in  Ferpenna  CIL.  1  578.  In  den  Zusammensetzungen 
mit  com-  und  in-  werden  die  Lautgruppen  ml  nl  mr  nr  mn  nm  zu  U  rr  nn 
mm  assimiliert, 

2.  Yerschlusslaute,  Spiranten  und  {t/ Liquidae  und  Nasales, 
a.  Ausstossung  des  Yerschlusslautes,  regelmässig  mit  Dehnung  des  voraus- 
gehenden betonten  Vokals.    -^7-:-  pala  (Spaten)  *pagla,plla  (Pfeiler)  ^pig-la; 


*)  Nicht  von  dissecare;  vgl.  auch  Engel- 
brecht, Sitzungsber.  d.  Wien.  Ak.  CX,  523  ff. 
Ferner  düisicis  Naevius  58,  Ribb.  II,  dissice 
CacciJ.  289  Ribb.  II. 

2)  OsTHOFP,  Z.  G.  d.  P.  505  f. ;  Brüg- 
mann, Grundr.  1.  §  208,  239.  Dagegen 
AscoLi,  Sprach w.  Briefe  151  f. 

^)  Corssen  1 ,  135;Schuchardt,  Vok.  1 , 1 50. 

*)  Anders  Usener,  N.  J.  117,  59  f. 


^)  Stolz,  Wien.  Stud.  10,  302. 
«)  Brügmann,  Grundr.  1,  S.  177. 
')  L.  Meyer,  Vergl.  Gramm.  P  501. 
8)  0.  SCHRADER,  K.  Z.  30,  480. 
^)  Hehn,  Kulturpflanzen  333. 
»•^)  Baunack,  K.  Z.  25,  258. 
^»)  Thürneysen,  K.  Z.  28,  160,  Schulze, 
Quaest.  Hom.  29,  Note  87. 


9.  Lautwandel  in  Eonsonaniengrappen  n.  a.  kombinat.  Lautwandel.  (§  65.)    309 


dagegen  sMus  doch  wohl  aus  ^stig-lo-,  -hi- :  aio  *ahio,  maior*mahior.  -hm  >  glüma 
*glu}h-ma  oder  *glub-sma,  -gm-  l-cm-] :  examm,  frümen  *frugmen  gr.  fpaQvy^^ ') 
iümentumHug^nienio-y pümiltAS  „faustgross''  *pug'milO'',rffna*rig-ma{\lr*riC'ma 
ringi  gr.  €Q€ix(o,  contäminare  ^-tag-minare,  silmen  *sug-m(m  aber  sttmulus  *stig^ 
mulo-;  flamma  vielleicht  für  *flania  *flag-smaj  vielleicht  auch  plüma  für  *plug-sma 
germ.  W.  fleug-  idg.  pleugh-  (Feist,  Grün  dz.  d.  got.  Et.  39  mit?);  agmen, 
augmen,  tegmen,  propagmen  u.  s.  w.  beruhen  auf  *agimen  tegumen  u.  s.  w., 
vgl.  §  74;  anders  Bbugmann,  Grundr.  1,  S.  373.  -pm-;  rümentum  *rup- 
mento-j'^)  Omentum  St.  vep-  vgl.  skr.  vopfl-  (§  8),  jedoch  summus  aus  *sup-mo 
^suh-^mo-.  'dm-:  cacümen  skr.  kdkud-^  amentum^)  für  admentum^  daneben 
auch  ammentum,  ramentum  *rad-mento-;  flamen  *flad-men  germ.  hlötan^^) 
caemenium  *caed-mentum.  -dn-:  prönus  aus  *prod-nO',  vgl.  Bruomann, 
Grundr.  2,  137.  In  den  Lautverbindungen  -sU  -sm-  -sn-  ist  s  geschwunden: 
b&lua  aus  *be8-lua  vgl.  bestia^)  {bisHa  Miodonski  De  usu  voc.  „bestia'^ 
Cracoviae  1886),  corpülentus  Grdf.  *corpos4ent(h ,  culus  *cus-lo-  gr.  xvaog, 
vilis  *veslis^^)  vElum  ^ Hülle**  *ves-lo;  quer^la  für  ^quere-slüy'^)  auch  mit 
Konsonantendehnung  querella,  aber  FosKusCIL,  1  S.  514  a.  u.  436  =  Fos{f)Uus 
vgl.  Faustulus;^)  ebenso  -nsl-  =  -l-  in  alum  "^an-slo-^  pilum  *pins-lo-j  töUes 
, Kropf*  neben  tons-illae  Brugmann,  Grundriss  2  S.  275;  -ntsl-  =  lin  scdla 
*scandrsla  *scant-8la;  -msU  =  -h  in  pr&lum  *pren^sl(h;^)  p^is  ^pesni-  skr. 
pdsa-,  v&num  *vesno-  skr.  vasnä-^  canus  *cas-no-  päl.  casnar  cas-cus,  ahöneus 
^ahes-nO'  volsk.  ahesnes^  egenus  ^eges-no-  egestds,  ^^)  pone  *pos-ne,  deguno  *'guS'no 
guS'tus,  dusmo  Paul.  Fest.  67, 8  dümus  dummetum  Verg.  Ge.  1,15  Ribb.,  primus 
päl.  prismu  (Corfinium),  dJmaveo  (dismota  Sc.  d.  Bacch.  rekomponiert),  dimmin 
nuam  Plaut.  Men.  302  Vahlen ;  ömen  osmen  Varro  1.  1. 7,  97 ;  Cametia  Casmena. 
Vgl.  übrigens  wegen  dusmo  u.  s.  w.  Brugmann,  Grundr.  1,  §  570  Anm.  1. 
Vgl.  femer  quom  tum  aus  *quO'Sme  Ho-sme  vgl.  §  92,  vidimus  aus  *veides- 
mos  (§  90,  111).  m  =  isne  Plaut.  Bacch.  1185  sdttn  pöttn  rögän  viddn 
tdc^  dbXn  (Plautus).  ^ »)  Aber  auch  rekomponiert  ipsusne's  Plaut.  Trin.  987, 
visne  ib.  1091,  isne  Merc.  598.  annofM  wohl  nach  annus  für  "^asnona  *anona  got. 
asans  ahd.  amon,  vgl.  die  Nachträge,  -sr-  ist  durch  die  Mittelstufen  -pr-  -fr-  in 
-br-  übergegangen,**)  wie  im  Anlaute  $r-  =  fr-  (vgl.  §  63,  2)  und  im  Aus- 
laute -ns  im  Umbrischen  zu  f  geworden  ist,  traf  =  trans^^^)  ccrebrum 
*ceres-ro-  skr.  Siras  mit  -ir-  ~.  -f-,  crabro  für  *crasro  (Bezz.  B.  6,  237), 
funebris,  fenebris,  muliebris^  celebris,  februm  *fes-ruo-,  sobrinus  *sos- 
rino-,  membrum  Grdf.  *m^ms-ro-  akslav.  meso,^*)  Über  tenebrae  vgl. 
§  44.  Andere  (unrichtige)  Vorstellungen  über  diesen  Lautwandel  Ebel, 
K.  Z.  14,  77,  Kühn,  ib.  215  f.,  J.  Schmidt,  ib.  15,  158  f.,  Schlei- 
cher,   Komp.   432.      -dtr-  -ttr^  =  -str-,    claustrum    *claud-trO',  pedestris 


0  FicK,  Bbzz.  B.  1,  62. 

*)  Paul.  Fest.  271,  7:  rümentum  :  ah- 
ruptio, 

»)  LöWB,  Prodr.  367  f. 

*)  BüGOB,  Bezz.  B.  3,  98. 

»)  W.  Meyer,  K.  Z.  29,  173. 

•)  Fböhde,  Bezz.  B.  1,  195. 

')  08TH0FP,P.-B.Br.  3, 346,  Fböhde,  Bezz. 
B.  3,  291,  gegen  J.  Schmidt,  Vok.  2,  360  A. 

*)  Dbbcke  u.  Pauli,  £tr.   Forsch,  und 


Stud.  1,  85;  2,  12. 

»)  Brugmann,  Grundr.  1,  S.  177. 

»0)  Havet,  M6m.  d.  1.  S.  d.  1.  4,  86  f. 

>')  J.  Schmidt,  K.  Z.  27.  328. 

•*)  Brugmann  in  C.  St.  9,  393  A.,  Tech- 
meb's  Zeitschr.  1,  234  A.  2  gegen  J.  Schmidt, 
K.  Z.  25,  42;  Curtiüs,  G.*  545. 

»»)  BuGGE,  K.  Z.  22,  418  f. 

^*)  Bezzbnbbrger,  B.  1,  340;  Brugmann, 
Grdr.  1,  S.  430. 


310 


B.  Lateinische  Grammatik,    b)  Lateinische  Lautlehre. 


*pedet'tri'  (oder  ^pedet-stri'  vgl.  skr.  -^tar  nach  Schulze,  K.  Z.  29,  270), 
possestrix  *possed-tric'.  -csl-  =  -?-;  hieher  gehört  eine  Reihe  von  Bildungen 
mit  der  Suffixform  -sla  -s?o-,*)  ala  Grdf.  *axla,  vgl.  (ixiUa,  alts.  ahsla 
ahd.  ahsala,  mülus  ^mac-slo-  gr.  iivxXoq^  vElum  ,) Segel  Floss***)  ^vee-slo- 
Grdf.  *uegh'SlO'  {vexillum),  aula,  mdla^  palus  (Pfahl),  taJuSj  quolus  (Korb), 
vgl.  §  59,  4,  vTlictis  neben  viUa,  das  trotz  vulgärem  vella  (Varro  r.  r.  1, 
2,  14)  nur  durch  Konsonantendehnung  aus  *vtla  *vtc-sla  erklärt  werden  kann. 
culina  *coc-sUna,  t€la  Hex^sla^  Ulum  (in  Glossen  tellum  Löwe,  N.  J.  119,  706), 
ex  -{-  l .  .z,^,  ^ligo  aus  *ex'Ugo;  -csm-  =  -m-,  lama  „Pfötze*  f.  *l(u>Sfna  vgl. 
laC'USf  temo  *t€x^mo,  sub-tSmen  {subtegmine  Verg.  Aen.  3,  483  Ribb.  miss- 
verstandene Neubildung);  -csn-  =  -n-;  lüna  abaktr.  raox^na,  Grdf.  ^hucs-na. 
woraus  zunächst  hsna  CIL.  1  55,  an  dessen  lateinischem  Ursprünge  nicht  zu 
zweifeln  ist,^)  dann  luna.  Ebenso  gebildet  dürfte  sein  l^na  *leX'Sna  (zu  Ictxus 
nach  Bruomann,  Grundriss  2,  134),  rana  Grdf.  *raC'Si%a\  seni  für  *sexni,  dar- 
nach deni,^)  ex  -\-  n  ,  .  .  z.  B,  enormis  ^ex-^ormis,  -tsn-  =  -nw-;  penna  nach 
altl.  pesnis  (Festus  205, 209)  Grdf.  *pe^5Ma,»)  annus  f.  "^atsno-  got.  afin,  cunnus 
f.  *cut-sno-  gr.  xt;r-o^.  -fem-  =  -m-,  remtis  nach  Ausweis  von  triresmam 
CIL.  1  195  für  Hri-ret-smO',  vgl.  gr.  e^sTfiog,  Dass  -^^-  zu  -U-  geworden 
sei,  nimmt  Johansson,  K.  Z.  30,  409  Anm.  für  vMa  *vit^  an. 

b.  Assimilation  des  Yerschlusslautes  an  die  folgende  Liquida  oder 
Nasalis,  -dl-  =  -ll-,  sella  "^sed-Ia,  grallae  *grad-Iae  (gralator  Plaut.  Pön.  530, 
gralare  Non.  115,  18  M.)  von  grad-ior  got.  grips^  rallum  Hctd-lo^,  raUa 
(tunic<i)  *rad'la  {radula  bei  Columella  Neubildung),  lapiUus  *lapid'lo^,  pelluvium 
*ped''IumO';  caelum  '^caed-lo^  mit  einfachem  l  wegen  ae.  "tU  =  -11-,  capMus 
^capiUlo-y  pullm  aus  ^put-lo-  vgl.  put^us  (=  ^plno-  gr.  nßXog  got.  fula  nach 
Feist,  Grundz.  d.  got.  Etym.  39,  Bruomann,  Grundriss  2,  §  65  Anm.). 
-^gti"  =  -f9W — w-  in  aprünus  neben  aprugnus,  früniscor  aus  *frug^scor;^) 
so  auch  ignosco  aus  *if9gnosco  {in  Präp.  „habe  ein  Einsehen*),  agnosco  aus 
*aggnosco  '^ar9nosco  (vgl.  Bruomann,  Grundr.  1,  §  506).  -cti-  =  -»ti-  (ge- 
schrieben -gn-)  in  dignm  ^dec-no^  decus^  tignum  Heenom  gr.  rfx-,  ilignus 
*ilecHO'  ilex;  agna  „Halm**  actis  (vgl.  §  57);  -cm-  =  -^m-  (soviel  wie  -f^m-) 
segmentum  5ec-,')  magmcntum  „Opferzusatz*  zu  macerare,  ^dn-  =  -wn-  wohl 
nur  dialektisch   in  Fercennus  osk.  perÄedne[;s]  Zvet.  Syll.   inscr.  Ose.  57. 

Grosses  Schwanken  in   den   Zusammensetzungen   mit  ad  -\-  n -6m- 

-pn-  =  -iwn-,  Samnium  neben  Sabini  {b  =  bh  wegen  osk.  Safinim) ;  scamnum 
*scapnO',  somnm  *svepnO',  damnum  *dapnO'^)  gr.  danavrj^  antennae  W. 
ap'*antej)nae%  Dumnorix  gall.  Dubnorex,^^)  oninis  *02mis  zu  op-t^.^^)  Vulgäi* 
aninuere  inschr.  amnegare  für  abnucre  abnegare  (Löwe,  Prodr.  421). 


*)  Osthoff,  Forsch.  1,  190  f. 

^)  Pfannenschmidt,  Arch.  f.  lat.  Lex. 
4,  419. 

')  Jobdan,  Krit.  Beitr.  34  f.,  Corssbn, 
It.  Spr.  334;  Deecke-Müllbb,  Etrusk.«  I,  57 
Anm.  144. 

*)  Baunack,  K.  Z.  25,  258. 

»)  Thürneysen,  K.  Z.  26,  314.  Aber 
pinna  nebst  pannas  zu  ags.  finn  nhd.  i^inne 
(Bbugmann,  Grundriss  2,  S.  136). 


^)  Dagegen  besonders  Coccbia,  Rassegna 
critica  45  ff. 

')  Brugmann,  Grundr.  1,  S.  368. 

»)  Nach  RiTscHL,  Op.  2,  709  Part.  v.  dare. 

»)  0.  Weise  64. 

»0)  Zeuss-Ebel  20 ;  Schuchardt,  Vok.  3, 94. 

»»)  Bruomann,  Grundr.  1,  §  100,  Pauli, 
Altit.  Stud.  4,  53.  Havet's  ,Satzdubletten* 
omnes  und  homines  Möm.  d.  I.  S.  d.  ].  5, 
345  f.  sind  gänzlich  verfehlt. 


9.  Lautwandel  in  Eonaonaniengruppen  u.  a.  kombinat.  Lautwandel.  (§  65.)    311 


c.  Umstellung.  ^)  Sie  hat  unzweifelhaft  stattgefunden  bei  fundus^  skr. 
budhnd-  gr.  nvO'firjv,  unda  skr.  St.  uddn-  schwach  udn-;  in  diesen  Fällen 
ist  die  Nasalantizipation  bereits  indogermanisch,  finis,  von  Cobssen^)  aus 
^ßd-f^is  skr.  bhid-  erklärt,  ist  ganz  unsicher;  finio  stellen  Bezzenbeboer 
u.  FiCK^)  zu  lit.  baigH.  Im  Lateinischen  ist  femer  die  Lautgruppe  -^n- 
zu  -wd-  geworden  in  pando  aus  *patno,  pandatia  {porta)  Paul.  Festi  220 
von  *pat~no~  vgl.  gr.  nhvrj/Äi,  Panda{deä)  osk.  Patana,  tendo  aus  He-tn-o, 
Das  Öerundivum,  ursprünglich  ohne  Beziehung  zum  Qenus  des  Yerbums,'^) 
ist  mit  Bruomann,  The  Amer.  Journal  of  Phil.  8,  441  ff.,  Grundriss  2, 
S.  152  f.  mit  den  altpersischen  Infinitiven  auf  -tanaiy,  den  litauischen 
sogenannten  Part,  necess.  auf  -tifM-s,  z.  B.  süktinas  „wer  zu  drehen  ist" 
von  sükH  (vgl.  J.  Schmidt  bei  Bebsu,  Die  Gutturalen  134,  der  secundus 
auf  *8ecütn(h  für  Hec-tno-  lit.  sectinas  zurückführt),  auf  idg.  *-t^no  zurück- 
zuführen; daher  dandus  aus  *datn(h,  so  auch  -bundus  =  *-fü-tno-  lit. 
btUinas  und  so  alle  vokalisch  auslautenden  Stämme,  dagegen  sind  fere-ndus 
facie-^dus  u.  s.  w.  mit  demselben  Wechsel  zwischen  -e-  und  -ö-  (m),  wie 
beim  Part.  Präs.  als  Analogiebildungen  zu  betrachten  [ferendus  :  ferens  = 
dandus  :  dans).  Der  Versuch  Döbing's  Progr.  d.  kgl.  Friedrich-CoU.  Königs- 
berg 1888  lat.  -ndo"  =  mit  gr.  -v^o-  zusammenzustellen,^)  scheitert  an 
osk.  üpsannam  „operandam"  umbr.  pilmner  ,jpiandi'*,  deren  -n»-  (-n-)  nur 
gleich  italisch  -wd-  sein  kann  (idg.  -dA-  =  umbr.  osk.  f).  Über  Thub- 
neysen's  neueste  Ausführungen  vgl.  die  Nachträge.  Desselben  Gelehrten 
Ausführungen  a.  a.  0.  über  die  Subst.  auf  -tudo  -ago  -ugo  sind  zu  unsicher; 
vgl.  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  548  Anm. 

3.  Liquidae  und  Nasales  und  Yerschlusslaut  oder  Spirant, 
a.  Sind  r  l  nur  von  einem  Verschlusslaute  gefolgt,  so  tritt  regelmässig 
Assimilation  des  letzteren  an  die  ersteren  ein.  -?d-  =  -i^,  so  mollis  *mol- 
dtfis  skr.  mrdü-,^)  sallo  *saldo  got.  saUan,  callis  „Wald**  f.  *caldis  anord. 
hoU,  vgl.  JoHANNSON,  K.  Z.  30,  435,  percello  *'Celdo  vgl.  clad^es  hom. 
xAcrcrcrai.')  Sekundäres  -W-  verbleibt,  daher  valde  caldus  (§  74).  -fo-  =  -lU, 
coUum  *colsum  got.  haha;  velle  ^vel-se,  facillimus  "^fadUsimo-.  -It-  :  bei 
tnellis  feüis  gr.  fiehr^  got.  milipa  skr.  harit-  ksl.  zlütt  dürfte  die  Assimi- 
lation nach  dem  Nom.  *mell  *feü  für  *meU  *feU  eingeführt  sein.*)  idg.  -rs- 
stets  =  lat.  -rr'j^)  error  got.  airzeis,  cerritus  „irre**  *cers-itO',  currere 
*cursere  asächs.  hross,  farreus  umbr.  farsio,  ferre  ^fer^se,  verrere  gr. 
ano{f:)€Qa€y  verres  skr.  var^d-,  terrere  umbr.  tursituto,  terra  *tersa,  torrere 
*torseregr.  Tägaofiai  got.  paurs^jan  „dursten**,  i^orrtim  gr. nQaaov  Grdf.  ^ppsö-; 
ebenso  im  kelt.  Lehnwort  serracum  aus  *sesracum  „Staatswagen**  ir.  sessrech 
sessrach^^)  und  im  etruskischen  Lehnwort  jBwrrcd/ws  =  etr.  (purse&ni,^^)    Ety- 


»)  Thubkäysen,  K.  Z.  26,  301  f.,  J. 
Schmidt.  K.  Z.  25,  22;  Brcomann,  Grundr. 
1,  §  221. 

*)  1,  646. 

3)  Bkzz.  B.  6,  239. 

*)  KöGEL,  P.-B.  Br.  7,  172  Anm.  1. 
Über  die  bisherigen  Auffassungen  dieser 
Formen  DbIoer,  Bist.  Synt.«  1,  819. 

*)  Vgl.  über  gr.  -y^o-  auch  Pauli,  Eine 
vorgnech.  Inschrift  von  Lemnos  S.  43  ff. 


«)  FicK  1,  175;  vgl.  auch  §  43.  Über 
/;  Fröhoe,  Bezz.  B.  3,  286  f. 

^)  Bruomann,  Grundriss  1,  S.  283. 

»)  OsTHOFP,  M.  U.  4,  328  Anm.,  Z.  G. 
d.  P.  531:  andere  Erklärungsversuche  von 
Fröhoe,  Bezz.  B.  7,  105,  und  W.  Meyer, 
K.  Z.  28,  167  f 

^)  AscoLi,  Lettera  glott.  62  N.  2. 

*^)  ScHRAOER,  Hist-ling.  Forsch.  1,  20. 

»»}  Pauli,  Altit.  Stud.  3,  25. 


312 


« 

B.  LateiniBchQ  Ghrammatik.    b)  Lateinisohe  Lautlehre. 


mologisch  nicht  vollkommen  klar  ist  dorsum,  vulgär  dossuni,^)  -rS'  aus 
-r<*f-  -rts-  -res-  bleibt,  daher  vorsi^s  arsi  ursm  (siehe  unten);  andererseits 
Übergang  in  -5S-,  so  russum  prossum,  dafür  auch  rusum  susum  CIL.  1, 
199,  7,  8,  15,  qudssum  =  *qtmrsum  *qtMvarsum,^)  unose  Pacuv.  213  Ribb.  I, 
unorsum  Lucr.  4,  162,*)  advosetn  Paul.  Festi  25,  17  u.  a.  bei  Gobssen  1, 
243.  Man  hat  in  diesem  sekundären  Übergang  von  -r5-  in  -s$-  wohl  einen 
Vulgarismus  zu  sehen. 

b.  Für  die  Nasale  gilt  im  allgemeinen  der  Grundsatz,  dass  sie  in  die 
homorganen  umgewandelt  werden.  Für  den  gutturalen  wurde  n  geschrieben, 
jedoch  von  den  Grammatikern  auch  g,  z.  ß.  agceps  aggulus*).  idg.  -mrf- 
=  lat.  -nd-  in  frendo  *frefndo  neben  fremere  gr.  xqonadog^^)  tandere  f. 
*tomdere  gr.  T€fiv(o  und  häufig  in  Zusammensetzungen,  wie  altl.  qttan-de, 
eorun-dem  ian-dudum  u.  a.  bei  Schweizer-Sidler,  Gramm. ^  §  74,  8.  In 
der  Litteratursprache  ist  mit  scheinbarer  Ausnahme  der  Stellung  vor  v  und  /*, 
wo  aber  die  consequente  Schreibung  mit  n  (nur  CIL.  1,  199,  8  comvalem, 
comvovisse  ib.  196,  13,  fal.  comvivia;  comfluont  CIL.  1,  199,  13)  durch 
die  Aussprache  ^  und  die  ursprünglich  interdentale  Natur  des  f  ge- 
rechtfertigt wird,  dieser  Grundsatz  überall  durchgeführt,  daher  m  vor  m  h 
p^  n  vor  n  d  i  s.  Das  ältere  und  vulgäre  Latein  schwankt,  daher  z.  B. 
damdum  damdam  CIL.  1,  206,  17,  49,  comductum  1,  200,  25  qaamtus  ib. 
206,  39  und  43,  conpre{ve\  i)mimda  Plaut.  Pseud.  409,  auch  ßUschlich 
'Cumque  für  etym.  berechtigtes  -cunquc  (§  15  b)  u.  a.  Seelmann,  Auspr.  269 
schliesst  daraus  mit  Recht,  dass  in  der  allgemeinen  Volkssprache  ein  Mittel- 
laut zwischen  n  und  m  gehört  wurde,  -ms-  scheint  durch  die  Mittelstufe 
■^ws-  zu  -SS-  geworden  zu  sein  in  pressi  aus  *premsi  *prensi,^)  und  in  den 
Adjektiven  auf -owsö-  -osso-,  vgl.  §  59,  4;  quunseiClL.  1,  200,  27,  aUrinsectis 
neben  altrim  secus  Plaut.  Pseud.  357  {secus  =  *sequos  (?)  Zimmermann, 
Arch.  f.  lat.  Lex.  4,  602  f.).  Nach  Erlöschen  dieses  Lautgesetzes  trat  an 
seine  Stelle  die  Einschiebung  des  Hilfskonsonanten  -p-,  daher  sumpsi, 
contempsL  Genau  so  ist  -mt-  nach  altem  ursprünglichem  Lautgesetze  = 
-nt-,  daher  ventum  *vemtum  skr.  gam-,'^)  centum  lit.  sztmtas,  umgekehrt 
tentare  (adtemtare  L  Non.  166,  17  M.)  neben  älterem  teniptare  lit. 
tenipiü;  jünger  em-p-tus^  sum-p-tus  (daneben  sumtum  libri  Lucil.  XXVI 
Fragm.  60  Müll.).  Vereinzelt  findet  sich  -nd-  zu  -»n-  assimiliert  in  grunnio 
altlat.  grundio,  dispennite  Plaut.  Mil.  1404  Rieb.,  distennite,  tennitur  Terent. 
Phormio  330,  331  Umpfenbach  und  einigen  anderen  Beispielen*),  z.  B. 
Verecunnus  CIL.  4,  1768.  Diese  überhaupt  mehr  volkstümliche  Assimilation 
ist  durch  den  Einfluss  des  Oskisch-umbrischen  zu  erklären.^) 

c.  Sind  Nasal  oder  Liquida  von  zwei  Verschlusslauten  bez.  Verschluss- 
laut und  Spirant  gefolgt,  so  wird  der  erste  der  beiden  Verschlusslaute, 
bez.  der  Spirant  ausgedrängt:  -Ics-  =  -Is-,  midsi  aus  "^mulc-sL     -UU  =  -ß-, 


*)  Bkambach,  Neug.  272;  Ritschl,  Op. 
2,  544  Anm. 

2)  Löwe,  Prodr.  341. 

3)  Götze,  C.  St.  1,  2,  156;  Lachmakn 
im  Kommentar^  S.  230;  Schönwerth-Wby- 
MANN,  Arch.  f.  lat.  Lex.  5,  202  f. 

*)  Priscian  bei  Keil,   Gr.  L.  2,  30,  12. 


^)  CuBTiüS,   G.  5,  221;   anders  Kluge, 
Et.  W.  8.  V.  „GrandV 

«)  Anders  W.  Mbteb,  K.  Z.  28,  172. 
')  Bbügmahn,  C.  St.  9,  326. 

^)  COBSSBN  1,  210. 

»)  G.  Meykb,  Z.  f.  d.  öst.  Gymn.  1885, 
283;  Immisch,  Leipz.  Stud.  8,  311. 


9.  Lautwandel  in  Eonsonantengmppen  u.  a.  kombinat.  LantwandeL  (§  66.)    313 


uÜus  *ulc-tus  ulcisci.  -Igs-  (bez.  -fc5-)  =  -fo-,  alsi  fulsi  von  alger e  fulgere. 
^tnbc-  =  -WC-,  atwaesa  Paul.  Festi  20,  3  Müll,  -mft^-  =  -mp-,  ampendices 
ib.  21,  5.  -nibs-  =  -»t5-,  amsegdes  amsedentes  aus  "^amb-segetes  u.  s.  w. 
-iif2)^  =  -w^,  amtermini  aus  *  amb-termini  *amptermini,  vgl.  redamptruei, 
älter  und  regelrecht  an/rtiare.  -«c^  =  -nf-,  gm'n/ti^^  doch  auch  Quinctus 
CIL.  1,  1008  gm'nc^  A  Plaut.  Trin.  523  nach  quinque;^)  immer  fufwtus 
iunciiis  mulctrum  aus  *fung-to-  ^iung-to^  ^mulg-tro-,  jedoch  später  wieder 
nantus  CIL.  3,  1635,  4;  defuntus  ib.  2137,  santo  ib.  8136.  Über  handschr. 
cunta  für  cuncta  u.  a.  Lachmann  zu  Lucret.  4,  727 ;  vgl.  auch  Arch.  f.  lat. 
Lex.  3,  21;  548  und  Mem.  d.  1.  S.  d.  1.  6,  261.  concUone  CIL.  1,  198, 
18  verschrieben  für  contiane.  -rds-  =  -rs-,  arsi  aus  *ard-si,  -rct-  =  -rt-, 
tartus  aus  *torC'tO'  *torqutO',  ierius  aus  "^terc-to-  "^terg-to^  Varro  Sat.  137,  1 
Riese,  fartis  altlat.  forctus,  refertus  sartus  St.  farc^  sarc-,  -res-  =  -rs-, 
urstis  skr.  fk^a-  gr.  a^xrog;  torsi  f.  *torC'Si  Horq^si.  -rgs-  (bez.  -res-)  = 
-rs-,  sparst  St.  sparg-.  -rzd-  =  -rd-,  hordeum  ^horzdeo^  ahd.  gersta,  turdus 
*turzdO'  ags.  prostle.^)    -rdc-  =  -rc-,  corculum  aus  *cord{t)-ch'. 

d.  Nur  in  den  Lautgruppen  -ns^-  -rsc-  und  -rs^-  sind  n  und  r  ge- 
schwunden, daher  bimestris  f.  ^bimenstri",  pistum  f.  *pinstum ;  poscere  *por' 
scere,  skr.  prchämi  ahd.  forscön;  Tuschs  umbr.  Twrscww;  fastigium  ^far- 
siigium  skr.  bhrsti-,  in  /cs^ws  manifestus  ^-ferstO"  skr.  dkr^fd-;^)  testamentum 
*  terstamentum  osk.  tristaamentud.  Dieselbe  Behandlung  zeigt  -rsp-  in 
Maspiter  neben  Marspiter  (von  Varro  und  Qellius  angeführt). 

e.  Unverändert  geblieben  sind  die  Lautgruppen  -wcs-,  -w.gs-,  -/ps-,  -rps-, 
wobei  CS  gs  =  X  und  i>s  eben  als  ein  Laut  zu  betrachten  sind,  daher  z.  B. 
planxi  sculpsi  serpsi  u.  s.  w. 

f.  Ein  Verschlusslaut  oder  Spirant  zwischen  Liquida  und  Nasalis 
wird  ausgedrängt:  -&n-  =  -In-:  alnas  Grdf.  *alsno-,  lit.  elksnis.  -rem'  = 
-rm-y  fulmentum  f.  ^fulc-mento^.  -rptn-  =  -rm-,  sarnientum  f.  ^sarp-mento-^ 
aber  sarpta  Fest  322.  -rcw-  =  -r»-,  wrna  aus  *wrc-wa,  vgl.  urceus,  quemiis 
^querc-no'.  -rzn-  =  -rti-,  cemutts  ^cerz-nuo-  skr.  itr^d-  gr.  xo^arj^  pema 
*perzna  skr.  pär^-ni-  got.  fairzna.  Nur  die  Lautverbindung  -nd^r-  ist  laut- 
gesetzlich in  -tiHr"  -nstr-  gewandelt  worden,  daher  z.  B.  tonstrix  Hondr-tric-, 
defenstrix  ^defend-tric-.     Vgl.  potestas  aus  *potent^iat-, 

g.  Zwischen  Nasalis  sonans  und  Liquida  werden  tonlose  Verschluss- 
laute in  tönende  gewandelt,  daher  angulus  aus  *af9klo'  vgl.  ancus,  singuU 
aus  *sfpkl(h'  *Sf9klo-,  so  wohl  auch  zwischen  doppelter  Nasalis  sonans  septin- 
genti  nongenti  aus  *  septfp'kfpto-  *ne^^'ktptO'. 

Auslaut 
66.  I.  Verschlusslaute  und  Spiranten.  1.  Doppelkonsonanz  wird 
im  Auslaute  nicht  geduldet,  daher  as  es;  os  scheint  durch  Assimilation  aus 
*osi  hervorgegangen  zu  sein,^)  wie  mel  aus  *meU;  darnach  erklärt  sich 
auch  die  Assimilation  in  den  Casus  obliqui.  2.  Auslautende  Konsonanten- 
gruppen werden  vereinfacht,  daher  lac  aus  *lact;  lad  F  Varro  d.  1.  1.  5, 
104  ist  Neubildung  nach  den  Casus  obliqui  (Brugmann,  Qrundr.  1,  S.  506). 


*)  Babtholoxae,  K.  Z.  29,  503. 
')  Bbzzevbbboeb,  B.  4,  346  A  2;  Kluge, 
P.-B.  Br.  8,  523». 


«)  Fböhde,  K.  Z.  18,  314. 

*)  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  530  f.  Anm. 


314  S*  Lateiniache  Grammatik,    b)  Lateinische  Laatlehre. 

Vgl.  Char.  bei  Keil,  Gr.  L.  1,  102,  4  und  Probi  cath.  ib.  4,  7,  4  f.; 
RiTscHL,  Op.  2,  574  f.  lade  allgemein  vulgärlateinisch  nach  Gröbeb,  Archiv 
f.  lat.  Lex.  3,  274.  3.  Wie  im  Inlaut  werden  die  folgenden  aus  Ex- 
plosiva -f"  ^  bestehenden  Eonsonantengruppen  behandelt:  t  d  -]-  s  =  -s 
(durch  die  Mittelstufe  ss)  im  Nora.  Sing,  der  Dentalstämme,  z.  B.  pes  aus 
"^ped-s,  und  in  den  aus  o-Stämmen  verkürzten  damnas  satMS  aus  *damnat^s 
^sanaUSy  vgl.  osk.  kürz  umbr.  pihaz.  Kehllaut  -j-  ^  =  -^,  z.  B.  lex  nex 
ex,  p  -{-  s  =  'PS  (ein  Laut  durch  zwei  Zeichen  ausgedrückt),  z.  B.  aps; 
hingegen  -bs  graphisch  nach  Ausstossung  eines  Vokales  in  plebs  scrobs  urbs 
(etymologische  Schreibung  wegen  der  obliquen  Kasus,  in  denen  b  regel- 
mässig war);  Ter.  Scaurus  Keil,  Gr.  L.  7,  27,  17  war  für  die  phonetische 
Schreibung  mit  -ps,  Varro  empfahl  urbs^  aber  Pelqps  wegen  Pelopis;  vgl. 
weiter  abs  subs  (§  50).     -eis  =  -a:,  z.  B.  nox. 

67.  II.  Verschlusslaute  und  Spiranten  in  Verbindung  mit  i  ^ 
Liquiden  und  Nasalen,  a.  Doppelkonsonanz  wird  vereinfacht,  daher  mel 
fei  far  aus  "^f^^rs  got.  batiz-eins  „gersten",  so  wohl  auch  ager  consul  u.  s.  w. 
aus  *agrs  Honsols  nach  Assimilation  des  Spiranten;  dagegen  fers  nach  agis 
u.  s.  w.  b.  Der  schliessende  Verschlusslaut  wird  abgeworfen:  -rd  =  -r  in 
cor  cord-is;  -rt  =  -r  in  topper  antiqper^)  umbr.  trüuper  osk.  petiropert; 
dagegen  beim  Zeitworte  fert  nach  den  Formen  mit  lautgesetzlich  erhal- 
tenem 't,  ebenso  vuU  est  c.  Vor  dem  dentalen  Spiranten  wird  der  Nasal 
ausgestossen,  so  im  vorhistorischen  Latein  agros  (Akk.  d.  Plur.)  aus  "^agrons, 
und  in  späterer  Zeit  bei  den  Zahladverbien  auf  -iefis;  so  auch  ^  und  i 
vor  5,  diBs  r^  aus  *dii&^s  *r^is.  In  trans  (vielleicht  Part,  von  Hrare)  scheint 
'IIS  aus  -nts  vereinfacht.^)  Eine  Ausnahme  macht  hiems^  wofür  lautgesetzlich 
*hietis  "^hi^s  zu  erwarten  wäre;  es  hat  den  labialen  Nasal  in  Anlehnung 
an  die  obliquen  Kasus  behauptet,  hiem-s  nach  hiem-is  u.  s.  w. ;  die  Schreib- 
weise hiemps  CIL.  1  S.  359  (vgl.  sumpsi  u.  s.  w.)  ist  durch  die  Grammatiker 
der  Kaiserzeit  verdrängt  worden.^)  In  den  Lautgruppen  -nts  -nds  -rts  -rds 
'Us  schwindet,  wie  im  Inlaute,  der  Verschlusslaut,  daher  frons  (St.  frofiU  und 
frond'),  ars  {art'\  Concors  (-cörd-)  puls  {pult-);  anderei*seits  bleibt,  wie  im 
Inlaute,  -^ics  (bez.  --nx)  intakt,  z.  B.  lanx  coniunx,  und  ebenso  auch  -Jcs 
-res  {'Ix  -rx)  z.  B.  falx  merx.  uUs  hat  sein  s  im  Anschluss  an  eis  be- 
hauptet.*) Nur  graphische  Bedeutung  hat  commers  Plaut.  Stich.  519  A, 
mers  Pseud.  342. s)  Wegen  des  Übergangs  des  auslautenden  -nt  in  -n5 
nach  Thurneysen,  Arch.  f.  lat.  Lex.  5,  575  f.,  vgl.  §  91,  D. 

Ausfall  von  Silben  durch  Dissimilation. 

68.  Die  erste  von  zwei  mit  demselben  Konsonanten  anlautenden  Silben 
wird  sehr  häufig  ausgestossen,  offenbar  um  die  Kakophonie  zu  vermeiden; 
darüber  vgl.  Fick,  K.  Z.  22,  98  und  besonders  Wölfflin,  Sitzungsber.  d. 
bayr.  Ak.  d.  W.  1882,  444  Anm.,  woselbst  die  ganze  Litteratur  über  diesen 
Gegenstand  verzeichnet  ist;  dazu  auch  Osthoff,  Paul-Braüne,  Beitr.  8, 
55 P,  jetzt  auch  Brugmann,  Grundr.  1,  §  643,  Schweizer-Sidler,  Gramm. « 


^)  BücHELER,  Arch.  f.  lat.  Lex.  1,  102  f. 

*)  Vgl.  jetzt  auch  Thielmank,   Arch.  f. 

lat.  Lex.  4,  248  f. 


3)  Brambach,  Neug.  249.  Op.  2,  656  f. 


^)  Brugmann,   Ber.   d.   k.  sächs.   6.  d. 
W.  35,  191. 

5)  Stüdemund,  Hermes  1,290 f.;  Ritscbi« 


9.  Lautwandel  in  Eonsonantengrnppen  n.  a.  kombinat.  Lautwandel.  (§  67—69.)  315 


§  46.  Besonders  tritt  dieser  Vorgang  in  Ableitungen  und  Zusammen- 
setzungen bei  zwei  mit  t  anlautenden  Silben  ein,  z.  B.  debilitare  *de- 
bilitfcUJare,  quottis  totas  *qitot[it]f4S,  vgl.  quotumus  V\a,ut,  Pseud.  962,  1173, 
*totUiiS  skr.  katithä-  tatithd-,  calamUosus  *calamü[at]osu$,  defitio  *dent[it]io 
{dentire),  poriorium  *port[it]orium^  nutric-  *nutr[itr]iC''  {nutritor);  ähnlich 
vestibulum  für  "^vestfi^stjibulum,  veneficus  für  *ven[en]e(i)-ficti8  u.  s.  w. 
Zwei  Silben  sind  ausgefallen  in  voluntarius  für  *volunt[atJarins  *volufit-' 
[itjatarius. 

Auslautgesetze. 

Vorbemerkung.  Die  im  Auslaut  vor  sich  gehenden  Änderungen  fallen  in  das 
Gebiet  der  Satzphonetik.  Die  Worte  bilden  im  Zusammenhang  des  Satzes  eine  £inheit 
und  daher  hängt  die  Gestaltung  des  Auslautes  von  der  Natur  des  Anlautes  des  folgenden 
Wortes  ab:  so  stand  z.  B.  schon  idg.  *peri  vor  Konsonanten,  *peri  vor  Vokalen.  Auf 
dem  Boden  der  Einzelsprachen  ist  dieses  ursprüngliche  Verhältnis  vielfach  getrübt  und  die 
eine  oder  andere  Form  allein  herrschend  geworden.  Im  allgemeinen  vgl.  BaueMANN, 
Grundr.  1,  S.  485  ff.  und  oben  S.  75  ff. 

69.  1 .  Auslautendes  ^  l  wird  häufig,  in  seltenen  Fällen  auch  ö  abgeworfen ; 
d  bt  geschwunden  in  ac  (atque),  nee  (neque),  hie  und  den  mit  -ee  zusammen- 
gesetzten Pronomina  und  Pronominaladverbia;  in  jüngerem  die  due  fae 
neben  älterem  diee  duee  face^)  (vgl.  §  116);  altlat.  siremp8{e);  in  den  Zu- 
sammensetzungen mit  ne,  als  quin  sin  aus  *qut  ne  *si  ne  *)  satin  viden  u.  s.  w. 
und  'Ve,  wie  neu  {neve),  seu  (stve),  eeu;  in  volup  neben  volupest  Plaut.  Truc. 
704,  Amph.  958,  994.  Nicht  ganz  klar  ist  das  Verhältnis  von  donee  und 
donicum^  jünger  donique^)  {doneum{?)  Plaut.  Most.  1,  2,  35  und  dune,  wenn 
nicht  letzteres  aus  ^dum-e  hervorgegangen  ist).  X  ist  abgefallen  *)  in  at, 
et  (gr.  iti)f  ut  {uti),  auf  (umbr.  ute  osk.  avti),  quot  tot  [toti-dem  skr.  kdti  tdti), 
dafür  quod  CIL,  1,  1016;  ferner  (wahrscheinlich  schon  in  uritalischer  Zeit) 
in  den  Personalsuffixen  primärer  Form;  ad  skr.  ddhi,  ob  gr.  ^W,  super 
gr.  vneiQ  skr.  updri,  per  gr.  ncQi',  Bei  den  mehr  als  zweisilbigen  Sub- 
stantiven auf  -al  und  -ar  neben  -are  -ale  (^  =  idg.  \  wie  bei  den  folgenden 
Adjektiven,  vgl.  §  26,  1)  liegen  Doppelformen  (erst^re  vor  Vokalen,  letztere 
vor  Konsonanten)  vor;  ebenso  wohl  auch  in  fädle  sitnile  gegenüber  faeul 
diffieuly  belehrend  facil  est  inventu  Plaut.  Trin.  679,  semol  ö  ist  sicher 
geschwunden  in  ab  gr.  ano,  vgl.  die  enklitische  Form  po-  in  po-situs  po-lio, 
sub  gr.  vn6\  so  auch  in  non  alt  noenum  (=  *ne  oinom),  nihil  neben  nihilum;^) 
sedum  für  sed  nach  Charis.  bei  Keil,  Gr.  L.  1,  112,  5  und  Mar.  Vict.  ib. 
6,  10,  13  halte  ich  für  eine  grammatische  Spitzfindigkeit,  u  ist  nach 
Osthoff,  M.  U.  4,  274  abgefallen  in  mox  aus  "^moxu  skr.  mak^ü,  mx  aus 
^vixu  zu  rfc-.ß)     Über  den  tönenden  Laut  in  ab  ob  sub  §  50.^) 

2.  Über  die  Kürzung  der  Vokale  in  Endsilben  vgl.  §  13,  7  und  40  B. 


')  Nbub  2,  438. 

*)  RiBBBCK,  Z.  Lehre  v.  H.  lat.  Part.  14  f. 

')  ZiMMERMANK»  Arch.  f.  lat.  Lex.  5  569  ff. 
Nicht  möglich  ist  die  Ahstraktion  des  danec 
aus  missverständlich  entstandenem  ^done- 
ccum,  weil  die  Konsonantendehnung  mir  nach 
betontem  Vokal  auftreten  kann.  Bezüglich 
der  Etymologie  ist  das  aus  Inschr.  d.  Eaiser- 
zett  von  Z.  belegte  quan-dane  zu  beachten. 
^do-ne  wie  pone  superne  slav.  da  ^zu,  bis* 
kelt.  da  du  ,bis,  zu*' 


*)  Vgl.  Staoelmann,  De  quant,  voc. 
66  f.,  welcher  mit  Recht  behauptet,  die 
Formen  ohne  -i  seien  vor  Vokalen  ent- 
sprungen und  dann  verallgemeinert  worden. 

*)  Vgl.  auch  Bruomann,  M.  ü.  3,  9  f., 
Fröhdk,  Bezz.  B.  7,  104. 

^)    ^S^'  J6^^  AUCli   SCHBAOEB,     K.   Z.    30, 

477 ;  Henby,  U4m.  d.  1.  S.  d.  1.  6,  377,  der 
aber  vix  fUr  den  Nominativ  zu  vicis  hält  (!). 
7)  Vgl.  auch  Osthoff,  M.  U.  4,  265. 


316 


B.  Lateinische  Orammatik.    b)  Lateinische  Lautlehre. 


3.  Die  auslautenden  Konsonanten  s,  m,  n,  r,  l  sind  in  der  Regel  in- 
takt erhalten,  so  im  Nom.  d.  Sing,  der  Mask.  und  Fem.,  in  den  Nom.  auf 
-mew,  ßen,  ren^  bei  den  Nom.  auf  -er,  in  sol  u.  s.  w.  Im  Nominativ  d. 
Sing,  der  on-Stämme  war  der  Schwund  des  n  bereits  in  idg.  Zeit  erfolgt, 
wie  in  ego,^)  alioquin  ceteroquin  neben  alioqui  ceieroqui  sind  sicher  genug 
beglaubigt,^)  aber  kaum  etwas  anderes  als  gelehrte  Produkte,  wie  (Uquin 
Stat.  Theb.  6,  161.  Auslautendes  s  ist  nicht  in  r  übergegangen  (im  Nom. 
der  8-Stämme),  sondern  durch  Analogie  eingeführt;  vgl.  §  59,  5.  Auslau- 
tendes idg.  ^  ist  im  Lateinischen  durch  /  und  d  reflektiert  in  Verbalformen, 
worüber  vgl.  §  97.  Übrigens  müssen  d  und  t  nach  Vokalen  im  Auslaute 
sehr  ähnlich  geklungen  haben,  daher  aput,  zuerst  bezeugt  CIL.  1 ,  206,  15 
und  öfter  neben  apud^  haut  haud  CIL.  1,  1306  und  hau  (zunächst  vor 
Konsonanten)  ib.  1007;  so  wechseln  d  und  t  im  Auslaut  auf  den  Denk- 
mälern der  augusteischen  Zeit,')  z.  B.  dliquod  für  -quot  Mon.  Anc.  II,  25, 
adque  =  atque  ib.  IV,  30,  und  auf  denen  der  folgenden  Zeit.^)  Vgl. 
übrigens  Anm.  1.  Geschwunden  ist  urspr.  d  nach  langem  Vokal  im 
Ablativ  Sing,  (endgiltig  nach  576  u.  c.),^')  in  den  zu  Präpositionen  erstarrten 
extra  extrad  Sc.  d.  Bacch.  intra{d];  in  de  osk.  dat  Die  Form  pos  z.  B. 
pos  tenipus  CIL.  1,  1454,  pos  templum  5,  4056,  arch.  posquam  Plaut 
Pön.  104,  Verg.  Aen.  3,  1  Ribb.^)  ist  nach  meiner  Ansicht  ursprünglicher 
als  post  und  wohl  aus  *po  (=  *apo)  -\-  s  entstanden,  vgl.  pone  =  *po8'ne; 
hingegen  post  =  pos-te  Plaut.  Asin.  915  B,  Merc.  370,  posted  aus  handschr. 
postea  Asin.  709,  wie  an-tej)  Vgl.  ausser  dem  von  Osthoff  a.  a.  0.  Bei- 
gebrachten  umbr.  pus  alban.  pas.^) 

Auslautendes  m  war  ein  sehr  reduzierter  Laut:  „Die  Artikulation 
wurde  nach  Abschluss  des  Vokales  (der  letzten  Silbe)  höchstens  nur  bis 
zur  Schliessung  der  Lippen  vollzogen  und  dann  mit  einem  Male  abge- 
brochen, infolge  dessen  anstatt  eines  vollständigen  m  nur  der  Übergang 
von  der  Vokal-  zu  der  tn-Stellung  hörbar  wurde **.^)  Daher  das  häufige 
Fehlen  des  -m  auf  archaischen  und  vulgären  Inschriften  und  die  Vokal- 
verschleifung zwischen  einer  auf  Vokal  -|-  ^  auslautenden  und  einer  mit 
Vokal  anlautenden  Silbe  in  der  lat.  Poesie.  Auch  auslautendes  -s  nach 
Vokalen  ist  auf  archaischen  Inschriften  sehr  häufig  nicht  geschrieben, 
während  das  klassische  Latein  es  durchaus  schreibt  und  erst  die  In- 
schriften der  späteren  Kaiserzeit  es  wieder  weglassen.    Während  man  früher 


')  Osthoff,  M.  U.  1,  256,  G.  Mbybb,  Gr. 
Gr.'  §  314.  Eine  Vermutung  über  den  Grund 
bei  dem  letztgenannten  Worte  spricht  Ost- 
hoff, M.  U.  1,  258  aus ;  „Satzdubletten *^  nach 
Havet,  M6m.  d.  1.  S.  d.  1.  4,  274  f. 

2)  Geobges,  Lex.  lat.  Wortformen  s.  v. 
gegen  Ribbbck,  Beitr.  z.  Lehre  v.  d.  lat. 
Part.  20,  Lachmann  zu  Lucret.*  S.  19. 

*)  BücHBLEB,  N.  J.  99,  485;  Sbelmann 
366  f. 

*)  Bbambach,  Neug.  332. 

^)  Der  Schwund  trat  zuerst  vor  konso- 
nantischem Anlaut  des  folgenden  Wortes  ein, 
vgl.  Multi  diu  e  Tröia  strenui  viri  venire 
(Naevius  13  Müll.)  und  Noctü  Troidd  exi- 


hant  etc.  (Troiade  cod.)  (ib.  7).  Vgl.  auch 
RiTSCHL,  Neue  Plaut.  Exkurse  I,  Leipzig  1869. 

«)  RiTscHL,  Op.  2,  548  ff.,  Neue  2  736, 
Ribbeck,  N.  J.  77,  187.  W.  Meybb  bei 
Gböbbb,  Grundr.  d.  rom.  Phil.  1,  363  scheint 
pos  für  jünger  zu  halten  (antekonsonantische 
Form).  OS  de  {=  <n8t  de)  P  Verg.  Aen.  10, 
743  Ribb.  möchte  kaum  dafür  beweisend 
sein,  vgl.  Scholl  Leg.  XII  tab.  rel.  108 
Anm.  2. 

^)  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  531. 

^)  G.  Meybb,  Bezz.  B.  8,  188. 

^)  Danielsson  bei  Pauli,  Altit  Stod. 
3,  199  Anm.;  vgl.  Sxblmann  356  ff.;  Bbuo- 
MANN,  Grundr.  1,  S.  178. 


10.  Betonimg.  (§  70.)  317 

allgemein  die  schwache  Artikulation  des  auslautenden  -s  hiefür  als  Orund 
anführte,  vermutet  Brugmann,  Orundr.  1  S.  507  f.,  dass  wir  es  hiebei 
mit  einer  satzphonetischen  Erscheinung  zu  thun  haben,  ähnlich  wie  im 
Inlaute  -s-  in  gewissen  Konsonantengruppen  schwand,  und  dass  in  der 
Schriftsprache  infolge  grammatischer  Reflexion  und  Rücksicht  auf  die  Deut- 
lichkeit der  Wortform  die  Formen  mit  -s  die  allein  herrschenden  wurden. 
magis  mage^ »)  potis  pote,  die  2.  Sgl.  d.  Pass.  auf  -ris  und  -re  sind  von  Anfang 
an  verschieden ;  ve  in  si-t'e?  ne^ve  u.  s.  w.  nicht  mit  Corssen  2,  246  auf  vis 
(vgl.  quam-vis)  zurückzuführen,  sondern  zu  skr.  vä  zu  stellen.*)  Vgl.  über 
den  ganzen  Gegenstand  noch  Ritschl,  Op.  4,  404  f.,  Gorssen  2,  649  f.,  666; 
1,  183  f.,  W.  Meyer  bei  Gröber,  Qrundr.  d.  rom.  Phil.  1,  363.  Über  den 
spätlateinischen  Abfall  des  auslautenden  -t,  der  in  fal.  cupa  Zvet.  Inscr. 
It.  med.  60  ein  Analogen  in  alter  Zeit  hat,  vgl.  Rönsch,  N.  J.  121,  69  f. 
Übrigens  war  -t  nach  dem  Ausweis  des  Altfranzösischen  noch  zur  Zeit  der 
Eroberung  Galliens  erhalten.  3)  Über  die  auslautenden  Eonsonantengruppen 
§  66,  67. 

Anmerkung  1.  Dass  die  allgemeine  Volkssprache  den  Auslautskonsonanten  an 
den  anlautenden  des  folgenden  Wortes  assimilierte  (relativer  Auslaut),  zeigen  die  inschrift- 
lich nicht  selten  vorkommenden  Schreibweisen,  wie  at  tefftUas  CIL.  1,  1252,  im  fronte 
1104,  imprivaium  ib.  200,  27,  und  aus  späterer  Zeit  im  halneum  4,  2410.  im  mwo  5,  405(>, 
im  pace  8,  5493  und  häufig  auf  christlichen  Inschriften;  vgl.  Sbelmann  361,  364.  Viel- 
leicht war  auch  der  Wechsel  von  sed  set  (oben  haud  haut)  ui  sprünglich  also  geregelt. 
Wenig  ist  auf  handschriftliche  Beispiele  zu  geben,  vgl.  indes  Lachmann  zu  Lucret.  3,  385, 
Ribbeck,  Ind.  Verg.  S.  396.  Vgl.  auch  at  te  (=  ad  te)  Ter.  Eun.  123,  310,  ad  (=  at) 
diligenter  ib.  207;  ad  ita  (=  at  ita)  Licinius  Calvus  nach  Chans,  bei  Keil,  Gr.  L.  1,  229,  9; 
forsam  potui  R  P  Verg.  Aen.  4,  19  Ribb.  (aUerdings  auch  forsitam  ülum  P  R  Ecl.  6,  58). 
Ober  forsam  Ribbeck,  N.  J.  77,  188. 

Anmerkung  2.  Hier  mag  auch  auf  die  satzphonetische  Erscheinung  der  Ver- 
Bchleifung  des  anlautenden  Vokales  in  itast  mest  (—  me  est),  sententiast,  sitast  [darnach 
auch  autefnst  situst  situmst]  aufmerksam  gemacht  werden,  wobei  e  verloren  ging;  vgl. 
Brcomann,  Grundr.  1  §  656,  1.    Ausführliche  Nachweise  bei  Cobssbn  2,  646  f.,  852  f. 

10.  Betonung. 

Wesen  des  lateinischen  Accents. 

70.  Seit  Weil  und  Benloew  (Theorie  generale  de  Taccentuation  Latine 
Paris  1856),  denen  Corssen  2,  797  im  wesentlichen  beistimmt,  war  man 
gewohnt,  den  lat.  Accent  gleich  dem  der  indischen  und  griechischen  Sprache 
als  rein  musikalisch  aufzufassen;  nur  Langen,  Phil.  31,  98  f.  (und  neuer- 
dings N.  J.  113,  620)  sah  in  ihm  „die  Übergangsperiode  in  der  Betonung". 
Richtiger  fasste  ihn  Scholl  (Act.  soc.  phil.  Lips.  6)  als  im  wesentlichen  iden- 
tisch mit  unserem  modernen  Accente.  Streng  wissenschaftlich  muss  man  mit 
Seelmann  S.  11  den  lat.  Accent  im  wesentlichen  als  exspiratorisch-ener- 
gisch  bezeichnen.  Es  erfahrt  also  die  den  Hauptiktus  tragende  Silbe  nicht 
nur  eine  Tonerhöhung  (dies  das  charakteristische  Zeichen  des  musikalischen 
Accentes;  „une  note  musicale  plus  elevee**  Weil  und  Benloew),  son- 
dern auch  eine  Tonverstärkung  („intentio"  nach  Cledonius,  „plus  sonaf* 
Servius  comm.  in  Don.).  Nur  aus  dem  exspiratorischen  Charakter  des  lat. 
Accentes  erklärt  sich   seine  Tendenz   von   den  Endsilben    möglichst   weit 

»)  Mahlow,  D.  1.  V.  45.  3)  Gröber.   Arch.   f.  lat.   Lex.  1,  20  f., 

*)  OsTHOFP,  Z.  G.  d.  P.  128.  Gbykr,  ib.  2,  42. 


318  B.  Lateinische  Grammatik,    b)  Lateinische  Lautlehre. 

zurückzutreten  (im  Hochlateinischen  bis  auf  die  dritte  Silbe,  Dreisilben- 
gesetz), sein  Einfluss  auf  die  Quantitätsverhältnisse,  die  Verstümmelung 
und  Abschleifung  der  Endkonsonanten  eines  Wortes  und  die  Wegwerfung 
einzelner  Endsilben  (siehe  §  69),  wofür  Scholl  20  f.  einen  absolut  unstich- 
haltigen Qrund  beibringt.  Besonders  sei  hervorgehoben  die  Verkürzung 
betonter  Vokale  unter  dem  Einfluss  des  exspiratorischen  (geschnittenen) 
Accentes  {mtlia,  aber  mit  Kürzung  milUaj  wenn  auch  ersteres  besser  bezeugt 
ist),  worüber  man  vgl.  §  40,  A  3.  Neben  dem  exspir.  Acc.  (Exspirations- 
intensität)  hat  aber  von  alters  her  die  Quantität  der  Silben  (Exspi- 
rationsextensität)  einen  wesentlichen  Einfluss  auf  die  Aussprache  aus- 
geübt und  nach  einer  Zeit  des  Kampfes  zwischen  beiden  (über  die  Spuren 
desselben  vgl.  unten)  hat  sich  für  die  hochlateinische  Sprache  das  Gesetz 
herausgebildet,  dass  lange  Pänultima  stets  den  Hauptiktus  auf  sich  zieht. 
Mithin  sind  für  die  hochlateinische  Betonung  drei  Faktoren  massgebend: 
1.  Das  Dreisilbengesetz  (wie  in  der  griechischen  Sprache),  2.  die  Bary- 
tonesis  (wie  im  Äolischen),  3.  die  Herrschaft  der  Pänultima.  Scheinbare 
Ausnahmen  von  dem  zweiten  Gesetz  erklären  sich  entweder  durch  Apokope, 
z.  B.  illic  isticy  tantön  dixin  und  andere  mit  dem  enklitischen  Frageworte 
-ne  zusammengesetzte  Wörter,  oder  durch  Synkope,  so  Arpinds  Samnis 
(aus  ArpinäHs  Samnitis),  Campdns  {Campdnus),  die  allerdings  möglicher- 
weise nicht  acht  lateinische  Nominativbildungen  waren,  vgl.  Brugmann, 
Grundriss  1,  S.  551,  disturhdt  audit  (Perf.).  Über  Väleri  und  die  gleich- 
gebildeten Vokative  vgl.  §  80  Anm.  Von  dem  dritten  Gesetze  weichen  ab 
die  Verbindungen  von  der  Art  wie  itaque  (wenn  ^que  wirkliche  Kopulativ- 
partikel ist),  sowie  die  mit  den  enklitischen  -ve  -ne.  Betreffs  der  von 
den  Grammatikern  überlieferten  Lehre  von  der  Oxytonierung  gewisser  Ad- 
verbien und  Präpositionen,  z.  B.  ergo  (Präp.)  zum  Unterschiede  von  ergo 
(Konj.),  ist  Seelmann  S.  39  f.  Recht  zu  geben,  der  die  diesbezüglichen  An- 
gaben der  Grammatiker  mit  Recht  auf  die  Proklise  dieser  Worte  bezieht. 
Anders  urteilen  Corssen  2,  808  f.  und  Scholl  62  f.  Die  griechischen  Lehn- 
wörter wurden  im  Altlateinischen  nach  den  lateinischen  Accentgesetzen 
betont,  daher  z.  B.  mina  epistula  Herdes  neben  gr.  nvä  iniatoXri  ^HqccxXTfi 
und  andere  Beispiele  bei  Seelmann  42;  im  Hochlatein  galt  zum  Teil 
derselbe  Grundsatz  oder  die  griechischen  Wörter  wurden  als  wirkliche 
Fremdwörter  behandelt  und  behielten  daher  auch  die  ihnen  im  Griechischen 
eigene  Betonung,  soweit  dies  nach  den  allgemeinen  Betonungsgesetzen  des 
klassischen  Latein  möglich  war. 

Formen  des  Accents. 

71.  1.  Der  Acutus  ist  der  Haupt-  und  Hochton  des  Wortes;  er 
steht  auf  allen  kurzen  Tonvokalen,  ebenso  auf  der  drittletzten  Silbe  mit 
langem  Vokal,  sowie  auf  dem  langen  Vokal  der  vorletzten  Silbe,  wenn 
dieser  eine  lange  Schlusssilbe  folgt.  ^) 

2.  Der  Circumflexus  ist  charakterisiert  durch  ein  anfangliches  Auf- 
steigen und  allmähliges  Sinken  der  Stimme.  Nach  den  Lehren  der  Gram- 
matiker steht  er  auf  der   langen  Pänultima,    wenn   die  Endsilbe   kurz   ist, 

')  Seelmann   44  ff.,  woselbst   auch   die  wichtigsten  Stellen  verzeichnet  sind. 


10.  Betonimg.  (§71—73.) 


319 


auf  einsilbigen  Wörtern  mit  langem  Vokal  und  auf  den  oben  erwähnten 
illie  Samnis  u.  s.  w.  Übrigens  ist  es  mehr  als  wahrscheinich,  dass  diese 
Accentart  eine  gelehrte  Fiktion  der  Grammatiker  ist,  wie  Langen  in  seiner 
Dissertation  De  Gramm.  Lat.  praeeeptis  quoad  ad  accentum  spectant,  N.  J. 
79,  47,  Scholl,  cap.  IV  auszuführen  gesucht  haben. ^) 

3.  Der  Gravis  (wohl  zu  unterscheiden  von  dem  jetzigen  technischen 
Ausdruck,  Sievers,  Phon.  165)  gilt  als  Charakteristikum  für  alle  neben- 
tonigen (mit  einer  gleich  zu  erwähnenden  Ausnahme)  und  schwachtonigen 
Silben.    Diese  ist 

4.  Die  prosodia  media,  welche  nach  den  unzweifelhaft  richtigen 
Ausführungen  Gobssen's  die  Iktussilbe  des  ersten  Gliedes  der  Komposita 
oder  bei  vielsilbigen  Wörtern  die  Stammsilbe  triflFt,  z.  B.  niisericordia,  üno- 
mdmmiay  Ibngi-tüdo.  Fälschlich  hatten  Weil  und  Benloew  die  pr.  m.  dem 
der  betonten  Silbe  vorausgehenden  und  nachfolgenden  Vokal  zugeschrieben, 
Hadley  und  Misteli  sie  dem  indischen  „svarita"  gleichgestellt  und  als 
«Mittelton^  hinter  dem  „Hochton"  gefunden. 

Aomerkung  1.  Dieser  Nebenton  ist  ursprünglich  der  Hauptton  gewesen,  der  durch 
den  sich  entwickelnden  Nebenton  verdrängt  wurde.  Ober  die  Bedeutung  des  Nebentones 
der  ersten  Silbe  für  die  romanischen  Sprachen  (bez.  das  Vulgärlatein)  siehe  die  Stelle  aus 
Thubkktsen,  Revue  Celt.  VI,  313  (mir  unzugänglich)  bei  BMTGMAifir,  Grundriss  1,  S.  551. 

Anmerkung  2.  Über  Abweichungen  des  Vulgärlatein  in  der  Betonung  vgl.  ISbbl- 
MANN  S.  47  f.  Eine  grosse  Zahl  von  Ausnahmen  in  der  Betonung  (*trlginta,  *tnfolium  u.  s.  w.) 
sucht  D'Ovmio  in  Zeitschr.  f.  rom.  Phil.  8,  82  f.  in  anderer  Weise  zu  erklären;  jedoch  vgl. 
die  Gegenbemerkungen  Sbblmann's  391  f.  und  Gröber,  Arch.  f.  lat.  Lex.  5,  125  f. 

Enklisis  und  Proklisis. 

72.  Über  diese  Vorgänge  genügt  es  auf  Corssen  2,  835  f.,  Kühner 
§  51,  ScHWEiZER-SiDLER,  Gramm.*  §  8  f.  zu  verweisen;  dazu  Scholl,  cap. 
IV,  eine  Übersicht  auch  bei  Bouterwek-Tegge  die  altsprachliche  Orthoepie 
S.  20  f.     Vgl.  ferner  Brugmann,  Grundr.  1 ,  S.  549  f. 

Ältere  Betonung  des  Lateinischen. 

73.  In  vorhistorischer  Zeit  herrschte  in  der  lat.  Sprache  das  allgemeine 
Gesetz,  dass  der  Ton  möglichst  weit  von  dem  Wortende  zurückgezogen, 
also  auf  die  erste  Silbe  gelegt  wurde  (Folge  der  exspiratorischen  Betonungs- 
weise).    HiefQr  die  Beweise: 

1)  Schwund  des  Vokals  der  dritten  oder  vierten  Silbe  als  der  nach- 
tonigen nach  altem  Gesetz  (siehe  den  folgenden  Paragraphen),  und  zwar 
a)  bei  den  griech.  Lehnwörtern  Polliices  Pollux  für  *Pöl{u)deuces,  vgl. 
etr.  pultuke  und  Jordan,  Krit.  Beitr.  29,  cupressus  für  *cup{e)ressus  (das 
gelehrte  cyparissi  erst  bei  Vergil  Aen.  3,  680),  halneum  für  *bdl{i)neum 
gr.  ßaXaveioVj  balineae  Plaut.  Merc.  126,  Asin.  357,  praen.  Acmemeno  für 
*Ac{a)meni{€)no;  b)  bei  den  lat.  Wörtern  optimus  neben  opitumm  (von 
ojji-  vgl.  Ugi-timus),  bei  den  Superlativen  maximus  oxime  proximus  für 
^mdg[%)S'imo^  *öc{i)S'ime  *pr6q{t)S'imO'  (vgl.  §  92),  iuxta  für  *mg{i)S'ta; 
bei  den  Compositis  Benventod  (CIL.  1,  19),  benficium  Plautus,  Naepor  für 
*Ndev{I)p<>ver,  puerpera  für  *p6vr{o)peray  nuncupo,  vom  Adj.  *nimi-capiis 
(vgl.  §  94  numi'Clator),  oinvorsei,  opiter  für  '^dv{t)2)ater,  opilio  für  *ov{i)pilio, 


^)  Neuerdings   hält  Langen,  Philol.  31, 
119  den  lateinischen  Cirkumflex  für  die  Be^ 


tonung  eines  langen  Vokales,  den  Akut  für 
die  eines  kurzen. 


320  S«  Lateinische  Orammatik.    b)  Lateinische  Lautlehre. 

vindemia;  undecim  für  *iinu{s)decifn,  quindecim  aus  *quinquedecim;   bei  den 
reduplizierten  Perfekten  reccidi  repperi  rettuli  für  *rec{e)cidi  u.  s.  w. 

2)  Betonung  der  drittletzten  Silbe  bei  ursprünglich  langer  Paenultima, 
die  infolge  des  Zurücktretens  des  Accents  gekürzt  wurde:  a)  in  den  griecb. 
Lehnwörtern  ancMra  crepXda  neben  ayxvga  Akk.  xQTjmda;  b)  in  den  lat. 
Wörtern  pei^o  für  *periüro  (vgl.  §  27),  fesira  aus  *fen{e)8tra,  sortus  aus 
*8ii-r{e)C't(h. 

3)  Die  Vokalisation  der  nachtonigen  Silbe;  a)  Vokalschwächung  der 
drittvorletzten  Silbe  a)  in  den  griech.  Lehnwörtern  prän.  AUxentrow,  Agri- 
gentum  gegenüber  ^Akh^avdQov^  Akk.  Uxqdyawa^  Massilia  für  .  Maaaah'a; 
ß)  in  den  lat.  Compositis  mit  hene-  und  male^  nach  älterer  Weise  heni-volus 
{*benivolus)  M.  s.  w.,  worüber  Ritschl,  Op.  2,  556  f.,  Brambach,  Neug.  179; 
in  dimidius  {demediam  CIL.  7,  140  rekomponiert),  indigeto  für  Hndu-^eto 
(über  letzteres  Wort  Corssen,  De  Volscorum  lingua  18),  inquilinus  für 
'^inquelino-,  praefisdni  für  *prdefascini  (Ribbeck,  Zur  Lehre  v.  d.  Part.  3), 
per-niC'ies  W.  nee-;  in  den  mit  Präpositionen  zusammengesetzten  Verben, 
wie  prae-hibeo,  pro-hibeo  nach  urindog.  Gesetz  der  Enklisis  (Bruomann, 
Grundriss  1,  S.  549);  endlich  in  igitury  das  nach  Hartmann,  E.  Z.  27,  558 
aus  agitur  entstanden  ist,  zunächst  aus  der  enklitischen  Verbindung  quid 
igitur  (anders,  aber  wenig  wahrscheinlich  Immisch,  Woch.  f.  klass.  Phil.  4 
(1887)  262  Anm.;  eine  noch  weniger  haltbare  Vermutung  bei  Per  Pesssok, 
Stud.  etym.  43  Anm.).  b)  Vokalschwächung  in  der  zweitvorletzten  Silbe, 
und  zwar  a)  der  griech.  Lehnwörter  Tarentum  gr.  Akk.  Tagovra,  canistrum 
gr.  xdvaaTQov  (zugleich  auch  unter  2a  gehörig);  ß)  in  den  Perfekten i>6perc* 
fefelli  und  ganz  besonders  in  der  §  27  besprochenen  Schwächung  der  Vokale 
in  der  Zusammensetzung,  die  trotz  aller  Gegenbemerkungen  nur  durch  die 
ältere  Betonung  erklärt  werden  kann.  Zwar  in  Fällen  wie  *c(mfdcio  cön-- 
ficis  cönfidt  könnte  man  an  Ausgleichung  denken  (conficio  nach  den  beiden 
anderen  Personen  und  nach  dem  Singular  der  Plural),  aber  anhelo  concldo 
conscendo  für  *anhalo  Honcaedo  *conscando  und  überhaupt  alle  Fälle,  in 
denen  der  geschwächte  (lange)  Vokal  der  zweiten  Silbe  nach  den  Betonungs- 
gesetzen des  Hochlateinischen  den  Ton  tragen  müsste,  können  nur  unter 
der  Voraussetzung  der  Betonung  des  Präfixes  erklärt  werden.  Dieses  Ge- 
setz der  Abschwächung  des  nachtonigen  Vokals,  das  in  seinen  Anfangen 
uralt  ist,  ist  erst  in  der  Periode  des  Sonderlebens  der  lateinischen  Sprache 
weiter  ausgebildet  worden,  da  die  umbrische  und  oskische  Sprache  nur 
einige  wenige  mehr  oder  minder  sichere  Spuren  desselben  aufweisen.  So 
scheint  auch,  wie  bereits  §  36,  2  bemerkt  worden  ist,  die  Vokalsynaloiphe 
in  dego  nego  u.  s.  w.  älter  als  die  Schwächung  der  Vokale.  Das  Gesetz 
der  Vokalschwächung  wurde  gekreuzt  von  dem  später  zur  Herrschaft  ge- 
langten Dreisilbengesetz.  Aus  dieser  Zeit  des  Kampfes  stammen  altlat. 
Formen,  wie  confldges,  obtrdctaty  abdrcet  aspdrgo  u.  s.  w.,  in  denen  sich 
unter  dem  Schutze  des  Hochtons  der  ursprüngliche  Vokal  erhalten  hat. 
Allerdings  fällt  mitunter  die  Entscheidung  schwer,  ob  wir  es  mit  Resten 
uralter  Formen  (aus  der  Zeit  vor  dem  allseitigen  Durchdringen  der  Vokal- 
schwächung in  Zusammensetzungen)  oder  mit  solchen  Formen  zu  thun 
haben,  die  unter  dem  Einflüsse   des  Dreisilbengesetzes  rekomponiert  sind, 


10.  Betonung.  (§  74.)  321 

wie  dies  sicher  bei  vielen  vulgärlateinischen  Formen  der  Fall  ist.  0  Über- 
haupt spiegelt  sich  dieser  Kampf  der  beiden  Gesetze  —  Vokalschwächung 
und  Dreisilbengesetz  —  in  dem  im  ganzen  Verlaufe  der  Geschichte  der 
lateinischen  Sprache  herrschenden  Schwanken  des  Gebrauches  bei  Zusammen- 
setzungen, z.  B.  de-  repango,  aber  infringo  (vielleicht  mag  hier,  ebenso  wie 
bei  expando  neben  expendo,  das  Streben  mitgewirkt  haben,  die  neuent- 
standenen Komposita  von  denen  mit  i^m^o  pendo  zu  unterscheiden),  comparo 
reparOy  aber  schwankend  aequiparo  und  aequipero  u.  a.;  natürlich  kommt 
in  den  letzterwähnten  Fällen  daneben  auch  der  Einfluss  der  Simplicia  in 
Betracht«) 

Anmerkung  1.  Die  Zeit,  bis  zu  welcher  dieses  alte  Betonungsgesetz  allgemein 
wirksam  blieb  (die  Volkssprache  bat  es  grösstenteils  bewahrt),  lässt  sich  kaum  genau  be- 
stimmen. Jedesfalls  war  es  noch  im  fünften  Jahrhundert  der  Stadt  lebendig,  aus  welchem 
die  pränestinischen  Bronzen  stammen. 

Anmerkung  2.  Die  früher  von  mir  vertretene  Ansicht,  dass  aus  Formen  wie 
navis  bovis  wegen  der  Erhaltung  des  if  auf  Oxytonierung  geschlossen  werden  müsse  (vgl. 
§  14),  ist  fraglich,  weil  die  Zurückziehung  des  Accentes  auf  die  erste  Silbe  schon  allgemein 
italisch  ist  Vgl.  Bbuomank,  Gmndriss  1,  S.  549.  £.  A.  Whabtok,  A  law  of  latin  accen- 
tuation  kenne  ich  nur  aus  Berl.  Phil.  Woch.  1885  No.  5. 

Anmerkung  3.  Eine  ältere  Betonung  des  Lateinischen  ist  schon  von  Weil  und 
Benloew,  Theorie  g^n^rale  de  Taccentuation  latine  p.  105  ff.  und  Dibtbich,  K.  Z.  1,  543  f. 
behauptet,  besonders  aber  von  Cobsskn  2,  892  ff.,  Krit.  Beitr.  568  ff..  It.  8pr.  449  ff.  mit 
grossem  Nachdruck  verfochten  worden.  Dagegen  haben  sich  unter  andern  besonders 
CuBTiüs,  K.  Z.  9,  321  ff.,  Stud.  4,  223  ff.,  Scholl  1.  1.  c.  VI,  Ebdbkbeboeb,  De  vocalibus 
in  altera  compositarum  vocum  lat.  parte  attenuatis  diss.  Lips.  1883  ausgesprochen.  In 
neuester  Zeit  hat  Sbblmahn,  Wesen  und  Grundsätze  d.  lat.  Accent.  Leipzig  1884  und  auch  in 
seinem  Bache  ,Die  Aussprache  des  Latein*  S.  30  ff.  die  Ansicht  vertreten,  dass  der  Accent 
im  Lateinischen  möglichst  weit  vom  Wortende  zurückzutreten  strebe.  Eingehend  suchte 
der  Verfasser  dieser  Lautlehre  den  Beweis  hiefÜr  zu  erbringen  in  Wiener  Studien  8,  149  ff. 
Auch  Thübkbysen,  Der  Satumier,  Halle  1885,  S.  31,  Bbuomanv,  Grondriss  1,  S.  549,  Ost- 
HOFF,  Arch.  f.  lat  Lex.  4,  464,  Hbnby,  Pr^cis  S.  100  haben  sich  für  die  Ansicht  aus- 
gesprochen, dass  in  vorhistorischer  Periode  des  Latein  die  erste  Silbe  den  Accent  trug. 
Die  zur  Verteidigung  der  älteren  Ansicht  vorgebrachten  Bemerkungen  von  Cocchia,  Riv. 
di  fil.  ed  istruz.  class.  anno  XV,  385  ff.,  sowie  die  Ausführungen  von  Havet,  M^m.  d.  1. 
S.  d.  1.  6,  11  ff.  beweisen  ebensowenig  das  Gegenteil,  wie  Kblleb's  Machtspruch  N.  J.  133, 
844  Anm.  und  Immiscb's  Bemerkungen  Woch.  f.  klass.  Phil.  1887,  262. 

Synkope  der  Vokale. 

74.  Nach  altlateinischem  Gesetz  scheint  der  Vokal  der  der  ersten 
folgenden  Silbe  durchaus  unterdrückt  worden  zu  sein.  Im  klassischen  Latein 
haben  sich  viele  derartige  Formen  erhalten:  so  ist  au-  aus  am-  entstanden 
in  auceps  auspex  andere  autumare  (skr.  ävati)  caulae  cautum  {cavitum  CIL. 
1,  200,  VI  p.  79,  caviiioneni  Paul.  Festi  61,  3)  claudo  *cIämdo  (dagegen 
später  claviger),  faustm  *faves-to-  fautum  {favitor  s.  Georges  s.  v.  fautor): 
-M-  -ö-  aus  -ovi-  in  lülus  ^lovilus  vgl.  osk.  iovila  (Bücheler,  Rh.  M.  43, 
ISS)^  prüdens  *prou{i)dens,  möfnen  *moif{i)men;  ae-  aus  aevi-  in  aetas  ^aevitas, 
praes  neben  praevides  CIL.  1,  200,  46.  Vgl.  ferner  nüdus  aus  *no{g)tiedo- 
üdus  neben  üvidus;  agnten  aus  *agimen,  vgl.  65,  2  {-amen  =  skr.  djman-) 
tegmen;  valde  neben  validus;  cette  aus  '^ce-date,  reddo  aus  *re-dido;  ulna  gr. 
wlävrj;  anceps  *ambi-ceps,  älter  an-cipes  Plaut.  Rud.  1158,  praeceps  lüterprae- 
cipes,  princeps;  ullus  *un{ö)lo-;  officinanehen  opißcina'PlsLat.  Mil.  880;  propter 
aus  *prapü€r;  ferculum  neben  fericulum^  ardor  neben   aridüs,   acerhus  aus 


')  Seelh AHN  58  f. 

«)  Fb.  Neomahn,  Z.  f.  rem.  Phil.  8,  249. 


Eine  Reihe  anderer  Beispiele  bei  L.  Meter 
in  Bezz.  B.  1,  152. 


HABdbach  der  klai».  Altertumswinenflchaft.  U.    2.  Aufl.  21 


322  B.  LateiniBohe  Grammatik,    b)  Lateinische  Lantlehre. 

*acr{iyhos,  die  Komposita  alterplex  sacerdos  aus  *äUr{o)pleC'  *8dcr{ö)doi^f 
und  wohl  auch  Kbertas  vgl.  Lebro  CIL.  1,  174,  surgo  *SM6-r(c)5fo,  f ernte 
aus  ^ferime,  decemo  aus  *d€cr{%)no,  libella  agellus  u.  s.  w.  aus  *libr{o)Ia 
*dgr{o)lo-;  hortor  neben  horitur  (Ennius);  quaestor-tis  vgl.  postus  {posiftts  nach 
Situs  neugebildet);  hospes  für  *host{i)poti''  (Kluge,  Et.  W.  s.  v.  „Gast*)  dextra 
(Suffix  "tero-);  hrüma  *bre^{i)fna;  dodrans  aus  ^de^quadrans  ^de-quodrans 
*dO'qu{o)drans  (Corssen,  2, 370  f.).  Dazu  noch  die  §  43,  §  73,  1  aufgeführten 
Fälle.  Im  Vulgärlatein  ist  dieses  Gesetz  in  gewissen  Fällen  immer  wirk- 
sam geblieben,  vgl.  W.  Meyer  bei  Gröber,  Grundr.  d.  rom.  Phil.  1,  361 
(Nr.  17).  Vgl.  ausserdem  noch  die  folgenden  altlateinischen  (und  zum  Teil 
vulgären)  Beispiele:  cedre  (Inschr.  v.  Spoleto),  dedrot  (Pis.),  malus  {mattus)  für 
*fnaditO',  frigdaria  Lucil.  VIII,  8  Müll.  (Sang.),  anglus  iuglus  coaglari  teg- 
larius,  caldus  soldum,  calfacere  olfacere  malfacta  Plaut.  Trin.  185,  cante 
Varro  d.  1.  1.  7,  27  Sp.,  coplata  (Lucr.),  ardum  lardum,  iurgare  neben  obiuri- 
gandum  B  Plaut.  Merc.  118,  porgam,  merto  (Inschr.  v.  Palestrina  Phil.  Woch. 
2,  91),  opra  (Ennius)  von  apes-  vgl.  osk.  üpsannam  päl.  upsaseter,  Synkope 
des  Vokals  der  dritten  Silbe  hat  stattgefunden  in  facultas,  [facilitas  Neu- 
bildung) famultas  simulta^y  audacter  difficulter^  puertiae  Char.  bei  Keil, 
Gr.  L.  1,  266,  6,  matertera  für  *mater-itera  Fem.  zu  iterum  nach  Pott 
vgl.  OsTHOPP,  Arch.  f.  lat.  Lex.  4,  465  Anm.  Auch  usurpo  gehört  hieher, 
von  dem  zus.  Adj.  *usu'r{d)po-  (anders  Scholl,  Leg.  XII  tab.  rel.  103  f.). 
Auch  in  Endsilben  ist  Synkope  eingetreten:  bei  den  o-Stämmen  *ager  aus 
"^agros  *agrs  *agr,  bei  den  ^t-Stämmen  wie  pars  aus  *partis  (Osthopp,  M. 
U.  4,  159),  bei  anderen  «-Stämmen,  z.  B.  mers  (daneben  auch  merces)^  vgl. 
RiTSCHL,  Op.  2,  652,  dazu  vgl.  calx  gr.  x^^^*  Eigentümlich  sind  die 
adjektivischen  Komposita  von  Caput,  wie  anceps,  die  den  Vokal  der  letzten 
Silbe  eingebüsst  haben.  Dann  beachte  man-  quattuor  aus  *quattuor{e)s, 
vielleicht  auch  fructüs  aus  *fructo^{e)s  *fructeiies  (vgl.  §  80).  An  Einzel- 
heiten vgl.  man  noch  trabs  nubs  Liv.  Andren,  bei  Serv.  Verg.  Aen.  10,  636; 
mars.  libs  und  lubs  CIL.  1, 182  und  183  mögen  Abkürzungen  sein.  Vgl.  übrigens 
Albsi  im  Provinziallatein  der  Äquikuler  Zvet.  Insc.  It.  inf.  46.  In  manchen 
inschriftlichen  Fällen  wird  einfach  Vokalunterdrückung  in  der  Schrift  vor- 
liegen, z.  B.  viglias  CIL.  1,  1139,  debtur  1393,  decmus  821,  vicesma  187, 
Dcumius  1138,  Decmbres  974,  Diesptr  1500,  patr  130,  letzteres  übrigens 
auch  bei  Plautus  durch  das  Metrum  öfter  als  einsilbig  erwiesen.  Über  die 
letztere  besonders  dem  pränestinischen  Latein  (Einfluss  des  Etruskischen) 
eigentümliche  Gepflogenheit  vgl.  Ritschl,  Op.  4, 481  f.,  Jordan,  Krit.  Beitr.  12. 
Synkope  haben  auch  die  vom  Perfektum  auf  -vi  abgeleiteten  Formen 
vielfach  erlitten,  z.B, adiüro  für  *adiu^{e)ro,  aber  aeZmeroEnn.;  vgl.  besonders 
die  spätlateinischen  Formen,  z.  B.  pedicavd  (fect  vixt)  u.  a.  bei  Schuchardt, 
Vok.  2,  399.  Übrigens  bleibt  auch  die  Möglichkeit  bestehen,  dass  amavit  durch 
*amatfit  zu  antat  geworden  ist,  vgl.  spätlat.  dedicait  CIL.  8,  5667.  Im  allge- 
meinen vgl.  man  noch  W.  Meyer,  Z.  f.  rom.  Phil.  8,  209  und  Brügmann,  Grund- 
riss  1,  S.  475  und  550;  jetzt  auch  Schweizer-Sidler,  Lat.  Gramm.*  §  45  f. 

Anmerkung.     In    vielen   Fällen    hat   man    früher   Synkope    angenommen,    wo    in 
Wirklichkeit  vielmehr  Svarabhakti  vorliegt  (vgl.  §  37). 


Lateinische  Formenlehre. 


1.  Deklination  des  Nomens. 

75.  Allgemeine  Bemerkungen.  1)  Geschlechter:  Masculinum, 
Femininum,  Neutrum.  2)  Numeri:  Singular  und  Plural.  Dem  Dual  ge- 
hören nur  ambo  und  duo  an  ^)  und  v^gintT.^)  3)  Kasus:  Nominativ,  Akku- 
sativ, Genetiv,  Dativ,  Ablativ,  Lokativ,  bei  den  o-Stämmen  auch  Vokativ, 
und  in  einzelnen  Resten  auch  der  Instrumentalis  des  Singulars  aus  der  idg. 
Grundsprache  erhalten;  ebenso  Nom.  Akkus.  Gen.  des  Plurals,  Instrumen- 
talis bei  den  o-  und  (2-Stämmen,  zugleich  in  der  Funktion  des  Dat.  Abi. 
Lok.,  Dativ- Ablativ  auf  "hos,  zugleich  Lok.  Instr.  Im  Interesse  grösserer 
Übersichtlichkeit  empfiehlt  es  sich,  in  zwei  getrennten  Abschnitten  über 
die  Stämme  und  über  die  Bildung  der  Kasus  zu  handeln. 

Die  Stämme  der  Nomina. 

76.  Allgemeines.  1.  Die  ursprüngliche  Stammabstufung  ist  im 
Lateinischen  in  der  Regel  zu  einem  einheitlichen  Paradigma  ausgeglichen 
worden.  Über  die  Eigentümlichkeiten  der  stammabstufenden  Deklination 
verweise  ich  auf  Brugmann's  Ausführungen  (oben  S.  89  f.).  Über  die  Reste 
dieser  Flexionsweise  vgl.  unten. 

2.  Infolge  der  barytonisierenden  Aussprache  wurden  viele  vokalische 
Stämme,  sei  es  durch  Abfall  des  schliessenden  Vokales  oder  Synkope  des 
unbetonten  Vokales  der  Schlusssilbe  in  konsonantische  umgewandelt.  Man 
vgl.  z.  B.  mansues  neben  mansuetus,  vgl,  damnas  Campans  termins  (nur 
CIL.  1,  199,  17),  s.  übrigens  S.  318,  osk.  Bantins  hürz,  umbr.  Ikuvins 
pihaz,  Marcipor,  famul  vigil,  die  Neutra  auf  -al  und  -^r  (urspr.  Doppel- 
formen vgl.  §  69,  1);  ferner  die  -^i-Stämme,  z.  B.  parti-  {pars  partus 
CIL.  1,  197,  12)  Ardeas;  merx  Ops  neben  älterem  merces  Opis.  An- 
deres zum  Teil  Zweifelhafte  bei  Corssen  2,  589  f.  Vgl.  auch  C.  Maas, 
Vocales  in  stirpium  terminationibus  positae  nominum  Italicorum,  Graecorum, 


»)  In  Pauli,  Altit.  Stud.  3,  187  f.  sucht 
0.  Danielsson  den  dualischen  Ursprung  von 


cornu,  genu,  t^ei'u,  maniis,  sexus  zu  erweisen. 
2)  Schulze,  K.  Z.  28,  277. 

21* 


324 


B.  Lateinische  Orammatik.    c)  Lateinische  Formenlehre. 


imprimis  vero  Germanicorum  post  quas  potissimum  consonas  in  singularis 
nominativo  perierint  quaeritur,  Rostochii  1873  (diss.  Lips.). 

3.  Über  die  Entstehung  der  Nomina  triumvir,  septenitrio^  proconsul 
durch  Hypostase  aus  triumvirum,  septemtriones,  proconsule  und  anderer  vgl. 
UsENER,  N.  J.  117,  71  f.,  CoRSSEN  2,  870.  prosperus  ist  kaum  aus  pro 
spere  hervorgegangen,*)  sondern  mit  Brugmann,  Qrundriss  2,  170  zu  skr. 
sphird"  „feist  gross  reichlich"  aksl.  sporn  „reichlich"  zu  stellen,  wohl  aber 
proportio  aus  pro  portione,*)  sedulus  aus  se  dolo  sedulo.^) 

4.  Ungemein  häufig  sind  assoziative  Neubildungen,  besonders  aus- 
gehend vom  Nominativ.^)  Man  vgl.  den  häufig  vorkommenden  Austausch 
von  i-  und  e-Stämmen,  von  Nomina  der  o-  und  ti-Deklination  (gew.  nur 
in  einzelnen  Kasus),  der  Nomina  auf  -^s  -ci  und  -Ss  -Stis  {requies  -gt  und 
-etis).  Vgl.  insbesondere  pecm;^)  urspr.  pecu  n.  umbr.  peku  skr.  pdSu  n. 
got.  faihu;  daraus  pecns  Qen.  -U5  lit.  pekus  (nach  Kurschat  unsicher); 
weiter  pecus  pecoris  nach  pecttis  pectoris  u.  a.,  und  pecns  pecüdis  urspr. 
*pecüdis  (vgl.  incüs  incüdis),  endlich  sogar  pecuda  und  pecuis.^)  Besonders 
waren  griech.  Wörter  einer  Umbiegung  ausgesetzt;  z.  B.  die  Nomina  auf 
-cöv  'OVTog  werden  wegen  Nom.  -o  z.  B.  Antipho,  sehr  häufig  zu  n-Stämmen, 
so  auch  draconis,  leonis.  Vgl.  dazu  Athonis  Minonis  vom  Nom.  Atho  Liv.  44, 
11,  3;  Inoni  Calypsonis  u.  a.;  ferner  glaucumam  Schema  fem.  (Plautus)  dag- 
mam  (Laberius),  die  Städtenamen  wie  Agrigentum  Hydruntum.  Zahlreiche 
Beispiele  der  Umformung  weist  besonders  die  archaische  und  vulgäre  Sprache 
auf,  wofür  die  Belege  das  Corpus  inscriptionum  in  reichlichem  Masse  gibt. 
Vgl.  ausser  Neue  1,  321  auch  Kühner,  Gramm.  §  107—113;  0.  Sievebs, 
Quaest.  onomatologicae  in  Acta  soc.  phil.  Lips.  2,  55  f.;  0.  Weise  36,  43; 
ScHUCHARDT,  Vok.  1,  34  f.,  231  Anm. 

Im  Grunde  beruht  die  ganze  Reihe  der  sogenannten  Heteroklita  und 
Metaplasmen  auf  dem  Prozesse  der  Form-  oder  stofflichen  Angleichung; 
z.  B.  letzteres  bei  den  auf  spätl.  inschr.  häufigen  Formen  nurae  nuruae^ 
sacerda,  socra,  sodula  u.  s.  w.  (auf  afrikanischen  Inschriften).  Vieles  Hieher- 
gehörige  ist  erörtert  in  W.  Meyer,  Die  Schicksale  des  lateinischen  Neutrum 
im  Romanischen,  Halle  1883  und  E.  Appel,  De  genere  neutro  intereunte 
in  lingua  Latina,  Erlangae  1883. 

Übersicht  der  Stämme. 

Konsonantische    Stämme. 

77.  1.  Qutturalstämme.  Ziemlich  viele  Wurzelnomina,')  z.  B. 
lue-  pac'  rüg-  vöC"  nee-  (starker  Stamm),  düc-  coniüg^  (schwacher  Stamm); 
ferner    von    Wurzelnomina    abgeleitete    Substantive    und    Adjektive    auf 


0  NoNius  171,  22  M.  Wegen  des  Aus- 
gangs Neue^  2,  6. 

^)  Breal,  Möm.  d.  1.  S.  d.  1.  5,  28. 

»)  Bücheler,  Rh.  M.  35,  629  f.  Vgl. 
wegen  sedulo  Ter.  Andria  1,  1,  119  f.;  Phor- 
mio  2,  4,  13. 

"*)  Vgl.  iSBÖTH,  Die  Umwandlung  der 
Themen  im  Lat.,  Göttingen  1875;  Stolz, 
Wiener  Studien  3,  87  f. 


^)  BücHELEB-WiKDEKiLDB  §  2  setzeu  ir- 
riger Weise  mehrere  ursprüngliche  Stämme  an. 

•)  Gegen  Fümi,  Note  glott  2  f.  vgl. 
meine  Bemerk,  in  den  Wiener  Stud.  0, 
136  Anm. 

')  Ein  Verzeichnis  ders.  ausser  hei  L. 
Meyer,  Kühner  gibt  Fröhde,  Bezz.  B.  7, 
118  f.;  Brugmann,  Grundriss  2,  S.  448  flf. 


1.  Deklination  des  Nomen«.  (§  77.) 


325 


to  'OC'  -öc-  -^c-,  z.  B.  radtc-  {*vradt  =  gr.  ^ij«)  audac-  velöc- 
-ple^C"  (neben  -plo-,^)  z.  B.  duplex  und  duplus)  seneo  alt  senicis  seneces;  ^)  die 
Feminina  der  VerbalsubstÄntiva  auf  -tor,  z.  B.  victrf-c-,  vgl.  skr.  datrt;'^) 
endlich  einige  griech.  Subst.  auf  -yx.  Die  Adjektive  auf  -Ic-  -öc-  (wohl 
auch  -ÖC-),  ebenso  senec-  (vgl.  skr.  sanaia-)  waren  ursprünglich  o-Stämme 
(Bruqmann,  Grundriss  2,  S.  255,  257,  384  f.),  desgleichen  die  Komposita 
mit  'fex  aus  ^-fa-co-  (ib.  S.  239).     Ein  Wurzelnomen  ist  nix  nivis  für  *niguis. 

2.  Labialstämme.  Einige  wenige  Wurzelnomina,  z.  B.  stip-  dap- 
2}rin-cep{s). 

3.  Dentalstämme.  Wurzelnomina,  z.  B.  vad-  cord-;  die  mit  Suffix 
-f-  gebildeten,  wie  fac^  noct-  (daneben  nocti-  skr.  ndi^t-  in  nocti-um,  noctor- 
in  fwctur-ntis  gr.  ri/xrcop),  ncpö^  (skr.  ndpat-)  schwach  wcp^  in  nep^is  (skr. 
naptf),  hcurple-U  tege^t-  tere^t^  (Nom.  teges  teres);  über  os  =  *ost  vgl.  §  65, 
daneben  ossu  bei  Plinius  nach  Ghar.  bei  Keil,  Gr.  L.  1,  139,  4  und  osstm 
CIL.  1,  1010  (vgl.  §  64,  3);  andere  abgeleitete  Substantive  und  Adjektive, 
z.  B.  equet"  (gr.  tnnin-tjq),  antistet-  (gr.  avTicrTor-ryg),  a2)»e^  d«re^-  schwach 
rfl^  =  ^dit^t-,  Neubildung  d%s  päl.  des  vgl.  iwre«-  mn-;  ferner  Subst.  auf 
-W-  -^d — öd"  -fld-,  z.  B.  fopltf-  ntercSd"  cmtöd-  palüd-,  endlich  die  -tat^ 
[vgl.  dor.  -rÄT-]  und  -^w^Stämme,  daneben  -tati-  tütp-  vgl.  civitatum  und 
citritatium  und  oben  S.  108,  auch  in  gelegentlichem  Austausche,  z.  B.  ^em- 
pestutem  Varro  1.  1.  7,  51;  vgl.  air.  beo-thu  gr.  ßiottjg,  air.  oew-^w  lat. 
timYos  (Bruomann,  Grundriss  2,  291).  Über  das  Part.  d.  Präs.  vgl.  §  45;  ein 
Part.  d.  Präs.  ist  auch  dens  vgl.  lesb.  idovteq^  urspr.  *edens  "^dentis,  mit  Ver- 
allgemeinerung des  schwachen  Stammes;^)  im  übrigen  sind  sie  in  der 
Flexion  den  zahlreichen  adjektivischen  t-Stämmen  gefolgt,  clemens  vehe- 
mens  erklärt  Osthoff,  Arch.  f.  lat.  Lex.  4,  463  Anm.  gleich  *cleiemenos 
*vehemenos  skr.  iräyamanas  vdhamanas. 

4.  Ä-Stämme.5)  Wurzelnomina  fas  vielleicht  aus  ^bha-es  (Bruo- 
mann, Grundriss  2,  S.  398),  flös  (idg.  Wurzel  bhlö-),  müs  (darnach  tüs  = 
griech.  v^vog,  püs  gr.  nvov  für  ♦tti/o'-ov),  mos,  nas-,  os,  ros  (darnach  glös  aus 
*glotios  ksl.  zlüva),  vires  scheint  Analogiebildung  nach  glires  (anders 
Kretzschmeb,  K.  Z.  29,  401).  Dazu  auch  mens-is  vgl.  mens-trum  äol. 
firpfvog  und  wohl  auch  awr-is  neben  aus-cuUo  (Dual  nach  Wackernagel, 
K.  Z.  29,  142).  iüs  aus  H^os,  Die  zahlreichsten  sind  die  neutralen 
Stämme  auf  -os  (später  -us)  -eris,  von  denen  sich  Masculina  auf  (-05)  -or 
'öris  nach  dem  Muster  des  geschlechtigen  *au$ös  (Bruomann  a.  a.  0.)  und 
der  Nom.  ag.  auf  -tor  -töris  abgezweigt  haben,  daher  decus  und  decor  u. 
s.  w.^)  Bei  Plautus  ist  ealor  noch  als  Akk.,  mithin  gen.  neutr.,  gebraucht 
(Merc.  860),^)  später  ist  diesem  der  Ausgang  -us  ausschliesslich  eigen. 
tenttö  ist  als  erstarrter  Kasus  erhalten,  sonst  tenor.^)  Übrigens  scheint  die 
doppelte  Flexionsweise  bei  diesem  Worte   (und   wohl  auch  anderen)  schon 


>)  J.  Schmidt,  K.  Z.  16,  430  f. 

')  Stowabseb,  Arch.  f.  lat.  Lex.  1,  119. 

•)  Vgl.  gaUt-na,  cancubi-na,  regl-na, 
urüna^  worin  gcUlü  u.  s.  w.  die  urspr.  For- 
men des  Fem.  (Bruomann,  M.  U.  2,  171). 

*)  J.  Schmidt,  K.  Z.  27,  396. 


^)  Bbüomann,  K.  Z.  24,  1  f. 

•)  Anders  Mahlow,  D.  1.  V.  74  f. 

')  So  fasst  auch   GOrz  mit  Recht  die 
Stelle. 

«)  WöLFFLiN,  Arch.   f.  1.  Lex.  1,  415  f. 


326  B.  Lateinische  Ghrammatik.    c)  Lateinische  Formenlehre. 

altererbt  zu  sein  (Brugmann,  Qrundriss  2,  S.  386).  Die  adjektivischen 
Stämme  haben  den  Ausgang  -er  (-es),  so  degener,  vgl.  gr.  svysvrjg  skr. 
dürmanas  (Notn.),  ähnlich  veter  ^)  nach  Priscian  bei  Keil,  Gr.  L.  2,  264,  15 
(Accius  481  Ribb.  I);  bicorpor  ist  Neubildung.  Die  ursprüngliche  Abstufung 
(*geno^  ^genes-os  u.  s.  w.)  ist  zum  Teil  durch  Uniformierung  beseitigt,  daher 
tempus  teniporiSy  aber  adverb.  temperi  tempere  Plaut.  Merc.  990  (vgl.  few- 
peS'tas),^)  An  die  os-Stämme  angeschlossen  hat  Q\ch  pondus ponderis  anstatt 
*pendtis  für  *pondos  4,  vgl.  das  ursprünglichere  pondö;  *)  umgekehrt  modus  aus 
*medos  vgl.  modes-tus  und  umbr.  meds  osk.  med-^dix;  ^)  dazu  foedus  neben  regel- 
rechtem fiduS'tus  {^feidoS').  Über  ais  aes  für  *aies  vgl.  §  30.  Eine  mitt- 
lere Stammform  liegt  vor  in  cerebrum  aus  Heres-ro-  idg.  k^rds-  vgl.  gr. 
xoQa  aus  *xaQa(f^-.  Als  schwächste  Stammform  fasst  Brugmann,  Grund- 
riss  2,  S.  397  avx-  in  anx-ius  aus  *ange8-  vgl.  angas-tus,  far  aus  */br5- 
ib.  387  vgl.  S.  314.  Von  5-Stämmen  stammen  die  Infinitive  auf  -ere  -er* 
(vgl.  §  117). 

ürspr.  05-Stämme  in  i-Stämme  mit  dem  Nom.  -es  verwandelt,  und 
zwar  vermittelt  durch  die  geschlechtigen  -05-Stämme  mit  dem  Nom.  -es 
und  die  Gleichheit  des  Dat.  Abi.  Plur.  z.  B.  civtbus  und  sedX-bus  (=  *se- 
deS'bos):^)  südis  gr.  i'iog  skr.  sddas  (das  erste  ^  nach  s^di),  pUhes  gr. 
nkr^&og  (wegen  b  fraglich),«)  pübes,  worüber  Thurneysen,  K.  Z.  30,  488  flf., 
aedes  gr.  aid^og,  moles  neben  moles-tus;  übrigens  könnten  auch  indogerma- 
nische Doppelstämme  vorliegen,  vgl.  Brugmann,  Grundriss  2,  S.  397.  Über 
nubes,  das  wegen  rttpog  auch  hieher  gezogen  werden  könnte,  äussert  eine 
wahrscheinlich  richtigere  Vermutung  W.  Meyer,  Neutrum  39.  Von  dem 
geschlechtigen  os-Stamme  ^attsos-  Nom.  *atisös  stammt  aurör-a,  vgl.  tlor^a 
von  flos;  arbor  ist  nicht  ganz  klar,  Venus  und  Ceres  waren  urspr. 
wohl  ungeschlechtige  Abstrakta.     Über  r  im  Nominativ  vgl.  §  59,  5. 

•4s  =  skr.  -is,  Genetiv  -eris  haben  ziemlich  einige  Substantive,  z.  B. 
cinis'^)  pulvis  vomis,  manchmal  mit  rückgebildetem  Nominativ,  z.  B.  vomer;^) 
dazu  vielleicht  auch  serenus  =  Heres-no-  vgl.gr.  aälag,^)  Vereinzelt  ist  tellüs 
tellüris,  Tiu  den  s-Stämmen  gehören  auch  die  Komparative.^®)  Die  ur- 
sprünglichen Verhältnisse  sind  zwar  noch  nicht  vollkommen  aufgeklärt, 
aber  Bruomann  ist  sicher  im  Rechte,  wenn  er  den  Nasal  des  Altindischen 
als  unursprünglich  erklärt,  vgl.  die  unten  angegebene  Litteratur  und  Brug- 
mann, Grundriss  2,  401  f.     Fürs  Lateinische  lässt  sich  folgende  abstufende 

')  Andere  Vermutung  bei  Daniblsson, 
Gramm,  und  etym.  Stud.  1,  S.  51.  Über 
vomü  ib.  S.  52  Anm.  2  (es  sollen  ursprüng- 
liche t-Stfirome  sein). 

8)  FicK,   Bezz.   B.   3,   160;    Brugmann, 


*)  Über  veiuSy  das  ich  mit.  Brugmann, 
K.  Z.  24,  38  für  identisch  mit  gr.  (f)ho^ 
halten  möchte,  neuestens  Thurneysen,  K.  Z. 
30  485  fif.;  nach  diesem  Gelehrten  soll  es 
aus  vet[u8i]us  entstanden  und  mit  dem  Sub- 
stantiv retus  veteris  zusammengefallen  sein.   ■   M.  ü.  3,  81.     Auf  die  Schwierigkeiten,  die 


2)  Über  den  Wechsel  von  o  und  e 
Brambach,  Neug.  103  f. 

3)  De  Saussure,  M^m.  79;  Brugmann, 
Techmer's  Zeitschr.  1,  243;  W.  Meyer,  Neu- 
trum 38. 

*)  Whbeler,  Der  griech.  Nominalaccent 


der  Identifizierung  von  gr.  -ag  entgegen- 
stehen, macht  W.  Meyer,  Neutrum  25  auf- 
merksam. 

»)  Baunack,  C.  St.  10,  136. 

»ö)  Brugmann,  K.  Z.  24,  54  ff.,  J.  Schmidt, 
ib.  26.  377  ff.;  G.   Meyer,   Gr.   Gr.«,  §  316, 


30  Anm.  1.     Es   lagen  ursprünglich   neben-  Solmsen,  K.  Z.  29,  83;    Bartholomae  K.   Z. 

einander  pondo-  *pendoS',  modo-  *medo8-.  29,  533  f.  (=  Beiträge  zur  Flexionslehre  u. 

*)  J.  Schmidt,  K.  Z.  27,  328.  I   s.  w.  113  f.). 

«)  AscoLi,  K.  Z.  18,  444,  Krit.  Stud.  141.  , 


1.  Deklination  des  Nomens.  (§  77.)  327 

Deklination  annehmen:^)  *maiös  lMaio{s)  Mino{8)  CIL.  1,  108,  78]  "^mai- 
is^is  vgl.  hom.  nkäeg  aus  *7ri«-i<r-c$,  ^mc^iös-em  gr.  ßsXtm  aus  "^ßskt-ioa-a* 
dann  zunächst  *maiös  ^maiösem  *fnaiösi,  maiörem  maiöri  maior.  Neben 
'iÖ8'  -rs-  noch  die  mittlere  Stammform  -tes-  in  maies-tas.  Differenzierung 
der  Formen  maior  und  maius  (vgl.  noch  alt  posterior  bellum  u.  a.  Bücheler- 
WiNDEKiLDE  §  18).  Belege  von  Formen  mit  erhaltenem  s  bei  Corssen  2, 
88,  Löwe,  Arch.  f.  lat.  Lex.  1,  28. 

5.  Nasalstämme.*)  w-Stamm  ist  ä*ciw-5,  worüber  vgl.  §  67; 
aber  bfmus  ist  nach  Brughakn  (vgl.  oben  S.  115)  in  ^huhi-mo-  zu  zerlegen. 
Nach  desselben  Gelehrten  Vermutung  Qrundriss  2,  S.  453  Fussnote  ist 
hiem-  aus  idg.  *^A(t)-i'-ew  hervorgegangen  im  Anschluss  an  *5em-  „Sommer*. 
Bezüglich  des  Vokal  Verhältnisses  vgl.  pH-  und  nod-,  n-Stämme.^)  Ur- 
sprünglich stammäbstufende  Deklination  hatten  die  Maskulina  und  Feminina 
auf  -en  -on,  die  Maskulina  auf  -mon,  die  Neutra  auf  -men.  Man  vgl.  caro 
carnis,  wozu  schon  frühzeitig  auch  der  Nom.  camis  gebildet  wurde,^)  cor^ 
n-fC'S,  femer  die  Substantive  auf  -wm-  -Hon-,  Weiterbildungen  von  «-  und 
^i-Stämmen  [vgl.  stati-m  statino{n),  partim  porti'0{n),  genti-  (g)nati'0{n)\ 
welche  ursprünglich  -ioin)  ^-inos  *ini  -ionem  flektierten,  vgl.  umbr.  Inbri- 
sine  =  lat.  *triplicione,  osk.  medicatin-om  lat.  iudicationem.  Über  diese  Sub- 
stantive vgl.  L.  Meyer,  Orient  und  Occident  2,  586  ff.  und  Bruomann, 
Grundriss  2,  S.  330  ff.  Die  Feminina  auf  -do  -go  -tudo  haben  den  schwachen 
Stamm  durchgeführt.  Die  Maskulina  auf  -cm  und  -won,  z.  B.  homo  puUmo 
sermo  te{g)mo  flektierten  ursprünglich:  homo  älter  *hemo  (vgl.  nemo=^*ne-'hemo) 

o  m.  2. 

*hemenos  *hemeni  {hemini  Lucil.  XII  frg.  4  Müll.,  hemini  L.  1)  hemönem 
Paul.  Fest.  100  umbr.  homömis{Dat.  d.  Plur.);  später  trat  Uniformierung  nach 
dem  schwachen  Stamme  ein.^)  Dagegen  wurde  bei  allen  nomina  agentis  und 
den  Eigennamen  der  starke  Stamm  verallgemeinert,  z.  B.  Turbo  Turbönis 
{turbo  turbl^nis),  umbo  umbönis  u.  s.  w.  Ein  vokalisch  schliessender  Stamm 
erscheint  in  den  Zusammensetzungen  homi-cida  numi-clatori,  vgl.  skr.  rdja-bhi^, 
Griech.  Apollo  Apollinis,  älter  Apolones  CIL.  1,  187,  gräcisierend  ApoUoni 
CIL.  3,  567  auf  einer  griech.-lat.  Bilinguis  aus  der  Zeit  des  Kaisers  Trajan 
und  handschriftlich  hat  sich  der  Flexion  von  homo  u.  s.  w.  angeschlossen; 
Apolenei  {e  =  i)  CIL.  1,  167;  Apellinem  Paul.  Fest.  22,  14  M.«)  Über 
die  subst.  personalia  auf  -o  -önis  Fisch  im  Arch.  f.  lat.  Lex.  5,  56  ff.  und 
W.  Meyer  ib.  223  ff.  Ein  ew-Stamm  ist  wahrscheinlich  auch  fei  fellis  = 
*feUniSy  urspr.  Nom.  *felen  vgl.  pollen."^)  Die  Neutra  auf  -wen  =  gr. 
-^flf  =:  idg.-  m^  (Weiterbildungen  auf  -mento-,  vgl.  gr.  -ato  in  der  Flexion 
dieser  Stämme,  z.  B.  momen  und  momentum,  darnach  auch  unguen-tum  von 
unguen)  sind  nach  dem  starken  Stamme  uniformiert;  an  die  urspr.  Ab- 
stufung erinnern  Ableitungen,  wie  regn-o-  skr.  rajdn-  u.  a.  bei  Brugmann 


^)  Eine  andere  Ansicht  suchte  ich  früher 
Wiener  Studien  6,  140  ff.  zu  begründen;  vgl. 
auch  Mahlow  D.  1.  V.  46. 

2)  Bbugmann,  M.  ü.  2,  148  f. 

^)  Vermutungen  über  die  ursprüngliche 
Deklination  von  W.  Mbybb,  K.  Z.  28,  162; 
Bersu,  Die  Gutturalen  145,  Anm.  2. 


*)  Neue  1,  165. 

^)  J.  Schmidt,  K.  Z.  23.  367. 

«)  Vgl.  ScHUCHABT,  Vok.  2,  215  über 
Apollo. 

')  W.  Meyeb,  a.  a.  0.;  Hbnby,  Pröcis 
S.  129. 


328 


B.  Lateinische  Chrammatik.    c)  LateiniBche  Formenlehre. 


a.  a.  0.  S.  170  f.;  column-a  neben  columen;  vielleicht  auch  umbr.  namnerj) 
Das  Mask.  flamen  hat  urspr.  *flamo,  vgl.  flamonium^  verdrängt.*)  Die  Mask. 
auf  -6w,  pecten  (vgl.  pectinare)  und  die  Komposita  mit  -ccn  sind  vielleicht 
aus  o-Stämmen  hervorgegangen,  nach  Brugmann  Qrundr.  2,  S.  331  ersteres 
ein  (^»-Stamm,  die  letzteren  nach  S.  462  Wurzelnomina.  Nebeneinander 
stehen  termen  (vgl.  skr.  tdrman-)  und  termo  (auch  gr.  tägfia  und  Tä^ii4av\ 
weiter  gebildet  term(i)nvs.  Die  urspr.  Wurzelnomina  man-,^)  vgl.  man-ceps 
maUluvium,  ags.  mufi-dj  cati-  für  '^'c^on-  skr.  Svan-,  ebenso  das  mit 
Suffix  -ew-  gebildete  luven-  schwach  iün-  =  Huykn-,  vgl.  iünix,  iünior 
skr.  yüvan-  sind  zu  den  Vokalstämmen  manu-  cani-  (Nom.  auch  canes 
(una)  Varro  1.  1.  7,  32)  mveni-  weitergebildet,  jedoch  can-um  und  iuven-um. 
Endlich  seien  noch  erwähnt  sanguis,  älter  sanguen  n.,  vgl.  inguen  unguen 
u.  s.  w.*)  li&n  und  rgn.  Die  w-Stämme  fernen-  iecen-  hatten  ursprünglich 
im  Nom.  Akk.  Nebenformen  von  einem  r-Stanmi  *femor  iecur  {iecus-culum 
ist  Analogiebildung,  ebenso  femus  Apuleius).  Durch  Ausgleichung  entstanden 
femoris  iecoris  fernen  (vielleicht  nur  Fiktion  der  Grammatiker),  durch  Kon- 
tamination iecinoris,  feminur  (?).  Diesen  schliesst  sich  Her  an,  vgL  itineris 
iteneris  CIL.  1,  200,  23)  ithier  Nonius  482,  22  M.  Der  r-Stamm  ist  allein 
durchgeführt  in  über  skr.  üdhar,  aber  Üdhnas.^) 

6.  Liquida-Stämme.  Ursprünglich  sind  söl  =  *sa^el  *saffol  gr. 
äßeX'iog  Hesych.,  sal  gr.  alg  [daneben  sak  n.  (Ennius)],  ferner  einige  Eigen- 
namen. Dagegen  ursprüngliche  i-Stämme  ^m^i!  (Nebf.  pugilis),  vigil  (Abi. 
mgili),  vgl.  debil  Nom.  gen.  masc.  Enn.  nach  Nonius  95,  30  M.  o-Stämme  exsul 
(vgl.  exsulare),  eonsul  (nach  Osthopf,  P.-B.  Br.  13,  429  von  "^consa  =  got. 
hansa).  Wurzelnomina  auf  -r:  für,  Lar,  v^,  {h)ir  gr.  xbiq.  Die  urspr. 
abstufenden  Verwandtschaftswörter  auf  -ter,  frater  maier  pater  haben  den 
schwachen  Stamm  {patr-  u.  s.  w.)  in  der  Flexion  durchgeführt,  soror  (=  idg. 
*svesör)j  wie  die  Nom.  ag.  auf  -tor  den  stai'ken,  z.  B.  datör-;  zum  schwachen 
vgl.  die  Fem.  auf  -trix,  z.  B.  vic-tr-t-c-  osk.  Fuu-ir-ei^  arbiter  (mit  Über- 
gang in  die  o-Dekl.);  zu  lin-ter  ven-ter  vgl.  gr.  do-trjQ  neben  doi-ttoQ; 
adulter  scheint  eine  Rückbildung  von  adulterare  zu  sein.^)  ans-er  ist  lat. 
Neubildung  aus  idg.  ^ghans-  url.  Vians  *hanesis.'^)  Wahrscheinlich  r-Stämme 
sind  auch  (urtur  vultur  und  einige  Neutra  bei  W.  Meyer,  Neutrum  59.  Über 
die  r-Stämme  femur  iecur  iter  über  vgl.  die  kurz  vorher  stehende  Bemerkung. 
Vgl.  ausserdem  noch  assir,  iubar,  accipiter  passer^  die  Neutra  ador  aequor 
marmor. 

Yokalische  Stämme. 

78.  1.  i-Stämme.  Ein  r-Stamm  ist  vl-s  gr.  T-q  I-^i;  arch.  auch  Nom. 
Akk.  d.  Plur.  vis.  vires  analogische  Neuschöpfung.  Von  den  sehr  zahlreichen 
^-Stämmen  oder  richtiger  gefasst  idg.  e{-Stämmen  (vgl.  skr.  agnai-  agyii- 
gr.  ßaaek'  ßccat-),  besonders   den  mit  Suffix  -ti-  gebildeten  sind  viele  im 


*)  W.  Meyeb,  Neutrum  71. 

2)  Stolz,  Wiener  Stud.  3,  88  f. ;  anders, 
aber  unrichtig  Usener,  N.  J.  117,  51  f.  W. 
Meyer,  Neutrum  70  f.  hält  flätnen  für  ein 
altes  Neutrum. 

^)  Vgl.  unsere  Bemerkung  zu  §  94. 


*)  W.  Meter,  Neutrum  65  f. 

^)  Stolz,  Wiener  Stud.  3,  88  flF.;  Osthoff 
M.  U.  4,  199  Anm.;  Brugmann,  Grundriss  2, 
S.  326  und  353. 

«)  Nach  Havbt,  M6m.  d.  1.  S.  d.  1.  4,  82. 

')  Mahlow,  D.  1.  V.  114. 


1.  Deklination  des  Nomens.  (§  78.) 


329 


Nom.  abgestumpft  und  entweder  ganz  oder  mit  Ausnahme  des  Qen.  d.  Plur. 
in  die  Analogie  der  konsonantischen  übergetreten;  vgl.  z.B.  anas  lit.  anti, 
dos  doti-,  compos  potis  u.  s.  w.;  ausführliche  Nachweise  finden  sich  bei 
G.  Meyer,  Curt.  Stud.  5,  49  flf.  Ursprüngliche  t-Stämme  sind  die  Neutra 
auf  -e  -ai  -ar,  dazu  sale,^)  Lateinische  i-Stämme  entsprechen  o-  resp. 
a-Stämmen  anderer  Sprachen:  caulis  gr.  xavXog,  collis  gr.  xoXoavog,  faux 
skr.  bhüka-,  fores  skr.  dvära-  jedoch  auch  dvür-,  imber  imbri-  skr.  abhra-, 
lenis  {Vdsis  genus)  gr.  Xrjvcg,  panis  messap.  navog,  pellis  gr.  nsXXa^  piscui 
got.  fisk{a)s^  unguis  skr.  nakhd-,  tristis  skr.  tr^id-J)  So  sind  viele  Ad- 
jektive zu  i-Stämmen  geworden,  vgl.  agilis  skr.  ajird-,  humilis  gr.  x^^' 
fiaXog^  similiSj  alebris  u.  s.  w.  Das  gleiche  Verhältnis  liegt  vor  in  dem 
zweiten  Gliede  der  Zusammensetzungen:  o-  o-  u-  und  konsonantische 
Stämme  gehen  über  in  i-Stämme,  vgl.  Stolz,  Nominalkomposition  53  f. 
Abstufung  ist  nachzuweisen  im  Nom.  Plur.  z.  B.  ovSs  aus  *oveies  vgl. 
ßaaeiq  aus  ^ßdasi^g,^)  e  (gewissermassen  der  starke  Stamm)  erscheint  auch 
häufig  im  Nom.  d.  Sing.,^)  gewöhnlich  im  Akk.  d.  Sing,  und  schon  seit  alter 
Zeit  im  Akk.  d.  Plur.^)  Neben  griech.  Stämmen  auf  -ig  -i3og,  nämlich 
TtekXig  xktjtg  erscheinen  lat.  pelvis  clavis,  griech.  igiv  :  igidi  vergleicht  sich 
lapi.  als  Abi.  von  Ennius  gebraucht,  vgl.  laptre  Pac.  276  Ribb.  I. 
lapiderum  ist  Analogiebildung.  Vgl.  im  allgemeinen  jetzt  Bruohann,  Grund- 
riss  2,  S.  264  flf. 

2.  u-Stämme.  Ein  t^-Stamm  ist  sOs  Dat.  Abi.  Plur.  sü-bus,  suis 
u.  8.  w.  für  *süuis,  desgleichen  grüs,  die  beide  nach  dem  Muster  der  kon- 
sonantischen Stämme  flektieren,  sueris  suerum  betrachte  ich  als  Analogie- 
bildungen vom  Nom.  suis  nach  cinis  cineris  u.  s.  w.^)  socrüs  aus  *socrüs 
skr.  SvaSrü'  hat  sich  den  folgenden  e^-Stämmen  angeschlossen.  Die  übrigen 
sind  indog.  e\^Siämme.  Neben  einer  Reihe  unmittelbar  vom  Stamme  abge- 
leiteter Substantiva,  z.  B.  acus  comu ')  gehören  fast  nur  abgeleitete  Verbal- 
substantive auf  -tus  (vgl.  die  vedischen  Inf.  auf  -tave  neben  den  späteren  auf 
-/um,  die  dem  lateinischen  Supinum  entsprechen)  und  -sus,  sowie  abgeleitete 
Nomina  auf  -atus  hieher.  Die  adjektivischen  -w-  bez.  -e^-Stämme  siud  mit 
Ausnahme  von  Tdils  W.  ^aidh-  „die  hellen  (Nächte)****)  entweder  durch  die 
Beeinflussung  des  Femininums^)  zu  i-Stämmen  weitergebildet  oder  in  die 
o-Deklination  übergesprungen;  man  vgl.  gravis  gr.  ßaqvg  skr.  guni^,  Fem. 
Grdf.  *gFU'ty  suavis  tenuis,  urspr.  *suadiis  *suad^i  "^tentis  Hent^f,  vgl.  skr. 
suadü^"  suadvt  tanü^  tanvt;  ferner  brev^is  gr.  ßgaxvg,  levis  gr.  iXaxvg, 
pinguis  gr.  naxvg;  andererseits  densus  gr.  daavg^  carus  skr.  cdrii-,  torum  • 
torridum  Paul.  Fest.  354,  got.  paürsu-s  skr.  ^r^w-,^^)  probus  skr. 
pra^bhü",  super-bur-s,^^)    Deutlich  erkennbar  ist   der   schwache   Stamm    in 


»)  W.  Mbybb,  Neutrum  99. 

*)  Vgl.  ausser  anderen  Fböhdb,  Bezz.  B. 
1,  196  Anna. 

')  Über  die  Deklination  vgl.  J.  Schmidt, 
K.  Z.  27,  287  f. 

*)  Ck)R88EN,  2,  227  f. 

*)  Stolz,  Wien.  Stud.  5,  136  f. 

')  Anders  Bbzzeubkroeb,  Beitr.  3,  173. 

')  comü  Osthoff,  M.  U.  4,  384;  übri- 


gens vgl.  oben  §  75. 

®)  CoBSSBN,  Kritische  Beitr.  261. 

^)  J.  Schmidt,  K  Z.  25,  139  Anm.  unter 
Verweis  auf  Beitr.  4,  266;  Danielsson, 
Grammatiska  anm&rkningkar  vgl.  G.  Mbyeb, 
Phil.  Woch.  3,  1153  f.;  Schweizeb-Sidleb 
ib.  771. 

»«)  BuGOE,  N.  J.  105,  106. 

»')  Osthofp,  M.  ü.  4,  214. 


330  B.  Lateinische  Orammatik.    o)  Lateinisohe  Formenlehre. 

acu'pedius  gr.  wxvg.  Verzeichnis  der  adjektivischen  ti-Stämme  (mit  einigen 
Unrichtigkeiten)  bei  0.  Weise,  De  linguar.  indog.  suffixis  prim.  diss. 
(Jottingae  1873. 

3.  o-Stämme.  Charakteristisch  ist  das  Auftreten  des  e  im  Vokativ  d. 
Sing,  (urspr.  auch  im  Lok.  und  Instr.).  Substantive  (Maskulina  und  Neutra) 
und  Adjektive,  gebildet  durch  die  Suffixe  -o-  {sontis  iugum),  -io-,  primär, 
z.  B.  fluvius  adagium,  sekundär,  patrius  victoritis,  -co-,  pau,cus  locus,  -wo-, 
animas  firmus,  -no-,  primär,  somnus  donum  plenus,  sekundär,  paiemus 
equinns,  -lo^,  rallum,  -ro-^  ager  ruber,  -to-  argentum  datus,  -tro-,  aratrum,  -fe>-, 
sertritium,  -tuo",  mortuus,  -vo-,  primär,  equus  arduus^  sekundär  captivus,  -oso- 
formosus.  Ausführlich  handelt  jetzt  hieriiber  Brughann,  Grundriss  2  S.  102  flf. 
Über  den  Übergang  von  o  in  w  vgl.  §  26,  2.  Über  den  Nominativ  d.  Sing, 
der  ro-Stämme,  denen  sich  auch  gr.  Alexander  Euander  u.  s.  w.  anschlössen, 
vgl.  §  43.  Alexandrus  (nur  bei  Charisius)  Euandrus  ist  gelehrte  Neubildung, 
Nicepot  CIL.  1,  1033  filr  NixrjtpoQog  klingt  an  die  Komposita  mit  -por  an. 
Stets  behauptet  hat  sich  -us  bei  erus  numerus  umerus  (ursprünglich  s-Stamm 
*umeS'  nach  Brugmann,  Grundriss  2,  S.  387),  iunipertis  gewöhnlich  auch  uterus 
{uter  nur  Caecilius  nach  Non.  188,  12  Müll.),  weil  hier  r  stammhaft  ist. 
Über  das  Auftreten  von  unursprünglichen  weiblichen  o-Stämmen,  z.  B. 
humus  nach  terra,  vgl.  Brugmann,  Lit.  Centralbl.  1878,  983  f.,  N.  J.  121. 
659  f.,  Techmer's  Int.  Zeitschr.  1,  247;  Delbrück,  Synt.  Forsch.  4,  12; 
Rüge,  Bem.  z.  d.  griech.  Lehnwörtern  13.  Über  die  Formen  der  io-Stämme 
vgl.  MoMMSEN,  Hermes  1,  460  flf.,  Weissbrodt,  Phil.  43,  450  f.;  die  in- 
schriftlichen in  diesem  Handbuch  1  511  f.  Die  altlateinischen  Formen  aUs 
Conielis  u.  s.  w.  osk.  Kitpiis  NiumesiiSy  umbr.  Kaisis  Trutitis,  Alies  (Pi- 
cenum),  Loucies  Eufries  (Päl.),  Pacvies  (Mars.),  Tafanies  (Volsk.),  früher 
fälschlich  als  le-Stämme  betrachtet,  sind  io-Stämme.  Die  in  den  verschie- 
denen italischen  Dialekten  erscheinenden  Formen  sind  Produkte  der  Aus- 
gleichung ursprünglicher  Abstufung  dieses  Suffixes :  -{o-  -je-  -i-  (-t'i'ö-  -i{e- 
-?-),  vgl.  Streitberg  bei  Brugmann,  Grundriss  2,  116  Anm.,  P.-B.  Br.  14, 
200  flf.,  Brugmann  oben  S.  92.  Die  Eigennamen  Lahienus  Lucientis  (andere 
bei  MoMMSEN,  Unterit.  Dial.  362,  8),  das  Adjektiv  aliSntis  gehören  zur 
zweiten  Stammform,  während  Per  Persson  Stud.  etym.  11  sie  von  *ali^  = 
eiXhj  herleiten  will.  Über  den  Thatbestand  vgl.  auch  Ritschl,  Op.  4,  446  flf. 
Anderer  Art  sind  die  im  Vulgärlatein  häufigen  Formen  auf  -is  statt  -eW, 
z.  B.  abstemis  actuaris  sobris  (Löwe,  Prodr.  420). 

Anmerkung.  Spuren  ursprünglicher  Stammabstufung  in  der  Stammsilbe  zeigt 
somnus  für  *svepno-  neben  gr.  vnyog  für  *supnO'.  Auch  der  Wechsel  von  -o  und  -e  be- 
ruht auf  Abstufung. 

4.  ö-Stämme.  Hieher  gehört  die  grosse  Masse  weiblicher  a-Stämme 
mit  ursprünglichem  ö,  wovon  in  der  Flexion  sich  noch  mannigfache  Spuren 
nachweisen  lassen.  Eine  Übersicht  bei  Kühner  §  221  f.  Eine  einzelsprach- 
liche Errungenschaft  sind  die  männlichen  a-Stämme,  z.  B.  scriba  agricola. 
Vgl.  Delbrück,  Synt.  Forsch.  4,  8  f.  Die  Kürzung  des  ö-Lautes  erfolgte 
zunächst  im  Akk.  d.  Sing.,  dann  bei  iambischen  Worten  im  Nominativ. 
Auch  mag,  wie  Henry,  Mem.  d.  1.  S.  d.  1.  6,  204  f.  meint,  zur  Kürzung  im 
Nominativ  das  Verhältnis  von  servös  :  servam  (so  auch  terra  :  terräm)  bei- 


1.  Deklination  des  Nomens.  (§  78.) 


331 


getragen   haben.     Im   Vokativ   blieb  ä  statt  e  (vgl.  §  7    und  Bruomann, 
Grundr.  1,  S.  504  Fussnote)  durch  Systemzwang  erhalten. 

5.  ^-Stämme.  Ein  e-Stamm  ist  sp^-s  (daneben  vielleicht  auch  s-Stamm 
in  spEr-es  sper4bus  oder  Analogiebildung),  ebenso  qui^^s  {quie-t-is  u.  s.  w. 
Neubildung).  Die  lat.  t€-Stämme  sind  indog.  f^Stämme;  im  Lat.  ist  die 
Suffixform  -i^-  verallgemeinert,  daher  temper-is-s  pauper-ie-s  u.  s.  w.  Im 
einzelnen  vgl.  Bbugmann,  Qrundriss  2,  S.  313  flf.  Früher  war  ich  Osthoff, 
Z.  Q.  d.  P.  338  Anm.  gefolgt;  vgl.  auch  die  älteren  Ausfuhrungen  von 
Pauli,  K.  Z.  20,  348  flf.  und  Danielsson  (o.  S.  329  Anm.  8)  und  neuestens 
Johansson,  K.  Z.  30,  425  flf. 

6.  Diphthongische  Stämme,  hös  kann  als  Lehnwort  nicht  in  Be- 
tracht kommen.  Jedesfalls  aber  haben  in  der  Flexion  dieses  Wortes  Ausglei- 
chungen stattgefunden,  einerseits  hös  böbus  bübus,  andererseits  bovis  (Nom.) 
nach  bovis  (Gen.)  botum,  älteres  bovom  VaiTo  1.  1.  9,  26,  Verg.  Georg.  3,  211 
ist  lautgeseszlich  zu  botim  geworden.  Wie  suerum  (§  78,  2)  gebildet  ist  boverum. 
Der  Stamm  diieu-  ist  erhalten  in  Dies-piter  filr  *Diii^-piter  vgl.  skr.  dyaü^ 
gr.  Zevg^  Diovi,  dieu"  in  JovL  In  der  Flexion  ist  der  starke  Stamm  diet/^- 
uniform  durchgeführt,  daher  Jovis  für  *Di^os  statt  des  regelrechten  *ditfes. 
Nach  den  Casus  obliqui  ist  der  Nom.  Jovis,  prän.  auch  Jovos  Eph.  ep. 
1,  14  uro.  21*)  (Diovo  Genetiv  Hermes  19,  453  Schneider  No.  108)  ge- 
bildet, ebenso  Jupiter  (besser  Juppiter)  für  *JeU'piter  *JoU'piter,  Vom 
schwachen  Stamme  ditf-  {biduum  für  *bi'diuom)  abgeleitet  ist  Dis  (oder 
mit  Jordan-Preller,  Rom.  Myth.  2^  65  Anm.  3  =  dives  (päl.  des),  vgl. 
gr.  nXovTwv?),  Auch  dies  diem  gehen  auf  *dii^is  *dii^^m  zurück  (schon 
idg.  *di^m  vgl.  §  13,  7).*)  navis  ist  vom  Genetiv  aus  gebildet,  jedoch  mit 
dem  langen  Vokal  des  starken  Stammes.  Joverum  halte  ich  für  eine 
Analogiebildung  vom  späteren  Nominativ  Jonis,  Vgl.  Bruomann,  Grund- 
riss  2,  S.  451  gegen  Danielsson,  Gramm,  u.  etym.  Stud.  1,  49.  r^s,  Stamm 
rei-,  skr.  rai-;  über  den  lautgesetzlichen  Schwund  von  -{-  nach  e  {res  aus 
idg.  *rSi'S  u.  s.  w.)  vgl.  §  13,  7. 

Anmerkung.  Der  vorausgehenden  skizzenhaften  Übersicht  der  Nominalstärame 
schliesse  ich  einige  liemerkungen  über  die  Stamrobildung  derselben  an,  die  freilich  nur 
dürftig  ausfallen  können.  Die  Stammbildung  steht  in  engem  Zusammenbange  mit  der  ur- 
sprünglichen Accentuation.  Da  nun  dieselbe  im  Lateinischen  gänzlich  verschoben  ist,  so 
lässt  sich  nur  mit  Hilfe  vornehmlich  der  altindischen  griechischen  und  deutschen  Sprache 
eine  richtige  Darstellung  gewinnen.  Die  Tiefstnfe  hatten  die  oxytonierten  o-  und  d-Stämme, 
z.  B.  bes.  die  Participia  auf  ~to-,  bez.  -so-  (vgl.  oben  §  64,  8),  femer  die  Verwandtschafts- 
wörter auf  'ter,  die  Nomina  actionis  auf  -ti-,  welche  wichtige  Klassen  besonders  hervor- 
gehoben werden  sollen.  Die  erste  Hochstufe  hatten  ursprünglich  die  Substantiva  auf  -mon 
(s.  B.  termo),  die  Neutra  auf  -08  (z.  B.  gen-us),  die  raroxytona  auf  ~men,  daher  z.  B. 
numen  =  *neurmen.  Zwei  Kategorien  scheinen  angesetzt  werden  zu  müssen  bei  den  Verbal  - 
nomina  auf  -tor  und  -sor,  vgl.  dätor,  gr.  Startog.  Die  zweite  Hocbstufe  hatten  von  Anfang 
an  die  paroxytonierten  -o-  und  -a-Stämme.  Die  vorstehenden  kurzen  Bemerkungen  dienen 
zugleich  zur  Rechtfertigung  der  vornehmlich  in  der  Lautlehre  vorkommenden  Accentuierungen 
der  rekonstruierten  indogermanischen  Grundformen.  Im  übrigen  vgl.  man  De  Saussure, 
M^m.  bes.  228  f.  und  jetzt  besonders  Bbuomakn,  Qrundriss  2,  1  Hlffce. 


»)  Nach  G.  Mbyeb,  Z.  f.   rom.  Phil.  6. 
622  Schreibfehler  (?). 

«)  Bbffet,  Abb.  d.   Gott.  Ges.    d.  W. 


17,  176  Anm.  84;   vgl.  auch  Fröhde   Bezz. 
B.  7,  121,  J.  Schmidt,  K.  Z.  25,  59. 


332  B.  Lateinische  Grammatik,    c)  Lateinisclie  Formenlehre. 

Bildungr  der  Kasus. 

Nominativ  des  Singulars. 

79.  a.  Masculina  und  Feminina.  1.  Sigmatische  Bildung^)  bei 
den  Guttural-,  Labial-  und  Dentalstämmen,  z.  B.  vöx  Ux  ops  urbs  cu8tö8 
pes  von  vöC"  Ug-  op- urb-  ctistöd"  p^d-  vgl.  skr.  -päd-  (§  41,  1);  femer  bei 
den  diphthongischen  Stämmen  res  di&s  Grdf.  *rei'S  *diiö^-s  (§  78,  6),  bei 
den  p-  ü-  0'  ei-  e^z-Stämmen,  vis  sü-s  bono^s  ignis  anu-s;  wahrscheinlich 
auch  bei  den  einsilbigen  -nt-  und  5-Stämmen,  dens  St.  dent^,  müs  aus  idg. 
*wws-s;^)  »vielleicht  auch  sal  für  *sals  *sall  gr.  aXg.^) 

2.  Mit  Vokaldehnung  die  ^»-Stämme,  z.  B.  homö  gr.  iai'iKov  (mit  sekun- 
derem -r)  skr.  rdja,  die  Substantive  auf  -ion-  und  -tion-  (osk.  üiUiuf  mit/*= -n« 
neben  lat.  usiö  ist  einzelsprachliche  Neubildung) ;  sangtwn  (vgl.  li-Sn),  dafür 
später  sanguis,  vgl.  umgekehrt  ieX^ptv  für  ieX^ptg.^)  hiems  scheint  auch 
Neubildung  neben  gr.  x'^^-  Femer  haben  Vokaldehnung  die  mehrsilbigen 
r-Stämme:  pater  {e  verkürzt,  vgl.  §  40  B,  2)  gr.  noctrjQ  skr.  pitd^  datör 
gr.  i(üT(OQ  doTi]Q  skr.  datd;  dieselbe  Kürzung  in  Ceres  degener  und  bei  den 
Komparativen. 

3.  Doppelte  ursprüngliche  Bildungsweise  ist  nach  mehreren  Forschem 
anzuerkennen  bei  den  Partizipien  auf  -nt,  worüber  man  vgl.  G.  Meyeb, 
Gr.  Gr.^  §  315,  der  die  bis  1886  erschienene  diesbezügliche  Litteratur  ver^ 
zeichnet;  dagegen  nimmt  Bartholohae,  K.  Z.  29,  557  f.  (=  Beiträge  zur 
Flexionslehre  S.  137  f.)  an,  dass  der  Nominativ  aller  Partizipien  in  der 
Ursprache  sigmatisch  gebildet  war.  Im  Lateinischen  haben  alle  Part,  des 
Präsens  sigmatische  Bildung,  z.  B.  ferens  ferent-  wie  gr.  tiO-eig. 

4.  Die  Stammform  erscheint  im  Nom.  der  weiblichen  fl-Stämme;  über 
die  Länge  des  a  Ritschl,  Pr.  Lat.  mon.  e.  S.  33,  Neue  1,  4.^) 

5.  Einzelheiten :  Über  das  inschriftliche  Fehlen  des  ^  bei  o-  io-  und 
i-Stämmen  vgl.  §  69,  über  die  Bildung  des  Nom.  der  ro-  und  W-Stämme 
§  43.  Spärliche  Versuche  der  s-Bildung  bei  den  hysterogenen  maskulinen 
a-Stämmen  zeigen  altlat.  parieidas,  hostieapas.  Der  Analogie  der  lat.  No- 
mina sind  auch  zahlreiche  griechische  Lehn-  und  Fremdwörter  gefolgt. 
Unursprünglich  ist  s  auch  im  Nominativ  der  lat.  -ie-Stämme. 

b.  Neutra  (zugleich  Vok.  Akkus.).  Es  erscheint  der  erforderlichen 
Falles  nach  den  Auslautgesetzen  modifizierte  Stamm,  z.  B.  gentis  cor{d) 
lac{t)  mel{t)  u.  s.  w.  Die  Neutra  auf  -ali  -ari  haben  sehr  häufig  -l  -r. 
Von  den  Adjektiven  eines  Ausgangs,  die  in  der  ausgebildeten  Sprache  die 
Nominativform  des  Mask.  und  Fem.  auch  für  das  Neutrum  verwenden, 
könnten  plautinische  Messungen,  wie  duplex,  offenbar  =  *duplee,  die  ur- 
sprüngliche Neutralform  darstellen;  dies  ist  Ascoli's  Meinung  (Sprachw. 
Briefe  üb.  s.  Güterbock  S.  201).  Indessen  dürften  sich  doch  schon  in  ver- 
litterarischer  Zeit  die  Neutra    den  Masculina  angeglichen   haben. ß)     Nach 


»)  Seit  Bopp,  Vgl.  Gramm.«  1  §  134  fasst 
man  dieses  -8  fast  allgemein  als  Rest  des 
idg.  Pronomens  *8o. 

2)  J.  Schmidt,  K.  Z.  27,  392. 

^)  Da  jedoch  das  Neutrum  sal  als  alt 
bezeugt  ist,  könnte  8äl  Analogiebildung  nach 


*)  Osthoff,  M.  U.  4,  236  f. 

*)  Nach  MisTELi,  Z.  f.  Völkerpsych.  14, 
828  f.  und  Stadelmann,  De  quant.  voc.  13  f. 
ist  rosa  die  Vokativform.  Indessen  ist  dies 
nach  den  §  78,  4  gegebenen  Ausführungen 
nicht  möglich. 


söl  pes  sein.  |  ^)  Süchibr  in  Arch.  f.  lat.  Lex,  3,  161  f. 


1.  Deklination  des  Nomens.  (§  79—80.) 


333 


Thübneysen,  Arch.  f.  lat.  Lex.  5,  57G  sind  die  Nom.  der  Partizipien  auf 
-ent'  {*legent-s  ^legenti-s  aus  urspr.  *-en^f,  *legent)  in  allen  drei  Geschlech- 
tern lautgesetzlich  in  die  eine  Form  auf  -ens  zusammengefallen  und  haben 
unter  Vermittlung  von  Adjektiven  wie  ingens  die  Adjektiva  einer  Endung 
hervorgerufen.  Nur  die  o-Stämme  nehmen  zur  Charakterisierung  dieses 
Kasus  -w  (gr.  -v  skr.  -m)  an,  z.  B.  novo-m  gr.  veo-v,  skr.  ndva-tn  (ursprüng- 
lich die  Akkusativendung,  vgl.  oben  S.  119),  jedoch  einmal  Campans  genus 
Plaut.  Trin.  545,  vgl.  Non.  486,  22  M.  Über  den  Abfall  des  -w  vgl.  §  69. 
Das  Lehnwort  pelagus  hat  das  Geschlecht  beibehalten  trotz  des  Übertritts 
in  die  Flexion  der  o-Stämme;  für  virus  und  vulgus  nimmt  Schweizer-Sidler, 
K.  Z.  17,  309  Doppelstämme  (-os  und  -o)  nn. 

Nominativ  des  Plurals.O 

80.  a.  Masculina  und  Feminina.  Sämtliche  Stämme  mit  Aus- 
nähme  der  o-  und  d-Stämme  bilden  diesen  Kasus  mittelst  des  Suffixes  -ds 
=  idg.  '^s.  Die  plautinischen  Messungen  cands  ped^s  turUn^s  zeigen  die 
ursprünglichen  Formen.  In  dieselbe  Kategorie  gehören  matrona  Pisauresc 
CIL.  1,  123  (für  PisaureS'f^s  v.  Nom.  Pisaures),  liamnes  Tities  Luceres  für 
*RamneS'äs  u.  s.  w.,  endlich  quatttwr  =  *qtmUuor^s  *quattuor{e)s,  vgl.  dor. 
TerroQeg.  Den  gleichen  Verlust  des  Kasussuffixes  weisen  auf  osk.  censtur 
=  censores,  umbr.  frater  =  fratres.  Die  eben  erwähnte  ursprüngliche 
Bildungsweise  des  Nom.  plur.  der  konsonantischen  Stämme  ist  zu  Beginn 
der  litterarischen  Thätigkeit  bereits  im  Schwinden  und  daher  nur  mehr  in 
den  vorgeführten  dürftigen  Spuren  nachzuweisen.  An  die  Stelle  derselben 
ist  die  Bildung  nach  dem  Muster  der  ^{-Stämme  getreten,  daher  -es.  Dieses 
ist  zunächst  aus  -eies  -ees  entstanden,  z.  B.  ^ovei^es  ^ove-es  ovPs,  wie  gr. 
ßaaeig  aus  ^ßdask-sq,  skr.  dvayas,  tres  aus  ^trei-es  gr.  rgtig  skr.  trdyas. 
Dabei  fallt  noch  ins  Gewicht,  dass  auch  der  Akk.  d.  kons.  Stämme  sich 
auf  -es  endigte.  Die  inschriftlich  spärlich  überlieferten  Nom.  Plur.  auf  -is^) 
repräsentieren  nicht  eine  eigene  Bildungsweise,  etwa  finis  =  ^fini-es^  wie  gr. 
dial.  ßdaifg  neben  att.  ßdaeig  (schon  wegen  der  Kontraktion  von  -ie-  zu  -/- 
nicht  annehmbar,  vgl.  §  36,  2),  sondern  beruhen  auf  einem  lautlichen  Vor- 
gange: -es  -eis  -is  (ähnlich  osk.  aidilis).  In  Übung  .waren  dieselben  be- 
sonders in  der  Vulgärsprache,  ja  Varro  wollte  sie  überhaupt  ohne  Unter- 
schied zulassen.^)  Von  dem  konsonantischen  Stamm  ccnsor  den  Nom.  Plur. 
c«8or-is  zuzulassen,  wie  Vahlen,  Cic.  de  leg.  3,  4,  11  thut,  liegt  keine  Be- 
rechtigung vor.  Von  v?-s  Nom.  d.  Plur.  vT-s,  wahrscheinlich  die  nach 
dem  Muster  der  ßi-Stämme  gebildete  Akkusativform  für  ^vlns,  vgl.  82, 
von  sü-s  sü-es  für  *5w^-e5,  vgl.*  skr.  bhüvas.  Der  Nom.  Plur.  der  cw- 
Stämme  musste  -6?^-e5  ergeben,  z.  B.  *fructetie$,  woraus  nur  durch  die 
Mittelstufe  *fructo^{e)Sy  vgl.  oben  quattufyr  u.  s.  w.  die  gewöhnliche 
Form  fructüs  werden  konnte,  manüs  Plaut.  Mil.  325  kann  nur  aus 
mänüs  hervorgegangen  sein.  Übrigens  kann  fructüs  auch  die  Akkusativ- 
form sein  (Henry,  Precis  S.  227).  Von  den  e-Stämmen  haben  wir  sjie-s, 
wohl  aus  *spe^eSj   von   diphthongischen   dies  rüs   aus  "^diie^-es  *reies.     Die 


^)  Vgl.  über  das  ursprüngliche  Suffix 
dieses  Kasus  auch  Schulzb,  K.  Z.  28,  275  ff., 
dem  ich  übrigens  nicht  zu  folgen  vermag. 


«)  Stolz,  Wiener  Studien  6,  139. 
*}  Brambach,  Neug.  158. 


334 


B.  Lateinische  Grammatik,    o)  Lateiniache  Formenlehre. 


o-Stämme  haben  die  Bildungsweise  der  Pronomina  angenommen  ;0  wahr- 
scheinlich ist  es  wegen  skr.  v^fkas,  osk.  Nüvlantis,  got.  vulfos^  dass  das 
Lateinische  gleich  dem  Griechischen  (Xixoi),  Keltischen  (/$r),  Slavischen 
(vlüci)  diese  Übertragung  in  seinem  Sonderleben  vorgenommen  hat.^)  Die 
Grundform  *agroi  (vgl.  gall.  tanotaliknoi  =  *Dannotaligeni  Pauli  Inschr.  d. 
nordetr.  Alph.  (Altit.  Forsch.  1)  S.  78,  Stockes  Bezz.  B.  11,  117)  liegt 
nicht  vor;  belegt  sind  die  Formen  auf  -oe,  pilumnoe  poploe  (Festos  205), 
fescenninoe  (ib.  86),  vgl.  Adelphoe;  ferner  phirume  CIL.  1,  32  und  IBvire 
ib.  554  und  555,  mars.  socie  Zvet.  Inscr.  It.  med.  43,  endlich  die  gewöhn- 
lichen Formen  auf  -i,  neben  welchen  seit  der  Mitte  des  6.  Jahrhunderts 
als  graphische  Varianten  solche  auf  -ßi  einhergehen.  Bei  den  lo-Stämmen 
bevorzugte  die  ältere  Sprache  die  kontrahierten  Formen,  z.  B.  filei  socei 
dei  dl.  Die  seit  dem  6.  Jahrhundert  inschriftlich  vorkommenden  Formen 
auf  -es  -eis  -is,  z.  B.  magistres  leibereis  magistris,  fal.  Falesce  mctgistreis 
Zvet.  Inscr.  It.  med.  70  b,  betrachte  ich  mit  Bopp,  Vgl.  Gramm.*  1,  S.  449 
als  Analogiebildungen  nach  den  «-Stämmen,  wobei  die  to-Stämme  mit  den 
Formen  alis  all  alim  u.  s.  w.  die  Brücke  bildeten.  Bei  den  a-Stämmen 
deutet  auf  die  urspi*üngliche»  Bildungsweise  neben  osk.  skrißas  umbr.  urias 
marruc.  asignas  Zvet.  Inscr.  It.  med.  6  lat.  matrona  CIL.  1,  123.*)  Auf 
-OS  (idg.  *-a  +  es)  ist  zu  schliessen  nach  skr.  d&vas.  Im  übrigen  herrschen 
nur  Formen  auf  -at  -ae,  die  entweder  als  Nachbildungen  der  masculinen 
auf  "Oi  u,  s.  vv.  aufzufassen  sind  oder  wie  Brügmann,  K.  Z.  27,  199  f. 
wahrscheinlich  macht,  die  ursprünglichen  Dualformen  repräsentieren,  vgl. 
bes.  dime  =  *du^ai  ved.  duve,*)  Übrigens  macht  das  auslautende  -ac,  wofür 
man  nach  §  13,  1  und  7  -l  erwarten  sollte,  Schwierigkeiten;  zu  besei- 
tigen versucht  sie  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  196  flf.  Eine  ganz  vereinzelte 
Missbildung  ist  sportulaes  CIL.  8,  9052. 

b.  Neutra  (zugleich  Akk.  und  Vok.).  Jedesfalls  -a  hatten  die  o- 
Stämme,  vgl.  ved.  yugd  und  einzelne  Spuren  der  ursprünglichen  Länge  in 
älteren  Messungen  bei  Bücheler-Windekilde  §  93.  Diese  Endung  -a  muss 
frühzeitig  auf  die  übrigen  Stämme,  die  wohl  ursprünglich  -a  =  idg.  -a  vgl. 
skr.  ndman-i  als  Endung  hatten,  siehe  oben  §  11,  3,  S.  28,  §  88,  S.  126, 
übertragen  worden  sein.  Allgemein  wurde  in  historischer  Zeit  die  Kürzung 
des  auslautenden  -a  durchgeführt  (wahrscheinlich  zunächst  von  iambischen 
Wortformen  ausgehend),  daher  iugä  gener-ä  comu^ä.^)  Vermischung  der 
f-Stämrae,  deren  ursprüngliche  Bildungsweise  tri-ginta  aufzuweisen  scheint, 
vgl.  oben  S.  126,  und  konsonantischen  hat  bei  den  Adjektiven  und  Parti- 
zipien stattgefunden.  Vgl.  Mahlow,  D.  1.  V.  72  f.,  J.  Schmidt,  K.  Z.  27, 
384;  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  338  f.,  wo  er  seine  früher  M.  U.  2,  119  ge- 
gebene, von  Bruomann  Techmers  Zeitschr.  1,  238  angenommene  Darlegung 

*)  Mit  Brügmann  einverstanden  Pbzzi. 
La  lingua  greca  antica  (Breve  encycl.  Vi) 
187  Anra.  5. 

^)  Nach  Stadelmann,  De  quant  voc.  32 
bereits  im  Indogermanischen  a  und  ä  ver- 
tauscht.   Für  das  Lateinische  sind  wegen  des 
auslautenden  -ä  —  -B  (vgl.  §  7)  ausschliess 
lieh  Grundformen  auf  -ä  anzusetzen. 


')  Bruomann,  Techmer's  Tnt.  Zeitschr.  1, 
255;  anders  Bezzenberger,  Gott.  g.  A.  1879, 
S.  G68. 

*)  Dass  diese  Übertragung  durch  Ver- 
bindungen wie  isti  *equo8  erleichtert  worden 
ist,  bemerkt  mit  Recht  Henry,  Precis  S.  201. 

^)  ambas  nach  Ritschl,  Neue  Plaut.  Exe. 
55  bei  Naevius  8  Müll.;  fulguritas  Plaut. 
Trin.  539  coni.  Scholl. 


1.  Deklination  des  Nomons.  (§  81—82.) 


335 


zurQcknimmt.  Bruqmann,  Grundriss  1,  §  113  ist  jetzt  geneigt  -a  als  Suffix 
dieses  Kasus  bei  den  o-Stämmen  anzusehen  (idg.  *iug-d  mit  Elision  des 
auslautenden  Stammvokals). 

Anmerkung.  Die  Nominative  des  Sing,  und  Plur.  fungieren  im  Lateinischen  auch 
als  Vokative.  Nur  die  o-St&mme  mit  dem  Nominativausgang  -U8  bilden  den  Vokativ  des 
Sing,  nach  altererbter  Weise  mittels  der  Stammform  auf  -e.  Auch  von  -ro-Stämmen  haben 
Plantus  und  Terenz  noch  puere  (Büch.-Wind.  §  103).  Die  Substantiva  auf  -ius,  -aius,  -eins 
haben  die  kürzeste  Stammform  auf  -i,  daher  filiy  wfthrend  Livius  Andronicus  die  Form  filie 
gebrauchte  u.  s.  w.  (-%  und  -ie  Doppelformen);  ebenso  m%  von  mius  (auch  mei  Plaut.  Merc. 
525),  vgl.  mieis  CIL.  1,  88,  ital.  mio.^)  Wenn  ich  früher  glaubte,  dass  ein  Rest  der  indo- 
germanischen Betonung,  nach  welcher  im  Vokativ  der  Accent  auf  die  erste  Silbe  zurück- 
gezogen wurde,  in  der  Betonung  Vdleri  gewahrt  sei,  welche  P.  Nigidius  ausdrücklich  vor- 
schrieb, vgl.  Gbllius  XIII,  26  H.,  Cobssen  2,  811,  Bbnfey,  Abh.  d.  Gott.  Ges.  d.  Wiss. 
17,  51  f.,')  so  muss  ich  jetzt  zugeben,  dass  man  die  Bemerkung  des  Gellius  eher  mit 
CoocHiA,  Rassegna  critica  (Torino  1887)  7  f.  auf  die  Betonung  des  Vokativs  im  Satze  be- 
ziehen kann.  Die  Vokative  der  ä-Stämme,  wie  rosa  sind  nicht  ursprünglich  trotz  gr.  yvfAtpC 
skr.  ved.  dmha,  vgl.  §  7  und  78,  4.  Harpage  und  Dite  (Nom.  Harpax  und  Dia)  sind  in 
der  Bildung  den  o-Stfimmen  gefolgt  Der  Vokativ  steckt  in  Jttppiter  für  *Jeu  pater  idg. 
*di6^  p9ter,  vgl.  umbr.  Jupater  gr.  Zev  ndreg. 

Akkusativ   des  Singulars. 

81.  Das  Easussuffix  idg.  -m  =  lat.  -m  tritt  an  vokaliscbe  Stämme 
unmittelbar,  z.  B.  rosa-m,  equo-m,  vi-m,  manu-m^  re-m  aus  *rem;  hinter 
konsonantischen  wird  es  sonantisch,  z.  B.  vöcem  aus  *t?öc-jp  idg.  ^vdq-^. 
Einiger  besonderer  Bemerkungen  bedürfen  die  e{-Stämme:  ursprüngliebe 
Form  auf  -im  gr.  ßdai-v  skr.  dvi-m.  Diese  ältere  Bildungsweise  repräsen- 
tieren inschr.  turrim  parti{m)y  die  Adverbia  auf  -im  z.  B.  partim  statim 
(vgl.  §  77,  5).  Über  andere  Akk.  auf  -im  Neue  1,  196,  Bbambach,  Neu- 
gestaltung 175.  Schon  sehr  frühzeitig  erscheint  aber  im  Akk.  der  ^-Stämme 
die  Form  -em  (vgl.  umbr.  peraknem  und  sevaknim),  welche  die  ursprüng- 
lichere auf  -im  beinahe  vollständig  verdrängt  hat.  Ursprünglich  liegt  ein 
Übergreifen  des  starken  Stammes  vor  (Gen.  *oveis  *oves  umbr.  ukre-s,  Dat. 
ave),  begünstigt  wurde  die  Ausbreitung  der  Endung  -em  noch  durch  die 
Yerquickung  der  ei-  und  konsonantischen  Stämme.  Dass  die  Schreibung 
mit  -em  nur  das  Schwanken  der  Aussprache  wiederspiegle,  wie  0.  Riemann, 
Revue  de  philol.  1886,  S.  103  will,  darf  nicht  angenommen  wiBrden.  Über 
das  inschriftliche  Fehlen  des  auslautenden  -m  vgl.  §  69. 

Akkusativ  des  Plurals. 

82.  Easussuffix  idg.  -ms  =  ]at,  -ns :  *equo-ns  equös;  wegen  umbr.  aftrow^, 
das  man  ohne  zureichenden  Grund  mit  aprof  (Akk.  d.  Plur.)  identifiziert,  vgl. 
Danielsson  bei  Pauli,  Altit.  Stud.  3,  146  Anm.  Vom  f-Stamm  ni-  vis  *vi-ns, 
vgl.  §  80;  vom  w-Stamm  su-  sües  =  *5%-^s;  von  ew-Stämmen  -üs  aus  *-uws, 
z.  B.  fructusRus  *fructu-ns.  Was  die  ej-Stämme  anlangt,*)  so  erscheinen  die 
durch  die  komparative  Grammatik  zu  erschliessenden  Grundformen  auf  -is  =  -ins 
schon  seit  alter  Zeit  durch  Analogiebildungen  auf  -es  ersetzt,  die  später  durch 
die  Akkusative  auf  -eis  (zuerst  auf  dem  Meilenstein  des  Popillius  u.  c.  622 
ponteis  amneis)  verdrängt  wurden  und  nach  bekannter  Entwickelung  in  die 
Formen  auf -is  übergeführt  worden  sind;  so  auch  trts  =  *tri-ns,  später  ge- 
wöhnlich durch  die  Nominativform    tr^s  verdrängt,   vgl.   oben  S.  136  und 


»)  Vgl.  §  78,  3nnd  Whkbler,  Der  grie- 
chische Nominalaccent  51  Fussnote. 

')  Ich  stimme  Langen,  N.J.  113,  625  bei, 


der  für  die  Richtigkeit  der  Äusserung  des 

Nig.  gegen  Scholl,  De  accentu  58  f.  eintritt. 

^)  Stolz,  Wiener  Studien  6,  136  f. 


336 


B.  Lateinische  Grammatik,    c)  Lateinische  Fonnenlehre. 


G.  Meyer,  Gr.  Gr.«  §  299.  res  führt  auf  die  idg.  Grundf.  *reifp8,  dies 
auf  idg.  *dii^t^  zurück.  Bei  den  konsonantischen  Stämmen  ist  -fö  =  -^ 
die  regelrechte  Endung,  z.  B.  ped-Ss  voc-^s  aus  *ped-ens  ^voc^ens  ped-^ 
*voC'iis,  Vgl.  umbr.  nerf  =  *ner-^.i)  Übertragung  des  Ausgangs  -eis 
auf  die  konsonantischen  Stämme  ist  inschriftlich  nicht  nachweisbar,  Ak- 
kusative  auf  -is  von  konsonantischen  Stämmen  gehören  nur  der  vulgären 
und  späteren  Sprache  an.  Infolge  der  Verquickung  der  konsonantischen 
und  i-Stämme  herrschte  mehrfaches  Schwanken  im  Gebrauche  der  Kasus- 
endungen -es  und  -is.  Jedoch  steht  für  das  Mon.  Ancyr.  (also  wohl  auch 
für  die  Sprache  der  Gebildeten  jener  Zeit)  fest,  dass  die  Substantive  ohne 
Unterschied  des  Stammes  auf  -es,  die  Adjektive,  Partizipien  und  Pronomina 
mit  einer  einzigen  Ausnahme  rivos  labentes  4,  11  (vgl.  das  Schwanken 
von  'i  und  -6  im  Abi.  d.  Sing,  dieser  Partizipien)  auf  -is  endigten.*)  Hin- 
sichtlich der  a-Stämme  ist  es  nach  den  Ausführungen  J.  Schmidt's,  E.  Z. 
26,  338  sehr  wahrscheinlich,  dass  sie  bereits  in  der  idg.  Grundsprache  den 
Akk.  d.  Plur.  ohne  -n-  gebildet  haben  (vgl.  jetzt  auch  Bruqmann,  Grund- 
riss  1,  §  220);  somit  kann  lat.  equos  der  unmittelbare  Reflex  von  idg. 
*eki^as  sein.  Jedoch  legen  osk.  viass  für  *t?ia-n5,  umbr.  tutaf  für  ^tuta-ns 
die  Vermutung  nahe,  dass  auch  lat.  equas  auf  eine  nach  dem  Muster  von 
*equons   gebildete  Form  HqtM-ns  zurückgeführt  werden  muss. 

Genetiv  des  Singulars.^) 

83.  Kasuszeichen  -05,  gr.  -o^,  gall.  -os,  z.  B.  lUanoviak-os  Stockes 
Bezz.  B.  11,  124:  so  von  etz-Stämmen  magistraiuos  aus  ^magistrate^f'OS, 
*magistrato^'OS,  senattws,  fal.  genatno;*)  daraus  vielleicht  domtMiS  exercUu^us, 
möglicherweise  aber  auch  uu  =  ü.'")  -us  bei  konsonantischen  Stämmen, 
z.  B.  Castorus  Cererus  honorus,  die  sich  bis  in  die  Mitte  des  8.  Jahrh.  d. 
St.  erhalten  haben;  aerus  CIL.  4  2440,  Caesaru  ib.  1  698,  nationu  (prän.),«) 
vgl.  senatu  für  senafus  CIL.  1  1166')  und  wohl  auch  gelu  für  geltis.  Ein 
solcher  Genetiv  ist  vielleicht  auch  oj^-ms  in  der  Redensart  opus  est^  worüber 
Reifferscheid  im  Breslauer  Lektionskatalog  f.  d.  W.  S.  1877/78. 

Kasuszeichen  -es:*)  Apolon-es  CIL.  1  187,  Cerer-esih,  811,  Salut-es 
ib.  49,  Vener-es  Schneider  30;  sollte  -es  zu  messen  sein,  dann  wäre  das 
Suffix  von  den  t-Stämmen  übertragen,  vgl.  osk.  meddikeis.  Umgelautet  zu 
-is  (vgl.  undecim  neben  decem)  ist  es  das  gebräuchliche  Suffix  der  kon- 
sonantischen Stämme.  Der  n-Stamm  sü-s  bildet  regelrecht  sü-is  aus  ^süu-es 
vgl.    skr.  hfiuv-äs  gr.  av-og,     Vermischung   der  «7-  und  cff-Stämme,   daher 


>)  ßuGOB,  K.  Z.  22,  418. 

2)  WöLFFUN,  Sitzungsb.  d.  bayr.  Ak.  1886, 
S.  256;  vgl.  ausserdem  Ribbeck,  Prol.  Verg. 
Ind.  S.  105,  Bbambach,  Neug.  HO  ff.,  bes.  157. 

^)  Eine  mehr  originelle  als  wahrschein- 
liche Vermutung  über  den  Ursprang  dieses 
Kasus  von  J.  Kozlovski  in  Techm ers  Internat 
Z.  f.  Sprachw.  3,  285. 

**)  Fabretti  no.  2441,  vgl.  Pauli,  Altit. 
Stud.  1,  31;  Breal,  Möm.  d.  1.  S.  d.  1.4, 
400  f. ;  Zvet.  Inscr.  It.  med.  68. 

^)  Bücheler-Windekilde  §  150. 

®j  Hermes  19,  453;  Schneider  no.  108. 


^)  RiTSCHL,  Op.  4,  171  =  senatui;  doch 
ui  nicht  =  n. 

^)  Während  ich  früher  noch  an  die  Mög- 
lichkeit gedacht  hatte,  -is  aus  -us  auf  laut- 
lichem Wege  herzuleiten,  muss  ich  jetzt  jenen 
Forschem  Recht  geben,  welche  zwei,  bez. 
drei  idg.  Kasussuffixe  -o«,  -es  (vgl.  Loc. 
'Oi  und  -ei)  und  -8  annehmen  und  deren  ur- 
sprüngliche Verwendung  nach  der  verschie- 
denen Betonung  geregelt  betrachten;  vgl. 
Brughann,  Grundriss  1,  §  81,  Anm.  1,  oben 
S.  119:   Havet  M^m.  d.  1.  S.  d.  1.  5,  446. 


1.  Deklination  des  Nomons.  (§  83.) 


33  7 


senatu-is  donm-is  comu^lfi, »)    Vom  f-Stamm  vT-  vts  aus  *v1i-es  *vtiis  vgl.  skn 
bJUy-ds  gr.  xl-og  von  xig, 

Kasuszeichen  -s:  Der  Genetiv  der  e{-Stämnie  ist  mit  Rücksicht  auf 
osk.  Hermtateis  skr.  cive-^  auf  -eis  -es  (nach  J.  Schmidt,  K.  Z.  27,  287  f. 
älter  *-0|s)  anzusetzen.  Vermischung  der  ei-  und  konsonantischen  Stämme, 
gemeinsames  Suffix  -is.  Die  seit  Beginn  der  Litteratur  erscheinenden  Ge- 
netive auf  'üs  der  ef/-Stämme  entsprechen,  wie  umbr.  tnfor  osk.  castrovs 
got.  sundus,  den  altindischen  Genetiven  auf  -o^,  daher  tribüs  *tribeii-8 
*tribo^'S.  In  welcher  Weise  die  doppelte  Bildungsweise  der  ew-Stämme 
ursprünglich  verteilt  war,  ist  nicht  mehr  zu  ersehen.  Dasselbe  Suffix  in 
noc-s  Leg.  XII  tab.  rel.  ed.  Scholl  144,  diu-s  neben  gewöhnlichem  diu, 
ab'S  ci-s,  prae-s  Plaut.  Pers.  288,  ti/-5,  ec-s,^) 

Über  das  inschriftliche  Fehlen  des  auslautenden  -s  vgl.  §  69. 

Der  Genetiv  d.  Sing,  der  o-  und  io-Stämme^)  endigt  auf  den  ältesten 
Denkmälern  auf  -f,  erst  seit  c.  600  (zum  erstenmale  erscheint  ein  solcher 
Gen.  cogendei  auf  der  Weihinschrift  des  Mummius  CIL.  1,  542  a.  u.  608) 
auf  -ei,  worin  nach  unseren  §  32  gegebenen  Auseinandersetzungen  nur  eine 
graphische  Variante  von  -t  zu  sehen  ist.  Jedoch  faliskisches  Zextoi^)  be- 
rechtigt uns  als  Grundformen  auch  für  das  Lateinische  solche  auf  -oi  an- 
zusetzen. Jordan,  Hermes  16,  511  denkt  an  Doppelformen  auf -ei  und -ot. 
Alle  Versuche,  die  lat.  Genetive  der  o-Stämme  mit  dem  idg.  Suffix  -sj'o 
{sio)  in  Verbindung  zu  bringen,  sind  lautgesetzlioh  nicht  zu  rechtfertigen. 
Ebenso  scheitert  der  Versuch,  sie  aus  Grundformen  auf  *'Ois  unter  Berufung 
auf  die  oskischen  und  umbrischen  Formen  auf  -is  {"eis)  und  -es  (er)  z.  B. 
osk.  pümpaiianais  sakarakleis,  aumbr.  kapres^  numbr.  popler  abzuleiten,  an 
dem  Umstände,  dass  das  suffixale  s  des  Gen.,  welches  in  der  alten  Sprache 
allerdings  gelegentlich  nicht  geschrieben  wurde,  seit  Beginn  der  litterarischen 
Periode  überall  wiederhergestellt  worden  ist.  Die  seit  Bopp,  vgl.  Gramm.* 
1  S.  399  öfter  wiederholte  Vermutung,  der  lateinische  Gen.  der  o-Stämme 
sei  der  alte  Lokativ,  ist  einerseits  hinsichtlich  der  Bedeutung  schwer  zu 
rechtfertigen,  andererseits  auch  lautlich  anzufechten.^)  Mahlow  a.  a.  0. 
S.  165  sucht  ein  Suffix  -jo  zu  erweisen  und  führt  demnach  equi  auf  *equcjo 
zurück,  wofür,  wie  mir  scheint,  keine  hinlängliche  Begründung  vorliegt. 
Da  nun  auch  das  Altgallische  gleichgeartete  Genetive  aufweist,  z.  B.  Sego- 
mari,^)  so  glaube  ich  allerdings  auch,  dass  diese  Genetivbildung  bereits 
voritalisch  ist,  und  zwar  scheint  mir  dieses  -i  dasselbe  Element  zu  sein, 
das  in  der  Deklination  der  Pronomina  in  mehreren  Kasus  auftritt,  vgl. 
§  90  B.  Der  Genetiv  der  io-Stämme  lautete  bis  in  die  Zeit  des  Augustus 
auf  -i  aus  bei  den  Substantiven,  -ii  {-iei)   hatten   die   Adjektive.     Die   ge- 


>)  Nach  Gelliüs  IX,  XVI.  3  H.  erklarten 
einige  alte  Grammatiker  diese  Genetive  als 
Anaiogiebildangen  nach  dem  Dativ :  senatu-is : 
senatu-i  =  dtec-is  :  duc-i.  Diese  Möglichkeit 
muss  immerhin  zugegeben  werden. 

^)  Über  ec,  das  Ribbeck  wiederholt  im 
Texte  des  Vergil  hergestellt  hat,  Vahlen, 
Z.  f.  d.  öst.  Gymn.  1860,  S.  IG  f. 

^)  Ausser   den  bekannten  Werken  vgl. 


Petroni,  Dei  casi  nelle  lingue  classiche^  Na- 
poli  1878;  Cocchia,  Questioni  p.  46  f.  (vgl. 
S.  305  Fussnote  2) ;  Fümi,   Note  glott.  57  f. 

*)  Bull.  d.  corr.  1881,  51  f.,  Pauli,  Altit. 
Stud.  1,  31,  Zvet.  Inscr.  It.  med.  71,  Schnei- 
der Nr.  9. 

^)  J.  Schmidt  bei  Mahlow,  D.  1.  V.  37. 

ß)  Zbüss-Ebel,  Gramm,  celt.  S.  223; 
Stockes  Bbzz.  B.  11,  152. 


Handbach  der  klam.  AltertnmswlBBenschaft.  II.    2.  Aufl. 


22 


338 


B.  LateiniBche  Grammatik,    c)  Lateinische  Fonneiilehre. 


naueren  Angaben  siehe  bei  Bücheler-Windekilde  §  176  f.,  Brambach,  Neug. 
188  ff.  und  oben  §  78,  3.  Über  die  Kürzung  des  -f  in  volkstümlicher 
Sprache,  z.  B.  I^aepor  (nur  aus  *Naev7por  zu  erklären)  und  in  Anapästen 
des  Plautus  ib.  §  173. 

Die  einzige  altererbte  Form  des  Genetivs  der  a-Stämme  ist  die  auf 
-öS  (europäisch,  gegenüber  arisch  -äyas),  vgl.  familias  Latonctö  esms  vias 
(Ennius)  Coira{s)  Eph.  ep.  1  S.  8  no.  6,  Schneider  23,  Äkumenas  Plaut. 
Amph.  Arg.  II,  1,  poinas  für  d.  12-Tafelgesetz  gesichert  v.  BriIal,  Mem. 
d.  1.  S.  d.  1.  5,  229  nach  Fest.  371,  auras  vielleicht  noch  Vergil.  Aen.  11, 
801,  Ribb.  prol.  131,  osk.  eittms,  umbr.  tuias,  pael.  Uranias,  m^Lvrxxc.  Jo/vias 
gr.  xfüQag  (wegen  des  Accentes  nicht  aus  ^xwQaiag,  i)  Mit  Unrecht  werden 
diese  lat.  Gen.  auf  -ds  von  Gandino  Riv.  di  fil.  5,  101  f.,  Fümi  Note  glott. 
54  als  entlehnt  aus  dem  Oskischen  oder  gelehrte  Nachbildung  griechischer 
Formen  bezeichnet.  Letztere  liegt  vor  in  spätlateinischem  Qaartas  fiUus 
IRN.  4805  u.  a.  Übrigens  bemerke  ich,  dass  auch  Grundformen  auf  *-^*as 
im  Lateinischen  lautgesetzlich  -as  ergeben  hätten,  wodurch  zugleich  alle 
Versuche,  die  verschiedenen  lateinischen  Bildungen  des  Genetivs  der  a-Stämme 
aus  dieser  einen  Grundform  zu  erklären,  hinfallig  werden.  Mithin  sind  die 
später  ausschliesslich  üblich  gewordenen  Formen  auf  -äT  lateinische  Neu- 
bildungen, und  zwar  nach  dem  Muster  der  o-Stämme.^)  Inschriftlich  über- 
liefert sind  z.  B.  Lavernai  CIL.  1,  47,  Duelonai  196,  2.  Als  Nachbildungen 
sind  diese  Formen  auch  durch  die  Kürzung  des  -ö,  bez.  Übergang  des  -ai 
in  -ae  charakterisiert.  Die  Formen  auf  -aes  auf  plebeischen  Inschriften  des 
7.  Jahrhunderts,  z.  B.  Pesceniaes  Laudicaes  CIL.  1,  1212  sind  mit  Sittl, 
Die  lok.  Versch.  S.  16  u.  40  als  gräzisierend  zu  bezeichnen,  noch  mehr 
die  auf  -es  (Bücheler-Windekilde  §  165).  Die  Schreibung  mit  -e  ist  nur 
von  graphischer  Bedeutung  für  die  Vulgärsprache.  Auch  der  Genetiv  auf 
-j  der  diphthongischen  und  e-Stämme  ist  eine  Neubildung  nach  dem  gleichen 
Muster,  leicht  erklärlich  durch  die  Berührung  der  -m-  und  -fß-Stämme. 
Die  ursprünglichen  Formen  sind  die  spärlich  erhaltenen  auf  -es,  z.  B.  dien 
spes  und  darnach  fides  rabies  (Büch.-Wind.  §  166).  Das  nach  skr.  rayds 
vorauszusetzende  *m<?  aus  *ref-es  ist  nicht  erhalten,  sondern  durch  die  Neu- 
bildung m  nach  dem  Muster  der  a-Stämme  verdrängt,  wie  denn  die  Formen 
auf  -ei  die  herrschenden  überhaupt  wurden.  Die  Verwendung  von  Formen 
auf  -6  für  den  Genetiv,  die  gelegentlich  noch  bei  Dichtem  und  Prosaikern 
der  Zeit  des  Augustus,  z.  B.  die  Verg.  Georg.  1,  208  Ribb.,  sich  findet, 
beruhte  ursprünglich  auf  einer  formalen  Verwechslung  mit  dem  Dativ, 
der  lautgesetzlich  fide  lauten  müsste,  aber  durch  fidei  ersetzt  wurde. 
In  facii  pernieii  ist  -ei  zu  -i  zusammengezogen,  ebenso  plcbi  fidi  (Büch.- 
Wind.  8  170). 

Anmerkung  1.  Das  von  Augustus  nach  Suetonius  (Neue  I,  352)  gebrauchte  domos 
kann  ich  mir  nur  als  graphische  Variante  fär  domüs  erklären ;  durch  o  soll  der  geschlossene 
u-Laut  bezeichnet  werden. 

Anmerkung  2.    Nicht  selten   findet  sich  von  et'-Stämmen  der  Genetiv  nach  Ana- 


^)  Mahlow,   D.    1.   V.   35;    G.    Meyer, 
Gr.  Gr.2  §  34G. 

^)  Die  früher  CIL.  1,  57  gelesene  Form 


Pi'osepnais  hat  sich  nach  den  neuesten  Unter- 
suchungen als  verlesen  für  Prosepnai  heraus- 
gestellt, vgl.  Rh.  M.  42,  486  f. 


1.  Deklination  des  Nomens.  (§  84.)  339 

logie  der  o-Stämme  gebildet,  so  gewöhnlich  senati  auf  den  Inschriften  des  7.  Jahrhunderts 
d.  St.  (RiTSCBL,  Op.  4,  171  f.).    Vgl.  auch  Charisius  bei  Kbil,  Gr.  L.  1,  143,  12  f. 

Genetiv  des  Plurals. 

84.  Es  ist  nach  den  Ausführungen  Osthoff's  M.  U.  1,  207  f.  wahr- 
scheinlich, dass  das  idg.  Suffix  zur  Bildung  dieses  Kasus  -öm  gewesen  sei. 
Das  Lateinische  trägt  zur  Entscheidung,  ob  -dm  oder  -öm  die  ursprüngliche 
Form  gewesen  sei,  nichts  bei,  da  alle  auf  -m  auslautenden  langen  Silben 
der  Kürzung  unterlagen  (vgl.  §  40,  2  und  Priscian  bei  Keil,  Gr.  L.  2, 
366,  21).  Inschriftlich  nachweisbar  ist  Poumilionam  auf  einer  pränesti- 
nischen  Cista  Eph.  ep.  1,  20,  Schneider  47,  handschriftlich  bovom  vgl. 
§  78,  6,  sonst  erscheint  -um,  daher  voc-um^  homin-um,  igni-um,^)  sü-um 
für  *^^-(ym,  magistratu-um  für  *magistrate^-om  *magistratot^-om,  statt  der 
letzten  Form  gelegentlich  auch  kontrahierte  auf  -um,  z.  B.  passüm  (Plautus 
und  öfter  s.  Georges  s.  v.),  currüm  Verg.  Aen.  6,  653,  exercitüm  Mon. 
Ancyr.  V,  40.  Die  i-Stämme  haben  vielfach  auch  konsonantische  in  der 
Bildung  dieses  Kasus  beeinflusst,  so  vor  allem  die  Partizipia  auf  -nt,  von 
welchen  die  prosaische  Sprache  die  Formen  auf  -ium  vorzog,  während  die 
Dichter  Ennius,  Lucretius,  Vergilius  häufig  die  auf  -um  gebrauchten.  Bei 
den  Substantiva  auf  -tat-  (gr.  -i^i?t-),  z.  B.  civitatium  liegen  wohl  Doppel- 
stämme vor.  Einzelne  Verirrungen  des  Sprachgeistes,  den  auch  die  Gram- 
matiker nicht  vollständig  zu  meistern  verstanden,  sind^  bei  Bücheler- 
WiNDEKiLDE  vorzcichnet.  In  der  Praxis  galt  im  allgemeinen  zu  allen  Zeiten 
das  Gesetz,  dass  von  den  Nomina,  die  im  Nom.  und  Gen.  d.  Sing,  auf  -is 
sich  endigten,  der  Gen.  d.  Plur.  auf  -ium  gebildet  wurde  (doch  bei  Plautus 
und  Ovid  mensum,  inschr.  mesnm),  alituum  Lucretius  2,  928  ist  Analogie- 
bildung. Auch  die  o-Stämme  bildeten  ursprünglich  den  Gen.  d.  Plur.  mittels 
des  Suffixes  -ow?,^)  daher  als  Münzlegenden  Romanom,  Corano{m),  vgl.  osk. 
Nüvlanüni,  umbr.  puplu{m),  volsk.  Velestroni  Zvet.  Inscr.  It.  med.  46,  pael. 
cerfum  ib.  11,  gall.  brivatiom  Stockes  Bezz.  B.  11,  129,  gr.  &€(ov  (aber 
Aisernim  CIL.  1,  20  muss  durch  oskischen  Einfluss  erklärt  werden).  Diese 
Bildungsweise  hat  sich  vielfach  bei  Dichtern,  vereinzelt  auch  bei  Prosaikern 
behauptet,  ist  aber  in  der  klassischen  Sprache  einer  Analogiebildung  nach 
dem  Muster  der  a-Stämme  und  Pronomina  unterlegen,^)  wovon  das  erste 
Beispiel  duonoro  CIL.  1,  32  ist  {olorunt  der  col.  rostr.  kann  aus  begreif- 
lichen Gründen  nicht  aufgeführt  werden).  Immer  in  Prosa  gebraucht  sind 
denarium,  modium,  sestertium,  fabrum  in  dem  Titel  praefectus  f,  Analogie- 
bildungen nach  dem  Muster  der  o-Stämme  finden  sich  nicht  selten,  so 
holerorum  (holus),  poematorum  (poema)^  vectigaUorum  {vecHgaliu),  andere  wie 
pontificorum,  mesaru{m)  und  Genetive  auf  -orum  von  w-Stämmen  gehören 
der  Vulgärsprache  an.  Die  ursprünglich  der  pronominalen  Deklination  eigen- 
tümlichen Genetive  auf  *'Söm,  vgl.  gr.  t(ov  hom.  rdwv  für  Hdcav  skr.  td^am 
lat.   is-4a-rum   (darnach  is-tö-runi  trotz    dor.    äkkwv  u.  s.  w.,*)    haben  im 


*)  Die  lat.  Form  auf  -ium  scheint  die 
ursprüngliche  zu  sein^   vgl.  tres,  trium,   gr. 

*)  Ausführlich  CobssekI,  586;  -Jm(-Mw) 
als  Kontraktionsprodukt. 


^)  Über  die  Gründe  Br^l  in  M^langes 
Renie'r  (Paris  1887)  S.  233—39. 

*)  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  199  f.  Anm.  wegen 
J.  Schmidt  K.  Z.  25,  5  Anm. 


22 


340  B,  Lateinische  Grammatik,    c)  Lateinische  Fonnenlehre. 

Lateinischen  wie  im  Oskischen  und  Umbrischen,  vgl.  osk.  egma-sum^  umbr. 
tutaru{m),  die  a-Stämme  angenommen,  ebenso  die  ß-Stämme.  amphorum 
und  drachmum  sind  Gräzismen,  die  Komposita  mit  -coIa  und  -gena  haben 
die  kürzere  Genetivform  auf  -um  nach  Art  der  o-Stämme.  facieum  ist  an- 
geführt in  Fragm.  Bob.  de  nom.  bei  Keil,  Gr.  L.  5,  563,  11. 

Dativ  des  Singulars. 

85.  Der  Dativ  der  o-  und  a-Stämme  ist  erwachsen  aus  bereits  indo- 
germanischer Kontraktion  von  o  -{-  ai,  a  -\-  ai^)  zu  -öi  -ai;  über  das  wahr- 
scheinliche Vorhandensein  idg.  Doppelformen  vgl.  §  13,  7.  Inschriftlich 
bezeugt  Numasioi  (§  2,  I)  [in  Aufidioi  CIL.  IX,  4527,  Schneider  315  kann  -oi 
wohl  nur  Fehler  des  Steinmetzen  sein  oder  -oi  =  -t  wie  in  offiziellen  Denk- 
mälern?]; von  Marius  Victorinus  erwähnt  iJopM^oi  JJoi^irtnot,  vgl.  osk.  hürtui 
Andere  Angaben  über  diese  alte  Dativform  sind  sehr  unsicherer  Art.*) 
Die  Grundformen  müssen  auf  *'öi  angesetzt  werden.  Von  o-Stämmen  ge- 
hören der  ältesten  Formation  an  Menervai  Loucinai  CIL.  1,  191, 813.  Die  laut- 
gesetzlichen antevokalischen  Fortsetzer  der  Grundformen  auf  *-c%'  und  *Hfi 
sind,  wie  bereits  oben  §  13,  7  bemerkt  wurde,  -ö  und  -a,  daher  heUö  vest 
Herclö  (gall.  Älisanu  Stockes  Bezz.  B.  11,  131,  Taranou  Bull.  Epigr.  VI,  6  s. 
Classical  Review  2,  273),  auch  qti^o  alio  u.  s.  w.  nach  Bbeal,  Mem.  d.  1.  S.  d. 
1.  6,  168,  Matuta  EriAcinä  u.  a.*)  Auch  mea  u.  s.  w.  in  der  Verbindung 
mit  refert  gehören  nach  Schmalz,  Syntax  1.  Aufl.  §  78  hieher;  vgl.  Festüs 
282,  2  s.  V.  Natürlich  haben  mit  diesen  Formen  die  britannischen  Dative 
Nemetona  sacratissima  CIL.  7,  36,  46  nichts  zu  schaffen.  An  die  Stelle 
des  echten  Dativs  auf  -a  trat  dann  die  Form  des  Lokativs,  ursprünglich 
Romäi,  woraus  sich  Roniae  entwickelte,^)  darüber  §  86.  Vergl.  damit  böot. 
Baxsvpai  'AO^avai  (G.  Meyer,  Gr.  Gr.*  §  351)  als  Dative.  In  dem  von  Ennius 
annal.  605  Müll,  gebrauchten  terrdi  frugiferdi  scheint  mir  nichts  anderes  als 
eine  poetische  Freiheit  vorzuliegen,  entschuldigt  durch  die  gleichlautende  Form 
des  Genetivs.  Über  die  vereinzelte  Schreibung  des  Dativs  mit  -ai  zu  allen 
Zeiten  siehe  Bücheler-Windekilde  §  264.  Die  besonders  in  Etrurien,  Pice- 
num,  Umbrien,  im  Marserlande  schon  auf  sehr  alten  Inschriften  (z.  B. 
Victorie  CIL.  1,  183,  Diane  168)^)  vorkommende  Bildung  dieses  Kasus  auf -c 
ist  dem  Einfluss  benachbarter  Dialekte  zuzuschreiben  (umbr.  tote,  mars. 
Vesune  Zvet.  Inscr.  It.  med.  41,  volsk.  deve  ib.  46).  Rein  graphischer 
Natur  ist  die  Schreibung  mit  -c  auf  plebeischen  Inschriften  der  späteren 
republikanischen,  häufiger  der  Kaiserzeit,  die  schliesslich  auch  in  offizielle 
Schriftstücke  Eingang  fand.  Die  älteste  nachweisbare  Form  des  Dativs 
der  i-Stämme  lautet  auf  -e  aus,  Ope  (Dvenos-Inschrift),^)  ebenso  die  der 
diphthongischen  und  konsonantischen  Stämme,  z.  B.  love  der  Dvenos- 
inschrift,  ^^afre   Marte    u.   s.    w.')     Die   nächste  Stufe   repräsentieren    die 


^)  De  Saussübe,  Mem.  92,  Osthoff,  M. 
U.  2,  114;  4,  283.  Die  Auffassung  Johans- 
son's  Bezz.  B.  14,  15G  Anm.,  der  überhaupt 
keine  indogermanischen  Kontraktionen  dieser 
Art  zulassen  wi]],  teile  ich  nicht. 

2)  Jordan.  Krit.  Beifr.  241. 

•**)  Gesammelt  bei  Sittl.  Die  lok.  Versch. 
2  f. 


*)  Anders  Mahlow,  D.  1.  V.  90  f. 

^)  Sittl,  Die  lok.  Versch.  10. 

^)  Die  Belege  für  den  t-Stamm  bei  Pauli, 
Altit.  Stud.  4,  29.  Dazu  fal.  opid  Zvet. 
Inscr.  It.  med.  70a  (freilich  nicht  sicher  be- 
weisend). 

')  Bücheler-Windekilde  §  276  f. ;  Sittl, 
Die  lok.  Versch.  p.  7;  Schnsidbb  155  f. 


1.  Deklination  des  Nomens.  (§  85—86.) 


341 


Dative  auf  -ei,  z.  B.  patrei  Diovei  voluptatei  (entsprechend  osk.  paterei 
Diilvei  Herentatei),  woraus  sich  die  gewöhnlichen  Dative  auf  -?  entwickelten, 
die  in  der  Schriftsprache  stets  die  Länge  wahren.  Dative  auf  -^  von  diesen 
Stämmen  sind  nur  vulgär,  die  angeblich  für  die  Dichtersprache  nach- 
gewiesenen dieser  Art  sind  bereits  von  Neue  1,  195  beseitigt.  In  den 
namhaft  gemachten  Dativen  der  i-Stämme  liegt  höchst  wahVscheinlich  eine 
italische  Neubildung  vor,  da  ove  aus  *ovS4  entstanden  sein  dürfte,  vgl. 
hom.  TToAr^-i,  es  könnte  aber  auch  die  Lokativform  sein.  *)  Die  auf  -e  aus- 
lautenden Dative  der  konsonantischen  und  diphthongischen  Stämme  sind 
nach  Analogie  der  eben  genannten  gebildet.  Übrigens  können  patr-i, 
nomin-T  ursprüngliche  Dativformen  sein  für  *patr~ai  *nofn{e)n'ai,  gr.  Sofisv-M^ 
vgl.  si  aus  *svai  und  die  Dat.  Plur.  der  a-Stämme.*)  Ganz  gleich  geartet 
sind  die  der  ti-Stämme,  senaiu-ei  CIL.  1,  201,  12,  später  senatu-i;  hingegen 
sind  die  auf -m  ursprünglich  Instrumentales^)  und  Lokative;^)  für  die  erstere 
Auffassung  spricht  nach  meiner  Meinung  besonders  das  sogenannte  Supinum 
auf  -M.  De^:  uraprüngliche  Dativ  der  e-Stämme  scheint  in  den  Formen 
fidöT  faciei  vorzuliegen;  dann  fide,  darnach  auch  rE  [quoi  re  C  Plaut.  Poen. 
815],  wie  equöj  MahUa;  fid^i  scheint  die  Lokativform  zu  sein,  vgl.  Bomae. 

Lokativ  des  Singulars. 

86.  Die  Lokativbildung  ist  am  deutlichsten  bei  den  o-Stämmen  er- 
kennbar; die  älteste  auf  italischem  Sprachgebiet  nachweisbare  Form  ist 
osk.  müinikei  terel  {in  commüni  terra),  endigt  also  auf  -ei  (Dativ  horttii), 
welches  als  europäischer  Ausgang  der  oxytonierten  Formen  anzusetzen  ist,^) 
vgl.  dor.  iHxeiy  nsX^  barytonierte  Formen  hatten  -a/.  Auf  den  Ausgang  -ci 
weisen  auch  die  lat.  Lokativformen  -e,  z.  6.  diequinte,  andererseits  diequinti 
vielleicht  gleich  *quintoi,  cotti-die  postri-die  {daxusich  pridie,  vgl.  auch  Bruo- 
MANN,  Grdr.  2,  S.  407  Fussnote).  Nur  graphische  Bedeutung  hat  -ei  in  Ladinei 
CIL.  1,  24,  die  sej}timei  (Plautus).  In  klassischer  Zeit  fallen  die  Formen  des 
Lokativs  mit  denen  des  Genetivs  zusammen,  daher  dornt  vom  Stamme  donw-, 
beUi  u.  s.  w.  Von  den  io-Stämmen  lautet  der  Lokativ  auf  -ii  aus,  z.  B.  Sunii. 
Der  Lokativ  der  a-Stämme  endigt  auf  -ai,  z.  B.  Romai  CIL.  1,  54,  später  -ömj. 
Man  wird  diese  Formen  nicht  gut  trennen  können,  wenn  man  auch  nach  §  13, 1 
♦JRoiMl  erwarten  sollte  (Henry,  Precis  S.  208).  Systemzwang  dürfte  den  laut- 
gesetzlichen Übergang  des  auslautenden  ~ai  in  -i  aufgehalten  und  den  in 
Tonsilben  gewöhnlichen  in  -ae  veranlasst  haben.  Nicht  unwahrscheinlich 
ist  es,  dass  in  diesen  Lokativen  der  a-Stämme  eine  Neubildung  vorliegt,  da 
sie  auf  die  lateinische,  oskische  {viai  mefiai  Zvetaieff,  Syll.  inscr.  Ose.  50)  und 
griechische  Sprache  beschränkt  sind.^)    Lokative  sind  nach  Johansson  Bezz. 


»)  J.  Schmidt,  K.  Z.  27,  287  f. 

*)  EiDen  alten  Dativ  hum-t  =  x^h'^'^ 
in  lokalem  Gebrauche  will  Osthoff,  Z.  G. 
d.  P.  195  erkennen. 

')  J.  Schmidt  a.  a.  0.  304. 

*)  BauGMAifif,  Grundriss  1  §  85. 

^)  De  Saussure,  M^m.  91,  Brugmann, 
M.  U.  2,  244  Anm.,  J.  Schmidt,  K.  Z.  25, 
95  Anm.  Nach  Fick,  Gott.  geJ.  Anz.  1880 
S.  424,  Bbuomakn,  K.  Z.  27,  411,  Grundriss  1 
§  G2  Anm.  sind  die  urspr.  Doppclfonnen  auf 


•0%  und  -ei  angesetzt. 

«)  Ist  'äi  nach  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  195  f., 
Bruomakn  obenS.  122  Fussnote  der  ursprüng- 
liche Ausgang  des  Lokativs,  so  müsste  -äi 
bereite  im  Uritalischen  vor  Konsonanten  ge- 
kürzt worden  sein.  Die  übrige  Kntwickelung 
kann  wohl  nur  in  der  im  Texte  angedeuteten 
Weise  vor  sich  gegangen  sein.  Vgl.  übrigens 
auch  ToRP,  Beitr.  z.  Lehre  v.  d.  geschl.  Pron. 
15  flF.  Anm. 


342  S*  Lateinische  Grammatik,    c)  Lateinische  Formenlehre. 

B.  13,  10  f.  auch  die  Städtenamen  Fundi  Velitrae.  Dass  die  Grammatiker 
die  Funktion  des  Lokativs  auf  den  Genetiv  übertrugen,  nicht  auf  den  Dativ, 
hat  seinen  Grund  darin,  dass  bei  den  o-Stämmen  Lokativ  und  Genetiv  for- 
mell zusammenfielen.  Der  Lokativ  der  i-Stämme  endigte  sich  ursprünglich 
auf  -e,i)  verkürzt  -^,  z.  B.  mar^  (Varro  Atacinus,  Lucretius)  peregre,  vgl. 
umbr.  ocre  sab.'  mesene  flusare,  mense  Fliisase  CIL.  1,  603,  2.  Die  Lokative 
auf  -F  sind  ursprünglich  Ablative,  an  den  i-Stämmen  erwachsen  und  von 
diesen  auf  die  konsonantischen  übertragen,  z.  B.  rurt  (neben  rure),  Car- 
tlmgini  u.  s.  w.  Die  Formen  auf  -e  von  konsonantischen  Stämmen  sind 
aus  Grundformen  auf  -i  hergeleitet  (also  mre  aus  ^rur-^^^  vgl.  mare  aus 
*iwar^).  Nebeneinander  her-i  und  her-^.^)  Lokative  der  u-Stämme  stecken 
zum  Teil  in  den  Formen  des  Dativs  auf  -m,  vgl.  umbr.  nanuv-e  und  Bezzen- 
BERGER  in. Gott.  gel.  Nachr.  1885,  160  ff.  die  wahrscheinlich  =  *cit^,  rUe 
möglicherweise  aus  *rtt^^,^)  rS  spe  u.  s.  w.  dürften  Ablative  sein.  Dass 
in  ecce-r^  ein  Lokativ  stecke  (Merinoer,  Z.  f.  d.  öst.  Gymn.  39,  134), 
ist  ganz  unsicher  (0.  Ribbeck,  Beitr.  z.  Lehre  v.  d.  lat.  Part.  34  =  Hcce-rem), 
penes  deutet  Bruomann,  Grundriss  2,  S.  393  ohne  Zweifel  richtig  als  suffixlos 
gebildeten  Lokativ  (vgl.  gr.  cch'g);  mein  Erklärungsversuch  Wiener  Studien 
10,  306  f.  hat  daher  zu  entfallen. 

Ablativ  des  Singulars.^) 

87.  Das  Kasuszeichen  ist  im  Lateinischen  und  Italischen  überhaupt  -d; 
da  von  den  ö-  a-  f-Stämmen  der  Ablativ  auf  -öd  -ad  -frf  (wegen  marf)  aus- 
lautete, z.  B.  praidor-d,  Benevento-d,  darf  man  vermuten,  dass  das  volle 
Suffix  ursprünglich  -ad  {-ed?  -od?)  war;  vgl.  auch  extrad  (Sc.  d.  Bacch.), 
infra  ultra  u.  s.  w.  (Breal,  Mem.  d.  1.  S.  d.  1.  6,  167  f.);  dagegen  fruaträ 
(Plautus)  ursprünglich  wohl  Akk.  d.  Plur.  und  erst  später  nach  Analogie 
zu  frustra  umgestaltet  (Schweizer-Sidler,  Gramm.*  §  224);  andererseits  Zu- 
sammenhang des  'tra  mit  got.  -dre,  z.  B.  hidrS  möglich  (Feist,  Grundr.  d.  got. 
Etym.  S.  52);  über  circa  (zuerst  bei  Cicero)  Wölfflin,  Arch.  f.  lat.  Lex. 
5,  294  ff.  Dass  der  Abi.  auf  -d  nur  von  o-Stämmen  ursprünglich  gebildet 
wurde,  suchen  Leskien,  Die  Deklin.  im  Slavisch-Litauischen  u.  s.  w.  S.  35  ff. 
und  OsTiioFF,  M.  U.  2,  108  f.  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  darzuthun,  vgl. 
oben  S.  120.  Die  ältesten  Urkunden  zeigen  noch  -d  erhalten  (jedoch  schwan- 
kend), im  Kurialstil  bleibt  es  sogar  ungefähr  bis  zum  Jahre  570  (vgl.  das  Se- 
natusconsultum  de  Bacch.  v.  J.  568  u.  c).  Von  einem  w-Stamm  ist  nur  senatud 
nachzuweisen  auf  dem  eben  erwähnten  Sc.  (die  Bronze  hat  senatuö).  Der  Ab- 
lativ der  2-Stämme  lautete  auf  -id  aus,  z.  B.  loucarid  (Lex.  Luc.)  {navaled  auf 
der  Col.  rostr.  kommt  nicht  in  Betracht),  vgl.  pael.  fertlid  Zvet.  Inscr.  It.  med. 
lljfal.  o/>/d-gweib.  70a,  daraus  klassisch  -f;  auch  die  konsonantischen  Stämme 
haben  nur  den  Ausgang  -/d  {-cd  nur  dktatored  der  Col.  rostr.,  nicht  von  Be- 
lang), daher  airid  (St.  aes-)  coveniionid  (dazu  vgl.  bovid  Lex.  Spol.).     Der  ge- 


0  J.  Schmidt,  K.  Z.  27,  298.  |   den  Ablativ  scheinen  mir  mehr  scharfsinnig 

2)  Havet's  Ausführung    über  das  Ver-  als  richtig    (ib.   133  f.,  bes.    135).     Vermu- 

hältnis  von  mart  und  aere  (M^m.  d.  1.  S.  d.  1.  tungen  über  die  Herkunft  des  Kasussuffixes 

6,  105  f.)  ist  nicht  überzeugend.  bei  Leskikn,   Ber.   d.  k.   sächs.   Ges.  d.  W. 

2)  Mahlow,  D.  1.  V.  52.  36,  101,  Per  Persson,  Stud.  et.  91. 

*)  Mahlow's  Auseinandersetzungen  über 


1.  Deklination  des  Nomens.  (§  87—88.)  343 

wohnliche  Ausgang  dieser  Stämme  ist  -^;  Länge  dieses  -e  ist  bei  Terentius 
nachweisbar.  ^)  Die  Ablative  der  konsonantischen  Stämme  auf  -^  (nach  Ost- 
hoff, Z.  G.  d.  P.  577  =  idg.  -a,  gr.  dial.  nei-d  =  lat.  ped-^  sind  nicht  aus 
denen  auf  -id  (oder  -ed)  hervorgegangen,  sondern  ursprüngliche  Instrumen- 
tales,^) da  nach  dem  Wegfall  des  d  der  lange  Vokal  auch  in  iambischen 
Wortformen  nicht  gekürzt  wurde.  ^)  Aus  demselben  Grunde  sind  die  Ad- 
verbia  auf  -ö  nicht  Ablative,  sondern  Instrumentales,  z.  B.  ntodö  aus  *modö 
(idg.  *modö  aus  *modo-a)y  vgl.  aer-e^  humu  (=  *humö)  Varro  Sat.  Men. 
422  R.,  praestu  Keil,  Gr.  L.  7,  157,  22,  fortuitu  Schuchardt,  Vok.  2,  91, 
ebenso  vielleicht  von  t^Stäinmen  z.  B.  manu  gegen  pequlatuu  CIL.  1,  202, 
1,  5  (für  *pequlatüd).  Übrigens  darf  nicht  verschwiegen  werden,  dass 
auch  alt«  Ablative  als  Adverbien  verwendet  wurden,  daher  bei  Plautus 
und  Terenz  cito,  modo  Lucr.  2,  1135  (dazu  Lachmann's  Kommentar).  Nach 
J.  Schmidt  in  „Festgruss  an  0.  v.  Böhtlingk  (Stuttgart  ISSS)**  S.  100  flf. 
sind  ben^  male  probe  die  Nachfolger  ursprünglich  oxytonierter  Ablative 
auf  -e.  Nach  dem  Verhältnis  des  Instrumentalis  auf  -o  zum  Ablativ  auf 
-od  traten  zu  den  altererbten  Adverbien  auf  -^  (bez.  -^  auch  solche  auf 
-^d,  daher  facilumed  (Sc.  de  Bacch.),  vgl.  osk.  amprufid  fal.  rected.  So 
erklärt  sich  auch  das  häufige  Nebeneinander  der  Formen  auf  -6  und  -o, 
z.  B.  conimode  -o  (Charis.  bei  Keil,  Gr.  L.  1,  193,  15  u.  ö.),  darnach  sogar 
cotidio  (ib.  196,  8).^)  Von  den  e-Stämmen  ist  kein  Ablativ  mit  erhaltenem 
'd  bekannt,  die  bekannten  endigen  auf  -e,  wie  die  der  a-Deklination  auf  -a; 
wahrscheinlich  ist  dies  eine  Neubildung  (vgl.  skr.  rayds);  fid^  (Plautus) 
ist  Instrumentalis  (skr.  rhyd).  Die  Bedeutung  der  alten  d-Formen  für  die 
Kritik  der  plautinischen  Gedichte^)  hat  die  Spezialforschung  klarzulegen, 
im  allgemeinen  dient  zur  Informierung  Bücheler-Windekilde  §  231  f.; 
vgl.  auch  RiTscHL,  Neue  Plaut.  Exkurse  I,  M.  Müller,  N.  J.  113,  689  f. 
und  oben  §  69,  2.  Auch  betreffs  der  im  Gebrauche  schwankenden  Formen 
von  i-  und  konsonantischen  Stämmen  (zum  Teil  aus  verschiedener  Herkunft 
der  Formen  erklärlich)  vgl.  Büch.-Wind.  §  250  f.,  Brambach,  Neug.  158  ff. 

Anmerkung.  In  den  Ablativen  auf  -ei,  omnei  partei  von  t-SUimmen,  faentsicei 
virtutei  von  konsonantischen  Stämmen  (Büch.-Wind.  §  249,  Schneider  S.  156)  ist  -ei  =  -t. 

Dativ-Ablativ  des  Plurals. 

88.  Bei  den  o-  und  a-Stämmen  fungiert  hiefür  der  Instrumentalis: 
equis  aus  *equöis  {*equöis  regelrecht  gekürzt,  vgl.  §  13)  skr.  dSvai$  gr. 
iTinoig  aus  *i7i7iü)igy  idg.  "^eki^o  -\-  a'is  nach  Brüomann,  Grundriss  1,  §  115;^) 
ebenso  mensis  aus  *me7isais,  vgl.  osk.  ditmipais,'^)  Der  Grundform  stehen 
zunächst  osk.  Ähellanüis,  pael.  empratois  solois  Zvet.  Inscr.  It.  med.  11,  12,®) 


*)  Bücheler-Windekilde  §  247  Ende. 

*)  J.  Schmidt,  K.  Z.  27,  291  f. 

')  Eine  andere  Erklärung  vorsucht  Mi- 
8TELI,  Z.  f.  Völkerpsych.  14,  327.  Laut- 
gesetzlich  möglich  ist  die  Erklärung  Havet's, 
Mäm.  d.  1.  S.  d.  1.  6,  105  f.,  der  aere  aus 
dera  Lokativ  *aisi  *atri  (vgl.  mare  aas  *mari) 
entstanden  sein  lässt. 

*)  Früher  hatte   ich  diese  Adverbia  mit 
umbr.  nesimei  in  Verbindung  gebracht,  was   '   geschl.  Pron.  15  ff.  Anm. 
aber  nicht  haltbar  ist;   vgl.   übrigens   auch   |  ")  ßücHELEB,  Rh.  M.  35,  495. 


Bebgk,  Beitr.  z.  lat.  Gramm.  1,  18;  Brug- 
MANN,  K.  Z.  24,  74;  Fumi,  Note  glott.  1,  71. 

^)  Handschriftliche  Spuren  des  ablativi- 
schen d  sind  nicht  vorhanden  (Studemund, 
Hermes  1,  309  f.). 

«)  Pott,  Et.  Forsch.  V  573;  2^  639; 
Osthoff,  M.  U.  2,  56. 

')  Mahlow,  D.  1.  V.  101  f..  Osthoff, 
Z.  G.  d.  P.  195;  Torp,  Beitr.  z.  Lehre  v.  d. 


344 


B.  Lateinische  Ghranunatik.    b)  Lateinische  Formenlehre. 


loviois  puklois  ib.  32,  suois  ctiatois  CIL.  1,  194;  denen  zunächst  altlat.  ah 
ohes,  pnmcloes  Paul.  Fest.  193;  Fest.  205  M.,  daraus  die  Formen  auf  -Ts  (in  der 
Poesie  häufig  -Xs).  Vereinzelt  erscheint  -es  in  Cavaturines  und  Mentovines 
CIL.  1,  199  [vgl.  umbr.  puple{s)  j)ople{r)  mars.  lovws  Zvet.  Inscr.  It.  med. 
38],  sowie  von  a-Stämraen  ntiges  CIL.  1,  1297,  vies  4,  1410,  sties  5,  1456 
(11.  p.  Chr.)  vgl.  umbr.  tufes  mars.  Martses  Zvet.  Inscr.  It.  med.  43.  -es 
st^ht  hier  für  -eis  (=  is),  das  sich  inschriftlich  bis  zum  Ende  der  Republik 
findet;  Delmateis  quadrigeis  noch  auf  dem  Mon.  Ancyr.,  aber  nach  vorher- 
gehendem -e-  immer  -is  (Wölfflin,  Sitzungsb.  d.  bayr.  Ak.  1886,  S.  256). 
Die  to-Stämme  haben  inschriftlich  -is  oder  -eis,  z.  B.  auspicis  deis,  in  der 
Litteratursprache  gew.  -iis  (Brambach,  Neug.  196,  327).  Ist  deivos  der 
Dvenosinschrift  wirklich  Dativ  (dagegen  Osthoff,  Rh.  M.  36,  489  f.,  Pauli, 
Altit.  Stud.  1,  7  f.),  wie  devas  CIL.  1,  814  doch  wohl  sein  muss,  so  sind 
sie  der  Analogie  des  Singulars  gefolgt,  wo  *-öj  *-ai  regelrecht  zu  -ö  -a  ge- 
worden sind,  oder  dialektisch  beeinflusste  Formen,  vgl.  marruc.  aisos  Zvet 
Inscr.  It.  med.  6,  pael.  esos  ib.  37.  Bei  allen  übrigen  Stämmen  erscheint 
das  Suffix  -bus,  älter  -bos,  so  trebibos  Eph.  ep.  2,  208  =  CIL.  9,  4204,«) 
gall.  matrebo  Namausikabo,  Dass  das  Suffix  -bos  -bus,  zusammenhängend 
mit  skr.  -bhyas  --blU^  gr.  -yi,  ursprünglich  langen  Vokal  hatte,  wird  durch 
Cobssen's  Nach  Weisungen  (2,  498)  wahrscheinlich.  Die  Grundform  ist  trotz 
J.  Schmidt,  Vok.  1,  100,  Henry,  Mem.  d.  1.  S.  d.  1.  6,  102  noch  nicht 
ermittelt.  Der  Analogie  der  t-Stämme,  z.  B.  avi-btAS,  vgl.  skr.  dvi-hhyas 
sind  sämtliche  konsonantische  gefolgt,  daher  voc-i-bus  gegen  skr.  vag-hhydsi 
einmaliges  senatorbus  (Sc.  de  Bacch.)  muss  neben  zweimaligem  sencUoribus 
und  nmUeribtis  als  Versehen  des  Graveurs  betrachtet  werden.*)  Auch  bei 
den  ?i-Stämmen  scheinen  die  Formen  auf  -ibus  älter  zu  sein  als  die  auf 
-ubus.^)  'bus  ist  ausschliesslich  üblich  bei  den  c-Stämmen  und  war  ur- 
sprünglich auch  eine  bei  den  a-Stämmen  heimische  Bildung;  weit  verbreitet 
vor  dem  6.  Jahrhundert,  wurde  sie  später  nur  der  Unterscheidung  halber 
bei  deabus,  eqimbus  beibehalten.*)  Hingegen  sind  amböbus  duöbus  {ambö- 
diiö-  Nom.  Akk.  d.  Duals)  ambabtis  diiabtis  wegen  der  urspr.  dualischen 
Flexion  dieser  beiden  Wörter  sicher  Neubildungen.  Häufig  sind  Analogie- 
bildungen der  Neutra  der  konsonantischen  und  i-Deklination  nach  den  o- 
Stämmen,  z.  B.  poenuitis  mocniis  u.  a.  Über  das  Fehlen  des  auslautenden  -s 
in  der  Schrift  siehe  §  69. 

Anmerkung  1.  Einen  Instr.  d.  Sing,  vermutet  Osthoff,  vgl.  Bruomann,  Tecbmbbs 
Internat.  Z.  f.  Sprachw.  1,  241.  in  oli-m  interi-m  aitr-im  Plaut.  Psbud.  357  [assiste  aUrim 
secus],  vgl.  got.  pri-m  lit.  akim-i  abulg.  pate-vii.  Auch  in  deinde  hinc  steckt  dasselbe 
Suffix.     Über  diese  Adverbia  Ritschl,  Op.  2,  452  ff. 

Anmerkung  2.  Das  Suffix  -tue  in  coeli-tus  fundi-tus  u.  s.  w.  aus  *'toSf  das  im 
Griechischen  in  dem  Paradigma  der  y-  und  (»-Stämme  die  Geltung  eines  Kasussuffixes  er- 
langt hat,  z.  B.  ovofiatog  (skr.  nämaias),  hat  im  Lat.  nur  adverbiale  Geltung.  Über  die 
Entstehung  dieser  Adverbia  eine  Vermutung  von  Johansson  Bezz.  B.  14,  162  f.;  Tamm, 
P.-B.  Br.  0.  406  denkt  an  Entstehung  aus  -t  -f  us  (Ablativ  -f  Ablativsuffix).  Vgl.  auch 
Danielsson  Gramm,  u.  etym.  Studien  l  (üpsala  1888)  S.  55  Anm.  1. 


^)  Jordan,  Quaest.  archaeicae,  Regimontii 
1884,  6. 

^)  Dies  ist,  scheint  es,  auch  Ritscbl's 
Meinung  Op.  4,  183. 


^)  Jordan,  Quaest.  arch.  6  f. 

^)  FuMi,  Note  glott.  87,  88,  Osthoff, 
Z.  G.  d.  P.  198  gegen  DelbrIjck,  Einl.  i^  d. 
Sprachst.»  108. 


2.  Deklinatioii  der  Pronomina.  (§  89.) 


345 


Zar  Litieratur  Ober  die  Deklination  des  Nomens  im  allgemeinen  vgl.: 
J.  A.  Habtuko,  Über  die  Kasus,  ihre  Bildung  und  Bedeutung  in  der  griech.  und 
]at.  Sprache,  Erlangen  1831.  L.  Meyer.  Gedrängte  Vergleichung  der  griech.  und  lat.  De- 
klination, Berlin  1862.  K.  L.  Struvb,  Über  die  lat.  Deklination  und  Konjugation,  Königs- 
berg 182i3.  F.  BGcHELEB,  Grundriss  der  lat.  Dekl.  Leipzig  1866;  unter  Benützung  der 
französischen  Übersetzung  von  Louis  Havet  (Pr^cis  de  la  declinaison  u,  s.  w.  Paris  1875) 
anfs  neue  herausgegeben  von  J.  Windekilde,  Bonn  1879  [Hauptwerk!].  Wegen  H.  Merouet, 
Entwickclung  der  Tat.  Formenbildung  vgl.  §  1.  F.  G.  Fumi,  Note  glottologiche  I:  Contri- 
buti  alla  storia  comparata  della  declinazione  latina,  Palermo  1882.  Da.  Wenck,  Zur  indog. 
Kasusbildung,  Programm  der  städt.  Realsch.  I.  0.  zu  Borna  1884.  W.  Stockes,  Celtic 
declension  Bezz.  B.  11,  65—176;  Windisch  bei  Gböbeb,  Grundr.  d.  rom.  Phil.  1,  802  f. 
Ausserdem  vgl.  Hübneb,  Grundr.  §  41  und  G.  Meyeb,  Gr.  Gr.*  S.  301  f.  Wallacb  M. 
LiBDSAT,  The  early  Italian  Declension  in  The  classical  Review  II  S.  129  ff.,  273  ff.,  enthält 
nichts  Neues. 


2.  Deklination  der  Fronomina. 

Ungeschlechtige  Pronomina.  0 

89.  Die  ursprünglichen  Stämme  der  Personalpronomina  sind  me-  (mit 
Ausnahme  des  Nominativs),  tve-,  sve-  (daneben  wohl  auch  Satzdoppelformen 
mit  langem  Stammvokal  vorauszusetzen),  wös-  wo-  vös-, 

Nom.  d.  Sing,  ego  urspr.  egö  für  *egon  gr.  eyciv;  tu;  nach  Osthoff, 
Morph.  U.  4.  urspr.  Satzdoppelform  iü.  Gen.  d.  Sing.  Die  enklitischen 
Formen  mis  tis  {sis  nur  von  Priscian  vorausgesetzt) *)  sind  durch  Hinzu- 
fügung des  Genetivzeichens  -s  aus  me  te  vgl.  skr.  nie  te  entstanden,  vgl. 
gr.  iiiäo-q  veo-gJ)  Diese  Formen  sind  verdrängt  worden  durch  die  Genetive 
der  Possessiva  mei  tui  sui,  wie  umbr.  tiom  osk.  siom  lat.  te  und  se  vertreten. 
Dat.  d.  Sing.  Der  enklitische  Dativ  ist  ml,  aus  mc  =  skr.  me,  gr.  fjLoi  her- 
vorgegangen;^) die  Form  me  gebrauchten  nach  Festus  161,  6  M.  Ennius 
und  Lucilius,  auch  Plaut.  Truc.  417.  Dativformen  *ti  *si  erschliessen  für 
das  Altlateinische  Bücheleb-Windekilde  §  292,  vgl.  Tobp  a.  a.  0.  9.  In 
gewöhnlichem  Gebrauche  sind  die  Formen  mihi  tibi  sibi  (auch  mihe  mihei 
übe  tibei  sibe  sibei  iu  älterer  Zeit),  vgl.  umbr.  mehe  tefe,  osk.  jsifei,  pael. 
sefei  (für  inschriftl.  seffi  CIL.  1,  194  mit  Buoge,  K.  Z.  8,  43).  Über  mihi 
vgl.  8  54,  tibi  (und  analog  auch  sibi)  geht  kaum  auf  He-bhie  He-bhii 
zurück,  trotz  skr.  ved.  tti-bhya^)  Über  den  Gebrauch  von  mi  und  mihi 
vgl.  RiTSCHL,  Op.  2,  588  ff.  Akk.  d.  Sing.  Das  enklitische  me  te  ent- 
spricht skr.  ma  toa.  Den  Gebrauch  von  med  ted  sed  für  den  Akkus., 
auch  fal.  sesed  Zvet.  Inscr.  It.  med.  70  a,  führt  man  doch  am  besten 
auf  eine   Verwechslung    mit    dem   Ablativ   zurück.^)     Den    Akkus,    mehe 


*)  Bezfiglich  der  einzelnen  Nachweisungen, 
soweit  dieselben  nicht  ausdrücklich  angeführt 
sind,  verweise  ich  auf  Neue,  2  178  f.,  Meb- 
ouKT,  Formenbildung  141  f.,  Bücbblbr-Win- 
DEKiLDE.  Zur  Litt.  Baunack  in  M^m.  d.  1. 
S.  d.  1.  5,  1  ff.;  ToKP,  Beiträge  zur  Lehre 
von  den  geschlechtslosen  Pronomen  in  den 
indog.  Sprachen,  Christian ia  1888. 

')  Enklitisch  im  Gegensatz  zu  gr.  ifiov 
u.  8.  w. ;  im  Übrigen  haben  sie  selbstftndigen 
Accent  (Scholl,  De  accentu  QQ)» 

')  Bopp,  Vgl.  Gramm.  ^  2  104;  Bruo- 
jfAifN,  K.  Z.  27,  414;   der   Übergang   des  e 


in  t  infolge  des  Tonanschlusses,  wie  in  unde- 
dm  u.  s.  w.     Anders  Torp,  a.  a.  0.  26. 

"•)  ScHWEizEB-SiDLEB,  Phil.  Woch.  3,715. 

^)  Allerdings  schiene  es  mir  nur  so  mög- 
lich, die  beiden  Formen  zu  vereinigen.  Von 
Henryks  Hehhio  M^m.  d.  I.  S.  d.  1. 6, 102  könnte 
man  nie  zu  lat.  tibi  gelangen.  Mit  meiner 
Ansicht  stimmt  überein  Pszzi,  La  lingua 
greca  antica  191  (7).  Übrigens  vgl.  das 
unten  über  nohis  vobis  Bemerkte. 

«)  OsTHOPP.  Z.  G.  d.  P.  128;  oder  ist 
das  -d  stammbildendes  Element,  wie  in  skr. 
mad-  tvad'  in  der  Zusammensetzung?  Vgl. 


346 


B.  Lateinische  Grammatik,    c)  Lateinische  Fonnenlehre. 


führt  Quint.  1,  5,  21  an  [Pacuv.  143  Ribb.  I].  Abi.  d.  Sing.  Die 
Formen  m^d  ted  sed  zeigen  eine  auffallende  Länge  (vgl.  skr.  mdt  tvdt), 
J.  Schmidt,  Jenaer  Lit.  1874,  S.  77  erklärt  sie  aus  *tne~id  u.  s.  w.,  mit 
der  Begründung,  dass  im  Kigveda  dem  Pron.  häufig  ein  hervorbebendes 
id  nachgesetzt  werde,  sed  ist  in  erstarrter  Form  als  untrennbare  Partikel 
erhalten,  auch  als  Präposition  in  sed  fraude  (frude)  CIL.  1,  198,  69,  64, 
und  in  se-.  Die  Konjunktion  sdd  ist  ursprüngliche  Doppelform  zu  sM, 
se-cus  kaum  mit  Bruomann,  M.  U.  3,  68  Anm.  hieherzustellen,  sondern  wahr- 
scheinlicher mit  Zimmermann,  Arch.  f.  lat.  Lex.  4,  602  f.  adjekt.  Bildung 
von  sequi  Nom.  Akk.  d.  Plur.  nös  vös  mit  ursprünglicher  Länge  neben 
skr.  nas  vas.  In  e-wos  (Arvallied)  ist  e-  von  e-go  bezogen,  wie  neugr. 
e-aäg  i-asTg  nskch  e-aäy  das  selbst  «-ju«  nachgebildet  ist.^  Gen.  d.  Plur.  Die 
gebräuchlichen  Formen  sind  die  Gen.  d.  Plur.  der  Possessivpronomina  nostrum 
vestrum,  im  6.  Jahrh.  auch  nostrorum  vestrorum,  daneben  die  Gen.  sing. 
nostri  vestri  und  immer  sui.^)  Dat.  Abi.  d.  Plur.  Die  gewöhnlichen  Formen 
nöbJs  vöbts  sind  nicht  aus  *nos-bies  *voS'bies  *nos-fem*t;os-&iis  hervorgegangen, 
wie  ich  früher  mit  Rücksicht  auf  skr.  te-bhyas  angenommen  habe,  auch  nicht 
mit  ToRP  a.  a.  0.  aus  *noS'beis  u.  s.  w.  herzuleiten,  sondern  mit  Brugmann, 
Nachtr.  zur  1.  Aufl.  S.  66  §  97  als  Nachbildungen  von  iUfs  u.  s.  w.  zu 
erklären.  Wenn  -bM  als  ursprüngliches  Suffix  des  Dativs  d.  Sing,  ange- 
setzt werden  darf,  sind  tibi  sibt  und  nobls  vobrs  sicher  dem  Beispiele  von 
Uli :  Ulis  u.  s.  w.  gefolgt.  Wenn  die  von  Paul.  Fest.  47  s.  v.  callim  über- 
lieferte Form  nis  richtig  ist,  so  gehört  sie  zu  St.  no-,  vgl.  gr.  voj'i,  und 
steht  für  *no'iSf  bez.  ist  nach  dem  Muster  der  Nominalstämme  auf  -o  gebildet. 

Anmerkung  1.  Die  altlat  Formen  sam  sum  sis  sos  (Paul.  Festi  47,  S,  Fbstus 
298,  301,  325,  17)  gehören  dem  Possessivstamm  svo-  =  gr.  *<y/df  *)  an;  ebenso  sa-psa,  suad 
Fest.  351  M.  (=  sie);  si  (sei)  und  nisi  (fraglich  noise  auf  der  Dvenosinschrift,  nesei,  nisei, 
nise),*)  vgl.  osk.  svat  umbr.  st'c,  sie  (sei-c)  sind  Lokative,  soc  (Löwb,  Prodr.  350)  ist  ein 
Ablativ  desselben  Pronominalstammes,    se  =  si  Löwe,  Prodr.  422 

Anmerkung  2.  Die  Stämme  der  übrigen  Possessivpronomina  sind  *wc-j-o-,  *tevo-, 
*sevo-  (neben  dem  eben  erwähnten  svo-),  wie  gr.  eog  und  ög;  nos-ter,  vos-ier  älter  als 
ves-ter  (umgekehrt  Tobp  a.  a.  0.  33)  sind  mit  dem  Komparativsuffix  gebildet  (vgl.  gr. 
rjfiereQog,  vfietegog).  Neben  mens  mieis  CIL.  1,  38  [Voc.  mi  (vgl.  §  80  Anm.)]  und  in 
alter  Zeit  Überhaupt  tnius  nach  Chabis.  bei  Keil,  Gr.  L.  1,  159,  17.  Wegen  t  vgl.  §  14 
A.  1  und  jetzt  auch  Thurneysen,  K.  Z.  30,  499  f. 

Geschlechtige  Pronomina. 

A.   Stämme. 

90.  a.  Demonstrative  und  determinative  Pronomina.  Stamm 
tO'  :  tos  tantos  Löwe  Prodr.  345,  altlat.  fopper  =  Hod-per,  tarn,  älter  tarne 
Festus  360  M.   (wegen   tarne  halte  ich  tarn  u.  s.  w.   nicht  für  Akkusative) 


WnrrNEY,  Ind.  Gramm.  §  494  und  Tobp  a. 
a.  0.  5,  9.  Wenn  man  im  letzteren  Falle 
me-d  me-d  als  Doppelformen  fasst  (vgl.  gr. 
i'fii  lat  ine),  entfallt  die  Notwendigkeit  des 
oben  angefiüirtcn  ScBMiDT'schen  Erklärungs- 
V  ersuch  es 

')  Jordan,  Krit.  Beitr.  333  hält  c-  für 
ein  Präfix  wie  in  e-quidem:  Pauli,  Altit. 
Stud.  4,  24  erkennt  darin  die  Rufpartikel  e-, 
wie  in  e-eastor  e-quirine.  Über  equidem 
Ribbeck,  Beitr.  z.  Lehre  v.  d.  lat.  Part.  36  f. 
Übrigens  vgl.  man  auch  lesb.  ic-aq)i  li-atpc 


nach  afifiv  (tfifiSf  s.  Baunack,  Stud.  1,  244  f., 
Bbugmann  oben  S.  68. 

2)  Brugmann  a.  a.  0.  403. 

3)  KviCALA,  Sitzungsber.  d.  k.  Akad.  d. 
Wiss.  in  Wien  Bd.  65,  125;  Wackernagel, 
K.  Z.  24,  592  f. 

*)  Über  ne  nei  ni  Ritschl,  Op.  2,  622  ff., 
0.  Bruomann.  Progr.  d.  Nicolai-Gymn.  Leipzig 
1887;  urspr.  nc  -\-  i',  vgl.  Bruomann,  Grund- 
riss  2,  S.  8.  Anders  Osthoff  P.-Br.  B.  8, 
311  f. 


2.  Deklination  der  Pronomina.  (§  90.) 


347 


tum  für  *ta'Sme  *tO'Sme,  vgl.  umbr.  pusme  (Dativ);')  is-ta  is4ud  dazu  neu 
gebildet  is-tus  is-te;  talis  tantus  gehören  gleichfalls  dazu.  Stamm  i- 
(umbr.  i-iVi,  osk.  t-iaj  ;  7-s  eis  i-d  altlat.  Akk.  im,  em,  em^em^)  —  eundem; 
idem,  dafür  auch  isdem^^)  Neutr.  id-em^)  eidem  CIL.  1,  204,  II  20  {ei- 
för  t'  nach  ei-usdem  u.  s.  w.);  is-te  (nach  Brügmann,  Grundriss  1,  §  81 
Neubildung  für  *is-se  vgl.  *oife  =  *o?-sc  ip-se,  vgl.  auch  Danielsson  bei 
Pauli,  Altit.  Stud.  3,  158  f.),  is-ta  is-tud  haben  das  is-  vom  Maskulinum 
bezogen,  ipse,  aber  alt  auch  ipsos  Paul.  Fest.  6  Müll.  s.  v.  aliuta,  und 
öfter  bei  Plautus,^)  Ennius  fab.  298  Müll.,  Cato  r.  r.  70,  71  K.,  Neutrum 
ipsum;  ijysnd  spät  und  nicht  sicher;  endlich  die  adverbialen  Bildungen  i-bi 
i-ta  i-tem  uterum.  In  der  Deklination  wechselt  i-  mit  eio-  ao-  skr.  aya-^)-, 
Nom.  eis  =  *eios;  Gen.  eins  =  ^^ei-i-us,  Dativ  eiei  entweder  wie  ew-ew 'ge- 
bildet,') oder  Analogiebildung  nach  ei-i<5.  Über  das  Verhältnis  der  Formen 
ei  eiei  iei  (Dat.  d.  Sing.),  eeis  eis  ei  iei  ieis  (Nom.  d.  Plur.),  eeis  eis  ieis 
(Dat.-Abl.  d.  Plur.)  vgl.  Weissbrodt,  Miscell.  epigr.  etc.  Braunsberg  1883 
S.  9;  auch  Windisch,  Curt.  Stud.  2,  223  f.  und  Thurneysen,  K.  Z.  30, 
499  f.  Über  die  in  späteren  Zeiten  üblichen  Formen  Brambach  ,  Neug. 
322  f.  Stamm  äo-,  meist  mit  -ce  weitergebildet:®)  hie  =  *ho-i'Ce,  wegen 
i  =  oi  vgl.  §  34  Ende;  vgl.  fal.  hei  he  =  Jheic  hie;  ho-die  ho-rsum  hei~ce 
CIL.  1,  1049.  Über  den  Gebrauch  der  Pluralformen  mit  und  ohne  -ce  F. 
Schmidt,  Hermes  8,  478  f.  Dasselbe  -ce  auch  bei  illae-c  istae-c  olli-c  Paul. 
Festi  196,  6  M.,  postea-c  (Inschr.  d.  Claudius),  Hermes  4,  99,  Z.  12; 
quand<hc  (oder  aus  quando-que?)  Plaut.  Men.  966,  über  dessen  Herkunft 
eine  sehr  kühne  Vermutung  bei  Scherer,  De  part.  quando  etc.  vi  et  usu 
diss.  Argentorat.  48  f.,  vgl.  umbr.  ere-k  -  inum-k.  Über  die  Formen 
sttic  Turpilius  nach  Non.  127,  14  Müll.  u.  s.  w.,  vgl.  Lachmann  zu  Lu- 
cret. 3,  954,  ScHucHARDT,  Vok.  2,  368  f.  Stamm  o?(o)-:  olle  für  ^ol-se, 
oUeis  CIL.  1,  603,  3  (unmittelbar  daneben  ?7teis),  oloes  Fest.,  arch.  ollus 
oUa;  stets  infolge  der  isolierten  Stellung  öl-im'*)  ul-sul-tra;  klassisch  nur 
illO'  ilh  vom  Nom.  nach  iste  ipse  gebildet.  Zum  Schlüsse  erwähne  ich  noch 
altlat.  necerim  •  nee  cum  Fest.  162  M.  umbr.  ere,  osk.  eiz-uc  u.  s.  w. 
Auch  alio-  gr.  ixllo-  altera-   gehören  hieher. 

b.   Interrogativ-   indefinites  und  Relativpronomen.     Stamm 
quei"   qui-  in   ques  Cato,  als  Interrogativum  bei  Pacuvius,   als  Indefinitum 


*)  Anders  aber  wenig  wahrscheinlich 
Mablow,  D.  1.  V.  65. 

«)  Anders  Thurneysen,  K.  Z.  27,  174. 

»)  RiTSCHL,  Op.  4,  313  flf. 

*)  Über  diese  Partikel  -em  Leskien, 
Ber.  d.  kgl.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  36,  94  f. 
und  Thubneysen  (s.  Anm.  6).  Von  id-eni 
quid-em,  vielleicht  auch  prid-em  (vgl.  pröd-) 
wurde  -dem  losgelöst  und  zur  Bildung  von 
niasc.  idem  rekomp.  is-dem  u.  s.  w.,  iti-dem 
ibi'dem  u.  s.  w.  verwendet.  Vgl.  auch  Bau- 
NACK,  M^m.  d.  1.  S.  d.  I.  5,  12.. 

^)  Vgl.  NiEMÖLLEB,  De  pronom.  ipse  et 
idem  apud  Flau  tum  et  Terentium  diss.  Hai. 
1887.  Wenn  ipse  wirklich  mit  Corssen  2 
846  f.  und  Danielsson  bei  Pauli,  Altit.  Stud. 
S,   154  von   *ep'80-  herzuleiten   ist,    hat  es 


daneben  auch  noch  eine  Bildung  ea-pse  (= 
ea  ipsa)  u.  s.  w.  gegeben.  Aus  *is'pte  kann 
*i'pse  nicht  hervorgegangen  sein,  vgl.  vopte 
aus  *vo8'pte.  Vielmehr  muss  mit  Danielsson 
eine  Ausgleichung  angenommen  werden  zwi- 
schen -pse  und  -pte,  vermittelt  durch  sapsa 
sepse  Cic.  De  rep.  3, 8, 12  (=  *8e-ip8a  *8e-ip8e), 
'pte  vielleicht  =  *-pote.  Vgl.  übrigens  auch 
Kbetzschxeb,  K.  Z.  29,  469. 

«)  J.  Schmidt,  K.  Z.  19,  197. 

')  Meunieb,  Möm.  d.  1.  S.  d.  1.  1,  14  f. 

^)  Übersicht  der  Formen  bei  Corssen, 
Nachtr.  89  f. ;  vgl.  auch  Ritschl,  Op.  4,  132  f. 
Formen  ohne-ce  finden  sich  inschrifklich  auch 
noch  in  späterer  Zeit  ziemlich  hftufig. 

^)  Instr.  sing,  nach  Bruomann,  Tech- 
meb's  Internat.  Zeitschr.  1,241.  Vgl.  §88  Anm. 


348  S-  LateiniBche  Grammatik,    c)  Lateinische  Formenlehre. 

im  Sc.  d.  Bacch.,  quesdam  Accius  nach  Priscian  bei  Keil,  6r.  L.  3,  9,  17 
(477  Ribb.  I),  quescumque  Cato  Keil  ib.  16,  cuius  für  ^quei-i-os  quains;  qui 
in  qiiis  (älter  auch  für  das  Femininum),  qui-bus,  qui-um  (Cato  nach  Servius 
zu  Verg.  Aen.  1,  95),  qui-a  Instr.  vgl.  skr.  Jcdya^  umbr.  pisesf,  osk.  pis 
(Relativum),  gr.  ri'$  ii{S).^)  Stamm  quo-  gr.  xo-  no-^  osk.  pui,*)  umhr.  poi; 
dazu  qttam  quom  für  *qua'Sme  ^quo-sme;^)  quT  quei  Lok.;  dazu  quot  quotus 
skr.  kdti  katithd-,  qualis;  über  utro-  neben  osk.  pütürus  gr.  n&i^eQog,  {nee- 
utro  Orelli  4859  späte  Bildung),  ubi,  in  Zus.  -cubi  für  *quo-bi  gr.  tto-^*, 
umbr.  i?ti/e,  osk.  i^w/*,  unde  uti  {utei)  -cunde  für  ^-quonde  vgl.  oben  §  46 
Anm.  1  und  Brügmann,  Grundriss  1,  §  431  Anm.  3. 

AnmerkuDg  1.  iDterrogativ-  und  Relativstamm  sind  erst  durch  den  syntaküschea 
Gebrauch  geschieden  worden. 

Anmerkung  2.  Ein  Pronominalstamm  -do  -de  ist  enthalten  in  dum  (uisprfingl. 
Bed.  ,die  Weile*,  vgl.  Richardson  De  «dum*  apud  priscos  Script.  Lat.  usu,  dias.  Lira. 
1886),  do-neCf  quan-do  u.  a.  Pronominalen  Ursprungs  ist  auch  iam  ecce  (über  den  Ge* 
brauch  Köhleb,  Arch.  für  lat.  Lex.  5, 16  f.^,  vielleicht  für  *ic(o)d'Ce,  vgl.  päl.  ecuc  (Zvet  Inscr. 
It.  med.  11)  osk.  eka;  nach  Merikoeb,  bei  Sinoeb,  P.-Br.  B.  12,  211  =  got.  aip-pau,  ^aih-pau 
(vgl.  aber  Feist,  Grundz.  d.  got.  Etyin.  5).  ellum  ellam  Pbiscian  bei  Keil,  Gr.  L.  1,  593, 
25,  fQr  *6nülum  *en  *Uum. 

Anmerkung  3.  Wie  die  Personalpronomina,  wird  auch  ipse,  wenn  auch  sehr  selten, 
durch  -me^  verstärkt,  vielleicht  zu  skr.  «ma,  vgl.  Corssen  2,  846,  ipsemet  Plaut.  Aroph.  102; 
scherzhaft  ipsissimiM  Plaut.  Tbin.  988. 

Anmerkung  4.  Über  die  Pronominalformen  der  späteren  Latinität  EngiIlbbecht, 
Sitzungsber.  d.  k.  Akad.  d.  Wiss.  in  Wien.  CX  517  flf. 

B.   Deklination. 

Die  pronominale  Deklination  unterscheidet  sich  in  der  Bildung  folgender 
Kasus  von  der  nominalen.  Der  Nom.  d.  Sing,  wird  mittels  eines  suffixalen  i 
gebildet  beim  Maskulinum  qui  [qoi  Dvenosinschrift,  quei  (die  Stellen  bei 
Corssen  1,  784)  nur  von  graphischer  Bedefutung],  hk  für  ^ho-i-ce^  einmal 
hec  =  *Äe/c  CIL.  1  32,  vgl.  umbr.  poi  poe  poeiy  osk.  pu%  ebenso  bei  den 
Femininen  quae  haec,  vgl.  osk.  2^ai,  doch  ohne  -i  alUqtm  qua.  Das  Neutrum 
bildet  Nom.  Akk.  d.  Sing,  auf  -d;  höc  für  *hod'Ce.  Im  Genetiv  d.  Sing, 
haben  sämtliche  geschlechtige  Pronomina,  zu  denen  sich  die  zum  Teil  pro- 
nominalen Adj.  solus  totus  unus  ullus  nullus  gesellen,  die  eigentümliche 
Endung  -«(^,  z.  B.  e-i-us  hu-i-us  quo-um,  welche  bei  zwei  und  mehrsilbigen 
Stämmen  mit  dem  auslautenden  Vokal  des  Stammes  zu  -Jus  kontrahiert  wurde, 
also  ill-T-us,  ist'l-UtS  u.  s.  w.  Da  die  von  Corssen  1  307,  Krit.  Beitr.  543  f.  be- 
hauptete Länge  des  -i-  in  quoius  nicht  erwiesen  ist  (vgl.  dagegen  Bücheler- 
WiNDEKiLDE  §  187),  betrachte  ich  -ius  als  Produkt  des  -t  vom  Nom.  quo-i  und 
der  gewöhnlichen  Genetivendung  -os  bez.  -us^)  Über  die  Quantität  von 
"Jus  RiTscHL,  Op.  2,  696  und  Brandt,  De  varia  quae  est  apud  veteres 
Rom.  poet.  scaen.  gen.  sing.  pron.  forma  ac  mensura  diss.  Lips.  1877. 
Vereinzelt  huis  =  "^ho-is   Plaut.  Mil.  903   Ribb.    und  eis  =  *ci-js  ib.   955. 


^)  Vgl.  Wackebnagel,  K.  Z.  29,  148. 
Es  ist  daher  nicht  notwendig,  wie  ich  früher 
gethan  habe  mit  J.  Schmidt,  K.  Z.  25,  94, 
G.  Meyer,  Gr.  Gr.*  §  439,  c  einen  ß-Stamm 
anzusetzen.  Stbeitbbro,  P.-B.  Br.  14,  196  f. 
stellt  die  Gleichung  auf  ^nt)^  :  quid  =  aliud  : 
alid. 

*)  ZvETAJEFF  Syll.  inscr.  Ose.  50. 


^)  über  angebliches  cmne  des  Saliar- 
liedes  Jobdan,  Krit.  Beitr.  213  f. 

"*)  Aus  quoi  -h  ius  (Gen.  von  is)  zu- 
sammengesetzt nach  Mbukikb,  M^m.  d.  1.  S. 
d.  1.  1  14  und  Havbt,  ib  3,  187.  Nach 
ScHWEizEB-SiDLEB,  Gramm.  §  166  vom  Stamme 
i]%ioio-,  wie  eius  von  eio-  -\-  U8  {%  162). 


8.  Anhang.  (§  91.) 


349 


Eigenartig  ist  quoiquoimodi  cuicuimodL  Ebenso  erklärt  sich  der  Dativ 
quO'i-ei  CIL.  1,  34  und  öfter  quoii  Plaut.  Rud.  187,  1193;  über  cui  huic 
vgl.  Bersu,  Die  Gutturalen  54  f.  Als  Ablativ  fungiert  auch  der  Lokativ, 
z.  B.  quUum  (=  quücum)  Plaut.  Trin.  15,  qui  praesentc  Plaut.  Bacch.  335 
u.  ö.  Über  analogische,  übrigens  schon  alte  {alii  bei  Varro)  Genetiv- 
und  Dativbildungen,  wie  neutn  istae  Gen.,  nullo  illo  u.  s.  w.  ülae  Dativ 
vgl.  Buch.- Wind.  §  191,  295.  Der  Noni.  Plur.  wird  gleichfalls  durch 
ein  angehängtes  i  charakterisiert  0  und  zwar  sowohl  beim  Mask.  als  auch 
beim  Fem.,  welches  ursprünglich  die  regelmässigen  Formen  auf  -s  hatte, 
daher  hi  qui  quae  und  Neutrum.  Die  Formen  eeis  im  is  (Pacuvius  nach 
Charisius  bei  Keil,  Gr.  L.  138,  4)  heis  sind  wie  die  entsprechenden  der 
o-Stämme  zu  erklären.  Im  Genetiv  d.  Plur.  finden  sich  vereinzelt  Formen 
auf  --um,  während  das  gew.  Suffix  der  pronominalen  Deklin.  "^-som  ^rum 
ist,  cum  CIL.  1  206,  52,  quium  (vgl.  ob.),  cuium  (Charis.).  Im  Dat.  d. 
Plur.  sind  neben  den  gewöhnlichen  Formen  auf  -is  bei  den  o-Stämmen 
auch  Analogiebildungen  auf  -&us  im  Gebrauche,  daher  ihm  hibus;  ipsibtis 
illibus  bei  Keil,  Gr.  L.  4,  548,  1  erwähnt,  sind  in  Plautus-Handschriften 
nicht  zu  finden. 


3.  Anhang. 

a.  Numeralla. 

91.  A.  Cardinalia.  Eins.  Stamm  oino-,  oino{m)  CIL.  1,  32,  oinvorsci 
ib.  196,  aina  200,  oenigenos  Paul.  Festi  195,  später  wno-,  osk.  üinim,  umbr. 
unu.  Stamm  sem-,  vgl.  gr.  eig  für  *<x^c,  hat  sich  in  den  Ableitungen  semel 
Simplex  singuli  erhalten. 

Zwei,  duö,  auch  Akk.,  Grdf.  idg.  *du^6zi  bez.  *du^6  vor  Konsonanten, 
vgl.  §  14  A  2,  b;  bei  den  archaischen  Dichtern  wird  nach  Studemund,  Arch.  f. 
lat.  Lex.  3,  550  f.  duos  und  d^o  gemessen;  in  der  Zusammensetzung  dui- 
(=  *dt#^|-),  duidens  dulcensus  oder  61-  (=  *rf?^T-),  z.  B.  bldens  (aber  bi-duum); 
duHtiS  duplex,  vgl.  umbr.  dupursus  scheinen  auf  du^(l)'  zurückzugehen  mit 
Unterdrückung  des  -i-  als  Vokals  der  nachtonigen  Silbe  (nach  Bbugmann, 
Grundriss  2  S.  59  Neubildungen  nach  qi^adni-);  jedesfalls  Analogiebildung 
ist  dti5sis  (vgl.  quadrussis);  bes  wohl  aus  ^d^i-es  (oder  dtiei-es'^,  vgl.  gr. 
dtftTv  oben  S.  124);  diloris  und  andere  nach  dem  Griechischen  gebildete 
Formen,  vgl.  Skutsch,  De  nom.  lat.  compositione  quaest.  sei.  S.  36. 

Drei,  trei-  und  tri-;  fres  für  *treies,  gr.  TQsTg  skr.  trayas;  tri-a, 
vulgär  trea  Grom.  vet.  303,  2;  in  der  Zusammensetzung  tri"  {tressis  — 
Hri-essis  oder  Hrei-essis?). 

Vier.  quat{t)uor,  Grdf.  *qet^örcs,  vgl.  skr.  catvdras,  dor.  TtxTOQ&c^ 
osk.  petora-.  In  Zusammensetzungen  erscheint  die  Stammform  qtmdru-  für 
*qtru'^)  mit  Restitution  des  qua-  aus  den  starken  Formen,  vgl.  umbr.  petur- 


^)  Dieselbe  stammerweiternde  Partikel 
-f  findet  sich  in  umbr.  pur-i  (pur-e)^  Nom. 
d.  Plnr.  piS'if  dazu  auch  gr.  ovroa-i  (vgl. 
ScBLBiCBKB,  Comp.  S.  (»09). 

«)  J.  Schmidt,   K.  Z.  25,  44.    Über  die 


noch  keineswegs  vollkommen  gehobenen 
Schwierigkeiten  hinsichtlich  dieses  Zahlwortes 
vgl.  ausser  §  9  noch  Bbuomann  C.  St.  9  380 
und  in  Tecbmers  Internat.  Zeitschr.  1,  228  A.; 
Pauli  in  Dbbckb  und  Pauli,  Etrusk.  Forsch. 


350 


B.  Lateinische  Orammatik.    o)  Lateinische  Formenlehre. 


purstis;  über  d  §  48.  Als  volkstümliche  Analogiebildung  nach-  dem  Muster 
von  septus  actus  erscheint  quatt-us  CIL.  4,  1679.*) 

Fünf.  quTnque,  Qrdf.  *pefdqe,  worüber  oben  §  46,  osk.  pomp-  umbr. 
pumpe;  quincu-  in  quincu-pkx  Analogiebildung  nach  quadru-. 

Sechs,  sex,  Grdf.  *sveks,  vgl.  dor.  ft?  oder  *seks,  vgl.  §  63,  2; 
se^C'Uncia  Analogiebildung  nach  quinc-unx  dec-unx. 

Sieben  zehn.  Septem  decem  führen  auf  die  Qrundf.  ^septrp,  *dehgt, 
Nebenform  s^ti-  septu-  in  Zusammensetzungen. 

Neun.  Grundf.  *ne^^,  nach  decem  Septem  zu  novem  umgestaltet; 
nundinus  =  ^net^n-^dino-,  ^noundino-. 

Acht,  octö  idg.  *okt6u,  nach  Brugmann  oben  S.  136  *oktS,  wahr- 
scheinlich Doppelformen,  octi-pes  nach  septi-. 

Zehn-Siebzehn  werden  durch  Zusammenrückung  der  Eins  u.  s.  w. 
mit  der  Zehn  bezeichnet,  wobei  decem  seinen  Accent  verliert  und  sich  un- 
mittelbar an  die  vorausgehende  Zahl  anschliesst;^)  das  zweite  e  geht  dabei 
in  i  über,  tredecim  quindecim  sedecim  aus  ^tre^-decim  *quinq{eydecim 
*sex-decim  nach  bekannten  Regeln. 

Von  den  Zehnern  hatte  die  Zwanzig  die  Grundform  *vj-'k^ti,  böot. 
pUaTi^  skr.  vinkati;^)  das  ^f  von  viginti  {veiginti  CIL.  1  1194)  sucht  Ascoli, 
Archiv,  glott.  9,  105  Anm.  durch  die  Lautregel  zu  rechtfertigen,  dass  inter- 
vokalisches  c  in  proparoxytonierten  Worten  in  g  übergehe,  vgl.  dig-itus  neben 
indec-s.  Indessen  weist  auch  alb.  -zet  auf  die  Media  (G.  Meyer  in  den  zu 
Ehren  Hertz's  herausgegeb.  philol.  Abhandl.  S.  90  Anm.).  Vorläufer  der 
italienischen  Form  vinii  Wilmann's  Exempla  569.  vigintf  ist  Dualform  (vgl. 
§  75).  Für  die  30 — 90  liegen  Zusammensetzungen  mit  -konta  vor,  vgl.  gr. 
TQiaxovTa;  die  vorauszusetzenden  Grundformen  HrT-conta  vgl.  §  80,  b,  *qtiadra- 
*sexa-  "^septuO-  (Analogiebildung  nach  vulg.  octuaginta  =  gr.  6ydoi]xovta  für 
urspr.  *septtpm^k(mta,  gr.  ißdojiirjxovTa)  "^octova-conta,  ^nona-  sind  nach  dem 
Muster  von  viginti  zu  triffinta  u.  s.  w.  umgeformt.'*) 

Hundert,  centum  Grdf.  "^kr^to-^  vgl.  §  45  und  S.  137;  in  der  Zu- 
sammensetzung centi-  (centu-)^  jünger  centum'^  ganz  vereinzelte  Analogie- 
bildung cenfemmanus  (Vf.  Wiener  Studien  10,  306).  Die  Zahlen  von  200—900 
werden  durch  Zusammensetzungen  mit  dem  deklinierten  Stamme  -cento-  ge- 
bildet, daher  du-centi,  tre-centi  sex-centi  (regelrechter  ses-centij.  septingcnti 
nongenti  mit  regelmässigem  g  aus  k  zwischen  doppelter  Nasalis  sonans  aus 
*septmhp.to^  *ne^^kfiito-,  vgl.  §  65,  3  g;  von  hier  aus  ist  g  auch  in  andere 
Zahlen  eingedrungen  (Thurneysen  a.  a.  0.  312),  so  in  quingenti.  Nach 
septingetiti  sind  octingenti  und  qundringenti  gebildet;  so  auch  wönm^cw^*  bei 
Columella. 

Tausend,  mille,  milia  (media  CIL.  1,  551),  dessen  Etymologie  nicht 
recht  klar  ist  (Havet,  Mem.  d.  1.  S.  d.  1.  3,  415,  Thurneysen,  Bezz.  B.  9, 
281  Anm.  3  =  iivqioi). 

B.   Ordinalia.    primus  aus  ^pris-mo-j  eigentlich  eine  superlativische 


u.  Stud.  3,   13;    Collitz,   Bezz.   B.  2,    150 

Anm.  1 ;  Havet,  Mdm.  d.  1.  S.  d.  1.  3,  370. 

')  BücHELER,  Archiv  für  lat.  Lex.  1,  102. 

2)  Wackebnagel,  K.  Z.  25,  284. 

3)  Thubneysek,  ib.  2G,  310  f. 


*)  Thübneysen  a.  a.  0. ;  Wackernagel, 
K.  Z.  25,  2G0.  Bez.  septu-  haben  andere 
Ansichten  Ascoli,  Curt.  Stud.  9;  359,  J. 
Schmidt,  Jen.  Lit.  1877,  734;  Mahlow,  D. 
1.  V.  79. 


3.  Anhang.  (§  91.) 


351 


Bildung,  tertius  Grdf.  Hcrttio-,  vgl.  skr.  trtiya^^  qt^r-ttis  quin-tus  sex-tus 
[nach  Osthoff,  M.  U.  4,  330  Anm.  für  "^sec-tus,  vgl.  oben  S.  306]  sind  mittels 
des  Suffixes  -to-  gebildet,  quarüis  geht  auf  die  nebentonige  Tiefstufenform  *qt^f' 
zurück  und  steht  für  "^qtuf-tö^,  *c{f)vartO';^)  eeptimtis  decimt^s  (decnius  CIL.  1, 
821)  für  ^sept^-mö"  ^dekrii-md-  oder  vielleicht  "^septipm^ö^  u.  s.  w.  (Bruomann, 
Grundriss  2  S.  157).  octavus  für  *oct9^oSj  vgl.  gr.  oyöoog.  nonus  von  der  ördf. 
*nef<^n-o-  "^no^eno  "^nouino-,  daher  noine  der  Dvenosinschrift.*)  Alle  übrigen 
Ordinalzahlen  von  zwanzig  aufwärts  sind  mittels  des  Suffixes  -Umo-  gebildet, 
vgl.  skr.  "tama-,  -ensimo — esima-  ist  regelrecht  in  der  §  64,  3  angegebenen 
Weise  aus  *^ent-timo-  hervorgegangen,  z.  B.  pkesimo^  {vicesma  CIL.  1,  187) 
Grdf.  *uiAfiit  -f  to-,  daneben  auch  -sunio-  in  centensumus  Plautus  septuagensu- 
[mum]  Mon.  Ancyr.  6,  28  (übrigens  verdächtig  vgl.  Mommsen  und  Qeppert, 
Programm  d.  Berlin.  Gymn.  z.  grauen  Kloster  1887,  S.  3).  Nach  vicesimo- 
(seltener  vigesimo-)  sind  alle  übrigen  Ordinalzahlen  der  Zehner  gebildet,  indem 
-ginta  durch  -gesimo-  ersetzt  wurde,  darnach  auch  cent-esimo-^  die  übrigen  Hun- 
derter und  mille^imo-.  Die  von  Priscian  bei  Keil,  Gr.  L.  3,  413,  19  f.  über- 
lieferten Formen  ducesimus  u.  s.  w.  sind  lautgesetzlich  berechtigt  {^ducenttimO' 
^ducensimo-),  aber  sonst  nicht  nachweisbar.     Sogar  muUesimm  Lucr.  6,  651. 

C.  Dlstributiva.  ^)  singuli  Qrdt*Sfpkl'0',  daher  das  -^f-;  singolo- CIL.  1, 
198,  199,  208,  der  Sing,  singulum  bei  Plautus  Varro,  eigentümlich  sin- 
gillatim  (Fleckeisen,  Fünfzig  Artikel  S.  29).  Nach  singuli  ist  ninguli  ge- 
bildet [für  *nonculi  *nunctdi,  vgl.  ne  uncula  Cic.  De  leg.  2,  8,  19  ed. 
Vahlen].  Alle  übrigen  sind  mittels  Suffix  -tw-  gebildet,  wobei  nur  lautliche 
Veränderungen  in  Betracht  kommen,  z.  B.  blni  trtni  aus  *bis-ni  *tri$-ni, 
quJni  aus  ^quinc^ni  *quinq-ni  u.  s.  w.  Die  Distributivzahleu  von  seni  auf- 
wärts haben  mit  Ausnahme  von  octoni  sämtlich  das  Suffix  -eni  angenommen, 
so  auch  deni  statt  des  zu  erwartenden  *deceni,  vic-enif  cmt-eni,  duc-eni, 
daneben  nach  Priscian  auch  ducent-eni. 

D.  Hultiplikativa.  seni-el,  Neutrum  von  einem  Adjektiv  ^srp-mil-is, 
vgl.  ahd.  mäl^  idg.  W.  m^-  „messen"  (Wackernagel,  K.  Z.  30,  316),  da- 
neben älter  semol  semul  Li  Afran.  bei  Non.  523,  13  M.,  vgl.  skr.  sa-hft^ 
gr.  a-na^,  duis  Paul.  Fest.  66  bis,  skr.  dvis,  gr.  dfg.  ter  für  *(ris,  vgl.  skr. 
tn$  gr.  TQi'c,  in  tieftoniger  Stellung,  darnach  qtuiter  für  *qtmtur^  sk.  catür,  vgl. 
auch  Henry,  Mem.  d.  1.  S.  d.  1.  6,  373.  Alle  übrigen  Multiplikativa  endigen 
sich  auf  -ies  älter  -icns  (z.  B.  CIL.  1,  198,  auf  dem  Mon.  Ancyranum 
öfter),  das  zum  Teil  an  die  verstümmelten  Stämme  gefügt  wird  (Analogie- 
bildungen), z.  B.  vic-ies  (ric-ies,  quinquag-ies,  jedoch  quinquag-csies  Plaut. 
Men.  1140.  J.  Schmidt,  K.  Z.  25,  137  A.  2  will  darin  dasselbe  Suffix 
erkennen,  wie  in  gr.  TQiüg  =  triens  Grdf.  Hriiiis  (dagegen  Bruomann, 
Grundriss  2,  S.  568),  während  Aufrecht  K.  Z.  1,  122  und  Corssen  2,  351, 
552  Anm.  darin  das  Eomparativsuffix  sahen.  Stowasser,  Arch.  f.  lat.  Lex.  5, 
136  f.  deutet  -icw5  als  Partizip  von  ire  {sex-iens  „sechs  (Gänge)  gehend''). 
Mir  scheint  die  Erklärung  etwas  gezwungen;  vgl.  meine  Bemerkungen  ib. 


')  V.  FiEBLiNOEB,  K.  Z.  27,  193;  Osthofp, 
Z.  G.  d.  P.  435.  Wegen  -f-  =  -ar-  s.  §  43. 
Über  Suffix  -to-  vgl.  Bbuomamn,  Grundriss  2, 
S.  228  und  besonders  232. 

')  Dagegen  besonders  Pauli,  Altit.  Stud. 


1,  32  f. 

^)  Über  diese  und  die  folgenden  Zahlen 
vgl.  den  interessanten  Aufsatz  von  Baunack, 
K.  Z.  25,  253  ff. 


352 


B.  Lateinische  Grammatik,    c)  Lateinisohe  Formenlehre. 


5,  285  und  Thürneysen  ib.  545  f.,  der  quot^iens  toUiens  vgl.  skr.  ki-yant- 
„wie  gross,  wie  viel"  i-yant-  „so  gross"  als  Ausgangspunkt  der  Bildung 
betrachtet;  Grundform  des  Suffixes  *-{»^.  Wegen  des  auslautenden  lat.  -n^  = 
-WS  verweist  Th.  auf  osk.-umbr.  -ns  (sekundäre  Personalendung  der  3.  Person 
d.  Plur.,  vgl.  §  97)  und  das  Neutrum  der  Partizipien  *ferent  =  fcrens.  Nach 
diesen  Mustern  auch  multotiens  Priscian  bei  Keil,  Gr.  L.  3,  78,  22  und 
paucienfi  Paul.  Festi  220,  15.  Über  zwei  andere  Reihen  von  Multiplikativ- 
zahlwörtern  gebildet  mit  -j|)/ö-,  z.  B.  du-pluSj  und  -plec,  entstanden  aus  -^^fe 
(schwache  Stammform)  +  c,»)  z.  B.  Simplex  vgl.  Baunack  a.  a.  0. 

b.  Steigerung  der  Adjektlva. 

92.  Über  die  ursprüngliche  Bedeutung  der  Suffixe  des  Komparativs  und 
Superlativs  vgl.  ob.  S.  134  f.  die  lehrreichen  Auseinandersetzungen  Bruomakns. 

Komparativ.  Das  ursprünglich  zur  Bildung  des  Komparativs  bei 
primären  Adjektiven  verwendete  Suffix  -(ös  (Nom.  *-iös)  -i^  -is  dient  im 
Lateinischen  bei  allen  Adjektiven  zur  Bildung  des  Komparativs;  daher  maior 
Grdf.  *niah-iös;  Grdf.  *plsiös,^)  wovbms  pleores  (carm.  arv.,  natürlich  moderni- 
siert für  ^^pleoses)  und  ploiis  CIL.  1,  196  plüs;  vom  Neutrum  plus  ging  ü 
auf  den  ganzen  Komparativ  über,  phera  Cic.  De  leg.  3  §  6  wird  ein  mis- 
verstandener  Archaismus  sein  oder  oe  ist  umgekehrte  Schreibung  für  ü. 
Vom  Komparativ  drang  ü  in  den  Superlativ,  daher  plürimus  plourutna 
CIL.  1,  1297.  Schwierig  zu  erklären  ist  ploirume  CIL.  1,  32,  worin  o»  doch 
wohl  kaum  nur  graphische  Bedeutung  hat  (=  ü).  plisima  Fest.  205,  17  M. 
ist  die  ursprüngliche  Superlativform  von  *ple-is-imo-,  vgl.  gr.  nXe'tg-TogJ) 
peior  zu  skr.  pt-yaü  got.  fdianda.*)  minxis  kann  lautgesetzlich  nicht  aus 
*minius  hervorgegangen  sein.  Ich  halte  es  für  ein  ursprüngliches  Sub- 
stantiv =  ^minus  (vgl.  minuere)  „die  Minderheit",  wie  rc^ws.^)  Zwar  wtnc- 
nmus^)  geht  auf  ^mints-imo  zurück,  aber  die  eben  gegebene  Erklärung  ist 
trotzdem  soviel  als  sicher.  Der  in  der  ersten  Auflage  gemachte  Versuch, 
die  Verdrängung  des  vorauszusetzenden  Komparativs  *minios  durch  das 
Zusammenfallen  gewisser  Kasusformen  zu  erklären  ist  mit  Rücksicht  auf 
Brugmann,  Grundriss  2,  406  {minus  Gegenstück  zu  malus  und  dann  auch 
7ninor)  entbehrlich,  minis-  auch  in  minis^ier  osk.  mitistreis  umbr.  mestru; 
vgl.  ferner  nimis  satis  prTs-cus  aus  "^prt-is-^  wie  prtor  aus  *pnor  ^prl-ios- 
von  i^rJ-  {{nrprei'?)  =:  prae  nach  Festüs  226  M.,  wg],  prl-vus;  vgl.  übrigens 
Brugmann,  Grdr.  2,  S.  406.  iunior  ist  aus  *iuiin4or  entstanden;  iuvenior 
erscheint  erst  bei  den  Schriftstellern  der  Kaiserzeit.  ■^)  Im  Anschluss 
an  die  eben  angeführten  Komparative  sind  alle  übrigen  gebildet  nach  der 
allgemeinen  Kegel,  dass  Suffix  -ior  an  Stelle   der   weggelassenen  Genetiv- 


')  J.  Schmidt,  K.  Z.  16,  430  f. 

«)  Wegen    S  Schulze,   K.   Z.  27,    424; 
jedoch  auch  Feist,  Grundz.  d.  got.  Etym.  34 

8)  Vgl.  J.  Schmidt,  K.  Z.  23,  348 
JoHANNSON,  De  deriv.  verbis  conir.  177 
Danielsson  bei  Pauli,  Altit.  Stud.  4,  164 
OsTHOFP,  P.-B.  Br.  13,  443  f.;  Brugmann 
Grundriss  2,  S.  407.  Eine  neue  Ansicht  über 
plus  jetzt  oben  S.  96  Fussnote  2. 

*)  AuFBECHT,  K.  Z.  3, 200f.,  Schulze  ib. 27, 


416  Anm.  1 ;  Feist,  Grundz.  d.  got.  Etym.  .'H. 

*)  Vgl.  auch  Mahlow,  D.  1.  V.  45, 
Kluge,  Etym.  Wörtb.  s.  v.  ,minder* ;  jetzt 
auch  Danielsson  in  Pauli,  Altit.  Stud.  3, 
190;  Brugmann,  Grundriss  2,  406. 

**)  So  Georges,  s.  v.  ;  Paul.  Fest.  122, 
17  Müll,  hat  minerrimus;  diese  letzte  Form 
hat  mich  früher  bestimmt,  diesen  Superlativ 
auf  das  Subst.  *miniM  zurQckEufQhren. 

')  Brugmamk  M.  U.  2,  194. 


d.  Anhang.  (§  92.) 


353 


endung  tritt.  ^)  So  traten  an  Stelle  der  ursprünglichen  Formen  *$tiadios 
vgl.  gr.  ijSiwVj  *leg'ios  von  levis  {=  *leg^is),  *se-(jQ-{>s  von  se-ro-,  Hen^ios 
von  tenuis  die  Neubildungen  s.uivior  levior  serior  tenuiar  (Brugmann,  Grund- 
riss  2,  S.  403,  407).  Die  Komparativ-Bildung  mittels  Suffix  "tero-,  wie  in 
umbr.  pretra  pael.  jpnYrow  Zvet.  Inscr.  It.  med.  11,  existiert  im  Lateinischen 
nicht;  wohl  aber  erscheint  dieses  Suffix  in  Ableitungen  magis-ter  minis-ter,  u4er 
dlnter  ves-ter,  pos-tertis  ex-terus.  Dass  inferus  superus  u.  s.  w.  (vgl.  skr. 
ddhara-  dntara-  üpara-)  ursprünglich  komparativische  Bedeutung  gehabt 
haben,  geht  aus  der  Bedeutung  von  infimus  summus  hervor;  inferior  superior 
sind  lateinische  Neubildungen  (vgl.  dter  nach  citeriar).  meUom  =  nieliorem 
Paul.  Festi  122,  2  hat  keine  Analogie  in  verwandten  Sprachen  [-terO" :  'timo- 
=  "to-  :  -ntö-.^],  darf  aber  deswegen  nicht  mit  Bugge,  N.  J.  105,  100  durch 
Konjektur  entfernt  werden.  Mit  ihm  verwandt  in  der  Bildung  scheint 
2wIieo  ulteriore  ib.  205. 

Superlativ.  Als  die  einfachsten  Bildungen  erscheinen  die  eben  nam- 
haft gemachten  mittels  Suffix  -wo-,  summa-  f.  *swp-w«o-,  Tmo-  (vgl.  §  55 
Anm.),  primo-,  brüma  für  ^bre^-i-fna,  purime  Fest.  252  M.,  clarimum  aus 
Glossen  angeführt  von  0.  Ribbeck,  Z.  Lehre  v.  d.  lat.  Part.  6,  ferme  = 
^ferime,  pessimo-,  das  nicht  mit  Schulze,  K.  Z.  27,  426  Anm.  1  von  *pessus 
=  ^perdr-tch  abzuleiten,  sondern  mit  Corssen,  K.  Z.  3,  249,  L.  Meyer,  Bezz. 
B.  6,  293  flf.  zu  skr.  pädyate  pdttum  zu  stellen  ist;  extrS-fno-,  postre-mo-, 
suprS-mo-  von  den  Adverbien  *extr&  u.  s.  w.^)  Mit  demselben  Suf&x  ge- 
bildet ist  plurimus;  ferner  gehören  hieher  wohl  auch  maximus  fal.  Maxomo 
Zvet.  Inscr.  It.  med.  58,  oocimc  Paul.  Festi  195,  l^proximus  für  *mag{t)s4m0' 
*oc{i)S'ime  *proqu{t)s^mo-,  dazu  noch  medioximus  Paul.  Festi  123,  19,  St. 
medioc-  vgl.  velox  cehx,^)  Zu  dieser  Bildungs weise  des  Sup.  vgl.  umbr.  Aon- 
domu  Jnfimo'^  osk.  posmom  skr,  adlutmä-.  Mit  Suffix -^wwo- -^imo- idg. -^jpiwo- 
(zu  -^ero-  gehörig)  gebildet  sind  citumo-  extumo-  intumo^  pos-tumo-  ultimo-, 
femer  dex-timo-  alat.  sinis-timo-  (vgl.  legi-timo-  fini-timo-  quo-tumo-  Plaut. 
Pseud.  962,  1173  und  die  Ordinalzahlen),  endlich  alat.  sollis-timo-.  Dieses 
-istimo-  ist  kontaminiert  aus  -is-to-  (vgl.  gr.  ^J-icr-To-g  u.  s.  w.)  und  -tumo-, 
optimus  opitumus  CIL.  1,  1016  und  öfter  (Neue  2*,  207)  ist  von  ops  ab- 
geleitet (vgl.  die  eben  angeführten  Adjektiva  auf  'Hmo-)  und  hat  die  Super- 
lativbedeutung in  Verbindung  mit  maximus  angenommen.*)  -istimo-  wurde 
verdrängt  durch  -issimo-,  indem  -s/iMo-nach  dem  Muster  von  plisimus  maximus 
u.  s.  w.   an  die  Stelle   von  -timo-  trat.^)    Hingegen   sind   die   Superlative 


')  Das  entsprechende  Superlafcivsuffix 
isto-  will  Pauli,  Altital.  Studien  2,  140  f.  in 
den  Eigennamen  Rustius  Nostius^  zurück- 
gehend auf  die  Grdf.  *Revi8t08f  *Novi8to8, 
erkennen.  Jedoch  bleibt  trotzdem  aufrecht, 
daas  -issimo'  nicht  =  ^-istomo-  sein  kann.  Vgl. 
auch  Bbuomahn,  Grundr.  2,  S.  232. 

')  Wbibbioh,  De  gradibus  comparationis 
20  f. 

')  Anders  Bbugm ann,  Grundr.  2,  S.  168  f., 
387  Fuflsnoie,  der  max-imu-s  mit  skr.  mahäs- 

YMjglfiMllt. 

*)  SfOU»  Wien.  Stud.  8,  154.  Anders 
Fh»  fi.  17;  L.  Mbybb,  Bbzz.  Beitr.  G,  291; 


FlERLINGBB,  K.  Z.  27,  478. 

^)  Bruohann,  M.  U.  3,  135  (zustimmend 
OsTHOFP,  Z.  G.  d.  P.  530)  knüpft  diese  Su- 
perlativbildung  an  die  Ordinalia  auf  -ensimo-t 
von  welchen  Suffix  -simO'  bezogen  worden 
sei;  vgl.  jetzt  auch  Daniblsson  in  Pauli, 
Altit.  Stud.  3,  192;  Ascoli,  Sprachw.  Briefe 
S.  70  Anm.;  Bbügmann,  Grundriss  2,  S.  168  f. 
Ascoli  weist  darauf  hin,  dass  'issimo-  auch 
lautgesetzlich  erwachsen  konnte,  freilich 
kenne  ich  nur  das  eine  Beispiel  von  dives, 
dessen  Superlativ  ursprünglich  *dt^i'timo 
*dissimo-  hätte  lauten  müssen;  ditissimus 
ist  also  selbst  schon  Analogiebildung. 


AltertmnBWlMenachaft.  n.    2.  Aufl. 


23 


354 


B.  LateiiÜBohe  Grammatik,    o)  Lateinische  Formenlehre. 


der  Adjektivstämme  auf  -rö-  -r/-  -K-,  die  ich  früher  auch  auf  dem  Wege 
der  Analogie  erklärte  (fadllimus  aus  *faciUsimo-\  wohl  richtiger  mit 
Brugmann,  Grundriss  2,  S.  158  (vgl.  auch  Ascoli,  Sprachw.  Briefe  S.  70 
Anm.,  ScHWEiZER-SiDLER,  Gramm.*  §  145)  als  Bildungen  mit  Suffix  'fjfimO' 
zu  erklären,  mithin  facillimO'  pulcerrimo^  aus  ^fachis-emo-  ^fac^emth-  ^facil- 
simO'  ^pulcr-is-enW'  ^puk^semo-  ^pulcersimo-,  wobei  -is-  die  schwächste  Form 
des  Komparativsuffixes  darstellt.  Wie  weitreichend  auch  in  der  Kompa- 
ration die  Wirkung  der  Analogie  war,  beweisen  celerissimus  Enn.  ann.  504 
Müll.,  gutlateinisch  maturrimus,  bes.  aber  spätlat.  pluriara  Neue  2,  115 
(3.  Aufl.  208),  postremior  postremissimus  proximior  minissvmus  und  andere 
ib.  2,  130  (3.  Aufl.  243).  Auch  E.  Wölfflin^  Lateinische  und  romanische 
Komparation,  Erlangen  1879  ist  nachzusehen.  Über  den  Wechsel  von  -tmo-, 
und  'Umo-,  siehe  §  25,  3.  Über  Komp.  und  Sup.  der  Adjektive  auf  -ius 
und  'Uus  vgl.  Priscian  bei  Keil,  Gr.  L.  2,  86  f.  {arduius  aus  Cato  und 
egregiissima  aus  Pacuvius  citiert). 

Anmerkung  1.  Zur  Bildung  des  Komparativs  scheint  ursprünglich  die  starke^  zu 
der  des  Superlativs  die  schwache  Stammform  verwendet  worden  zu  sein  (Ostbofp,  Z. 
6.  d.  P.  450  Anm.);  wenigstens  erklärt  sich  so  lat.  melior  neben  gr.  fidXkoy  für  urspr. 
^fAiXkoy,  ßiXregog  (Wacksrnaoel,  K.  Z.  30,  302)  nach  /däXiaia;  vgl.  jedoch  auch  lat  iuwior, 

Anmerkung  2.  Über  die  Quantität  des  ersten  t  in  -issimo-,  (die  inscbriftlichen 
Zeugnisse  für  -t-  sind  nicht  besonders  vertrauenerweckend,  sonstige  überhaupt  nicht  vor- 
handen) vgl.  Osthoff,  Z.  6.  d.  P.  527  f.,  Sbblm ann,  Aussprache  98  f.  Vgl.  bes.  inschr. 
karessemo  merentesaetno  CIL.  2,  2997  u.  s.  w.  (e  =  f). 

Zur  Litteratar:  E.  FObstemann,  De  comparativis  et  superlativis  linguae  Qraeoae  et 
Latinae,  Nordhausen  1844.  F.  Weihrich,  De  gradibus  comparationis  linguarum  Sanscritae 
Graecae  Latinae  Gothicae,  Giessen  1869. 

c)  Nominalkomposition. 

Form  der   Zusammensetzung. 

Vorbemerkung.  Die  von  Bbüomann  angesetzten  vier  Arten  von  indog.  Komposita 
sind  auch  im  Lateinischen  nachzuweisen:  1)  aedi-tuos  agri-cola  au-ceps  ponti-fex  un- 
anivitis;  2)  die  Komposita  mit  inprwatiimm,  z.  B.  in-dignus  in-sanus  u.  s.  w.;  3)  ob- 
longiis,  oscen  für  *ob8-cen  W.  can-,  sub-niger;  4)  vgl.  die  folgende  Seite  Absatz  b)  und 
die  Komposita  mit  bene-  und  male-  im  ersten  Gliede.  Vgl.  auch  die  übrigen  Ausführungen 
Bbugmann's  a.  a.  0. 

93.  1.  Juxtaposition.  Diespiter  {Dies-  Nora.  =  ^dii^uS"),  Juppiter 
(=  *Jeu  pater);  respuhlica,  iusiurandum,  ho-die  {ho-  Instrumental ?),>) 
die  Adverbia  auf  -iVer,  z.  B.  brevi(e)\  longiter  aus  breve  Her,  long{unt) 
iter^^)  vgl.  venire  anwmdvertere  aus  ven{um)irey  amfn{um)(ulvert€re; 
die  Zahlwörter  von  eilf  an  bis  neunzehn,  z.  B.  tredecim  (=  *trez^ 
decem),  duodemginti  u.  s.  w.  Wie  echte  Komposita  sehen  aus  miri{s)modi'i 
muÜi{8)modi's,  darnach  omnimodis.  In  vielen  Fällen  ist  die  getrennte  Schrei- 
bung vorzuziehen,  z.  B.  iex  veri  similis,  aqtiac  dudus.  Eine  Sammlung 
derartiger  Bildungen  bei  Corssen  2,  884  flf. 

94.  2.  Echte  Komposition,  a)  Das  reine  Thema  im  ersten 
Gliede:  Asiu-genus  CIL.  1,  36  {Asiagenes  Liv.  39,  44,  1  Gräzismus) 3) ; 
glori-fictis    (kürzeste   Stammform),    aber    tibt-cen,    vgl.    §  36,    1;    albo^ga- 


*)  Bruomann.  Grundriss  2,  S.  56. 

*)  Osthoff,  Arch.  f.  lat.  Lex.  4,  455  if. 
Schon  von  Autenrieth  flüchtig  angedeutet 
in  Eos  II  (1866)  S.  514  (vgl.  Arch.  f.  lat. 
Lex.  5,  276). 


*)  In  fabaginus  oleägtnus  hat  man  mit 
Thtjbneysen  K.  Z.  26,  308  Analogiebildungen 
nach  den  von  den  Substantiven  auf  -ägo  -igo 
-ügo  abgeleiteten  Adjektiven  mit  Suffix  -o- 
zu  erkennen. 


8.  Anhang.  ($  93-94.) 


355 


lerus^  hamo^trahones ,  Aeno-harbtis;^)  medi-terraneus  (kürzeste  Stamm- 
form); nmnu-missfis  {malluvium  manceps  u.  s.  w.  wahrscheinlicher  aus 
*fnän{u)4twium,  mdn{uyceps  als  von  einem  konsonantischen  Thema  nian-) ;  *) 
igni-fer,  pontUfex,  tristi-fictis;  mm^cipula,  iudex  (=  *iouZ'diC')y  iu{systitiufn, 
nomen-clatar  (auf  derselben  Stufe  decem-modius,  septem-ftuus  u.  s.  w.).  In 
der  erdrückenden  Mehrzahl  der  Fälle  haben  sämtliche  vokalisc^e  Stämme, 
abgesehen  von  jenen,  in  welchen  wegen  vokalischen  Anlautes  des  zweiten 
Oliedes  Elision  des  schliessenden  Vokals  eintrat,  z.  B.  aqu-agium,  mult- 
angultis^  fun-amhulus,  sem^ermis,  {multi-angulus  funi^mbulus  semi-ermis  sind 
spätere  Neubildungen)  zunächst  nach  dem  §  23,  2  erwähnten  Gesetz  für  nach- 
tonige Silben  den  auslautenden  Stammvokcd  in  i  gewandelt,  daher  z.  B.  ali-pes^ 
aqtd-lex,  muUi-plex;  diese  Formation  des  ersten  Gliedes  ist  die  in  der  klassischen 
Sprache  ausschliesslich  herrschende.  Archaisch  und  vulgär  erscheint  daneben  e, 
z.  B.  lunie'fnulia,^)  aure-ficina,*)  su^ove-taurilia,^)  pellesuina.^)  In  die  Analogie 
dero-Stämme  übergetreten  ist  Vio-curus,'^)  den  bekannten  Mittellaut  zwischen 
u  und  i  treffen  wir  häufig,  z.  B.  in  Maiu-gena,  Troiu-gena,  tubu^lusttium; 
auru-fex;  pontu-fex.  Vielleicht  sind  auch  die  Komposita  mit  manu-  neben 
manp-  und  mit  anderen  ti-Stämmen  so  aufzufassen.  Die  konsonantischen 
Stämme  sind  fast  durchaus  in  die  Analogie  der  vokalischen  übergetreten, 
daher  z.  B.  odari-sequm;  Anieni-cola.^)  Einen  vokalischen  Stamm  (vgl.  §  77,  5) 
neben  dem  konsonantischen  zeigen  mehrere  n^Stämme,  homi-ciday  numi- 
clatari  (neben  nonien-clator),  sangui-suga,^)  In  anderer  als  der  früher  er- 
wähnten Weise  sind  der  Analogie  der  o-Stämme  gefolgt  muni-ceps  ^^) 
(neben  tnuneri-gerulus),  foedUfragus,  vulni-ficus,  der  der  i-Stämme  cini-flo 
horri-ficus.  Über  die  durch  Synkope  des  Vokals  der  nachtonigen  Silbe 
entstandenen  aus  einer  früheren  Periode  der  Sprache  herübergeretteten 
Komposita,  wie  sacerdos  (sacri-fex  agrücöla  u.  s.  w.  sind  spätere  Neubildungen), 
opifer,  die  Komposita  mit  nau-^^)  u.  s.  w.  vgl.  §  74.  Wahrscheinlich  ist 
auch  eine  Reihe  von  Kompositis  mit  einem  konsonantischen  Stamm  im 
ersten  Gliede  auf  diesem  Wege  entstanden,  z.  B.  solnstitium  {*s6l{tysHtium), 
cor-dolium  {*cörd[i-dJolium  §  68).  Spärlich  sind  die  Spuren  der  Komposita 
mit  sogenanntem  verbalem  erstem  Gliede,  wie  Contere-bromia,  flex-animus 
u.  s.  w.  Über  die  Formation  der  Numeralia  ist  das  Wichtigste  in  Abschnitt  a) 
des  Anhangs  beigebracht  worden.  Über  die  Formation  des  zweiten  Gliedes 
vgl.  meine  Schrift  über  die  Nominalkomp.  S.  53  ff.  und  oben  S.  329. 

b)  Sehr  selten  findet  man  die  sogenannten  Kasuskomposita,  wie  das 


')  Nach  Brugmann,  Grundriss  2,  §  34  liegt 
hier  Anlehnung  an  das  Griechische  oder  manch- 
mal vielleicht  an  das  Gallische  vor  (vgl.  z.  B. 
ArtO'briga,  Dumno^rix,  Epo-redia,  Vüido- 
magu8  u.  s.  w.) 

>)  Ersteres  wäre  sicher,  wenn  ma-nw 
mit  BsuGM AHN,  Grundriss  2,  302  zu  W.  me- 
«messen*  zu  stellen  ist,  letzteres  ist  möglich, 
wenn  man'  zu  ahd.  munt  gestellt  wird. 

•)  Hkszek,  Acta  frati-um  Arval.  p.  CGI V, 
Z.  31;  Bt^cHKLSB,  Archiv  f.  lat.  Lex.  1,  111. 
Das  Komn.  bedeutet  soviel  als  lunia  molita ; 
luma  oaen  Paul.  Fssti  120,  15  «genusherbae 
vel  potiDB  Spinae*,  wahrscheinlicher  nach 
GkM.  Philox.  133,  53  eine  Art  «Minze'. 


^)  CIL.  7,  265;  Schüchabdt,  Vok.  2, 
13,  14. 

^)  S.  Geobgbs  s.  v. 

®)  Vabso,  de  1.  1. 8,  55  Müll.  (Spengel). 

')  Vabbo,  de  1.  1.  5,  7  M.  (Sp.) 

^)  Ausführliches  Verzeichnis  bei  Stolz, 
Die  lat.  Nominalkomposition  S.  39  f. 

*)  Bbuomann,  M.  ü.  2,  252. 

^^)  ScHWsizEB-SiDLEBs Annahme, Gramm.' 
§  42,  Anm.  2,  dass  in  mtmiceps  foedifragus 
rulnificus  horrificus  und  einigen  anderen  4- 
=  -es-  in  tonloser  Silbe  sei,  dfinkt  mich  nicht 
wahrscheinlich. 

^^)  Nach  Bbuomann,  Grundr.  2,  S.  57  viel- 
leicht unmittelbar  =  gr.  vav-, 

23* 


356  B.  Lateinische  Orammatik.    c)  Lateinische  Formenlehre. 

< 

von  Laevius  nach  Oell.  19.  7,  13  gebrauchte  dulcwre-hcus  Idulcore-Iocus 
Müller],  vindex  geht  nach  Scholl,  Leg.  XII  tab.  rel.  S.  91  auf  vim 
dicere  zurück,  nach  Schweizer-Sidler,  Lat.  Gramm.*  auf  Henumdex. 

Bedeutung  der  Zusammensetzung. 

95.  Hinsichtlich  derselben  gilt  für  das  Lateinische  ganz  dasselbe, 
was  Brugmann  über  das  Griechische  auseinandergesetzt  hat. 

1.  Beiordnende  Komposita  sind  fast  gar  keine  vorhanden.  Die 
einzigen  Beispiele  sind  suovetaurilia,  ein  auf  einem  Dvandva  beruhendes 
Bahuvrihi  „Schwein-Schaf-Stier-Opfer"  ^)  und  vielleicht  reciprocm  aus  *recos 
und  *procos  „rückwärts  gewandt"  „vorwärts  gewandt"  (Corssen,  Nachtr. 
136  f.  und  Brugmann,  Rh.  M.  43,  402  f.).  Vgl.  noch  Skutsch,  De  nom. 
lat.  compositione  quaest.  sei.  S.  25. 

2.  Unterordnende  Komp.  Mit  attributiver  Bestimmtheit:  i^eremii- 
serv^us  „einer,  der  beständig  Sklave  ist"  [diese  Art  von  Komp.  findet  sich 
sehr  selten];  albi-capillus,  magn^animus;  trisaeeli-senex.  Mit  numeraler 
Bestimmtheit:  quadri-libris,  quinqtA-ennis,  Mit  kasueller  Bestimmtheit:  die 
Komp.  mit  -/er  und  -ger  [die  von  B.  Deipser  aufgestellte  falsche  Ansicht  über 
diese  Komposita  habe  ich  Arch.  f.  lat.  Lex.  4,  316  f.  widerlegt],  ponü-fex^  rto- 
curus  „qui  viarum  curam  habet' ,  Mit  adverbialer  Bestimmtheit:  aÜi^tanus, 
blandi-locus  und  überhaupt  zahlreiche,  deren  zweites  Glied  ein  Verbalnoroen  ist. 

3.  Natürlich  besteht  auch  im  Lateinischen  die  Doppelheit  der  nicht- 
mutierten  und  mutierten  Komposita.  Als  Beispiele  der  ersteren  Art  nenne 
ich  belli^poienSy  semi-graecus;  ad-uncus,  per-longus,  sub-aquiltiSy  als  solche  der 
letzteren  Art  comi-frons,  nodi^color,  miset  i-cors,  un^animus,  trp-ceps,  de-color. 

Anmerkung  1.  Für  praktische  Zwecke  empfiehlt  sich  am  besten  die  EinteUong 
in  determinative,  kasuelle  [Abhängigkeits-]  und  possessive  Komp.,  die  in  den  meisten  Schul- 
grammatiken, die  überhaupt  diesem  Kapitel  der  Grammatik  einen  Platz  gönnen,  durchge- 
*  führt  ist.  —  Über  eine  strengwissenschaffcliche  Einteilung  s.  Skutsch  12  f.  (vgl.  unten). 
Hier  mögen  auch  die  Gesichtspunkte  angedeutet  werden,  nach  denen  die  Alten  die  Kompp. 
ordneten,  vgl.  Chabisius  bei  Keil.  Gr.  L.  1,  17:  „1)  comp,  ex  duobus  imperfectis  (sinciputj; 
2)  ex  imperfecto  et  integre  (cismare);  3)  ex  intogro  et  imperfecto  (cornucen);  4)  ex  duobus 
integris  (Sacra via).** 

Anmerkung  2.  Die  lat.  Sprache  ist  verhältnismässig  arm  an  Kompp.  Der  That- 
bestand  ist  von  mir  in  meiner  Schrift  über  diesen  Gegenstand  ausführlich  auseinander- 
gesetzt und  durch  Sammlungen  aus  den  Autoren  bis  auf  Ovid  (besonders  den  Dichtem  und 
dem  archaischen  Latein)  erläutert  worden. 

Zur  Litteratur:  Fr.  Stolz,  Die  lateinische  Nominalkomposition  in  formaler  Hinsicht, 
Innsbruck  1877;  Uübneb,  Grundriss  §89;  H.  Plön,  De  copiae  verborum  differentiis  inter 
varia  poesis  Etomanae  antiquioris  genera  intercedentibus,  dissert.  Argentoratenses  vol.  VH. 
223  ff.  Rassow,  De  Plauti  substantivis,  12.  Suppl.  d.  N.  J.  f.  klass.  Phil.  (1881),  S.  591  ff. 
(vollständiges  Verzeichnis  der  zusammengesetzten  Substantiva) ;  0.  Weise  Bezz.  B.  7,  89  ff. : 
RöNSCH,  littla  und  Vulgata  474;  Ebeard,  Programm  von  Bayreuth  1882,  S.  46;  Dr.  Fb. 
Ulrich,  Die  Komposita  bei  Plautus,  Programm  der  lat.  Hauptschule  zu  Halle  1884;  Draoer, 
Ovid  als  Sprach bifdner,  Osterprogramm,  d.  Gymn.  zu  Aurich  1888.  Vgl.  ferner  noch  Schwbizbr- 
SiDLER,  Elementar-  und  Formenlehre  §  325  ff.  (2.  Aufl.  §  372  ff.) ;  Gossrau,  Lat.  Sprach- 
lehre^ §  219,  Haoen-Haabe-Reisig,  Vorl.  1,  394  ff.  und  im  allgemeinen  Paul,  Principien  der 
Sprachgeschichte^  279  ff.  Neuestens  Skutsch,  De  nom.  I^at.  compositionae  quaest.  sei. 
Nissae  1888  (diss.)  und  besonders  Brugmann,  Grundriss  2,  S.  55  ff. 

4.  Flexion  des  Verbums. 

96.  Vorbemerkungen.  Das  lateinische  Verbalsystem  weist  im  Ver- 
gleich mit  dem  zu  erschliessenden  grundsprachlichen  sehr  wesentliche  Ver^ 

~        »)  G.  Meyer,  K.  Z.  22,  18  ff. 


8.  Anhang.  (§  95).    4.  Flexion  des  YerbnniB.  (§  96.) 


357 


änderungen  und  Verschiebungen  auf.  Hiebei  bemerke  ich,  dass  ich  mit 
dem  komplizierten  Yerbalsystem,  welches  Mahlow,  K.  Z.  26,  570  f.  für  die 
idg,  Grundsprache  aufgestellt  hat,  mich  durchaus  nicht  einverstanden  er- 
klären kann,  vielmehr  im  wesentlichen  den  gegenteiligen  Bemerkungen 
Brugmann's  Her.  d.  kgl.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  1883,  175  f.  und  Thurneysen's 
Bezz.  Beitr.  8,  271  f.  beistimme.  Die  hauptsächlichen  Gründe  der  Um- 
gestaltung des  lat.  Yerbalsystems  scheinen  mir  folgende  zu  sein: 

1)  Der  Zusammenfall  der  meisten  primären  und  sekundären  Personal- 
endungen, worüber  das  Nähere  sofort  wird  beigebracht  werden. 

2)  Der  Verlust  des  Augments;  dadurch  wurde  im  Verein  mit  dem 
an  erster  Stelle  angeführten  Grunde  die  Einbusse  des  einfachen  Imperfekts 
und  des  einfachen  (thematischen  und  unthematischen)  Aorists  herbeigeführt. 
Die  Reste  des  letzteren  wurden  dem  Präsenssystem  eingereiht  {tagam,  tago, 
tagit,  (Utulat  u.  s.  w.).  ^)  Von  derselben  Art  ist  nach  einigen  Sprachforschem 
ago.^)  Über  anderweitige,  mutmassliche  Verwendung  alter  Aoristformen 
wird  an  gehönger  Stelle  das  Weitere  beigebracht  werden.  Ebenso  ist 
auch  das  Augmentpräteritum  des  Perfektstammes  verloren  gegangen. 

3)  Das  Lateinische  hat  die  idg.  Medialbildung  nicht  bewahrt;  ein- 
zelne Spuren  werden  wir  an  gehöriger  Stelle  nachweisen.  Dagegen  hat  es 
ein  neues  Medio-Passivum  mit  dem  charakteristischen  Eennlaut  r  gebildet, 
in  Übereinstimmung  mit  den  italischen  Schwesterdialekten  und  den  kel- 
tischen Sprachen. 

4)  Auch  die  idg.  s- Aoriste  haben  weder  ihre  ursprüngliche  Form  noch 
ihre  charakteristische  Bedeutung  rein  erhalten;  sie  sind  mit  dem  altererbten 
Perfektsystem  vereinigt  worden,  woraus  eben  die  doppelte  Punktion  des 
letzteren  im  Lateinischen  sich  erklärt,  während  nur  die  Bedeutung  des 
sogenannten  absoluten  und  des  präsentischen  Perfekts  als  bereits  in  der  idg. 
Grundsprache  vorhanden  sich  nachweisen  lässt.  Diese  Verquickung  der 
beiden  namhaft  gemachten  Tempora  zeigt  sich  noch  ganz  besonders  darin, 
dass  sämtliche  Modi  des  Perfekts,  das  Plusquamperfekt  und  Futurum 
exactum,  wie  sich  später  ergeben  wird,  von  s-Aoristen  ausgegangen  sind. 
Letzterem  gehört  seinem  Ursprünge  nach  auch  der  Goniunctivus  imper- 
fecti  an. 

5)  Auch  von  dem  idg.  Futurum  auf  -sjo  ist  im  Lat.  keine  Spur 
geblieben. 

Nach  dem  Gesagten  stellt  somit  eigentlich  nur  das  Präsens  mit  seinen 
Modi  in  ziemlicher  Reinheit  (abgesehen  von  den  darin  aufgegangenen 
Aoristen)  den  ursprünglichen  Zustand  dar,  das  Perfektsystem  ist  bereits 
wesentlich  verschoben,  das  verloren  gegangene  einfache  Imperfektum  und 
Futurum  sind,  ersteres  vollständig  durch  eine  Neubildung  auf  -hamy 
letzteres  teils  durch  eine  solche  auf  -bo,  teils  durch  den  Konjunktiv  bez. 
Optativ  ersetzt.  Gleicherweise  sind  lat.  Neubildungen  die  Perfekte  auf 
-vi  bez.  -Mt. 


>)  CüBTius,  Stud.  5,  431  f.  (Wieder- 
abdruck), Fböhde,  Bezz.  B.  6,  161  f.,  Stolz, 
Verbalflezion  1,  1  f. 

*)  Dx  Saussube,  M^m.  159  f.,  Osthoff. 


Z.  G.  d.  F.  116.  Übrigens  auch  Bbuomann, 
Zum  heutigen  Stand  der  Sprachforschung 
112  Anm.  und  unten  §  100. 


358 


B,  LateiiÜBohe  Ghrammatik.    c)  Lateinisohe  Formenlehre. 


Personalendungen. 

ActiYum. 

Anmerkung  1.  Die  Personalendungen  des  Perfekts,  sowie  des  Imperativs  werden 
grösserer  Übersichtlichkeit  halber  bei  Besprechung  dieses  Tempus  bez.  Moaus  abgehandelt 
werden. 

Anmerkung  2.  Die  Personalendungen  sind,  wenigstens  zum  Teil,  höchst  wahr- 
scheinlich Personalpronomina;  die  eingehendere  Behandlung  dieser  schwierigen  Frage  ge- 
hört nicht  hieher. 

97.  1.  sing.  Bereits  in  der  Grundsprache  haben  die  unthematischen 
Verba  diese  Person  mit  Suffix  -mi,  die  thematischen  auf  -ö^  gebildet; 
letzteres  ist  wohl  durch  Kontraktion  entstanden.^)  Die  ursprüngliche 
Bildungsweise  der  ersteren  ist  nur  erhalten  in  sum  *Grdf.  *esmi,  *estgi, 
vgl.  osk.  sum;  über  den  Abfall  des  auslautenden  i,  der  hier  sowie  in  der 
2.  3.  des  Sing,  und  in  der  3.  des  Plurals  stattgefunden  hat,  vgl.  oben  §  69. 
esum  Varro  1.  1.  9,  100  scheint  von  diesem  erschlossen  zu  sein.*)  Sekun- 
där ist  -m  bei  den  historischen  Tempora  und  in  den  Modi. 

Da  nach  dem  oben  Bemerkten  fero  =  idg.  *bherö  ursprünglich  ist, 
müssten  die  in  einzelnen  Plautushandschrift^n  vorkommenden  Lesearten, 
wie  dicom,  faciom^  auch  wenn  sie  bessere  Gewähr  hätten,^)  als  Analogie- 
bildungen bezeichnet  werden. 

2.  sing.  Es  erscheint  ausschliesslich  die  sekundäre  Personalendung 
'S  und  es  steht  nichts  im  Wege  legis  =  *leges  zu  setzen,  vgl.  kypr.  g>äq€q 
att.  Ti^^rig  (S.  145). 

3.  sing.  Die  Unterscheidung  in  primäres  -^,  sekundäres  -df,  welche 
sich  nach  den  Nachweisungen  Bugoe's,  K.  Z.  22,  385  f.  für  die  oskische 
und  umbrische  Sprache  mit  einiger  Sicherheit  und  Eonsequenz  darthun  lässt, 
scheint  auch  im  Lateinischen  vorhanden  gewesen  zu  sein.^)  Darauf  deuten 
sied  asted  feced  der  Dvenosinschrift  neben  dem  Konjunktiv  mitat  (in  letz- 
terem Falle  allerdings  scheint  nach  Ausweis  von  osk.  j)ütiad  u.  s.  w.  -t 
nicht  ursprünglich  zu  sein),  fecid  CIL.  1,  54  (daneben  allerdings  dedit). 
Jedesfalls  aber  ist  im  Lateinischen  das  .auslautende  sekundäre  (?)  ^d  (vgl. 
oben  §  69)  schon  frühzeitig  durch  die  primäre  Endung  -t  (aus  -ti)  ersetzt 
worden.  Nach  Zimmer's  Annahme  E.  Z.  30,  120  Anm.  standen  schon  in 
der  Grundsprache  nebeneinander  ^blwreti  *pro  bheret;  darnach  müssten  legis 
legit  Übertragung  von  colligis  colligit  sein. 

Anmerkung.  Nach  dem  eben  Bemerkten  sind  die  lat.  Formen  der  thematischen 
Verba  auf  -tf«  -U  die  ursprünglichen.  Die  gelegentlich  bei  Dichtem  erscheinenden  Formen 
auf  -is  'it  (vgl.  CoBSSKN  2,  492,  498,  It  Spr.  476  f.)  scheinen   mir  mit  Cürt.  Vb.«  1,  207, 


»)^  ScHEREB,  Z.  G.  d.  d.  Spr.  173  («213  f.); 
Bbuoxanii,  M.  U.  1,  133  f.;  Bezzenbrbgeb, 
Beitr.  3,  326;  G.  Meyeb,  Gr.  Gr.  §  441. 
Diese  ursprüngliche  Scheidung  besteht  noch 
in  der  Sprache  des  älteren  Avesta  nach  Bar- 
tholomar, K.  Z.  29,  272.  Vgl.  auch  Win- 
disch, Abhandlungen  d.  k.  sächs.  Ges.  d. 
W.  X  449  Anm.  1. 

2)  Nach  Osthoff.  Z.  G.  d.  P.  61  aus 
0  -f  a  (vgl  den  Perfektexponenten  -a).  Nach 
ZiMMMER,  K.  Z.  30,  120  Anm.  (vgl.  232)  lau- 
tete die  1.  Sgl.  absoluter  Flexion  idg.  *bheröi, 


konjunktcr  *2)ro  hherö,  die  beide  nach  J. 
ScHMiDT*8  und  Schulzens  Ermittelungen  (vgl. 
§  13,  7)  in  *bherö  zusammengefallen  seien. 

*)  Jobdan,  Krit.  Beitr.  137;  Beuomann, 
Techhers  Int.  Zeitschrift  1,  245. 

*)  CoRSSBN  1,  267  Anm. 

"0  Osthoff,  Rh.  M.  36.  487.  Vgl.  auch 
Stadelmann,  De  quant.  voc.  64  f.,  Daviblsson 
bei  Pauli,  Altit.  Stud.  3,  148  und  Brugmann, 
Grundriss  1,  §  65ö,  6,  der  sich  durch  keine 
dieser  Deutungen  für  befriedigt  erklftrt. 


4.  Flexion  des  Yerbams.  (§97-98.) 


359 


Bbüomahk,  M.  U.  1,  173  Anm.  auf  das  metrische  Gebiet  verwiesen  werden  zu  müssen.^) 
Dabei  darf  nicht  übersehen  werden,  dass  die  ursprünglich  langen  Ausgänge  -is  -it  der  ab- 
geleiteten Verba  auf  -io,  die  durch  die  Verba  auf  -jq  in  Berührung  traten  mit  den  einfachen 
thematischen,  leicht  Veranlassung  werden  konnten  zu  jenen  sprachlich  nicht  berechtigten 
Messungen.  Anders,  aber  nicht  richtig  Haberlandt,  Sitzungsberichte  der  k.  Ak.  d.  Wiss. 
in  Wien  100,  981  f.      - 

1.  plur.  Die  einzige  vorhandene  Personalendung  ist  "mtts^  auf  älteres 
*'mos  zurückgehend.  Dass  bei  Dichtern  ein  paar  M^ale  -mOs  gemessen  ist 
(CoRSSEN  2,  499,  WoRDSwoRTH  115),  bowoist  kaum  etwas  für  die  ur- 
sprüngliche Länge,*)  die  allerdings  möglich  ist  (Misteli,  Z.  f.  Völkerpsych. 
14,  326). 

2.  plur.  Die  lat.  Sprache  kennt  nur  das  Suffix  -tis  (=  *-f^),  welches 
am  wahrscheinlichsten  mit  Baunack,  C.  St.  10,  62,  Speijer,  Mem.  d.  1.  S. 
d.  1.  5,  189  als  ursprünglich  dem  Dual  angehörig  betrachtet  werden  muss, 
z.B.  vehitis  skr.  vdhathas,  während  das  in  den  übrigen  Sprachen  zur  Bildung 
dieses  Kasus  verwendete  Suffix  skr.  -tha,  zd.  -tha  und  -ta.  gr.  -t^ ,  slav.  lit. 
"te  got.  'th  durch  die  zweite  Person  d.  Plur.  des  Imperativs  gewahrt  erscheint.*) 
Möglicher  Weise  -tis  Neubildung  aus  -te,  nach  dem  Verhältnis  legitis  :  legis  = 
legite  :  lege  (Schweizer-Sidler,  Gramm.*  S.  130). 

3.  plur.  Während  die  oskische  und  umbrische  Sprache  primäres 
-nt,  bez.  -n^  4  -n  und  sekundäres  -ns  (bez.  -s)  unterscheiden,^)  tritt  uns 
im  Lateinischen  ausschliesslich  -nt  entgegen,  mit  dem  thematischen  Vokal 
'unty  älter  -ont  (die  Formen  bei  Corssen  2,  51  f.,  Ritschl,  Op.  4,  180). 
Das  angebliche  tremonti  des  Saliarliedes  Fe^t.  205,  18  ist  durchaus  proble- 
matisch und  mit  Jordan,  Krit.  Beitr.  219  von  der  Liste  altlateinischer 
Verbalformen  zu  streichen.^)  Die  abgeleiteten  Verba  auf -ao  und  -eo  haben 
an  die  Stelle  dßr  ursprünglich  vorauszusetzenden  Bildung  auf  *-aont  ^-eonf 
(vgl.  audi-unf)  eine  Analogiebildung  treten  lassen,  amant  docent.^)  nennt, 
s.  §  100,  ist  schwerlich  ursprünglich,  sicher  nicht  doleunt  CIL.  3,  3362.  Nicht 
unmöglich  ist  auch  die  Auffassung  von  F.  Gustavsson,  En  jemförelse  nellan 
finskan  och  latinet  (vgl.  Bursian's  Jahresberichte  28, 205),  dass  die  3.  d.  Plur. 
auf  -ant  -efU  -unt  ursprünglich  Partizipialformen  seien, ^)  die  übrigens  schon 
früher  von  Ascoli  aufgestellt  worden  ist  (vgl.  Sprach w.  Briefe  150)  und 
auch  von  Brugmann,  Grundriss  2,  S.  371  als  eine  glaubwürdige  be- 
zeichnet wird. 

Das  Passivum. 

98.  Es  ist  bereits  oben  g  59  Anm.  2  bemerkt  worden,  dass  das  r 
des  Passivs  nicht  aus  s  hervorgegangen  sein  könne.  Somit  fällt  die  früher 
allgemein  angenommene  Hypothese  der  Entstehung  des  lat.  Passivums  aus 
der  Zusammensetzung  des  Aktivs  mit  dem  Reflexivpronomen  sc,  wofür  sich 


»)  Vgl.  Misteli,  Z.  f.  Völkerpsy ch.l4, 324. 

«)  Kuhn  in  K.  Z.  18.  333;  Bbügmann, 
M.  U.  1,  152;  siehe  jedoch  auch  Köoel, 
P.-B.Br.  8,  126  f.  u.  v.  Fikblingeb,  K.  Z. 
27,  189  f.  Wegen  des  angeblichen  ]it.  -mes 
=  -mens  siehe  Leskien,  ßer.  d.  k.  sächs. 
Ges.  d.  W.  36,  98  Anm. 

')  Vgl.  auch  noch  Bbuomann,  K.  Z.  24, 


91  Anm. 

*)  Anders  Danielbson  bei  Pauli,  Alfcit. 
Stud.  3,  148,  der  annimmt,  -ns  habe  ursprüng- 
lich dem  Perfektum  angehört. 

*)  Stolz,  Verbalflexion  1,  26. 

•)  Bbuomann,  M.  U.  1,  87. 

^)  Delbbück,  Einl.  in  d.  Sprachst.  *  96  f. 


360 


B.  Lateinisohe  Grammatik,    c)  Lateinische  Formenlehre. 


allerdings  Analogien  beibringen  Hessen.  >)  Die  Möglichkeit  der  Erklärung 
scheint  die  Thatsache  an  die  Hand  zu  geben,  dass  das  lat.  Deponens-Passivuin 
wenigstens  eine  Medialform  mit  Sicherheit  aufweist,  nämlich  die  2.  Sgl.  ind. 
und  imp.  sequere,  die  wir  §  10  =  gr.  ^n€{a)o  gedeutet  haben.  Medialformen 
stecken  ferner  in  legitu-r  leguntu-r,  vgl.  gr.  {i^Xäyero  {i)l€yo%*tOj  in  der 
3.  sg.  opt.  (bez.  fut.)  vehetu-r  idg.  *ueghoito  (vgl.  §  115)  und  vieUeicht  auch 
in  der  2.  Sgl.  coni.  vehari-s  idg.  *ueghasai.  Wahrscheinlich  hat  im  Italischen 
dereinst  gerade  so  wie  im  Griechischen  das  indog.  Medium  auch  als  Pas- 
sivum  fungiert,  ehe  die  Neubildung  mit;  dem  charakteristischen  r  auf- 
kam, und  dieser  Umstand  ist  auch  geeignet  zu  erklären,  wie  die  Deponentia 
gleichfalls  zur  r-Flexion  kommen  mussten.  Als  Ausgangspunkt  dieses  r 
betrachtet  Windisch  Kuhn's  Beitr.  8,  465  Anm.  und  unter  ausführlicherer 
Begründung  Abhandl.  d.  k.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  X,  No.  6  (Leipzig  1887) 
mit  Zustimmung  von  Bezzenbeboer  in  seinen  Beiträgen  2,  270  und  Bruo- 
MANN  Techmers  Int.  Zeitschr.  1,  289  die  altindischen  Medialformen  auf  -re 
-rate,*)  An  diese  Möglichkeit  wird  man  trotz  Zimmer's  Ausführungen 
glauben  dürfen,  wenn  es  auch  nicht  mehr  gelingt,  die  italischen  dritten 
Personen  des  Plurals  auf  eine  gemeinsame  Grundform  mit  den  altindischen 
zurückzuführen.  Ist  diese  Voraussetzung  richtig,  so  ist  das  r  der  3.  d.  Plur. 
zunächst  auf  die  3.  d.  Sing,  übergegangen,  Hegeto-r  nach  ^UgonUhr,  vgl. 
umbr.  emantu-r  osk.  censamu-r^)  Die  2.  Sgl.  legeris  dürfte  nach  dem  Ver- 
hältnis agis  :  age  zu  legere  neu  gebildet  sein.  Dafür  dürfte  vielleicht  auch 
der  Umstand  sprechen,  dass  bei  Plautus  die  Formen  auf  -re  häufiger  vor- 
kommen, als  die  auf -»r/s  (Neue  2,  397);  bei  Terentius  finden  sich  überhaupt 
nur  die  auf  -re,  vgl.  Engelbrecht,  Studia  Terentiana,  Wien  1883.  Die  Formen 
der  1.  d.  Sgl.  und  1.  d.  Plur.  lego-r  legimu-r  sind  unmittelbar  aus  lego  legimus 
hervorgegangen  und  zuletzt  zur  Vervollständigung  des  Paradigmas  gebildet 
worden.  Die  vereinzelten  2.  d.  Sgl.  S2)atUirus  CIL.  1,  1220,  utarus  ih.  1267, 
figarus  ib.  4,  2082  {spectarus  Konjektur  v.  Ribbeck,  Plaut.  Mil.  505)  müssten 
zu  einer  Zeit  gebildet  sein,  wo  auslautendes  o  noch  nicht  zu  e  gesunken  war, 
und  könnten  dann  auf  die  alten  Medialformen,  vermehrt  um  das  -s  der 
2.  Sgl.  act.,  zurückgeführt  werden  {*uf(tso  +  s,  dessen  auslautendes  -os 
regelrecht  zu  -W5  gesunken  ist).  Die  2.  d.  Plur.  hat  bereits  Bopp,  Kon- 
jugationssystem 105  f.,  ausführlicher  Vgl.  Gramm. ^  2  §  478  als  Partizipial- 
form  erkannt,  legimini  =  gr.  Xeyoiievoi.  Das  Bedenken  Wackernagel's 
(Verh.  d.  39.  Philologenvers.  S.  281  f.)  wegen  der  Auslassung  von  estis 
hat  Bruohann,  Grundriss  2,  S.  155  durch  den  Hinweis  beseitigt,  dass  der 
imperativisch  vorwendete  Infinitiv  legimini  =^  gr.  Ifye'fievai  die  Auslassung 
der  Kopula  auch  bei  der  2.  plur.  ind.  bewirkt  habe.  Hingegen  sind  die 
sing.  Imperativformen  fruiminö  antestaminö  und  andere  von  Corssen,  Beitr. 
492,  A.  u.  V.  2,  96  aufgeführte  mit  Brugmann,  M.  ü.  1,  168,  oben  S.  173 


*)  A^gl.  bes.  Wbstphal,  Verbalflexion  25. 
Corssen,  It.  Spr.  562  f.  bringt  nichts  Neues 
bei.  Vgl.  jetzt  auch  Delbrück,  Die  neueste 
Sprachforschung  10. 

2)  Bbnfky,  Abb.  d.  Gott.  Ges.  d.  W.  15, 
87  f.,   Whiitjev,  Ind.   Gramm,  g  550,    Del- 


brück, Ai.  Verbum  76  f.  und  vor  allem  jetzt 
WiMDiscu  und  Zimmer. 

^)  Brugmann,  M.  ü.  1,  171;  ders.  nach 
brieflicher  Mitteilung;  einige  Andeatangen 
schon  bei  Westphal,  vergl.  Gramm,  d.  indog. 
Sprachen  1,  188. 


4.  Flexion  des  YerbnniB.  (§  99.) 


361 


Fussnote  1,  als  Analogiebildungen  nach  dem  Imp.  auf  -tö,  zu  erklären.  Die 
bei  Cic.  De  leg.  3,  3,  8  als  Plural  stehende  Form  appellamino  ist  mit 
Jordan,  Erit.  Beitr.  246  als  missverstandener  Archaismus  zu  betrachten,  i) 
Die  Bildung  des  Passivums  ist  ausgegangen  vom  Präsens  und  in  den 
einfachen  Tempora  und  Modi  nachgebildet  worden;  dies  zeigen  am  besten 
die  Formen  legamini  legemini  legeremini  u.  s.  w.,  da  ja  sprachgeschichtlich 
nur  legimini  eine  Berechtigung  hat.^) 

Anmerkung  1.  Einen  ganz  anderen  Erklärungsversuch  des  Passivums  hat  neuestens 
ZiMMEB,  K.  Z.  30,  224  f[,,  bes.  274  ff.  gemacht.  Er  beruht  auf  dem  versuchten  Nachweise 
einer  3.  plur.  act.  konjunkter  Flexion  auf  -ur  (*dicur),  von  deren  unpersönlichem  Gebrauche 
die  ganze  Passivbildung  ausgegangen  sei.  Indessen  bleiben  trotz  Zimmeb's  scharfsinnigen  Aus- 
führungen noch  immer  erhebliche  Schwierigkeiten.  Vor  allem  aber  scheint  mir  die  Grund- 
lage der  ganzen  Deduktion  nicht  frei  von  gegründeten  Bedenken,  und  ich  habe  daher  der 
Hauptsache  nach  die  frühere  Erklärung  im  Texte  beibehalten,  obgleich  ich  ihre  Schwächen 
nicht  verkenne.  Neuestens  hat  auch  noch  Pabmentiek,  Möm.  d.  1.  S.  d.  1.  6,  391  ff.  über 
die  Frage  gehandelt  (Anhänger  der  Adaptionstheorie  Ludwig^s). 

Anmerkung  2.  Ausser  den  angeführten  Formen  vgl.  noch  umbr.  herter  (3.  Sgl. 
ind.)y  osk.  sakahiter  sakarater  (3.  Sgl.  ind.),  umbr.  ferar  (=  feratür),  worauf  Ziiimbb  sich 
besonders  stützt,  vgl.  jedoch  Bücheleb,  Umbrica  88  f.,  osk.  krustatar  (^=  cruentetu/r  (?), 
mit  Assimilation  des  Vokals  der  Sohlusssilbe),  marruc.  jferenter,  pael.  upsasetcr  (=  opera- 
retur),  das  einzige  Beispiel  dieses  Modus  ausserhalb  des  Lateinischen. 

Bildung  der  Präsensstämme. 

Vorbemerkung.  Die  traditionelle  Einteilung  der  lateinischen  Nationalgrammatiker 
verfolgt  rein  praktische  Zwecke.^)  Wir  sehen  daher  im  Folgenden  von  Verben  auf  -(W,  -eo, 
'iOt  'UO,  die  zur  abgeleiteten  Konjugation  gehören,  zunächst  fast  vollständig  ab  und  berück- 
sichtigen nur  die  Verba  der  sogenannten  dritten  Konjugation,  die  als  Wurzolverba  (mit 
Ausnahme  der  denominativen  auf  -io  und  -%u))  den  eigentlichen  Stamm  bilden.  Zu  Grunde 
gelegt  ist  bei  der  folgenden  Einteilung  die  Gliederung  der  altindischen  Präsensstärome  von 
Whitübt,  die  auch  G.  Meteb  in  seiner  griechischen  Grammatik  befolgt  hat. 

99.  Allgemeines.  Vom  Präsensstamm  werden  der  Indikativ,  Kon- 
junktiv, Optativ,  Imperativ  des  Präsens  gebildet,  ferner  ein  aktives  Parti- 
zipium, das  Oerundivum  und  die  Infinitive  des  Aktivs  und  Passivs  (allerdings 
eigentlich  Verbalnomina).  Auf  einen  alten  Infinitiv  des  Präsensstammes  gehen 
auch  die  ersten  Bestandteile  der  zusammengesetzten  Imperfekta  auf  -bam  und 
der  Futura  auf  -bo  zurück.  Von  den  beiden  ursprünglichen  Konjugationsklassen, 
der  unthematischen  und  der  thematischen,  von  denen  die  erstere  in  der  Grund- 
sprache durch  Wechsel  des  Accentes  und  infolge  desselben  hervorgerufene 
Stammabstufung  charakterisiert  war  (der  Accent  ruhte  im  Sing,  auf  der  Stamm- 
silbe, im  Dual  und  Plural  auf  den  Personalendungen),  die  letztere  als  cha- 
rakteristisches Merkmal  den  sogenannten  thematischen  Vokal  hat  (o  und  e), 
ist  die  erstgenannte  im  Lateinischen  fast  gänzlich  aufgegeben  worden,  indem 
die  Flexion  der  ursprünglich  dazu  gehörigen  Verba  nach  dem  Muster  der 
o-Konjugation  umgeformt  wurde ;  man  vgl.  z.  B.  fan  gr.  (fd-vai,  sero  sisto 
gr.  tj]fA&  i'arrjfii^  pleo  skr.  pipanni  gr.  niiinXr^^u^  sternuo  sterno,  ntaQWiiai 
atoQvvfAi.  Der  Übergang  erfolgte  vom  Plural  aus:  aus  ^mtämus  "^sisämus 
(vgl.  sätus)  wurde  regelrecht  sistimas  serimm  (vgl.   Osthoff,   Z.  G.  d.  P. 


')  Nach  AscoLi,  Kuhn's  Beiträge  5,  94 
sind  die  FormeD  auf  -mint  vom  Imperativ 
aosgegaogen. 

*)  CurnnvB,  Stud.  5,  241. 


')  Über  diese  vier  „ordines*  vgl.  z.  B. 
Cbabisius  bei  Keil,  Gr.  L.  1,  168  f.  Der 
Gramm.  CominiaDus  unterschied  nur  drei 
«coniugationes*  (ib.  175,  29  f.). 


362 


B.  Lateinisohe  Orammatik.    c)  Latemisohe  Formenlehre« 


245);  ebenso  aus  *stemumus   sternimas.     Vgl.  auch  consternare  (nach  dem 
Sing.,  vgl.  skr.  strndmi)  und  stemere,  spernari  und  spct'nere. 

Anmerkung.    Der    sogenannte    thematische   Vokal    ist    eigentlich     ein    Teil   des 

Stammes;  hher-}.-  wird  je  nach  dem  Antritt  verbaler  oder  nominaler  Suffixe  Verbam  oder 

Nomen. ') 

1.  Hauptkonjugation.^) 

100.  1.  Von  vokalisch  schliessenden  Stämmen  lassen  zum  Teil 
den  ursprünglichen  Zustand  noch  erkennen:  1)  ei-  vgl.  gr.  slii^  t/j^v  skr. 
emi  imds;  eo  für  *eio  statt  des  älteren  *eim;  übrigens  eo  möglicherweise 
Konjunktiv  (Brugmann  §  112).  Der  starke  Stamm  (-  =  ei-  ist  auch  im 
Plural  durchgeführt.  In  den  Formen  eis  eit  ist  ei  =^  t  regelrecht,  an 
falscher  Stelle  in  ei  Plaut.  Merc.  689,  Cure.  487,  Aulul.  694,  ab-ei  CIL.  1, 
1007,  eitur  eire  (Corssen  1,  717),  vgl.  päl.  cite  Zvet.  Inscr.  It.  med.  11. 
int  bei  Löwe,  Prodr.  421  ist  nach  innis  itis  gebildet,  vielleicht  aus  der 
Grundform  *ient  gr.  laffi  skr.  ydnti  für  ^ii-nti  umgeformt.')  Der  starke 
Stamm  ist  auch  in  der  Tempus-  und  Modusbildung  überall  durchgeführt 
mit  Ausnahme  des  Supinums  Itum  und  des  Part.  d.  Präs.  letis  Grdf.  ^iint- 
(vgl.  ventus  eigentlich  Part,  zu  v^-  Grdf.  *t?en^),  während  in  die  Casus 
obliqui  die  starke  Form  eingedrungen  ist,  daher  euntis  u.  s.  w.,  wie  eo 
eunt.  Analog  sind  die  Verhältilisse  bei  queo  nequeo.  Auch  die  Formen 
nit  nennt  (Löwe,  Prodr.  409)  sind  wohl  nach  Analogie  von  eo  gebildet 
(oder  ursprünglich?,  vgl.  Brugmann,  Grundriss  1  §  134).  2)  Die  Formen 
dämus  dätis  gegenüber  das  werden  gewöhnlich  auch  aus  ursprünglicher 
Abstufung  erklärt,  wobei  der  Stammvokal  im  Sing,  sich  dem  des  Plur. 
angeglichen  haben  müsste.  üsthoff,  M.  U.  4,  XIII  setzt  ein  ursprüngliches 
♦dorn  u.  s.  w.  an.  Vielleicht  ist  dare  ebenso  wie  stare  ein  Aoristpräsens 
(gr.  *Wa)v  lat.  *(e)rfow,  ^crrryi'  lat.  *(e)s^am) '')  mit  naturgemässem  Übergang 
in  die  o-Konjugation ;  vielleicht  ce^dö  aus  ^ce-dö  (vgl.  gr.  ttw),  cette  aus 
He-date,^)  reddo  =  "^re-dido,  vgl.  die  oskischen  und  umbrischen  Formen. 
Die  Komposita  von  dare  sind  mit  denen  von  idg.  dh^.-  (vgl.  fä^c-io)  zu- 
sammengeflossen, z.  B.  ah-dere  eon-dere  cre-dere  u.  s.  w.  Vgl.  Darmesteter, 
De  conjug.  Lat.  verbi  dare  Lut.  Paris.  1877  und  Thielmann,  Das  Verbum 
dare  im  Lat.  u.  s.  w.,  Leipzig  1882  mit  der  Rezens.  Brugmann's  in  Zarncke's 
Lit.  Centr.  1882,  Sp.  1389  f.  duim  gehört  zur  selben  Wurzel  wie  bonus, 
vgl.  Osthoff,  M.  U.  4,  370  f.  creduam  ist  Kontaminationsbildung  %  vgl. 
8  114,  darnach  auch  creduis  creduit  concredio, 

101.  2.  Konsonantisch  schliessende  Stämme.  1)  es-.  Ursprüng- 
liche Flexion  im  Lateinischen:  ^es-tp^  (vgl.  alb.  jam  arm.  em  got.  im 
G.  Meyer,  Philol.  Abh,  f.  Hertz  84  f.)  *es-s  (bei  den  Komikern  immer  es 
nach  Scholl  bei  Osthoff,   Perf.  149)  es-i  (auffallend   neben   *os  für   "^ost, 

'dö  als  pronomiDal  fassen;  vgl.  Stolz,  Ver- 
balflexion 1,  44  f.  (wo  ich  eben  die  letztere 
Ansicht  vertrat),  Per  Pebsson,  Stud.  etym.  17, 
Zimmermann,  Arch.  f.  lat.  Lex.  5,  568. 
Übrigens  vgl.  oben  S.  130  und  172. 

^)  Der  Deutung  von  Hoffmann,  Bbzz. 
B.  14,  287  =  *cre'dhevam  (/-Aorist)  vermag 
ich  ebensowenig  beizustimmen,  als  ich  diese 
Aoristart  überhaupt  för  berechtigt  halte. 


*)  Schleicher,  Comp.  337  f.,  J.  Schmidt, 
K.  Z.  25.  99  f. 

-)  Über  das  Folgende  vgl.  bes.  Fröhde, 
Bezz.  B.  6,  164  ff. 

»)  Osthofp,  M.  U.  4,  363. 

*)  Stolz,  Verbalflexion  1,  3  f. 

•')  Diese  Erklärung  (vgl.  Neue  philol. 
Rundschau  1888,  10)  könnte  vielleicht  wegen 
ce-  bedenklich  erscheinen.    Dann  muss  man 


4.  Flexion  des  YerbomB.  (§  100-101.) 


363 


vgl.  §  67,  oder  aus  *esti)  *8mos  *stis  *$^t; »)  in  sum  ist  der  schwache  Stamm 
eingedrungen  nach  sunrns  (über  das  svarabhaktische  u  vgl.  §  37),  sont 
CIL.  1,  1166  sunt  für  urspr.  *$ent,  vgl.  umbr.  sent  ook.  sei  usLch  sum  sumus 
und  den  thematischen  Verben  (G.  Meyer,  Gr.  Gr.*  S.  25  Anm.  2);  estis 
ist  nach  es  est  gebildet.  Über  simus  Ind.  vgl.  §  21,  4.  Der  Konjunktiv 
ero  Grdf.  *eso  gr.  i{a)<o  ist  in  Futurbedeutung  in  Verwendung,  *)  der  Optativ 
siem  repräsentiert  die  ursprüngliche  Form,  vgl.  skr.  sy dm;  über  die  Flexion 
des  letzteren  siehe  §  116,  ebenso  über  den  Imperativ  §  117.  Über  eram 
vgl.  §  113.  Das  Partizipium  lautete  regelrecht  *sens,  daher  ab-sens,  praesens, 
consentes  {dii),  Grdf.  *snt';  ens  (von  Cäsar  gebildet  nach  Priscian  bei  Kell, 
Gr.  L.  3,  239,  7  f.,  Quint.  8,  3,  33)  ist  eine  Missbildung,  sons  ist  nicht 
aus  *sens  umgeformt,  wie  Clemm,  C.  St.  3,  328  ff.  behauptet,  sondern  mit 
Kluge  s.  v.  „Sünde^  zu  ahd.  sunta  zu  stellen;  von  sons  zu  trennen  san- 
ticus  »wahr,  acht"  got.  sunjis  „wahr"  Grdf.  ^s^tiö-  (Feist,  Grundr.  d.  got. 
Etym.  111).  Zu  der  Wurzel  es-  gehört  auch  das  inchoative  escit  (Neue 
2,  596)  für  *essc'it.  nescit  Leg.  XII  tab.  rel.  V,  5,  S.  129  Scholl  braucht 
nicht  mit  Sch.  in  nee  escit  geändert  zu  werden  (vgl.  ne-scio  nego);  vgl.  ib. 
99  f.  Ich  füge  hier  an  das  Kompositum  posse,  alt  potis  es  potis  est  poti^  sunt 
pote  es  pote  est,  woraus  einerseits  z.  B.  durch  poti{s)sit  poti{sysset  poti{sYsse 
die  Formen  potisit  potisset  potisse  (vgl.  Corssen  2,  582  f.),  andererseits 
durch  pot*sse  pofssem  sich  posse  possem  entwickelten,  welch  letztere 
die  herrschenden  wurden.^)  Hingegen  gehören  potui  {potmt  B*  Plaut. 
Amph.  178)  potens  zu  einem  verschollenen  Verbum  *potere  *pottre  (vgl. 
potiri),  osk.  piitind.*)  Gänzlich  unhaltbar  ist  die  Erklärung  des  potui  aus 
*pot'fui,  woraus  nach  lateinischen  Lautgesetzen  nur  *poffui  hätte  werden 
können.  Gelegentliche  Ansätze  zu  passivischen  Bildungen  potestur  potcratur 
possitur  bei  Neue  2,  603.  —  Eine  späte  Nachbildung  ist  prode  sum  •'^)  (vgl. 
aportum  est).^)  2)  cd-.  Unthematisch  gebildet  sind  ^s  est  estis  esto  este 
Hirn  esse.  Über  den  Imperativ  es  siehe  §  117.  Vgl.  skr.  ddmi  gr.  W- 
fievm;  über  est  u.  s.  w.  siehe  §  67,  1.  3)  /er-  bildet  unthematisch  fert 
fertis  fer  ferto  ferte  vgl.  skr.  bhär^i  bhdrti  gr.  (päQTc.  Über  fer  §  117. 
Pauli's  Einwendungen  Altit.  Stud.  4,  29  beweisen  nichts  gegen  die  unthe- 
matische Flexion.  Thematisch  ist  auferere  2.  sgl.  imp.  pass.  Plaut.  Cure. 
569,  Amph.  358,  spätlat.  feris,  vielleicht  auch  feritis  (Georges,  Lex.  d.  lat. 
Wortf.  s.  V.),  vgl.  marruc.  feret  =  fert  Corssen  2,  290.  fers  ist  eine 
lat.  Neubildung  für  *fer.'^)  4)  veU,^)  dazu  die  beiden  Komposita  rwh  und 
nuih  aus  *neuolo  und  *mag{e)^olo%  in  den  Formen  volt  voltis  velim  velle 


>)  Nach  Osthoff,  M.  ü.  4,  Einl.,  Z.  G. 
d.  F.  422  sind  estis  und  skr.  sthä,  gr.  ettjy 
und  siim  ^Satzdoppelformen*^  nach  ihrer 
SteUung  in  der  Satzbetonung. 

')  Stolz,  Verbalflexion  31;  Bbuomann, 
M.  U.  3,  29. 

')  Anders,  aber  durchaus  nicht  wahr- 
scheinlicher Schulze,  K.  Z.  28,  269.  Die  voll- 
ständige Erstarrung  von  jwtis  zeigt  Plaut. 
Pseud.  1302:  credo  equidem  potis  isse  te^ 
8celu8. 

*)  Merguet,  Programm  v.  Gumbinnen 
1869,  Entw.  d.  lat.  Formenbildung  191  f. 


*)  Stolz,  Verbalflexion  1,  9. 

•)  SiTTL,  Die  lok.  Versch.  u.  s.  w.  72. 

')  Bbuomank  M.  U.  3,  9  f. 

")  Am  wahrscheinlichsten  zu  ahd.  wollan 
skr.  vrnoti  aksl.  volüi  gehörig;  anders 
Baünack,  Inschr.  v.  Gortyn.  S.  52,  Fick  Bezz. 
B.  6,  212.  vcUeo  nicht  zu  rolo  gehörig  (Fick), 
sondern  zu  got.  valdan  ahd.  waltan  (Kluge 
s.  V.  „walten",  Bbughakn,  Grundrissl  §  276). 
Vgl.  jetzt  auch  Feist.  Grundz.  d.  got.  Etym. 
129  und  134. 

9)  Havet's  Erklärung  =  *ma8volo  Möm. 
d.  1.   S.   d.  1.   4,  85  ist  unmöglich   wegen 


364 


B.  LateiniBche  Grammatik,    c)  LateiiÜBohe  Formenlehre. 


(=  *vel'Se),  vgl.  skr.  vdr^i  vdrti.  volimus  Indic.  A  Plaut.  Truc.  192.  Den 
Wechsel  zwischen  dem  e-  und  o-Laute  schreibe  ich  der  ursprünglichen 
Stammabstufung  zu,  regelrecht  voUis  (Grdf.  *vltis),  darnach  voU.  In  velim 
{volam  Konjunktiv  Lucil.  bei  Non.  478,  26  M.)  steht  der  e-Laut  an 
ungehöriger  Stelle  (vgl.  siem),  vis  alt  vais  (Dvenosinschrift)  veis  (Plaut. 
Pseud.  47,  Priscian  bei  Keil,  Gr.  L.  2,  454)  wird  man  wohl  am  besten 
mit  Fröhde  a.  a.  0.  167,  Osthoff,  Rhein.  Mus.  36,  486  mit  skr. 
ve^i  identifizieren,  da  Mouillierung  und  Schwund  des  l'  (bei  einer  Grund- 
form *vols),  wie  es  scheint,  in  älterer  Latinität  ohne  sicheres  Beispiel  ist 
und  die  Behandlung  der  Auslautsgruppe  -fe  widerspricht.  Über  vel  %  117. 
Über  mavelis  Plaut.  Pseud.  140,  mavolo  D  Plaut.  Rud.  1413  u.  s.  w.  Neue 
(Index  s.  v.  malo),  über  «ms,  z.  B.  Plaut.  Trin.  328,  nevuU  Titinius  nach 
Non.  144,  4  M.,  noltis  Caecil.  nach  Diomedes  bei  Keil,  Gr.  L.  1,  386,  18 
(5  Ribb.  II)  ib.  s.  v.  nolo, 

Anmerkung.  Infolge  des  im  älteren  Latein  (ebenso  im  Umbrischen)  herrschenden 
Synkopieningsgesetzes  entwickeln  sich  scheinbar  untbematisch  gebildete  Formen,  z.  B.  eanU 
aus  dem  carmen  arvale,  Varro  1.  1.  7,  27  Sp.,  cedre  Inschr.  von  Spoleto.  Vgl.  BniAL,  Les 
tables  Eugub.  358,  Paüu,  Altit.  Stud.  5,  103. 

2.  Hauptkonjugation. 

103.  1.  Themenklasse.  Die  Wurzel  mit  dem  thematischen  Vokale 
[o  e  (lat.  u  i)  nach  bereits  indogermanischer  Verteilung]  bildet  den  Präsens^ 
stamm.  Innerhalb  dieser  Klasse  sind  zwei  Unterabteilungen  zu  machen: 
a)  Die  Wurzel  erscheint  in  starker  Form.  Diese  Abteilung  repräsentiert 
die  altindische  erste  Verbalklasse,  in  der  der  Accent  stets  auf  der  Stamm- 
silbe ruht,  b)  Die  Wurzel  erscheint  in  schwacher  Form.  Den  Grundstock 
für  diese  Abteilung  haben  ohne  Zweifel  jene  Verba  gebildet,  welche  ent- 
sprechend denen  der  altindischen  sechsten  Verbalklasse,  den  thematischen 
Vokal  betonten  (z.  B.  viSänii).  Beide  Arten  raussten  im  Lateinischen  zu- 
sammenfallen, ein  Umstand,  der,  zumal  im  zweiten  Falle  die  Entsprechungen 
in  verwandten  Sprachen  meist  fehlen,  die  Beurteilung  des  ursprünglichen 
Zustandes  wesentlich  erschwert.  Ohne  Zweifel  haben  auch  gegenseitige 
Ausgleichungen  zwischen  den  beiden  Arten  stattgefunden.  Zur  ersten  Ab- 
teilung gehören  die  Verba  nach  dem  Typus  lego  veho  peto,  mit  Über- 
gang in  die  abgeleitete  Konjugation  crep-are  vet-are  sec-are,  mer-^re  ten-^re; 
ferner  stertere  vergäre  fervere  (später  fh^ere) ;  fretido  fendo  pendo  pre-hendo 
(vgl.  gr.  i'X^d'Ov,  *x^^')-  Es  gehören  ferner  die  ei-  und  e^^-Wurzeln  hieher, 
dtco  alt  deic-,  fido  aus  feid-^^)  dilco  alt  douco  für  *deuco  (vgl.  oben  §  11, 
12,  15),  uro  für  *euso;  dann  die  i-  und  w- Wurzeln,  z.  B.  fltgo^  congruo  u.  a. 
(vgl.  oben  §  11,  12).  Weiter  sind  hieher  zu  zählen  Verba,  wie  rado  rödo 
vado  (mit  Übergang  in  die  abgeleitete  Konj.  suad-eo)  cedo  laedo  caedo^) 
lado  {*loido)  plaudo.  Zur  zweiten  Abteilung  gehören  z.  B.  rudo  skr. 
ruddti,  nltvit  gr.  vitpetoc,  di-vtdo  skr.  viddt  und  fast  zweifellos  die  Verba 
mit  ä  in  der  Stammsilbe,  z.  B.  ago  (idg.  *ag6)  dlo  scabo  sccUo  u.  a., 
worüber    Fröhde    a.   a.   0.    173  f.     Betreflfs    der  Formen   pacU    tagat  ist 


§  59,  2.   Neuerdings  Arch.  f.  lat.  Lex.  3,  281 
(gänzlich  unhaltbar!). 

')  Anders  Fböhdk  a.  n.  0.  176. 


*)  Pauli's  Herleitung  von  *ladjo  *cadio 
(Altit  Stud.  5,  130)  ist  unmöglich,  Tgl.  foäio 
gradior  und  §  38. 


4.  Flexion  des  VerbnmB.  §  102—105.) 


365 


bereits  bemerkt  worden,   dass  sie  ursprünglich  dem  starken  Aoriste  ange- 
hört haben. 

Anmerkung.  Man  kann  die  erstere  Unterabteilung  als  die  der  «Imperfektpräsentia'*, 
die  letztere  als  die  der  ^Aoristpr&sentia*  bezeichnen.    Vgl.  Osthoff,  P.-B.  Br.  8,  287  ff. 

103.  2.  Reduplizierende  Klasse.  Diese  Bildungsweise  ist  im  La- 
teinischen nur  in  sehr  spärlichen  Resten  vertreten.  Mit  i  in  der  Redupli- 
kationssilbe (J.  Schmidt,  K.  Z.  25,  74,  Zimmer  ib.  30,  1 26)  gi-gn-o  idg.  W. 
^en-,  vgl.  gr.  yiyvoiiai;  daneben  altlat.  geno  {=  idg.  **geno)\  sTdo  aus 
*si'Zd'0.^)  Die  reduplizierten  Präsentia  bibo  (vgl.  skr.  pibami),  sero  *si-5o 
(gr.  trjfun),  sisto  (gr.  iatrjfxi)  sind  ursprünglich  unthematisch.  Eine  andere 
Bildungsweise  zeigt  tendo  =  He-tn-o  nach  Thurneysen,  K.  Z.  26,  302. 

104.  3.  ^-Klasse,  -to  : -te  in  flec-to,  neC'4o,  pec-to,  plec-io.  Dasselbe 
Suffix  scheint  vorzuliegen  in  visere  für  *vissere  {visse  B  Plaut.  Epid.  712), 
Qrdf.  *iMrf-^,*)  me-te-re  {gr.  a-^a-«),  vielleicht  auch  in  tA-to-r^)  und  in  dem 
abgeleiteten  Verbum  fct-Uiscar;  dagegen  fat-eor  von  *fatus  (Schulze,  K.  Z. 
29,  267  Anm.);  vielleicht  gehört  auch  sen-t-io  ahd.  sinnan  hieher  (Feist, 
Grundz.  d.  got.  Etym.  101).  Über  andere  weniger  sichere  Bildungen,  die 
möglicherweise  hieher  gehören,   Bruomann  in  Sprachw.  Abh.  162  f. 

Anmerkung.  Suffix  -do  -de  =  gr.  -^o  -^e  erscheint  in  claudo  *clävi'do,  fren^do 
neben  fremo,  stülo  *8äl'do,  gaudeo  *gävi'deo  gr.  yti^ita  (mit  Obergang  in  die  abgeleiteten 
Verba);  möglicherweise  auch  pello  (Henbt,  Präcis  S.  115). 

106.  4.  Nasalklasse.^)  Es  lassen  sich  folgende  verschiedenartige 
Gruppen  unterscheiden:  a)  Suffix  -wo  ;  -ne  tritt  unmittelbar  an  die  (ur- 
sprünglich schwache)  Wurzel.  Es  ist  wahrscheinlich,  dass  diese  Verba 
aus  ursprünglich  unthematischen  auf  -nu-  hervorgegangen  sind,  vgl.  gr. 
aroQ^vv^fii;  ein  Überrest  dieser  alten  Bildungs weise  liegt  vor  in  sternuo 
gr.  ntaQvtffim,  Ich  führe  an  cer^no,  degüno  für  *de~guS'no,  frü-n-Uscor  für 
*frug'n'i'Scory  sper-no,  ster-no,  tem-no;  ferner  gehören,  wie  bereits  oben 
§  65,  1  angeführt  wurde,  die  meisten  Präsentia  auf  -llo,  ex-cello,^)  eillo, 
falle j  proniello,  tollo,  vello  hieher,  deren  -W-  =  -/n-  ist.  Aber  per-cello 
=  ^per-celd-o  (vgl.  clad-es),  Bruomann,  Qrundriss  1,  S.  245.  Die  genaueren 
Nachweise  hat  Fröhde,  Bezz.  B.  3,  295  f.  beigebracht.  Von  vokalisch 
schliessenden  Wurzeln  gehören  ft'-no,  si-no  (Perfekt  -sü  für  *'Siui  von 
*^8ivere,  vgl.  de^sivare  Paul.  Festi  72,  13  M.),  -cU-nare  mit  Übergang  in 
die  abgeleitete  Konjugation  (vgl.  oben  S.  158)  hieher,  ferner  die  altlat. 
obJnunt  {prod-  r«d-),  danunt,  ncquinont  Altlat.  sotlnunt  =  consulunf  Fest. 
351, 14,  insefinuntur  von  *solere  serifre  entsprechen  griech.  Bildungen  auf -ar«, 
deren  -m-  (bez.  -ar-)  =  -ew-  =  idg.  -^»-  ist.  Vom  abgeleiteten  Stamm  ist 
feri-nunt,  vom  Nominalstamm  exple-nimt  gebildet,  b)  Der  Nasal  ist  der 
Stammsilbe  infigiert,  und  zwar  ist  derselbe  nur  im  Präsens  vorhanden,  wie 
bei  findo  scindo  rumpo,  oder  er  durchdringt  die  ganze  Tempusbildung,  wie 
bei  angOy  iungo.  pungo.    Eine  Aufzählung  der  hieher  gehörigen  Verba  bei 


*)  Osthopf,  V.  i.  d.  Nc.  340  setzte  an 
*si-zd'i'0,  vgl.  jetzt  Z.  G    d.  P.  4. 

«)  Osthoff,  M.  U.  4,  77.  Nach  Feist, 
Grundz.  d.  got.  Etym.  133  =  *cid-8-, 

')  Daniblsson  bei  Pauli,  Altit.  Studien 


3,  198. 

*)  G.  Meyer,  Die  mit  Nasalen  gebildeten 
Präsensstamme  104  f.;  Fböhdb  a.  a.  0.  182. 

^j  MüLLKNHOFF,  Doutscbe  Altertums- 
kunde 2f  354. 


366 


B.  Lateiniaohe  Grammatik,    c  Lateinische  Formenlehre. 


G.  Meyer  107,  Fröhde  183.  Die  Verba  dieser  Art  repräsentieren  die 
der  altindischen  7.  und  9.  Klasse;  ihr  Typus  ist  wahrscheinlich  bereits 
in  der  indog.  Grundsprache  vorhanden  gewesen,  ^  die  Vermutungen  über 
dessen  Entstehung')  daher  unsicher.  Vgl.  jetzt  Bruomann,  Gnindriss 
1  §  221.  Nasalierter  und  starker  Stamm  gehen  häufig  nebeneinander  her, 
so  meiere  und  mingere,  linquere  gr.  Xetneiv^  iungere  gr.  ^evyvvvai^  Ungere 
gr.  Xsi'xeiVy  ningH  gr.  v€iq)ei,  pangere  gr.  nr]Yvvva$.^) 

106.  5.  5c-Klasse.  An  die  ursprünglich  schwache  Wurzelform  tritt 
-SCO :  'See.  a)  Von  kurzvokalisch  auslautenden  Stämmen  sind  gebildet 
pa-sco,  gK-sco,  hi-sco  (ahd.  flfT?n  gin^  abulg.  zijati  lit.  zioti  idg.  jW-). 
Von  langvokalisch  auslautenden  vgl.  (g)na'Sc-or  {gna-  =  *^§-),  {gjnö-sco, 
crd'sco.  Von  konsonantisch  schliessenden  Wurzeln  abgeleitet  sind  disco 
für  *di'dC'Sco  W.  dec-,  eseit  von  W.  es-,  tnisceo  für  ^mic-sc-eo ,  com- 
diS'pescere  für  ^-perc-sc-ere  skr.  pro-,  poscere  umbr.  persnimu  skr.  prach-, 
su^sco  aus  Hved'Sco  W.  s^edh-,  b)  Sekundäre  Bildungen.^)  Von  the- 
matischen Verben  abgeleitet  sind  die  Bildungen  auf  -Tsco,  z.  B.  gemi^co, 
api'Scor  u.  a.  treme-sco,  z.  B.  Lucret.  6,  548,  Verg.  Aen.  5,  694  neben 
regelrechtem  trenü-sco  scheint  Analogiebildung.*)  Von  den  abgeleiteten 
Verben  auf  -ao  -eo  -/o  werden  Inchoativa  auf  -asco  -^sco  -Tsco  (auch  von 
denen  auf  urspr.  -{o,  z.  B.  concupfsco  oder  von  der  Nebenform  *cuplre  vgl. 
cupi'Vi)  gebildet;  gelegentlich  finden  sich  neben  Verben  auf  -€sco  auch 
solche  auf  -Tsco,  z.  B.  conHclscam  (Plautus),  perdolTscU  (Accius),  deUtiscere 
(Cicero).^)  Nach  Analogie  der  verb^en  Ableitungen  werden  auch  zahlreiche 
Inchoativa  von  Nominibus  gebildet,  z.  B.  Japidesco,  ror&sco,  gemm^sco  und 
geinmasco,  ditresco,  longTsco,  mitesco.  Über  die  im  Vulgärlatein  nicht  seltene 
kausative  Bedeutung  der  Inchoativa,  z.  B.  ferascit  =  ferum  facit  Löwe,  Prodr. 
362  und  N.  J.  119,  710. 

107.  6.  {- Klasse.'')*  An  die  (häufig)  schwache  Wurzelform  tritt 
das  Suffix  -1*0  :  -{<?.  Indem  ich  auf  die  genaue  Aufzählung  der  hieher 
gehörigen  Verba  bei  Thürneysen  verweise,  bemerke  ich  nur,  dass  hieher 
zunächst  die  Verba  auf  -io  gehören,  welche  nach  der  sogenannten  dritten 
Konjugation  flektiert  werden.  Eine  nicht  unbedeutende  Anzahl  von  ur- 
sprünglichen {o- Verben  ist  der  Analogie  der  abgeleiteten  auf  -io  gefolgt, 
so  farcio  gr.  (pgceaau),  rugio  gr.  ^rf«,  mugio  gr.  /tvfw,  salio  gr.  aXXo/nai^ 
sarcio  gr.  Qantio  (vgl.  Nachtrag  zu  S.  256  §  7),  sario  gr.  aaiqia^  venio  gr. 
ßctivfo;  ferner  comperire  nehen  par^re;  vereinzelt  adgrediri  A  Plaut.  Truc.  252, 
exfodiri  Mil.  315  Ribb.,  cupite  Poen.  1260;  fraglich  trotz  Varro  1.  1.  5,  131 
ist  der  Zusammenhang  von  iacere  und  amicire  (angeblich  aus  amh-  und  iacio). 
advenat  evenat  sind  Aoristpräsentia.  Die  Flexion  dieser  Verba  erklärte  ich 
früher  in  folgender  Weise:   capis  capü  capimus  capere  aus  *capies  *capiet 

')  Bbüomann,  M.  U.  3,  150  f. 

2)  J.  Schmidt,  Vok.  1,  32. 

»)  Osthoff,  M.  U.  4,  395  f.  Anm. 

*)  CoRSSKN,  2,  282  f.;  Bechstbin  in  C. 
St.  8,  356  f. ;  jetzt  auch  über  die  ganze  Klasse 
Sittl,  Arch.  f.  lat.  Lex.  1,  405  f.  und  der 
Vollständigkeit  halber  Ploix  in  Mem.  d.  1. 
S.  d.  1    0,  399  ff. 


s)  Bruomann,  M.  U.  3,  82  f. 

*)  Vgl.  jetzt  auch  Osthoff,  Z.  6.  d.  P. 
157,  257. 

^)  Thürneysen,  Cber  die  Herkunft  und 
Bildung  der  lat.  Verba  auf  -io  Leipzig  1879; 
Osthofp, Forschungen  1,  97  f.;  Fröhde,  Bezz. 
B.  3,  302. 


4.  Flexion  des  Verbams.  (§  106—107.) 


307 


*capiofnos,  *capiese  *capisc  wie  sero  aus  *siso,  mit  Schwund  des  Sonanten, 
vgl.  obicis  für  *obiecis  neben  cmiieciant  CIL.  1,  198,  50  und  §  14  A,  d. 
Thürneysen  erkennt  in  ihnen  neben  capUo  capi-unt  u.  s.  w.  Reste  des  starken 
Aoristes,  bez.  Aoristpräsentia.  Vgl.  jetzt  den  Nachtrag  zu  S.  201.  Reste  von 
urspr.  -to-  Verben  sind  auch  in  einer  Anzahl  von  Verben  auf  -eo  erhalten,  z.  B. 
horreo  skr.  hf^ati,  torreo  skr.  tfsyati^  oleo  gr.  o^w,  madeo  skr.  mddyati  und 
andere  mehr  oder  weniger  sichere  Fälle,  worüber  vgl.  de  Saussure,  M^m.  d.  1. 
S.  d.  1.  3,  279.  Johansson,  De  der.  verb.  contr.  S.  193  ist  mit  Unrecht 
gegen  diese  durch  die  Übereinstimmung  der  Bedeutung  höchst  wahrschein- 
liche Zusammenstellung,  die  sich  mit  Ascoli,  Sprachw.  Briefe  S.  09 
(dagegen  allerdings  Brugmann  oben  S.  29)  durch  Annahme  einer  ursprüng- 
lichen Verschiedenheit  der  Betonung  rechtfertigt,  nämlich  einerseits  idg. 
*qfniS,  andererseits  Hfseiö  (Stamm  mit  thematischem  Vokal,  wahrschein- 
lich ursprünglich  auf  -nö).  Aus  der  dem  letzteren  entsprechenden  Neben- 
form H^sidi^i  das  ai.  tf^yati  (mit  verändertem  Accent«)  hervorgegangen.  Vgl. 
auch  Brugmann,  Grundriss  1,  §  142.  Den  eben  erwähnten  Verben  darf  man 
anreihen  fulgere  licere  cluere  (Osthopf,  M.  U.  4,  305).  Zur  Jodklasse  gehören 
auch  die  abgeleiteten  Verba  auf  -ao>)  -eo  -io  -uo^  vgl.  §  14.  Die  Verba  auf 
'60  sind  teils  denominativ,  z.  B.  albere  calUre  flavere,  teils  kausativ  (hoch- 
stufige Wurzelform  +  '^^'  "^^-)>  z.  B.  doceo  noceo  monco  v.  d.  W.  dec- 
neC'  men-;  ihre  Flexion  hat  sich  gegenseitig  ausgeglichen,  indem  die  Perfekt- 
bildung auf  "Ui  auch  auf  viele  denominative  Verba,  für  welche  -^vi  -Tv, 
vorausgesetzt  werden  muss,  übertragen  wurde.*)  Spuren  von  lat.  ab- 
geleiteten Verben  auf  -oo  hat  Curtius  in  der  Symb.  phil.  Bonn.  269  f. 
nachgewiesen  (vgl.  bes.  aegrö-tm  von  einem  vorauszusetzenden  ^aegro-erCy 
roiundus  aus  ^rotö-tno-  vgl.  §  118,  0).  Fast  regelmässig  sind  die  Verba 
auf  "00  in  die  Analogie  derer  auf  ~ao  übergetreten,  z.  B.  animare  dvenoo), 
arare  gr.  a^ow,  iugare  gr.  Cvyoo)^  pilare  gr.  xpiX6(o  u.  a.^)  Häufig  ist  der 
Wechsel  zwischen  Verba  auf  -ao,  -eo,  -io,  vgl.  die  Beispiele  bei  Merguet, 
Lat.  Formenbildung  178  und  ausserdem  calare  calendae  gr.  xalt(o  (vgl. 
ahd.  hol?n  alts.  halön),  lavare  gr.  Ao*«,  peccatum  umbr.  pe{!eiom,  vacatum 
umbr.  veqetom,  censere  re-censTtus  vulg.  censTri  osk.  censaum,  violure  violens,*) 
navire  navare,  induj)edat  propedat  Löwe,  Prodr.  344  impedlre,  dolffus  Varro 
nach  NoN.  99,  15  M.  dolure,  commugento  Paul.  Festi  05,  17  mugire  und 
mit  etwas  verschiedener  Bedeutung  artare  artire,  impetrare  impefrirc  (nach 
Thürneysen,  K.  Z.  30,  492  umgeformt  aus  *impetire  von  Stamm  pet-  vgl. 
petJ-vi).  Über  den  Unterschied  in  der  Bedeutung  der  denominativen  Verba 
auf  -ere  und  -are  {albere  weiss  sein,  densare  dicht  machen)  vgl.  Fröhde, 
K.  Z.  22,  250  f.,  über  die  ganze  Frage  auch  Schleicher,  Comp.  S.  345  f. 

Anmerkung.  Häufig  ist  der  Wechsel  von  primären  und  abgeleiteten  Verbalstämmen 
in  der  Bildung  der  Tempora.^)  Gewöhnlich  ist  das  Präsens  vom  abgeleiteten,  das  Perfekt 
vom  ursprünglichen  Stamme  gebildet,  z.  B.  sonare  (alt  sonere)  sonui,  saltre  salui  und 
andere  von  Mebouet,  Formenbildung  179  zusammengestellte  Fälle.  Doch  ist  der  Wechsel 
auch  im  Präsens  nicht  selten,  z.  B.  potlri  potitur,  fundare  (Lex  Lucerina  Eph.  epigr.  2, 
205  f.)  funderet  fadere  fodare,  Paul.  Festi  84, 4,  parare  par^e,  db-nu^e  ab-nu^e,  oc-cupare 


')  CoHSSEN  2,   733,   It.   Spr.  493  f.  da- 
gegen;  widerlegt  von  Curtius  Vb.*  1,  322. 
»)  Mahlow,  D.  1.  V,  12  f. 


8)  Curtius,  Vb.«  1  342. 

*)  Osthoff,  Forsch.  1,  55. 

^)  Vgl.  jetzt  auch  Fböhde,  Bezz.  B.  9, 112. 


368 


B.  LateiiÜBche  Grammatik,    c)  Lateinisohe  Formenlehre. 


capere,  pro-fligare  fligere,  pi{n)sare  pi{n)8ere,^)  tuve  Acc.  489  Ribb.  I  iuvare.  Auch  das 
Eindringen  des  abgeleiteten  Stammes  in  die  Perfektbildung  ist  gelegentlich  wahrzunehmen, 
z.  B.  peiivi  petere  (oder  ursprünglich  *peHre  neben  petere  vorauszusetzen).  Reiches  Ma- 
terial, wenn  auch  nicht  durchaus  gesichtet,  findet  man  bei  Nbüe,  2,  414  f.  Über  die  Ver- 
mischung der  i'  und  e-Eonjugation  im  Vulgärlatein  Schuohabdt,  Vok.  1,  2G9. 

Das  Perfektsystem. 

108.  Reduplikation.  Die  Reduplikation  ist  nur  in  sehr  beschränktem 
Umfang  erhalten.  Dass  man  wegen  fhe':fha:ked  der  Fibelinschrift  von 
Palestrina  anzunehmen  hat,  das  Gefühl  des  Ursprungs  der  Reduplikation 
sei  damals  noch  nicht  geschwunden  gewesen  (Dümmler,  Mittlgn.  d.  deutsch, 
arch.  Inst.  Rom.  Abtlg.  2,  41),  scheint  mir  doch  sehr  fraglich. 

a.  Konsonantische  Wurzeln.  Bei  einfachem  konsonantischem  Anlaut  tritt 
der  anlautende  Konsonant  mit  dem  Vokal,  urspr.  e,  vor  die  Stammsilbe.*)  Bei 
doppelkonsonantischem  Anlaute  —  es  finden  sich  nur  die  Anlautsgruppen 
SC"  sp-  st-  —  erleidet  die  Stammsilbe  Einbusse  des  Zischlautes,  sci^dderat, 
spo-pondi,  stc-ti.^)  Der  urspr.  Reduplikations vokal  e  hat  sich  dem  Vokal 
der  folgenden  Stammsilbe  assimiliert,  wenn  dieser  im  Perfekt  und  Präsens 
übereinstimmt,*)  also  bei  wurzelhaftem  i  o  u,  scicidi  mmnordi  {memordit 
noch  Verg.  Aen.  11,  418  Ribbeck)  pupugi,  auch  didici  wegen  disco 
trotz  Wurzel  dec-,  hingegen  älter  meyhordi  pepugi  spepondi,  vielleicht  auch 
scecidi'^)  u.  a.  bei  Neue  2,  464  f.  Der  Ausfall  der  Reduplikationssilbe  bez. 
die  Vereinfachung  der  nach  Ausfall  des  Vokals  der  Reduplikationssilbe 
entstandenen  unbequemen  Konsonantengruppen  ist  höchst  wahrscheinlich 
schon  in  der  idg.  Grundsprache  den  Formen  des  Duals  und  Plurals,  die 
den  Ton  auf  der  Suffixsilbe  trugen,  eigen  gewesen^)  und  hat  sich  von  hier 
aus  auch  auf  den  Singular  ausgebreitet,  besonders  unterstützt  durch  den 
Wegfall  des  Reduplikationsvokals  in  den  ursprünglich  wenigstens  vier- 
silbigen Perfektformen  der  zusammengesetzten  Zeitwörter;^)  so  erklären 
sich  fldi  scidi  für  ^fe-fidi  ^ace-cidi,  fügt  u.  s.  w.;  hinsichtlich  des  zweiten 
Umstandes  vgl.  retiuli  repperi  reccidl  für  ret{e)tuU  u.  s.  w.  Bei  nidi  (aller- 
dings nicht  unmittelbar  ^  gr.  olda  skr.  veda,  sondern  der  1.  Sgl.  med.) 
reicht  die  Einbusse  der  Reduplikation  bereits  in  die  idg.  Grundsprache  zurück, 
über  den  Abfall  der  Red.  in  spätlateinischen  Formen  vgl.  Rönsch,  Itala 
und  VulgatÄ  288. 

b.  Von  vokalisch  anlautenden  Wurzeln  sind  ed-  em-  ag-  und  -ap-  in 
co-epit  [coepere  coepiam  Paul.  Festi  59,  10,  coepiat  A  Plaut.  Truc.  232]  zu 
nennen.  Die  lat.  Perf.  Hli  Pmi  egi  -^pi  repräsentieren  die  schwachen  Perfekt- 
stämme aus  *e'€d  ^e-em  ^e-ag  *c-aj>-,  während  die  starken  *(?-orf  ^e-om- 
*C'Og'  ^C'Op-  lauten  müssteu.®) 

109.  Stammbildung.  Den  drei  Personen  des  Singulars  (ich  glaube 
auch  der  ersten  trotz  de  Saussure  72  f.,  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  61)  kam  ur- 


*)  Danielsson  bei  Pauli,  Altit.  Stud. 
4,  154  Anm.  3. 

'')  J.  Schmidt,  K.  Z.  25,  32;  Brzzen- 
BEBGKR,  B.  2.  159;  CüRTius,  Vb.«  1,  142; 
Scherer,  Z.  G.  d.  d.  Spr.«  279. 

»)  Osthoff,  P.-B.  Br.  8,  548;  über  stiti 
Stolz.  Verbalflexion  1,  3  Anm. 

*)  OsTuoFF,  Z.  G.  d.  F.  271. 


^)  Stolz,  Verbalflexion  1,  70  Anm. 

*)  J.  Schmidt,  K.  Z.  25,  31;  Osthoff. 
M.  ü.  4,  VIII. 

^)  Osthopf,  Z.  G.  d.  P.  236. 

®)  J.  Schmidt,  Anz.  f.  d.  A.  G,  121 ; 
Brugmann,  M.  U.  4,  411  f.;  Osthopp,  Z.  G. 
d.  P.  122  f. 


4.  Flexion  des  Verbnms.  (§  108—109.) 


369 


sprünglich  die  abgeläutete  Stammform  zu,  denen  des  Plurals  die  schwache,  vgl. 
gr.  nänotx^a  nämd^fiev,  fiäfxova  ^tfxa^ev  (für  ^^fiifi^fiev).  Da  im  Lat.  die 
1.  Sgl.  als  ursprüngliche  Medialform  (vgl.  unten)  den  schwachen  Stamm 
hatte,  so  dürfen  wir  streng  genommen  nur  von  der  2.  3.  Sgl.  sprechen, 
nach  denen  übrigens  die  1.  frühzeitig  uniformiert  wurde.  Im  einzelnen 
bemerke  ich  folgendes: 

a.  Von  e-Wurzeln  weisen  die  abgeläutete  Stammform  auf  momordit 
(übrigens  fällt  hier  die  Stammform  des  Plurals  mit  der  des  Singulars  zu- 
sammen, da  auch  ^mem^d-  =  memord-  ist)  spqpondit  totondü;  die  urspr. 
dazu  gehörigen  Präs.  *merdo  *spendo  *tendo  sind  durch  die  Neubildungen 
mordeo  spondeo  tondeo  ersetzt.  ^  meminit  tetinit  (altlat.  für  tenuit)  didicit 
sind  nach  lateinischen  Lautgesetzen  (vgl.  §  25)  aus  *fnemonit  Hetonit  *dedocit 
hervorgegangen,  desgleichen  können  -(cejculit  pepulit  tetulit  aus  *'(ce)coUt 
u.  8.  w.  entstanden  sein,  auch  cucurrit  mag  für  He-cors-  stehen.^)  Die 
meisten  Wurzeln  mit  inlautendem  -e{-  haben  nach  Abfall  der  Reduplikation 
den  Stamm  mit  nebentoniger  Tiefstufenform  auch  im  Singular  durchgeführt, 
daher  liqui  vldi;^)  dagegen  die  tonlose  Tiefstufenförm  in  scldi  fldi  (idg. 
*sieid'  *bheid').  Von  e^-Wurzeln  haben  die  tonlose  Tiefstufenform  durch- 
geführt tutüdi  (altlat.  tutiidi  Keil,  Gramm,  lat.  2,  518  zeigt  die  neben- 
tonige Tiefstufenform)  pupügif  die  nebentonige  ohne  Reduplikation  füdi 
fügi  fuueit  {uu  =  ü)  CIL.  1,  1051,  plüvit.  Regelmässig  als  urspr. 
Medialformen  sind  pependi  tetendi  pepedi  poposci.  Der  Ablaut  ß  :  e  ist  sicher 
alten  Datums  bei  der  e- Wurzel  s^d-.  Er  ist  in  den  Formen  des  Duals  und 
Plurals  entsprungen.^)  Ob  lat.  sedimas  =  He-zd-imus  oder,  wie  got.  sBtutn 
zeigen  kann,  bereits  voritalisch,  ist  fraglich;  jedenfalls  hat  sedit  u.  s.  w., 
nach  sedimus  gebildet,  urspr.  ^sesöd-e  u.  s.  w.  verdrängt.  Vielleicht  ist  auch 
venimus  got.  quemum  altüberkomnien,  wie  cl^imas  (cl^it  Pacuvius  185 
Ribb.  I,  der  allerdings  wie  Müller,  Non.  20,  14  die  Konjektur  von  M^rcier 
cUpsit  in  den  Text  gesetzt  hat)  got.  hiefum;  sicher  Analogiebildung  ist  legi. 

b.  Als  Typus  einer  Wurzel  der  ^-Reihe  diene  fa-c-io  idg.  dhB-. 
alat.  fhefhaked  (a)  osk.  fefacust  (Länge  des  a  ist  ganz  und  gar  unerweis- 
lich) haben  die  nebentonige  Tiefstufenförm  auf  die  Formen  des  Singulars 
übertragen,  während  umbr.  fakust  die  Reduplikation  eingebüsst  hat.  lat. 
fFC'it  zeigt  die  erste  Hochstufe  (starker  Stamm)  für  zu  erwai*tendes  ö,  vgl. 
dor.  ay-*-ö)-x«  für  ♦-crtercö-  Stamm  *cxry-,  und  wird  wohl  gerade  dadurch  als 
analogische  Neuschöpfung  charakterisiert,  vgl.  §  16,  Anm.  1. 

c.  Von  a-Wurzeln  erscheinen  drei  Arten  von  wirklichen  Perfekten: 5) 
pango  pep^gi  (ebenso  cado  cano  tango),  scäbo  scäbi^  frango  fregi.  Bei  dem 
ersten  Typus  ist  die  schwache  reduplizierte  Stammform  verallgemeinert, 
beim  zweiten  die  starke  ohne  die  Reduplikation.  Ursprünglich  war  die 
erste  Bildungsweise  die  der  Wurzeln  der  a-Reihe  {pepigit  für  ^pc-pag-  hat 
also  ursprüngliches  ^^ye-pög^-e  verdrängt),   die  zweite  die  der   Wurzeln   der 


')  De  Saussure,  M^m.  72. 
*)  W.  idg.  qfs-  anord.  hross   ^schnell* 
mhd.  ahd.  ros  (Kluge  s.  v.). 

=»)  OsTHOPP.  M.  U.  4,  129  Anm. 

')  Vgl.  jetzt  bes.  Osthofp,   Z.  G.  d.  P. 


1  f.,  wo  die  ganze  Frage  ausführlich  behan- 
delt wird;  ausserdem  Babtholomae,  K.  Z. 
27,  354. 

5)  ,1.  Schmidt,  K.  Z.  26,  374. 


Handbach  der  klass.  Alterlumswissonscliaft.  IL    2.  Aufl. 


24 


370  ^*  Lateinische  Grammatik,    c)  Lateinische  Formenlehre. 

ä-Reihe.  Eine  reinliche  Sonderung  ist  nicht  mehr  möglich.  Der  Ablaut  ä:  e 
von  a- Wurzeln  wie  pango  p^xii  (neben  altem  pepigi)  ist  von  den  ^-Wurzeln 
ausgegangen  und  unter  dem  Einfluss  von  äg^o  :  eg-i  auch  auf  ör-  bez. 
a-Wurzeln  übertragen  worden.  Vgl.  auch  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  155  flF.  Die 
Perf.  fefelli  peperci  peperi  enthalten  den  schwachen  Stamm  mit  lautgesetz- 
lichem Übergang  des  a  in  e;  fefelli  ist  durch  das  -/^  als  eine  junge  Form 
charakterisiert.  Ohne  die  Red.  sind  scandi  prandi  gebildet  (vgl.  von 
^-Wurzeln  -cendi  -fendi  u.  s.  w.). 

d.  Nebentonige  Tiefstufenform  ohne  Reduplikation  zeigt  von  t- Wurzeln 
vTcL  Eine  Reihe  anderer,  sowie  u- Wurzeln  bilden  ihr  Perfekt  auf  dieselbe 
Weise  (strfdi  cüdi);  es  stecken  jedenfalls  darunter  viele  junge  Bildungen. 

e.  Über  födio  födi  vgl.  §  20. 

f.  Von  den  drei  langvokalisch  schliessenden  Wurzeln  d^(da-) 
sta''{st€U)  dS'{dä')  lässt  nur  die  erste  in  dem  allerdings  zweifelhaften  pi- 
saurischen  deda  (=  *dedanf)  CIL.  1,  177  die  ursprüngliche  Form  erkennen.  >) 
Die  1.  plur.  (urspr.  *dedämas  Htetämus  *dedämus^  a  =  idg.  9)  sind  nach 
dem  §  25  erwähnten  Gesetze  zu  dedimm  steUmus  dedimus  geworden.  In 
den  übrigen  Formen  (mit  Ausnahme  der  1.  Sgl.)  sind  die  gewöhnlichen  Ab- 
änderungen eingetreten. 

110.  Die  Perfekta  auf  -si  -vi  und  -ui.  Das  Perf.  auf -5/,  welches 
von  zahlreichen  auf  gutturale,  dentale,  labiale  Verschlusslaute  ausgehenden 
Verben  gebildet  wird,  sowie  von  dreien  auf  -m  {premo  sumo  con-temno) 
und  mehreren  auf  -s  {ur-o  us-si  haer-eo  haesi  für  *haeS'Si)  ist  seiner  Natur  nach 
sigmatischer  Aorist,  z.  B.  dix^t  ^-rf« i J-a,  iunx-t  ^-^ev^-a.  Dabei  treten  vor  dem 
Bildungs-s  die  nach  den  Lautgesetzen  erforderlichen  Veränderungen  ein. 
Über  die  ursprüngliche  Gestaltung  des  Stammes  vgl.  oben  S.  167  f. 
Die  Länge  in  rf^xi  texi^)  beruht  auf  Übertragung  aus  den  verlorenen  Per- 
fekten *regi  Hügi,  vgl.  noch  Ugi  neben  --lexL  In  der  älteren  Sprache  standen 
neben  den  reduplizierten  Perfekten  vielfach  s-Aoriste  in  Verwendung,  viel- 
leicht noch  mit  einer  dunklen  Erinnet*ung  an  die  ursprüngliche  Bedeutungs- 
differenz, 3)  wie  parsi,  z.  B.  Plaut.  Trin.  316  neben  peperci  (daneben  auch 
die  Neubildung  pareui)^  emi  und  enipsim  Plaut.  Mil.  318  Ribb.;  -panxi 
und  'pmixi  bilden  die  Komposita. 

Über  die  Perfektbildung  auf  -vi  und  -ui,  die  spezifisch  lateinisch  ist 
(umbr.  suhocau  gehört  nicht  hieher,  ebensowenig  skr.  dadaü,  das  Fick,  G. 
g.  A.  1883,  S.  594  heranzieht),  handelt  eingehend  Osthoff,  Z.  G.  d.  P. 
251  f.;  einige  Andeutungen  bei  Mergüet,  Formenbildung  221,  Brugmann, 
M.  U.  3,  51  Anm.,  dem  Thürneysen,  Bezz.  B.  7,  286  Anm.  beistimmt. 
Neuerdings  ist  diese  Frage  eingehend  behandelt  worden  von  G.  Cürtiüs, 
Ber.  d.  k.  sächs.  Ges.  d.  W.  (Phil.  bist.  Kl.)  1885,  S.  421—439  und  W. 
Schulze,  K.  Z.  28,  266—274.  Vgl.  ausserdem  noch  eine  Notiz  bei  Jo- 
hansson, De  der.  verb.  contr.  100,  6.  Die  beiden  erstgenannten  Forscher 
(CuRTiüs  und  Schulze)  treffen   darin   zusammen,    dass   sie   das   t?/-Perfekt 


*)  Stolz,  Verbalflexion  1,  44. 

2)  Osthoff.  Z.  G.  d.  P.  113  f. 

*)  Wahrscheinlicher  Weise  ist  jedoch  die   j 


Angabe  des  Diomedes  bei  Keil,   Gr.   L.   1, 
398,  8  nur  Theorie  eines  Grammatikers. 


.^^ii^^^mti^ 


4.  Flexion  des  Verbums.  (§  110.)  371 

von  dem  Partizip  *nmaves  *audlves  *deleves  *hab^es  *domäves  ableiten. 
Nach  Schulze,  dessen  Ausführungen  über  die  Entstehung  der  Flexion 
dieses  Tempus  entschieden  zutreffender  sind  als  die  von  Curtius, 
wären  zunächst  die  Formen  *amaves  smos  *amaves  stis  *amav[es]esam 
^amavfesjessem  zu  den  gewöhnlichen  geworden:  amavimus  u.  s.  w.  Dieser 
scharfsinnigen  Deduktion  steht  aber  der  Umstand  im  Wege,  den  Windisch 
mit  Recht  hervorgehoben  hat  (Biogr.  Jahrb.  d.  Altertumsw.  X,  126),  dass 
nämlich  das  ai.  Suffix  -vans  -vas  ausschliesslich  nur  zur  Bildung  von 
Pai-tizipien  von  alten  aus  der  Wurzel  gebildeten  Perfekten  verwendet  wird. 
Schulze's  Berufung  auf  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  623  hilft  über  diese  Schwierig- 
keit nicht  hinweg.  Vgl.  übrigens  auch  meine  Bemerkungen  in  Zeitschr. 
f.  d.  öst.  Gymn.  1888,  S.  746  f.  und  unten  §  118,  1.  Bis  zu  besserer  Be- 
gründung wird  es  demnach  noch  am  besten  sein,  die  in  der  ersten  Auflage 
vorgetragene  Ansicht  festzuhalten.  ^)  Damach  ist  die  Perfektbildung  auf  -vi 
ausgegangen  von  den  Typen  favi  lavi  fovi  movi  vovi  iuvi  und  hat  sich,  ver- 
mittelt durch  die  Partizipien  auf  -to-  ausgebreitet  über  einige  Stammverba 
auf  -eo  {plevi  fleni),  Uno  levi,  womach  crevi  von  cerno  (für  *crino)  sprevi, 
stravi  [stravi :  Stratum  (gr.  argfotog  Grdf.  ^stftö-)  =  sprevi :  spretum],  auf 
einige  5co-Präsentia  {pasco  nosco  cresco),  endlich  auf  die  grosse  Masse  der 
abgeleiteten  Verba  auf  -ao  -io,  welche  in  der  Tempusbildung  den  Kenn- 
vokal beibehalten  {ama-vi  audT-vi);  letzteren  folgten  dann,  vermittelt  durch 
die  Verba  der  Jodklasse  ctipio  cupl-vl,  einige  thematische  Verba,  pett-vi 
rudi'Vi  und  die  Q,uf  -esso  nach  dem  Verhältnis  i^e^ivi :  peterc  =  cupivi :  ciipere. 
Möglicherweise  cupl-vi  u.  s.  w.  von  Nebenformen  auf  -tre,  vgl.  §  107  Anm. 
Die  denominativen  Verba  auf  -mö,  z.  B.  acuo  arguo  mettw  minuo 
statuo,  sowie  stemuo  bilden  das  Perfekt  auf  -ui  im  Anschluss  an  die 
primären  nuo  pluo  luo  ind-uo  im-huo  mit  den  regulären  Perf.  nui  \x,  s.  w 
(älter  adnüvit  plüvit).  Eine  zweite  Gruppe  bilden  die  Verba  von  dem  Typus 
genui  alui,  crepui  sonui  domui,  monui  tenui,  sdluL  Osthoff  führt  mit  Recht 
genui  doniui  auf  *gmevi  *g('navi  ^domävi  *domövi  zurück,  vgl.  doriMus  aus 
^domä-ttis.  Zur  Ausbreitung  des  Perfektstypus  -ui  auf  die  a-  e-  und  i-Stämme 
haben  wesentlich  jene  Verba  beigetragen,  welche  ursprünglich  den  unab- 
geleiteten angehörten,  wie  sonere  tofiere  fervere  olere  stridere,  parere  und 
parire,  salere  (Neue  2,  419)  u.  a.  und  ihr  Perfekt  gerade  so  bildeten,  wie 
g^ignere  bez.  arch.  geliere.  Von  diesen  aus  verpflanzte  sich  dann  diese  Bildungs- 
weise auf  zahlreiche  andere  abgeleitete  Verba.  In  spätlateinischer  Sprache  be- 
gegnen dann  auch  Formen  wie  contertii  (Apuleius),  reguit  CIL.  8,  923,  convertuit 
8,  2532  D,  b  l  u.a.;  überhaupt  spielt  die  Analogie  eine  grosse  Rolle  in 
der  Schaffung  von  Formen  wie  doimttus  sponderit  ascendiderat  (auch  ar- 
chaisch descendidit  Valerius  Antias,  descendiderat  Laberius)  davit  Löwe, 
Prodr.  419  u.  s.  w.;  vgl.  Rönsch,  Itala  u.  Vulgata  286  f.,  Schuchardt, 
Vok.  1,  35;  2,  9;  3,  10;  Seelmann  53  f.,  Romania  2,  477.  pono  hat  im 
Altlatein  regelmässig  posivl  posii  als  Kompositum  von  sino^^)  z.  B.  poseivei 


')  Dass  die  von  Bopp  aufgebrachte  und  so 
und  so  oft  wiederholte  Erklärung  des  -vi  aus  fui 
lautgesetzlich  ganz  und  gar  unmöglich  ist, 
hat  schon  Merqu£t,  Fonnenbildung  8.  221 
nachgewiesen.  -    Auch  Brugmann,  Grundrisa 


2,  S.  417  scheint  die  im  Texte  angedeutete 
Erklärung  von  amavi  u.  s.  w.  (nach  Cürttus 
und  Schulze)  nicht  sehr  einleuchtend. 

')  Wegen    Fröhde's    Einwänden    Bezz. 
B.  1,  197  f.  vgl.  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  611  f. 

24* 


372 


B.  Lateinische  Grammatik,    o)  Lateinische  Formenlehre. 


CIL.  1,  511,  poseit  1281,  posit  1282  u.  oft  (spätlat.  auch  possU);  hingegen 
ist  das  in  klassischer  Sprache  gewöhnliche  posui  nach  dem  Part,  pasitus 
neu  geschaffen,  posui  :  positiis  =  genui  :  genitus.  Über  das  Vorkommen 
von  posivi  und  posui  Brix  zu  Plaut.  Trin.  145.  Spätere  Zeiten  haben 
sogar  die  barbarische  Form  posuvit  hervorgebracht,  z.  B.  CIL.  5,  3738 
u.  öfter,  offenbar  nach  istituvit  ib.  8,  9975  und  den  anderen,  wo  -w-  zum 
Stamme  gehörte.  Übrigens  können  die  Formen  mit  -wv-  auch  auf  rein 
lautlichem  Wege  erklärt  werden,  vgl.  suvo  mortuva  und  Brügmann,  Grund- 
riss  1,  §  169. 

Ansätze  zu  einer  Eontaminationsbildung  -sui  zeigen  messui  nexui  pexui 
(Gramm.);*)  in  texui  ist  -s-  stammhaft,  vgl.  skr.  tak^-. 

111.  Flexion  des  Perfekts.^)  Entschieden  daran  festzuhalten  ist, 
dass  die  uns  vorliegende  Flexion  des  Perfekts  perfektische  und  aoristische 
Formen  vereinigt.  Ich  halte  mit  Brügmann,  M.  U.  3,  36  f.,  J.  Schmidt, 
K.  Z.  27,  327  den  lautlichen  Zusammenfall  der  Formen  der  1:  d.  Plur.  für 
den  Ausgangspunkt  dieser  Fusion  {mdimu^  =  *veidesmos  und  sedimus). 
1.  Sgl.  Der  Ausgang  -F  (als  graphische  Varietät  -ei)  ist  mit  dem  Aus- 
gang -a  von  skr.  hubödh^  gr.  ysyar-a  nicht  zu  vereinigen ;  es  ist  vielmehr 
mit  FiCK,  G.  g.  A.  1883  S.  589,  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  191  f.  (mit  allseitiger 
ausführlicher  Begründung)  dedi  ==  skr.  dade  zu  setzen  und  mithin  als  die 
1.  Sing,  medii  anzuerkennen.  2.  sgl.  Das  Suffix  -sti  ist  aus  dem  perfek- 
tischen 'ti  und  aus  dem  s  des  Aorists  erwachsen;  *deix'S  wurde  nach  diayi 
zu  dixti  weitergebildet  und  von  hier  aus  verbreitete  sich  -stf  auch  über 
die  vokalisch  schliessenden  Verba.  dixistt  ist  späteren  Ursprungs.  Die 
Länge  des  -i  in  -sti;  (inschr.  auch  -stei)  erklärt  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  204 
in  ansprechender  Weise  aus  einer  Vermischung  der  Aktiv-  und  Medialform, 
idg.  act.  Hoittha  med.  ^^vissai,^)  3.  sgl.  Der  ursprüngliche  perfektische 
Ausgang  -e  (vgl.  gr.  fitpov-e  skr.  ved-a)  ist  erweitert  durch  die  Personal- 
endung der  entsprechenden  Person  des  Aorists  -d,  vgl.  fcced  (Dvenos- 
inschrift),  fcdd,  später  verdrängt  durch  -t  (vgl.  jedoch  auch  den  Nachtrag  zu 
S.  358).  Archaisch  dede,  prän.  dedi  (Hermes  19,  453).  Vgl.  umbr.  fefure  gall. 
dede  Stockes,  Bezz.  B.  11,  124  (=  i^rjxt),  dagegen  fal.  dedet  osk.  deded  dsdsr. 
Wegen  fuBt  CIL.  1,  32  nach  quantitierender  Messung  des  Saturniers  (vgl.  Ost- 
hoff, Z.  G.  d.  P.  205  f.)  sind  auch  die  neueren  Ansichten  über  die  Natur  des 
lat.  Saturniers  zu  vergleichen,  nach  welchen  /t^^i^ gemessen  werden  kann.  1.  pl  u  r. 
Die  Personalendung  ist  -mus,  2.  plur.  Die  Personalendung  -stis  für  *-sf^ 
entspringt  dem  Aoriste.  3.  plur.  Ein  Rest  ursprünglicher  Bildung  scheint 
pis.  deda  =  ^deda-nt^  eine  Form,  die  freilich  nicht  allzu  sicher  ist,  vgl. 
dedrot  und  dedro.     Die  Formen  auf  --ere  hat  man  als  Medialformen  erklärt 


y 


')  So  schon  Schleicher,  Comp.  S.  815. 

»)  Vgl.  Stolz,  Veibalflexion  1,  43  f.; 
doch  ist  die  dort  gegebene  Darstellung  noeiir* 
fach  modifiziert;  Ostuoff's  Ausführungen  Z. 
G.  d.  P.  191  f.  kann  ich  auch  nicht  in  allen 
Punkten  beistimmen.  Zur  Litteratur  noch 
W.  Meyer,  Zeitschr.  f.  rom.  Phil.  9,  223  ff. 
(Erschliessung  der  vulgärlateinischen  Para- 
digmen der  a-  e-  i-Konjugation). 


3)  Wenn  Osthoff,  Z.  G.  d.  P.  219  ein- 
wendet, es  sei  *dict%  *8cripti  (vgl.  gr.  Ix-roc 
u.  s.  w.)  zu  erwarten,  so  ist  dagegen  zu  be- 
merken, dass  die  Formen  dixti  dixtis  u.  s. 
w.  durch  Analogie  von  ac-cesti  und  den 
entsprechenden  der  Dental-  und  s-St&mme 
gehalten,  beziehungsweise  nach  ihnen  wieder 
hergestellt  wurden. 


4.  Flexion  des  Verbums.  (§  111—112.) 


373 


gleich  den  altindischen  auf  -re,  doch  stünde  in  diesem  Falle  tat.  *-r7  zu  er- 
warten, vgl.  dcrf-F  =  skr.  dad-e;  auf  einmal  wirklich  überliefertes  dederi 
CIL.  1,  187  wird  nicht  allzu  grosses  Gewicht  gelegt  werden  dürfen.  Viel- 
leicht ist  also  doch  ursprünglich  sent  (=  *'S^t)  vom  sigmatischen  Aoriste 
herübergenommen  und  zu  -e  abgeschleift,  vgl.  die  oskischen  und  umbrischen 
Formen  auf  -ent  -et  -e.')  Die  Formen  auf  -ont  -ot  -o  jünger  -unt  emerut 
CIL.  1,  1148  (vulgär  und  spätlateinisch  -un  -um)  sind  nach  dem  Muster 
der  thematischen  Verba  eingeführt,  dedrot  dedro  CIL.  1,  173,  177  sprechen 
wegen  ihres  r  nicht  gegen  diese  Erklärung,  vgl.  cedre  der  Spoletiner  Inschr. 
aus  ursprünglicherem  *caedese.  Anders  Zimmer,  K.Z.  30, 283.*)  Die  ursprüng- 
lich wenigstens  bei  kurzvokalischen  Wurzeln  unthematische  Flexion  hat  sich 
im  Lateinischen  zu  einer  thematischen  mit  dem  Kennlaut  -^i  ausgebildet. 
Die  Länge  dieses  -/  in  der  3.  sing.,  vgl.  -eit,  z.  B.  redieit  CIL.  1,  541 
und  öfter  {interieisti  CIL.  1,  1202  ist  vielleicht  nur  Schreibfehler),  sowie 
des  'C  in  -erunt  kann  unmöglich  ursprünglich  gewesen  sein,  sondern  ist 
wohl  nach  dem  ursprünglichen  -t  der  1.  sing,  eingeführt.  Dafür  spricht 
auch,  dass  die  romanischen  Fortsetzer  der  l.  plur.  entschieden  auch  Formen 
mit  -?-  voraussetzen,  während  in  der  Schriftsprache  sich  ohne  Ausnahme 
regelrechtes  -t-  behauptete,  das  nach  Osthopf's  Ausführungen  Z.  G.  d.  P. 
391  f.  für  die  Formen  von  langvokalischen  Stämmen  bereits  der  Grund- 
sprache zuzuschreiben  ist  (vgl.  dagegen  Bartholomae,  K.  Z.  29,  6).  Eine 
ursprüngliche  Perfektform  ist  der  Imperativ  memento  gr.  /xeficcTU)  Grdf. 
*mo-mn't6dj  hingegen  ist  memuiens  eine  sekundäre  Bildung,  wie  gr.  xexXr- 
yovreg  u.  a. 

Zur  Litteratar  vgl.  ausser  den  bei  Hübner,  §  69  aufgeführten  Werken :  J.  Netüschil, 
Über  Aoriste  in  der  lateinischen  Sprache,  Charkow  1881  (mir  bekannt  geworden  durch 
Phil.  Woch.  3,  430  und  Berl.  Phil.  Woch.  5,  313  f.);  P.  Rbonaud,  Les  parfaits  compos^ 
en  latin,  Lyon  1882  (ohne  Bedeutung);  Fböhde  Bezz.  B.  6,  185  f.;  Osthoff,  Zur  Geschichte 
des  Perfekts  im  Indogermanischen  mit  besonderer  Rücksicht  auf  Griechisch  und  Lateinisch, 
Strassburg  1884;  K.  Krnault,  Du  Parfait  en  Grec  et  en  Latin,  Paris  1886  (bietet  nichts 
Neues),  übei  sieht  der  verschiedenen  früheren  Auffassungen  des  lat.  Perf.  bei  Wbstphal, 
Verbalflexion  170  f.;  Herzog,  Untersuchungen  zur  Bildungsgesch.  d.  griech.  und  lat.  Spr. 
licipzig  1871,  33  f. 

Die   aus    dem   s-   is-  und  sis-Aorist   hervorgregrangrenen   Tempora 

und  Modi. 

113.  Hieher  gehören,  wie  bereits  angedeutet  wurde,  hinsichtlich  der 
Stammbildung  die  sogenannten  synkopierten  Perfektformen,  wie  dixU  ac- 
cestis.^)  Eine  Übersicht  derselben,  sowie  der  gleich  zu  erwähnenden  Kon- 
junktiv- und  Optativformen  bei  Merguet,  Formenbildung  224  f.,  Westphal, 
Verbalflexion  290  f.,  Corssen  2,  553  f.,  vgl.  auch  E.  Lübbert,  Beiträge 
zur  Tempus-  und  Moduslehre  des  älteren  Lateins  I  (Breslau  1870)  und  Arch.  f. 
lat.  Lex.  2,  219  ff.  und  Fr.  Gramer,  De  perf.  coni.  usu  potentiali  etc.  diss.Mar- 


')  MiSTELi,  Zeitschr.  f.  Völkerpsych.  14, 
315  hält  scripsere  für  eine  dem  hist.  Inf. 
entsprechende  Form  nach  der  Gleichung: 
scripsere  :  scripsü  =  scribere  :  scrfbü;  vgl. 
jetzt  noch  dessen  weitere  Ausführung  ih.  15, 
457  f.  und  dazu  Osthoff,  Z.  G.  d.  F.  S.  218. 

»)  Henry,  M6m.  d.  1.  s.  d.  1.  6,  375 
setzt  Doppelformen    *de(lros  und  *dedcr  an, 


die  später  durch  Anfügungen  erweitert  wor- 
den seien;  dedro  soll  unmittelbar  gleich 
*dedros  sein.  Ich  finde  keinen  sicheren 
Boden  für  diese  Ansätze. 

^)  Ich  muss  bei  dieser  Auffassung  bleiben 
trotz  des  Widerspruchs  von  Osthoff,  Z.  G. 
d.  F.  219  f.;  vgl.  Fussnote  3  der  voraus- 
gehenden Seite. 


374  B*  Lateinische  Grammatik,    o)  Lateinische  Formenlehre. 

burgi  1886.  Andere  möglicherweise  als  Reste  dieses  Tempus  aufzufassende 
Formen  (vgl.  bes.  astusmt  statuerunt)^)  bei  Stolz,  Verbalflexion  1,  25  f. 
Die  Formen  (ixo  faxo  capso  dixo  u.  s.  w.  sind  ursprüngliche  Konjunktive 
des  sigraatischen  Aoristes, 2)  vgl.  gr.  aj«  tff/fco,  wie  ero  urspr.  Konjunktiv 
zu  sum.  Dazu  gehören  die  pass.  Neubildungen  fcucor  fdxitur  u.  s.  w.  Über 
nanxitor  (cod.  nancitor)  Scholl,  Leg.  XII  tab.  rel.  88.  Vgl.  osk.  com- 
parckscuster  (=  consuUa  erit),  umbr.  covortuso  (mit  fehlendem  r,  wie  emantn 
neben  emantur)\  letztere  beide  sind  von  den  aktiven  Formen  *comparciSc^usi 
Hovort-as  abgeleitet.  Optative  desselben  Tempus  sind  dixim  faxim,  für  urspr. 
*dixiem  *faxieni  nach  der  1.  und  2.  plur.  gebildet,  vgl.  §  115.  Ebenso 
dürften  dixe  scripsc  altüberkommene  Bildungen  sein.  3)  Die  Formen  dixem 
faxet  (allerdings  unsicher,  vgl.  Lübbert  a.  a.  0.  102)  scheinen  mir 
die  Reste  des  alten  Ind.  d.  Aor.  zu  sein  (Grdf.  *deix''f^),  die  nach 
der  Fusion  von  Perfekt  und  Aorist  dem  Perfekteystem  eingereiht  wurden 
und  nach  dem  Verhältnis  dixent  :  dixe  die  Neubildung  dixissem  :  dixisse 
hervorriefen.  Brugmann  a.  a.  0.  42  hält  sowohl  dixe  als  dixem  für 
Neubildungen,  urteilt  aber  über  dixe  jetzt  anders  (Grundriss  2,  §  162 
Anm.  1).  Über  die  Bedeutungsentwicklung  Stolz,  Verbalflexion  1,  36  f. 
Die  eben  erwähnten  Formen  des  s-Aoristes,  im  archaischen  Latein  noch  in 
lebendigem  Gebrauche,  reichen  nur  in  dürftigen  Resten  (formelhaften  Rede- 
wendungen) als  erstarrte  Antiquitäten  in  die  Zeit  des  klassischen  Latein  hinein. 
Von  dem  is-  und  5«s- Aoriste  (vgl.  skr.  «V-  ^*^-)  ist  die  Bildung  des  Plus- 
quamperfekts, Futurum  exactum,  der  Modi  des  Perfekts  ausgegangen.  Nach 
dem  Muster  von  videram  (gr.  5^««) ')  ieram  (Grdf.  Hn^es-  gr.  jjea)  und 
videro  (gr.  €li€{a)ü}^)  sind  die  Plusquamperfecta  und  Futura  exacta 
gebildet:  fec^eram  fec-ero  u.  s.  w.  Die  Personalendungen  -am  ^as  -o^  u. 
s.  w.  sind  die  des  zusammengesetzten  Präteritums,  worüber  vgl.  §  113. 
Ebenso  nach  viderim  =  gr.  {f)eldi{a)iriV  fec-erim.  dixero  dixerim  stehen 
für  *dicsis-o  ^dic-sis-mi^  letzteres  für  urspr.  ^dlc^sis-ie-m,  dixeram  und  di- 
xissem sind  Neubildungen.  Brugmann  bei  Windisch,  Über  die  Verbalformen 
mit  dem  Charakter  /•  S.  59  (vgl.  §  98)  fasst  dixero  als  Kontaminationsbildung 
aus  dixo  +  legero,  eine  gewiss  sehr  beachtenswerte  Vermutung.  Ohne  Zweifel 
gehören  auch  amasso  amassim  prohibessint  amhissit  mit  den  Inf.  averun- 
casscre  inqyetrassere,  den  pass.  Formen  turhassitur  iussitiir  gleichfalls  dem 
Aoriste  an.  Wenn  nicht  amasso  als  eine  Neubildung  für  "^amaso  amaro 
nach  *amassere  ^aniassitur  zu  betrachten  ist,^)  so  sind  diese  Bildungen  mit 
Brugmann,  M.  ü.  3,  40,  Thurneysen,  Bezz.  B.  9,  276  mit  dem  keltischen 


M  Georges  Lexikon    lat.   Wortf.    s.  v.   ■   Rh.  M.  27,  185  thun  zu  wollen  scheint. 
asto  bringt  astasint  bei,   das   nach   der  Bo-   !  ^)  Vgl.  §  117  und  Misteli,  Zeitschr.   f. 

merkung  über  die  Benutzung  der  Aushänge-    i   Völkerpsych.  15,  460. 

bogen    der    Festusausgabe    von  Thewbewk   ;  *)  Wegen  Wackernagel's  Einwand  Phi- 

VON  PoNOR   (siehe   Vorrede)   die   bestbeglau-       lol.  Anz.  17   (1887)  229   gegen    Brugmann  s 
bigte  Leseart  zu  sein  scheint.    Dann  müsste 
ustdsent  natürlich  entfallen. 

-)  Vgl.  bes.  Brugmann,  M.  ü.  3,  33,  37 


Aufstellung  vgl  oben  8.  lt)8  f.  Fussnot«. 
Auch  Bechtel,  Ct.  g.  N.  1888,  404  überzeugt 
mich  nicht. 


u.   a.   a.   St.     Auf  uUo  Nonius   185,    17  M.  i  •'*)  Brugmann,    M.    U.   3,   28,   Wacker- 

(uho    Vossius)    kann    man    wegen    St    ulc-  \  nagrl.  K.  Z.  25,  366. 

(*m/c-S(?,   daraus   regelrecht   m/so,   vgl.  §  65,  |  «)  Stolz,  Verbalflexion  1,  64  f. 

3c)  kein  Gewicht  legen,   wie  es  Büchelbr,  i 


4.  Flexion  des  Verbonui.  (§  112—113.)  375 

s-Präteritum  zu  identifizieren,  gall.  legasit  Stokes,  Bezz.  B.  11,  137,  air. 
rocharus  cym,  cerais  aus  *carassu  von  caraim  „ich  liebe".  Anders  Mahlow, 
K.  Z.  26,  586  nach  Bezzenberger,  Beitr.  3,  159  Anm.,  Osthoff,  Perf.  220  f. 
Beeinflusst  wurde  die  Verwendung  der  eben  erwähnten  Formen  durch 
aniosseni  (aus  amavissem).  Vereinzelte  Bildungen  der  gleichen  Art  sind 
adessint  CIL.  1,  198,  63  und  essis  Ribbeck,  Trag,  fragm.«  283  (XII).») 

Anmerkung  1.  Die  vorstehende  Darstellung  schliesst  sich  an  Bruomann*8  Unter- 
suchungen in  M.  U.  3,  1  f .  an;  beistimmend  äussert  sich  über  dieselben  J.  Schmidt,  K.  Z. 
27,  327.  Damach  sind  die  älteren  Ausführungen  Cobssen's,  die  lautgesetzlich  nicht  ge- 
rechtfertigt sind,  und  die  noch  unglaublicheren  Erklärungsversuche  von  Savelsbebo,  K. 
Z.  21,  164  f.  zu  korrigieren. 

Anmerkung  2.  In  die  Kategorie  der  Bildungen,  wie  Tuibesso,  scheinen  auch  die 
Präsentia  capesso  capissam  Pacuv.  nach  Non.  327,  1  M.  facesso  petesso,  adpetissis  Accius 
nach  Non.  361,  25  M.,  qucieso  (für  qiMesso)  zu  gehören.^) 

Anmerkung  3.  Vahlbn,  Cic.  De  leg.  3,  3,  6  liest  inrogasit  und  3,  4,  11  locasint. 
Sollten  die  Formen  richtig  überliefert  und  nicht  von  Cicero  erfunden  sein  (Jordan,  Krit. 
Beitr.  228),  so  lägen  hier  zwei  handschriftliche  Beispiele  der  Vereinfachung  des  -ss-  der 
anderen  Formen  vor.  Vgl.  auch  Voigt,  Rh.  M.  31,  150,  der  aus  einer  von  Ang.  Politianus 
herrührenden  Abschrift  des  Festus  ^vindiserW^  (?)  erwähnt  und  durch  Hinweis  auf  ploi'osü 
(12-Tafelgesetze)  stützt.  Inschr.  violastt  Schneider  95.  gnorüur  '  cognitum  sive  compertum 
est,  das  Götz,  Ind.  lect.  aest.  Jenae  1886  S;  IX  ans  Tageslicht  gezogen  hat,  muss  wohl  für 
*gnö8-itur  stehen,  vgl.  nös-iis  nö-mus. 

Zu  den  Resten  des  alten  5- Aoristes  gehört  auch  der  Conjunctivus 
imperfecti,  früher  fälschlich  als  Zusammensetzung  des  Verbalstammes 
mit  -^em,  einer  angeblichen  Nebenform  von  essem,  aufgefasst,  von  Pick, 
Gott.  g.  A.  1883,  S.  586  gemäss  der  Adaptionstheorie  Ludwio's  als 
flektierter  Infinitiv  erklärt.  Ich  habe  Verbalflexion  1,  8  f.  siareni  monercm 
audirem  als  die  alten  lautgesetzlichen  Vertreter  des  Indikativs  des  ^-Aoristes 
zu  erweisen  gesucht  (Grdf.  *stas^7^  u.  s.  w.),^)  mit  sekundärer  Länge  des  e 
nach  den  Optativen  audiem  audies  u.  s.  w. ;  nach  ihrem  Muster  ist  dicerem 
u.  s.  w.  gebildet.  Anders  Thurneysen,  Bezz.  B.  8,  274  f.,  der  im  Anschluss 
an  Bezzenberoer  Doppelformen  *deix-  und  *deiciS'  annimmt  und  von  letzterer 
dicerem  ableitet;  doch  bleibt  nach  unseren  Ausführungen  hiebei  die  Endung 
'cm  unerklärt.  Auch  die  unmittelbare  Gleichsetzung  von  sturem  und  tftrfictini 
(Westphal,  Vergl.  Gramm.  1,  571),  deixem  und  Sei^aifxi  (Haberlandt,  Sitzb. 
d.  Wiener  Akad.  d.  Wiss.  C  991  f.)  geht  nicht  an,  da  der  Optativ  des  sig- 
matischen  Aoristes  auf -ai/it  u.  s.  w.  eine  spezifisch  griechische  Neubildung  ist. 

Anmerkung.  Vielleicht  ein  Part,  eines  »-Aorists  ist  axit^a  Paul.  Festi  3,  4; 
vgl.  Stolz,  Wien.  Stud.  10,  302  f.,  jedoch  auch  Götz,  Ind.  lect.  aest.  Jenens.  1887,  S.  4  und 
Arch.  f.  lat.  Lex.  2,  339. 

Das  b- Futurum  und  -Imperfektum. 

113.  Diese  beiden  Tempora  sind  dureh  Zusammensetzung  mit  dem 
Verbum  *6äm-  gebildet.^)  Vgl.  fal.  pipa-fo  care-fo^)  ir.  car-fa.  Aus- 
gegangen ist  die  Bildung  von  den  Verben  auf  -e-,  den  abgeleiteten  Verben 


^)  Stolz,  Verbalfloxion  31  f.  |  Fumi,  La  glottologia  e  i  neogrammatici  45 

^)  Bbuomann,  M.  U.  3,  41  und  130.  I  Anm.  Überzeugt  nicht  mehr  als  seine  früheren 

')  Vgl.  dazu  Osthoff,  Z.  G.   d.  P.  20H  ,  Ausführungen. 

Anm.  '  *)  Woch.   f.    klass.    Phil.    1887  S.  443. 

*)  Übersicht   der  verschiedenen  Erklä-  I  Für  die  Echtheit  der  Inschrift  spricht  sich 

rungsversuche  bei  Stolz,  Vcrbalflexion  1, 16f.  auch    Bücheler,   Deutsche  Litteraturzeitung 

u.  ScHWBizEB-SiDLEB,    Phil.    Woch.  3,  752.  ;  1889,  Sp.  424  aus.    Vgl.  die  Nachträge. 


376 


B.  Lateinische  Ghrammatik.    c)  Lateinische  Fonnenlehre. 


auf  -60  und  den  thematischen  überhaupt,  die  einen  alten  Infinitiv  auf  -^ 
gehabt  zu  haben  scheinen  (skr.  sdde,  Westphal,  Phil.-hist.  Gramm,  der 
deutschen  Spr.  109,  J.  Schmidt,  K.  Z.  26,  397,  darf  freilich  nicht  un- 
mittelbar verglichen  werden,  weil  für  skr.  -c  (=  idg.  *-ajQ  im  Auslaut 
lat.  -/  stehen  müsste,  vgl.  §  117),  z.  B.  arS,  später  ari^  (vgl.  §  117),  facU 
are  Lucr.  6,  962;*)  vgl.  ferner  Cato  r.  r.  157,  9  K.,  Varro  r.  r.  1,  9,  2; 
2,  9,  13  K.;  arebo  geht  also  auf  *dr^  hhifö  (entweder  Präsens  nach  der 
6.  altindischen  Yerbalklasse  oder  Conjunctivus  zu  dhhüvam)  *)  zurück,  woraus 
regelrecht  arebo  wurde  {*bh^ö  */bV)  i^  Inlaute  -6o).  Im  Anschlüsse  an  die 
Futura  plü-bo  ar^-bo  u.  s.  w.  erklären  sich  amo-bo  i-bo  qu^bo  st^bo;  Neue 
2,  448  f.  weist  dreissig  i-Verba  nach,  die  ein  Futurum  auf  -bo  bilden. 
Sehr  vereinzelt  sind  diese  Futura  von  einfachen  o- Verben:  dicebo  (Novius 
bei  Nonius  507,  2  M.),  vivebo  (ib.  509,  3  M.);  exsugebo  (Plautus).  Über 
das  Futurum  auf  -am  -es  u.  s,  w.  vgl.  §  114,  115. 

Von  derselben  Bildung  ist  das  Imperfektum  auf  -tarn;  in  -bam  steckt 
ein  alter  Aorist  von  *6ä««-,  wie  Thurneysen,  Bezz.,  B.  8,  281  f.,  bes.  285 
nachweist,  urspr.  *bhuaum  "^bh^ai^  *bhlUl^t,  woraus  bereits  grundsprachlich 
(vgl.  §  13)  Hh^am  *bhuas  *bh^at,  lat.  */äm  *fas  *fat  und  im  Inlaute  *bam 
*bas  *bat  werden  musste;  von  dem  Singular  wurde  die  Länge  das  Vokales 
auch  auf  den  Plural  übertragen.  Wie  pU-bam  u.  s.  w.  wurde  nun  amörham 
scl'bam  gebildet  (ein  Verzeichnis  dieser  Formen  auf  -ibam  bei  Neue  2,  444  f.), 
erst  späteren  Datums  sind  die  Formen  auf  -isbam.  Die  Länge  des  e  in 
legi^'bam  carp^-bam  u.  s.  w.  ist  nicht  nach  Analogie  der  übrigen  Jmper- 
fekta  zu  erklären,  sondern  ursprünglich,  vgl.  unten  §  118.  Das  Imper- 
fektum eram  ist  nicht  unmittelbar  =  skr.  dsam  (dies  wäre  =  "^esem  Grdf. 
*cstp),  sondern  lateinische  Neubildung  nach  -bam  -bas  -bat  u.  s.  w.  Brüg- 
MANN,  M.  U.  1,  35  f.  teilt  ^es-a-ni,  fasst  also  ^esa-  als  eine  Weiterbildung 
von  es-.  Einen  a-Aorist  erkennt  in  eram  im  Anschluss  an  Fick  auch 
Mekler,  Beitr.  z.  Bildung  d.  griech.  Verb.,  Dorpat  1887,  S.  87;  vgl.  auch 
Bezzenberger,  G.  g.  A.  1887,  417  Anm.  2. 

Anmerkung  1.  Eine  archaisch-lateinische  Vulgärform  des  Imperfekts,  ausgehend 
auf  -am,  glaubt  Gröber,  Arch.  f.  lat.  Lex.  1,  228  f.  aus  dem  Romanischen  erschlieesen  zu 
können:  *flore-am  ^fim-am,  dann  auch  *lege-am. 

Anmerkung  2.  Fick.  Gott.  g.  A.  1883,  587  irrt  vollständig,  wenn  er  amäham 
aus  *amamsam  erklären  zu  können  glaubt;  denn  abgesehen  von  -sam  (!)  geht  lat-  -ms-  bez. 
-ns-  nie  in  /*,  bez.  b  über  (vgl.  §  65,  3,  b). 

Modi. 

114.  Konjunktiv.  Das  einzige  Beispiel  eines  K.  von  einem  Verbum 
der  ersten  Hauptkonjugation  ist  ero  gr.  ^(<x)ft>,  eris  crit  skr.  dsas  dsat;  die 
übrigen,  eam  u.  s.  w.  sind  nach  d.  them.  gebildet. 

Bei  den  thematischen  Verben  hat  der  K.  den  Charaktervokal  -d-,  in  feräm 
ferät  nach  den  Auslautsgesetzen  gekürzt,  vgl.  noch  doce-am  audi-am;  die  Zu- 
sammenstellung mit  skr.  bhdräni  slav.  feer« ,  ir.  bera,  vgl.  auch  umbr.  fa^ia 
(auch  volsk.  Zvet.  Inscr.  It.  med.  46)  habia,  osk.  potiad  deicans,  pael.  didn 
ZvET.  ib.  11,  die  ich  für  richtig  halte,'*)  führt  auf  eine  idg.  Grundform  Hhera-, 


')  Vgl.  Lachmann  zu  Lucret.  3,  906. 
^)  Bruomann  in  Techmer's  Int.  Zeitschr. 
1,  240. 

3j  Vgl.  dubius  aus  *du-6Äjf- w«,  superbus 


*super-bh^-os. 

*)  Vgl.  Bruomann,  M.  U.  1,  145,  3,  30  f.. 
Osthoff,  M.  U.  2,  124  f.,  Misteli,  Z.  f. 
Völkerpsych.  14,  314,  Mahlow,  D.  1.  V.  162, 


4.  Flexion  des  Verbums.  (§  114-115.)  377 

Thürnetsens  scharfsinnigen  Auseinandersetzungen  in  Bezz.  B.  8,  269  f.,  denen 
zufolge  der  italische  und  keltische  Konjunktiv  konjunkter  Flexion  als  eine 
Neubildung  nach  dem  Muster  von  *fam  *ßs  *fat  u.  s.  w.  (vgl.  §  113) 
gefasst  werden,  während  in  fer^s  *fer€t  ferEmus  ferHis  (nach  ihnen  auch 
*fero  *feront  zu  fere{m)  feretU  umgeformt)  der  eigentliche  Konjunktiv 
=  gr.  q>€Q(o  g>€^i]g  u.  s.  w.  stecken  soll,  vermag  ich  aus  mehrfachen 
Gründen  nicht  beizustimmen.  Vgl.  neuerdings  Henry,  Esquisses  morpho- 
logiques  III  (Extr.  du  museon  Douai  1885),  Precis  S.  123,  Job,  Mem.  d.  1. 
S.  d.  1.  6,  347  f.  und  Breal  ib.  409  ff.  creduam  ist  durch  duim  duis  u.  s.  w. 
hervorgerufen,  die  man  zu  do  stellte  (vgl.  S.  362).  Vielleicht  ist  auch  inquam 
ein  Konjunktiv  des  alten  Aoristes  Hn-sq-onif^)  jedesfalls  sind  inquo  und 
inquio  ohne  sichere  Belegstelle.  *)  Die  1.  Sgl.  des  K.  der  o-  und  ro-Verba 
dient  zugleich  als  Futurum.    Über  den  Konj.  d.  Imperfekts  vgl.  oben  §  112. 

116.  Optativ.  Nach  den  Ausführungen  von  J.  Schmidt,  K.  Z.  24, 
303  f.  ist  bei  den  unthematischen  Verben  im  Sing,  das  Moduszeichen  -^'^-, 
im  Plur.  -1-.  Die  ursprünglichen  Formen  von  W.  es-  sind  demnach  sieni 
(vgl.  gr.  ({(ryr^v  skr.  syäm)  sie^  siet  (inschriftlich,  sowie  das  gleich  zu  er- 
wähnende Stent  bis  zur  Zeit  der  Gracchen  und  des  Cimbernkrieges  nach- 
zuweisen),'*) sTnius  Sitis  sient  für  *siint,  vgl.  el.  avväav.  Nach  simus  »itis 
sind  die  im  klassischen  Latein  ausschliesslich  üblichen  Formen  sXm  sTs  sU, 
älter  sU,  seit  CIL.  1,  603,  sint  uniformiert.  Derselbe  Fall  liegt  vor  bei  veUm 
für  *veli€m  nolim  malim,  sowie  bei  den  altlat.  Formen  edim  duim.*^)  dem  stem 
können  lautgesetzlich  nicht  aus  den  vorauszusetzenden  Grundformen  ^da-is-m 
^sta-i^-m  (wenn  sto  nicht  überhaupt  mit  Brugmann  =  *sta-i-ö  zu  setzen  ist, 
vgl.  §  100,  2)  hergeleitet  werden,  da  diese  wohl  *dam  *stam  ergeben  hätten. 
Sie  sind  also  nach  Analogie  der  abgeleiteten  a-Verba  gebildet.^)  Dieselbe 
Bildungsweise  befolgte  der  sigmatische  Aorist,  ein  ursprünglich  unthematisch 
flektierendes  Tempus,'')  daher  faxini  viderim  (vgl.  gr.  eiSeitjv  für  *is€id€air]v), 
wornach  die  Perfecta  überhaupt  sie  annahmen.  Die  ursprüngliche  Länge 
des  Vokals  ist  in  alter  und  zum  Teil  bei  Dichtem  auch  in  späterer  Zeit 
gewahrt,  z.  B.  dederttis  (Ennius),  norimus  (Terent.)  und  an  anderen  Stellen 
bei  Neue  2,  510.  In  der  Regel  aber  ist  auch  im  Opt.  d..Perf.  der  kurze 
Vokal  herrschend  geworden,  der  den  lautlich  mit  Ausnahme  der  1.  sgl. 
(fecero  neben  fecenm)  und  3.  Plur.  übereinstimmenden  Formen  des  Konj.  d. 
Perf.,  bez.  Fut.  exactum  regelrecht  eigen  war.  Umgekehrt  zeigen  auch 
die  Konjunktivformen  die  ihnen  nicht  zugehörige  Länge. 

Der  Optativ  der  thematischen  Verba  hat  das  Charakteristiken  -T-,  schon 
in  indog.  Zeit  aus  -?-  gekürzt,  vgl.  oben  S.  174;  vgl.  skr.  bhdret  für 
Hharori't  gr.  (fägo-i-g.  Als  Grundformen  für  das  Lateinische  ergeben  sich: 
1.  Sgl.  *fero-i'rgL  ^fero-i-ew,  vgl.  oben  S.  145  Fussnote,  2.  Sgl.  ^fero^-s, 
3.   Sgl.     *fer(hi-t;   1.   pl.    "^fero-i-mos,    2.   pl.    fero-i-tis,    3.    pl.    ^fero-i-i^t 


CüBTius,  Vb.*  2,  79,  Bbuomann,  Grundriss  1 
§201. 

0  Stolz,  Verbalflexion  1,  20;  Pott.  K.  Z. 
26,  209. 

«)  Nbüb,  2,  612. 

»)  ib.  2.  592. 


*)  ib.  441  f.  I  tab.  rel.  87. 


^)  CuBTius*  Ansatz  ^sta-i-t  (Vb.«  2,  91) 
hängt  ebenso  in  der  Luft,  wie  Mistbli's 
*da-i't  (Z.  f.  Völkerpsycb.   14,   295  Anm.). 

•)  Bbugmahn,  C.  St.  9,  311  f.;  Bkzz.  B. 
2,  245;  Stolz,  Verbalflexion  1,  13  f.  Ober 
diese  Optative  vgl.  auch   Scholl,  Leg.  XII 


378 


B.  Lateinisohe  Ghrammatik.    o)  Lateiniaohe  Formenlehre. 


*ferO'i-ent  Daraus  lautgesetzlich  höchst  wahrscheinlich  1)  *ferom  *fera9Ü 
(vgl.  oben  §  36,  2  und  Osthoff,  M.  U.  4,  304);  2)  ^feris  *ferU  (vgl. 
§  13,  5);  3)  ferBmus  fer€tis,  wie  der  Vergleich  mit  pomeritfm  aus 
*p6s-moiriO'  ergibt  (vgl.  auch  Brugmann,  Qrundriss  2,  151  über  aU^us 
terrmvSy  worin  vielleicht  idg.  *'OinO'  steckt).  Die  Uniformierung  des 
ganzen  Modus  von  der  1.  und  2.  des  Plurals  aus  (zunächst  ferent,  dann 
der  Singular)  hat  eine  genau  entsprechende  Parallele  an  sim  u.  s.  w.^)  In 
gleicher  Weise  erklären  sich  aber  kaum  die  Formen  dieses  Modus  der  ab- 
geleiteten Verba  (vielleicht  ^audi-io^i-mos  =  audi-E-mus^  aber  ^amör-io^mos 
hätte  wohl  *amamus  ergeben).  Es  werden  also  amem  ames  u.  s.  w.  wohl 
Neubildungen  des  Lateinischen  sein.  Diese  Neubildung  erklärt  sich  um 
so  leichter,  wenn  man  bedenkt,  dass  auch  der  idg.  Konjunktiv  der  a- Verba 
in  dieser  Form,  wie  der  Optativ,  mit  dem  Indikativ  zusammenfiel 
(^ama-i-a-mos  *amamiis).  Die  Neubildung  erklärt  sich  aus  dem  Verhältnis 
amem  :  amo  =  ferem  :  fero.  Vgl.  übrigens  über  die  Bildung  des  Optativs 
auch  den  Erklärungsversuch  Bruomann's,  Grundriss  1,  §  81,  Anm.  3.  Da 
in  der  lat.  Sprache,  soweit  unsere  historische  Überlieferung  reicht,  Kon- 
junktiv und  Optativ  ohne  Unterschied  der  Bedeutung  gebraucht  werden,  so 
kann  es  doch  wohl  nicht  auffallen  (Thurneysen  findet  darin  eine  Stütze 
für  seine  Auffassung),  dass  die  im  sonstigen  Gebrauche  mit  denen  des 
Konjunktivs  identisch  gewordenen  Formen  des  Optativs  auch  die  Funktionen 
des  Futurums  übernahmen.  Solche  Formen  sind  audies  leges  u.  s.  w.  Erste 
Personen  auf  -e,  bez.  -em  aus  Cato  und  anderen  alten  Schriftstellern  bei 
Neue  2,  447,  Löwe,  Acta  soc.  phil.  Lips.  5,  317.  Über  die  Verwendung 
des  lat.  Konj.  (bez.  Opt.)  d.  Präs.  als  Futurum  vgl.  auch  E.  Rodenbusch, 
De  temporum  usu  Plautino  quaest.  sei.  Argentorati  1888  diss.  inaug. 
S.  57  ff.  (Arch.  f.  lat.  Lex.  5,  304  ff.). 

116.  Imperativ.^)  Im  Lateinischen  wird  ein  Imperativ  im  all- 
gemeinen nur  vom  Präsensstamm  gebildet;  denn  der  sogenannte  Imp.  futuri 
verdankt  nur  den  Grammatikern  seine  Benennung.  Nur  mcmento  Qrdf. 
*memfit6d  fnemeritote  sind  von  dem  Perfektum  memini  abgeleitet. 

Activum. 

2.  d.  Sing.  Von  den  un thematischen  Verben  wird  die  unechte  Kon- 
junktiv- (nach  Brugmann  Injunktiv-)form  verwendet;^)  es  es  fer  (spät- 
lateinisch affers  Rönsch,  Itala  294)  vel  (nur  mehr  als  Konjunktion  ver- 
wendet) stehen  für  *cd-s  *e5-s  */er-s  HeUs,  vgl.  gr.  doq  und  sind  eigentlich 
Indikative  des  Präteritums.  Nach  ihnen  sind  die  duc  fae,  ja  sogar  inger 
gebildet,  wie  schon  Corssen  2,  602  lehrt;  die  volleren,  in  älterem  Latein 
sehr  häufig  vorkommenden  Formen  bei  Neue  2,  438  f.  Solche  Injunktiv- 
formen  scheinen  auch  prosjnces  perfines  Fest.  205  zu  sein.  Die  vokalisch 
endigenden  unthematischen  Verba  ire  dare,  vielleicht  auch  stare  haben  sich 
nach  den  thematischen  auf  -/o  -ao  gerichtet,  daher  J  da  sta,  noli  nolei  CIL.  1, 
1081,  1453  (unsicher  wcK  Löw^e,  Prodr.  360)  ist  nicht  aus  «ofo  hervorgegangen 


')  Dieso  Ansicht  habe  ich  auch  Zeitschr. 
f.  d.  öst.  Gymn.  Jg.  1889,  S.  222  f.  ent- 
wickelt. 

'^)  Zur  Litteratur  Thübkeysen,  Der  indo- 


germanische Imperativ,  K.  Z.  27,  172  f. 

^)  Benfey,  Kurze  Sanskritgr.  89;  Del- 
brück, Synt.  Forsch.  4,  68,  119;  Brugmann, 
M.  ü.  3,  2  f. 


4.  Flexion  des  Verbams.  (§  116-117.)  379 

(CoRSSEN  1,  724),  sondern  zu  dem  von  nolUis  zunächst  abstrahierten  nolite 
nach  dem  Verhältnis  von  audite  :  audi  gebildet,*)  dann  auch  nolüo  nolitofe. 
Die  thematischen  Verba  setzen  die  Stammform  auf  -e,  also  IcgCy  gr.  Xeye 
skr.  vuha;  ama  mone  (gelegentlich  auch  mit  Verkürzung  in  iambischen 
Wortformen)  aus  ^amäie  *moneie,  jedoch  audi  wahrscheinlich  Analogie- 
bildung, vgl.  §  36,  2;  at  Naevius  nach  Diom.  bei  Keil,  Gr.  L.  1,  374, 
3  V.  "^alrey  vgl.  als  Plaut.  Bacch.  78.  2.  und  3.  d.  Sing.  Eine  gemein- 
same Form  auf  -tö  urspr.  4öd  gr.  'Ta){t)  skr.  -tat,  so  statod  (Dvenos- 
inschrift),  licetod  datod  molatod  (neben  exvehito  exferto)  auf  der  lex 
Spoletina;  estod  \li]cctod  lex  Lucerina  CIL.  9,  782,  ersteres  auch  Festus 
230,  14;  vielleicht  auch  facitud  l,  813;  hdbetod  Plaut.  Mil.  23  Ribb. 
{habetot  B  a);  vgl.  osk.  estud  Kkiiud.  Die  Formen  fundatid  parentatid 
proiecitad  auf  ders.  1.  Luc.  sind  trotz  Corssens  Erklärungsversuches  Eph. 
ep.  2,  205  f.  sehr  unsicher  und  beruhen  höchst  wahrscheinlich  auf  schlechter 
Abschrift.  Danielsson  bei  Pauli,  Altit.  Stud.  4,  154  hält  die  ersten  beiden 
für  Analogiebildungen  nach  osk.  hipid  fefacid  (sichere  Verbesserung  für 
überliefertes  fepacid),  die  letzte  Form  ist  noch  zweifelhafter.  Nach  den 
Auseinandersetzungen  von  Scherer,  Z.  6.  d.  d.  Spr.  389  f.,  Buooe,  Altit. 
Stud.  29,  Brugmann,  M.  U.  1,  163  f.,  Tuurneysen  a.  a.  0.  179  hat  un- 
zweifelhaft die  Form  auf  -töd  als  Imperativ  für  die  zweite  und  dritte 
Person  d.  Sing,  und  Plur.  fungiert;  vgl.  bes.  umbr.  etatu  lovinur  VI  b 
63.*)  2.  d.  Plur.  Die  einfache  Form  auf  -te  gehört  wieder  dem  unechten 
Konjunktiv  an,  daher  este  (älter  *ste  skr.  std),  ferte  (für  *  forte  skr.  *bhrtd 
wie  krtd),  date,  ite,  ebenso  von  den  thematischen  Verben  legite  (vgl.  gr. 
ksyete  und  e-keyere),  laudate  monete  audite.  Die  Form  auf  -tote  ist  offenbar 
einfache  Pluralisierung  der  Singularform  auf  -to  durch  das  Personalsuffix, 
also  legito'te.^)  3.  d.  Plur.  Eine  Neubildung  nach  dem  Muster  des  Sing,  ist 
auch  diese  Form,  wie  gr.  A^yoiT«;  suntod  auf  der  lex  Spoletina,  sonst 
immer  die  Formen  auf    to.^) 

Passivum. 

Die  2.  Sgl.  sequere  habe  ich  jetzt  mit  mehreren  Gelehrten  (vgl.  §  10) 
gleich  gr.  i'7ie{a)o  gesetzt.  Die  2.  plur.  legimini  ist  der  Imperativisch  ver- 
wendete Imperativ  (=  gr.  Ib'yefievai)^  vgl.  §  98.  Die  3.  sing,  und  plur.  sind 
aus  den  entsprechenden  aktiven  Formen  durch  den  Passivexponenten  r  ge- 
bildet, z.  B.  laudato-r  laudanto-r.  Über  die  Imp.  auf  -mino  vgl.  §  98.  Von 
Deponentien  finden  sich  Formen  mit  aktivem  Ausgange,  z.  B.  utito  praefato 
(sonst  nie  mit  aktiver  Form)  u.  a.  bei  Neue  2,  400,  inschr.  als  Passivum 
censento  CIL.  1,  198,  77.  Diese  Formen  erinnern  an  eine  Zeit,  wo  das  Suffix 
'tod,  wie  oben  auseinandergesetzt  wurde,   noch   eine  freiere  Geltung  hatte. 

Infinitive  und  Partizipien. 

117.  Infinitiv. 5)  Sämtliche  aktive  Inf.  endigen  sich  auf -se,  bez.  -rc, 
so  im  Präsens  von  unthematischen  Verben  velle  ferre  esse  (von  ed-  und  es-) 

*)  Dieselbe   Erklärung   jetzt    auch   von  \   und  Partikel  *töd  siehe  oben  S.  172  f. 
Waoksbvaoel,  K.  Z.  30,  313.  ^)  Bbuomamn  a.  a.  0.  165. 

*)  Dagegen  Cübtiüs,  Zur  Krit.  d.  neuesten  *)  Bruomann  a.  a.   0.,    Techxbr  s   Int. 

Sprachf.  141  onter  Zustimmung  von  J.  Schmidt,       Zeitschrift  1,  238,  Thurneysen  a.  a.  0.  179. 

Deutsche  Literaturztg.    1885,   344.     Die  Er-  |  *)  Bruomann,  M.  U.  3,  42  f, 

klftrong    dieser   Formen    aus    Verbalstamm  { 


380  B*  LateiniBohe  Qrammatik.    o)  Lateinische  Formenlehre. 

für  *vcUse  *  ferse  *ed-se  esse  (ese  CIL.  1,  185,  186,  196,  worauf  Mebouet, 
Formenbildung  248  Schlüsse  baut,  ist  nur  von  graphischer  Bedeutung); 
ferner  dä-re,  ß^re;  von  thematischen  agd-re,  lauda-re,  mofH^-re,  audl^re; 
ferner  vom  sigmatischen  Aorist  dixe  scripse,  vom  Perfektum  ttäudisse,  ver- 
einzelt averuncassere  u.  s.  w.  vom  Put.  ex.     Nach  Brugmann.  Grundriss  2 

5.  459  sind  altüberkommen  nur  die  Formen  auf  -ere  (=  ^-es-X,  Lokative  von 
es-Stämmen,  vgl.  gr.  SofAsv  (Lokativ)  neben  rf6ju«=v-ai, (Dativ))  und  vielleicht 
auch  dixe  und  Konsorten,  vgl.  skr.  dr^-f,  während  dare  ferre  und  alle  In- 
finitive d.  Präsens  der  untheroatischen  Verba  lateinische  Neubildungen  sind. 
Da  das  -6  der  Infinitivendung  -ere  in  einzelnen  Fällen  lang  gemessen  wurde 
(vgl.  Waoner,  Rh.  M.  22,  118,  425,  Corssen  2,  474  f.,  dagegen  Misteli, 
Z.  f.  Völkerpsych.  14,  326),  so  kann  man  hierin  wohl  nur  eine  poetische 
Freiheit  sehen,  hervorgerufen  durch  den  schwankenden  Gebrauch  von  For- 
men, wie  fiere  fierf  fierei.  Die  passiven  und  deponentialen  Infinitive  auf  -F 
sind  dativischen  Ursprunges  (—  idg.  *-ai),  z.  B.  agT  skr.  dj-c,  dic-t,  sequ-'i 
u.  s.  w.,  ebenso  dasi  Paul.  Fest.  68,  13  M.,  später  darf,  ferr%  vgl.  skr. 
ji'^e;  nach  diesen  Mustern  sind  ama-n,  monE-n,  audt^  ße-ri  {-et)  für  älteres 
ßere  (die  Stellen  bei  Neue  2,  334)  neugebildet.  Bruomann  weist  die  Lokativ- 
form ausdrücklich  dem  Aktivum,  die  Dativform  dem  Passivum  (Deponens) 
zu.     Auffallend  ist  dann   die   Verwendung  von   dari  für  dare  Varro  1.  1. 

6,  86,  iudicare  für  iudicari  in  der  lex  Rubria;^)  auch  Plaut.  Poen.  710 
bieten  die  Handschriften  dare  (Götz  nach  Ritschl  ,ydarei").  Sollte  viel- 
leicht nicht  doch  ehedem  die  Verwendung  der  Infinitive  eine  von  dem 
Genus  des  Verbums  weniger  abhängige  gewesen  sein?  ar^-  und  die  ent- 
sprechenden Formen  dürften  Eontaminationsbildungen  zwischen  den  Infini- 
tiven auf  -r  und  -^  sein.  Die  neben  den  gewöhnlichen  passiven  Inf.  auf  -i 
gleichzeitig  (aber  nicht  früher)  erscheinenden  auf  -ier,  wie  agi-er  luudari-er 
u.  s.  w.,  welche  allem  Scharfsinn  früherer  Erklärer  getrotzt  haben,*)  weil 
man  sie  für  älter  als  die  erstgenannten  hielt,  ^)  können  meiner  Ansicht  nach 
aus  dem  gewöhnlichen  Infinitiv  auf  -T  und  dem  von  den  thematischen, 
nicht  abgeleiteten  Verben  entlehnten  Infinitivsuffix  -ere  gebildet  sein. 
Freilich  erwachsen  diesem  Erklärungsversuche  Schwierigkeiten,  wenn  wirk- 
lich die  Scheidung  in  Aktiv-  und  Passivformen  des  Infinitivs  so  streng  von 
Anfang  an  durchgeführt  war,  wie  von  Brugmann  angenommen  wird;  vgl. 
jedoch  seine  Bemerkungen  über  den^griech.  Infinitiv  oben  S.  178  f.  Von 
formaler  Seite  ist  die  Abstumpfung  des  ^ere  zu  -er  für  die  Vulgärsprache 
entschieden  nachweisbar^)  und  biber  für  Fannius  Cato  und  Titinius  durch 
Charis.  bei  Keil,  Gr.  L.  1,  124  bezeugt.  Brugmann,  Grundriss  2  S.  460 
vermutet  in  dem  -er  die  (dialektische)  Präposition  ar  und  vergleicht  hin- 
sichtlich der  Stellung  quem  ad  umbr.  asam-az;  vgl.  jedoch  den  Nachtrag  zu 
S.  292.  Nach  Fick,  Gott.  gel.  Anz.  1883,  S.  586  (zustimmend  Windisch, 
Abh.  d.  kgl.  Sachs.  Ges.  d.  W.  X,  508)  ist  agie-r  zu  teilen  (aber  agie-  kann 


')  Lakge,  Denkschr.  der  k.  Akad.  d. 
W.  zu  Wien  10.  48.  52. 

■-)  Vgl.  die  Übereicht  der  Vereuche  bei 
Schleicher,  Comp.  S.  457  f. 

^)  Auch  i.st  nicht  zu  übersehen,  dass  die 


♦)  Vgl.  die  Vorechrift  des  Caper  bei 
Keil.  Gr.  L.  7,  108,  10:  bibere  non  biber 
und  ScHUCHARDT,  Vok.  2,  390.  Inschr.  nur 
haber  CIL.  8,  8369  nach  Seblhann,  Neue 
phil.  Rundschau  1886,  S.  190  und  iransferr 


Inf.  auf  -i  an  Zahl  immer  tiberwiegen.  i   (Schüchardt  a.  a.  0.). 


4.  Flexion  des  Verbanus.  (§  118.) 


381 


nicht  Grundform  von  agi-  sein).  F.  Müller,  Orundriss  der  Sprachwissen- 
schaft III  2,  650  f.  hält  -er  für  den  Passivexponent^n  (woher  aber  dann 
das  -e-?).  Eine  neue  unhaltbare  Hypothese  bringt  Henry,  Mem.  d.  1.  S. 
d.  1.  6,  62  ff.     So  ist  der  Ursprung  dieser  Form  immer  noch  unklar. 

118.  Partizipien.  1.  Das  Part.  präs.  act.  wird  durch  Suffix  -nt 
gebildet ;')  über  den  Wechsel  von  -ont  und  -ent  bei  den  nichtabgeleiteten 
thematischen  und  un thematischen  Verben  vgl.  §  45. 

2.  Ein  Part.  perf.  act.  ist  nicht  mit  Sicherheit  nachgewiesen.  Sehr 
fraglich  sind  die  von  Curtius,  Vb.*  2,  250  als  deiche  angesetzton  papa-ver 
und  cada-^er;  mit  grösserer  Wahrscheinlichkeit  hat  J.  Schmidt,  K.  Z.  26, 
372  f.  osk.  sipas  lat.  silms  persibus  (=  urit.  *sep^ö8  oder  *s?piis)  als  ein 
Part.  d.  Perf.  erklärt:  vgl.  Bartholomae,  K.  Z.  29,  540,  Bruomann,  Orund- 
riss 2,  S.  417.  nteminens  ist  eine  sekundäre  Neubildung,  wie  gr.  xaxh]- 
yovTsq  u.  a. 

3.  Das  Part.  fut.  act.  auf  ^-turo-  ist  eine  Weiterbildung  des  Verbalnomens 
auf -/ar  (vgl.  die  subst.  Bildungen  auf -^ura),  darunter  viele  Analogiebildungen, 
z.  B.  oriiurus  morituras  luiturus  nuiturus  nach  denen  auf  -Hurus,^) 

4.  Partizipiale  Bildungen  mit  dem  Suffix  idg.  stärkster  Stamm  ^mön-, 
stark  -iwewo-  schwach  -mno-  kennt  das  Lateinische  nur  in  erstarrter  Form,  in 
der  2.  plur.  ama-mini  u.  s.  w.  (vgl.  §  98)  oder  in  substantivischer,  bez.  ad- 
jektivischer Verwendung,  z.  B.  alimönium  Al&nwna  alumnus.  Dazu  nach 
OsTHOFP  auch  cleniens  vehemens,  vgl.  oben  §  77,  3.  Über  diese  Bildungen 
vgl.  Bechstein  a.  a.  0.  387  f.  und  Bruomann,  M.  U.  2,  185,  der  mit  Recht 
sämtliche  von  ursprünglichen  *fiton-Stämmen  aus  erklärt. 

5)  Das  Suffix  -fo-  gr.  -ro-,  ursprünglich  betont  und  daher  an  die  schwache 
Wurzelform  tretend,  bildet  Part.  perf.  pass.,  z.  B.  da-tus  gr.  So-zog,  oc-cultus 
Grdf.  *Mtö^j  tentus  Hffiö'  (gr.  tatog);  vgl.  darüber  jetzt  Bruomann,  Grund- 
riss  2,  S.  216  f.  Über  den  Wechsel  von  t  und  s  vgl.  oben  §  64,  3.  Neben 
-to-  erscheint  vereinzelt  in  gleicher  Verwendung  -^wo-,  z.  B.  mortuus  aksl. 
mritvu,  das  *mortus,  vgl.  skr.  mrtd^  gi\  ßgotog  (für  ^ßgatog)  verdrängt  hat.^) 

6)  Das  sogenannte  Part,  necessitatis  auf  -ndo-;  über  dessen  Bildung, 
sowie  die  der  verwandten  Verbalia  auf  -bundo-  vgl.  §  65,  2c;  vgl.  auch 
ira-C'Undus,  dessen  -c-  Bezzenberger,  Gott.  gel.  Anz.  1887,  428  dem  -x- 
des  griechischen  xa-  Perfekts  gleich  setzen  will,  während  Bruomann,  The 
Amer.  Journ.  of  Phil.  VIII  443  rubi-cundus  u.  s.  w.  aus  "^ruhicih-tno-  vom 
Nominalstamm  ^rubicö-,  vgl.  rubicare,  herleitet.  Letzteres .  klingt  viel 
wahrscheinlicher. 

Zur  Litieratur  über  das  lateinische  Verbum:  G.  Curtius,  Die  Bildung  der  Tempora 
und  Modi  im  Griechischen  und  Lateinische»  sprachvergleichend  dargestellt,  Berlin  184ü. 
R.  Westphal,  Die  Verbalflexion  der  lateinischen  Sprache,  Jena  1873.  L.  0.  M.  Aubbbt, 
Den  ladinske  Verbalflexion,  Christiania  1875.  £ise>'lohb,  Das  lateinische  Verbum,  Heidel- 
berg 1880  [ohne  weitere  Bedeutung,  vgl.  Lit.  Centralblatt  Jg.  1881,  56  f.].  A  Probst, 
Beiträge  zur  lateinischen  Grammatik  I:  Zur  Lehre  vom  Verbum,  Leipzig  1883  [verfehlt, 
vgl.  Wochenschrift  f.  klass.  Phil.  1,  435  f.].    M.  ENOfiLHABDT,  Die  lateinische  Konjugation 


')  Vgl.  über  dieses  Partizip  Bechstein 
C.  St.  8,  338  f. 

«)  Pauli,  Altit.  Stud.  4,  47  f.;  Engel- 
BABDT,  Die  lat.  Konjug.  91  f. 

')  Nach  Osthoff  (vgl.  Bbugmakk,  Rh. 


M.  43,  402)  ist  hier  Suffix  -^o-  von  ri-vus 
bezogen.  Vgl.  übrigens  auch  Brnpey,  Gott, 
g.  N.  1873,  182  f.,  Bb6al,  M^m.  d.  1.  S.  d. 
1.  t),  127. 


382  B.  Lateinische  Grammatik,    o)  Lateinische  Formenlehre. 

nach  den  Ergebnissen  der  Sprachvergleichung,  Berlin  1887  (vgl.  meine  Besprechung  in  d. 
Z.  f.  d.  ösfc.  G3rmn.  1888,  S.  746  f.).  Ausserdom  vergl.  noch  Hübvbb,  Grundr.  §  60  und 
G.  Meybr,  Gr.  Gr.*  S.  402  f. 


Nachträge  und  Berichtigungen. 

S.  244.  Eine  mir  eben  zugehende  »Grammatica  Latina  aecondo  i  metodi  piü  recenti'  von 
Luioi  Bboccabdi  (parte  prima:  fonologia,  Torino  1889)  hat  einen  beträchtlichen 
Teil  fast  wörtlich  meiner  Darstellung  in  diesem  Handbuche  entlehnt. 

S.  245  Z.  3  v.  o.  lies  «vor  Christus"  statt  «der  Stadt*. 

S.  245  Über  die  sprachbildende  und  sichtende  Thätigkeit  der  klassischen  Lateiner  vgl. 
die  Bemerkungen  von  Thurnetsün  K.  Z.  30,  497  f. 

S.  247  Z.  6  V.  o.  Nach  einer  freundlichen  Mitteilung  von  J.  Bär  u.  Co.  in  Frankfurt  a.  M. 
scheint  die  an  dieser  Stelle  erwähnte  Arbeit  von  Loth  Oberhaupt  bis  jetzt  nicht 
erschienen  zu  sein. 

S.  248  Z.  12  V.  o.  lies  »-ow»  statt  ,-Mm*. 

S.  251  Z.  6  V.  o.  lies  i,koput*  statt  ^Kapuf^,  ib.  Z.  17  v.  u.  Wegen  cdlx  siehe  Nach- 
träge zu  S.  297. 

S.  252.  Die  Bemerkung  über  die  Scheidung  in  i  pinguis  und  i  tenuis  ist  selbstverständb'ch 
so  aufzufassen,  dass  Lucilius  noch  einen  Unterschied  in  der  Ansprache  beobach- 
tete (vgl.  die  Bemerkung  S.  273).  Richtig  bemerkt  daher  Thubnbysbh  K.  Z.  30, 
498:  «Der  in  der  ersten  Hälfte  des  2.  Jahrhunderts  geborene  Lucilius  gibt  im 
9.  Buche  seiner  Satiren  Vorschriften,  in  welchen  Wörtern  ei,  in  welchen  t  zu 
schreiben  sei.  Dies  lehrt  uns,  dass  er  die  alte  Aussprache  des  geschlossenen  i 
und  des  offenen  ei  (ut  pinguius  fiat  IX,  16)  selber  bewahrte,  dass  aber  zu  seiner 
Zeit  eine  Vermischung  eintrat,  so  dass  er  Vorschriften  für  nötig  hielt  Die  erste 
datierbare  Inschrift,  welche  den  Zusammenfall  von  altem  t  und  ei  dokumentiert,  indem 
sie  ei  fQr  t  schreibt  in  den  Genetiven  cogendei  dissohendei  und  im  Konjunktiv 
faxseis  ist  bereits  die  Dedikation  des  Mummius  a.  146  oder  145  (CIL.  1,  582)*. 

S.  256,  4.  Vokale.  Vgl.  einen  später  mehrfach  zitierten  Aufsatz  von  W.  Metbr,  in  K.  Z. 
30;  335  ff.  ,Zur  Quantität  und  Qualität  der  lateinischen  Vokale."  —  ib. 
Z.  20  V.  u.  lies  ,^*-äio*  statt  „ —  *äio,*  ib.  §  7:  ^dntta  stellt  0.  Scbrader,  K.  Z.  30, 
481  zu  lit.  verpili  verpti  „spinne*,  skr.  värpas-  «List,  Kunstgriff".  -  -  Dass  lat 
pedi'SequoSf  wie  W.  Schulze,  Quaest.  Hom.  spec.  S.  54,  Note  180  will,  das  sin- 
gulare dialektische  gr.  nedd  enthalte,  glaube  ich  nicht,  und  wird  auch  durch  ahd. 
mitikangun  nicht  bewiesen,  ib.  Z.  10  v.  u.  ist  zu  quinque  zu  bemerken,  dass 
dasselbe  sekundär  gedehntes  t  hat,  wie  später  §  4 1  B  2  ausdrücklich  hervor- 
gehoben wird. 

S.  257  Z.  15  v.  u.  lies  „svadha-'^  statt  j,8vadhä-*. 

S.  258  Z.  15  V.  u.  ist  hinzuzufügen,  dass  Johaksson  K.  Z.  30,  422  rös  axif*urö8  zurückführt 

S.  259  Z.  17  V.  o.  lies  Jista-"  statt  ,.te<Äd-*.  -  ib.  Z.  25  v.  o.  lies  ^gaiaztü*  statt 
„gaistü*,  ib.  Z.  11  v.  u.  lies  j,heitoa'frduja*  statt  „heiwa-frauja" ,  ib.  Z.  5  v,  u. 
lies  ,t*  statt  „i*. 

S.  260  Z  6  v.  o.  lies  ^*divsus  *diieum  statt  y,*dietis  *dieum'^,  ib.  Z.  23  v.  o.  lies  ,*(fMtiäji'* 
statt  i,duöu*.  ib.  Z.  16  v.  u.  lies  y,naan'^  statt  »mian*.  ib.  Z.  10  v.  u.  ist  zu 
tilgen  „aeris  aus  *aiesis  skr.  äyas'^.    Vgl.  S.  271  Fussnote  4. 

S.  261.  Bezüglich  capis  capit  schiene  es  mir  immerhin  auch  jetzt  noch  möglich,  vom 
Standpunkte  des  Lateinischen  aus,  die  bereits  in  der  ersten  Auflage  gegebeue 
und  auch  von  Bbugmann,  Grundr.  U  S.  123  vorgetragene  Erklärung  als  haltbar 
zu  bezeichnen.  Die  beigebrachten  analogen  Erscheinungen  scheinen  mir  doch 
nicht  so  ganz  ohne  Beweiskraft  zu  sein,  wie  Stbeitbbbo  meint.  Nachdem  aber 
indessen  Johansson  De  der.  verb.  contr.  166  f.,  181  ff.  den  Zusammenhang  der 
baltisch -slavischen  t-Verba  und  der  lateinischen  auf  -io  nach  Art  von  capto  er- 
kannt hat,  hat  Stbeitbebg  P.-B.  Br.  14, 224  ff.  neuerdings  die  Entstehung  der  thema- 
tischen Flexion  von  capto  und  Eonsorten  aus  einer  ursprünglich  untbematischen 
nachzuweisen  gesucht.  Wir  hätten  demzufolge  ursprünglich  abstufende  Flexion. 
Sing.:  *-iö  *ii8i  *iiti,  Plur.  *-ime8  *-ite  *-inti.  Im  Lateinischen  müsste  zunächst 
die  3.  plur.,  z.  B.  *capi€nt  aus  *capi'T}t  nach  dem  Muster  der  denominativen  Verba, 
wie  (uuliunt  umgeformt  und  vom  Plural  aus  die  Umformung  auch  auf  den  Sin- 
gular ausgedehnt  worden  sein.  Ohne  Frage  verdient  Stbbitbekg's  Auffassung 
vor  der  meinen  den  Vorzug. 


Nachträge  und  Berichügimgen.  383 

8.  261  Z.  10  V.  o.  vgl.  wegen  södes  meine  Ausführnngen  in  der  Zeitschr.  f.  d.  öst.  Gymn. 
1889,  S.  220  f.  Auch  Thxtrnetsen  K.  Z.  30,  489  Fassnote  spricht  mit  Recht  seine 
Zweifel  über  die  von  Scrweizeb-Sidleb  Gramm.'  S.  22  angenommene  Ansicht 
Frördb's  aus  (K.  Z.  12,  158),  dass  södes  für  *8T(Bdhe8  stehe  und  ursprünglicii 
«Freund*  bedeutet  habe. 

S.  262  Z.  5  V.  o.  Nach  Thurneysbn  K.  Z.  30,  502  f.  beruht  pares  auf  Kontraktion  aus  partes. 

S.  262  Z.  22,  23  lies  /ütdctfa**   ^vidMvä"  statt  ^^vide-^a"   ^vidh-ära^, 

S.  263  Z    14  V.  u.  ist  wegen  -cun-que  zu  verweisen  auf  S.  312. 

S.  263  Z.  27  V.  o.  lies  ,&-•*  statt  &.*  ib.  Z.  29  v.  o.  beide  Male  ,2.  Hochstufe«  statt 
3.  Hochstufe*,    ib.  Z.  32  v.  o.  ,6Äf*  statt  ,6Äf*. 

S.  264  §  16  füge  hinzu  lena  f.  *leg'Sna  läxus,  vgl.  I^buomahv  oben  S.  46.  Vielleicht  gehört 
auch  zu  dieser  Ablauisreihe  ah-dö-men  gr.  dtj-f^og  (nicht  sicher  ob  e  oder  ä  ur- 
griechisch), vgl.  0.  Sghrader  K.  Z.  30,  471. 

S.  265  Z.  24  V.  o.  ist  zu  streichen^  „coffnüum  aus  ^cö-gnätum  Grdf.  *^<o-*.  ib.  Z.  27  v. 
o.  lies  ^skaid-*  statt  ,s£aid-*. 

S.  268  Z.  23  V.  0.  lies  ^{se  dulo  m[dloY  statt  ,(se  dulo  {m[aloy.  ib.  Z.  28  v.  o.  lies 
«echtlat.*  statt  „ächtlat* 

S.  270  Z.  21  V.  o.  lies  ^ddenio*  statt  ,,delenio'^, 

S.  271  §  30  füge  hinzu  Aesiona  und  vgl.  Bücheleb,  Rh.  M.  27,  475. 

S.  272  Z.  9  V.  o.  lies  «echf"  statt  «acht*. 

S.  275  Fussnote  2.  Nach  Thübneysek  K.  Z.  30,  490  f.  gehört  pühlicus  zu  pübes  („was  die 
erwachsenen  Männer  angeht*),  püblicus  und  poplicus  (letzteres  natürlich  zu  alat. 
poplus)  sind  im  Gebrauch  identisch  geworden  und  haben  die  Zwitterformen  poblicus 
und  puplicus  erzeugt. 

S.  278  Z.  10  V.  o.  lies:  ,-ino-*  ^-ayo-*  ,  ^o-*  für  ,-tno*  ,a»'o*  ^nno'^,  ib.  Z.  20  v.  0. 
„£i>0N*  statt  „ädon*. 

S.  279  Z.  13  V.  u.  lies  ^quotidie*  statt  „cuotidie'^,  —  ib.  Z.  10  ist  zu  ms»'  hinzuzufügen: 
„für  totm,  entweder  nach  iussus  (vgl.  |)crcus«t :  p^'cussu«)  oder  nach  Osthopf, 
Z.  G.  d.  P.  533.  Zur  Etymologie  vgl.  jetzt  Buoge,  Bezz.  B.  14,  58,  der  das  Wort 
zu  lit.  jüsti  „in  zitternde  Bewegung  geraten*,  skr.  yodhämi  stellt  (Grundbed.  von 
iubere  „anregen*,  w&a  „die  wallende*). 

S.  280  Z.  27  V.  0.  lies  „Lok.*  statt  „Loc* 

S.  281  Z.  12  V.  o.  lies  „sU-mulus'^  statt  „sti-  mulus'^, 

S.  281  §  41,  2  ist  zu  erwähnen,  dass  Thubnetsen  K.  Z.  30,  501  f.  die  Länge  des  i  in 
quinctus  qulntus  (ebenso  wohl  auch  in  qüindecim)  für  lautgesetzlich  berechtigt 
hält,  vgl.  ünctus  und  inschr.  sänctus  itincta  u.  s.  w.  und  von  den  Formen  der 
Ordinalzahl  aus  die  Länge  auch  in  die  der  Kardinalzahl  übertragen  sein  lässt. 

S.  284  Z.  19  V.  o.  lies  ^hu-per^pici*  statt  „am-  per^pwi'^.  ib.  Z.  26  v.  o.  lies  ^*pi-k8k(y 
statt  „*p2'isko*. 

S.  285  Z.  12  V.  o.  ist  wegen  idg.  -f-  =  lat.  -ir-  zu  erwähnen  Johansson  K.  Z.  30,  437. 

S.  286  Z.  22  V.  u.  lies  „vor  f  v,  m  vor  p  b,  n  besonders  vor  «*  statt  „vor  f  v  m  vor 
p  6,  besonders  vor  «*. 

S.  287.  Zu  thensaurus  u.  s.  w.  vgl.  das  von  Bücheleb,  Rh.  M.  27,  475  angeführte  Chei- 
ronensi  (Obelli  750)  und  anderes  dort  Beigebrachte.  —  ib.  Z.  26  v.  0.  lies 
„*f>i»gÄw-*  statt  „pi9^hü'*, 

S.  288  Z.  9  \.  o.  lies  „*n-*  statt  „Ä*. 

S.  289  Z.  15  V.  o.  lies  „fe*  statt  „//.  ib.  Z.  16  •„%<o-  statt  „*A-»?i/ö-.  ib.  Z.  12  ist  zu 
proximus  zu  liemerken,  dass  es  vielleicht  für  *propsitnu8  eingetreten  sei  nach 
*neximus,  das  nach  dem  umbr.-osk.  nesimo-  und  dem  air.  nessam  (zu  nectn 
nexuSf  Grdr.  2,  158)  zu  schliessen,  doch  auch  einmal  im  Lat.  vorhanden  ge- 
wesen sein  muss  (Bruomann  nach  brieflicher  Mitteilung). 
S.  290  Z.  20  V.  u.  ist  zu  streichen:  „Regelrecht  ist  vixi  aus  *vig%isi  neben  rivere  aus 
^'«(.<7)lf ^^^ •  Vielmehr  ist  vixi  Analogiebildung  (vm  :  vivere  =  fixi  :  fiveie),  da 
virere  nach  dem  übereinstimmenden  Zeugnis  der  verwandten  Sprachen  nur  -v 
im  Stammauslaut  gehabt  hat,  vgl.  skr.  jir-  gr.  ßi(f)'Og  aksl.  zivu, 

S.  292  ist  betreffs  der  Form  ar  zu  bemerken,  dass  Thubneysbn  K.  Z.  30,  498  Fussnote 
sie  für  echt  lateinisch  hält,  da  nach  seiner  Meinung  jedes  d  vor  f  b  konsonan- 
tischem V  (vielleicht  auch  971)  zu  r  geworden  ist.  Im  Verlaufe  des  zweiten  vor- 
christlichen Jahrhunderts  soll  dann  in  etymologisch  klaren  Worten  ad  für  ar 
eingedrungen  sein.  In  arcesso,  alt  arger  würde  demnach  ar-  auf  Übertragung 
beruhen;  aber  warum  ist  hier  nicht  *acces8o  hergestellt  worden?  Allerdings  ist 
es  bei  der  Lückenhaftigkeit  der  Überlieferung  etwas  misslich,  einen  so  weit 
gehenden  Schluss,  wie  Thurneysen,  zu  machen.  Das  einzige  Beispiel  vor  dem 
Sc.  d.  Bacch.  ist,  so  viel  ich  sehen  kann,  apur  finem  der  im  marsischen  Provinzial- 


384  B*  Lateinische  Grammatik,    c)  Lateinische  Formenlehre, 

latein  geschriebenen  Inschrift  Sohnbidbr  83;  das  Sc.  d.  Bacch.  hat  neben  apud 
aedem,  arf.  arfuisse  arvoraum  (aber  ead  fecisent);  Schwanken  zwischen  advor- 
sarius  und  arvarsarius  in  der  Lex  Acilia  a.  u.  631/32,  lünst  überall  advaraus 
u.  8.  w.  Freilich  moss  aber  auch  zugegeben  werden,  daas  mit  Ausnahme  der 
beiden  oben  angeführten  Fälle  ar  stets  vor  v  f  b  steht,  vgl.  Cobssen,  1,  238, 
Seblmamn  310  f.  Die  lautphysiologische  Erklärung  dieses  Vorganges  yersucht 
Sbelmann  a.  a.  0. 

S.  293  Z.  9  V.  o.  ist  zu  streichen  «westgerm.  ^ä*^  bis  j^ä-ioerf^,  weil  westgerm.  ä  nur  = 
indog.  e  sein  kann.  ib.  ^.  24  v.  o.  lies  , Verschlusslaute*  statt  .VerschloBfiliuite'. 

S.  294  Z.  18  V.  o.  lies  t*ueghiä*  statt  j,*veghia.  ib.  Z.  15  v.  o.  lies  ^zama'^  statt  ^zama*; 
Z.  15   ,i^«w  statt  zasts'';  Z.  26   «i/OcT*  statt  ,i/i*ä". 

S.  295  Fussnote  7  lies  .Vanicbk"  statt  .Vahi  bk*. 


S.  296  Z.  1/2  Y.  o.  ist  j^iübere  wegen  iussi  aus  *md-8iUut'8i  (Etymon  unsicher)'  zu  streichen 
und  iubere,  dessen  -5-  =  idg.  -dh-  ist,  auf  der  vorhergehenden  Seite  einzufügen. 
Bezüglich  der  Etymologie  vgl.  den  Nachtrag  zu  S.  279. 

S.  296  füge  man  hinzu,  dass  Thubnbyssbn,  K.  Z.  30,  491  f.  infra  imus  aus  *in8'ra  ^ins-mo- 
etklärt  und  das  Etymon  zu  air.  is  iss  «unterhalb',  an-is  ^von  unten'  u.  s.  w. 
stellt.  Die  Erhaltung  des  f  erklärt  er  durch  «Assoziierung  des  anlautenden  m 
mit  der  Präposition  und  dem  negativen  Präfix  in-'. 

S.  296  §  56  Anm.  Zur  Schreibung  FH  vgl.  die  entsprechenden  griechischen  bei  6.  Mbybb 
Gr.  Gr.*  §  166  und  244  Anm.  und  dieses  Handbuch  1,  S.  420. 

S.  297  §  57.  Nach  Johansson  K.  Z.  30,  439  soll  calx  in  der  Bedeutung  «Stein'  ein- 
heimisch, aber  in  der  Bedeutung  .fiodk'  Lehnwort  aus  dem  Griechischen  sein, 
ib  Z.  5  V.  o.  lies  «-V>-a'  statt  «-^-a-'.  ib.  Z.  16  v.  o.  lies  »J^o-'  statt  ,jftlla-'. 

S.  298  Z.  22  V.  0.  ist  zu  lesen:  «Ein  indog.  sonantisches  z  u.  s.  w.'  statt  «Ein  sonan- 
tisches  z  u.  s.  w.'  ib.  Fussnote  4  ist  hinzuzufügen:  «Auch  L.  Mbtbr,  Vgl. 
Gramm.  P  805  bringt  dieselbe  Vermutung  über  vema*. 

S.  300  Betreffs  der  griechischen  Lehnwörter  mit  spir.  asper  und  der  Setzung  von  etymo- 
logisch unberechtigtem  h  in  denselben  vgl.  auch  Thumb,  Untersuchungen  über 
den  spir.  asper  im  Griechischen  (Strassburg  1889)  S.  81  ff. 

S.  300  Z.  26  V.  o.  vgl.  wegen  mwtuus  S.  381  Fussnote  3. 

S.  301  Z.  7  V.  0.  füge  man  hinzu  Seblmann  265  f. 

S.  302  Z.  10  V.  o.  lies  «Schabeisen'  statt  Schabeisen. 

S.  303  Anmerkung  17.  Nicht  unwahrscheinlich  klingt  die  von  Johansson,  K.  Z.  30,  441  ff. 
geäusserte  Vermutung,  dass  die  Anlautsgruppe  mr-  in  br-  übergegangen  sei. 
So  stünde  brevis  für  *mrevis  got.  ga-maürgjan  «kürzen',  dazu  wohl  auch  gr. 
ßQaxvg,  da  auch  im  Griechischen  anlautendes  /aq-  durch  die  Mittelstufe  /u/9^  zu 
ßQ'  geworden  ist.  Freilich  muss  ausdrücklich  bemerkt  werden,  dass  breins  das 
einzige  lateinische  Wort  ist,  welches  als  Zeuge  für  diesen  Übergang  von  anl. 
mr-  in  br-  angeführt  werden  kann.  Mit  dieser  Behandlung  der  Anlautsgruppe 
stimmt  nach  unserer  jetzigen  besseren  Einsicht  auch  die  der  gleichen  Inlauto- 
gruppe,  vgl.  S.  286.  Dazu  vergleiche  man  auch  air.  mrecht,  jünger  brecht  «bunt', 
(WiNDiscB,  Kurzgef.  irische  Gramm.  §41),  agall.  AUo-broges,  dessen  zweiter  Be- 
standteil zu  air.  mruig  bruig  «Mark,  Land'  gehOrt  Nach  dem  Gesagten  entfällt 
natürlich  die  neuerdings  von  Schwbizer-Sidleb  vorgebrachte  Vermutung,  dass 
rigare  für  *mrigare  stehe  (vgl.  Gramm. '^  S.  70),  was  übrigens  auch  Klugb,  s.  v. 
«Regen'  wegen  gr.  ßQSxeiy  nicht  für  unmöglich  hält.  Ich  habe  wegen  des  un- 
mittelbaren Zusammenhanges  mit  der  Lautgruppe  ml-,  die  sich  wegen  lac  am 
besten  hier  behandeln  Hess,  auch  mr-  hier  eingefügt.  Streng  genommen  würden 
beide  eine  eigene  Rubrik  «m  +  Liquida'   verlangen,     ib.  Z.  17  v.  u.  lies  ^siüti^ 


statt  .stinti'. 


S.  304  §  63,  3.  Um  kurz  Johansson's  Ausführungen  hier  anzudeuten,  bemerke  ich,  dass 
er  eine  Reihe  von  mit  8-  und  il-  ql-  l-  anlautenden  Wurzeln  durch  Annahme 
einer  gemeinsamen  Grundform  siel-  bez.  sql-  als  verwandt  zu  erweisen  sucht. 
So  vereinigen  sich  ihm  claudo  ahd.  skliozan,  clingere  (=  clatidere)  Paul.  Fbsti 
50,  13,  ahd.  slingan  u.  s.  w.;  so  soll  obliquos  licinus  Umus  (f.  *lic-mo-)  «schief 
auf  eine  Wurzel  sklei-  zurückgehen.  Auch  mit  der  Anlautsgruppe  shi-  bez.  sqn- 
hat  es  nach  J.  dieselbe  Bewandnis:  so  sollen  lat.  nugae  anord.  snykr,  «Stank', 
(jrundbedeutung  «Schabsei',  gr.  xyvo)  zusammenhängen,  W.  8q{h)nug-,  J's.  scharf- 
sinnige Ausführungen  verdienen  gewiss  alle  Beachtung,  bedürfen  aber  doch  wohl 
noch  endgiltiger  Bestätigung. 

S.  305  Z.  22  V.  o.  lies  Jistd-  statt  ^Ustd-." 

S.  306  Z.  23  V.  o.  lies  „*8ued-8co''  statt  y,*su^d8co'^ ,  ib.  Z.  24/25  v.  o.  ist  zu  streichen 
quassum  für  *quat-8umf  das  vielmehr  gleich  *quaHum  *quat*tum  ist,  vgl.  S.  307. 


Kachträge  und  Beriohtignngen.  335 

S.  308  Z.  20  Y.  u.  ist  das  Sternchen  vor  agellfM  zu  tilgen. 

S.  309  Z.  9  V.  o.  lies  ,*sup'mO'*  statt  ^^aup-mo"^,  Z.  16  v.  o.  y^ves-lo-'^  statt  ,*ves-lo*, 

S.  309  Z.  24  V.  u.  Nach  Thübnbysbn,  K.  Z.  30,  485  gehört  annofia  zu  skr.  dpna8  , Besitz 
Reichtum"  gr.  €(g)yog  und  stünde  also  fQr  *ci|}«no8-na,  woraus  aber  wohl  zunächst 
*amn(ma  sich  ergeben  möchte. 

S.  310  Z.  24  V.  o.  Die  Assimilation  von  -tl-  zu  -11-  ist  doch  sehr  fraglich  wegen  §  48  Anf. 
Man  raüsste  eher  *capiclum  *puclu8  erwarten. 

S.  311.  Tbübnbysbn  erklärt  neuestens,  anknüpfend  an  einen  Versuch  von  Havet,  M^m. 
d.  1.  S.  d.  1.  6,  6  ff.,  ferundus  aus  *feromnO',  so  dass  also  dieses  sogenannte 
Gerundium  mit  gr.  (peQo/Asyog  identisch  wäre.  Er  glaubt  zur  Stütze  seiner  An- 
sicht besonders  inde  alat.  quamde  aus  Hm-ne  *quam-n€  vgl.  pone  supeme  an- 
führen zu  können.  Aber  warum  sollten  nicht  nebeneinander  -de  und  -ne  möglich 
sein?  Übrigens  vielleicht  -de  =  gr.  9a  \  vgl.  §  7.  Ich  halte  diesen  Erklärungs- 
versuch für  misslungen  und  habe  daher  auch  in  anderen  Punkten  mich  nicht 
bewogen  gefühlt  von  früheren  Ansichten  abzugehen,  vgl.  S.  310  antemnae,  312 
frendOy  das  nach  Th.  aus  *fremno  hervorgegangen  ist.  Dass  dieses  Präsens  bil- 
dende d  kein  «Schemen*  ist,  zeigt  der  Vergleich  mit  §  104  Anm.  Vor  allem 
aber  wird  das  vollständig  widersprechende  contemno  durch  Th's.  Erklärungs- 
versuch nicht  beseitigt.  Über  die  oskischen  und  umbrischen  Formen  spricht 
Tb.  nicht.  Überhaupt  bin  ich  trotz  Th's.  Ausführungen  von  der  lautphysiologischen 
Wahrscheinlichkeit  des  Übergangs  von  -mn-  in  -nd-  ganz  und  gar  nicht  überzeugt, 
ib.  Z.  13  V.  o.  lies  Jü.  sektincis*  statt  «sec/tnos*  und  «auf  idg.  *-tno  *'t^no-'^ 
statt  auf  idg.  *'t%ino*. 

S.  311  Z.  19  V.  u.  ist  zu  streichen  ^facillimus  *facil'Simo-'^ ,  vgl.  S.  354. 

S.  313  Z.  27  V.  o.  lies  ,lit.  elkstm'^  statt  y,elkmi8.*     ib.  Z.   11    v.    li.  lies    ,*«if»£/o   statt 

S.  316  Z.  10  V.  o.  ist  nach  §  97  hinzuzufügen  ,und  Nachtrag  zu  S.  358." 
S.  322  Z.  4  V.  0.  lies  ^quaeaior  quaestiis*  statt  '^  quaestor-us*" . 

S.  324  Z.  3  V.  u.  lies  „Asbo'th.* 

S.  325  Z.  21  V.  u.  lies  ^iruyamänas*  statt  ^irdyamänas* . 

S.  326  Z.  14  V.  o.  ist  nach  «ib.  387  vgl."  einzuschalten  „oben*. 

S.  327  Z.  24  V.  o.  ist,  da  der  Druck  undeutlich  ausgefallen  ist,  zu  bemerken,  dass  0  von 
zweiter  Hand  über  e  in  hemini  geschrieben  ist.  ib.  Z.  18  v.  o.  lies  ,i*'ini* 
statt  „*ini*.    ib.  Z.  30  v.  o.  lies  „gräzisierend"  statt  „gräcisierend." 

S.  328  Z.  18  V.  o.  lies  .CIL.  1,  200,  23,  itiner"  statt^  .CIL  1,  200,  23)  üiner\ 

S.  329  Z.  13  V.  u.  lies  *y,8^adÜ8  ^suäd^t  *ti^nÜ8  *<t?V»>  vgl.  8Vädü.f  svädvi  statt  ^*8^adu8 
u.  s.  w."     ib.   Z.   5  V.  u.    „anmärkningar"   statt  „anmärkningkar." 

S.  330  Z.  10  V.  o.  ist  zu  streichen  ^^-tuo-,  martuua*. 

S.  333  Z.  5  V.  o.  ist  nach  .hervorgerufen"  hinzuzufügen :  .Vgl.  §  67  Ende  und  S.  352 
und  359." 

S.  335  Z.  16  V.  o.  lies  .yv/uy«" ;  ib.  Z.  23  v.  o.  lies  .idg.  *t^og-f/t  statt  .vö^-iyj".  ib.  Z.  9 
V.  u.  .*-ww"  statt  n'i^is'^- 

S.  336  Z.  3  V.  o.  lies  .*ped-iw"  statt  ^ped-f^s".    ib  Z.  23  v.  o.  .Stokbs"  statt  .Stockes;" 
desgleichen  S.  337  Fussn.  6  und  339  Z.  19  v.  u. 

S.  343  Z.  24  V.  o.  lies  ^räyä*  statt  „räyd*. 

S.  347  Z.  12  V.  o.  ist  ein  Sternchen  vor  ei-i-us  zu  tilgen;  ib.  Z.  15  v.  u.  das  Sternchen 
vor  ipse.  Femer  ist  zu  tilgen  ^eis  =  *eio8,  woraus  doch  nur  *eo8  hätte  hervor- 
gehen können.  Nach  Bbuomavn  ist  eis  =  is,  wie  eisdem  =  tsdem,  das  aus  idem 
mit  Beibehaltung  der  Länge  des  i  umgeschaffen  wurde. 

S.  348  Z.  1  v.  u.  lies  .gfuoto-"  statt  .quoio". 

S.  349  Z.  23  V.  o.  lies  .*<rfA^?"  statt  .*ai/i-?". 

S.  350  Z.  19  V.  o.  lies  „mßati*  statt  „iHninti*, 

S.  351  Z.  3  V.  o.  ist  bezüglich  quartus  zu  bemerken,  dass  mit  Rücksicht  auf  prän.  Quorta 

^       (S.  258)  doch   auch   *qiiif'iö-   als    Grundform  angesetzt  werden   könnte.    Dann 

gehörte  quartus  zu  den  §  10  aufgezählten  Fällen  des  Übergangs  von  -^o-  in  ^a-, 

und  müsste   das   dortselb^t  über  Quorta  Gesagte  natürlich   gestrichen    werden. 

ib.  Z.  19  V.  o.  lies  .♦st/iif/o-"  statt  .*t/ifio.";  Z.  10  v.  u.  .*<ni9*«"  statt  .^nut«". 

S.  352  Z.  23  v.  o.  lies  .TiAe-zV-roc"  statt  ^nXe-Ts-rog'^,  ib'  Z.  22  v.  u.  lies  ^*mini8'imO''^ 
statt    .fwtVii«  -imo".     ib.  Z.   15  v.   u.    lies    .*j>i-ei-"  statt  jprei-. 


Handbuch  deir  klus.  Altertmuswiasenschaft.  n.    2  Aufl.  25 


Lateinische  Syntax/) 


Einleitung. 

In  der  Geschichte  der  lateinischen  Sprache  haben  wir  zwei  Erschei- 
nungsformen und  zwei  Entwicklungsphasen  zu  unterscheiden:  es  sind  dies 
die  Vulgärsprache,  wie  sie  vom  gemeinen  Mann  gesprochen  wurde,  und 
die  Schriftsprache,  welche  im  Munde  der  Gebildeten  und  der  Schriftsteller 
lebte.  Die  erstere  ist  nie  ausgestorben;  wenn  sie  auch  in  der  Zeit  der 
Klassizität  verschmäht  und  in  vielen  ihrer  Eigentümlichkeiten  in  Acht  und 
Bann  gethan  wurde,  so  Hess  sie  sich  deshalb  doch  nicht  unterdrücken, 
und  so  kommt  es,  dass  die  älteste  lateinische  Sprache  mit  den  spätesten 
Perioden  manche  Erscheinungen  gemein  hat,  die  uns  in  der  Zeit  des  Prin- 
zipats der  Schriftsprache  nicht  begegnen  (vgl.  auch  oben  Stolz  S.  246). 
Diese  letztere  beruht  selbstverständlich  vollständig  auf  der  Volkssprache, 
nur  wurde  sie  unter  dem  sichtlichen  Einfluss  der  griechischen  Litteratur 
und  der  römischen  Grammatiker  sorgfältiger  entwickelt,  an  Wörtern  und 
Konstruktionen  reicher,  künstlerisch  gestaltet  und  logisch  präzisiert.  Das 
Hauptverdienst  in  der  alten  Zeit  darf  in  dieser  Beziehung  Ennius  für  sich 
in  Anspruch  nehmen;  er  wusste  durch  engen  Anschluss  an  die  griechische 
Sprache  mit  feiner  und  folgerichtiger  Aneignung  der  Vorzüge  derselben  die 
bis  jetzt  noch  wenig  verwerteten  Mittel  der  lateinischen  Sprache  unter 
sorgsamer  Schonung  ihrer  Eigenart  auszubilden,  ein  Streben,  welches  den 
Beifall  der  Zeitgenossen  (so  des  Pacuvius)  und  Nachahmung  in  der  Folge- 
zeit fand.  Ohne  dieses  Vorgehen  des  Ennius  wäre  die  bis  ins  feinste  aus- 
gebildete Kunst  des  prosaischen  Rhythmus  bei  Caesar,  Cicero  und  Livius 
und  die  Blüte   der  Poesie  im   augusteischen  Zeitalter  unmöglich   gewesen. 


*)  Vorbemerkung.  Auch  diese  zw  eile 
Auflage  der  «Lateinisclien  Syntax  und  Stili- 
stik* i^it  in  dankbarer  Verehrung  Herrn  Pro- 
fessor Dr.  £  DU  ARD  WöLFFLiN  in  München 
gewidmet  als  kleines  Scherflein  für  reich- 
liche Belehrung  und  allzeit  bereitwillige  Unter- 
stützung und  Förderung  meiner  lateinischen 
Studien.     Zugleich  sei    ihm    und  allen  Ge- 


lehrten,  welche  in    ihren    Rezensionen   zur  |  und  Stilistik! 


Besserung  und  Vervollkommnung  der  , Syntax 
und  Stilistik"  beigetragen  haben,  hiefÜr  und 
für  die  aufmunternde  Anerkennung  bester 
Dank  ausgesprochen.  Möge  die  zweite  Auf- 
lage sich  derselben  freundlichen  Aufnahme 
erfreuen,  welche  die  erste  erfahren,  und  auch 
ihrerseits  anregen  zur  Förderung  und  Ver- 
vollständigung der  lat.  bistoriachen  Sjnlaac 


Einleitung.  387 

Daneben  aber  sehen  wir  in  den  Komödien  des  Plautus  ein  mit  der  grössten 
Treue  und  Wahrheit  wiedergegebenes  Bild  der  römischen  Umgangssprache 
mit  all  ihren  eigentümlichen  Vorzügen  und  Mängeln.  Auch  Plautus  hat 
es  verstanden,  alle  Hilfsquellen  des  noch  sehr  ungebildeten  römischen 
Idioms  auszubeuten  und  hat  somit  seinerseits  viel  zur  Entwicklung  der 
lateinischen  Sprache  beigetragen.  Die  von  den  Dichtem  nach  Ennius  und 
Plautus  fortgesetzten  Bestrebungen  in  Poesie  und  Grammatik  mussten  die 
zwischen  Volkssprache  und  Litterärsprache  sich  bildende  Kluft  immer  weiter 
ausdehnen;  daraus  ergab  sich,  dass  die  in  der  Volkssprache  aufgewachsenen 
llömer  nur  durch  Unterweisung,  Lektüre  und  Umgang  mit  den  Gebildeten 
die  Sprache  erlernen  konnten;  in  litterarisch  gebildeten  Familien  lernte 
der  junge  Römer  sofort  die  Schriftsprache  (Cic.  Brut.  cap.  58),  freilich  ge- 
trübt durch  den  Einfluss,  den  minder  gebildete  äussere  Kreise  auf  ihn  aus- 
übten. Die  feine  Sprache  der  gebildeten  römischen  Zirkel  ergiebt  sich  aus 
einer  genauem  Vergleichung  der  Diktion  des  Terenz  mit  der  des  Plautus 
einerseits  und  der  des  Cicero  anderseits;  so  gross  der  Unterschied  zwischen 
der  Sprache  der  gewöhnlich  zusammengestellten  beiden  Komiker  ist,  so 
bedeutend  ist  anderseits  die  Ähnlichkeit  in  der  Diktion  des  Cicero  und 
Terenz.  Die  gesellschaftlichen  Kreise,  in  welchen  sich  Terenz  bewegte, 
waren  sehr  bemüht  um  die  Glättung  und  Abklärung  der  lateinischen  Sprache, 
und  wenn  nach  Cicero  die  Meinung  kursierte,  Laelius  habe  die  Komödien 
des  Terenz  geschrieben,  so  liegt  ein  Körnlein  Wahrheit  darin :  dem  Laelius 
und  Scipio  verdankte  Terenz  wohl  zum  guten  Teil  die  Eleganz  seiner 
Diktion.  Freilich  waren  nebenher  noch  mancherlei  Einflüsse  zu  paralysieren : 
ein  eigensinniger  römischer  Nationalstolz,  der  manche  hinderte,  die  von 
Nachahmung  der  Griechen  ausgehende  Verfeinerung  der  Sprache  mitzu- 
machen, dann  aber  umgekehrt  gewaltsames  Eingreifen  in  die  Weiter- 
bildung der  Sprache,  wie  nach  Ciceros  Notiz  Sisenna  meinte,  recte  loqui 
bestehe  im  inusitate  loqui.  Allein  die  nach  natürlichen  Gesetzen  fortschrei- 
tende Entwicklung  der  Sprache  ging  über  solche  Bestrebungen  hinweg, 
und  das  rationelle  Vorgehen  Caesars  und  Ciceros  half  der  immer  mehr  sich 
klärenden  pura  et  incorrupta  consuetudo  zur  völligen  Herrschaft.  Doch 
die  Opposition  konnte  nicht  ausbleiben :  die  elegante,  konzinn  gebaute,  durch 
kunstvollen  Numerus  sich  auszeichnende,  alles  Vulgäre  und  Veraltete  vor- 
nehm abweisende  klassische  Prosa,  die  aber  ebenso  alles  Fremde,  sofern 
es  sich  nicht  durch  wohlerworbenes  Bürgerrecht  eingelebt  hatte,  fern  hielt, 
wurde  bekämpft  von  einer  mehr  demokratischen  und  in  volkstümlich  archai- 
sierender Weise  die  Sprache  handhabenden  Richtung.  Hauptvertreler  der 
Opposition  sind  Sallust,  M.  Brutus,  Asinius  Pollio.  Wichtiger  aber,  als 
diese  Bestrebungen,  ist  die  jetzt  im  politischen  Leben  sich  vollziehende 
Änderung.  Mit  Aktium  war  die  Freiheit  und  damit  die  lebhafte  Beteiligung 
am  öffentlichen  Leben  dahin,  die  Menschen  zogen  sich  in  sich  selbst  zurück, 
und  es  entwickelte  sich  ein  Subjektivismus,  der  natürlich  auch  auf  das 
Organ  des  Gedankenausdrucks,  die  Sprache,  seinen  Einfluss  ausübte.  Dazu 
kam  die  seit  Erteilung  des  Bürgerrechtes  an  die  Gallier  immer  sich  stei- 
gernde Einwanderung  fremder  Elemente,  die  inquinate  loquentes  die  Sprache 
Nm,  dann  das  Aussterben   der   alten  Familien,  welche   die  Reinheit 

25* 


388  B.  LateiniBche  Grammatik,    d)  Lateinische  Syntax* 

der  Sprache  gepflegt  hatten,  das  Eindringen  der  schlechten,  auch  die  Sprache 
infizierenden  Moral  (talis  hominibus  fuit  oratio  qualis  vita,  Seneca  ep.  114,  1). 
Die  Scheidung  zwischen  Poesie  und  Prosa  verwischte  sich,  die  Schmeichelei 
gegenüber  den  Kaisern  erzeugte  Schwulst  und  Bombast:  kurz,  die  Sprache 
hatte  mit  Cicero  und  Caesar  kulminiert  und  war  nun  sichtlich  im  Nieder- 
gange begriffen.  So  lässt  sich  schon  ein  ganz  bedeutender  Unterschied  in  der 
Syntax  des  Liv.  gegenüber  der  des  Cic.  konstatieren,  wobei  freilich  nicht  ge- 
leugnet werden  kann,  dass  mit  Brechung  der  standen  Fesseln  des  Klassizismus 
eine  teilweise  Bereicherung  der  Sprache  an  Konstruktionen  (z.  B.  Partiz.  fut. 
final,  edicto,  nuntiato  etc.  mit  ganz.  Satz,  Abi.  abs.  part.  fut.,  Obj.  bei  Abi. 
abs.  part.  perf.  depon.  u.  ä.)  eintrat.  Von  nicht  zu  unterschätzendem  Einflüsse 
sind  hier  auch  die  Dichter  gewesen,  welche  durch  den  grossartigen  Aufschwung 
der  Poesie  poetischen  Strukturen  leichter  Eingang  in  die  Prosa  verschafften. 
Seit  Lucrez  und  CatuU,  welche  mehr  noch  zur  alten  Sprache  neigen,  war 
durch  Tibull,  dann  durch  Properz,  schliesslich  durch  Vergil,  Horaz  und  den 
jüngsten  und  begabtesten  Ovid  eine  Eleganz  der  Diktion  entstanden,  welche 
niemand  ignorieren  konnte  und  die  deshalb  auch  unwillkürlich  stark  auf 
die  Prosaisten  wirkte.  Die  mit  Livius  zuerst  sich  zeigende  Wendung  zum 
schlimmeren  durch  Aufnahme  von  Archaismen,  dichterischen  Elementen, 
Neologismen ,  freieren  dem  Griechischen  nachgebildeten  Konstruktionen, 
Vulgarismen  steigert  sich  immer  mehr  im  silbernen  Latein,  so  namentlich 
bei  Seneca,  welcher  alles  in  pikanter  und  pointierter  Wendung,  jedoch  mit 
völliger  Vernachlässigung  der  kunstvollen  ciceronischen  Periode,  vorbringt 
und  von  wohlgedrechselten  Sentenzen  wimmelt.  Die  Reaktion  dagegen 
musste  notwendig  kommen:  sie  wird  neben  Plin.  min.  namentlich  durch 
Quintilian  als  ihren  Hauptvertreter  verfochten.  Dieser  verauchte  eine  Ver- 
söhnung des  klassischen  Latein  mit  der  Sprache  seiner  Zeit:  aber  seine 
Sprache  bekommt  dadurch  den  Charakter  eines  erkünstelten  Produktes  und 
steht  so  schon  ziemlich  einer  toten  Sprache  nahe.  In  seiner  Jugend  schloss 
sieh  auch  Tacitus  diesen  Bestrebungen  an,  die  er  jedoch  bald  verliess,  um 
seine  eigenen  Wege  in  Schaffung  eines  grossartig  ernsten ,  pathetischen 
historischen  Stils  zu  gehen.  Aber  die  von  Quintilian  angebahnte  Reaktion 
nahm  bald  einen  Charakter  an,  den  Quintilian  und  seine  Anhänger  nie  ge- 
wünscht hatten.  Was  zu  Senecas  Zeiten  schon  vereinzelt  vorkam  (Sen. 
ep.  114,  13  miilti  ex  alieno  saeculo  petunt  verba:  duodecim  tabulas  Joqmmtur. 
Gracchus  Ulis  et  Crassus  et  Curia  nimis  culti  et  recentes  sunt:  ad  Appium 
usque  et  ad  Caruncanium  redeimt),  wurde  durch  die  Frontonianer  nun  syste- 
matisch gepflegt :  die  archaisierenden  Schriftsteller  brachen  vollständig  mit 
der  Sprache  des  ersten  saec.  nach  Christus  und  gaben  so  Anlass  zu  einer 
Regellosigkeit  und  Verwilderung,  die  noch  durch  immer  stärker  anflutende 
landschaftlich-eigentümlichen  Elemente  bedeutend  gesteigert  wurde.  Auch 
die  Verbreitung  des  Christenthums  äusserte  ihre  Wirkung;  viele  Wörter 
mussten  einen  Bedeutungswechsel  durchmachen,  der  dann  auch  wieder  auf 
die  Syntax  Einfluss  ausübte.  Dazu  kommt,  dass  den  Kirchenschriftstellern 
Gemeinverständlichkeit  über  die  Eleganz  ging,  und  wenn  der  Rhetor, 
Grammatiker  oder  Poet  sein  Auditorium  hatte,  musste  der  Priester  sich 
auch  dem  seinen  anbequemen.     Die  Kirchensprache  hat  einen  grossen  Be- 


Einleitung.  389 

stand  an  altertümlichen  Wendungen,  wodurch  sie  dem  in  seiner  Sprache 
konservativen  Volke  sich  leicht  näherte,  und  dieser  archaische  Besitz  wurde 
ein  dauernder  durch  die  Stabilität,  welche  jeder  sakralen  Sprache  eigen  ist. 
Unter  dem  Einflüsse  der  Vulgata  und  der  von  ihr  abhängigen  Kirchen- 
sprache stehen  zunächst  die  Geschichtschreibor  der  hl.  Geschichte,  wie  z.  B. 
Sulp.  Sev.,  welche  dabei  aber  doch  das  Streben  zeigen,  mit  Wendungen, 
die  sie  den  Klassikern  abgelauscht,  ihren  Stil  zu  verzieren,  dann  spät- 
lateinische Produkte,  z.  B.  Romane  und  Novellen,  ähnlich  wie  eine  späte 
Schwindellitteratur  unverkennbaren  Zusammenhang  mit  den  archaisierenden 
Bestrebungen  der  Zeit  des  Fronte,  so  namentlich  Nachahmung  alter  Au- 
toren, z.  B.  des  Sallust,  zeigt.  Hier  erkennen  wir  übrigens  bereits  den 
Übergang  zum  offiziellen  und  litterarischen  mittelalterlichen  Schriftlatein, 
welches  nicht  in  organischem  Zusammenhang  mit  der  lebenden  Schrift- 
sprache steht,  sondern  lediglich  ein  Versuch  ist,  in  Nachahmung  der  vor- 
liegenden Schriftwerke  dieselbe  wieder  zu  handhaben,  während  jedoch  das 
Volkslatein  in  ununterbrochener  Kontinuität,  vielfach  freilich  alteriert  durch 
andersprachliche  Einwirkung,  in  den  romanischen  Sprachen  fortlebte.  Vgl. 
die  eingehende  Darstellung  von  Wilhelm  Meyer  in  Gröbers  Grundriss  der 
romanischen  Philologie  II  p.  377—382. 

Unsere  Aufgabe  wird  nach  dem  Gesagten  darin  bestehen,  die  syn- 
taktischen Gesetze  der  lebenden  lateinischen  Schriftsprache  in  ihrer 
Entwicklung  zu  verfolgen.  Dabei  aber  dürfen  wir  nie  aus  dem  Auge  ver- 
lieren, dass  die  lateinische  Sprache  ein  Glied  der  indogermanischen  Sprachen- 
familie ist,  deren  andere  Glieder  also  auch  Berücksichtigung  verdienen  bei 
einer  historischen  Darstellung;  dann  ist  zu  bedenken,  dass  die  Schriftsprache 
aus  der  Volkssprache  hervorgegangen  ist  und  dass  diese  stets  einen  ge- 
wissen Einfluss  sich  zu  bewahren  gewusst  hat,  bis  der  letztere  immer  mehr 
sich  geltend  machte  und  schliesslich  vollständig  vorherrschte.  Selbstver- 
ständlich fordert  Beachtung  die  Art  der  Darstellung,  ob  Poesie  oder  Prosa, 
und  innerhalb  der  beiden  grossen  Gebiete  die  Unterabteilungen,  so  Epik, 
Lyrik,  Dramatik,  auf  der  anderen  Seite  der  oratorische,  historische,  epistolare, 
räsonnierende  Stil.  Wichtig  ist  ferner  die  Bildungsstufe,  auf  welcher  die 
Schriftsteller  standen;  wir  werden  daher  das  b.  Africanum,  Hisp.,  die 
Schriften  des  Vitruv  und  Petron  anders  beurteilen,  als  die  des  Cäsar  und 
Livius;  ebenso  auch  der  Charakter  der  einzelnen  Autoren,  z.  B.  des  streng 
nationalen  Cato,  des  vornehm  von  allem  Fremden  sich  abschliessenden 
Lucrez,  des  gerne  mit  seiner  griechischen  Gelehrsamkeit  prunkenden  Pro- 
porz, des  immer  opponierenden  und  kritisierenden  Asinius  Pollio,  des  allem 
Neuen  zugeneigten  Ovid  u.  s.  w.  Dann  ist  zu  berücksichtigen  die  Ab- 
hängigkeit der  Schriftsteller  von  einander,  insofern  einer  dem  andern  als 
Vorbild  oder  gar  als  Quelle  diente,  —  man  sehe  beispielsweise  nur,  wie  viele 
Nachahmer  Sallust  bis  in  die  spätesten  Zeiten  herab  gefunden  (vgl.  Sellge, 
de  studiis  in  Sallustio  Crispo  a  Pomp.  Trogo  et  lustino  collocatis,  Sagan 
1882  p.  6),  ferner  welchen  Einfluss  Vergil  auf  Liv.  Tac.  u.  a.  und  nament- 
lich Apuleius  auf  die  gallischen  Rhetorenschulen,  auf  Claud.  Mam.,  Apoll. 
Sidon.  u.  a.  ausgeübt,  dann  wie  sich  die  augusteischen  Dichter  an  den 
früheren,  so  besonders  an  Ennius  und  Lucrez  gebildet,  und  wie  die  spätere 


390  B*  Lateinische  Grammatik,    d)  Lateinische  Syntax. 

Dichtung  ganz  von  den  Dichterberoen  der  aug.  Zeit  abhängt  (vgl.  Zinoerles 
Abhandlungen  über  Ovid,  Martial  und  andere  Dichter,  besonders  auch  spätlat., 
Trump  über  Claudian  u.  s.  w.)  — .  Ferner  verdient  Beachtung  die  Vervoll- 
kommnung eines  und  desselben  Schriftstellers  im  Verlaufe  seiner  littera- 
rischen Thätigkeit,  wie  dies  bezüglich  der  Sprache  des  Cicero,  Sallust, 
Livius,  Tacitus,  später  des  hl.  Hieronymus,  des  Sulp.  Sev.  und  des  Lucifer 
Calar.  nachgewiesen  ist,  indem  sie  anders  beim  Beginne,  anders  auf  der 
Höhe  ihrer  schriftstellerischen  Laufbahn  schrieben.  Schliesslich  wird  auch 
die  Herkunft  der  Autoren  zu  untersuchen  sein,  wie  dies  die  Alten  schon 
selbst  betonten,  und  es  ist  sehr  wichtig,  ob  die  Wiege  derselben  am  Ufer 
des  Tiber  oder  des  Quadalquivir  stand  und  ob  die  ersten  Eindrücke  des 
Knaben  rein  und  echt  römisch-urban  oder  mit  gallischen,  spanischen,  afri- 
kanischen, hellenistischen  Elementen  versetzt  waren. 

In  der  Behandlung  der  Syntax  muss  man  heute  die  völlig  ausgetretenen 
Geleise  der  früheren  Grammatiker  in  Einzwängung  des  doch  historisch  Ge- 
wordenen in  fertige  Denkformen  und  logische  Kategorien  verlassen  und  die 
Bahnen  der  historischen  Grammatik  einschlagen.  Freilich  ist  die  Methode 
hier  noch  keine  vollständig  durchgebildete  und  fertig  dastehende;  allein 
immerhin  ist  das  bisher  Gewonnene  der  Verwendung  wert  und  daher  im 
folgenden  in  Anordnung  und  Erläuterung  nach  Kräften  benützt.  Also  kurz: 
die  syntaktische  Erscheinungsform  wurde  in  ihrer  Entstehung  und  Weiter- 
bildung genau  verfolgt,  ivo  nötig  und  thunli^h  psychologisch  begründet  und 
zweckentsprechend  untergebracht, 

Litteratur  zur  historischen  Syntax  der  lat.  Sprache. 

1.  E.  Hübner,  Grundriss  zu  Vorlesungen   über   die   lateinische  Grammatik.     II.  Auflage. 

Berlin,  Weidmann.  1881  (enthält  im  zweiten  Teile  von  p.  62  bis  p.  101  ein  fast 
erschöpfendes  Verzeichnis  der  bis  1880  erschienenen,  auf  die  Syntax  bezüglichen 
Schriften). 

2.  A.  Draeoeb,  Historische  Syntax   der  lat.   Sprache.     In   zwei   Bänden,    I.    Band  1878, 

II.  1881  in  zweiter  Auflage.  Leipzig,  B.  G.  Teubner  (auf  vielen  Vorarbeiten,  um- 
fangreicher Lektüre  mit  kritischer  Akribie  und  sauberer,  freilich  zum  Teil  jetzt  nicht 
mehr  anerkannter  Methode  aufgebautes  Hauptwerk). 

3.  H.  KüBNER,  Ausführliche   Grammatik  der   lat.   Sprache.    II.  Band   in   2  Abteüungen. 

Hannover,  Hahn,  1878  u.  1879  (sucht  auf  Draeger  und  einigen  nachher  zu  besprechen- 
den Detailarbeiten  fussend  eine  systematische  Grammatik  der  lat.  Sprache  für  die 
Hand  der  Lehrer  zu  bieten.  Die  Beispiele  gehen  selten  über  das  von  Draeger  Ge- 
botene hinaus,  wie  auch  fast  durchw^eg  die  röm.  Litteratur  nur  im  Bereiche  der  Zeit 
von  Plautus  bis  Tac.  Berücksichtigung  findet). 

4.  Reisiges  Vorlesungen  über  lat.  Sprachwissenschaft  mit  den  Anmerkungen  von  Fr.  Haase 

neubearbeitet  von  J.  H.  Schmalz  und  Dr.  G.  Landgraf,  Berlin,  Calvary,  1884—1888 
in  12  Lieferungen  erschienen  (der  Text  von  Reisig,  sowie  die  Anmerkungen  Haasens 
sind  unverändert  beibehalten;  die  Noten  von  Schmalz  und  Landgraf  geben  nebst 
umfassenden  Litteratumachweisen  die  neuesten  Resultate  der  lat.  Sprachwissenschaft 
zur  Ergänzung  oder  Berichtigung  des  von  Reisig  und  Haase  Vorgetragenen). 

5.  Fr.  Haase,   Vorlesungen  über  lat.  Sprachwissenschaft  (II.  Teil  herausgegeben  von  H. 

Peteb,  Leipzig,  Simmel  &,  Cie.  1880).  (Hier  wird  namentlich  die  Kasuslehre  behan- 
delt, dann  die  Bestimmung  des  Seins  durch  Adverbia  öder  cas.  obliq.  und  Adverbia 
zugleich,  ferner  Verba  und  Verba  in  ungleichem  Verhältnis,  wobei  die  Lehre  von 
den  Tempora,  dem  Gebrauche  der  Konjunktionen,  von  den  Modi  in  interessanter 
Weise  beleuchtet  wird.  Bedauerlicher  Weise  ist  die  eigentliche  Satzlehre  nicht  mehr 
zur  Darstellung  gelangt). 
G.  Wölfflin's  Archiv  für  lat.  Lexikographie  und  Grammatik ;  bis  jetzt  sind  5  BAnde  voll- 
ständig erschienen,  Leipzig,  1884—1888  (enthält  eine  Reihe  nGchst 


Emleitong.  391 

Aufsätze,  die  auf  geuauen  und  erschöpfenden  Sammlungen  beruhen  und  daher  manches 
in  ganz  andcrm  Lichte  erscheinen  lassen,  als  dies  bisher  der  Fall  war). 

7.  W.  MsYBB,  Die  lateinische  Sprache   in   den  romanischen  Ländern,  Gröber's  Grundriss 

der  roman.  Philologie  II,  p.  351  -  382,  Strassburg  1886  (dient  hauptsächlich  der 
Laut-  und  Formenlehre,  doch  Iftsst  sich  auch  einiges  für  vulgärlat.  Syntax  aus  dem 
Buche  gewinnen). 

8.  K.  Hoffmann,  Studien  auf  dem  Gebiete   der  lat.  Syntax.     Wien,  Karl  Konegen,  1884 

(stellt  mehrere  bereits  früher  erschienene  Arbeiten  zusammen,  so  über  Zeitfolge  nach 
praes.  bist,  und  hauptsächlich  über  den  ellipt.  Gebrauch  des  Gerundiums;  beigegeben 
hätte  noch  werden  sollen  desselben  Verfassers  Erklärung  des  abl.  abs.  in  Neue  Jahr- 
bücher 1875  p.  783—784,  welche  mittlerweile  bei  Lattmann  und  auch  im  folgenden 
Aufnahme  gefunden). 

9.  A.  Gutjahr-Pbobst,  Beiträge  zur  lat.  Grammatik;  I.  Zur  Lehre  vom  Verbum,  II.  Zur 

Lehre  von  den  Partikeln  und  Konjunktionen,  Leipzig  1883;  III.  Altgrammatisches 
und  Neugrammatisches  zur  lat.  Syntax,  Leipzig,  Zangonberg  u.  Himly,  1888  (sehr 
anregende  Untersuchungen  namentlich  über  Entstehung  und  Bedeutung  von  Tempora, 
Modi,  Konjunktionen,  insbesondere  über  ttt). 

10.  H.  S.  Anton.  Studien   zur  lat.  Grammatik  und  Stilistik,  Erfurt,  Villaret  I.  Heft  1869, 

II.  Heft  1873,  III.  Heft  1888  (ausserordentlich  subtile  Untersuchungen  namentlich 
über  den  Gebrauch  der  Pronomina  und  Konjunktionen,  z.  B.  aliquis  und  quisquam, 
et,  ut  u.  a.). 

11.  H.  RöNscH,  Semasiologische  Beiträge   zum  lat.  Wörterbuch,    3  Teile,   Leipzig  1888/89 

(will  nicht  allein  als  lexikalische  Arbeit  angesehen  werden,  denn  die  «Beiträge* 
bringen  auch  wichtiges  zur  Lehre  von  den  Pronomina,  Verba,  Adverbien  und  Konjunk- 
tionen, namentlich  fürs  Spätlatein). 

Syntax  der  einzelnen  Schriftsteller. 

1.  H.  Jordan,  Vindiciae  sermonis   latini  antiquissimi.     Königsberg,  Lektionskatalog  1882 

(bespricht  einige  interessante  Punkte  der  altlat.  Syntax,  z.  B.  fini  bis  rebus,  con- 
dicere  c.  gen.  etc.). 

2.  F.  W.  HoLTZB,  Syntaxis    priscorum    scriptorum   lat.   usque    ad   Terentium.     2  Bände. 

Leipzig  1861.  1862  (kann  auch  jetzt  noch  nicht  entbehrt  werden  wegen  der  umfas- 
senden Beispielsammlung,  während  natürlich  Anlage  und  Erklärung  nicht  mehr  be- 
friedigt und  jede  Stelle  wegen  der  seit  1862  erfolgten  neuen  Textesrezensionen  noch 
einmal  nachgeschlagen  werden  muss). 

3.  F.  W.  HoLTZB,  Syntaxis  fragmentorum   scacnicorum    poetarum    Romanorum   qui   post 

Terentium  fuerunt  adumbratio.  Leipzig  1882  (nach  des  Verfassers  Tod  von  W.  Teil 
herausgegeben,  ganz  in  der  Weise  des  vorhergehenden  Werkes,  jedoch  ohne  alle 
Regeln  angelegt,  aber  zuverlässig  im  Text  infolge  strengen  Anschlusses  an  die  Rib- 
beck'sche  Ausgabe  der  Fragmente). 

4.  LüciAN  Müller,  Quintus  Ennius.    Eine  Einleitung  in  das  Studium   der  röm.  Poesie. 

St.  Petersburg,  Ricker  1884  (enthält  im  VII.  Buche  p.  190  -218  Grammatisches  zu 
Ennius,  von  p.  208  an  Beiträge  zur  ennianischen  Syntax). 

5.  Jacobus  Cobtese,  Grammatica  Catoniana.    Savone,  Andr.  Ricci,  1882  (bietet  im  zweiten 

Teil  höchst  dürftige  Notizen  zur  Syntax  des  Cato  ohne  jegliche  Begründung  oder 
Schlussfolgerung). 

6.  0.  ScBÖNDÖRFFER,   De  syntaxi  Catonis,  Königsberg  1885   (will   an   der  Syntax    Catos 

nachweisen,  dass  Catos  Schrift  de  agr.  im  wesentlichen  unverändert  auf  uns  ge- 
kommen sei,  da  die  Sprache  derselben  zur  Sprache  der  Zeit  Catos  passe;  behandelt 
also  die  ganze  Syntax,  aber  wenig  gründlich  und  ohne  Umsicht). 

7.  L.  DiETZE,   De  sermone  Catoniano.     Diss.  Lips.  Tanglimi  in  libr.  Dietziana  1870  (giebt 

von  p.  22  an  in  einer  Art  Ergänzung  zu  Holtze  das  spezifisch  Catonische  im  Ge- 
brauch der  Kasus,  der  Tempora  etc.  mit  besonderer  Betonung  der  abundantia  und 
breviloquentia  sermonis). 

8.  C.  G.  L.  Stadler,   De  sermone  Lucretiano.     Jena  1 869  typis  Ratii  (will  von  p.  27  an 

einen  Abriss  der  Syntax  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Gräzismen  aufstellen, 
welcher  mit  einem  allgemeinen  Urteil  Über  die  Latinität  des  Lucrez  schliesst). 

9.  F.  W.  HoLTZE,  Syntaxis  Lucretianae  lineamenta.     Leipzig   1868  (mit   Benützung   von 

liachmann  s  Kommentar  in  der  Weise  von  2  und  3  bearbeitet;  reiche  Stellensamm- 
lung, ausführliche  Behandlung  der  Präpositionen,  der  kopulat.  Konjunktionen  und 
des  transitiven  Gebrauchs  der  Verba). 
10,  H.  Reiter,  Quaestiones  Varronianae  grammaticae,  Königsberg  1882  (2  Teile;  im  ersten 
wird  die  sprachliche  Verschiedenheit  zwischen  den  Büchern  de  ling.  lat  u.  de  r.  rust. 
BBtenocht,  im  zweiten  über  einige  besonders  bemerkenswerten  Eigentümlichkeiten 


392  B.  LateiniBohe  Orammatik.    d)  LateiniBohe  Syntax. 

der  varron.  Diktion  gehandelt;  beide  Teile  bieten  eine  interessante  Darstellung  des 
Gebrauchs  der  Partikeln  u.  Konj.  bei  Varro). 

11.  Ph.  Tbiblmann,  De  sermonis  proprietatibus  quae  leguntur  apud  Comifioium  et  in  primis 

Ciceronis  libris.  Diss.  Strassburg,  Trttbner  1879  (lichtrolle  Darstellung  des  sprach- 
lichen Zusammenhangs  der  KrsÜingsschriften  Giceros  und  der  Rhetorik  des  Comi- 
ficius;  Charakteristik  der  Diktion  des  letztem). 

12.  G.  Landgbaf,  De  Ciceronis  elocutione  in  orationibus  pro  P.  Quinctio  et  pro  Sex.  R4»c. 

Am.  conspicua.  WUrzburg  1878  (bespricht  die  Verschiedenheit  der  Diktion  der  Erst- 
lingsreden  u.  der  später  von  Cic.  gehaltenen,  im  dritten  Teil  auch  in  syntaktischer 
Beziehung). 

13.  H.  Hellmuth,  De  serm.  proprietatibus  quae  in  prioribus  Cic.  oratt.  inveniuntur  (act. 

sem.  phil.  Erlang.  I  p.  101—174).  Erlangen,  Deichert  1878  (behandelt  in  reicher  u. 
wohl  erschöpfender  Weise  das  gleiche  Thema  wie  Landgraf). 

14.  A.  Köhler,  De  auctorum  bell.  Afr.  et  bell.  Hisp.  elocutione  (act.  sem.  phil.  Eriang.  I 

p.  367—476).  Erlangen,  Deichert  1878  (gehaltreiche  Behandlung  der  Sprache  des 
b.  Afr.  u.  b.  Hisp.,  namentlich  insofern  durch  dieselben  unsere  Kenntnis  des  Vulgftr- 
lateins  bereichert  wird). 

15.  Fköblich,  Das  bellum  Africanum  sprachlich  und  historisch  behandelt,  Brugg  1872  (hat 

viele  einzelne  sprachliche  Bemerkungen,  die  jedoch  nicht  erschöpfend  und  nicht 
systematisch  gruppiert  sind). 

16.  J.  Deoenhart,  De  auctoris  belli  Hisp.   elocutione  et  fide  historica.    Würzburg  1877, 

Stuber  (enthält  im  ersten  Teile  p.  1-43  gestutzt  auf  die  Belegstellen  und  unter  Bei- 
ziehung des  Sprachgebrauchs  andrer  Schriftsteller  eine  Reihe  interessanter  auf  das 
Vulgärlatein  bezüglicher  Wahrnehmungen). 

17.  G.  Landgraf,  Untersuchungen  zu  Caesar    und    seinen    Fortsetzen!.     Erlangen    1888 

(weist  die  Autorschaft  des  bellum  Africanum  dem  Asinius  Pollio  zu,  der  auch  den 
cäsarianisch-hirtianischen  Nachlass  redigiert  habe.  Der  sprachliche  Teil  der  Beweis- 
führung wirft  manches  für  Gramm,  u.  Stilistik  ab). 

18.  A.  Stinner,  De  eo  quo  Cicero  in  epistolis  usus   est  sermone.    Oppeln  1879,  Franck 

(vereinigt  drei  Programmarbeiten,  die  zur  Charakterisierung  der  epistolaren  Sprache 
Ciceros  auch  in  syntaktischer  Beziehung  viel  schätzbares  Material  beibringen). 

19.  E.  Opitz,   Quo  sermone  ei  qui  ad  Ciceronem  litteras  dederunt  usi  sint.     Progr.  Naum- 

burg 1879  (bespricht  dio  sprachlichen  Eigentümlichkeiten  der  einzelnen  Korrespon- 
denten, ohne  jedoch  dieselben  nach  ihrer  Individualität  zu  scheiden). 

20.  J.  H.  Schnalz,  Über  den  Sprachgebrauch  der  nicht ciceronischen  Briefe,   Z.  f.  G.  W. 

1881  p.  87—141;  Über  die  Latinität  des  P.  Vatinius  in  den  bei  Cic.  ad  fam.  erhal- 
tenen Briefen,  Progr.  Mannheim  1881 ;  Über  den  Sprachgebrauch  des  Asinius  Pollio. 
Festschrift  zur  XXXVI.  Philol.. Versammlung  p.  76  -  101.    Karlsruhe,   Braun,   1882. 

21.  K.  Schirmer,  Über  die  Sprache  des  M.  Brutus  in  den  bei  Cicero  überlieferten  Briefen. 

Progr.  Metz  1884. 

22.  H.  Hellmuth,  Über  die  Sprache  der  Epistel ographen  S.  Sulpicius  Galba  und  L.  Cor- 

nelius Baibus,  Würzburg  1888. 

23.  F.  "Büro,  De  M.  Caelii  Rufi  genere  dicendi,  Leipzig  1888. 

24.  F.  Becher,  Über  den  Sprachgebrauch  des  Caelius,  Nordhausen  1888.     (Die  unter  20—24 

aufgeführten  Abhandlungen  beschäftigen  sich  mit  den  Briefen  a  n  Cicero  und  geben 
ein  Bild  von  der  Sprache  der  betr.  Korrespondenten.) 

25.  G.  Landgraf,  Bemerkungen  zum  sermo  cotidianus  in  den  Briefen  Cic.  u.  an  Cic,  Bl. 

f.  Bayr.  G.  XVI  p.  274—280  u.  317-331  (mit  wichtigen  Fingerzeigen  auf  die  vul- 
gären Elemente  in  der  Sprache  der  Briefe).  , 

26.  B.  Lupus,  Der  Sprachgebrauch  des  C.  Nepos.    Berlin,  Weidmann,  1876  (erschöpfende 

Behandlung  der  Sprache  des  C.  Nepos  auf  sorgfältigen  Studien  beruhend). 

27.  Badstübner,  De  Sallustii  dicendi  genere  commentatio.     Berlin  1863.     Progr.   des   Fr. 

Wilh.-Gymn.  (Übersicht  des  Wesentiichsten  aus  der  Syntax  des  Sallust  in  gründ- 
licher Untersuchung). 

28.  Constans,  De  sermone  Sallustiano.    Paris,   Vieweg,    1880   (mit   Benützung  der   Vor- 

arbeiten in  übersichtlicher  Darstellung,  aber  ohne  dass  Verfasser  die  nötige  Schulung 
zu  einer  solchen  Arbeit  mitgebracht;  daher  viele  von  Ricmann  in  revue  critique  1881, 
Nr.  35  ff.  gerügten  Fehler). 

29.  R.  Stern,  Grundriss  einer  Grammatik  für  römische  Dichter  zum  Gebrauch  für  Schulen. 

Arnsberg  1851  (behandelt  ausser  Fragen  der  Metrik  und  Formenlehre  auch  Syntak- 
tisches im  Anschluss  an  Zumpt  in  einer  vorzugsweise  die  Praxis  berücksichtigenden 
Methode). 

30.  C.  Hupe,  De  genere  dicendi  C.  Valerii  Catulli  Veronensis.    Münster  1871  (nur  in  cap.  IV 

für  die  Syntax  einige  Notizen  über  Präpositionen  und  Konjunktionen  enthaltend). 


Einleitimg.  393 

31.  G.  Otebbolthaüs,  Syntaxis  Catullianae  capita  duo.    Papenburg  1875  (im  Anschluss  an 

Draeger  wird  die  Lehre  vom  Gebrauch  der  Redeteile  und  vom  Satz  soweit  bebandelt, 
als  CatuU  Bemerkenswertes  bietet,  unter  steter  Vergleichung  mit  andern  Dichtern 
u.  Beachtung  von  Archaismen,  Gräzismen  etc.). 

32.  J.  Streifingeb,  De  syntaxi  Tibulliana.     WOrzburg  1881    (vollständig  von  Draeger  u. 

Kühnast  abhängige  Aufzählung  grammatischer  Besonderheiten  ohne  tieferes  Kingehen 
in  des  Dichters  Eigenart). 

33.  J.  SchIflbb,  Die  sogen,  syntaktischen   Gräzismen    bei    den   augusteischen    Dichtern; 

Münchner  Diss.  Amberg  1884,  Pohl  (sehr  umsichtige  Untersuchung,  in  wie  fern  die 
Sprache  der  august  Dichter  durch  die  Vorbilder  der  Griechen  in  ihrer  syntaktischen 
hntwicklang  beeinflusst  worden). 

34.  A.  Wagneb,  De  syntaxi  Propertiana,  Passau  1888  (gedrängte  Obersicht  über  die  ganze 

Syntax  im  Anschluss  an  Dräger  ohne  Kenntnis  der  Detailarbeiten,  z.  B.  üörle's 
über  die  Kasus  bei  Properz,  Wölfflin's  über  est  videre,  Ziemeb's  über  aor.  Porf. 
u.  s.  w.). 

35.  J.  Pbaun,  Bemerkungen  zur  Syntax  des  Vitruv  mit  eingehender  Darstellung' der  Sub- 

stantivsätze. Programm  von  Bamberg  1885  (ebenso  ansprechend  geschriebene  wie 
gründlich  durchgeführte  Darstellung  der  Eigentümlichkeit  vitruvianischer  Diktion 
hinsichtlich  des  Gebrauchs  von  Inf.,  Partizip,  Gerundium,  indir.  Fragesätze;  anhangs- 
weise sind  interessante  Details  aus  dem  Gebiete  der  Komparation,  der  Pronomina 
u.  der  Kasuslehre  gegeben). 

36.  Ph.  Ebebhabd,  De  Vitruvii  genere  dicendi,  J.  Pforzheim   1887,   II.  Durlach  1888  (er- 

gänzt Prauns  Abhandlung,  indem  er  Vitruvs  Vulgarismen  im  Gebrauche  der  Parti- 
zipien, der  Präpositionen,  der  Temp.  und  Modi  nachweist.  Die  Stellung  Vitruvs  in 
der  Geschichte  der  lat.  Sprache  wird  durch  stete  Vergleichung  mit  dem  Sprach- 
gebrauch der  Autoren  vor  und  nach  Vitruv  genau  angegeben   und  wohl  begründet). 

37.  L.  Kühnast,  Die  Hauptpunkte   der  livianischen  Syntax.    Zweite  -Bearbeitung.    Berlin, 

Weber,  1872  (umfassende  Darstellung  der  liyianischen  Syntax  mit  erdrückendem 
Zitatenreichtum;  sehr  schwer  zu  studieren  infolge  eines  durch  Parenthesen  etc.  zer- 
rissenen Satzbaues.    Eigentümlichkeit  in  der  Auffassung:  überall  Gräzismen). 

38.  0.  RiEVANN,  Etudes  sur  la  langue  et  la  grammaire  de  T.  Live.  II.  Auflage.  Paris  1884 

(eine  auf  genauer  Kenntnis  des  livianischen  Sprachgebrauchs  basierende  Arbeit, 
welche  namentlich  über  den  Gebrauch  der  einzelneu  Redeteile  bei  Livius  sichere 
Resultate  giebt  und  im  Appendix  ausgewählte  Partien  der  Syntax  in  Vergleichung 
Ciceroe  mit  Livius  ebenso  geschickt  wie  umsichtig  behandelt). 

39.  Fb.  Seck,  De  Pompei  Trogi  sermone.    Zwei  Teile.     Progr.  von  Konstanz  1881  u.  1882 

(von  Eussner  u.  Georges  mit  Recht  als  „sorgfältige  Arbeif*  bezeichnet,  bespricht  zu- 
nächst die  wörtlich  überlieferten  Fragmente  des  Trogus,  dann  die  Hauptteile  der 
Syntax  bei  Justin,  insofern  sie  auf  Trogus  zuii^kzuweisen  scheint^  immer  im  Zu- 
sammenhange mit  den  diktionsverwandten  Schrimtellern). 

40.  H.  Geoboes,  De  elocutione  Vellei   Paterculi.     Leipzig,  Hahn,   1877   (nur  der  zweite 

kleinere  Teil  beschäftigt  sich  mit  der  Syntax,  wo  Kasuslehre  u.  Infinitiv  besonders 
ausführlich  behandelt  sind). 

41.  Fbitsch,   Über   den   Sprachgebrauch    des  Vell.  Pat.     I.   Teil.     Arnstadt   1876   (dieser 

I.  Teil  sucht  im  Anschluss  an  Draeger  den  Gebrauch  des  Vell.  Pat.  hinsichtlich  der 
Redeteile  in  den  auffälligsten  Erscheinungen  zur  Darstellung  zu  bringen). 

42.  0.  Lange,  Zum  Sprachgebrauch  des  Vell.   Paterculus;   I.  Teil,  Putbus  1878,   II.  Teil 

Stettin  1886  (giebt  eine  genaue  Materialsammlung  zur  Syntax  ohne  Beachtung  des 
Einflusses  früherer  Autoren  auf  Vell.  Pat.). 

43.  R.  Blaum,  Quaestionum  Valerianarum  specimen.     Strassburg  1876.     Progr.  (im  ersten 

Teil  eine  übersichtliche  Zusammenstellung  der  grammatischen  Eigentümlichkeiten  des 
Val.  Max.  enthaltend). 

44.  Tb.  Vogel  giebt  in  der  Einleitung  zu  seiner  Ausgabe  des  Curtius  eine  gedrängte  Über- 

sicht über  die  sprachlichen  Besonderheiten  des  Curtius,   namentlich   mit  Rücksicht 

auf  Livius  und  die  übrigen  Autoren  der  silb.  Latinität  (II.  Auflage.  Leipzig,  Teubner 
1875). 

45.  Kbah,  Beiträge  zur  Syntax   des   Curtius,    Insterburg  1886  und  1887,  2  Teile   (stellt 

die  Bemerkungen  der  Erklärer  hinsichtlich  der  Syntax  des  Curtius  zusammen  im 
Anschlüsse  an  Zumpt  und  in  steter  Vergleichung  mit  Vogel). 

46.  M.  Sander,  Der  Sprachgebrauch  des  Rhetors  Ann.  Seneca.   2  Progr.   Waren  1877  und 

1880  (verzeichnet  im  Anschluss  an  Draeger,  aber  im  II.  Teil  in  beliebiger  Auswahl 
und  ohne  die  ganze  Syntax  zu  erschöpfen,  was  ihm  bei  Sen.  rhet.  bemerkenswertes 
aufgefallen). 

47.  A.  Ahlhbim,  De  Senecae  rhetoris  usu  dicendi  quaestiones  selectae,  Darmstadt  1886 


394  B.  Lateiniache  Qranunatik.    d)  Lateinische  Syntax. 

(ergänzt  Sanders  Arbeiten,  indem  er  nach  Draeoers  Schema  Genetiv,  Ablativ,  Priipos. 
Partiz.  Gerund,  und  Koordination  statt  Subordination  behandelt). 

48.  A.  Hoppe,  Ober  die  Sprache  des  Philos.  Seneca.     Progr.   v.  Lauban  1873.   1877  (be- 

spricht im  genauen  Anschluss  au  Draeger  die  Syntax  Seneca's  bis  zur  Kasuslehre, 
ohne  in  den  Beispielen  erschöpfend  sein  zu  wollen.). 

49.  Obermeier,  Der  Sprachgebrauch  des  M.  Annaeus  Lucanus,  München  1886,  Progr.  (be- 

handelt den  Gebrauch  der  Redeteile,  der  Kasus,  der  Tempora  und  Modi,  sowie  die 
Lehre  von  der  Kongruenz  und  erweist  in  Lucan  den  Nacnahmer  der  aug.  Dichter, 
der  sich  aber  auch  den  durch  Sali,  und  Liv.  angebahnten  sprachlichen  Neuerungen 
nicht  verschliesst). 

50.  L.  Grasberg  ER,   De  usu  Pliniano.     Würzburg  1860  (behandelt  nicht  alle  Teile  der 

Syntax,  sondern  nur  die  Kasuslehre,  die  Moduslehre  und  den  Gebrauch  einzelner 
Redeteile,  ausserdem  Stilistisches). 

51.  J.  Müller,  der  Stil    des  älteren   Plinius.    Innsbruck,  Wagner,   1883  (verbreitet  sich 

auch  über  Syntaktisches,  insofeme  dies  mit  Satzbau,  Kürze  und  Fülle,  Einförmigkeit 
oder  Manni^altigkeit  des  Ausdrucks  zusammenhängt). 

52.  R.  TöRNEBLADH,  De  elocutione  Quintiliani.     Upsala  1858  (giebt  neben  interessanter 

Entwicklung  der  Gründe  des  Verfalls  der  lat.  Sprache  wichtiges  Material  zur  Kenntnis 
des  quintil.  Sprachgebrauchs). 

53.  C.  A.  Brolen,  De  elocutione  A.  Comelii  Celsi.    Upsala  1872  (bringt  im  II.  Teile  das 

zur  Darstellung,  worin  Celsus  in  syntaktischer  Hinsicht  von  der  klass.  Sprache  ab- 
weicht, wobei  insbesondere  die  Lehre  von  den  Partikeln  ziemlich  ausgiebig  ausge- 
fallen ist). 

54.  J.  Seoebade.  Obs.   gramm.  &  crit.   in   Petronium.     Halle   1880   (während    Ludwig  in 

seiner  Abhandlung  De  Petronii  sermone  plebejo.  Leipzig  1870  nur  wenig  Syntak- 
tisches beibrachte,  wird  hier  Pleonasmus,  Ellipse,  Parataxe  und  Hypotaxe,  Asyndeton 
behandelt;  im  11.  Teil  sind  die  beiordnenden  Konj.,  z.  B.  et,  autem,  verum  etc.  in 
ihrem  Gebrauch  bei  Petron.  besprochen). 

55.  J.  P.  Laoergrbn,  De  vita  et  elocutione  Plinii  Caecilii  Secundi.   Upsala  1872  (beginnt 

erst  p.  172  den  Abschnitt  über  die  Syntax,  der  dann  besonders  die  Kasuslehre  und 
die  Partikeln  eingehend  zur  Darstellung  bringt). 

56.  K.  Kraut,  Über  Syntax  und  Stil  des  jüngeren  Plinius.    Progr.  Schönthal   1872  (eine 

nach  Draeger  sorgfältig  angelegte  und  ausgeführte  Darstellung  in  steter  Vergleichung 
der  Diktion  der  früheren  Autoren). 

57.  A.  Draeger,  Über  Syntax  und  Stil  des  Tacitus.     3.  Auflage.  Leipzig  1882  (entspricht 

in  allen  Punkten  dem  oben  über  das  Hauptwerk  gefällten  Urteil;  vorzüglich  und 
zuverlässig  in  der  Behandlung  aller  Detailfragen). 

58.  E.  Wölfflin  hat  in  drei  höchst  beachtenswerten  Aufsätzen  im  Philologus  25,  26  und  27 

die  genetische  Entwicklung  des  taciteischen  Stiles  nachgewiesen  und  dabei  nament- 
lich auch  die  Veränderung  auf  dem  Gebiete  der  ^ntax  gründlich  behandelt. 

59.  L.  0.  Kiarr,  Sermonem  D.  Junii  Juvenalis  certis  legibus  adstrictum  demonstraie  co- 

natus  est;  Hauniae  1875  (erörtert  ausführlich  nach  Erläuterungen  über  Metrik  und 
Wortstellung  den  Sprachgebrauch  des  Juvenal  in  syntaktischer  Beziehung;  dabei  wird 
die  Ellipse  [p.  108—165]  am  eingehendsten  behandelt,  nächstdem  die  kopulativen 
Partikeln). 

60.  H.  Gebbing,  De  C.  Valeri  Flacci  dicendi  gencre  quaestiones,  Coblenz  1888  (hat  zur 

Kasuslehre  die  Beispiele  aus  Val.  Flaccus  zusammengestellt  und  spricht  dann  über 
Adj.  pro  Adv.  sowie  umgekehrt  in  übersichtlicher,  das  Wichtige  hervoi hebender 
Darstellung). 

61.  P.  Bagge,  De  elocutione  C.  Suetonii  Tranquilli;  Upsala  1875  (der  erste  grössere  Teil 

ist  lexikalischer  Art;  im  II.  Teil  von  p.  74  bis  p.  108  wird  in  der  bei  den  nordi- 
schen Abhandlungen  beliebten  Weise  dann  „de  ratione  syntactica*  gehandelt,  wobei 
jedoch  auf  die  Eigenart  des  Sueton  und  seine  Stellung  in  der  Entwicklungsgeschichte 
der  lat.  Sprache  gebührende  Rücksicht  genommen  wird). 

62.  0.  Gorges,  De  quibusdam  sermouis  Gelliani  proprietatibus  Observation  es.    Diss.  Halle 

1883  (der  II.  Teil  de  syntaxi  bespricht  die  Kasuslehre,  die  Präpositionen,  Gradation, 
Partikeln,  Koordination,  Subordination  etc.  vielfach  Draeger  ergänzend  und  stets 
unter  herleitender  Erklärung  der  syntakt.  Erscheinung). 

63.  Ad.  Ebert,  De  syntaxi  Frontoniana  (act.  sem.  phil.  Erlang.  II,  p.  311—357).   Erlangen, 

Deichert   1881    (behandelt  knapp   die  gesamte  Syntax  mit  vielen   Vergleichen  und 
zahlreichen  Zitaten  aus  früheren  Autoren). 
04.  H.  Kretschmann,  De  latinitate  L.  Apulei  Madaurensis;  Königsberg  1865  (spricht  erst 
im  II.  Teile  der  II.  Abteilung  von  der  Syntax;   dabei  werden  Pronomina,  Partikeln, 
Präpositionen  und  Kasuslehre  eingehend  behandelt). 


Einleitung.  395 

65.  H.  Becker,  studia  Apuleiana,  Berlin  1879  (weist  am   Gebrauche   der  Partikeln  nach, 

dass  Apuleius  in  den  Metamorph,  einen  ganz  andern  Stil  schreibt,  als  in  den  übrigen 
Schriften.    Der  Nachweis  bringt  interessantes  Detail  zur  Qeschichte  der  Partikeln). 

66.  H.  KozioL,  Der  Stil  des  Apuleius;   Wien  1872  (enthält  viel  Syntaktisches,  namentlich 

hinsichtlich  des  Gebrauchs  der  Redeteile,  ist  jedoch  sehr  weitschweifig  angelegt). 

67.  Ferd.  Maibr,  De  Anonymi  physiognomonia  Apuleio   falso   adiudicata.     Bruchsal  1880 

(weist  namentlich  aus  sprachlichen  Gründen  nach,  dass  das  fragliche  Buch  nicht  von 
Apul.  verfasst  sein  kann,  wobei  auch  einiges  für  Synt.  und  Stilist,  abfällt). 

68.  THOMi,  De  Flori  rerum   scriptoris   elocutione;   particula  1,  Frankenstein  i.  Schi.    1881 

Progr.  (zählt  im  Bereiche  dessen,  was  Draeger  H.  S.  1.  Band  enthält,  die  wichtigsten 
Erscheinungen  bei  Florus  ohne  Vergleich  und  Erklärung  auf). 

69.  K.  SiTTL,  Die  lokalen  Verschiedenheiten  der  lateinischen  Sprache  mit  besonderer  Be- 

rücksichtigung des  afrikanischen  Lateins:  Erlangen,  Deichert  1882  (Dies  mit  ausser- 
ordentlicher Belesenheit  in  Litteratur  und  Inschiiften  verfasste  Werk  giebt  von  p.  92 
an  Syntaktisches  aus  der  Africitas;  sehr  bemerkenswert  für  die  Kenntnis  der  spätem 
Latinität). 

70.  Urea,  Meletemata  Porphyrionea,  Wien  1885  (gehört  wegen  cap.  III   observationes   ad 

syntaxin  Porphyrioneam  pertinentes  und  cap.  IV  de  quibusdam  stili  Porphyrianei 
proprietatibus  hieher). 

71.  Pa ucker.  De  latinitae  Script,  bist.  Augustae,  Dorpat  1870. 

72.  C.  CoTTA,  quaestiones  grammaticae   et  criticae  de   vitis    a  scr.  h.    Aug.    conscriptis. 

Breslau  1883  (bespricht  im  I.  Kap.  den  Gebrauch  der  Partikeln  d.  h.  der  Adv.  Präpos. 
Konj.  bei  den  scr.  h.  Aug.  eingehend  und  zuverlässig). 

73.  Paucker,  Über  justinische  Syntax  Z.  f.  ö.  G.  1883.    p.   321—341    (und   dazu  Sittl    b. 

Burs.  1877/83  p.  336  f.,  nach  welchem  Justin  im  111.  saec.  schrieb  und  näher  dem 
Ammian  als  dem  Florus  oder  Sueton  steht). 

74.  W.  Hartel,  Lucifer  von  Cagliari   und  sein  Latein,   Wölfflins   Archiv  III,-  1  p.  1—58 

(inhaltsreiche  Übersicht  über  die  Sprache  Lucifers  in  3  Teilen,  1.  Lexikalisches. 
2.  Deklination  und  Konjugation,  3.  Syntaktisches  und  Stilistisches;  auch  der  1.  Teil 
enthält  schätzbare  Winke  für  Syntax  und  Stilistik). 

75.  C.  Paucker,  Bemerkungen  Über  die  Latinität  des  Grammatikers  Diomedes;  Berlin  1883 

Calvary  (enthält  nur  einige  eingestreute  syntaktische  Bemerkungen,  ebenso  die  Ab- 
handlung de  latinitate  Orosii  und  de  latinitate  Eustathii). 

76.  G.  Hassehstein,  De  syntaxi  Ammiani  Marcellini;  Königsberg  1877  (bietet  auf  55  Seiten 

in  vielen  Beispielen  eine  Übersicht  über  die  ganze  Syntax  Ammians  mit  gebührender 
Würdigung  der  bei  Ammian  aus  Herkunft,  Lebensweise  und  Zeitalter  sich  leicht 
erklärenden  Gräzismen  und  Vulgarismen). 

77.  H.  GöLZER,  Etüde  lexicographique  et  grammaticale  de  la  latinit^  de  St.  Jeröme;  Paris 

Hachette  1884.  (Nur  der  III.  Teil  dieses  äusserst  fleissigen  Werkes  behandelt  die 
Syntax,  aber  unter  stet«r  Verweisung  auf  Draeger  in  gründlicher  mit  vielen  Bei- 
spielen ausgestatteter  Darstellung.) 

78.  Fr.  Trump,  observationes  ad  genus  dicendi  Claudiani  eiusque  imitationem  Vergilianam 

spectantcs,  Breslau  1887  (giebt  im  ersten  Teil  die  Hauptpunkte  der  Syntax  Claudians 
bezüglich  Kasuslchre  und  Infinitiv  in  steter  Vergleichung  mit  den  früheren  Dichtern). 

79.  Fr.  Kaulen,  Handbuch  zur  Vulgata,  Mainz  1870,  Heiss,  Beitr.  zur  Gramm,  der  Vulg., 

München  1864,  Loch.  Materialien  zu  einer  lat.  Gramm,  der  Vulg.  Bamberg  1870, 
Ph.  Thielmann,  zu  der  Vulgata,  Philologus  42,  p.  319  -  378,  enthalten  manchen 
schätzbaren  Wink  für  die  hist.  Syntax,  namentlich  Kaulen,  der  auch  auf  die  übrigen 
Schriftsteller  eingeht. 

80.  H.  Gölzer,  grammaticae  in  Sulp.  Severum  observationes  potissimum  ad  vulgarem  la- 

tinum  sermonem  pertinentes,  Paris  1883  (untersucht  im.  III.  Teile  die  Syntax  des 
Sulp.  Sev.  namentlich  auf  ihre  vulgären  Elemente  hin  mit  scharfem  Blicke  und  sorg- 
fältiger Verwertung  der  Vorarbeiten). 

81.  A.  LöNNEROREN,  de  syntaxi  Sulpicii  Seven,  Upsala  1882  (in  2  Teilen,  wovon  der  erste 

die  syntaxis  nominum,  pronominum,  verborum,  particularum  giebt,  der  zweite  de  ca- 
sibus,  temporibus,  modis,  secundarüs  enuntiationibus  unter  steter  Verweisung  auf 
Draeger,  Kühner  und  Kühnast  abhandelt.  Das  Ganze  vermittelt  uns  ein  anschau- 
liches Bild  der  Sprache  des  Sulp.  Sevenis). 

82.  M.  Mi)LLER,  De  Aj^ollinans  Sidonii  latinitate  observationes  ad  etymologiam  syntaxin, 

vocabnlorum  apparatum  spectantcs.  Halle  1888  (behandelt  im  II.  Teile  eingehend 
die  Lehre  von  den  Kasus,  den  Präpos.  und  den  Partikeln,  bespricht  dann  einiges 
vom  Gebrauch  der  Pronomina  und  schliesst  mit  einer  kurzen  Darstellung  der  Syntax 
des  Partie,  und  des  Infinitivs). 

83.  H.  Kretschmann,  De  latinitate  C.  Solli  Apollinaris  Sidoni;  pars  II;  Memel  1872  (be- 


396  B«  Lateinische  Ghrammatik.    d)  Lateinische  Syntax. 

schränkt  sich  auf  wenige  syntaktischen  Notizen,  die  quasi  appendicula  ad  complendam 
comraentationem  p.  18-20  einem  ziemlich  genauen  Aufsatz  über  die  copia  verborum 
angehängt  sind  und  auf  Kasuslehre,  Präpos.  und  Infin.  sich  beziehen). 

84.  A.  Engelbrecht,  Untersuchungen  über  die  Sprache  dos  Claudianus  Mamertus,    Wien 

1885  (will  die  Stellung,  welche  Claud.  in  der  Geschichte  der  lat.  Sprache  einnimmt, 
charakterisieren.  Am  meisten  gewinnt  dabei  das  Lexikon,  doch  bespricht  £.  auch 
manches  Syntaktische). 

85.  K.  RossBEBG,  Materialien  zu  einem  Kommentar  über  die  Orestis   tragoedia  des  Dra- 

contius,  Hildesheim  1888  (enthält  schätzbares  Detail  über  Syntax  und  Stil  des  spätlat. 
Dichters  und  damit  Über  Spätlat.  überhaupt). 

86.  6.  Bbdnarz,  De  universo   orationis  colore  et  syntaxi   Boethii,  Breslau    1883  (unbe- 

deutende Abhandlung,  die  aber  doch  einiges  für  Syntax,  Wortstellung  u.  ä.  abwirft, 
trotz  der  im  ganzen  richtigen  Kritik  in  W.  f.  klass.  Phil.  1,  p.  145). 

87.  M.  Zink,   der  Mytholog  Fulgentius.    £in  Beitrag  zur  röm.   Litteraturgeschichte  und 

zur  Grammatik  des  afrikanischen  Lateins,  IL  Teil:  Die  Latinität  des  Fulgentius; 
Würzburg  1867  (geht  nach  einer  allgemeinen  Charakteristik  der  Sprache  des  Fulg. 
Über  zu  einer  kurzen  Besprechung  der  Formenlehre  und  einer  ausführlicheren  Dar- 
legung der  syntaktischen  Anomalien  und  stilistischen  Eigentümlichkeiten  des  na- 
mentlich von  Gräzismen  und  Neologismen  wimmelnden  Schriftstellers). 

88.  G.  ScHEPPS,  Die  Sprache  Priscillians,   in  Wdlfflins  Archiv  III,  p.  309-328  (enthält 

von  p.  316  —  324  Syntaktisches  und  Stilistisches  des  unter  die  späni sehen  Schrift- 
steller zu  rechnenden  Autors). 

89.  Ph.  Thiblmann,  Ober  Sprache  und   Kritik   des  lat.   Apolloniusromans;  Progr.  Speier 

1881  (verzeichnet  syntaktische  Eigentümlichkeiten  der  genannten  spätlat.  Schrift  mit 
Rücksicht  auf  den  Gebrauch  der  Vulgata  und  unter  Nachweisung,  dass  die  hier  ge- 
suchten Gräzismen  vielmehr  meist  Vulgarismen  sind). 

90.  M.  TscniASSNY,  studia  Hyginiana,  Wien  1888  (weist  mit  eingehender  Besprechung  der 

wichtigsten  syntaktischen  Erscheinungen  bei  Hygin  nach,  dass  dieser  Schriftsteller 
nicht  einmal  dem  silb.,  geschweige  dem  gold.  Zeitalter  zugeteilt  werden  darf). 

91.  W.  Kalb,  Das  Juristenlatein.   Versuch  einer  Charakteristik  auf  Grundlage  der  Digesten; 

Nürnberg  1888  (will  den  Begriff  , Juristenlatein''  an  einer  Auswahl  und  Zusammen- 
stellung des  jedem  Pandektenleser  Bekannten  geben;  enthält  viel  interessantes  Detail, 
namentlich  aus  dem  Kurialstil;  vgl.  id.  Über  die  Latinität  des  Juristen  Gaius  in 
Wölfflin's  Archiv  I  p.  82—98). 

92.  K.  Meinhold,  animadversiones  in  Justiniani  institntiones,  Diedcnhofcn  1887  (will  nach- 

weisen, dass  Dorothcus  weniger  elegant  schrieb,  als  'fhcophilus,  und  charakterisiert 
die  Diktion  beider  namcntlicb  mit  Rücksicht  auf  den  Gebrauch  der  Konjunktionen, 
Tempora  und  Modi). 

93.  P.  Geyer,   Beiträge   zur    Kenntnis    des   gallischen    I^ateins    in    Wö]fflin*s    Archiv    11, 

p.  25 — 47  (bringt  wichtige  Beobachtungen  für  die  Präpos.  und  Pronomina  in  ihrem 
Übergang  ins  Romanische). 

94.  E.  WöLFFLiN,  Über  die  Latinität  der  Peregrinatio   ad   loca  sancta.  Archiv  IV,  p.  259 

bis  276  (betont  besonders  die  Veränderung  im  Gebrauch  der  Partikeln  im  Sp.  L. 
und  giebt  ausserdem  S3'ntaktische  Merkwürdigkeiten  dieser  eigentQmlichen  Schrift); 
vgl.  dazu  Geyer,  Archiv  IV,  p.  611—615. 

95.  G.  Koffmane,  Geschichte  des  Kirchenlateins.  Breslau   1879   und    1881    (bis  jetzt  nur 

1  Band  in  zwei  Heften,  beschäftigt  sich  im  Cap.  V  mit  den  syntaktischen  Eigen- 
tümlichkeiten der  Kirchensprache  p.  116-142  unter  Beachtung  des  gricch.  vulgär, 
und  archaist.  Einflusses). 

Sehr  wichtig  sind  ferner: 

96.  Ed.  Wölfflin,  Zum  Vulgäriatein.  im  Pliilol.  XXXIV,  p.  137-165.   Dieser  Aufsatz  war 

grundlegend  für  die  Spezialuntersuchungen  auf  dem  Gebiete  des  Vulgärlateins. 

97.  0.  Reblino,  Versuch  einer  Charakteristik  der  römischen  Umgangssprache.  II.  Abdruck. 

Kiel  1882,  Lipsius  &  Tischcr  (enthält  manche  schätzbare  Bemerkung  zur  Beurteilung 
auffallender  Konstruktionen). 

98.  A.  v.  GuERicKE,   de    linguao   vulgaris  reliquiis  apud   Pctronium   et  in   inscriptionibus 

parietariis  Pompeianis.  Diss.  Gumbinnen  1875  (weist  im  II.  Teil  von  p.  50  an  ge- 
radezu monströse  Erscheinungen  auf  syntaktischem  Gebiete  aus  Inschriften  auf). 

99.  Herm.  Rönsch,  Itala  und  Vulgata.    Das  Sprachidiom  der  urchristlichen  Itala  und    der 

katholischen  Vulgata  unter  Berücksichtigung  der  römischen  Volkssprache  durch  Bei- 
spiele erklärt.  Marburg  &  Leipzig  1869  (der  IV.  Teil  „Besonderheiten  der  gramma- 
tischen Struktur**  behandelt  in  3  Rubriken  „Idiotismen..  Gräzismen  und  Ilebraismen* 


1.  Der  fkinf&ohe  Satz:  a«  Der  BehauptangBeatz.  (1—2.)  397 

die  syntaktischen  Eigentümlichkeiten  der  Itala  und  Vulgata  in  reicher,  auch  die  In- 
schriften beiziehender  Darstellung). 

Fflr  die  Methode: 

100.  pH.  Wkobnbb,  Untersuchungen   über   die  Grundfragen    des  Sprachlebens,  Halle  1885 

(neben  Paul  wichtig  für  die  psychologische  Beobachtung  der  Spracherscheinungen). 

101.  H.  Paul,   Prinzipien  der  Sprachgeschichte,  2.  Aufl.     Halle  1886   (besonders   wichtig 

sind  in  diesem  für  jeden  Sprachforscher  unentbehrlichen  Buche  die  Kapp.  V,  VI, 
VII,  XVI  über  Analogie,  die  syntakt.  Grundverhältnisse,  Bedeutungswandel  auf  synt. 
Gebiet  und  Verschiebung  der  S3mt.  Gliederung). 

102.  ß.  DelbbCck  und  E.  Wivdisch,  Syntaktische  Forschungen.    Teil  1 — 4.  Halle,  Waisen- 

haus 1871—1879  (besonders  wichtig  Band  1  «der  Gebrauch  des  Konjunktivs  und 
Optativs  im  Sanskrit  und  Griechischen''). 

103.  G.  CuBTius,  Erläuterungen  zu  meiner  griechischen  Schulgrammatik.    Prag,   Tempsky, 

1870. 

104.  JoLLT,  Schulgrammatik  und  Sprachwissenschaft.    München   1874  (giebt  von  p.  72  an 

einige  Gesichtspunkte  für  die  Behandlung,  namentlich  auch  für  die  Einteilung  der 
Syntax  nach  der  historisch  komparativen  Methode). 

105.  H.  ZiBMEB,  Junggrammatische  Streifzüge  im  Gebiet  der  Syntax.   II.  Auflage.   Colberg, 

Post  sehe  Buchhandlung,  1883  (besteht  aus  zwei  Abschnitten:  a.  zur  Geschichte  der 
junggrammatischen  Litteratur,  b.  das  psychologische  Moment  in  der  Bildung  syntak- 
tischer Sprachformen ;  hier  wird  nicht  ohne  Geschick  die  junggrammatische  Methode 
auf  die  Syntax  angewendet,  und  «Sprachfehler*  oder  auch  «falsche  Bildungen*"  werden 
in  ihrer  Berechtigung  nachgewiesen). 

Reichhaltige  Kommentare,  zum  grössten  Teil  unentbehrlich  für  den Syntaktiker  sind: 

LoBBNZ  und  Bblx  zu  Plautus,  Spenoel  und  Meissneb,  sowie  Dziatzko  zu  Terenz,  Laoh- 
MANN  zu  Lucrez,  Riese  zu  Catull,  Landobaf  zu  Ciceroe  Rosciana,  C.  F.  W.  Müllbb 
zu  Cic.  off.,  Madvio  zu  Cic.  de  finibus,  Kühnbb  zu  Cic.  Tusc,  hauptsächlich  Sbyf- 
febt-Mülleb  zu  Cic.  Laelius,  Stübenbubo  zu  Cic.  p.  Archia,  Nipfebdey-Lupus  zu 
Nepos,  Hofkann-Ardbesen  und  Süpfle-Böckel  zu  Cic.  epp.,  Kbitz  und  Fabbi,  sowie 
Dietsch  zu  Sallust,  Weissbkbobn,  H.  J.  Mülleb,  Wölfflin,  Mobitz- Müllbb  zu  Livius, 
Fbitzsche  zu  Horaz*  Satiren,  Mützell  zu  Curtius,  Ntpfebdet  und  Dbaeoeb,  sowie 
Andbesen,  Baumstabk  und  Hbbabus  zu  Tacitus,  Dedebich  zu  Dictys  Cretensis, 
BOnemann  zu  Lactanz. 

Viel  Syntaktisches  besprechen  auch 

Kbebs-Allgayeb-Schmalz  im  Antibarbarus  ^,  dann  die  stilistischen  Werke  von  Näüelsbach- 
MClleb,  Hand-Schmitt,  Klotz,  Haacke,  Gbysab,  Boutkbwek,  Seyffbbt  in  der  Pa- 
laestra  Ciceroniana  und  in  den  Scholae  latinae. 


A.   Der  einfache  Satz. 

1.  Der  Behauptungssatz. 

a.  Vom  Subjekt. 

1.  Die  Verbalform  der  I.  und  II.  Person  enthält  in  den  indogerm. 
Sprachen,  also  auch  im  Lat.,  stets  ein  Subjekt.  Tritt  noch  das  Pronomen 
hinzu,  so  wird  damit  das  Subjekt  (namentlich  im  Gegensatz)  besonders 
hervorgehoben,  z.  B.  bei  den  Komikern  im  Imperativ,  PI.  Pers.  600  adi 
eum  tute.  Auf  die  Eigentümlichkeit  der  Volkssprache,  welche  Abundanz 
des  Ausdrucks  liebt,  ist  die  Beifügung  eines  unbetonten  Pron.  Pers.,  so 
namentlich  bei  Petron,  in  der  Komödie,  dann  bei  Lucr.,  Sali.  u.  Catull,  bei 
den  Archaisten,  zurückzuführen;  den  aug.  Dichtern  besonders  eigen  ist 
unbetontes  Pronomen  nach  non  oder  neque, 

2.  Die  III.  Person  des  Verbums  setzt  ein  Subjekt  voraus.  Jedoch 
giebt  es  auch  subjektlose  Sätze,  die  nur  aus  dem  Prädikate  bestehen;  in 
denselben  gelangt  ein  Vorgang  oder  ein  Zustand  zum  Ausdrucke  ohne  Be- 


398  B.  Lateinische  Grammatik,    d)  Lateinisohe  Syntax. 

Zeichnung  des  wirkenden  Gegenstandes.  Diese  Fähigkeit  absoluter  Setzung 
des  Prädikats  ist  ein  Vorzug,  an  dem  auch  die  lat.  Sprache  teilnimmt. 
Ist  die  Form  des  Verbs  des  Qenusunterschiedes  fähig,  so  steht  natürlich 
das  Neutrum,  z.  B.  pugfiatum  est.  Eigentümlich  ist,  dass  subjektlose  Sätze 
zur  Bezeichnung  von  Vorgängen  in  der  Natur  in  der  klassischen  Sprache 
selten  sind ;  Cicero  kennt  nur  fulget  und  lu^et  (letzteres  auch  Caesar),  sowie 
luciscit  in  den  epp.;  die  Passivformen  pluitur  und  ningitur  gehören  Apul. 
an.  Leicht  erklärlich  ist,  dass  die  Script,  r.  rust.  reich  sind  an  diesen 
Ausdrücken. 

Anmerkung  1.  Übrigens  können,  wie  die  Geschichte  von  perpluü  beweist,  diese 
gewöhnlich  subjektlosen  Verba  auch  ein  Subjekt  erhalten,  freilich  nicht  in  der  klaasiscben 
Sprache.  Während  Cato  stigt  sictUn  perpluit,  lesen  wir  bei  Plaut,  und  Quint  parietes  per- 
pluunt  und  bei  Vitruv  (igua  perpluit, 

Anmerkung  2.  Selbstverständlich  gehören  Ausdrücke  wie  accidü,  necesae  estu.  S. 
nicht  hieher,  da  dieselben  ohne  Hinzudenkung  eines  Subjekts  oder  Subjektasatzes  keinen 
vollständigen  Sinn  geben.  Von  diesen  sog.  Impersonalien  eignen  die  Incohativformen  wie 
miserescit,  pudescit,  sowie  die  Passivformen  misei'etur,  pudetur  der  Vulgärsprache  zu 
(Komik.  Petron.  Spätlat.);  Cic.  hat  nur  einmal  fin.  2,  39  qtios  nan  est  veritum.  Auch  die 
persönliche  Konstruktion,  z.  B.  si  ptnenitere  pösaint  gehört  nur  der  vor-  und  nachklassischen 
Zeit  an  und  ist  bei  den  Komikern  besonders  häufig. 

Anmerkung  3.  Dem  optatum  est  entspricht  als  sog.  Abi.  abs.  optato,  ,wie  ge- 
wünscht worden  ist.'  Derartige  Abi.  abs.  finden  sich  im  Altlat.,  bei  Cicero  Caes.  und 
Sali.  Liv.  den  Archaisten,  namentlich  aber  bei  den  Juristen;  sie  sind  vielfach  zu  Adv. 
erstarrt,  z.  B.  atispicato,  bipartito,  testato  u.  ä.  Ähnlich  wie  mit  accidit  (§  2  Anm.  2) 
steht  es  mit  der  erst  in  der  klass.  Zeit  aufkommenden,  bei  Cicero  nur  vereinzelt,  z.  B. 
off.  2,  42  adiuncto  ut  haberentttr  sich  findenden,  aber  in  der  silbernen  Latinität  besonders 
ausgebildeten  Anfügung  eines  Sulnektssatzes  an  solche  Abi.  abs.  Mit  Recht  sieht  Krebs- 
Allgayer  hierin  eine  wesentliche  Bereicherung  der  nachklassischen  Latinität. 

3.  Die  III.  Person  Plur.  steht  oft  subjektlos,  wobei  aber  leicht  das 
Subjekt  (homines,  wir  „man")  ergänzt  werden  kann. 

Anmerkung.  Bei  Liv.  Plin.  mai.  Tac.  finden  sich  dem  entsprechend  auch  Abi. 
abs.;  so  z.  B.  Tac.  h.  2,  50  tempora  reputantibus  „wenn  man  in  Betracht  zieht*  zu  repu- 
tant  „man  zieht  in  Betracht**.  Indes  wird  die  Auffassung  des  Partizips  als  Dat  relationis 
(§  85)  an  den  einschlägigen  Stellen  richtiger  sein. 

4.  Echtlateinisch  ist  die  Verbindung  der  I.  oder  II.  Person  mit  Sub- 
stantiv. Subjekt,  wie  Ilannibal  peto  pacem;  dies  ist  durch  Inschriften  und 
durch  die  ganze  Litteratur  (die  klassische  Zeit  jedoch  bietet  kein  Beispiel 
dafür  oder  dagegen)  seit  Plautus  erwiesen.  Die  Abweichungen  bei  Va- 
tinius  (bei  Cic.  fam.  5,  9,  1)  und  Nepos  Paus.  2,  3  sind  teils  auf  Nach- 
lässigkeit der  Diktion,  teils  auf  Nachahmung  griechischer  Vorbilder  zurück- 
zuführen. 

5.  Das  Subjekt  wird  nochmals  aufgenommen  durch  is^  manchmal 
verstärkt  durch  demum  oder  vero;  z.  B.  Plaut.  Poen.  1069  j^a/er  fuos  is 
erat  frater  pairueUs  mens,  Vitruv  157,  9  docuit  unum  ex  Jus  cum  e^se 
poetam.  Dieser  Gebrauch  gehört  der  Volkssprache  bis  herein  ins  Komanische 
(vgl.  Diez,  Gramm.  §  807,  9)  an,  hat  sich  jedoch  auch  in  die  Litteratur- 
sprache  Eingang  zu  verschaffen  gewusst,  so  schon  bei  Plautus  und 
Cato,  später  bei  Sallust,  ganz  vereinzelt  bei  Cicero  und  später  wieder  bei 
Livius. 

Zu  §2  vgl.:  Fb.  Miklosich.  Subjektlose  Sätze.  2.  Aufl.  Wien  1883.  —  Scbufpb, 
W.  subjektlose  Sätee  (mit  besond.  Rtickaicht  auf  Miklosich)  Z.  f.  V.  PiBYoh.  XVI,  8,  £.  249 
bis  297.     Marty  in  Yierteljahrsschrift  f.  wiss.  Philos   Jahrgang  VIII.    Pü«,  Pracr.  FIflm- 

bürg  1888. 


1.  Der  einfache  Sats:  a.  Der  BehauptungsBatE.  (§  3—^10.)  399 

b.  Vom  Prädikat 

aa.    Allgemeines. 

6.  Wenn  an  Stelle  der  einfachen  Verbalforni,  z.  B.  ^tgei^  fert  das 
Part.  Praes.  mit  esse  {eJvai),  also  fpeQcov  iax(v^  ferefis  est  erscheint,  so  wird 
damit  zunächst  das  Zuständliche  oder  ein  Mittel  bezeichnet;  diesen  Gebrauch 
kennt  auch  die  klassische  Sprache,  z.  B.  Cic.  or.  2,  364  tarn  sin  despiciens 
fuU.  Dann  aber  dient  es  der  umständlichen  Erzählungsweise  des  Volkes 
und  findet  sich  so  bei  Gato  Plaut.  Ter.  Catull  bell.  Hisp.,  ganz  vereinzelt 
bei  Cic.  (nie  in  den  Reden)  Liv.  Ovid.  Sen.  phil.  Gell.  Apul.  Arnob.,  im 
Bibellatein  und  der  davon  abhängigen  Litteratur,  so  besonders  bei  Lucifer 
Calar.  An  einen  Gräzismus  ist  nicht  zu  denken,  weil  Vitruv  diese  Rede- 
weise ganz  besonders  kultiviert. 

7.  Das  Adverb  als  nähere  Bestimmung  des.  Prädikatswortes  esse  gehört 
vorzugsweise  der  Umgangssprache  an;  es  findet  sich  so  bei  Komik.  Sali. 
Cic.  epp.  Catull.  Hör.  sat.  Liv.  Plin.  min.  Tac,  bei  den  Archaisten,  beson- 
ders bei  Gellius.  Der  höhere  Stil  hat  sich  viel  engere  Grenzen  in  diesem 
Gebrauche  gesteckt  und,  während  man  im  gewöhnlichen  Leben  schon  der 
Kürze  wegen  esse  bevorzugte,  vielmehr  Verba  von  individuellerer  Bedeutung 
ausgewählt.  So  sagen  Cic.  u.  CsLea.^longe  abesse^  wo  Komik.  Flor.  u.  a. 
longe  esse  gebrauchen,  Sali,  mala  dbunde  erant,  wo  wir  aderant  erwarten. 

8.  Das  Prädikatswort  fehlt  manchmal  in  der  Umgangssprache,  beson- 
ders bei  Cato  Plaut.  Ter. ;  doch  sind  es  nur  gewisse  Kategorien  von  Verben, 
die  leicht  wegfallen,  so  die  vv.  dicendi,  faeere,  iVc,  venire,  überhaupt  die 
vv.  der  Bewegung  und  die  des  Geschehens.  Wenn  auch  diese  Ellipse  dem 
Dialoge  und  Briefstil  vorzugsweise  angehört  und  so  ausser  bei  Cato  u. 
Komik,  in  Cic.  (namentlich  ad  Att.  und  besonders  in  Sätzen  mit  sed,  verum, 
ne,  at)  und  Plin.  epp.,  sowie  Cic.  philos.  sich  findet,  so  dient  sie  zuweilen 
doch  auch  dazu,  der  feierlichen  Rede  den  Charakter  nachdrücklicher  Kürze 
zu  geben.  Caesar  u.  Vell.  kennen  diese  Ellipse  nicht,  die  übrigen  Histo- 
riker scheinen  sie  auf  die  Reden  zu  beschränken,  nur  Tac.  macht  nach 
dem  Vorbilde  des  Plin.  mai.,  bei  dem  überhaupt  Ellipsen  aller  Art  beliebt 
sind,  umfassenden  Gebrauch  davon;  z.  B.  ann.  4,  57  tandem  Caesar  in 
Cawpaniam  (sc.  2)rofeetus  est),  ebenso  die  nachfolgenden  Historiker,  z.  B. 
Florus  (I,  3,  6  nee  diu  in  fide  Albanus  sc.  mansit), 

9.  Eigentümlich  der  Sprache  der  Komiker  ist  die  Setzung  des  Verbum 
esse  in  einer  uns  abundant  erscheinenden  Weise  in  Fällen  wie  Plaut.  Trin.  70 
numquis  est  hie  alius  praeter  meatquete?    Nemost;  uns  genügt  „niemand**. 

10.  Umgekehrt  ist  bei  potis  und  pote  die  Ellipse  von  esse  häufig  bei 
Komik.  Varro  und  später  bei  Fronte,  vereinzelt  bei  Catull.  Verg.  Hör. 
Prep.,  so  Catull  45,  5  qui  pote  =  qui  potest.  Im  übrigen  ist  aber  die 
Ellipse  von  esse  viel  weniger  häufig  als  man  glaubt;  sie  findet  sich 

a.   im  Indikativ   in   Sprichwörtern    und   Sentenzen,    beschränkt   sich 
sonst  aber  in  der  alten   und  der  klass.  Sprache   (auch  bei  Catull)  auf  ge- 
f  ormeln  der  Umgangssprache,  Ausruf  und  Beschreibung.     Bei  Sali., 
*"  chtern,  besonders  bei  Vergil,  wird  sie  häufiger,  auch  bei  Livius 


400  B«  Lateinüiche  GhranuDAtik.    d)  Lateinische  Syntax. 

und  hauptsächlich  bei  Tac. ;  der  letztere  lässt,  wie  schon  Cic.  Sali.  u.  Varro  m 
Nebensätzen  es  thun,  aber  ohne  aufzufallen,  die  Kopula  in  solchen  Sätzen  in 
auffälliger  Weise  aus.   Harte  Ellipsen  treffen  wir  auch  bei  Curtius  und  Fronte; 

b.  im  Konjunktiv  wohl  in  allen  Zeiten  im  Ausruf,  z.  B.  betie  tibif 
feliciter  sc.  sit;  sonst  nicht  vor  der  klassischen  Zeit,  bei  Cicero  selten  und 
vielleicht  nur  im  indirekten  Fragesatz,  öfter  erst  bei  Tacitus,  namentlich 
wenn  ein  anderer  Konjunktiv  folgt;  nach  Tac.  nur  vereinzelt; 

c.  im  Inf.,  besonders  fut.  activi,  häufig  schon  bei  Terenz,  dann  bei 
Cic.  namentlich  in  epp.,  sehr  oft  bei  den  Historikern  (Inf.  fut.  act.  bei 
Nepos  u.  Vitruv  immer),  bei  Plin.  min.  Sen.  überhaupt  im  silbernen  Latein, 
oft  nicht  ohne  eine  gewisse  Härte,  dann  bei  den  Archaisten,  z.  B.  Fronto. 

d.  Die  Ellipse  von  fuisse  erscheint  erstmals  bei  Livius,  dann  häufig 
bei  Tacit.,  vorher  vereinzelt  bei  Val.  Max.,  dann  bei  Sueton.  u.  Curt. 

Zu  §  7  vgl.  C.  F.  W.  MüLLEB,  in  Philol.  IX,  617-()2r).  ||  Zu  §  9  vgl.  Ritschl,  Opnac. 
II,  G08  ff.  II  Zu  §  10  Plew,  De  elüpsi  v.  cop.  esse  apud  poet.  I^t.    Tils  1877. 

bb.   Von  der  Kongruenz. 

11.  Wenn  mehrere  Subjekte  ein  gemeinsames  Prädikat  haben,  steht 
dasselbe  naturgemäss  im  Plural.  Aber  die  Stellung  des  Prädikates  (vor 
oder  nach  den  Subjekten),  die  Art  der  Subjekte  (Personen,  Sachen,  Ab- 
strakta),  die  Art  ihrer  Verbindung  (asyndetisch,  einfach  kopulativ,  poly- 
syndetisch), ihr  inneres  Verhältnis  (oft  Hendiadyoin)  und  die  Stilgattung 
(Poesie  oder  Prosa)  bedingen  mancherlei  Abweichungen.  Der  Singular  über- 
wiegt bei  den  Dichtern,  namentlich  bei  Horaz,  gegenüber  den  Prosaikern, 
in  den  Schriften  der  letzteren  bei  voraufgehendem  Prädikat,  bei  sachlichen 
Subjekten,  bei  asyndetischer  und  polysyndetischer  Verbindung  und  ist  fast 
ausschliessliche  Regel  bei  dem  Hendiadyoin,  z.  B.  oHum  ac  desidia  superavit. 
Man  bemerke: 

a.  Ein  gemeinschaftliches,  aber  getrennte  Thätigkeit  voraussetzendes 
Prädikat  erscheint  in  der  klass.  Sprache  im  Sing.,  erst  bei  Liv.  Trog.  Tac. 
und  vereinzelt  bei  ihren  Nachahmern,  z.  B.  Florus,  im  Plural,  z.  B.  Justin 
15,  4,  24  Seleucus  Demetrio,  Ptolemaeus  Lysimacho  iunguntur  (klass.  iungitur). 

b.  Das  Prädikat  kongruiert  mit  einem  mit  dem  Subjekt  in  Vergleich 
gebrachten  Substantiv,  z.  B.  Verg.  ecl.  8,  67  nihil  hk  nisi  carm'ma  desunt. 
Zur  Anknüpfung  des  Subst.  dienen  quam,  quantum,  nisi,  praeter,  ^^raeter- 
quam;  diese  Erscheinung  wird  selten  bei  Cicero,  dann  bei  Sali.  Nepos  Liv. 
Trog,  und  den  august.  Dichtern  beobachtet. 

c.  Wenn  ein  zweites  Subjekt  statt  durch  et  durch  eum  angefügt  wird, 
so  setzen  Cato  u.  Ter.,  Sali.  u.  seine  Nachahmer  bis  auf  Dictys  Cret.  herab, 
Liv.  Nep.  Curt.  Just,  den  Plural;  z.  B.  Sali.  Jug.  101  Bocchm  eum  pedi- 
tibus  invadunt,  Cicero  ist  dieser  Gebrauch  abzusprechen,  Caes.  hat  nur 
eine  Stelle  im  b.  civ.  3,  88. 

12.  Die  Synesis  des  Numerus  wird  in  der  alt<5u  Sprache,  welche  der 
Volkssprache  noch  näher  steht,  mit  ziemlicher  Freiheit  gehandhabt;  die 
klassische  Sprache  gestattet  sie  nur  da,  wo  im  weiteren  Verlaufe  der  Dar- 
stellung das  Beziehungsverhältnis  bereits  ein  lockeres  geworden  ist  und 
das  zu  beziehende  Prädikat  dem  grammatischen  Einfluss  seines  Subjektes 
sich  entzieht.     Ferner  sind  für  den  Dichter  die  Schranken   weiter   als  für 


1.  Der  einfache  Satz:   a.  Der  BehauptungsBatE.  (§  11—15.)  401 

den  Prosaiker  gezogen:  so  finden  wir  von  Ennius  und  Plautus  an  die 
Synesis  bei  den  Dichtern,  bei  Horaz  freilich  ganz  vereinzelt,  nie  bei  Tibull, 
wohl  aber  bei  Lygdam.,  bei  Yerg.  u.  Catull.  nur  dann,  wenn  ein  Plural  in 
enger  Beziehung  mit  dem  Kollektiv  im  Subjekt  steht;  in  Prosa  zeigt  Gass. 
Heroina  P.  p.  70  fr.  11  pastm'um  volgus  imperio  aequaliter  Remum  et  Ro- 
mulum  praefecerunt  dieselbe  Einschränkung,  aber  seit  Sali.,  namentlich  bei 
Liv.  u.  Tac,  ist  die  Synesis  in  ausgedehntem  Gebrauche,  weniger  kühn 
sind  Curtius  und  Justinus,  grössere  Freiheit  zeigt  Sueton,  fast  übertrieben 
sind  die  Archaisten,  zu  deren  Bestrebungen  häufige  Anwendung  der  Synesis 
besonders  passt. 

Für  die  Synesis  des  Numerus  merke: 

a.  miUe  mit  Sing,  ist  ein  Archaismus,  den  schon  des  Gellius  Zeit 
nicht  mehr  kannte;  wir  finden  ihn  bei  Quadrig.  Lucil.  Cato  Plaut.  Varro 
Nepos,  ganz  vereinzelt  bei  Cicero;  nach  der  klassischen  Zeit  kommt  diese 
Konstruktion  nicht  mehr  vor. 

b.  Nach  einem  Zwischensatze  siegt  in  der  Fortführung  des  Gedankens 
gewöhnlich  die  Synesis;  im  Zwischensatz  selbst  ist  beides  möglich,  so  dass 
oft  Abwechslung  in  den  numeri  stattfindet;  dies  hat  man  bei  Liv.  u.  Just, 
besonders  beobachtet;  z.  B.  cetera  muUUudo,  in  unum  cum  convenisset,  fre- 
quenti  agmine  petunt  Thessaliam. 

18.  Wenn  mehrere  Subjekte  gleichen  Geschlechtes  verbunden  sind, 
steht  das  variable  Prädikatsnomen  im  selben  Geschlechte  im  Plural.  Nur 
bei  Sali.  Liv.  Tac.  Just.  Aur.  Yict.  Lact,  folgt  auf  weibl.  Abstrakta  das 
Neutrum  plur.  (Cic.  fin.  3,  11  u.  nat.  d.  3,  24  sind  anderer  Art),  z.  B. 
Sali.  Cat.  20  ni  virtus  fidesque  spectata  mihi  forent. 

14.  Auf  sachliche  Subst.  verschiedenen  Geschlechts  wird  das  variable 
Prädikatsnomen  im  Neutr.  plur.  bezogen.  Naheliegend  ist  jedoch  die  Be- 
ziehung auf  das  zunächsstehende  Nomen,  z.  B.  Justin  1,  7,  12  arma  et 
equi  ademjitL  Indes  auch  die  Beziehung  auf  ein  entferntes  Nomen  ist  nicht 
ausgeschlossen,  namentlich  wenn  dasselbe  den  Hauptbegriff  bildet  und  sozu- 
sagen den  ganzen  Gedanken  beherrscht;  z.  B.  Liv.  9,  38  mutta  alia  castella 
vicique  aut  deleta  hostiliter  aut  intcgra  in  potestatem  venere,  wo  vicique  nur 
eine  Art  Appendix  bildet.  Vor  der  klassischen  Zeit  findet  sich  dieser  Ge- 
brauch nicht,  auch  nicht  bei  Caes.  u.  Sali.,  ebenso  nicht  im  Spätlat.;  dagegen 
lässt  er  sich  bei  Cic.  und  im  silb.  Latein  (z.  B.  Val.  Max.)  nicht  abweisen, 
und  viele  Stellen,    die  geändert  waren,   sind  darnach   wieder  herzustellen. 

16.  Eine  Synesis  des  Genus  im  Prädikat  findet  nur  statt  bei  capita 
und  oftmals  (nicht  z.  B.  bei  Trogus  u.  Justinus)  bei  milia.  Selbstverständ- 
lich siegt  in  der  Fortführung  des  Gedankens  auch  in  der  strengsten  Zeit 
der  Sprache  der  Sinn  über  die  starre  grammatische  Form,  namentlich  wenn 
durch  einen  Relativsatz  —  dessen  Pronomen  sich  regelmässig  ad  sensum 
konstruiert,  z.  B.  schon  Terenz  scelus  qui  —  das  natürliche  Geschlecht  an- 
gebahnt ist,  z.  B.  Cic.  fam.  1,  9,  15  lila  furia,  qui  non  pluris  fecerat ,  ., 
impunitatem  est  assecutus. 

Den  Dichtern  eigen,  jedoch  auch  von  Nepos  Celsus  Plin.  mai.  Suet. 
und  späteren  Prosaikern  angewandt,  ist  die  Synesis  bei  Eigennamen,  wo 
urbs,  fabula^  mons,  herba  oder  ähnliches  vorschwebt,  z.  B.  excisa  ferro  est 

Baadbiicb  der  Umb.  AltertumswiflfieDachait.  U.    2.  Aafl.  2ö 


402  B.  Lateinisohe  Grammatik,    d)  Lateinische  Sjmtax. 

Fergamum,  Eunuchus  bis  die  acta  est  Allein  auch  hier  ist,  wenigstens  bei 
Dramen,  Angleichung  an  das  Geschlecht  der  Person  nicht  ausgeschlossen, 
wie  Ter.  Eun.  653,  Val.  Max.  8,  7,  12  und  besonders  Juv.  1,  6  necdum 
finitus  Orestes  zeigen. 

16.  Die  Synesis  von  Genus  und  Numerus  tritt  ein  bei  Kollektiven; 
dies  beginnt  in  der  augusteischen  Zeit,  bei  Livius  und  den  Dichtem,  und 
findet  sich  fortan  bei  Dichtern  und  Prosaikern,  so  namentlich  auch  bei 
Tacitus,  z.  B.  ann.  4.  62  adfluxere  avidi  taliiim  .  .  .  omnis  aetas. 

17.  Das  Prädikat  kongruiert  mit  der  Apposition,  namentlich  wenn 
dieselbe  durch  ut,  quasi^  tamquam  angefügt  ist;  dies  treffen  wir  bei  Nepos 
(Them.  7,  5  illorum  urbem  ut  propugnacultmi  oppositum  esse  barbaris)  Cic. 
Caes.  Sali.  Liv.  Plin.  mai.  Tac. 

18.  Das  Prädikat  kongruiert  statt  mit  dem  Subjekt  mit  seinem  eigenen 
Nomen  und  zwar 

a.  im  Numerus  infolge  einer  Art  Ausgleichung,  namentlich  wenn  das 
Prädikatsnomen  in  der  Nähe  steht  oder  voraufgeht,  z.  B.  Cic.  in  Pis.  4,  8 
initium  fuU  ludi  Compitalicii,  Fürs  Altlat.  ist  diese  Konstruktion  nur  durch 
Ter.  Andr.  555  Fl.  amantium  irae  amaris  inicgratio  est  erwiesen;  sie  findet 
sich  in  der  klass.  Zeit  bei  Cic,  nicht  bei  Sali.  (Jug.  18,  11  quac  wohl 
fem.  attrah.  von  Numidia),  aber  bei  Liv.  Sen.  Florus  Lactanz; 

b.  im  Genus,  ebenfalls  durch  Ausgleichung;  so  schon  bei  Ter.  Phorm. 
94  paupertas  mihi  onus  visum  est;  dann  bei  Cic.  Liv. 

19.  Für  die  Kongruenz   hinsichtlich    der  Personen   ist  zu   bemerken 

a.  die  lat.  Sprache,  auch  die  klass.,  setzt  oft  die  L  oder  IL  Person, 
wo  wir  die  dritte  erwarten,  z.  B.  Cic.  Lig.  33  Mc  non  nnlli  etiam  mira- 
bamur,  Verr.  5,  68  plerique  nostis,  Liv.  36,  17,  2  plerosque  intcr  vos  e^se 
Video,  qui  militaveritis.  Der  alten  Sprache  ist  eigen  die  Setzung  der  ersten 
oder  zweiten  Person  bei  quis,  aliquis,  quisquam,  uter,  z.  B.  Plaut.  Epid.  399 
cxite  huc  aliquis,  Men.  779  utcr  meruistis  culpam,  Amph.  1071  ncque  nostrum 
quisquam  sensimus. 

b.  In  der  Dichtersprache  findet,  vielleicht  nach  griech.  Vorbilde,  ein 
Übergang  aus  der  II.  in  die  III.  Person  statt,  so  z.  B.  bei  Ennius  (und 
vielleicht  bei  Tibull),  vgl.  Enn.  ann.  50  M.  vosque  lares  tectnm  nostrum 
qui  funditus  curant;  vgl.  dazu  Hom.  Iliad.  7,  159  viitmv  ointq  iaaiv  = 
oi'7i6Q  satt, 

20.  Wenn  das  Subjekt  ein  Pron.  demonstr.  oder  relativum  ist  und 
im  Prädikat  ein  Nomen  steht,  so  richtet  sich 

a.  das  Pron.  demonstr.  sowie  das  nicht  auf  ein  Subst.  sich  beziehende 
Pron.  relat.  nach  dem  Genus  und  Numerus  des  Prädikatsnomens,  so  schon 
Plaut.  Athenae  istae  sunto,  vgl.  quac  iracundia  dicitur  (für  id  quod  i.  d.). 
Dies  ist  die  ursprüngliche  Konstruktion,  und  dieselbe  hat  sich  erhalten, 
wo  das  Pronom.  eigentlich  im  Neutrum  stehen  sollte,  während  das  masc. 
oder  femin.  Pron.  bleibt,  also  Liv.  3,  38,  3  eam  impedimentum  dilectui  fore, 
aber  Cic.  Phil.  7,  14  quamquam  legatio  illa  non  est.  Man  hat  beobachtet, 
dass  dfe  spätere  Periode  der  Sprache  die  Kongruenz  oft  unterlässt,  wo  die 
alte  Sprache  sie  verlangt;  so  sagt  Tac.  bist.  1,  49  ut,  quod  segnitia  erat, 
sapientia  vocatetur. 


1.  Der  einfache  Satz:   a.  Der  BehauptungsBatz«  (§  17—21.)  403 

b.  das  auf  ein  Substantiv  bezogene  Pron.  relat.  regelmässig  nach 
seinem  Beziehungswort,  oft  aber  auch,  namentlich  wenn  es  nur  einen  ge- 
legentlichen Zusatz  einleitet,  nach  dem  Prädikatsnomen.  In  der  vorklas- 
sischen Zeit  hat  man  diese  Konstruktion  überhaupt  nicht  beobachtet;  eine 
konsequente  Entwicklung  seit  ihrem  Vorkommen  lässt  sich  nicht  konstatieren. 

21.   Die  Kongruenz  von  Subj.  und  Prädikat  unterbleibt 

a.  wenn  das  Adjektiv  im  Prädikat  substantiviert  ist;  so  bei  Dichtern, 
schon  bei  Plaut.  (Most.  710),  hauptsächlich  bei  Vergil,  seltener  bei  Cic, 
der  die  Umschreibung  mit  res  bevorzugt;  vgl.  Verg.  ecl.  3,  80  triste  lupus 
stahulis^  Cic.  Tusc.  3,  3  est  gloria  solida  qtmedam  res; 

b.  beim  Part,  praes.  act.  im  Abi.  abs.  namentlich  in  den  Formen  prae- 
sente  und  absente;  dies  gehört  dem  Altlat.  bis  auf  Varro  u.  Cornific.  (4,  16) 
herunter  an  und  entwickelte  sich  aus  dem  bei  Aufzählung  der  Anwesenden 
üblichen  Verfahren,  praesmite  vorauszuschicken  und  dann  die  Einzelnamen 
folgen  zu  lassen.  Ebenso  aufzufassen  ist  asfunte  civihus  suis  auf  einer  In- 
schrift, femer  fini  his  rebus,  wie  man  neben  fini  luic  re  bei  Plaut,  u.  Cato 
sagte;  bei  Tibull.  Lygd.  6,  55  ebenso  nobis  merenti  [u.  Catull.  insperanti 
nobis  (anders  Riese  107,  5)  |,  und  Sp.  L.  bei  gall.  Autoren  mediante,  woraus 
moyennant  hervorgegangen  ist; 

c.  beim  Part,  perf.,  z.  B.  Plaut.  Bacch.  726  quae  imperamsti  factum 
ilicost  und  iustam  rem  oratiim  a  vobis  volo,  also  nur  im  Altlat.  und  hier 
sehr  selten.  Aus  der  lombardischen  Sprache  wird  mnnia  quae  factum  ftiit 
später  zitiert,  dabei  aber  der  Akkusativ  angenommen  (Sittl  p.  56); 

d.  beim  Inf.  fut.  act.  in  der  alten  Sprache,  auch  bei  Sallust,  vielleicht 
auch  bei  Cic.  (Verr.  V,  167  nach  Gell.  1,  7,  jedoch  in  den  neuern  edd. 
nicht  aufgenommen). 

Anmerkung  1.  Hicher  wird  auch  die  Konstruktion  facidtas  agrorum  condonandi 
gerechnet.  Diese  NichtQbereinstimmung  des  Gerundivs  mit  seinem  Nomen  gehört  vorzugs- 
weise der  alten  Sprache  an,  und  es  mögen  Gründe  des  Wohllauts  gewesen  sein,  die  ihre 
Beibehaltung  auch  in  späterer  Zeit  wünschenswert  erscheinen  Hessen ;  denn  ausser  bei  Varro 
(principium  generandi  animalium)  sind  es  Subst.  der  I.  oder  II.  Deklination,  die  im  Genetiv 
stehen.  Beispiele  treffen  wir  bei  Plaut.,  Ter.,  Lucr.,  Varro,  Cic.  (firstlingsschriften,  Philipp., 
philos.),  bei  Juristen,  Fronte,  Gellius,  Justin,  Dictys.  Eine  nicht  leichthin  abzuweisende 
Erklärung  erblickt  jedoch  hier  einen  Ausgleich  zweier  Konstruktionen  (Paul,  Princip.'^ 
p.  134).  —  Auch  die  Wendungen  mei,  Uli  nostri  etc.  ridendi  gehören  hieher,  denn  hier 
ist  ridendi  ohne  Rücksicht  auf  Genus  und  Numerus  des  Pronomens  stabil. 

Anmerkung  2.  Unmöglich  ist  eine  Kongruenz  beim  historischen  Infinitiv.  Die 
Anwendung  desselben  in  der  lat.  Sprache  ist  sehr  alt,  wie  daraus  hervorgeht,  dass  er  vor  der 
Durchführung  des  Inf.  durch  die  Tempora  des  Verb,  entstanden  ist  und  sein  Subjekt  nicht 
im  Akkusativ,  sondern  im  Nominativ  niat.  Der  Gebrauch  des  historischen  Inf.  leitet  sich  aus 
der  imperativischen  Bedeutung  des  Infinitivs  her,  welche  in  vorhistorischer  Zeit  in  den 
italischen  Sprachen  üblich  war  und  in  amamini  noch  einen  Ausläufer  aufweist.  Darnach 
fmdet  er  sich  in  bewegter  Erzählung,  aber  auch  in  lebhaften  Schilderungen.  In  der  Regel 
folgen  sich  zwei  oder  mehr  Infinitive;  ein  einziger  steht  meist  nur  dann,  wenn  die  Handlung 
wiederholt  gedacht  wird,  z.  B.  negitare.  Der  bei  Plaut,  noch  ziemlich  beschränkte  Ge- 
brauch erweitert  sich  bei  Tcrenz,  welcher  z.  B.  allein  neben  Petron  ihn  auch  in  der  Frage 
verwendet;  Cicero  hat  ihn  fast  nur  in  den  Erstlingsredcn  und  Briefen,  selten  Caesar,  öfter 
Sali,  und  Liv.;  von  da  ab  wird  er  spärlicher  gefunden  ausser  bei  Tac,  dem  er  in  Nachahmung 
des  Sali,  besonders  sympathisch  erscheint.  Die  epische  Dichtung,  so  Verg.,  verschmäht 
ihn  so  wenig  als  die  der  Volkssprache  nahestehenden  Dichtungen  des  Hör.  (sat.  und  epist.). 

Zu  §11:  Anz,  Ciceros  Sprachgebrauch  in  der  Beziehung  des  gemeinsamen  Prädikats 
bei  mehreren  Subjekten;  Progr.  Quedlinburg  1884.  Ed.  Ott,  Über  die  Kongruenz  des 
Prädikats  mit  mehreren  Subjekten  im  Numerus  bei  Horaz,  Böhm.  Leipa  1887.  ||  Zu  §20: 
RiEMAKN,  remarque  sur  Tattraction  du  demonstratif  et  du  relatif  en  latin,  M^langes  Renier 
p.  311  -  318,  Paris  1886.  |i  Zu  §  21:  Gbüter,  Die  Synesis  in  der  lat.  und  griech   Sprache, 

2C* 


1 
■•1 

1 


404  B.  Lateinische  Qrammatik.    A)  Lateinische  Sjmtax. 

Progr.  Münster,  1855;  Füistiko,  Syntaxis  convenientiae,  MüDster  183C;  C.  F.  W.  Müller, 
im  Philol.  IX,  600  ff.;  Jolly,  Gesch.  d.  InfiDÜivB  im  Indogermanischen,  München  1878; 
Hübenthal,  Der  histor.  Infinitiv  bei  Sali,  und  Tac,  HalJe  1881;  Wackebnaobl,  Über  die 
Geschichte  des  histor.  Infinitivs,  Verhandlungen  der  XXXIX  Phil.  Vers.  p.  276-283. 

cc.  Tempora,  Modi,  Genera  Verbi. 

Das  Prädikat,  ausgedrückt  durch  ein  Verb.,  erscheint  in  bestimmtem 
Tempus,  Modus  und  Genus.  Es  ist  somit  hier,  nachdem  über  Person  und 
Numerus  abgehandelt,  über  die  Tempora,  Modi  und  Genera  zu  sprechen. 

Tempora. 

22.  Wir  unterscheiden  bei  der  Lehre  vom  Gebrauche  der  Zeiten  zu- 
nächst die  Zeitstufen  der  Gegenwart,  Vergangenheit  und  Zukunft  und 
innerhalb  jeder  wieder  die  Zeitart  des  Eintritts,  der  Dauer  und  der  Voll- 
endung.   Darnach  bezeichnet 

Praesens:  Eintritt  und  Dauer  in  der  Gegenwart; 

Perfect.  log.:  Vollendung  in  der  Gegenwart; 

Imperfectum:  Dauer  in  der  Vergangenheit; 

Perf.  bist.:  Eintritt  in  der  Vergangenheit; 

Plusq.:  Vollendung  in  der  Vergangenheit; 

Futur:  Eintritt  und  Dauer  in  der  Zukunft; 

Fut.  exact.:  Vollendung  in  der  Zukunft. 

Unsere  Darstellung  hat  nun  zu  untersuchen,  ob  in  der  Entwicklung 
der  Sprache  keine  Übergriffe  oder  Veränderungen  in  obigen  Gebieten  sich 
gezeigt  haben. 

23.  Das  Präsens  war  im  Altlat.  nicht  auf  den  Ausdruck  der  Gegen- 
wart des  Sprechenden  beschränkt,  sondern  griff  auch  in  das  Gebiet  des 
Fut.  und  des  Perf.  über.  Der  erstere  Gebrauch  hat  sich  in  der  Umgangs- 
sprache erhalten,  wo  man  mane  dum  parutnper  :  tarn  exeo  (statt  canbo) 
wohl  zu  allen  Zeiten  sagt^,  während  die  klass.  Diktion  das  Fut.  erforderte; 
der  letztere  erscheint  im  sog.  Praes.  bist.  Dies  dient  dazu,  in  der  Er- 
zählung vergangene  Thatsachen  vorzuführen,  und  ist  vorzugsweise  geeignet, 
das  Vergangene  uns  lebhaft  (wie  etwas  Gegenwärtiges)  darzustellen.  Wie 
bemerkt,  treffen  wir  das  Praes.  bist,  schon  bei  den  Komikern,  dann  durch 
die  ganze  Latinität,  es  ist  aber  selbstverständlich  bei  den  Historikern  ganz 
besonders  vertreten.  Sehr  häufig  wechselt  Perf.  bist,  mit  Präs.  bist.,  und 
zwar  bei  Dichtern,  besonders  Verg.,  so,  dass  das  Perf.  den  Grund,  das 
Praesens  die  Folge  bezeichnet,  ferner  mit  dem  historischen  Infinitiv  und 
dies  in  allen  Zeiten. 

24.  Das  Plusquamperfectum  mit  seiner  vollen  konsistenten  Fonn 
(vgl.  z.  B.  fueram  gegenüber  eram)  empfahl  sich  sehr  dem  täglichen  Ge- 
brauche, und  so  steht,  und  zwar  vorwiegend  in  der  Sprache  des  gewöhn- 
lichen Lebens,  also  bei  den  Komikern,  Cornif.  CatuU.  Ovid  Vitruv  und 
Petron,  aber  auch  bei  Liv.  und  in  der  silbernen  Latinität,  namentlich  aber 
im  Sp.  L.,  besonders  dem  afrikanischen,  bei  Klassikern  selten  und  fast 
nur  von  verb.  dicendi  das  Plusq.,  wo  wir  das  Perf.  oder  Imperf.  geBetst 
hätten,  z.  B.  Ovid.  met.  3,  630  Utm  dmique  Bf^  -  BaccJim  mim 
fuerat  —  Quid  facitis?  (vgl.  besonders  Thiei^^ 


1.  Der  einfache  Satz:  a.  Der  BehanptnngBBaiz.  (§  22 — 27.)  405 

25.  Das  Imperfekt  soll  angeblich  auch  de  conatu  gesagt  werden; 
allein  diese  Bedeutung  gehört  ebensowohl  dem  Präsens,  als  dem  Imperf., 
Plusq.,  dem  Konj.  Imperf.,  dem  Partie.  Präs.  an.  Die  alte  Zeit  kultiviert 
diesen  Gebrauch  nicht  besonders,  doch  sagt  schon  Plautus  Capt.  233  dum 
id  impetrant  „zu  erlangen  suchen**;  häufiger  wird  er  bei  Cic.  Caes.  den  aug. 
Dichtern,  den  Historikern,  von  denen  Liv.  namentlich  das  Part.  Präs.  oft 
so  verwendet. 

26.  Als  gnomisches  Tempus  braucht  die  lateinische  Sprache  das 
Präsens,  z.  B.  Verg.  ecl.  10,  69  omnia  vincit  amor  und  noch  Hieronym. 
ep.  17,  1  Caritas  omnia  superat.  Doch  verwendet  das  Altlat.,  Terenz  indes 
sehr  selten,  auch  das  Fut.,  jedoch  nur  in  bedingten  Sätzen,  z.  B.  Plaut. 
Most.  1041  qui  homo  timidus  erit,  in  rebus  dubiis  nauci  non  erit,  Afran.  7 
liaut  facul  femina  invcnietur  bona;  dieser  Gebrauch  des  Fut.  erklärt  sich 
aus  der  ursprünglich  subjunktiven  Natur  desselben.  Femer  musste  das 
Perf.  logicum  naturgemäss  die  Bedeutung  eines  gnomischen  Tempus  an- 
nehmen, z.  B.  Sali.  Cat.  11,3  pecuniam  nemo  sapiens  concupivit.  Mit  Cic. 
und  namentlich  Sallust  und  Catull  kam  dieser  Gebrauch  auf,  den  die  aug. 
Dichter,  die  Schriftsteller  der  silbernen  Latinität,  besonders  natürlich  der 
sentenzenreiche  Sen.  phil.  gern  übernommen  haben. 

27.  Die  passiven  Formen  praeccptum  est  und  praece^ytum  fuit,  p.  erat 
und  fuerat,  p.  crit  und  ftierit  (ingleichen  die  der  Deponentia)  unterscheiden 
sich  so,  dass  p,  est  heisst  „es  besteht  die  Vorschrift",  p,  fuit  „es  hat  die 
Vorschrift  bestanden",  somit  letzteres  ein  Perfekt  vom  Perfekt  ist.  Allein 
diese  Scheidung  hat  man  nicht  immer  genau  beobachtet,  jedenfalls  nicht 
in  der  Sprache  des  Volkes.  So  sagt  schon  Plaut,  oblitus  fui  ganz  ^  ob- 
litus  sum,  offenbar  um  die  Vergangenheit  recht  deutlich  zum  Ausdruck  zu 
bringen,  Korrespondenten  Ciceros  schreiben  vata  fuerat  und  licittim  fuisset, 
sowie  rogaius  fueris  vollständig  im  Sinne  des  mit  swm,  eram,  ero  gebil- 
deten Passivs,  das  gleiche  können  wir  bei  Nepos  Sali.  u.  Spät,  konstatieren. 
Ja  selbst  Cic.  lässt  sich,  besonders  in  den  Briefen,  manchmal  gehen,  z.  B. 
Att.  5,  1,  3  quae  fueramus  locuti  u.  Verr.  2,  3,  5,  10  si  pauca  ante  fueri- 
mus  deprecati.  In  der  spätem  Latinität,  schon  bei  Justin,  bürgern  sich, 
begünstigt  durch  den  Vorgang  namhafter  Autoren  wie  des  Livius,  Val.  Max. 
(nicht  Plin.  min.  und  Tac),  die  Formen  mit  fui^  ftieram,  fuero  immer  mehr 
ein  und  werden  schliesslich  so  üblich,  dass  man  sie  z.  B.  im  Fut.  exact. 
schon  bei  Fronte  u.  a.  überwiegen  Hess.  Vgl.  besonders  Hartel  in 
WöLFFLiNS  Archiv  III,  p.  40. 

AninerkuDg  1.  Die  Umschreibung  des  Perf.  mittels  habeo  und  Part.  perf.  pass. 
z.  B.  PL  Pseud.  581  illa  omnia  missa  habeo  ist  im  Altlat.  schon  sehr  gebräuchlich  und 
bei  den  Komikern  oft  nicht  vom  einfachen  Tempus  zu  unterscheiden.  In  der  klass.  Sprache 
ist  der  Begriff  des  Zuständlichen  stets  damit  verbunden,  z.  B.  2^^c^^i<^  collocatas  habeo, 
übrigens  ist  die  Konstruktion  bei  Cic.  nicht  gerade  häufig.  In  der  Volkssprache  hat  sie 
sich  stets  erhalten  und  wurde  schliesslich  beim  Übergang  ins  Romanische  die  allein  herr- 
schende. —  Habeo  diccfidum  „ich  muss  sagen*^  findet  sich  zuerst  bei  Sen.  rhet.,  dann 
mit  snbetaot.  Objekt  bei  Sen.  phil.,  z.  B.  iratn  castigandam  Ivabet;  Plin.  mai.,  Plin.  min., 
Tac  (ftber  nur  im  Dial.),  Sueton  u.  a.,  dann  das  afrik.  Kirchenlatcin  haben  die  Konstruktion 
fibemomnieo,  in  die  roman.  Sprachen  ist  sie  nicht  übergegangen.  Über  habeo  c.  inf. 
T^  1 290. 

pirnag  2.    Nachdem  der  Aorist  im  Perfekt  aufgegangen,  stellte  sich  in  der 

«bebenden  Volkssprache  das  Bedürfnis  ein,  auf  andere    Weise   das  In- 

sQg   xum  Ausdruck   zu   bringen.     Dies   geschah  auf  dem    Wege  der 


406  B.  Lateinische  Grammatik,    d)  Lateinische  Syntax. 

Umschreibung  mittels  coepi.  Das  umschreibende  coepi  finden  wir  oft  bei  Plaut,  und  Ter, 
bei  Sali.,  auch  bei  Caes.  und  Cic,  besonders  in  epp.,  bei  den  Archaisten,  bei  Hygin  und 
wo  sonst  der  Volkston  zum  Durchbruch  kommt. 

28.  Das  Fut.  exact.  war  ursprünglich  ein  absolutes  Tempus,  welches 
das  vollendete  Sein  in  die  Zukunft  verlegte.  In  diesem  Sinne  dient  es  zur 
Versicherung  des  gewissen  Eintretens  einer  Handlung  in  der  Zukunft  oder 
bezeichnet  eine  ferner  liegende  künftige  Zeit  und  wird  so  im  Altlat.  sehr 
häufig  gebraucht;  es  findet  sich  daher  auch  in  vielen  Stellen,  wo  ebenso 
gut  das  Fut.  T  stehen  könnte.  Mit  der  Zeit  wurden  die  Grenzen  dieses 
Gebrauchs  immer  enger  gezogen  und,  abgesehen  von  gewissen  Formen  wie 
si  potucroy  voluerOy  Ucuenf,  placuerU,  erscheint  so  das  Fut.  II  seit  der  klass. 
Zeit  besonders  oft  nur  in  der  Umgangs-  und  der  Vulgärsprache.  So  lesen 
wir  bei  Cic.  Att.  5,  1,  3  tu  invifa  mulieres,  cgo  accivero  pucros^  bei  Caesar 
b.  G.  4,  25  ego  certe  metim  officium  rei  publicae  pracstitero;  Vitruv  ist  sehr 
für  dies  Fut.  II  eingenommen,  auch  Livius,  später  selbstverständlich  die 
Archaisten.  —  Erst  in  zweiter  Reihe  entwickelte  sich  die  Bedeutung  des 
Fut.  exact.,  dass  es  die  Zeitlage  einer  Handlung  vor  einer  andern  angab. 
Doch  treffen  wir  diesen  relativen  Gebrauch  des  Fut.  II  schon  bei  Plaut., 
z.  B.  Rud.  755  2)ostea  aspicito  meum,  quando  ego  tuum  tnspectavero.  So 
wurde  es  üblich,  im  Hauptsatze  und  Nebensatze  Fut.  II  zu  setzen,  z.  B.  Plaut. 
Pseud.  512  si  abstulerit,  magnum  facinus  fecerit.  Diese  Konstruktion  hat 
sich  auch  in  der  klass.  Zeit  erhalten,  z.  B.  Cic.  Lael.  16  pergratum  mihi 
feceriSy  si  de  amicitia  disputaris.  Aus  der  häufigen  Verwendung  des  Fut.  11 
in  Vordersatz  und  Nachsatz  zugleich  erkennen  wir  eine  besondere  Lieb- 
haberei der  lat.  Sprache  für  dies  Tempus.  Dieselbe  mag  vielleicht  aus  der 
Gesetzessprache  und  dem  Juristenlatein  sich  herleiten,  wo  das  Fut.  II  noch 
spät  geradezu  dominierte. 

29.  Die  periphrastischen  Formen,  z.  B.  acturus  sum,  cram  etc.  gehören 
der  ganzen  Latinität  au,  nur  hat  man  die  mit  sum,  eram,  sim,  essem  gegen- 
über denen  mit  fui,  fucram  etc.  bevorzugt,  offenbar  weil  die  letzteren  zu 
schwerfällig  waren;  so  finden  wir  z.  B.  victunis  fucro  nur  bei  Sen.  phil., 
sonst  ist  kein  Fut.  exact.  nachgewiesen.  Die  Verbindung  von  forem  mit 
Part.  fut.  liest  man,  wie  es  scheint,  nicht  vor  der  klassischen  Zeit,  zuerst 
vielleicht  bei  Sali.,  oft  bei  Liv.,  auch  bei  Nepos  u.  Sen.  phil.  Ein  Infinitiv 
venturum  fore,  wie  ihn  der  Med.  bei  Cic.  Att.  5,  21,  3  bietet,  ist  mit  R^cht 
als  unklass.  verworfen  w^orden,  fo^c  =  esse  gehört  erst  dem  Sp.  L.  an. 
Um  sofort  über  forem  allein  zu  sprechen,  so  haben  Cic.  u.  Caesar  diese 
Form  nicht  begünstigt;  Caesar  kennt  sie  gar  nicht,  Cic.  hat  sie  nur  in 
epp.  ad  Att.,  z.  B.  7,  21,  2;  10,  14,  3.  Plaut,  u.  Ter.  brauchen  sie  oft, 
vorzugsweise  als  Irrealis  oder  in  Bezug  auf  die  Zukunft,  auch  Catull, 
dieser  besonders  im  erhabenen  Stile;  allein  auch  Plaut,  schon  und  besonders 
Sali,  verwenden  sie  nebstdem  in  andern  Fällen,  und  bei  Liv.  und  Nepos 
lässt  sich  ein  Unterschied  zwischen  csscm  und  forem  nicht  mehr  kon- 
statieren.    Doch  damit  sind  wir  bereits  angelangt  bei  der  Lehre  von  den 

Modi. 

30.  Im  lateinischen  Konjunktiv  sind  Optativ  und  Konjunktiv  za  diifiin 

einheitlichen  subjektiven  Modus  zusammengeflossen; 


1.  Der  einfache  Satz:  a«  Der  BehaaptnngSBatz.  (§  28 — 31.)  407 

selben  ebenso  der  Grundbegriff  des  Willens  wie  des  Wunsches.  Durch 
gradweise  Abschwächung  gelangte  er  dann  zur  potentialen  Bedeutung  und 
zur  Eigenschaft,  eine  unbestimmte  Annahme  oder  eine  mehr  oder  weniger 
bestimmte  Behauptung  über  eine  Möglichkeit  ausdrücken  zu  können.  Dar- 
aus erklärt  sich  auch  die  unten  besprochene  Verwendung  desselben  in 
Nebensätzen. 

31.  Als  Optativ  fungiert  der  Konjunktiv  im  Altlat.  in  allen  Personen 
des  affirmativen  präsentischen  Satzes  ausser  der  ersten  Sing. ;  die  klassische 
Zeit  hat  auch  die  letztere  z.  B.  moriar,  ita  vivam,  während  sie  die  zweite 
Pers.  sing,  regelmässig  (Ausnahmen  bei  Cic.  nur  ad  Att.)  nur  bei  der  all- 
gemeinen 2.  Person  (=  man)  zulässt;  die  nachklassische  Sprache  geht 
jedoch,  wie  schon  die  Dichter  der  klass.  Zeit,  z.  B.  Catull,  hierin  wieder 
auf  den  alten  Brauch  zurück.  —  Die  sog.  synkopierten  Formen  wie 
scrvassmt,  capsim  u.  ä.  haben  Optative  und  potentiale  Funktion ;  sie  gehören, 
wenige  Ausläufer  wie  ausim  und  faxim  abgerechnet,  nur  dem  Altlat.  an; 
die  Bedeutung  der  Vergangenheit  haben  sie  nie  besessen. 

Im  negativen  Wunschsatz  hat  die  alte  Sprache  mit  vereinzelten 
späteren  Ausläufern,  z.  B.  bei  Prop.  2,  3,  26  ne  putes,  auch  die  zweite 
Pers.  praes.  verwendet,  z.  B.  ne  nie  moneatis;  dies  kann  die  klass.  Sprache 
nur  bei  der  allgemeinen  zweiten  Person,  im  übrigen  steht,  wie  bereits  im 
Altlat.  ganz  gewöhnlich,  regelmässig  der  Konj.  perf.,  z.  B.  ne  fe^eris, 
ne  sis  admiratus  (jedoch  selten  im  Deponens);  dieser  Konj.  Perf.  ist  der 
Rest  einer  älteren  Verwendungsweise  des  lat.  Konj.  Perf.;  er  ist  zeitlos. 
Die  Negation  des  Wunschsatzes  geschieht  mit  ne;  aber  man  findet  schon 
in  alter  Zeit  (jedoch  ganz  selten  und  noch  nicht  bei  Plautus)  non,  bei  Cic. 
nur  einmal,  häufiger  bei  Dichtern,  aber  nicht  bei  Catull  (Riese  zu  66,  91), 
jedoch  bei  Iloraz,  Properz  und  Lucan,  in  der  silbernen  und  späteren  La- 
tinität,  z.  B.  Sulp.  Sev.  D.  1,  18,  4  non  temptaret  aggredi,  Apoll.  Sidon. 
VII,  9,  344  non  te  terrcat  hie  nimis  perltus;  wenn  Petron  sagt  nmi  per^ 
damiis  noctem^  so  ist  die  Konstruktion  damit  genugsam  charakterisiert. 
Übrigens  hat  auch  die  klassische  Sprache  nemo  (statt  ne  quis)^  nihil,  miS' 
qtuim  etc.,  wenn  das  negative  Wort  als  Tonwort  an  die  Spitze  des  Satzes 
tritt,  z.  B.  Cic.  Att.  7,  8,  2  nihil  incommodo  valetudinis  feceris,  und  nofi 
bei  Gegensätzen  einzelner  Begriffe.  Die  Anknüpfung  mittels  nee,  welche 
in  der  vorklass.  und  klassischen  Sprache  sehr  selten  ist,  wird  mit  Catull, 
besonders  aber  mit  Liv.  und  den  aug.  Dichtern  allgemein  üblich  und  erhält 
sich  auch  in  der  ganzen  Folgezeit,  z.  B.  Gell.  20,  1,  22  consideres  nee 
contempnas. 

Im  Altlat.  steht  der  Konj.  Präs.  da,  wo  die  klass.  Sprache  den  Konj. 
Imperf.  setzen  würde.  Dies  kommt  daher,  weil  bei  Plaut,  u.  Ter.  der 
Konj.  Imperf.  noch  Präteritalbedeutung  besitzt,  vgl.  PI.  Capt.  537  Utinam 
te  di  pritis  perderent^  quam  periisti  e  patria  tua.  Dies  verschwindet  nach 
Terenz  und  kehrt  erst  bei  den  Afrikanern  wieder.  In  der  ganzen  Zwischen- 
zeit bezeichnet  der  Konj.  Imperf.  den  irrealen  Wunsch  der  Gegenwart.  Zur 
EinleituDg  eines  Wunsches  dient  im  Altlatein  zunächst  qui  und  ut,  ersteres 
nur  in  Verwünschungen  und  nicht  über  Lucilius  herabgehend,  z.  B.  Ter. 

•  iUum  di  omnes  perduint!,  letzteres  in  Wünschen  aller  Art 


408  B*  Lateinische  Grammatik,    d)  Lateinisohe  Bjmtax. 

bei  Plaut.  Cato  Ter.,  dann  wieder  bei  Catull  mit  Nachahmung  bei  Horaz, 
bei  Ovid  und  in  der  silbernen  Latinität,  z.  B.  Curtius  6,  10,  9  td  viveret 
adhuc!  Das  bei  Terenz  zu  ut  gesetzte  modo  hat  auch  bei  Cicero  (Verr. 
4,  10,  vgl.  jedoch  Nohl  praef.  p.  VIT)  und  seinem  Bruder  und  damit  die 
Wendung  modo  ut  Gefallen  gefunden,  z.  B.  Qu.  Cic.  pet.  cons.  26  modo 
ut  intellegat^  im  Sinne  von  dum  modo. 

Sonst  dient  gewöhnlich  utinam  zur  Einführung  eines  Optativs  und 
zwar  in  allen  Zeitaltern;  darnach  steht  einmal  bei  Cicero  (aber  an  Attik. 
und  mit  sofort  nachfolgendem  ne)  non,  öfters  bei  Dichtern  und  den  Pro- 
saikern der  silbernen  Latinität,  auch  bei  Quintilian. 

32.  Als  Jussivus  erscheint  der  lat.  Konjunktiv  schon  bei  Plaut,  und 
Ter.,  hier  aber  nur  der  des  Imperf.;  bei  Cic.  u.  a.,  auch  bei  den  august. 
Dichtern,  findet  sich  ebenso  das  Plusq.;  die  Negation  dabei  ist  ne,  z.  B. 
Cic.  Verr.  3,  195  nc  emisses. 

33.  Als  Potentialis  dient  der  Optativ  in  allen  Zeiten,  und  zwar  braucht 
man  für  die  Zeitstufe  der  Gegenwart  Praes.  u.  Perf.,  für  die  der  Vergangen- 
heit das  Imperf.  Der  potentiale  Konj.  Perf.  war  im  Altlat.  nicht  beliebt; 
erst  mit  Cicero  wurden  die  Grenzen  seines  Gebrauches  erweitert,  offenbar 
unter  dem  Einflüsse  des  griechischen  Aorists.  In  ihm  erscheinen  besonders 
Verba  der  geistigen  Thätigkeit,  gewöhnlich  in  der  ersten  Pers.  sing,  zur 
Vermeidung  der  Zweideutigkeit,  denn  dicam  und  credam  sind  auch  Fut, 
selten  in  der  1.  Plur.  oder  andern  Personen,  z.  B.  dixenmus  erst  seit 
Cornific.  u.  Cic.  Im  N.  Kl.  findet  sich  immer  häufiger  der  potentiale  Konj. 
Perf.,  sogar  in  Finalsätzen  und  von  andern  Verben,  als  den  oben  er- 
wähnten, vgl.  Tac.  ann.  6,  22  nc  longhis  abierim.  Ebenso  wird  der  Plural 
immer  mehr  gebraucht,  z.  B.  Hieron.  more  ludaico  dixerimus.  Über  die 
sog.  synkopierten  Formen  vgl.  §  31.  — -  Hieher  rechnen  wir  auch  den  aus 
der  dubitativen  Frage  hervorgegangenen  hypothet.  Konj.,  welcher  selten  im 
Altlat.,  von  Cic.  an  häufiger  wird,  z.  B.  Cic.  nat.  deor.  1,  57  roges  me, 
nihil  forta'ise  respondeam  (Weoener,  Grundfr.  p.  188). 

34.  Der  Indikativ  steht  im  Lateinischen  oft,  wo  wir  den  Konjunktiv 
setzen,  so  von  possum,  dcheo  und  den  übrigen  Ausdrücken  des  ^Müssens", 
dann  bei  prädikativen  Phrasen  wie  longum  est,  ius  est  u.  ä.  Dabei  aber 
sind  doch  auch  potentiale  Konjunktive  von  possum^  und  zwar  mehr  im 
Praes.,  seltener  im  Imperf.,  noch  seltener  im  Perf.,  dann  der  Konj.  imperf. 
als  Irrealis  und  der  Konj.  plusq.  besonders  bei  Cic.  in  Sätzen  mit  negativem 
Sinne  im  Gebrauch;  ähnlich  verhält  es  sich  mit  debeo,  oportet  u.  ä.,  deren 
Konj.  aber  wohl  nur  im  Präteritum  üblich  ist.  Schliesslich  seien  non 
putaram  und  mulueram  bei  Cic.  erwähnt;  das  letztere  wird  von  Lucan  und 
Tac.  angenommen,  während  Gell.  Suet.  u.  a.   maluissem  vorziehen. 

35.  Namentlich  in  der  archaischen  Latinität,  aber  auch  bei  Catull, 
bei  Cic.  in  den  Erstlingsschriften  und  in  den  Briefen  ad  Att.,  dann  bei 
Verg.  und  vereinzelt  bei  Späteren  finden  wir  die  dem  familiären  Ton  eigene 
Setzung  des  Indik.  präs.  an  Stelle  des  dubitativen  Konjunktivs,  z.  B.  Catull 
1,  1  cui  dono  novum  Ubellum!  Ebenso  wird  im  Altlat.  der  Ind.  Fut.  ge- 
braucht Ter.  Hec.  516  quid  viro  meo  respondebo  misera?  Zu  letzterem  be- 
merke man,  dass  überhaupt  im  Altlat.  **  ^u  eine  weite  Gebrauchs- 


1.  Der  einfache  Sats:  a.  Der  BehauptungSBatz.  (§  32-39.)  409 

Sphäre  hat,  in  welcher  er  grossenteils  später  vom  Konj.  Praes.  abgelöst 
wird.  So  in  der  unwilligen  Frage,  z.  B.  Plaut.  Stich.  599  soltis  cctiabo 
domi?  in  der  Beteuerungsformel  ita  me  di  amdbunt  u.  ä. 

36.  Der  Imperativ  Futuri  (Jussivus)  hat  seine  Stelle  in  Gesetzen, 
Verträgen  u.  s.  w.  und  findet  sich  so  in  allen  Zeiten.  Die  Sprache  des 
Volkes,  welche  überhaupt  die  volleren  Formen  bevorzugt,  verwendete  ihn 
gerne,  während  die  klass.  Sprache  sich  zurückhaltender  verhielt  und  die 
passiven  Formen,  sowie  die  negierten  nicht  zuliess;  so  sagt  Gic.  nihil 
ignoveris  neben  in  sententia  permaneto.  Doch  überwiegt  auch  in  klass. 
Zeit  dieser  Imperativ,  wenn  der  Befehl  an  eine  Bedingung  geknüpft  ist 
und  keine  unmittelbare  Ausführung  verlangt.  Im  Sp.  L.  verschwindet  jeder 
Unterschied,  und  so  braucht  z.  B.  Ammian  beide  Formen  nebeneinander, 
15,  8,  13  adesto  et  suscipe. 

37.  Die  Negation  beim  Imperativ  ist  ne,  also  ne  timc;  allein  diese 
Konstruktion  gehörte  nur  der  Sprache  des  Volkes  an  und  fand  bei  Klassikern 
keinen  Eingang.  Die  Dichter  der  aug.  Zeit  und  dann  ihre  Nachahmer  im 
silb.  Latein  suchten  mit  dem  negierten  Imperativ  in  altertümlicher  Diktion 
eine  besonders  feierliche  Ausdrucksweise  zu  erzielen,  wie  schon  Servius 
zu  Verg.  Aen.  6,  544  ne  saevi  erkannt  hat.  Klassisch  ist  noli  timere  oder 
ne  timueris,  Non  statt  ne  beim  Imperativ  ist  nur  aus  Ovid  nachgewiesen, 
dagegen  findet  sich  nee  in  der  Fortführung  des  Verbotes  seit  der  klassischen 
Zeit  (auch  bei  Cic.  Att.)  allenthalben.  —  Wie  man  dem  verneinten  Impe- 
rativ ne  vorsetzte,  so  bat  man  dem  bejahenden  ut  vorausgeschickt;  sicher 
erhalten  ist  nur  die  Formel  ut  puta,  die  dem  silb.  u.  späten  Latein  angehört, 
vielleicht  aber  sind  bei  Plautus  darnach  manche  Stellen  der  Überlieferung 
gemäss  zu  gestalten,  z.  B.  Amph.  1,3,  44  ut  me  ama.  Jedenfalls  kennt  die 
klassische  Sprache  so  wenig  ein  ut  ama,  als  ein  ne  ama.   Vgl.  dazu  u^n  §  31. 

Qenera  Verbi. 

38.  Wie  in  den  verwandten  Sprachen  hat  sich  auch  im  Lat.  das 
Passiv  erst  aus  dem  Medium  entwickelt;  so  haben  wir  iungor^  feror  u.  ä. 
nicht  als  ursprüngliche  Passiva,  sondern  als  Media  zu  betrachten.  Und  in 
der  That  haben  sich  eine  ganze  Reihe  von  Verben  erhalten,  die  ihrer  Form 
nach  als  Passiva  gelten,  in  Wirklichkeit  aber  mediale  Bedeutung  aufweisen. 
Ganz  wenige  derselben  gehören  der  Gesamtlatinität  an;  viele  finden  sich 
schon  im  Altlat.,  mehr  in  der  klass.  Sprache,  die  meisten  aber  lassen  sich 
bei  den  Dichtern  und  den  von  diesen  beeinflussten  nachklassischen  Prosaisten 
aufzeigen,  so  z.  B.  dispertiri  sich  trennen,  pingi  sich  schminken,  poUri  sich 
glätten  u.  ä.  nur  altlat.,  corrumpi  verderben,  conteri  sich  abnutzen  bei  Cic, 
dedi  sich  ergeben,  linqui  ohnmächtig  werden,  porrigi  sich  erstrecken  u.  v.  a. 
bei  Dichtern  und  Spätem. 

89.  Die  sog.  Deponentia,  welche  mit  passiver  bezw.  medialer  Form 
aktive  Bedeutung  verbinden,  finden  sich  durch  die  ganze  Latinität.  Doch 
ist  insofern  hier  eine  geschichtliche  Entwicklung  zu  konstatieren,  als  viele 
in  klassischer  und  späterer  Zeit  deponential  gebrauchten  Verba  im  Altlat. 
in  aktiver  Form  erscheinen,  z.  B.  imitOy  aggredio.  auxiliOy  minOy  potio  u.  v.  a. 
Besonders  reich  an  solchen  aktiven  Verben  ist,  wie  Stünkel  nachgewiesen, 
noch  in  klass.  Zeit  Varro.    Bei  den  Archaisten  und  im  Spätlatein  erscheinen 


410  B.  Lateinische  Grammatik,    d)  Lateiniache  Syntax. 

viele  dieser  aktiven  Formen  wieder,  ungewiss  ob  infolge  der  archaisierenden 
Bestrebungen  oder  des  Eindringens  der  Volkssprache,  z.  B.  praedo  Altlat. 
und  dann  Vulg.,  praevarico  Altlat.  und  Augustinus  u.  s.  w.  Interessant 
ist  es  zu  verfolgen,  wie  die  deponentiale  Form  mit  der  aktiven  konkurrierte, 
vgl.  bezüglich  asscnfio  die  Notiz  des  Gellius  2,  25,  9  über  Sisenna.  Doch 
hat  umgekehrt  auch  die  alte  Sprache  manche  Deponentien,  die  in  der  klass. 
nicht  vorkommen,  wenn  sie  auch  später  wieder  auftauchen,  z.  B.  comperior^ 
despolior,  impertior,  nidiUor;  andere  Deponentia  werden  erst  von  Dichtem 
oder  den  Autoren  der  silbernen  Latinität  eingeführt  und  erhalten  sich 
dann,  z.  B.  abominor,  communicor,  eluxuHor  u.  a. 

40.  Eine  notwendige  Folge  davon,  dass  man  ursprünglich  ifnito  sagte, 
ist,  dass  imitatus  passive  Bedeutung  hat.  Es  scheint,  dass  die  Volkssprache 
sich  diesen  Gebrauch  immer  erhielt;  die  klassische  Sprache  aber  ist  sehr 
sparsam  in  der  pass.  Verwendung  der  deponentialen  Form,  wie  z.  B. 
adeptus  sich  nicht  bei  Cic.  sensu  passive  findet;  aber  schon  zur  Zeit  Ciceros 
drang  dieser  bequeme  Gebrauch  in  die  Schriftsprache  ein  und  wird  in 
nachklass.  Latinität  allgemein  üblich. 

41.  Coepi  und  desino  beim  passiven  Inf.  müssen  selbst  auch  im  Passiv 
stehen.  Von  dieser  fürs  Altlat.,  Cic.  und  Caes.  geltenden  Regel  weichen 
zuerst  Cornif.,  dann  Sali.  Liv.  Vell.  Celsus  und  immer  Tacitus  ab.  Hat 
jedoch  der  Inf.  mediale  Bedeutung,  so  kann  dabei  auch  in  klass.  Sprache 
das  Aktiv  stehen,  z.  B.  Cic.  Tusc.  1,  23  ne  movcri  quidem  desinit. 

43.  Eine  interessante  Ausgleichung  des  genus  verbi  lässt  sich  bei 
possum,  queo  und  neqiico  im  Altlat.,  z.  B.  Cael.  Antip.  7  P  sine  periculo 
bellum  (jeri  poteratur,  bei  Sali.  (Jug.  81,  8  quicquid  shw  sanguinc  civium 
uicisci  ncquihir)  und  den  Archaisten  konstatieren;  von  Sallust  bis  Gellius 
ist  dieser  Gebrauch  verschwunden. 

Zu  §22-38:  Schneider,  De  temponiin  apud  priscos  scriptores  latinos  usu  quaest. 
sei.;  CJlatz  1888.  Ley,  Verg.  Quaestionum  spec.  prius,  de  temporum  usu,  Saarbrücken 
1877.  II  Zu  §  22  S.  Ehrismann,  de  temporum  et  modorum  usu  Ammianeo,  Strassburg  18Ht); 
H.  Neumann,  de  futuri  in  priscor.  latinor.  vulgari  vel  cottidiano  sermone  vi  et  usu,  Breslau 
1888.  II  Zu  §  24:  Brehme,  Linguarum  noviciarum  laxam  temporum  significationem  iam  priscis 
linguae  lat.  temporibus  in  vulgari  elocutione  perspici  possc,  Göttingen  1879.  ||  Zu  §27: 
Thielmann,  Habere  mit  dem  Part.  Perf.  Pass.,  Wölflflins  Arcbiv  II,  p.  372  und  509.  il 
Zu  §  29  vgl.:  Hoppe,  Zu  den  Fragmenten  u.  d.  Sprache  Ciceros,  Progr.  Gumbinncn  1875; 
id,  Der  Konjunktiv  der  conjugatio  pcriphrastica  activa,  Progr.  Gumbinnen  1879;  Ober- 
maier,  Die  Konjug.  pcriphrastica  und  der  Inealis  im  Lat.,  Stadtamhof  1881.  jj  Zu  §31: 
Heidtmann,  Die  Negation  bei  dem  lat.  conj.  proliibitivus.  Progr.  Wesel  1858;  ||  Kibnitz,  De 
qui  localis  modalis  apud  priscos  scriptores  latinos  usu,  Leipzig  1879:  Schmerl,  Der  Pro- 
hibitiv  bei  Plautus;  Krotoschin  188t).  jl  Zu  §33:  Schmalz,  Pot<?ntialis  perf.  act.  plur.  et 
Perf.  dcpon.,  WölflFlins  Arch  I,  347  f.  ||  Zu  §3(5:  Loch,  Zum  Gebrauch  des  Imperativs  bei 
Plautus,  Progr.  Memel  1871 ;  Riemann,  La  Question  de  Fimperatif  latin  en  to,  Revue  de 
Philologie  1886  p.  161-187.  ||  Zu  §  39:  Nöltino,  Das  lateinische  Deponens,  Progr.  Wismar 
1859;  Stünkrl,  De  Varroniana  verborum  fonnatione,  Strassbuig  1875.  ||  Zu  §  38- -40:  G. 
Schönfeld,  De  Taciti  studiis  Sali.,  Leipzig  1884,  p.  18  f.  ||  Zu  §41:  über,  Quaestiones 
aliquot  Sallustianae  grammaticae  et  criticac,  Berlin  1882  p.  12;  Kratz,  coepi  u.  dgl.  mit 
Infinitiv,  N.  Jahrbb.  1865  p.  724  flF.;  Wölfflin,  Liv.  Kritik  und  Liv.  Sprachgebrauch,  Berlin 
1864,  j).  21.  li  Zu  §  42:  Brünnert,  De  Sali,  imitatoie  Catonis  Sisennae  alionimquae  vc- 
terum  historicorum  romanorum,  Jena  1873  p.  9;  Schultze,  De  archaismis  Sallustianis,  Halle 
1871  p.  63. 

c.  Attribut  und  Apposition. 
43.    Vereinzelt  begegnen  uns  schon  in  der  vorklassischen  und  Idassi- 
schen  Sprache  Beispiele  für  den  attributiven  Gebrauch  der  Adverbia;  allein 


1.  Der  einfache  Satz:  a.  Der  BehaaptungsBatz.  (§  40—47.)  411 

eine  ausgedehnte  Anwendung  erfahren  dieselben  erst  bei  Livius  und  Tacitus, 
worauf  dann  im  Spätlatein  diese  Vorliebe  wieder  abnimmt,  ausser  bei  den 
Nachahmern  der  früheren  Autoren,  z.  B.  Sulp.  Sev.  Dict.  scr.  h.  Aug.  u.  a. 
Manchmal  ist  es  unklar,  ob  das  Adv.  zum  Subst.  oder  zum  Verb,  zu  kon- 
struieren ist,  so  z.  B.  Ter.  Andr.  175  eri  semper  lenitas  verehar  quorsum 
evaderet. 

Das  substantivische  Attribut,  z.  B.  liomo  servus,  sacerdos  anus,  gehört 
dem  Altlat.  besonders  an,  so  z.  B.  Cato,  wird  selten  in  der  klassischen 
Zeit,  kommt  durch  die  Dichter  z.  B.  Catull,  namentlich  durch  die  Autoren 
der  augusteischen  Zeit  wieder  auf  und  erhält  sich  bei  Seu.  Plin.  Tac.  Just. 
Hygin  und  andern  Spätem. 

Anmerkung.  Der  poetischen  Sprache  und  der  silbernen  T>atiniiät.,  besonders  dem 
Plin.  mai.  ist  es  eigentümlich,  persönliche  Subst.  mit  Sachsubstantiven  zu  verbinden,  z. 
B.  fama  anus  bei  CatuJl,  artifict  temper amento,  indigena  vino  bei  Plin.,  ultore  ferro  bei 
den  Juristen. 

44.  Das  aus  Substantiv  mit  Präposition  oder  dem  adverbialen  Kasus 
allein  bestehende  Attribut  findet  sich  durch  die  ganze  Latinität,  so  schon 
bei  Cato  senien  de  ciipresso^  jedoch  in  der  klass.  Sprache  in  eingeschränktem 
Gebrauche,  z.  B.  Cic.  Att.  5,  14,  1  neque  scniper  mea  manu  litteras  ex- 
spectahiSf  nat.  deor.  2,  74  hominem  sine  arte,  sine  litteris:  immerhin  aber 
ist  die  Konstruktion  viel  häufiger  bei  Cicero,  als  man  früher  glaubte,  na- 
mentlich wenn  das  Attribut  den  Stoff  bezeichnet,  z.  B.  Cic.  nat.  deor.  2,  87 
Solarium  vel  discriptum  vel  ex  aqua,  Signifikant  für  den  Unterschied  der 
von  Livius  angebahnten  Prosa  und  der  klass.  Sprache  ist,  dass  bei  Cicero 
die  Hinzufügung  eines  stützenden  Partizips,  z.  B.  arx  in  monte  sita  über- 
wiegt, bei  Liv.  aber  als  Ausnahme  gilt. 

45.  Die  Synesis  im  Attribut  gehört  der  niedem  Sprache  an,  z.  B.  is 
scelus,  hie  simia  und  wird  ausser  bei  Schimpfwörtern  nicht  angetroffen 
(Plaut.  Ter.  Laber.). 

Anmerkung.     Das  bei  der  Apposition  stehende    pronominale  Attribut   harmoniert 
mit  dieser,  also  ipsum  cnput  belli  CarUiaginem;  aber  die  Kongruenz  mit  dem  Beziehungs- 
worte  ist  nicht   durchaus   ausgeschlossen;    so  steht  Sp.  L.  bei  Flor.  2,  (>,   38   Ilispaniam 
illam  seminarium  hostilis  exercittis,  illam  Annibalis  eruditricem. 

Zu  §43  vgl.:  Roth,  Excurs  XXIV  u.  XXV  zu  Tac.  Agric;  Nägelsbach-Müller, 
lidt.  Stilistik.  8.  Aufl.  p.  287  fif.  ||  Zu  §44:  Jänicke,  Die  Verbindung  der  Substantive  durch 
Präpositionen  bei  Cicero,  Wien  1886. 

46.  Die  ursprüngliche  Form  der  Parataxis  hat  sich  auch  im  Apposi- 
tionsverhältnis erhalten,  und  so  erscheint  in  der  Sprache  des  Volkes,  also 
besonders  im  Altlat.,  bei  Cato  und  Plaut.,  auch  im  b.  Uisp.,  dann  bei 
Lucrez,  Varro,  Sali,  und  sehr  oft  bei  Livius,  selten  jedoch  bei  Voll.  Just. 
Curt.  Eutrop.  eine  Apposition,  wo  wir  einen  partit.  (Jenet.  erwarten;  z.  B. 
Plaut.  Capt.  232  nam  maxuma  pars  fere  morem  hunc  homines  Imhent  In 
der  klass.  Sprache  ist  dies  appositive  Verhältnis  nur  bei  alter,  quisqiw, 
unus  u.  ä.  angewendet  worden. 

Anmerkung.  Appositives  Verhältnis  hat  sich  in  der  Vulgärsprachc  besonders  bei 
Zahlangaben  erhalten;  so  schreibt  Ncpos  Milt.,  4,  2  circUer  milia  i)asfins  decem,  ähnliches 
lesen  wir  in  epp.  an  Cic,  bei  Vitruv,  vielleicht  auch  einmal  bei  Cic.  Rah.  P.  21. 

47.  Das  Gerundium  oder  Gerundivum  in  der  Apposition  ist  selten, 
doch  hat  es  schon  Terenz  Ad.   545  nisi    me   credo  huic   esse   natum  rei, 

fo  näseriis,  vereinzelt  Cic.  u.  Horaz,    besonders  häufig  jedoch  Livius. 


412  B.  Lateinische  Qrammatik.    d)  Lateinische  Syntax. 

48.  Die  Apposition  zu  einem  ganzen  Satze  steht,  der  Form  nach  sich 
dem  Objekte  anschliessend,  im  Akkusativ,  bei  passivem  Verbum  dement- 
sprechend im  Nominativ,  vgl.  Sali.  ep.  Mithr.  8  Eumenem  prodiderc  An- 
tiocho^  Xmcis  merccdeni,  Tac.  ann.  367  maiestatis  crimina  subdebantur,  vinc- 
lum  et  ncccssilas  silefidi.  Sie  findet  sich  an  einigen  Stellen  bei  Cicero 
(Madvig  fin.  p.  268;  Fritzsche  zu  Hör.  sat.  1,  4,  110;  Nipp,  zu  Tac.  ann. 
1,  27;  Cic.  Phil.  2,  85,  Gantrelle  rev.  d.  phil.  6,  p.  185—187),  dann  be- 
sonders bei  Sali,  (aber  nur  in  den  bist.),  bei  Vergil,  Horaz  und  Liv.,  bei 
Curtius  und  am  häufigsten  bei  Tacitus. 

d.  Kasuslehre. 

49.  Von  den  ursprünglich  8  Kasus  der  indogermanischen  Sprache  hat 
die  lateinische  Sprache  6  erhalten;  vom  Lokativ  sind  noch  einige  Spuren 
vorhanden,  sonst  ist  er  wie  der  Instrumentalis  im  Ablativ  aufgegangen; 
der  Ablativ  gilt  daher  als  Mischkasus,  auch  synkretistischer  Kasus  genannt. 
Die  sogenannte  philosophische  und  die  lokalistische  Kasustheorio,  von  denen 
besonders  die  letztere  viel  Bestechendes  hatte,  sind  jetzt  der  von  Kumpel 
angebahnten  Auffassung  gewichen,  und  wenn  auch  Dativ  und  Ablativ  nicht 
als  rein  grammatische  Kasus  angesehen  werden  können,  so  gilt  dies  um  so 
sicherer  vom  Nominativ,  Vokativ,  Akkusativ,  Genetiv.  S.  übrigens  Brug- 
MANN  oben  S.  201  f. 

Vgl.  im  allgem.  über  die  Kasuslehre:  HObschmann,  Zur  Kasuslehre,  München  1875; 
KuifPKL,  Zur  Kasusthcoric,  Gütersloh  1866  (id.  Die  Kasuslehre  etc.,  Halle  1845);  Holz- 
wBissio,  Wahrheit  und  Irrtum  der  lokalist.  Kasustheorie,  Leipz.  1877;  Vogrinz,  Zur  Kasus- 
theorie, Progr.  Leitmeritz  1882;  id.  Gedanken  zu  einer  Gesch.  des  Kasussystems,  Leit- 
meritz  1884;  Bieliok,  Do  casuum  syntaxi  a  Floro  histor.  usurpata,  Halle  1882;  Antoine, 
De  casuum  syntexi  Vergiliana,  Paris  1882.  IIörle,  De  casuum  usu  Propertiano  Halle,  1887. 

Nominativ  und  Vokativ. 

60.  Der  Nominativ  ist  der  Kasus  des  Subjekts.  Wenn  das  Subjekt 
in  einem  andern  Kasus  erscheint,  so  ist  eine  der  Volkssprache  eigentüm- 
liche Attraktion  daran  schuld  (oder  wohl  richtiger,  das  zum  Relativ  gehörige 
Nomen  wurde  der  Betonung  wegen  an  die  Spitze  gestellt),  z.  B.  urbew 
quam  statuo  vcstra  esty  Verg.,  eig.  guam  iirbem  staüio,  ca  urbs  vcstra  est. 
Diese  Erscheinung  gehört  besonders  den  Komikern  und  zwar  mehr  dem  Plautus 
als  dem  Terenz,  sowie  Cato  an,  hat  sich  aber  in  die  augusteische  Zeit  hinein 
und  darüber  hinaus  ins  silb.  Latein  erhalten,  z.  B.  Sen.  Herc.  Oct.  411 
hunc  quem  vides  levis  est.  Erst  mit  dem  4.  saec.  nach  Christ,  lesen  wir 
das  Subj.  in  der  Bauernsprache  im  Akkus.,  z.  B.  hie  qiiieseunt  dtias  matres, 

61.  Es  ist  aber  der  Nominativ  auch  —  wie  der  Name  sagt  —  der 
Kasus,  der  eine  Sache  oder  Person  schlechthin  benennt.  Und  so  finden 
wir  denn,  entgegen  der  Regel,  dass  alle  Teile  eines  Satzes  in  die  Kon- 
struktion hineinbezogen  werden  müssen,  bei  Dichtern  und  spätem  Prosaikern 
den  Nominativ,  z.  B.  Prop.  1,  18,  31  resonent  mihi  ,,Cynthia''  silvae; 
ebenso  Suct.  und  Justin,  (regelmässig  aber  vietoriam  clamare  u.  ä.);  vgl. 
noch  Antibarb.6  I  p.  39Ö  f. 

52.  So  erklärt  sich  auch,  dass  bei  Dichtern  der  Nominativ  steht,  wo 
wir  den  Vokativ  erwarten,  z.  B.  Plaut.  Most.  311  oeulus  meus,  ebenso 
Verg.  Aen.  (5,  835. 


1.  Der  einfache  Satz:  a.  Der  Behauptnngsaatz.  (§  48—53.)  413 

Anmerkung.  Umgekelirt  treffen  wir  durch  eine  merkwürdige  Ausgleichung  der 
Kasus  bei  den  aug.  Dichtem  den  Voc.  an  Stelle  des  Nom.,  z.  B.  Verg.  Aen.  2,  283  quibua, 
Hectar,  ab  oris  exspectate  venis, 

Akkusativ. 

53.  Der  Akkusativ  ist  ein  rein  verbaler  Kasus  und  giebt  lediglich 
die  Modifikation  des  Prädikates.  Sein  Gebiet  war  infolge  der  Mannig- 
faltigkeit einer  solchen  Modifikation  oder  Determination  ursprünglich  sehr 
ausgedehnt;  allein  allmählich  engte  die  nach  logischer  Bestimmtheit  strebende 
Sprache  dasselbe  ein,  und  erst  die  Manier  einer  spätem  Zeit  suchte  das 
alte  Gebiet  wieder  zurückzuerobern.  Der  gewöhnlich  gemachte  Unterschied 
zwischen  transitiven  und  intransitiven  Verben  ist  unberechtigt,  man  kann 
nur  von  einem  transitiven  oder  intransitiven  Gebrauch  der  Verba  reden, 
vgl.  vivo  und  vitam  vivo,  noceo  und  noxam  noceo.  Die  lat.  Sprache  konnte 
alle  möglichen  Zeitwörter  mit  einem  Akk.  verbinden,  dies  geht  aus  infitias, 
excubias  ire^  foras  labt,  propinqtiare  amncni  hervor;  diese  Fähigkeit  hat  sie 
durch  ihre  indogermanische  Abstammung  ererbt,  aber  allerdings  nicht  gleich- 
massig  ausgebildet.  Der  Akk.  musste  nicht  notwendig  ein  Subst.  sein,  es 
konnten  auch  Pron.  oder  substantivierte  Adj.  eintreten,  die  letzteren  im 
Femin.  {nmltifariam,  alias,  obviam),  oder  im  Neutrum,  dieses  wieder  im 
Sing,  und  im  Plur.;  während  das  Neutr.  plur.  selten  blieb,  entwickelte  das 
Lat.  eine  gewisse  Vorliebe  für  das  Neutr.  sing,  der  Pronom.  Dass  die 
Neutr.  allmählich  adverbiell  wurden,  dieser  Prozess  vollzog  sich  im  Lat. 
wie  im  Deutschen  und  in  den  andern  indogerm.  Sprachen.  Der  Akk.  kann 
nicht  allein  ein  verbales  Prädikat  determinieren,  sondern  auch  ein  aus  Adj. 
und  dem  Verb,  esse  bestehendes,  wiepossum  =potis  sum,  so  auch  utilis  sum, 
noxius  sum  {pro-sum,  oh-sum);  wenn  nun  bei  dem  Mangel  einer  Partizipial- 
form  von  sum  das  Adj.  als  Partizip  steht,  so  kann  mit  solchem  Adj.  auch 
ein  Akk.  verbunden  werden,  wie  mit  den  Partiz.  selbst  (-bundus  etc.);  eben- 
dasselbe gilt  auch  für  Subst.  mit  verbaler  Kraft  {domum  redifio).  Der 
Akk.  bei  Adj.  hatte  indes  bald  mit  dem  Abi.  zu  rivalisieren,  und  bei 
nudus  genu  ist  es  unsicher,  ob  genu  Akk.  oder  Abi.  ist.  Auch  dieser  Akk. 
adverbialisierte  rasch  und  schuf  so  eine  reiche  Fülle  akkusativischer  Adv. 
Ein  durch  einen  Akk.  ergänztes  Verb  kann  mit  diesem  einen  Begriflf  bilden 
und  nun  eine  neue  akk.  Determination  annehmen,  so  ludos  faccre  aliqucw, 
linguam  docere  aliquem;  manchmal  verwächst  das  Sachsubst.  mit  dem  Verb., 
ludißcare  aliquem,  auch  circumstare  aliquem;  bei  circumdare  aliquem  aliqua  re 
ist  gar  eine  dreifache  Bestimmung  des  Verb.  Besonders  häufig  steht  der 
dopp.  Akk.,  wenn  die  Sache  ein  Pron.  neutrum  ist.  Überhaupt  ist  das 
Gebiet  des  dopp.  Akk.  viel  weiter  ausgedehnt  als  im  Deutschen;  so  kann 
das  Verb,  zunächst  seine  Bedeutung  durch  einen  adverb.  Akk.  erweitern 
und  von  dem  so  entstandenen  Gesamtbegriff  einen  Akk.  der  Person  abhängig 
machen;  durch  Analogie  wurde  diese  Konstruktion  sehr  erweitert  (cfr. 
memhra  tnmcare  aliquem),  Hieher  gehört  auch  der  prädik.  Akkus.,  wie 
im  Deutschen  „ich  arbeite  mich  müde,  ich  gewinne  dich  lieb*.  Schliesslich 
sei  das  Medium  erwähnt,  welches  als  indirektes  einen  Akk.  zu  sich  nehmen 
kann;  bemerkenswert  sind  besonders  die  Verb,  des  An-  und  Ausziehens, 
so  induor  vestem,  auch  suspe^isus  bei  Horaz,  ferner  das  kausative  Medium , 


414  B.  Latemiaohe  Qrammatik.    d)  Lateinische  Syntax. 

z.  B.  traiectus  lora  ^der  sich  Kiemen  hat  durchziehen  lassen".  Das  Verbum, 
zu  dessen  Determination  der  Akk.  dient,  kann  so  selbstverständlich  sein, 
dass  es  auch  weggelassen  werden  darf,  so  im  Akk.  exclamationis,  der  dann 
mancherlei  Analogien  nach  sich  zog. 

Anmerkung.  Im  prädikativen  Akkus,  erscheint  auch  das  Gerundiv  und  zwar 
schon  bei  Plaut.,  z.  B.  Aul.  96  quae  utenda  vasa  semper  vicini  rogant.  In  klass.  Zeit  ist 
die  Konstruktion  nicht  besonders  hftufig,  wird  es  aber  später,  wo  rogare,  curare  u.  a. 
viele  Analogien  hervorrufen,  z.  B.  im  Sp.  L.  bei  eccl.  sepeliendos  foris  iubetf  pscUmum 
cantandum  imperavimus. 

54.  Der  Akk.  bei  Verben  der  Bewegung  findet  sich  erhalten  in  der 
Sprache  des  Volkes,  daher  Vitruv  131,  18  gymnasium  devenit,  Apul.  hoHum 
redire,  Cic.  Att.  1,  14,  5  rostra  advolat,  Nep.  Ale.  6,  4  a^tu  v&nit  (klassisch 
nur  domum  und  ras);  die  Dichter  seit  Ennius  verwenden  diese  Konstruktion 
gerne,  z.B.  Catull.  33,5  cur  non  exilium  itis?  Von  Ländernamen  stehen 
im  Akk.  bei  Plaut,  nur  Capt.  571  Alidem,  bei  Cic.  u.  Caes.  nur  Aegypium; 
häufiger  steht  der  blosse  Akkus,  im  b.  Hisp.,  bei  Petron,  Hygin  und  über- 
haupt in  der  Vulgärsprache,  dann  bei  Liv.  und  Tac,  bei  Ammian,  oft  bei 
Apuleius,  bei  Justin  (Paucker,  Z.  f.  ö.  G.  1883  p.  325),  den  scr.  bist.  Aug. 

Anmerkung  1.  Das  erste  8upinum  in  Verbindung  mit  ire,  venire  ist  als  Akkus, 
zu  erklären.  Die  Erweiterung  des  Gebrauches,  z.  B.  Cic.  fam.  9,  2(j,  1  dormitum  me 
conferaifif  ist  auf  Analogiebildung  und  allmähliches  Verschwinden  der  ursprünglichen  Akkn- 
sativbedeutung  des  Supins  zurückzuführen.  Es  findet  sich  das  Supinum  sehr  häufig  bei 
Plaut,  u.  Terenz,  überhaupt  oft  in  der  alten  Sprache,  seltener  bei  Cic.  u.  Caes.,  häufiger  bei 
Sali.  u.  dann  namentlich  bei  Liv.;  vereinzelt  sind  Beispiele  bei  Dichtern,  welche  den  finalen 
Infinitiv  bevorzugen,  wie  überhaupt  diese  beiden  substantivischen  Formen  des  Verbs  sich 
Konkurrenz  machen,  bis  schliesslich  beide  vom  Finalsatz  zurückgedrängt  werden.  In  der 
nachliv.  Prosa  gehört  das  Supin  fast  nur  den  Archaisteu  und  den  von  Sali.  u.  Liv.  abhän- 
gigen Schriftstellern  an. 

Anmerkung  2.  Hieher  gehört  auch  der  die  Ausdehnung  in  Raum  oder  Zeit  be- 
zeichnende Akk.  An  Stelle  des  letztern  tritt  übrigens  infolge  eines  in  der  Vulgärsprache 
herrschenden  Gebrauches  schon  vereinzelt  bei  Cic.  Caes.  u.  Sali,  und  dann  bei  Livius  u. 
Tac.  der  Abi.,  welcher  z.  B.  auf  den  Inschriften  aller  Länder,  femer  bei  den  eccl.  und 
überhaupt  im  Sp.  L.,  z.  B.  bei  Hygin  Sulp.  Sev.  Lucifcr  Apoll.  Sidon.  u.  a.  sehr  üblich  ist, 
z.  B.  Rufin.  h.  monach.  9  iribus  diebus  permanens  apud  eos;  vgl.  noch  Paucker.  Z.  f. 
ö.  G.  1883,  p.  82t). 

55.  W^enn  beispielsweise  zu  vivo  noch  das  Objekt  vitani  gesetzt  wird, 
so  nennt  man  dies  ein  inneres  Objekt;  dasselbe  besteht  also  aus  einem 
dem  Verbum  stamm-  oder  sinnverwandten  Subst.  Diese  Konstruktion  — 
figura  etymologica  genannt  —  gehört  der  ganzen  Latiuität  an,  eignet 
jedoch  vorzugsweise  der  ritualen,  der  Gerichts-  und  der  Volkssprache 
(Sprichwörter  und  Lebensregeln).  Plautus  wie  überhaupt  die  Dichter  sind 
reich  au  dieser  Erscheinung,  auch  Cic.  Sali,  und  Liv.  (freilich  nur  in  ge- 
wissen Formeln  wie  bellum  lellure  u.  ä.),  dagegen  Nepos,  Vell.  u.  Tac. 
wenden  sie  spärlich,  Caesar  gar  nicht  an.  Selbstverständlich  blüht  die 
figura  etymol.  bei  den  Archaisten,  besonders  bei  Apuleius  und  findet  sich, 
sogar  in  neuen  Formen,  bei  Tertull.  und  Augustin.  Wenn  auch  die  Kon- 
struktion echtlateinisch  ist,  lässt  sich  doch  nicht  leugnen,  dass  die  Komiker 
und  später  die  christl.  Schriftsteller  ihren  griech.  Vorbildern  manches 
nachgeahmt  haben. 

Anmerkung  1.  Ein  Attribut  beim  inncrn  Objekt  fehlt  nur  selten,  und  zwar  1)  wenn 
ein  Adverb  als  Ersatz  eintritt,  2)  wenn  das  Subst.  eine  prägnante  Bedeutung  hat  (z.  B. 
dicta  dicere),  3)  wenn  das  Subst.  seine  eigene  Bedeutung   gewonnen   hat   (pacem  J>ac.i8ci). 

Anmerkung  2.  Verbindungen  wie  iuga  iungere,  rcllera  rellere  (Catull)  gehören 
nicht  hiehcr;  es  sind  dies  bloss  Paronomasien,   aber   sie    entlialten   keine   innern    Objekte. 


1.  Der  einfache  Satz:  a.  Der  Behauptnngssatz.  (§  54~C0.)  415 

56.  Ein  Adjektiv  im  Neutrum  als  Objekt  ist  vorzugsweise  der  Dichter- 
sprache eigen,  aber  in  der  alten  Zeit  nicht  besonders  häufig,  um  so  mehr 
bei  Gatull,  den  augusteischen  und  nachaug.  Dichtem;  bei  Cic.  sehr  selten, 
und  wenn  er  auch  Tusc.  2,  56  exclcimare  malus  sagt,  zweifelt  Wolf,  ob  er 
(wie  Plaut,  und  später  Qellius)  exclamare  magnum  gesagt  hätte.  Die  nachliv. 
Prosa  hat  sich  diesen  Brauch  angeeignet;  namentlich  reich  an  Beispielen 
sind  Apuleius  und  Ammianus,  welch  letzterer  als  Grieche  besondem  Ge- 
schmack dai*an  fand.  Die  meisten  der  so  gebrauchten  Verba  bezeichnen 
die  Äusserung  eines  Gefühls.  —  Der  Plural  des  Adj.  ist  viel  seltener  als 
der  Singular. 

57.  Die  Verbindung  eines  Akk.  mit  einem  Substantiv  gehört  besonders 
der  alten  Sprache  an,  z.  B.  Plaut.  Most.  34  quid  tibi  me  curatio  est?, 
findet  sich  aber  auch  bei  Cic.  z.  B.  redittis  Romam,  Caes.  und  Liv. 

Anmerkung  1.  Hieher  rechne  ich  auch  die  Konstruktion  des  Supinuins  mit  Objekts- 
kasus, z.  B.  Liv.  21,  41,  18  oppugnatum  patriam  nostram  veniunt.  Die  Klassiker  meiden 
dieselbe  sichtlich,  nicht  so  Nep.  Liv.  Val.  Max.  Gurt.  Gell.  Sulp.  Sev. 

Anmerkung  2.  Die  Verbindung  eines  Akk.  mit  dem  Gerundium  im  Nominativ 
ist  der  alten  Sprache  schon  eigen,  findet  sich  besonders  bei  Lucrez,  Catull  und  Vano, 
selten  und  nur  archaisierend  bei  Cic,  bei  Verg.  und  seinen  Nachahmern;  dagegen  sind 
Caes.,  Sali.,  Liv.,  Tac.  frei  davon,  später  erscheint  sie  bei  Juristen,  z.  B.  luliani  sententiam 
ftequefidum  est.  —  Beim  Gen.  gerundii  steht  häufig  ein  Objektsakkusativ,  seltener  indes 
bei  Cic,  mehr  bei  Liv..  Curt.  u.  den  Spätem;  von  dem  durch  causa  oder  gratia  regierten 
Gen.  gerundii  ist  nur  in  der  archaischen  Sprache  ein  Objekt  abhängig,  bei  Plaut.  Sali. 
(Jug.  04,  1  peiundi  gratia  viis»ionein) ;  beim  Dat.  gerundii  hat  schon  Plaut,  einen  Objekts- 
akkusativ, später  Vitruv,  Ovid  u.  Liv.  vereinzelt,  beim  Akk.  gerundii  mit  ad  wohl  niemand 
vor  Liv.,  dieser  aber  öfter  (WölfFlin,  Liv.  Krit.  p.  1(>  anders),  dann  Sen.  phil.,  Suet.,  Aur. 
Yict.,  Augustin  und  andere  Sp.  L.;  beim  Abi.  gerundii  scheint  die  alte  Sprache  gleichfalls 
ein  Objekt  gemieden  zu  haben,  ebenso  d.  klassische,  vgl.  jedoch  Cic  Verr.  5,  113  non 
posse  Verrem  testis  interfidendo  ius  exsiinguere,  aber  nicht  Sali.,  Vitruv,  Liv.,  Tac,  Curt., 
die  Dichter  Uoraz,  Ovid  u.  später  Maximin.  Eleg. 

Anmerkung  3.  Die  Verbindung  eines  Akk.  an  Stelle  eines  attributiven  Genetivs 
mit  einem  Subst.,  auch  Accus  abs.  genannt,  gehört  der  Vulgärsprache  an;  so  id  genus, 
hoc  genus,  quod  genus,  omne  gefius  bei  Cato  (nicht  bei  Plaut.  Ter.),  Lucil.,  nirgends  bei 
Caesar,  bei  Cicero  nur  Att.  13.  12,  3  aliquid  id  genus^  aber  bei  Comif.,  oft  bei  Varro, 
Lucr.,  Catull.  Hör.  sat.,  Petr.,  Suet.,  Gell.,  Apul.  und  andern  Afrikanern,  sonst  selten  im 
Sp.  L.,  idy  hoCj  iUuc  aetatis  bei  Plaut.,  Ter.,  Comif.,  Cic.  (selten  ausser  in  epp.,  KrstUngs- 
schriften  u.  Phil.),  Liv.,  Tac,  z.  B.  Cicero  id  aetatis  duo  fdii.  Hieher  rechnet  man  auch 
virile  od.  muUebre  secus  bei  Plaut.  Sis.  Sali.  Tac.  Amm.  u.  a. 

58.  Die  Partizipialformen  auf  bundus  werden  von  Sisenna  Sali.  Liv. 
Curt.  Suet.  Justin.  ApuL  mit  dem  Akk.  verbunden,  z.  B.  populabundus  agros. 

59.  Nach  Adjektiven  findet  sich  ein  Akk.  in  vorklass.  Zeit  nur  Plaut. 
Pseud.  785  R.  qui  manus  gravior  siet,  nirgends  in  Prosa  der  vorklass.  und 
klass.  Zeit,  häufig  bei  den  aug.  Dichtern,  z.  B.  Tibull,  am  zahlreichsten  bei 
Vergil,  selten  bei  Livius,  häufig  bei  Tac,  auch  bei  Apul.  und  Ammian  (bei 
letzterem  nur  nudus,  welches  überhaupt  gern  mit  Akk.  verbunden  wird). 
Quintilian  sieht  darin  einen  Gräzismus  (9,  3,  17). 

60.  Nach  medialen  Verben,  besonders  des  Bekleidens  und  Entkleidens, 
überhaupt  solchen,  welche  bedeuten,  dass  das  Subjekt  an  sich  eine  Hand- 
lung vornehmen  lässt,  steht  bei  Dichtern  gern  ein  Akk.,  so  bei  Ennius, 
Plaut.  Lucr.,  oft  bei  aug.  Dichtern  wie  Tibull  (namentlich  Vergil)  und 
spätem;  in  Prosa  zuerst  bei  Sali,  und  im  b.  Afr.,  dann  selten  bei  Liv, 
Plin.  mai.  Tac.  Curt.  Flor.  Sulp.  Sev.  z.  B.  xmlvere  caput  conspersi.  Sicht- 
lich gemieden    wird   die  Konstruktion  von  Caesar    (b.  Gall.  5,  35,  G)   Cic. 


416  B.  Lateinische  Chrammaük.    d)  Lateinische  Syntax. 

Nep.  Quint.  Plin.  min.,  bis  zum  Überdruss  kultiviert  von  Api^Ieius,  oft  auch 
von  Ammian  gebraucht. 

61.  Bei  manchen  Verben  wird  die  Begriffssphäre  durch  einen  Akk. 
noch  nicht  völlig  abgeschlossen,  und  dieselben  sind  somit  imstande,  ihre 
verbale  Kraft  auch  über  einen  zweiten  auszudehnen;  so  sagt  man  infitias 
ire  aliquid,  animum  advertere  aliquid,  und  nach  Analogie  dann  itisiurandum 
adigere  alique^n  und  ego  manum  te  inicimn.  In  der  alten  Sprache  ist  der 
Gebrauch  des  doppelten  Akkus,  sehr  ausgedehnt,  indem  beispielsweise  neben 
den  Verben  des  Verlangens  auch  die  des  Qewährens  einen  persönlichen 
und  einen  sachlichen  Akkus,  zu  sich  nehmen  können,  z.  B.  Ter.  Phorm. 
947  argentum,  qtwd  habes,  cmidonamus  te.  In  klass.  Zeit  beschränkt  sich 
die  Konstruktion  auf  die  Verba  docere,  poscere,  rogare,  celare,  welche 
übrigens  hier  gewöhnlich  nur  ein  Pron.  neutr.  als  sachlichen  Akk.  zu  sich 
nehmen.  Es  scheint,  dass  die  sakrale,  die  Gerichtssprache  und  die  Vulgär- 
sprache den  dopp.  Akk.  besonders  erhalten  und  gepflegt  haben;  so  vergl. 
man  z.  B.  damnare  und  condemnare  aliquem  aliquid  u.  s.  w. 

63.  Der  sog.  Akk.  exclamationis  bildet  die  Determination  eines  leicht 
zu  ergänzenden  Verbs.  Er  findet  sich  in  allen  Zeitaltern  der  Sprache,  oft 
verbunden  mit  cm  (Cic.  nur  Phil.  5,  15)  und  ecce  (nie  bei  Cic),  beides 
vorwiegend  bei  den  alten  Dichtern,  mit  o  und  heu  oder  eheu  (letzteres 
nur  Sali.  Jug.  14,  9)  in  der  vorklassischen  und  klass.  Zeit,  mit  hcm  nur 
bei  Komikern,  mit  pro  von  Ennius  bis  Livius  (nur  mit  ßdem),  mit  edepol 
nur  bei  Plautus,  mit  vae  bei  Plaut.  Catull  und  Sen.  apocol.  {vcte  mc,  puto, 
concacavi  me,  also  ganz  vulgär!) 

63.  Der  absolute  Gebrauch  von  Verben,  welche  sonst  nur  mit  Objekt 
aufzutreten  pflegen  (sog.  transitiver  Verba),  ist  der  publizistischen,  mili- 
tärischen und  sakralen  Sprache  (z.  B.  aves  addicunt)  besonders  eigen. 
Dieselben  trifft  man  namentlich  bei  den  Historikern  und  hier  hauptsächlich 
bei  Livius  an. 

Zu  §  52  vgl. :  PiüER,  Die  sog.  Gräzismen  im  Gebrauch  des  lat.  Acc.  Iglau  1879.  || 
Zu  §53:  Richter,  De  supinis  linguae  lat.  Königsberg  185(>~()0.  Progr.  ||  Zu  §55:  Land- 
graf, De  tiguris  etymolog.  linguae  lat.,  act.  sem.  Erlang.  II.  p.  1  —  69;  Biese,  De  objecto 
interno  apud  Plautum  et  Terentium.  Kiel  1878.  |l  Zu  §57:  Rotter,  über  das  Gerundium 
d.  lat.  Sprache.  Cottbus  1871;  Wölfflin  im  Arch.  I  p.  173;  id.  Jd  genus  und  Verwandtes 
im  Archiv  V  p.  387—398.  ||  Zu  §  58:  Winckler,  De  vi  et  usu  vocabulor.  bundus  finitorum 
commentatio.  Progr.  Colberg  1869.  ||  Zu  §  00:  Schröter,  Der  Acc.  nach  passiven  Verben 
i.  d.  lat.  Dichtersprache.  Progr.  Gr.  Glogau  1870;  Engelhardt,  Passive  Verba  m.  d.  Acc. 
u.  d.  sog.  Acc.  graecus  b.  d.  lat.  Epikern.  Progr.  Bromberg  1879.  ||  Zu  §62:  Richter,  De 
usu  particularum  exciamativarum  apud  poetas  Augusti  aequales.    Progr.  Hagenau  1878. 

Gen  etiv. 
W4.  Der  Genetiv  ist  ein  grammatischer  Kasus.  Gerade  wie  der  Akk. 
zur  Determination  des  Verbs,  so  dient  der  Genetiv  zur  nähern  Bestimmung 
eines  Nomons.  Seine  mutmassliche  Grundbedeutung  ist  die  der  Zugehörig- 
keit; der  Satzteil,  für  den  er  sich  besonders  eignet,  ist  das  Attribut,  d.  li. 
die  notwendige  Ergänzung  des  Subst.;  hierauf  weist  auch  die  Abstammung, 
denn  der  Genet.  ist  ursprünglich  eine  Adjektivbildung  (vgl.  cuius^  a,  um 
und  Gen.  cnins).  Diese  Zusammenfassung  des  Nomons  mit  seinem  deter- 
minierenden Genetiv  ist  sehr  vieldeutig,  sie  kann  das  Verhältnis  des  Be- 
sitzers und  des  Besessenen,  des  Teiles   und  des  Ganzen,  des  Wesens  und 


1.  Der  einfache  Satz:  a.  Der  Behanptimgssatz.  (§  61—66.)  417 

der  Eigenschaft  bezeichnen.  Alle  Nomina,  also  Subst.  Adj.  Pron.,  und  die 
aus  Kasusformen  von  Adj.  oder  Subst.  erstarrten  Adv.  nehmen  an  dieser 
Fähigkeit  teil.  Sobald  eine  Verbalform  den  Charakter  eines  Nomons  erhält, 
wie  z.  B.  das  Part,  praes.,  oder  sobald  der  im  Verb  liegende  substantielle 
Begriff  besonders  hervortritt,  nimmt  auch  das  Verb  einen  determinierenden 
Gen.  zu  sich.  Die  Verbindung  des  Verbs  mit  dem  Gen.  ist  eine  inner- 
lichere, als  die  mit  dem  Kasus  der  allgemeinsten  Determination  des  Verbs 
d.  h.  mit  dem  Akk.  (so  bei  ohliviscor  u.  ä.).  Manchmal  schwebt  ein  nomi- 
neller Begriff  vor,  ohne  jedoch  geradezu  ausgesprochen  zu  sein;  an  den- 
selben kann  sich  ein  determinierender  Gen.  gleichwohl  anlehnen.  Dies  ist 
der  Fall  bei  den  verb.  iudic.  und  beim  sog.  Gen.  exclamationis. 

65.  Die  Grundbedeutung  des  Gen.  tritt  am  reinsten  im  sog.  Gen.  (/e- 
finitivtis  zutage,  welcher,  entsprechend  der  Vorliebe  der  Lateiner  neben 
dem  Gattungsbegriff  den  Speziesbegriff  im  Gen.  statt  der  Apposition  anzu- 
wenden, sehr  häufig  ist;  so  arbor  fici  bei  Columella,  bei  Dichtem  seit  Ennius 
beliebt  in  Umschreibungen,  z.  B.  CatuU  ca2)ut  seri  nepotis,  oft  bei  Orts- 
namen, nicht  bei  Cic,  denn  Att.  5,  18,  1  liest  Heraeus  Cassim  in  oppido 
Antiochia  est,  auch  nicht  bei  Caesar,  aber  im  b.  Afr.,  oft  bei  Vitruv  u.  bei 
Liv.  (wo  29,  27,  12  durch  die  Macht  der  Analogie  promunturium  Pulchri), 
Verg.,  auch  bei  Horaz,  Tac.  u.  Florus,  später  in  der  Vulg.,  bei  Sulp.  Sev. 
Schon  mit  Beginn  des  Mittelalters  tritt  für  den  Gen.  de  ein,  z.  B.  villam 
de  Bertiniaca,  ein  Gebrauch,  der  in  alle  romanischen  Sprachen  tiberging. 

Anmerkung  1.  Auch  der  Gen.  gerund.  ¥ard  definitiv  gebraucht»  z.  B.  nomen 
carendiy  und  zwar  in  allen  Zeiten  der  Sprache.  Bei  Liv.  u.  Tac.  schliesst  sich  dieser  Gen. 
gerund,  an  substantivierte  Adjekt.  oder  rartizip.  an,  z.  B.  Livius  37,  16,  13  omisao  Patara 
ampUus  tentandi. 

Anmerkung  2.  Offenbare  Eigentümlichkeit  der  Volkssprache  sind  Verbindungen, 
wie  die  von  Lor.  zu  Plaut,  mil.  1422  aufgezählten,  z.  B.  scelus  viri,  flagitium  hominis;  Cic. 
hat  nur  Fam.  5,  8,  2  pestes  hominum. 

Anmerkung  3.  Der  afrikanischen  Latinität  ist  eigen  die  Verbindung  eines  Subst. 
mit  dem  Genetiv  eines  Synonyms,  z.  B.  ira  furoris,  taciturnitatis  süentium;  so  bei  Apu- 
leius,  Arnobius,  Mart.  Capella,  Victor  Vit.  (nicht  zu  verwechseln  mit  z.  B.  vultus  furotis, 
wo  der  Gen.  defin.  wie  öfters  bei  Suet.  Sen.  phil.  Juvenal  ein  Adjektiv  vertritt,  während 
jedoch  der  Ersatz  des  Adj.  durch  das  abgeleitete  Subst.,  z.  B.  odor  suavitatis  statt  odor 
suavis  ein  offenbarer  Hebraismus  ist;  so  oft  in  Vulg.). 

Anmerkung  4.  Vielleicht  schon  bei  Vell.  1,  10,  5,  jedenfalls  aber  bei  Justin  u.  Spp. 
steht  der  Gen.  defin.,  um  bei  Zeitangaben  den  Ausgangspunkt  der  Zeitdauer  zu  bezeichnen, 
z.  B.  Just.  18,  3,  5  Tyron  urhem  ante  annum  Troianae  cladis  candiderunt  (Paucker,  Z. 
f.  ö.  G.  1883  p.  323). 

66.  Der  Gen.  possessoris  bezeichnet  bei  den  Namen  von  Frauen 
und  Sklaven  den  Gewaltherrn,  z.  B.  Caecilia  MetelU,  ebenso  bei  ausländi- 
schen Namen  auch  den  Vater  neben  dem  Namen  des  Sohns,  z.  B.  Ilannibal 
Gisgonis,  noch  in  der  Vulg.  Judam  Simonis  (aber  nur  Marcus  Marci  filius 
bei  einem  Römer,  wenigstens  in  der  alten  und  in  der  klassischen  Zeit,  vgl. 
auch  Hübner,  Rom.  Epigraphik  in  Handbuch  I  p.  518).  Dies  tibertrug  sich 
auf  andre  Eigentumsverhältnisse,  so  bei  Pollio  Gallia  Lepidi ,  besonders  zur 
Bezeichnung  der  Hauptstadt  eines  Stammes  bei  Caes.  Liv.  Curt.  Flor.,  etwas 
kühner   Plin.  33,  81    Mincnmc  templum   habet  Lindos,   insulac  Rhodiorum, 

Anmerkung  1.  Der  Gen.  possess.  in  Verbindung  mit  totus  findet  sich  schon  bei 
Ter.  Eon.  1040,  bei  Cic.  in  epp.,  z.  B.  Fam.  2,  13,  2  me  Pompei  totum  esse  scis,  bei  Hör. 
od«  4,  S,  21;  öfters  begegnet  man  ihm  erst  seit  Livius  bei  Luean,  Seneca,  Plin.  mai.  und 
min.,  s.  B.  Liv.  3,  36  hominum,  non  causarum  ioti  erant. 

Anmerkung  2.    Das  Fron.  poss.  ersetzt  (ähnlich  wie  cuius,  a,  um)  den  Gen,  poss.; 

Bl^fllmnli  äu  k]«n.  AltertumswisaenschAft.  IL    2.  Aufl.  27 


418  ^*  Lateinische  Grammatik,    d)  Lateinische  Syntax. 

aber  die  nähere  Erklärung  wird  im  Gen.  dazu  gesetzt,  freilich  selten  bei  Cic.  rFam.  15, 
13,  1  me  iuum  stttdium  adulescentis  perspexisse),  öfters  schon  bei  Livius,  häufig  erst  im 
8p.  L.,  z.  B.  bei  Lncifer. 

67.  Wie  der  Akk.  sich  an  Verba  aller  Art  anschliesst,  so  auch  der 
Gen.  obiectivus  an  ihre  Derivata  (wobei  sich  wieder  der  Unterschied  von 
transitiv  und  intransitiv  als  willkürlich  gemacht  bezeugt).  Dies  gehört  der 
ganzen  Latinität  an ;  bei  Dichtern  und  poetisierenden  Prosaikern  sind  jedoch 
besonders  kühne  Konstruktionen,  sowie  die  Verbindung  des  Gen.  obi.  mit 
primitiven  Subst.  z.  B.  Tibull.  1,  3,  50  leti  mille  repente  viae  anzutreffen. 
Der  silbernen  Latinität  ist  eigentümlich  der  Gen.  obi.  sui,  welcher  bei  Nepos 
in  admiratio  sui  bereits  sein  Vorbild  hat. 

Anmerkung  1.  Statt  des  Gen.  obi.  stehen  auch  Pron.  possess.,  so  bei  Sali,  iniuriae 
siiae,  bei  Nepos  suam  existimationem^  und  was  stilistisch  wichtig  ist,  die  Pron.  demonstr. 
oder  relat.   im  gleichen  Kasus,  so  bei  Nepos.  Caes.,  Cic,  Liv.  eam  iram,  quam  veniam. 

Anmerkung  2.  Im  Interesse  der  Deutlichkeit  treten  oft  statt  der  Gen.  obi.  Prä- 
positionen ein;  dies  ist  stets  der  Fall,  wenn  beim  regierenden  Subst.  eine  pronominale 
attributive  Bestimmung  steht.  Die  präpositionale  Wendung  ist  häufig  bei  Cic,  Liv.,  Just, 
selten  bei  Nepos. 

68.  Der  Gen.  subiectivus  hat  nur  die  Eigentümlichkeit,  dass  eine 
bei  Cicero  u.  Sallust  vorbereitete  Gebrauchsweise,  z.  B.  Phil.  5,  1,  2  coit- 
sensus  vestfum  und  Cat.  32,  2  maiores  vestrum,  in  der  nachklass.  Latinität, 
besonders  bei  Tacitus  und  Apuleius,  in  Aufnahme  kommt,  z.  B.  Tac.  ann. 
4,  24  primo  sui  incessu,  u.  sich  im  Sp.  L.,  z.  B.  bei  Sulp.  Sev.,  Jul.  Val. 
Porphyr,  u.  a.  erhält,  vgl.  Porphyr,  zu  Hör.  od.  2,  18,  10  gratiam  mei 
petü  (vgl.  besonders  Rönsch,  Semasiol.  Beitr.  II  p.  50). 

Anmerkung  1.  Die  bei  Caesar  beliebte  Verbindung  eines  Subst.  mit  Gen.  subi. 
und  obi.  zugleich  haben  die  spätem  Historiker,  so  besonders  Liv.  und  Florus,  durch  den 
Gebrauch  von  Präpositionen  zu  vermeiden  gesucht. 

Anmerkung  2.  Verhältnismässig  selten  in  der  klass.  Sprache  ist  die  Häufung  von 
einander  abhängiger  Genitive;  öfters  wird  dies  im  N.  KL,  z.  B.  Vitr.  33,  10  tnsequar  in- 
gressus  antiquitatis  rerum  naturae,  bei  Liv.  u.  a.  beobachtet. 

69.  Der  Gen.  qualitatis  gehört  der  ganzen  Latinität  an;  zumeist 
beliebt  war  er  in  der  Volkssprache,  aus  welcher  Plaut,  wie  Cicero  in  epp. 
und  nach  ihm  Plin.  in  epp.,  ebenso  Horaz  manches  herübergenommen. 
Übrigens  ist  auch  die  klassische  Sprache  und  Livius  reich  an  Beispielen, 
welche  vorzugsweise  räumliche  oder  zeitliche  Grösse  durch  Zahlenangaben 
oder  die  Art  und  Klasse,  zu  welcher  das  Beziehungswort  zu  rechnen  ist, 
bezeichnen.  Sueton  wie  die  script.  bist.  Aug.  variieren  nur  das  schon  von 
Plaut,  u.  Cic.  Gebrauchte,  wie  auch  Gellius  fast  nur  aus  dem  Altlat.  Gen. 
qual.  reproduziert. 

Anmerkung  1.  Die  Verbindung  eines  Gen.  qualitat.  mit  Eigennamen  ist  ganz 
vereinzelt  bei  Cic.  u.  Sali,  wird  häufiger  bei  Nepos,  Hör.  Liv.  Val.  Max.,  besonders  bei 
Plin.  mai.  Tac.  Curtius  Flor.  Just.  Ammian  Apoll.  Sidon.  Fest.,  z.  ß.  Hör.  od.  1,  36,  13 
muUi  Damalis  meri. 

Anmerkung  2.  Der  Gen.  qualit.  bei  einem  nicht  ausdrücklich  gesetzten  Nomen 
(z.  B.  Hör.  redis  mutatae  frandis)  gehört   Nep.  Caes.  »Sali.  Hör.  Plin.  mai.  Sen.  rhet.  Seu. 

Shil.  Tac.  Suet.  an ;  ebenso  selten  ist  der  Gen.  qualit  bei  einem  Pron.  und  findet  sich  bei 
ep.  CatuU  Plin.  ep.  {me  huius  aeiatis)  Val.  Max.  Just. 

Anmerkung  3.  Auch  der  Gen.  gerund,  erscheint  als  Gen.  qual.,  so  mit  einem 
Subst.  bei  CacH.  Sali.  Liv.  Tac.  Gell.,  prädikativ  mit  esse  sogar  bei  Cic.  (Verr.  11  2,  182 
quae  res  ei^ertendae  reipuhlicae  solefit  esse).  Kühner  wird  die  Konstruktion,  wo  der  Gen. 
gcrund.  die  prädikative  Bestimmung  des  Objekts  bildet,  was  ausser  Ter.  nur  Sali.  Liv.  Tac. 
(ann.  2,  37  nee  ad  invidiam  ista,  sed  concüiandae  misericordiae  refero)  und  deren  Nach- 
ahmer aufweisen. 

Anmerkung  4.    Die  schon  bei   Varro  (r.  r.  2,  7,  1),    dann   bei   Liv.  Fun.  fiofli» 


1.  Der  einfache  Satz:  a.  Der  BehauptnngsBatK.  (§67—70.)  419 

and  den  Jurbten  gebrauchte  Ausdrucksweise  maiores  annorum  triginta  ist  Analogiebildung 
nach  dem  noch  bei  Sulpic.  Sev.  sich  findenden  cum  esset  annorum  decem,  ebenso  natus 
decem  annorum  oder  vtocü  annorum  quaituor,  welche  Phrasen  sftmtlich  der  Umgangssprache 
entstammen;  vgl.  Übrigens  §96  Anm.  1. 

Anmerkung  5.  Für  Cic.  Caes.  Nep.  Liv.  hat  man  die  Wahrnehmung  gemacht, 
dass  ein  mit  einem  Pron.  oder  mit  den  Adj.  par,  similis,  dissimilis,  aequus  verbundenes 
Subst  nicht  im  Gen.,  sondern  nur  im  Abi.  quäl,  erscheint. 

Anmerkung  6.  Der  Gen.  quäl,  ohne  Attribut  ist  spätlateinisch  und  findet  sich 
nicht  vor  Apul.,  dann  aber  bei  Symmachus  Sulp.  Severus,  Apoll.  Bidon.,  z.  B.  litterarum 
vir,  res  commodi  (vgl.  das  französische  un  komme  de  lettres,  une  chose  d'avantage).  Diese 
Konstruktion  setzt  entweder  eine  prägnante  Bedeutung  des  Subst.  voraus  (z.  B.  in  homo 
iustus  et  morum)  oder  ist  durch  Analogie  nach  andern  Gen.,  z.  B.  poss.  gebildet  (wie 
homo  litterarum);  dabei  ist  der  fremdsprachliche  Einfluss  nicht  zu  übersehen. 

70.  Der  Gen.  partitivus  findet  sich  durch  die  ganze  Latinität  ab- 
hängig von  Subst.  oder  substantivierten  Neutr.  der  Adj.  oder  Pronom. 
oder  Zahlwörter  (mit  Quantitätsbegriff).  Jedoch  ist  zu  bemerken,  dass 
die  klass.  Sprache  sich  in  der  Verbindung  der  Adj.  neutr.  mit  dem  Gen. 
part.  sehr  enge  Grenzen  gezogen  hat;  so  sagt  Cicero  zwar  sen.  72  vitac 
reliquum,  Verr.  2,  181  plurimum  aetatis  und  verbindet  das  Neutrum  Plur. 
der  Kompar.  und  Superlative  mit  dem  Gen.  part.,  z.  B.  Att.  4,  3,  3  in 
interiora  aedium,  Fam.  1,  9,  15  summa  pectoris  \  aber  der  Positiv  ist  nir- 
gends in  dieser  Fugung  zu  finden,  Caesar  hat  ihn  nur  b.  civ.  3,  105,  4 
in  occultis  ac  reconditis  tempU.  Der  häufige  Gebrauch  hievon,  z.  B.  Italiac 
plana  ac  mollia,  femer  multum  diei,  media  diei  oder  gar  per  Europae 
plerumque  u.  ähnliche  Verbindungen  kommen  erst  mit  Sali,  auf,  werden 
von  Liv.  aufgenommen  u.  weitergeführt  und  sind  besonders  bei  Tac.  be- 
liebt; vgl.  Stilistik  §  3.  —  Der  Umgangssprache  eigen  sind  die  Gen. 
loci,  locmi^m,  terrarum,  gentium  nach  Ortsadverbien;  wir  treffen  sie  daher 
bei  Plaut.  Ter.  Cic.  epp.  (sehr  selten  in  den  Reden),  bei  Sali.  Vitr.  Liv. 
Plin.,  bei  Gellius  und  am  häufigsten  bei  Apuleius,  dann  bei  den  script. 
bist.  Aug.  —  Erst  seit  Sali,  (nicht  bei  Cic.  u.  Caes.)  lesen  wir  eo  mit  Gen. 
part.,  ebenso  quo^  z.  B.  eo  audaciae^  bei  Tac.  u.  Curt.  auch  huc,  nur  bei 
Tac.  ut  (wie  das  griech.  wg);  ebenso  beginnt  seit  Sali,  die  Verbindung  einer 
Präpos.  mit  Pron.  neutr.  und  Gen.  z.  B.  ad  hoc  aetatis.  Beide  Konstruk- 
tionen gehen  von  Sali.  Liv.  Trog.  Plin.  epp.  Tac.  auch  auf  deren  späte 
Nachahmer,  z.  B.  Sulp.  Sev.  2,  50,  2  stultitiae  eonisque  venerat,  über. 

Anmerkung  1.  Das  appositive  Verhältnis  an  Stelle  des  Gen.  part.  gehört  der  nach- 
lässigen Diktion  an,  in  der  man  zuerst  Subjekt  oder  Objekt  setzt  und  dann  erst  den  Umfang 
durch  einen  Quantitätsbegriff  limitiert;  so  auf  pompei.  Inschriften  da  fridam  pusillum,  bei 
Sali,  abunde  und  affatim  (s.  §  40). 

Anmerkung  2.  Adjektiva,  die  keinen  Quantitätsbegriff  enthalten,  werden  in  Prosa 
in  vorklassischer  und  klassischer  Zeit  nicht  mit  dem  Gen.  part.  verbunden;  hier  wird 
überall  das  appositive  Verhältnis  vorgezogen.  Allein  die  Analogie  von  medio  diei  schuf 
schon  bei  Sali.  fr.  Orl.  8,  3  incerto  noctis,  Livius  wagte  5,  38,  4  in  aequo  campi,  dann 
Tac.  ann.  3,  5  asperrimo  hiemis  u.  ä.  Bei  Livius  und  Tac,  sowie  sonst  im  silb.  Latein 
wurde  die  Konstruktion  auch  durch  die  Dichter  empfohlen;  denn  die  august.  Dichter,  wie 
vorher  schon  Lucrez  (zum  Teil  in  auffallender  Weise,  z.  B.  caerula  caeli),  gestatten  sich 
dieselben  Freiheiten.  In  der  nachtaciteischen  Latinität  hat  sich  die  Konstruktion  ei halten, 
besonders  bei  den  Nachahmern  der  früheren  Autoren,  und  so  lesen  wir  bei  Min.  Fei.  Oct. 
9,  7  per  incertum  sortis  und  bei  Justin  38,  1,  8  incertum  belli  timens, 

Anmerkung  3.  Die  Verbindung  eines  Adj.  niasc.  oder  fem.  sing,  mit  dem  Gen. 
pari,  hat  Ennius  dem  Homer  nachgeahmt,  also  dia,  magna,  sancta  dearum,  und  dem  Ennius 
Vergil.  Häufiger  ist  der  Gen.  nach  dem  Plural,  aber  nicht  vor  Liv.  u.  Hör.,  besonders 
kultiviert  von  Plin.  mai.  u.  Tac.  —  Geradezu  auffallend  ist  (wahrscheinlich  schon  bei 
CatnO  66,  9)  bei  Horaz  u.  Ovid,  dann  bei  Liv.  Plin.  mai.  u.  Tac.  der  Gen.  part.  nach 
MMkBlf  «iA  ümmei,  offenbar  eine  Analogie  der  vorher  erwähnten  Konstruktion,  deren  innerer 

27* 


420  B.  LateiniBohe  Grammatik,    d)  Lateinische  Syntax, 

Grund  in  dem  Streben  nach  Verstärkung  des  Ausdruckes  zu  suchen  ist;  die  ältere  Sprache 
hat  hier  ausschliesslich  das  appositive  Verhältnis. 

Anmerkung  4.  Selten,  bei  Cic.  wohl  nur  prov.  cons.  4  quarum  Macedonia  und 
Brut.  2G8  und  286,  ist  die  Verbindung  eines  Eigennamens  mit  Gen.  part.;  erst  Liv.  hat 
mehrere  Beispiele,  besonders  bei  Völkomamen,  z.  B.  extra  poenam  fixere  Jjatinorum  Lau- 
renteSf  ebenso  Curtius,  z.  B.  quorum  Haustanes,  im  Sp.  L.  Dictys,  z.  B.  1,  0  legatorum 
Palamedes;  sonst  wird  die  präpos.  Wendung  vorgezogen. 

Anmerkung  5.  Bemerkenswert  ist  noch  die  Verbindung  tum  oder  tune  t em- 
pört 8  bei  Just.  Apul.  Vulg,  wohl  afrikanischen  Ursprungs,  und  semper  annarum  bei 
Apul.  —  Quod  eins  gehört  der  Vulgärsprache  an;  ausser  Cato  und  Comif.  hat  es  nur 
noch  Cic.  in  Erstlingsschriften  und  in  Briefen,  und  später  Gellius ;  vgl.  unten  §  292  Anm.  — 
Mille  mit  Gen.  part.  ist  im  Altlat.  nicht  selten,  bestritten  bei  Cic,  sicher  bei  Caes.,  ofl 
bei  Liv.,  vereinzelt  bei  Sali.  Nep.  Curt.  Flor.,  selbstverständlich  bei  Apul.  —  Unus  mit 
Gen.  part.  hat  schon  Plaut.,  dann  Lucrez,  auch  Verg.  und  Horaz,  hauptsächlich  aber  Liv., 
ganz  vereinzelt  Cic.  und  Caes.  und  nur  mit  quorum  oder  eorum. 

71.  Mittels  des  Verbs  esse  oder  andrer  kopulativen  Verba  können 
Gen.  quäl.  poss.  und  part.  auf  ein  Nomen  bezogen  werden.  So  entsteht 
der  sog.  praedikative  Gen.,  Caes.  b.  G.  5,  6,  1  quod  eum  magni  animi 
cognoverant  (wo  magni  animi  =  magnanimum).  Namentlich  bei  Dichtern 
hat  die  Analogie  nach  der  Konstruktion  von  esse  c.  gen.  eine  Menge  von 
Besonderheiten  geschaffen,  so  z.  B.  Hör.  ep.  1,  9,  13  scrihc  tui  gregis  hunc, 
ebenso  bei  Spätem,  z.  B.  Sueton  und  Justin,  beneficii  sui  aliquid  facere. 

Anmerkung  1.  Wie  schon  Cato  r.  r.  38  hoc  e^-it  signi  sagte,  so  erhielt  sich  bei 
Plaut.  Ter.  Cic.  (Erstlingsschriften)  Caes.  Comif.  die  Konstruktion,  z.  B.  Caes.  b.  G.  1,  21 
quid  consilii  sui  sit.  Hier  hat  die  Macht  der  Analogie  den  Gen.  geschaffen,  indem  man  seit 
Ennius  (ecquid  erit  praemi?)  die  Verbindung  von  quid  mit  Gen.  pari  gewohnt  war  und 
somit  auch  hier  den  Gen.  setzte,  als  ob  er  abhängig  von  quid  sei.  Ganz  ebenso  sind 
die  Phrasen  bei  Caes.  Cic.  u.  Sali,  niliil  reliqui  facere,  sowie  bei  Sali.  Suet.  Lact.  Sulp.  u. 
a.  nihil  pensi  habere  zu  erklären. 

Anmerkung  2.  Wie  bereits  §  G9  Anm.  3  angedeutet,  ist  der  sogen,  finale  Gebrauch 
des  Gen.  gerund,  auf  den  prädikativen  Gen.  zurückzufahren.  Wie  nämlich  Plaut.  Lucil. 
Nep.  Cic.  u.  A.  an  Stelle  einer  Apposition  den  Gen.  praedic.  gebrauchen,  z.  B.  Plaut. 
Pers.  394  dahuntur  dotis  tibi  inde  sescenti  logi,  so  auch  Tac.  bist.  4,  25  tum  e  seditiosis 
unwn  vinciri  iubet  magis  usurpandi  iuris  quam  quia  unius  culpa  foret  (hier  könnte 
statt  usurpandi  iuris  nach  §  48  auch  usurpationem  iuris  ^als  Rechtsverwahrung"  stehen). 
Diese  dem  Tac.  eigene  vielbesprochene  Konstruktion  erscheint  am  auffallendsten  in  Stellen 
wie  ann.  2,  59  Germanicus  Aegyptum  profidscitur  cognoscendae  antiquitatis  (hier 
darf  man  nur  facit  iter  statt  })roficisciiur  setzen  und  die  Konstruktion  ist  klar:  ,er  macht 
nach  Ägypten  seine  Reise  so,  dass  sie  in  den  Bereich  des  cognoscere  antiquitatem  gehört"). 

72.  Der  Gen.  nach  den  Adj.  relat.  dient  lediglich  zur  Determination 
des  im  Adj.  liegenden  nominalen  Begriflfs.  Soll  die  Verbindung  eines  Adj. 
mit  einem  Subst.  mehr  ausdrücken,  so  ist  eine  andre  Wendung,  etwa 
mittels  Präpositionen,  zu  wählen  (Schönfeld  p.  34). 

Die  alte  Sprache  kennt  ausser  den  gewöhnlichen  Adj.  „begierig  kundig 
eingedenk  teilhaftig  mächtig  voll"  nur  wenige  Adj.  relat.,  wie  z.  B.  incerfus 
iners  socors  vacivos  u.  ä.  bei  Ennius  und  Plaut.,  exs2)es  bei  Att.,  aeger  bei 
Liv.  Andr. ;  der  freiere  Gebrauch,  z.  B.  integer  aevi,  ist  für  die  alte  Zeit 
nicht  anzunehmen.  Bei  Lucrez  kommt  zu  den  allgemein  üblichen  noch 
orbus  und  nuntius.  In  der  klassischen  Sprache  erweitert  sich  mit  der  Ver- 
mehrung des  Wortschatzes  auch  der  Bereich  der  Adj.  relat.,  allein  immerhin 
sind  die  Grenzen  noch  ziemlich  eng  gezogen;  so  finden  wir  hier  nirgends 
ein  Adjektiv  mit  einem  Gen.  subi.,  z.  B.  auäax  ingenii,  ferox  scelef^m. 
Diese  Grenzen  werden  erst  durch  Sali,  und  besonders  durch  Liv.  für  die 
Prosa,  von  den  august.  Dichtern  für  die  Poesie  weiter  hinausgeschoben; 
die  nachaugust.  Prosa  bedient  sich,   nachdem  SalL   und  Liv,  mit   ihrem 


1.  Der  einfache  Satz:  a.  Der  Behanptimgsaatz.  (§  71—73.)  421 

Beispiel  vorangegangen,  ungescheut  aller  poet.  Wendungen,  so  Vell.  Pat., 
Val.  Max.,  Sen.,  Plin.  mai.  und  min.,  am  meisten  aber  Tacitus.  Nach  Tae. 
ist  neben  Ammian  besonders  Apuleius  an  poetisierenden  Verbindungen 
reich,  die  übrigen  nachtacit.  Schriftsteller  gehen  nicht  über  das  von  früheren 
Verwendete  hinaus. 

Wenn  irgendwo,  so  hat  in  diesem  Gebiete  der  Grammatik  die  Ana- 
logie ihre  Macht  entfaltet.  Sobald  einmal  phnus  c.  gen.  feststand,  lag 
opuletittis,  diveSy  satur,  benig^ius,  locuples,  onustus  sehr  nahe;  ebenso  führte 
das  ursprüngliche  inanis  und  vacivos  auf  xmuper  egenus  indigm  sterilis. 
Selbstverständlich  haben  hier  die  Dichter  am  meisten  sprachschöpferisch 
gewirkt,  und  die  poetisierenden  Prosaiker  haben  gerne  ihre  Erbschaft  an- 
getreten. 

Es  mag  an  einigen  Beispielen  die  histor.  Entwicklung  im  Gebrauche 
der  meisten  dieser  Adj.  gezeigt  werden: 

Manifestus  wird  schon  von  Plaut,  mit  dem  Gen.  verbunden,  so  ma- 
nifestus  mefidticii;  Sali,  hat  es  in  die  Prosa  aufgenommen,  Ovid  in  der 
Dichtung  reproduziert;  dem  Vorgange  des  ersteren  folgte  Tac.,  dem  letzteren 
ahmte  Seneca,  wie  er  von  Dichtern  vieles  angenommen  hat  (z.  B.  timidtts, 
sollicUus,  securus  c.  gen.),  so  auch  hierin  nach. 

Impos  erscheint  bei  Plaut,  nur  in  Verbindung  mit  animi;  dann  ver- 
schwindet es,  die  klassische  Sprache  hat  das  Wort  überhaupt  verschmäht. 
Erst  Seneca  und  dann  Sueton  nehmen  es  auf,  erweitern  den  Gebrauch  und 
verbinden  es  auch  mit  andern  Gen.,  welche  Konstruktion  die  Archaisten 
Fronte  und  Apuleius  und  der  Dichter  Ausonius  beibehielten. 

Incerius  wird  von  Plaut,  und  Enn.  mit  Genetiv  verbunden;  die  klas- 
sische Sprache  kennt  diese  Konstruktion  nicht;  dass  sie  aber  in  der  Volks- 
sprache auch  in  dieser  Zeit  fortlebte,  geht  aus  b.  Afric.  (3  mal  incertus 
locorum)  hervor.  Ovid  hat  es  wie  vieles  in  seinen  epist.  aus  der  Volks- 
sprache herübergenommen,  ebenso  Liv.  und  nach  beiden  Tacitus. 

07iu$tu8  c.  gen.  lesen  wir  bei  Plaut,  u.  Afran.,  dann  erst  wieder  im 
bell.  Afric.  und  schliesslich  bei  Tacitus.  Es  ist  somit  onustus  c.  gen.  in 
der  Schriftsprache  immer  ein  Fremdling  geblieben. 

Anmerkung  1.  Bemerkenswert  ist  auch  der  Gen.  gerund,  nach  diesen  Adj.;  die 
alte  Sprache  beschränkte  sich  auf  cupidua  und  Studiosus  (Plautus  hat  die  Konstruktion 
gar  nicht);  albnählich  erweiterte  sich  die  Zahl,  weniger  bei  Cicero,  als  bei  Liv.  und  haupt- 
sächlich bei  Tac.  (in  den  ann.  besonders)  infolge  ausgedehnter  Analogiebildungen.  Hieher 
gehören  auch   Fälle,  wie  ann.  3,  7  erectis  omnium  animis  petendae  e  Pisone  ultionis, 

Anmerkung  2.  Die  Zahl  der  Partie,  praes.,  welche  mit  dem  Gen.  verbunden 
werden,  weil  der  substantielle  Begriff  bei  ihnen  in  den  Vordergrund  tritt,  war  im  Altlat. 
viel  grösser,  als  in  der  klassischen  Zeit;  manche  dieser  Verbindungen  wurden  geradezu 
formelhaft,  z.  B.  negotii  gerentes,  amans  patriae^  ohsen^ans  mei;  die  Ähnlichkeit  der  En- 
dung und  Bedeutung  verschaffte  auch  dem  Worte  infrequens  die  Konstruktion  mit  dem 
Gen.  bei  Comif.  und  Gell.  In  der  nachklassischen  Sprache  werden  die  Part,  praes.  c. 
gen.  zunächst  bei  Dichtem  wieder  häufiger  und  dann  auch  in  Nachahmung  derselben  in 
der  Prosa. 

Anmerkung  3.  Animi  ist  in  Verbindung  mit  incertus,  lassus  u.  a.  von  Haus  aus 
Lokativ,  wurde  aber  schon  frühe  als  Genetiv  angesehen,  wie  Sali.  H.  3,  13  ingefis  ipse 
virium  atque  animi  zeigt.     Vgl.  übrigens  die  Antibarb.^  II  p.  246  hiezu  gegebene  Litteratur. 

73.  Bei  dem  stark  ausgeprägten  juristischen  Sinne  des  römischen 
Yolkfis  ist  66  selbstverständlich,  dass  sich  frühzeitig  viele  Phrasen  für  An- 
k  Verteidigung,  Verurteilung  und  Freisprechung  gebildet  haben.    Wenn 


422  B.  Lateinische  Chramxnatik.  d)  Lateinische  Syntax. 

in  diesen  Wendungen  das  gerichtliche  Objekt  im  Gen.  erscheint,  so  ist  dies 
leicht  erklärlich  daraus,  dass  dem  Sprechenden  das  wegen  seiner  Selbst- 
verständlichkeit nicht  ausgedrückte  cnmine  oder  iudicio^  iioniine,  lege  vor- 
schwebte. Es  ist  somit  dieser  Gen.  lediglich  ein  gen.  definitivus,  wie  es 
eine  Vergleichung  von  Cic.  off.  2,  51  ne  quem  innocefUem  iudicio  capitis 
arcessas  mit  Cornif.  1,  11,  18  Teucer  .  .  inimicum  fratris .  .  capitis  arcessit 
zeigt.  Die  zahlreichen  Verba  iudicialia  der  alten  Sprache  wurden  nicht 
alle  in  die  Litterärspracho  herübergenommen;  manche  aber  haben  sich  doch 
in  der  Gerichts-  oder  Volkssprache  erhalten  und  erschienen  später  wieder 
auf  der  Bildfläche.  Die  von  der  klassischen  Sprache  übernommenen  Phrasen 
erweiterten  sich  schon  in  der  Zeit  des  Cic.  und  Caes.,  namentlich  aber  von 
Livius  ab  durch  zahlreiche  Analogiebildungen ;  auch  hat  Liv.  aus  alten  Do- 
kumenten wieder  manches  hervorgeholt,  was  zu  seiner  Zeit  nicht  üblich 
war  (z.  B.  eondieere  eartim  verum).  In  gleicher  Weise  verfuhren  auch 
Tacitus  und  andere  späteren  Schriftsteller,  am  weitesten  ging  Apuleius. 
Die  Macht  der  Analogie  mag  aus  Cornif.  bewiesen  werden,  bei  welchem 
das  auch  in  Cic.  Erstlingsschriften  und  Briefen  sich  findende  iniuriarum 
agere  ein  iniuriarum  satis  facere  hervorgerufen  hat;  sobald  einmal  Verg. 
voti  reus  gebraucht,  holte  Liv.  das  schon  von  Turpil.  u.  Titin.  und  später 
von  Nepos  verwendete  voti  damnari  hervor,  und  dieses  selbst  zog  wieder 
ein  voti  liherari  nach  sich,   was  alles  der  Sprache  Cic.  u.  Caes.   fremd  ist. 

74.  Der  Gen.  pretii  ist  ein  prädikativer  Genetiv.  Aus  hominemnon 
nauci  (attribut.)  entwickelte  sich  sumus  non  nauci  und  dann  non  nauci 
habere^  z.  B.  Cic.  div,  1,  132  non  habeo  nauci  Marsum  augurenh;  es  be- 
zeichnet somit  der  Gen.  pretii  die  Rubrik  des  Wertes,  in  welche  eine 
Person  oder  Sache  eingeordnet  wird.  Schon  die  alte  Sprache  war  reich 
an  Gen.  pretii;  die  meisten  derselben  sind  nie  in  die  Litterärsprache  ein- 
gedrungen, während  sie  in  der  Volkssprache  sich  erhielten,  wie  Cic.  ad 
Att.  bezüglich  des  vulgären  flocci  facere  zeigt.  Nur  die  von  mugnus,  parvus 
und  nihil  sich  herleitenden  Gen.  (ausser  maioris,  was  poet.  und  nachkl.  ist) 
gehören  der  ganzen  Latinität  an;  Analogiebildungen,  wie  das  von  Catull 
gewagte  und  in  den  Priap.  nachgeahmte  assis  und  i^iZt,  konnten  sich  so 
wenig  halten,  als  das  von  Cato  und  Plaut.  Rud.  381  gebrauchte  muUi 
facere.  Von  den  Verben  scheint  existimarc  in  der  klassischen  Sprache 
des  Cic.  u.  Caes.  keine  Aufnahme  gefunden  zu  haben,  auch  pendere  (vgl. 
Thielmann,  Philol.  42  p.  342)  und  ducerc  hatten  einen  vulgären  Bei- 
geschmack, taxare  wird  erst  von  Seneca  mit  Gen.  pret.  verbunden. 

75.  Bei  den  Verben  des  Erinnerns  und  Vergessen s  überwiegt  der 
Gebrauch  des  Gen.  den  des  Akk.,  wenn  auch  noch  nicht  im  A.  L.,  wo 
z.  B.  Plaut,  ohlivisci  nur  mit  Akkus,  konstruiert,  so  doch  seit  der  klass. 
Sprache;  bei  recordari  ist  jedoch  auch  da  noch  der  Akkus,  üblicher  (Gen. 
bei  Cic.  nur  Att.  4,  17,  1  u.  Pis.  12).  Schon  bei  den  Komikern  und  von 
da  ab  allenthalben  werden  diese  Verba  auch  mit  de  konstruiert,  wie  z.  B. 
Cic.  ausschliesslich  recorduri  bei  Personenbezeichnungen  braucht.  Venit 
in  mentem  wird  in  der  alten  Sprache  mit  Subst.  im  Gen.  (oder  de  mit 
Abi.,  selten  Nominativ),  bei  Cic.  immer  mit  Gen.,  bei  Pronom.  mit  Nominat. 
konstruiert.     Bei  Liv.  und  Späteren  scheint  der  Nominativ,  auch  bei  Sub- 


1.  Der  einfache  Satz:  a.  Der  BehanpinngaBatK.  (§  74—78.)  423 

stantiven,  zu  überwiegen.  Wie  venit  in  mentem  nach  Analogie  der  V. 
reminiscendi  konstruiert  ist,  hat  es  selbst  wieder  im  Sp.  L.  bei  Claud.  Mara. 
96,  7  tibi  in  mentem  est  cogitationis  et  amoris  tui  eine  Analogie  geschaffen. 

76.  Der  Gen.  bei  den  unpersönlichen  Verben  miseret,  paenitet,  pudet, 
piget,  taedet  findet  sich  schon  bei  Enn.  Plaut.  Acc.  Ter.,  gerade  wie  in  der 
klassischen  und  nachklassischen  Sprache;  ebenso  steht  auch  dort  schon, 
wie  bei  Cic.  u.  Liv.,  die  Person  oder  Sache,  vor  der  man  sich  schämt, 
im  Genetiv.  Dem  Ter.  eigentümlich  ist  miserescit  und  commiserescit,  bei 
Plaut.  Cic.  Sali,  findet  sich  misereor,  bei  Gellius  conmüsereor,  Miserari, 
das  in  der  klassischen  Sprache  transitiv  gebraucht  wird,  konstruiert  sich 
in  dem  Altlat.  u.  dann  wieder  in  später  Latinität  mit  Gen.  (Paucker,  Z. 
f.  ö.  G.  1883  p.  324). 

77.  Viele  Verba,  welche  sich  mit  einem  Genetiv  verbinden,  nament- 
lich in  der  Vulgärsprache  und  bei  Dichtern,  sind  durch  die  Macht  der 
Analogie  zu  dieser  Konstruktion  gelangt.  Sobald  man  ctipidus  fastidiosus 
Studiosus  mit  dem  Gen.  konstruierte,  lag  auch  cupio  studeo  fastidio  alicuius 
nahe;  vereri  c.  gen.  schliesst  sich  an  pudet  an  und  hat  sogar  einmal,  frei- 
lieh in  einem  Brief  an  Atticus,  Aufnahme  bei  Cicero  gefunden;  nicht 
Wunder  nimmt  lahorum  decipitur  (Horaz)  neben  lahorum  ohliviscitur,  wie 
desipiebam  mentis  (Plaut.)  neben  angor  und  pendeo  animi  (welches  schon 
frühe  als  Gen.  angesehen  wurde,  vgl.  §  72  Anm.  3).  Auch  wird  regnavit 
populorum  bei  Horaz,  cathoUcorum  dominantut  bei  eccl.  nicht  auffallen, 
wenn  man  bedenkt,  dass  regnare  =  regem  esse,  dominari  =  dominum  esse  ist. 

In  allen  diesen  Konstruktionen  hat  man  demnach  keine  Gräzismen 
zu  suchen,  sondern  echt  lateinische  Wendungen,  deren  Entstehung  sich 
psychologisch  sehr  leicht  erklären  lässt.  Wenn  auch  die  klassische  Sprache 
sich  gegenüber  solchen  Neuschöpfungen  durchaus  ablehnend  verhielt,  so 
waren  die  Dichter  um  so  empfänglicher  dafür,  und  dass  hiebei  die  Anklänge 
an  die  griechischen  Vorbilder  mitbestimmend  gewesen  sein  mögen,  liegt 
auf  der  Hand  und  kann  nicht  bestritten  werden. 

78.  Refcrt  ist  gleich  ex  re  fert,  also  tua  refert  3=  vom  Standpunkt 
deiner  Sache  bringt  es  etivas  ein.  Die  dabei  schon  von  Plaut,  und  Ter. 
verwendeten  Pronomina  mea  tua  etc.  sind  demnach  Abi.  Die  klassische 
Sprache  beschränkt  sich  auf  diese  Konstruktion.  In  der  silbernen  Latinität 
aber  wurde  zu  re  ein  Gen.  definitivus  konstruiert,  z.  B.  Quint.  9,  4,  44 
plurimum  refert  compositionis  =■  e  re  compositionis  plurimum  fert:  das  gleiche 
gilt  für  Plin.  epp.  Die  persönliche  Konstruktion  von  refert  hat  Lucrez  4, 
984  magni  refert  Studium  atque  voluptas,  in  Prosa  wohl  nur  Plin.  mai.  und 
Fronte. 

Das  mit  refert  synonyme,  aber  erst  später  ihm  zur  Seite  tretende 
interest  hat  sich  der  Konstruktion  des  ersteren  vollständig  angeschlossen, 
also  mea  interest  etc.  Nur  ist  zu  beachten,  dass  schon  die  klass.  Sprache 
den  gen.  bei  interest  anwendet,  z.  B.  Cic.  Fam.  4,  10,  2  suspicarer  muUum 
Interesse  rei  familiaris  tuae;  dieser  gen.  wurde  offenbar  ursprünglich  als 
abhängig  von  multum  empfunden,  entwickelte  sich  dann  aber  auch  zu  selb- 
ständiger Stellung,  z.  B.  Cic.  Fin.  2,  72  interest  onmium  recte  facere.  Die 
persönliche  Konstruktion  von  interest  bei  Cic.  Att.  3,  19,  1   ist   bestritten. 


424  B«  Lateinische  Grammatik:  d)  Lateinische  Syntax« 

79.  Der  Gen.  exciamativus  ist  ausschliesslich  der  Dichtersprache 
eigen,  Plaut.  Gatull.  (vgl.  jedoch  Riese  zu  9,  5)  Properz  Lucan;  in  Prosa 
nur  Tertull.  de  paenit.  12  pro  tnalae  tracMionis. 

Zu  §  64  vgl.:  LiBBio,  De  genetivi  usu  Terentiano,  Öls  1851;  Loch,  De  genetivo  apud 
priseos  scriptores  latinos,  Progr.,  Barienstein  1880;  Kleine,  De  gen.  usu  Liviano,  Progr. 
Clevc  1865;  Görlitz,  De  gen.  usu  Sallustiano,  Progr.  Sclirimm  1879.  ||  Zu  §69:  Gollikg, 
Zur  Lehre  vom  Ablativ  und  Genetiv  der  Eigenschaft,  Gymnasium  1888,  Nr.  1  und  2.  i|  Zu 
§72:  Haustein,  De  gen.  adjectivis  accommodati  in  lingua  lat.  usu.  HaJle  1882;  Ebdmann 
Über  den  Gebrauch  der  lat.  Adj.  mit  dem  Genetiv,  Progr.  Stendal  1879.  ||  Zu  §  78:  Fb 
Scholl,  Alte  Probleme  (refert-interest  u.  ä.),  Archiv  II,  p.  203—218. 

Dativ  US. 

80.  Der  Dativ  bezeichnet  die  entferntere  Beziehung  einer  Person  oder 
Sache  zur  Thätigkeit  des  Subjekts.  Er  ist  somit  nicht  Objektskasus,  son- 
dern drückt  aus,  was  bei  vollständig  gebildeter  Aussage  als  beteiligt  neben 
der  Handlung  hergeht.  Mit  dem  Dativ  ist  der  finale  Lokativ  (mit  Aus- 
nahme der  alten  Lokativformen)  zusammengeschmolzen,  und  so  bezeichnet 
der  daraus  entstandene  Kasus  auch  den  erreichten  Zweck  und  Ort.  Aus 
der  geschilderten  Natur  des  eigentlichen  Dativs  geht  ferner  hervor,  dass 
esse  mit  Dativ  das  okkasionelle  Haben  und  nicht  das  dem  Subjekt  eigen- 
tümliche (was  der  Gen.  ausdrückt)  darstellt.  Diese  Gesichtspunkte  genügen 
zur  Erklärung  aller  Erscheinungsformen  des  lat.  Dativs. 

81.  Es  ist  selbstverständlich,  dass  es  bei  manchen  Verben  im  Belieben 
des  Sprechenden  liegt,  ob  er  eine  mit  der  Handlung  in  Zusammenhang 
stehende  Person  oder  Sache  direkt  betroffen  werden  oder  nur  in  entferntere 
Beziehung  zu  derselben  treten  lassen  will.  So  wird  curare  bei  Plaut,  mit 
Dativ  und  Akkus,  verbunden  (vgl.  Brix-Niemeyer  zu  Plaut.  Trin.  1057), 
ferner  hat  vitare  bei  Plaut,  den  Dativ  =  „einem  aus  dem  Wege  gehen*, 
in  der  klassischen  Sprache  den  Akk.  „einen  meiden**.  Die  in  der  klass. 
Sprache  mit  dem  Dativ  verbundenen  Verba  wie  persuadeOy  parco  etc.  werden 
in  der  Umgangssprache  und  hauptsächlich  in  der  plebejischen  Sprache  mit 
Akk.  konstruiert,  welcher  letztere  als  Kasus  des  allgemeinen  Objekts  in 
der  Vulgärlatinität  stets  im  ausgedehntesten  Gebrauche  war  und  mit  dem 
Verfall  der  Sprache  eine  fast  unumschränkte  Herrschaft  erhielt,  so  dass 
schliesslich  carerey  egcre,  noccrc  u.  a.  sich  mit  Akk.  verbanden.  Die  per- 
sönliche Konstruktion  im  Passiv  ist  infolge  ihrer  Bequemlichkeit  auch  der 
Litterärsprache  nicht  fremd  geblieben,  freilich  ohne  bei  Cic.  Caes.  Liv.  Tac. 
Aufnahme  zu  finden  (aber  bei  Cornif.  Caecina,  oft  bei  Dichtern  u.  spät. 
Pros.):  umgekehrt  hat  adiutarc  in  pleb.  Sprache  den  Dat.,  ebenso  ausadtarc 
im  Altlat.  u.  in  Cic.  Erstlingsreden,  decet  bei  Ter.,  iuheo  bei  Tac.  u.  Stat. 
in  der  Vulg.  u.  bist.  Apoll.,  dominari  bei  Sen.  Claudian  u.  s.  w.  Die  Verba 
des  Streitens  werden  bei  Dichtern  mit  dem  Dativ  konstruiert,  zuerst  viel- 
leicht schon  bei  Plautus,  dann  bei  Lucrez,  bei  Catull,  hauptsächlich  bei  den 
august.  Dichtern  und  ihren  Nachahmern,  auch  bei  poetisierenden  Prosaikern 
(Plin.  ep.  8,  8,  4  rigor  aqiiae  piignaverit  7iivibus)]  ebenso  /«»(/ere  im  Altlat., 
bei  den  august.  Dichtern,  Tac.  Plin.  min. 

Anmerkung  1.  Invideo  alicui  aliquid  ist  unklassiscb;  es  findet  sich  jedoch  bei 
Verg.  Ovid.  und  Horaz  (bei  letzterem  auch  alicui  alicuius  rei,  sat.  2,  6,  84,  echon  von 
Quint.  9,  f^,  17  für  einen  Gräzismus  erklärt,  mit  Unrecht:  non  invidü  =  large  pradnUt, 
also  ciceris  Gen.  part.)  und  bei  Liv ;  bei  diesem  Autor  beginnt  aaeh  mcÜern  aüeui  äügua 


1.  Der  einfache  Satz:  a.  Der  Behanptiingaeatz.  (§  79  -88.)  425 

re,  was  zur  Zeit  des  Quint.  bereits  aUgemein  üblich  war  und  auch  bei  Lucan.,  Plin.  mai., 
Tac.  gelesen  wird.  Klassisch  ist  nur  der  Dativ,  zu  dem  ein  Gen.  defin.  treten  kann,  z.  B. 
Cic.  Phil.  10,  1  neminem  alteriiis  virtuti  invidere;  damit  ist  jedoch  der  Akk.  eines  Fron, 
neutr.  nicht  ausgeschlossen  (so  schon  Acc.  und  neben  Cic,  z.  B.  Mur.  88  quid  invidendum 
Murenae  sit,  non  video,  auch  Nepos).  Über  Entstehung  der  Konstruktion  von  invideo  vgl. 
Reiffbrscheid,  Lekt.  Kat.  Breslau  1885,  Amton,  Studien  I  p.  81  ff. 

Anmerkung  2.  Zum  Dativ  der  entfernteren  Beziehung  kann  auch  ein  Gerundiv 
treten;  allein  in  der  alten  und  in  der  klassischen  Sprache  ist  dieser  Gebrauch  sehr  be- 
schränkt; erst  bei  Liv.  und  hauptsächlich  bei  Tacit.  erweitert  si«h  derselbe,  so  dass  wir 
i'etzt  auch  deesse,  sufficere,  destinare  u.  ä.  mit  Dat  ger.  finden;  die  spätem  SchriftsteUer 
iahen  den  Gebrauch  erhalten,  ohne  ihn  besonders  zu  kultivieren. 

Anmerkung  3.  AuchzuSubst.  verbalia  tritt  dieser  Dativ,  freilich  sehr  selten,  aber 
immerhin  schon  bei  Plautus,  auch  bei  Cic.  (obtempercttio  legibus)  und  noch  bei  Hieronymus 
{satisfactio  omni  poscenti  rationem). 

82.  Der  Dat.  possess.  bei  esse  dient,  um  den  sachlichen  Besitz  und 
zwar  den  okkasionellen  zu  bezeichnen.  Sallust,  der  überhaupt  für  Dativ- 
konstruktionen eine  Liebhaberei  hat,  dehnte  zuerst  den  Gebrauch  auf 
geistige  Eigenschaften  (also  dauernden  oder  eigentümlichen  Besitz)  aus, 
z.  B.  lofigc  mihi  alia  mens  est,  und  Verg.  Lucan  Tac.  Curtius  folgten  ihm 
darin  nach  (z.  B.  sagt  Curtius  erat  Dareo  mite  ac  tractahile  ingetüum). 

Anmerkung.  Bei  mihi  est  nomen  und  ähnlichen  Phrasen  wird  im  Altlat.  infolge 
einer  Art  Kasusausgleichung  der  Dativ  des  Namens  gesetzt,  bei  Cic.  und  Caes.  ist  der 
Nominativ  Regel,  Sallust  hat  wieder  immer  den  Dativ  (bist.  1,  75  Gen.  defin.,  weil  Sache), 
Liv.  öfter  Dativ  als  Nominativ,  ebenso  auch  Curtius;  bei  wirklichen  Namen  hat  Vell.  zueiBt 
den  Genetiv;  bei  Tac.  steht  nach  Nipperdeys  von  Dräger  und  Heraeus  gebilligter  Regel 
der  Nominativ,  der  sehr  selten  durch  den  Genetiv,  und  durch  den  Dativ  nur  bei  Adjekt. 
ersetzt  wird. 

83.  Der  Dat.  commodi  findet  sich  entsprechend  der  Grundbedeutung 
des  Dativs  durch  die  ganze  Latinität.  Besondere  Erscheinungsformen  des- 
selben sind: 

Bei  den  Verben  des  Abhaltens  und  Abwehrens  haben  Plaut.  Verg. 
Hör.  Tibull,  Properz  den  Dativ,  ebenso  die  Verba  des  Wegnehmens  wie 
abändere  detrahere  u.  ä.,  und  zwar  noch  in  spätester  Zeit  (Hieronym.).  Die 
Annahme  eines  Gräzismus  ist  ausgeschlossen,  da  dieser  Dativ  den  lateini- 
schen Sprachgesetzen  vollständig  entspricht  und  sich  schon  bei  Plaut,  und 
noch  bei  Hieronymus  findet. 

Aus  Ennius  (Ann.  107  L.  Müller)  quod  mihi  rcque,  fide^  regno  vobis- 
quc,  Quiritis,  se  fortunatim,  feliciter  ac  hene  vortat  geht  hervor,  dass  die 
Dative  bei  bene,  feliciter  und  analog  bei  hemj  vae,  hei  (richtiger  wohl  ei) 
hieher  gehören.  Dieselben  haben  wie  die  Phrasen  bene,  male,  recte,  peius  etc. 
est  mihi  ihren  Ursprung  in  der  Volkssprache;  wir  finden  noch  spät  bei 
Sueton  und  den  script.  bist.  Aug.  diese  Dative  in  der  Soldatensprache,  z.  B. 
feliciter  dontino. 

Schon  im  Altlat.  ist  häufig  der  Dativ  bei  sum  mit  einem  Prädikats- 
nomen, oft  ziemlich  auffallend  für  den  Genetiv,  z.  B.  sodalem  me  esse  seis 
gfiato  ttw;  natürlich  kann  statt  esse  jedes  andere  ein  modifiziertes  Sein  be- 
zeichnende Verb  eintreten.  Dieser  Gebrauch  ist  selten  bei  den  Klassikern, 
z.  B.  Cic.  Cat.  2,  5,  11  ducem  huic  bello  me  profitcor,  öfter  schon  bei  Dichtem, 
wie  z.  B.  bei  Catull  und  namentlich  bei  Tibull,  welcher  nie  huius  und  cuius, 
sondern  stets  huic  und  cwi  in  solchen  Phrasen  setzt,  z.  B.  cui  toga  fluit; 
hiqfiger  wird  er  bei  Liv.  Bei  Sali.,  Dichtern  wie  Tibull.  und  namentlich  bei 
t  ein  solcher  Dativ  in  unmittelbare  Verbindung  mit  dem  Beziehungs- 


426  B.  Laieinische  Qrammatik.    d)  Lateinisohe  Syntax. 

wort,  besonders  wenn  dies  ein  verbales  Personalsubstantiv  ist,  z.  B.  minister 
hello,  custos  saluti.  Diese  bei  Tac.  sehr  beliebte  Konstruktion  wird  nach- 
her seltener,  z.  B.  Suet.  nur  T.  12  castodem  f actis,  kommt  jedoch  später 
bei  den  Autoren,  welche  in  ihrer  Diktion  von  Tac.  oder  Sali,  abhängen, 
wieder  häufiger  vor,  vgl.  Sulp.  Sev.  1,  29,  5  huic  hello  dux  fuit,  Oros.  6, 
11,1  dux  Jus  Vercingetorix  fuit.  Üblich  war  der  Dativ  jedoch  im  offiziellen 
Stil  und  findet  sich  daher  allenthalben,  wenn  ein  Gerundiv,  beim  Nomen 
steht,  z.  B.  Cic.  curator  muris  refichndis. 

84.  Der  Dat.  ethicus  wurzelt  in  der  Volkssprache,  findet  sich  daher 
oft  bei  Plaut,  und  Ter.,  mit  und  ohne  en  und  ecce,  gehört  bei  Cic.  über- 
wiegend den  Briefen,  und  zwar  denen  an  Attikus  an,  ohne  jedoch  von  den 
Reden  und  philos.  Schriften  ganz  ausgeschlossen  zu  sein;  selten  ist  er  bei 
den  Dichtem  der  august.  Zeit  (vgl.  jedoch  Hör.  ep.  1,  3,  15  quid  mihi 
Celsus  agit?  also  in  ep.  und  sat.  selbstverständlich  wohl  am  Platze)  und 
bei  Livius,  welcher  in  direktem  Gegensatze  zu  Cic.  zwar  en  tibi^  aber  nie 
ecce  tibi  verbindet. 

85.  Sehr  nahe  verwandt  mit  dem  ethischen  Dativ  ist  der  Dativ  der 
Relation,  z.  B.  Catull  86,  1  Quintia  formosa  est  multis;  dieser  Dativ 
findet  sich  bei  Cicero  Nep.  Tac,  namentlich  aber  bei  den  Dichtern  der 
klass.  und  august.  Zeit.  Besonders  bemerkenswert  wird  er  in  Verbindung 
mit  einem  Partizip  und  bezeichnet  dann  den  örtlichen  oder  geistigen 
Standpunkt  der  Beurteilung.  Es  fehlt  die  erstere  Konstruktion  in  der 
altern  Latinität  und  bei  Cicero;  sie  ist  so  recht  eigentlich  für  Historiker 
bestimmt  und  zeigt  sich  zuerst  bei  Caes.  (b.  civ.  3,  80)  und  Sallust  (fragm. 
bist.  4,  37  Kritz),  wird  häufiger  von  Livius  an,  auch  Vitruv  gebraucht  sie 
(also  an  einen  Gräzismus  nicht  zu  denken!),  und  dann  ist  sie  ganz  ge- 
wöhnlich bei  den  Historikern  und  Chorographen  der  Kaiserzeit.  Von  Dich- 
tern weisen  nur  Verg.  und  Ovid  diesen  Dativ  auf,  die  andern  entbehren 
die  Konstruktion.  Selten  ist  der  Sing,  des  Partiz.  (Liv.  Tac.  Plin.  mai.), 
seit  Verg.  liest  man  von  Depon.  auch  Part.  perf.  (Liv.  Plin.  mai.  Tac.  Agr. 
10  (?),  Pomp.  Mela).  Der  Dativ  des  geistigen  Standpunktes  wird  von 
Liv.  an  häufig,  namentlich  bei  Sen.  phil.  Plin.  mai.  Tac,  findet  sich  indes 
auch  bei  Horaz. 

Wenngleich  dieser  Dativ  manchmal  in  ziemlich  loser  Beziehung  zum 
Verbum  des  Satzes  steht,  so  ist  immerhin  eine  Relation  vorhanden,  wes- 
halb man  wohl  mit  Unrecht  von  einem  Dat.  absolutus  spricht. 

86.  Gerade  so  wenig  wie  der  eben  besprochene  Dat.  relationis  darf 
der  Dat.  auctoris  als  ein  Gräzismus  aufgefasst  werden,  wenn  auch  der 
letztere  vielfach  den  Namen  Dat.  gr accus  führt.  Beide  ergeben  sich  aus 
der  Grundbedeutung  des  Dativs  in  ungezwungener  Weise.  Es  bezeichnet 
aber  der  sog.  Dat.  graecus  in  der  thätigen  Person  zugleich  denjenigen,  zu 
dessen  Vorteil  oder  Nachteil  die  Handlung  ausschlägt,  z.  B.  Amm.  Marc. 
22,  8,  42  spatium  expedito  viatori  diehus  confmtur  qtündecim.  Das  Gerun- 
dium wurde  von  jeher  so  konstruiert;  dann  hat  man  die  Part.  perf.  pass. 
und  infolge  davon  auch  die  Adj.  auf  Ulis  bei  Dichtem  mit  dem  Dativ  ver- 
bunden, z.  B.  nulli  exorahiJis  =  qui  a  nidlo  e^oraiur;  und  wie  man  bei 
Intransitiven  Abi.  und  ab  setzte,   z.  B.   schon  Cicero  Fam.    15,  17,  2  mori 


1.  Der  einfache  Satz:  a.  Der  BehanpinngBaatz.  (§  84-88.)  427 

a6,  so  lesen  wir  bei  Dichtem  fratri  iacet  und  cui  cofisul  in  armis  cecidit. 
Manchmal  verdankt  der  Dativ  seine  Entstehung  der  Konzinnität,  z.  B.  Sen. 
ep.  8,  8  quae  philosophis  aut  dwta  sunt  mit  dicenda. 

In  der  alten  Sprache  blühte  der  Dat.  graecus  nicht  besonders,  doch 
hat  ihn  schon  Ennius  und  Plaut.  Acc.  Ter.  Lucil.;  in  der  klassischen 
Sprache  steht  der  Dativ  bei  den  einfachen  Zeiten,  ut  non  solum  ab  aliquo, 
sed  etiam  alicui  res  iieri  videatur  (Madvig  fin.  1,  4,  11),  Cäsar  hat  ihn 
indes  selten;  darüber  gehen  Liv.  Plin.  mai.  Tac.,  die  Dichter  und  spätere 
Prosaiker,  z.  B.  Ämmian  und  namentlich  Sulp.  Sev.  Sidon.  Apoll,  u.  a. 
hinaus.  Bei  Apul.  ist  der  Dat.  graec.  sehr  spärlich  vertreten,  häufiger  bei 
den  übrigen  Afrikanern,  ebenso  bei  den  Kirchenschriftstellern.  Dass  die 
Dichter  aller  Zeiten  —  ausser  den  archaischen  —  so  reich  an  dieser  Kon- 
struktion sind,  ist  wohl  vielfach  auf  den  Zwang  des  Metrums  und  die  Vor- 
bilder der  Griechen  zurückzuführen. 

87.  Auch  der  Dativ  kann  prädikativ  konstruiert  werden  und  bildet 
dann  mit  dem  Verb,  {esse,  ducere  vertere  u.  ä.)  einen  Begriff;  dazu  tntt 
noch  ein  persönlicher  Dativ  als  Dativ  der  Beziehung,  z.  B.  laudi  vertere 
alicui  (also  ganz  wie  beim  prädikativen  Akk.,  vgl.  §  53).  Prädikativ  er- 
scheinen im  Dativ  ausschliesslich  Subst.,  und  zwar  Abstrakta,  Gradbezeich- 
nungen werden  adjektivisch  gegeben ;  Adverbia  sind  ausser  bei  cordi  höchst 
selten.  Der  prädikative  Dativ  gehört  der  Sprache  des  alltäglichen  Lebens 
an;  er  findet  sich  sehr  häufig  bei  den  Komikern,  überhaupt  im  Altlat.,  bei 
den  Script,  rei  rust.,  bei  Sali.,  bei  Cic.  vorzugsweise  in  den  Briefen,  bei 
Hör.  namentlich  in  den  Satiren.  Reich  an  dieser  Konstruktion  sind  femer 
Tac.  und  Apul.,  welche  beide  besonders  die  Dative  auf  ui  kultivieii  haben, 
dann  auch  Nepos,  während  z.  B.  Livius  nicht  wesentlich  über  den  klassi- 
schen Gebrauch  hinausgeht. 

Anmerkung  1.  Fieri  mit  prädikativem  Dativ  kommt  nicht  vor;  in  Phrasen,  nvie 
si  tuo  commodo  fieri  poteatf  ist  commodo  (welches  nie  prädikativ  im  Dat.  erscheint) 
Abi.  modi;  ebenso  hat  man  in  mancipio  dare  einen  Ablativ  zu  erkennen. 

Anmerkung  2.  Die  klassische  Sprache  braucht  selten  die  gewöhnlich  im  prädikat. 
Dativ  erscheinenden  Subst.  in  einem  andern  prädikativen  Kasus  (z.  B.  Cic.  Tusc.  1,  31 
maxumum  vero  argumentum  est),  wie  sie  umgekehrt  aber  auch  andere  Subst.  von  der 
Konstruktion  des  prädikativen  Dativ  ausschliesst;  so  sagt  z.  B.  Cic.  nur  est  turpitudo, 
dagegen  Com.  Nepos  praef.  5  fuit  turpitudini. 

Anmerkung  3.  Unter  den  prädikativen  Dativ  ist  auch  die  Phrase  mihi  est 
volenti  zu  rechnen.  Dieselbe  wurde  von  Sali,  offenbar  unter  dem  Einflüsse  der  Diktion  des 
Thukyd.  und  Demosth.  ins  Lateinische  eingeführt,  von  Liv.  nur  21,  50,  11  aufgenommen, 
dagegen  von  Tac.  begierig  ergriffen  und  weiter  gebildet,  z.  B.  ann.  1.  59  ut  quibusque 
bellum  invitis  aut  cupientibus  ei'at.  Im  übrigen  haben  nur  Sen.  phil.  und  Macrob. 
diesen  prädikativen  Dativ  je  einmal  probiert,  sowie  Fronte  228,  5  si  tibi  libenti  est  audire, 

88.  Im  prädikativen  Dativ  war  schon  die  Bedeutung  der  Richtung  zu 
erkennen,  noch  mehr  ist  dies  der  Fall  beim  Dat.  finalis,  der  die  Absicht 
der  Erreichung  eines  Zweckes  bezeichnet.  Auch  er  ist  der  Volkssprache 
besonders  eigen,  so  sagte  man  induttii  oder  circumiectui  habere,  in  der 
Militärsprache  rece2)tui  canere,  profictsci  pracsidio  (Sali.)  und  ebenso  viele 
andere  Verba  mit  praesidio,  in  der  Bauernsprache  alimento  serere,  conditui 
legere,  victui  ohicere  u.  ä.,  in  der  medizinischen  Sprache  niel  remedio  adhibere 
u.  ä.  Darnach  ist  auch  zu  bemessen,  welchen  Schriftstellern  der  Dat.  finalis 
besonders  zukommt. 

Anmerkung  1.    Finale  Dative  in  Verbindung  mit  Substantiven  finden  sich  nament- 


428  B*  Lateinisohe  Grammatik,    d)  LateiniBche  Syntax. 

lieh  bei  Plaut,  bei  den  Script,  rei  rustic,  so  satui  semeti,  turtures  farturae  (Mastturtel- 
tauben), selten  in  der  klassischen  Sprache,  z.  B.  Cic.  receptui  Signum  (offenbar  eine  all- 
gemein gebräuchliche,  der  Soldatensprache  entnommene  Verbindung,  öfter  bei  Liv.  Tac. 
und  den  Späteren). 

Anmerkung  2.  Auch  das  Gerund,  erscheint  im  finalen  Dativ,  selten  im  alten  und 
klassischen  Latein,  häufig  bei  Liv.  Plin.  mai.  u.  Tac;  bei  den  letzteren  und  spärlich  bei 
ihren  Nachahmern  und  andern  spätlateinischcn  Schriftstellern  vertritt  dieser  Dativ  geradezu 
einen  Finalsatz,  z.  B.  Plin.  n.  h.  15,  L35  propitiandis  nutninibus  accendi  altaria, 

89.  Den  Lokativus  f  in  aus  erkennen  wir  im  lateinischen  Dativ 
namentlich  in  vielen  bei  Dichtern  gebräuchlichen  Wendungen,  z.  B.  Acc. 
491  mütis  leto,  ebenso  bei  Enn.^  namentlich  bei  den  augusteischen  Dichtern, 
ebenso  bei  spätem  Dichtern  und  poetisierenden  Prosaikern,  z.  B.  Verg. 
ii  clamor  cae/o,  Hör.  agere  Orco;  ganz  spät  noch  bei  Commodian,  z.  B. 
vertue  vos  Christo,  Sulpic.  Sever.,  z.  B.  sacerdotlhus  exilio  deductis,  bei 
Venant.  Fort.  Lucif.  Calar.  Dracont.  u.  a.  Bei  Cic.  und  Caes.  lässt  sich 
nur  tendere  mnnus  aliciii  (Caes.  b.  G.  7,  48)  nachweisen.  Wenn  auch  die 
in  der  Volkssprache  übliche  Konstruktion  (so  z.  B.  Hisp.  16,  4  oppido 
repressertint,  Apul.  met.  5,  2  cuhiculo  te  refer)  auf  echtlateinischen  Ursprung 
des  Dativs  der  örtlichen  Richtung  hinweist,  so  lässt  sich  doch  nicht  leugnen, 
dass  vielfach  griechischer  Einfluss,  hauptsächlich  bei  den  Dichtern,  in  der 
Empfehlung  dieses  Dativs  mitgewirkt  hat.  —  Bemerkenswert  ist  indes, 
dass  derselbe  die  Beifügung  eines  Attributs  nicht  verträgt. 

Anmerkung.  Über  den  finalen  Gebrauch  des  Tufinitivs,  welcher  durch  die  Dativ- 
natur des  Infinitivs  hieher  gewiesen  wird,  ist  unten  im  Zusammenhang  mit  den  Übrigen 
Konstruktionen  des  Inf.  nach  Verben  gesprochen  (vgl.  §  218) ;  über  den  Inf.  nach  Adj.  vgl. 
jedoch  §  90  Anm.  2. 

90.  Während  der  Genetiv  bei  Adi.  rel.  lediglich  den  im  Adj.  liegenden 
nominalen  Begriff  determiniert,  giebt  der  Dativ  bei  Adj.  die  Richtung  an, 
in  welcher  sich  die  Eigenschaft  äussert,  oder  das  Ziel,  auf  welche  sie  ge- 
richtet ist.  So  ist  Tac.  ann.  3,  88  vetera  extolUmus  recentlum  incuriosl 
anders  zu  beurteilen  als  Tac.  ann.  14,  38  fames  adfligchat  serendis  frugibus 
incuriosos.  Die  Zahl  der  Adj.,  welche  sich  mit  dem  Dativ  verbinden 
können,  ist  nicht  gross  in  der  alten  und  in  der  klassischen  Sprache,  auch 
Livius  hat  nicht  besonders  geneuert,  wohl  aber  Tacitus.  Die  augusteischen 
Dichter  verbinden  in  naheliegender  Analogiebildung  gerne  die  Adj.  der  Ver- 
schiedenheit und  Uneinigkeit  mit  dem  Dativ,  so  divcrsus  c.  dat.  zuerst 
Horaz,  discors  c.  dat.  Ovid,  ferner  idem  c.  dat.  schon  Lucrez,  dann  Horaz, 
Ovid,  spätere  Dichter,  auch  Plin.  mai.  Plin.  epp.  Just.;  bei  den  eccl.  lesen 
wir  auch  ingratus  c.  dat.,  lauter  Konstruktionen,  welche  die  gute  Zeit  der 
Sprache  durch  Anwendung  von  Präpositionen  zu  vermeiden  sucht. 

Anmerkung  1.  Das  sog.  zweite  Supinum  ist  ursprünglich  ein  Dativ,  wie  aus 
Plaut.  Bacch.  62  istaec  lepida  sunt  memoratui  hervorgeht.  Daher  kommt  es.  dass  auch 
Adjektive,  deren  Bedeutung  sich  in  irgend  einer  Richtung  äussern  kann,  mit  dem  zweiten 
Supinum  verbunden  werden;  solche  Adj.  sind  facilis,  difficilis,  iucundus  etc.  Nicht  alle 
Verba  erscheinen  im  zweiten  Sup.,  meist  nur  die  Verba  des  Sagens,  Wahrnehmens,  dann 
namentlich  factu  und  vereinzelte  andere.  Diese  Konstruktion  gehört  schon  dem  AltJ.  an, 
vgl.  Plaut.  Bacch.  02.  Frühe  trat  für  die  Form  auf  ui  die  auf  u  ein,  und  so  hat  man  bald 
im  n.  Supinum  einen  Ablativ  gefunden;  dadurch  erweiterte  sich  die  Gebrauchssphäre  der 
Konstruktion,  indem  das  IL  Sup.  nunmehr  auch  als  limitierender  Kasus  verwendbar  war. 
Das  Altlatein  ist  jedoch  noch  behutsam  im  Gebrauch  solcher  Wendungen,  Cato  kennt  sie 
beispielsweise  gar  nicht.  Anders  wird  es  im  klass.  Latein,  wo  Cicero  viele  Beispiele  auf- 
weist, ebenso  liiv.,  während  Caes.  und  SalL  nur  ganz  wenige  Formen  haben,  wie  auch 
Varr.,  Nep.,  Sen.  rhet.    Dagegen  Sen.  phih,  Plin.  mai.,  Tac,  dann  nAtOrlich  die  Archaisten 


1.  Der  einfache  Satz:  a.  Der  BehauptangsBatz.  (§  89—92.)  420 

GeU.,  Fronto,  Apul.  greifen  gierig  nach  der  seltenen  Eonsiruktion  und  biingen  mancherlei 
Neues,  spftter  auch  noch  Macrob.  Die  Dichter  der  klassischen,  der  aug.  und  der  spätem 
Zeit  mSssigen  sich  sehr  in  der  Verwendung  des  zweiten  Supinums,  denn  ihnen  steht  zur 
Verfügung 

Anmerkung  2.  der  Infinitiv  in  Verbindung  mit  Adjektiven.  Durch  seinen 
Charakter  als  Dativ  eignete  der  Infinitiv  ähnlich .  wie  das  zweite  Sup.  sich  zur  Bezeichnung 
der  Richtung,  in  welcher  sich  eine  Eigenschaft  äussert.  So  lesen  wir  schon  bei  PJautus 
Pseud.  1104  auum  qui  officium  fticere  immetnor  est  (hat  kein  Gedächtnis  für,  denkt  nicht 
an);  indes  ist  das  Adj.  immer  bei  Plaut,  in  diesem  Falle  mit  esse  verbunden.  Der  stili- 
stisch sorgfältige  Terenz  hält  sich  fem  von  dieser  Konstruktion,  er  lässt  nur  parcUtts  sum 
c.  inf.  zu  und  ist  darin  ganz  der  Vorläufer  der  klassischen  Sprache,  welche  alle  An- 
fügung von  Infinit,  an  Adj.  verschmäht.  Dagegen  erweitern  Lucrez,  Catull,  Verg.,  Tibull., 
Properz,  namentlich  Horaz,  Ovid  und  später  neben  andern  besonders  Sil.  Ital.  nach  den 
vorhandenen  Analogien  des  altera  Sprachgebrauchs  offenbar  unter  dem  Einflüsse  griechi- 
scher Vorbilder  das  Gebiet  dieser  Strukturen.  Zu  beachten  ist,  dass  bei  allen  Dichtem 
der  Inf.  passivi  erscheint,  wo  der  Gedanke  es  verlangt,  z.  B.  niveus  videri,  horridus 
cemi.  Die  Prosa  hat  sich  bis  in  die  silberne  Latinität  herab  der  Konstruktion  ferne  ge- 
halten; hier  ist  neben  Val.  Max.  Sen.  phil.  besonders  Plin.  mai.  und  ihm  folgend  Tac. 
verhältnismässig  reich  an  Adj.  c.  inf.,  ebenso  unter  den  Archaisten  Apul.,  dann  Sulp.  Sev.  — 
Ausser  durch  das  Supinum  wird  das  Gebiet  des  Infinit,  im  Lat.  noch  eingeengt  durch 
Gemnd.;  so  werden  schon 

Anmerkung  3.  in  alter  Zeit  Adj.  und  Partiz.  mit  Dat.  gemnd.  verbunden,  z.  B. 
nattis,  salutaris,  scitus  (Plaut,  und  Ter.).  Die  klassische  Sprache  verschmäht  diese  Kon- 
straktion ;  Cic.  hat  nur  accomodatus,  Caes.  nur  par  mit  Dat.  gerund,  konstniiert.  Dagegen 
finden  sich  seit  Liv.  viele  Adj.  mit  Dat.  gemnd.,  eine  besonders  bei  Plin.  mai.  und  Tac. 
beliebte  Konstmktion.  Auch  die  spätere  Latinität  scheint,  wie  die  klassische  Sprache, 
keinen  besondem  Gefallen  an  der  genannten  Verbindung  gefunden  zu  haben. 

Zu  §80  vgl.:  Peike,  De  dativi  apud  priscos  scriptores  usu.  Strassburg  1878;  Dittel, 
De  dativi  ap.  Horaz  usu.  Landskron  1878.  ||  Zu  §  81 :  Anton,  Studien  zur  lat  Glrammat. 
und  Stilist.  Erfurt  1869  und  1873  p.  81  ff.  ||  Zu  §  85:  Wölfflin  in  act.  Sem.  Erl.  II  p.  140; 
Hauses,  Der  particip.  Dativ  des  örtlichen  und  geistigen  Standpunktes.  Bozen  1878.  ||  Zu 
§  86:  TiLLMANN,  De  dativo  graeco,  act.  Sem.  Erlang.  II  p.  71—139.  ||  Zu  §  87:  NielIndeb, 
Der  factitive  Dativ  i.  d.  cic.  Schriften.  Progr.  Krotoschin  1874;  id..  Der  factitive  Dativ 
b.  d.  römischen  Dichtem  und  Prosaikem.  Progr.  SchneidemGhl  1877.  ||  Zu  §  89 :  Sghbötbb, 
Der  Dativ  zur  Bezeichnung  der  Richtung  i.  d.  latein.  Dichtersj^rache.  Progr.  Sagan  1873.  || 
Zu  §  90 :  Kübler,  De  infinitivo  apud  Romanomm  poetas  a  nominibus  adiectivis  apto.  Progr. 
Berlin  1861;  Lobenz,  Beobachtungen  üb.  d.  Dativ,  d.  Bestinmiung,  besonders  den  Dativ 
des  Gemndivi  bei  Livius.  Progr.  Meldorf  1874  (gehört  auch  zu  §88  Anm.  2);  Gollinq 
im  Gymnasium  1886  Nro.  19  (vgl.  dazu  meine  Anm.  598  zu  Reisig-Haasb  §  443). 

Ablativ. 

91.  Der  Ablativ  ist  der  adverbiale  Kasus,  d.  h.  er  dient  zur  Be- 
stimmung des  Prädikats,  indem  er  auf  die  begleitenden  Umstände,  unter 
denen  sich  eine  Handlung  vollzieht,  hinweist.  Vermöge  dieser  seiner  Be- 
deutung hat  er  auch  lokale  und  instrumentale  Funktionen  seinem  Umfange 
einverleiben  können;  denn  der  Instrumentalkasus  ist  für  das  Latein  schon 
in  vorhistorischer  Periode  zu  Grunde  gegangen,  der  Lokativ  ist  nur  noch 
in  wenig  Überresten  von  a  und  o,  zum  Teil  auch  von  konsonantischen 
Stämmen  erhalten.  Wenn  der  Ablativ,  der,  wie  gesagt,  ein  adverbialer 
Kasus  ist,  zur  Bestimmung  eines  Nomen  gebraucht  wird,  so  ist  dies  nur 
möglich  auf  Grund  vorschwebender  verbaler  Konstruktionen. 

Anmerkung.  Eine  andere  Auffassung  ist,  dass  der  Ablativ  an  sich  separative 
Bedeutung  habe  und  somit  in  dem  historisch  gewordenen  Ablativ  separative,  lokale  und 
instrumentale  Funktionen  vereinigt  seien. 

92.  Der  Abi.  causa e  bezeichnet  eine  die  That  mitbegleitende  Ur- 
sache; dieselbe  kann  entweder  in  unserm  Seelenleben  oder  ausserhalb 
desselben  gesucht  werden.  Im  ersteren  Falle  findet  sich  der  Abi.  in  der 
ganzen  Latinität,  besonders  kultiviert  von  Liv.  Tac.  und  den  Archaisten,  z.  B. 


430  &  LateiuiBohe  Grammatik,    d)  LateiniBohe  Syntax 

Fronto ;  tritt  ein  Partizip  dazu  —  was  man  oft  bei  Cic.  Caes.  Nep.  liest  — 
so  rückt  der  Schwerpunkt  von  der  Begleitung  auf  den  Grund  über.  Im 
zweiten  Falle  ist  der  Abi.  im  Altlat.  nicht  gerade  selten  (PI.  Most.  840 
aetate  non  quis  opiuerier)^  in  der  klassischen  Sprache  schon  weniger  ge- 
bräuchlich (jedoch  bei  Caesar  verhältnismässig  häufiger  als  bei  Cic),  öfter 
bei  Nepos;  Sali,  hat  viele  Beispiele  (Cat.  6,  6  aetate  patres  appellabantur), 
mehr  noch  Liv.  Plin.  mai.  Tac,  später  Fronto  und  Florus. 

Anmerkung.  Die  Subs.  causa  und  gratia  als  Abi.  caus.  werden  nur  im  Altlat, 
bei  Sali,  und  den  Archaisten,  mit  Pron.  relat.  u.  dem.  verbunden,  nicht  in  der  klassischen 
Sprache;  Tac.  schrieb  in  Nachahmung  des  SaU.  ann.  4,  18  qua  causa,  ebenso  Aur.  Vict., 
Caes.  22.  Für  die  Prosa  ist  causa  als  der  ältere  Ausdruck  zu  betrachten,  denn  ffraiia 
findet  sich  bei  Cato,  Van'o,  Comif.  gar  nicht,  bei  Caes.  ganz  vereinzelt,  oft  im  b.  Afric. 
und  bei  Sallust  (hauptsftchlich  im  lug.),  selten  bei  Cicero  (oft  nur  zur  Variation  des  Aus- 
drucks dienend),  häufiger  wieder  bei  Quint.  In  Poesie  dagegen  ist  gratia  schon  im  Altl. 
gar  nicht  selten,  allein  die  Grundbedeutung  des  Substantivs  ist  dabei  nie  ganz  erloschen. 
—  Mei  causa  statt  meä  causa  lesen  wir  erst  im  Sp.  L.  bei  Apul.  Tertull.  Sulp.  Lev.  Am- 
bros.  Apoll.  Sidon.:  die  Stellen  Cic.  am.  57  und  Verr.  3,  121  sind  längst  geändert,  vgl. 
Seylfert-Müller.  z.  Laei.  p.  378.  —  Synonym  ist  ergo  c.  gen.,  welches  altertümlichen  und 
solennen  Charakter  zeigt  und  bei  Cic.  nicht  getroffen  wird. 

93.  Der  Äbl.  modi  ist  in  der  Regel  mit  einem  Attribut  versehen; 
diese  Konstruktion  ist  allgemein  lateinisch.  Ohne  Attribut  finden  sich  im 
Altlat.  nur  bestimmte  Substantive,  zum  Teil  in  spezieller  Bedeutung,  so 
numero  =  „zu  schnell**;  ähnlich  verhält  es  sich  in  der  klassischen  Sprache, 
wo  ordine,  fraude,  vi  u.  a.  bekannt  sind.  Der  begleitende  Umstand  durch 
Substantiv  ohne  Attribut  ausgedrückt,  gehört  vorzugsweise  der  nachklassi- 
schen Latinität  an,  in  welcher  modale  Ablative  ohne  Attribut  immer  häu- 
figer werden;  den  Ansatz  dazu  hat  wie  in  manchem  andern,  so  auch  hier 
Sali,  gemacht  (Sallust.  Jug.  64,  4);  Liv.  und  Tac,  dann  Sueton  haben  die 
Konstruktion  oft  gebraucht,  auch  Flor.  Just.  Ammian.  Apuleius  (met.  1,  21 
ad  haec  ego  risu  subicio). 

Anmerkung  1.  Bei  den  Afrikanern  wird  nicht  selten  der  Abi.  eines  abstrakten 
Subst.  statt  des  Adverbs  des  entsprechenden  Adjektivs  gebraucht;  offenbar  hat  hier  der 
Umstand  förderlich  gewirkt,  dass  die  Semiten  keino  Adv.  haben.  Vgl.  auch  Hieronym. 
ep.  39,  2  ioti^  hie  Über  fletihus  scribitur. 

Anmerkung  2.  Beachtenswert  ist  der  modale  Gebrauch  des  Abi.  gcrundii.  Der- 
selbe erscheint  im  altern  Latein  noch  vereinzelt,  nicht  bei  Cic.  und  Caes.,  aber  bei  Sali., 
bei  Cael.  ad  fam.  8,  15  bellum  ambulando  confecerunt,  b.  Hisp.  und  Yitruv;  ist  also 
vulgär.  Ovid  hat  ihn  wie  Livius  aufgenommen,  das  Spätlatein  wimmelt  von  solchen  Abla- 
tiven (z.  B.  Ammian),  die  dann  auch  in  die  romanischen  Sprachen  übergingen  (Diez  111. 
258);  vgl.  auch  Habtel,  Arch.  3,  48. 

94.  Der  Abi.  respectus  enthält  eine  Einschränkung  des  Prädikats 
auf  eine  bestimmte  Rücksicht,  wie  Cic.  Phil.  2,  23  sagt  tcmjyoribus  errasii 
„in  der  Chronologie  hast  du  dich  geirrt**.  Dieser  Gebrauch  ist  allgemein 
lateinisch. 

Anmerkung.  Auch  hier  verdient  der  Abi.  gerund.  Erwähnung,  so  schon  bei  Plaut. 
(Bacch.  402  cai^e  sis  te  super are  siris  faciundo  betie),  auch  bei  Cicero,  bei  Senec^,  den 
Script,  bist.  Aug. 

96.  Der  Abi.  pretii  giebt  den  Preis  an,  um  den  ich  etwas  kaufe  oder 
verkaufe,  oder  wie  hoch  ich  etwas  anschlage.  Er  kommt  häufig  schon  im 
Altlat.  vor,  dann  bei  Cic.  u.  Caes.  Nep.  Liv.  Tac,  auch  sonst  in  der  sil- 
bernen Latinität  und  später,  z.  B.  bei  Curtius,  Florus,  Apuleius. 

iK>.  Als  casus  comparativus  hat  die  lat.  Sprache  den  Ablativ, 
welcher  den  Gegenstand  angiebt,  von  welchem  aus  der  höhere  oder  niedere 


■ 


1.  Der  einfache  Satz:  a.  Der  BehanptangBaatz.  (§93—98.)  431 

Grad  der  im  Prädikat  gegebenen  Eigenschaft  zu  beurteilen  ist;  also  filius 
minor  estpatre  =  den  Vater  als  Mass  genommen,  mit  Rücksicht  auf  den  Vater 
oder  von  diesem  aus  betrachtet  ist  der  Sohn  kleiner.  Der  Abi.  compar. 
erscheint  schon  in  den  XII  tabb.,  bei  Cato  Enn.  Acc.  Plaut.  Ter.  In  der 
klassischen  Sprache  und  später  wählte  man  diesen  Abi.  in  Sätzen  nega- 
tiven Sinnes,  z.  B.  Cic.  nat.  deor.  1,  102  nihil  cessatione  melius  existimare, 
oflf.  3,  26  errat,  quod  ullum  vitium  vitiis  animi  gravius  existimat,  Fin.  3,  16 
quid  possumus  hoc  agere  divinius?,  ebenso  in  Redensarten  wie  opinione 
celerius  u.  ä.,  während  er  in  positiven  Sätzen  anderer  Art  seit  dem  klassi- 
schen Zeitalter  zumeist  durch  qiuim  (siehe  unten  §  258)  ersetzt  wird. 

Anmerkung  1.  Wenn  ein  Gen.  compar.»  z.  B.  Vitruv  5,  1  superiora  infertorum 
fieri  contractiora,  femer  bei  Varro,  ApuL,  TertulL,  Hieron.,  Symm.,  Lucif ,  Porphyr.,  Apoll. 
Sidon.  und  den  Juristen,  wo  beispielsweise  minor  iriginta  annorum  stehend  ist,  erscheint, 
so  haben  wir  darin  keinen  Gräzismus  zu  erblicken,  sondern  eine  Nachlässigkeit  im  Easus- 
gebrauch,  wie  sie  der  vulgärschreibende  Vitruv  und  die  andern  genannten  Autoren  auch 
sonst  erkennen  lassen.  Vielleicht  ist  bei  Ammian  die  griechische  und  bei  den  Afrikanern 
die  semitische  Herkunft  bei  der  Wahl  des  Kasus  mitbestimmend  gewesen.  —  Nach  Analogie 
von  par  und  dispar  bildet  sich  im  Spätlat.  die  Konstruktion  des  Kompar.  mit  dem  Dativ 
aus,  vgl.  Venant  Fort.  1,  15,  4  tu  potior  reliquis  et  tibi  nemo  prior.  Namentlich  die 
gallischen  Autoren  sind  reich  an  Beispielen  dieses  Sprachgebrauchs. 

Anmerkung  2.  Ganz  singulär  ist  der  Abi.  compar.  mit  Gerund,  bei  Cic.  off.  1,  47 
nullum  enim  officium  referenda  gratia  magis  necessaHum  est  {gratiae  relatio  findet 
sich  erst  bei  Seneca,  daher  war  hier  das  Gerund,  nicht  zu  vermeiden). 

Anmerkung  3.  Wenn  Matius  bei  Cic  Fam.  11,  28,  1  schreibt  ut  par  erat  tua 
singulari  bonitate,  so  hat  er  damit  ebenso  wie  Sali.  H.  4,  14  Kr.  und  Ovid  fast.  4,  306; 
C,  804  eine  offenbar  vulgäre  (Plaut.  Pers.  834  et  me  Mud  par  est)  Konstruktion,  die  übrigens 
an  aeque  und  adaeque  mit  Abi.  bei  Plaut,  und  Plin.  mai.  ihre  Analoga  hat,  aufgenommen. 
Alius  mit  Abi.  compar.  erscheint  zuerst  bei  Varro,  dann  in  einem  Briefe  des  Brut,  und 
Cass.  bei  Cicero,  bei  Phaedrus,  Horaz  und  Apul. 

Anmerkung  4.  Auf  einer  Verschiebung  der  Vergleichungsgrade  beruht  es,  wenn 
im  Sp.  L.  der  Abi.  comp,  auch  beim  Superl.  steht;  vgl.  Hieron.  in  £ph.  II  ad  3,  8  se 
Omnibus  sanctis  infimum  dicere, 

Anmerkung  5.  Die  Umschreibung  des  Abi.  compar.  durch  die  Präposition  a  be 
geringem  Schriftstellern  der  Africitas,  zuerst  vielleicht  bei  Porphyrie,  ist  der  Anschauung 
des  Latein  nicht  widersprechend,  wie  schon  Servius  Gramm,  lat.  4,  433,  18  k  erkannte, 
offenbar  aber  unter  dem  Einflüsse  des  Hebräischen  besonders  aufgekommen.  Ganz  unab- 
hängig davon  ist  de  c.  abl.,  welches  spätlat.  (z.  B.  Gromatici  11,  19  si  plus  de  trigintn 
pedibus  patuerit)  sehr  sporadisch  sich  findet  und  zum  teil  in  die  romanischen  Sprachen 
überging. 

97.  Der  Abi.  mensurae  entspricht  der  adverbialen  Natur  des  Abi. 
ähnlich  wie  der  Abi.  modi  und  respectus,  z.  B.  Caes.  parvo  mowento  ante- 
cedere.  Er  wird  jedoch  auch  —  und  dieser  Gebrauch  ist  der  häufigere 
geworden  —  zu  den  Komparativen  ohne  ausgesprochene  verbale  Begleitung 
gesetzt.  Bemerkenswert  ist  nur  das  in  der  Volkssprache  stets  übliche, 
aber  von  den  Klassikern  verschmähte  nimio,  so  sagt  nach  Plaut,  der 
Triumvir  Antonius  und  noch  Qellius  nimio  est  amplior. 

Anmerkung  1.  Der  Akkusativ,  z.  B.  aliquantum  aiHdior,  ist  unklassisch;  erfindet 
8ich  im  Altlat.,  dann  wieder  bei  Liv.,  Plin.  mai.  Florus.  In  der  klassischen  Sprache  ist 
der  Akkus,  wohl  nur  bei  Verben  zulässig,  aber  auch  da  selten  gewesen,  z.  B.  tantum 
praestare,  quantum  excellere. 

Anmerkung  2.  Der  Abi.  multo  beim  Superlativ  wurde  von  Cic.  durch  longe  ersetzt; 
nur  ganz  vereinzelt   hat   er  das  vor  ihm  allgemein  übliche  multo  c.  superlat.  beibehalten. 

98.  Der  Abi.  qualitatis  gehört  der  ganzen  Latinität  an;  er  wird 
namentlich  von  solchen  Eigenschaften  gebraucht,  die  etwas  Singuläres  be- 
zeichnen und  daher  keine  Begriffsrubrik  bilden  können;  das  letztere  ist 
Aufgabe  des  Gen.,   welcher  angiebt,  unter  welche  Rubrik  etwas  unterzu- 


432  B.  Lateinische  Orammatik.    d)  Lateinische  Syntax. 

bringen  ist.  Sehr  bezeichnend  ist  Piso  bei  Peter  fr.  19  p.  82  quia  Tar- 
quinio  nomine  esset.  Tarquinii  nominis  würde  besagen  «ein  Glied  der  Fa- 
milie^; der  Abi.  quäl,  aber  giebt  an,   dass  schon  der  Name  verdächtigte. 

Anmerkung  1.  Auch  der  Abi.  quäl,  schliesst  sich  nur  selten  an  einen  Eigennamen 
an,  in  klass.  Zeit  freilich  häufiger  als  der  Gen.  quäl.,  z.  B.  Cic.  Sest.  50  C,  Marium,  summa 
senectute,  gehört  femer  selten  zu  einem  zu  denkenden  Nomen,  z.  B.  Liv.  3,  57  non  iuniores 
modo,  sed  emeritis  etiam  atipendiis  .  .  praesto  fuere,  und  wird  schliesslich  ebenso  wie  der 
Gen.  quäl,  auch  prädikativ  gebraucht. 

Anmerkung  2.  Nur  Liv.  24,  27,  3  praetores  dissimulare  primo  et  trahenda  re 
esse  hat  den  Abi.  gerund,  in  qualitativer  Bedeutung;  doch  ist  die  Stelle  bestritten  (wohl 
mit  Unrecht). 

Anmerkung  3.  Während  ursprünglich  der  Abi.  quäl,  nur  zur  Bestimmung  der 
Handlung  dienen  konnte  (vgl.  Sali.  Cat.  6,  2  hi  postquam  in  una  moenia  convenere  dis- 
pari  genere,  dissimüi  lingua),  fanden  in  der  weitem  Entwicklung  Obergriffe  in  das  Gebiet 
des  Gen.  quäl,  statt,  so  dass  er  auch  unmittelbar  einem  Subst  sich  anschloss.  In  klass. 
Zeit  überwie^  der  Abi.  quäl,  den  Gen.  quäl,  bei  weitem;  der  letztere  ist  hier  fast  ganz 
auf  die  Bestimmungen  nach  Mass,  Zahl  u.  s.  w.,  sowie  auf  Wendungen  mit  den  Attributen 
magnuSf  tanttis,  summus,  maximus  beschränkt.  Anders  wird  es  im  nachklass.  Latein,  wo  bei 
Teil.  Fat.  der  Abi.  quäl,  nur  vereinzelt  erscheint  und  bei  Curtius  der  Gen.  quäl,  vor  dem 
Abi.  sogar  bei  Angabe  von  Körpereigenschaften  bevorzugt  wird. 

•)9.  Der  Abi.  instrumenti  findet  sich  allenthalben  in  allen  Zeiten. 
Hieher  gehören  auch  die  scheinbaren  Abi.  loci,  welche  dazu  dienen,  den 
Ort  zu  bezeichnen,  über  welchen  eine  Bewegung  geht  (eine,  wie  es  scheint, 
doch  erst  seit  der  klass.  Zeit  bemerkbare  Konstruktion),  ebenso  die  Abi. 
bei  vehi  u.  ä.  Verben,  welche  bei  Dichtern  und  Nachklass.  viele  Analogien 
hervorbringen,  z.  B.  sagt  TibuU:  xmppi  volet  Ire,  ebenso  bei  den  Verben 
des  Sitzens  u.  ä.,  z.  B.  Ovid,  TibuU,  Liv.  (TibuU  1,  43  requiescere  lecto, 
Liv.  carpento  sedere),  bei  eantare  u.  ä.  Verben,  so  tibiis,  fidibus  (Plaut. 
Properz,  Ovid,  auch  Nep.  und  Cic,  aber  ganz  selten),  bei  pluit  u.  ä.  seit 
Livius;  sudare  wird  so  seit  Ennius  bei  Lucr.  Verg.  und  andern  Dichtern, 
auch  bei  Florus  gebraucht,  manare  und  fluere  auch  bei  Cic,  aber  oflfenbar 
nur,  wo  er  aus  alten  Quellen  reproduziert  (de  div.  1,  74;  2,  58). 

Anmerkung  1.  Bei  den  Verben  des  Opferns  ist  neben  der  Konstruktion  mit 
dem  Objektsakkusativ  auch  der  Abi.  instrumenti  üblich;  so  schon  bei  Ennius  fab.  5  sie 
sacrificabat  hostiis  hcdaniihus  (L.  Müller),  bei  Plaut,  bei  Cicero  wohl  nur  in  der  Repro- 
duktion aus  alten  Schriftstellern,  oft  bei  den  august.  Dichtern,  bei  Liv.  Plin.  Tac.  und  ihren 
Nachahmern.  Das  Verbum  facere  in  der  Bedeutung  „opfern"  haben  mit  Abi.  inst.  Plautus 
und  Cato,  dann  die  august.  Dichter,  z.  B.  Verg.  und  Tib.,  Plin.  mai.,  Colum.,  aber  nicht 
Cic,  Caes.,  Nep.,  Liv.  Vielfach  ist  der  Akk.  bei  den  v.  sacrificandi  wiederhergestelU,  wo 
man  früher  den  Abi.  instrum.  las. 

Anmerkung  2.  Auch  der  Abi.  bei  den  Deponentien  utoTf  fruor,  etc.,  welcher  den 
Schein  eines  Objektskasus  gewinnt,  ist  instrumentaler  Natur.  Übrigens  ist  hier  die  Kon- 
struktion mit  dem  Objektsakkusativ  die  ältere;  so  ist  uti  ursprünglich  ein  Transitivum  ge- 
wesen ;  als  solches  findet  es  sich  bei  Plaut,  in  der  Gerundivkonstruktion,  in  Verbindung  mit 
Pron.  neutr.,  mit  Substantiven  |im  Akk.  vielleicht  nicht  (Langen  Archiv  3  p.  330),  jedoch 
abutor  ist  im  Altlat.  nur  transitiv,  wird  also  auch  mit  substantivischen  Obj.  verbunden, 
z.  B.  Plaut.  Trin.  G82  qui  tantam  abiisus  sum  rem  patriam:  ebenso  hält  es  Uato,  der  abor 
neben  abutor  auch  utor  mit  subst.  Objekt  verbindet;  nach  dem  Tode  des  Terenz  kam  dio 
transitive  Konstruktion  von  uti  wieder  mehr  in  Aufnahme,  aber  die  klass.  Sprache  ging 
darauf  nicht  ein.  Fruor  ist  transitiv  bei  Cato  und  Ter.  vereinzelt,  ebenso  frunisci  bei 
Plaut,  und  Quadrig.,  fungor  bei  Plaut.  Ter.  Varro  Nep.  Tac.  Suet.  Just.  Apul.  Sulp.  Sev., 
bei  letzterem  regelmässig  in  der  Phrase  diem  fangt:  potior  Altlat.  nicht  bei  Cicero  (nach 
Cic.  ed.  C.  F.  W.  Müller),  aber  im  b.  Afr.  und  Hisp.,  bei  Sali.  Tac.  Apul.  Gell.  Just.  Sulp. 
Sev.;  potior  c.  gen.  bei  Plaut.  Varro  Cic.  (z.  ß.  Fam.  1,  7,  5),  bei  Caes.  und  Comif. 
je  einmal,  b.  Afr.  Hisp.  Sali.  Nep.  Liv.  Vell.  Tac.  Curt.  Suet  Lact.;  dieser  Genetiv  erklärt 
sich  leicht  aus  dem  in  potior  liegenden  SubstantivbegrifF,  denn  potior  =  ,ich  werde  Herr* 
(manchmal  auch   „bin  Herr*). 

Anmerkung  3.     Wie  uti  wird  auch  das  davon  abgeleitete  Verbalsubstantiv  in  der 


1.  Der  einfache  Satz:  a.  Der  BehauptongBaatz.  (§  99—101.)  433 

Phrase  usus  est  mit  dem  Abi.  verbuDden  und  nach  der  Analogie  von  usus  est  richtete  sich  dann 
auch  opus  est,  Besonderheiten,  die  sich  syntaktisch  leicht  erklären,  sind :  usus  est  hat  bei  Plaut, 
und  wieder  bei  Fronto  den  Nominativ,  bei  Ovid.  und  Liv.  auch  den  Genetiv,  bei  Plaut. 
Pseud.  385  R  den  Akkus,  bei  sich;  opus  est  wird,  selten  jedoch  bei  Cic.  Liv.,  nicht  bei 
Caes.  und  Nep.,  in  Verbindung  mit  Subst.,  auch  persönlich  konstruiert,  z.  ß.  Cic.  Verr.  3, 
196  frumentum  non  opus  est;  Regel  indes  ist  die  persönliche  Konstruktion  beim  Pron. 
neutr.,  z.  B.  Caes.  b.  g.  1,  34,  2  st  quid  ipsi  a  Caesare  opus  esset;  femer  Iftsst  es  bei 
Properz  3,  1,  12,  Liv.  Quintil.  und  Apul.  auch  den  Genetiv  zu;  der  AJckus.  findet  sich  nur 
Sp.  L.  bei  Claud.  Mam.  65,  15  adtentiorem  mihi  lectorem  opus  est  (nicht  bei  Plaut,  und 
Cato,  Fr.  Scholl  im  Arch.  2  p.  212).  Opus  est  mit  Abi.  partic,  z.  B.  opus  est  facto,  ist 
vorzugsweise  der  alten  Sprache  eigen,  findet  sich  daher  selten  in  klass.  Sprache,  z.  B. 
Caes.  b.  g.  1,  42,  5,  Cic.  Mil.  49,  häufiger  bei  archaisierenden  Autoren  (bei  Sali,  merk- 
würdiger Weise  oft  im  Cat.,  nicht  mehr  im  Jug.). 

Anmerkung  4.  Auch  Personen  können  als  Werkzeug  aufgefasst  werden  und  dem- 
entsprechend als  Abi.  instr.  die  Handlung  begleiten,  zunächst  bei  militärischen  Ausdrflcken, 
dann  auch  in  naheliegenden  Weiterbildungen  und  Analogien,  z.  B.  testibus  convictum  esse, 
Beispiele  sind  aus  dem  Altlat.  nicht  bekannt,  wenige  aus  Cic.  z.  B.  p.  Cael.  34  alienis 
viris  comitata,  mehr  aus  Sali.  Caes.  Nep.;  noch  weiter  gehen  die  Dichter  und  Liv. 
sowie  Tacit. 

Anmerkung  5.  umgekehrt  steht  manchmal  bei  Sachen  der  Abi.  instr.  mit  ab, 
doch  nicht  vor  Cicero,  bei  diesem  aber  öfters,  dann  besonders  bei  Dichtem,  hauptsächlich 
bei  Ovid,  bei  poetisierenden  Prosaikern  wie  Plin.  mai.,  bald  Personifikation,  bald  den  Aus- 
gangspunkt der  Handlung  bezeichnend,  z.  B.  caelum  nigrescit  ab  Äustris  und  calet  a 
sanguine, 

Anmerkung  6.  Bei  den  Komikern  namentlich,  in  klass.  Zeit  bei  Cic.  und  Sali.,  wird 
mit  esse,  facere,  fieri  der  Instrumentalis  verbunden,  z.  B.  quid  eost  argento  factum  ?  (Plaut. 
Most.  638).    Doch  findet  sich  auch  der  Dat.,  z.  B.  Cic.  Caec.  30  quid  tu  huic  homini  fadas? 

100.  Der  Abi.  instrum.  steht  ferner  bei  den  verb.  copiae  et  inopiae 
und  zwar  ausschliesslich  bei  explere,  replere,  opplere  und  dbundare  (nur 
Lucil.  hat  den  Genet.).  Der  Genetiv  hat  sich  offenbar  nach  Analogie  von 
plenas  und  unter  dem  Einflüsse  griechischer  Vorbilder  schon  frühe  bei  corn- 
plere  und  iwpUre  gezeigt,  so  sagt  Cato:  impleio  aquae  purae,  ebenso  Lucrez 
und  Vergil;  auch  Cicero  hat,  aber  nur  in  dem  absichtlich  archaisierenden 
Cato  maior,  in  einem  Briefe  und  in  or.  in  Verr.  den  Gen.,  Liv.  nur  bei 
implere,  nie  bei  complere.  Bei  egere  ist  zwar  schon  im  Plaut,  der  Genet. 
zu  finden,  allein  diese  Konstruktion  hat  sich  trotz  der  Empfehlung  des 
Sallust,  welcher  sie  sehr  bevorzugt,  in  der  bessern  Sprache  nicht  einzu- 
bürgern gewusst  und  kommt  so  nur  ganz  vereinzelt  bei  Cic.  Caes.  Cornif. 
vor,  auch  nicht  oft  bei  Liv.  Dichtern  und  Tac.  Bei  indigere  hat  Cic.  den 
Qenet.  bevorzugt,  den  auch  Sali,  verwendet;  Caes.  und  Liv.  haben  dagegen 
den  Abi.  in  ausschliesslichem  Gebrauch. 

Anmerkung.  Unter  den  Adi.  copiae  et  inopiae  hat  plenus  lieber  dem  Genetiv 
sich  angeschlossen,  welcher  bei  Cic.  und  Caes.  das  regelmässige  ist;  der  Abi.  bei  plenus 
wird  durch  b.  Hisp.  5  plenus  lapidibus  gerade  nicht  besonders  empfohlen,  in  der  vor- 
klassischen Zeit  findet  er  sich  nicht  (zuerst  Lucret.  an  drei  Stellen,  dann  Cic,  aber  nur  ad 
Att.,  sonst  wie  Verr.  4,  126,  Sest.  23,  de  or.  1,  132  unter  dem  Einflüsse  anderer  Kon- 
struktionen oder  aus  euphonischen  Gründen),  wird  bei  Liv.,  den  august.  Dichtem  und  in 
der  spätem  Zeit  bis  auf  eccl.  herab  allenthalben  getroffen,  aber  bei  weitem  nicht  so  oft  als 
der  Genetiv.  Die  übrigen  hieher  gehörigen  Adjektiva  werden  bald  mit  Gen.,  bald  mit  Abi, 
konstmiert;  der  Sprachgebrauch  hat  sich  manchmal  für  eine  Konstmktion  besonders  ent- 
schieden, so  überwiegt  onustus  c.  abl ,  indigus  c.  gen.,  orbus  c.  abl.,  egenus  c.  gen.: 
inops  c.  gen. ;  manche  Konstruktionen  erscheinen  erst  später,  so  frequens  c.  abl.  häufig,  c.  gen. 
nicht  vor  Stat.  und  Tac,  t'alidus  c.  abl.  bei  Cic.  Hör.  Liv.,  c  gen.  nicht  vor  Tac;  scius  mit  abl. 
Hygin,  mit  gen.  bei  Lact,  und  Macrob. ;  es  würde  zu  weit  führen,  das  Einzelne  zu  verfolgen. 

101.  Der  Abl.  der  Ortsruhe  ist  bei  den  Städtenamen  im  Plural  und 
den  nach  der  3.  Dekl.  gehenden  im  Singular  allgemein  üblich.  Der  Abl. 
der  2.  Dekl.  an  Stelle  des  Lok.  steht  schon  bei  Caes.  b.  civ.  3,  35  Naupacio 

Handbuch  der  Uaas.  AltertumswiaseiiBcbaft.  II.    2.  Aufl.  26 


434  ^*  Lateinische  Qrammatik.    d)  LateiniBche  Syntax« 

(aber  durch  die  Konzinnität  bedingt),  oft  bei  Vitruv  {Arretio,  Chio,  HaH- 
camasso  u.  ä.),  auch  bei  Verg.  Aen.  4,  36  Tyro,  öfters  in  der  spätem 
Latinität,  so  bei  Tac.  Flor.  Just.  Hyg.  Eutrop.  bist.  Apoll.  Aurel.  Vict. 
Ampel.  (Wagen er,  Philol.  42  p.  392);  ebenso  bei  Teilen  von  Städten, 
z.  B.  Liv.  Flor.  {Hexapylo).  Selten  ist  die  Beifügung  von  in  bei  Städte- 
namen, z.  B.  Plaut,  mil.  771  in  Epheso,  in  Prosa  zuerst  vielleicht  bei  Liv., 
öfters  bei  Plin.  mai.  z.  B.  in  Tarso,  Sp.  L.  bei  Justin,  Hieron.  Oros.  u.  a. 

Anmerkung  1.  Es  ist  plebejischer  Brauch,  wenn  der  Ablativ  der  Ortsmhe  ohne 
in  von  Ländernamen  gesagt  wird,  so  bei  Yilruv  und  Vop.  Aurel.  (Paucker,  Z.  f.  5.  G.  1883 
p.  325  f.) 

Anmerkung  2.  Appellativa  ohne  Attribut  werden  selten  im  Abi.  ohne  m  auf  die 
Frage  wo?  gebraucht;  da  das  b.  Hisp.,  Vitruv,  Hygin,  femer  Hirtius  bemerkenswerte 
Beispiele  bieten,  ist  der  vulgäre  CharaktiBr  dieser  Konstruktion  evident,  z.  B.  muris  dut- 
panunt,  cicie  constiterunt.  Doch  sind  auch  Dichter  wie  Horaz,  Tibull  (1,  5,  53  herbai  sepul- 
cris  quaerat),  CatuU  nicht  sparsam  mit  solchen  Abi.  loci,  die  dann  mit  Liv.  Plin.  mai.  Tac. 
Gurt,  in  die  Prosa  eindringen;  auch  die  Archaisten  Apul.  und  Fronto  kennen  die  Konstruktion, 
z.  B.  Fronto:  antUum  alvo  repertum,  ebenso  Aur.  Vict.  ApoU.  Sidon.  u.  a.  Sp.  L.  Weniger 
auffällig  ist  der  Abi.  loci  mit  attributiver  Bestimmung;  Cicero  freilich  lässt  ihn  nur  bei 
iot%is  und  teilweise  bei  mediuA  zu,  während  die  Dichter  in  diesem  Falle  fast  durchweg 
ohne  in  konstruieren  (vgl.  Fbigbll  zu  Li  7.  23  p.  32). 

102.  Bestritten  ist  der  separative  Gebrauch  des  Ablativs,  indem 
die  Bedeutung  des  Trennens  nicht  sowohl  im  Kasus,  als  vielmehr  im 
Verbum  gesucht  wird.  Wie  dem  auch  sei,  Thatsache  ist,  dass  der  Abi. 
bei  Städtenamen,  Ländernamen  und  Appellativen  auf  die  Frage  woher?  ge- 
braucht wird. 

Bei  Städtenamen  findet  sich  schon  frühe  die  Beifügung  einer  Prä- 
position, doch  gebraucht  Plaut,  nur  die  Präpos.  ex,  nie  ab  und  lässt  sie 
häufiger  weg  als  er  sie  hinzufügt.  Das  gleiche  gilt  für  Ter.  und  die  übrigen 
Dichter  der  vorklass.  Zeit.  Die  Beifügung  der  Präpos.  wird  ganz  selten 
in  der  klassischen  Sprache  und  findet  sich  da  wohl  nur,  wenn  bei  Seestädten 
die  Küste  miteinbegriffen  wird,  z.  B.  ab  Epheso,  Sobald  aber  Tarso, 
Tyro  u.  ä.  ebenso  gut  „in  Tarsus**  als  „von  Tarsus"  heissen  konnte  (§  101), 
war  die  Beifügung  einer  Präposition  unumgänglich,  und  so  findet  sich  diese 
ursprünglich  wohl  vulgär  abundante  Konstruktion  bei  Sali.  Poll.  Liv.  Plin. 
mai.  Sueton.  Flor.  Justin. 

Bei  Ländernamen  ist  der  Abi.  ohne  Präposition  selten;  doch  hat 
ihn  schon  Plaut.  Most.  440,  Capt.  327  u.  Truc.  540,  ebenso  findet  man  ihn 
auf  alten  Inschriften,  nicht  bei  Klassikern  und  Sali.  Liv.,  dagegen  wieder 
bei  Vell.  Tac.  Curt.  Florus  und  andern  spät.  Historikern. 

Von  Appellativen  hat  gleichfalls  Plaut,  schon  Beispiele,  so  Trin. 
265  quasi  saxo  saliat;  in  der  klassischen  Zeit  ist  der  Gebrauch  auf  nirc 
und  domo  beschränkt  {humo  dichterisch  seit  Vergil),  abgesehen  natürlich 
von  publizistischen  Ausdrücken  wie  tribu  movere,  lege  solvi,  causa  cadere 
und  einigen  allgemein  üblichen  Verbindungen  der  verba  pellerc  cedere  Uberare 
u.  ä.;  Liv.  und  Tac.  schliessen  sich  dem  von  den  august.  Dichtern  einge- 
führten freiem  Gebrauch  an  (wobei  jedoch  Liv.  immerhin  die  präpo- 
sitionale  Wendung  bevorzugt),  ebenso  die  Archaisten,  z.  B.  Apul.  theatro 
faccssunl, 

Anmerkung  1.  Ohne  weitere  Folgen  blieb  der  Anlauf,  welclien  Cato  und  Plaut, 
nahmen,  den  Abi.  des  Supinums  in  separativer  Bedeutung  zu  brauchen.  Cato  r.  r.  5  sagt 
primus  cubitu  surgat,  postremtis  cubitum  eat:  hier  sollte  offenbar  ein  Gegenstück  zum 


1.  Der  einfache  Satz:  a.  Der  BehaaptnngBBatz.  (§  102—104.)  435 

Akk.  des  Sup.  geschaffen  werden.  Wie  bemerkt  findet  sich  diese  Konstruktion  nur  noch 
bei  Plaut.,  nämlich  opsonatu  redire,  gebildet  im  Hinblick  auf  opsonatum  ire.  Eine  spät- 
lateinische Nachahmung' treffen  wir  bei  Stat  Ach.  1,  119  venatu  rediturum. 

Anmerkung  2.  Hieher  gehört  auch  der  Abi.  des  Ursprungs,  so  schon  be 
Ennius  sanguen  du  oriundum,  in  klass.  Sprache  besonders  bei  den  Partiz.  natiM  ortus  etc. 
N.  Kl.  auch  beim  Verb.  fin.  z.  B.  Plin.  N.  h.  8,  29  terra  nasci;  häufig  treten  Präpositionen 
zum  Abi.,  immer,  wenn  er  ein  Pronomen  ist,  gewöhnlich  ah  und  ex,  dichterisch  und  nach- 
klassisch auch  de.  Bekannt  ist,  dass  der  Abi.  mit  ab  die  entferntere  Abstammung  be- 
zeichnet. 

103.  Die  Begriflfe  von  Ort  und  Zeit  sind  nahe  verwandt,  und  so  ist 
es  leicht  begreiflich,  dass  der  Abi.  der  Ortsruhe  sich  auf  Zeitbestimmungen 
übertragen  liess.  Es  finden  sich  daher  hiente,  aestate  u.  ä.  in  allen  Zeiten 
der  Sprache.  Andere  Substantiva  als  solche,  welche  einen  Zeitabschnitt 
bezeichnen,  werden  nur  mit  Attributen  in  dem  Abi.  temporis  gefunden. 
Ausnahmen  sind  selten,  jedoch  auch  in  der  klassischen  Zeit  anzutreffen, 
z.  B.  pace,  militia  (Liv.  5,  12,  4  ed.  Zingerle). 

Anmerkung  1.  Wenn  angegeben  wird,  wie  oft  etwas  in  einem  bestimmten  Zeit- 
räume sich  wiederholt,  so  steht  der  letztere  im  Abi.  mit  tn,  z.  B.  ter  in  anno.  Doch  ge- 
braucht vielleicht  schon  Cato  (bestritten  von  Keil  und  Schöndörffer),  jedenfalls  aber  Plin. 
mai.,  Suet.  die  scriptt.  bist.  Aug.,  Hygin  daneben  auch  den  Abi.  ohne  Präposition,  z.  6. 
Plin.  bis  anno. 

Anmerkung  2.  Es  ist  klar,  dass  das  Bedürfnis  nach  Deutlichkeit  in  der  Volks- 
sprache auch  zum  Abi.  temp.  die  Präposition  tn  verlangt;  so  sagte  denn  Cato  unbedenklich 
in  hierne,  was  bei  Catull  z.  B.  aliis  in  annis,  dann  besonders  im  Spätlatein,  bei  den  Archa- 
isten,  bei  den  eccl.,  den  scr.  h.  Aug.  in  allgemeiner  Übung  ist.  Die  klassische  Zeit  lässt 
in  beim  Abi.  temp.  nur  zu  bei  Angabe  der  Lebensalter,  z.  B.  in  iuventute  (aber  mit 
Attribut  ohne  tn,  z.  B.  prima  iuventute),  femer  zur  Bezeichnung  der  Zeitumstände,  z. 
B.  tn  hoc  tempore, 

Anmerkung  3.  Wenn  Cicero  ad  Att.  2,  19,  3  schreibt  populi  sensus  maxime 
iheatro  et  spectaculis  perspectus  est,  so  ist  offenbar  spectaculis  temporal  zu  fassen; 
ebenso  verhält  es  sich  mit  ludis,  gladiatoi^hus,  nundinis;  diese  Abi.,  femer  comüiia  bei 
Cic.  Liv.  Flor.,  triumplm  bei  Tac,  scaena  bei  Suet.,  morhis  schon  bei  Cato,  und  ähnliche 
stereotyp  gewordenen  Wendungen  sind  Analogiebildungen  nach  den  Abi.  temp.  Ebenso 
erklärlich  ist,  dass  adventu  (schon  bei  Plaut.),  discessu  u.  ä.  später  z.  B.  bei  Plin.  mai. 
(successione,  dedicatione),  Sueton  (votorum  nuncupatione,  eius  statione  =  cum  in  statione 
esset)  andere  Abi.  per  analogiam  nach  sich  gezogen  haben. 

Anmerkung  4.  Auch  der  Abi.  gerund,  wurde  temporal  gebraucht,  so  schon  bei 
Terenz,  wo  Donat  zu  Andr.  938  mirando  =  dum  miror  erklärt;  ebenso  bei  Sallust,  bei 
Cic.  (ad  Att.  4,  1,  6),  Verg.  und  Liv.,  namentlich  bei  letzterem,  z.  B.  5,  43,  7  cum  dis 
hominibusque  accusandis  senesceret,  bei  Vitrav  u.  a. 

104.  Der  sogenannte  Abi.  absolutus  ist  ein  mit  prädikativer  Be- 
stimmung versehener  Abi.,  welcher  sich  vom  Abi.  modi  dadurch  unter- 
scheidet, dass  der  letztere  eine  attributive  Bestimmung  bei  sich  hat.  Das 
prädikative  Wort  kann  ein  Subst.  Adi.  Pron.  oder  Partiz.  sein.  Unter  dem 
Einflüsse  der  Ausbildung  des  Satzgefüges  wurde  auch  diese  Konstruktion 
weiter  entwickelt,  so  dass  sie  manchmal  einen  ganzen  Satz  zu  vertreten 
geeignet  ist  und  allerlei  andere  nähere  Bestimmungen  noch  annehmen  kann. 

Wie  nun  häufig  das  Prädikat  einer  ausdrücklichen  Bezeichnung  des 
Subjekts  entbehrt  (vgl.  §  2  und  §  3),  so  wird  oft  der  prädikative  Abi. 
allein  gesetzt,  z.  B.  wenn  das  fehlende  Nomen  sich  von  selbst  versteht 
oder  mit  Leichtigkeit  aus  dem  Vorhergehenden  ergänzt  wird;  vgl.  §  2 
Anm.  (3  und  §  3. 

Wie  die  klassische  Sprache  das  Part.  fut.  act.  überhaupt  nicht  ohne 
esse  braucht  (Ausnahmen  höchst  selten,  vgl.  §  108),  so  natürlich  auch  nicht 
im  Abi.   abs.;   diese   Konstruktion  kommt  bei    Pollio  und  Livius   auf  und 

28* 


436  B.  LateüÜBohe  Qrammatik.    d)  Lateinische  Syntax. 

war  wahrscheinlich  durch  Sallust  vorbereitet  (der  letztere  hat  auch  zuerst 
Part.  fut.  act.  in  finaler  Bedeutung);  Val.  Max.  Curt.  Plin.  mai.  und  be- 
sonders Tac,  sowie  später  Ammian  verwenden  dieselbe  gleichfalls. 

Die  Part.  perf.  der  Deponentia  und  Semideponentia  werden  erst  seit 
der  klassischen  Zeit  im  Abi.  abs.  verwendet,  in  Verbindung  mit  einem 
Objekt  nicht  vor  Sallust,  dem  dann  die  august.  Dichter,  Liv.,  ganz  be- 
sonders Plin.  mai.,  auch  Val.  Max.,  ferner  Tac.  und  Nachahmer,  sowie 
spätere  Dichter,  wie  Lucan  und  Silius  sich  anschliessen;  ebenso  findet  sich 
die  Konstruktion  bei  Juristen  und  eccl.  und  überhaupt  bei  spätlat. 
Schriftstellern,  offenbar  hervorgerufen  durch  Nachahmung  von  Schriften 
aus  der  früheren,  namentlich  silbernen  Latinität,  z.  B.  Hegesipp  5,  5,  7  eos 
Ulis  secutis. 

Da  viele  Verba,  die  später  als  Deponentia  auftreten,  ursprünglich 
aktiv  waren,  darf  man  sich  nicht  wundern,  wenn  ihre  Part.  perf.  auch  in 
passivem  Sinne  vorkommen  (vgl.  §  40).  Cicero  freilich  und  Caesar  lassen 
so  nur  emerUuSy  pactus  und  partUus  zu,  während  Sali.,  die  august. 
Dichter  und  Liv.,  sowie  spätere  Schriftsteller  den  Gebrauch  sehr  ausdehnen 
(wobei  ich  es  dahin  gestellt  sein  lasse,  ob  die  betr.  Verba  in  der  Volks- 
sprache als  Aktiva  fortlebten  und  so  leicht  in  die  Litterärsprache  über- 
gingen, oder  ob  Reproduktion  und  Analogie  wirksam  waren).  Merkwür- 
digerweise hat  Tac.  nur  adepto  principatu  (wie  Sali,  adepta  libertate)  und 
ausis  codicillis. 

Im  prädikativen  Gebrauche  der  Adi.  und  Subst.  beim  Abi.  abs.,  der 
durch  die  ganze  Latinität  sich  findet  und  zwar  schon  im  Altlat.  sehr  häufig, 
ist  in  der  Entwicklung  der  Sprache  nichts  besonderes  hervorgetreten,  als 
dass  seit  Liv.  auch  Adi.  neutr.  mit  ganzem  Satz  als  Subjekt  gebraucht 
werden,  z.  B.  Tac.  ann.  1,  6  hixta  pericuhso  ficta  seu  vera  promereL 

Anmerkung  1.  Dieser  sog.  Abi.  abs.  erscheint  bisweilen  auch  da,  wo  wir  den 
Abi.  entbehren  und  die  zu  ihm  konsbuierte  prädikative  Bestimmung  grammatisch  genauer 
anderweitig  beziehen  könnten,  z.  B.  vgl.  Cic.  Att.  7,  9,  2  haberi  Caesar is  ratianem 
illo  exercitum  obtinente  mit  Cic.  Att.  7,  9,  3  ut  ratio  haheatur  retinentis  exercUum. 
Es  liegt  auf  der  Hand,  daas  in  solchen  Fällen  der  Abi.  abs.  die  Diktion  deutlicher  und 
kraftvoller  macht,  als  die  streng  grammatische  Konstruktion;  wir  finden  ihn  daher  auch  in 
der  Umgangssprache  (Plaut.  Ter.),  bei  Cic.  epp.  und  in  Erstlingsreden,  auch  bei  Caesar, 
bei  Sali.  Pollio  b.  Hisp.,  bei   Celsus  Liv.  Tac.  Script,  bist.  Aug.,  spät,  lat.,  Vulgata. 

Anmerkung  2.  Selten,  doch  auch  bei  Cic.  Caes.  Liv.  Nep.  und  noch  Sp.  L.  bei 
scr.  h.  Aug.  tritt  zum  Part.  perf.  pass.  ein  Prädikatsnomen,  z.  B.  Maxim.  20,  2  quibus  a 
populo  Augustis  appellatM,  vgl.  noch  Cic.  Tusc.  3,  70,  Caes.  b.  c.  3,  1,  1.  Im  ganzen 
wurde  die  Konstruktion  wegen  ihrer  Schwerfälligkeit  gemieden. 

Zu  §  91  vgl.:  Delbrück,  Ablativ  Localis  Instrumentalis  im  Altindischen,  Lat,  Griecli. 
und  Deutschen,  Berlin  1867;  Ebbabd,  De  ablativi  locativi  instrumentalis  apud  priscos  scrip- 
tores  latinos  usu,  Jahrb.  f.  Philol.  X  Suppl.  3;  Kebn,  Zum  Gebrauch  des  Abi.  bei  Vergil. 
Progr.,  Schweinfurt  1881;  Christ,  De  ablativo  Sallustiano,  Jena  1883;  Schneider,  De  ab- 
lativi usu  Taciteo,  Breslau  1882.  ||  Zu  §  92:  Wölfplin  im  Archiv  I  p.  169  ff.  ||  Zu  §93: 
Ott,  Zur  Lehre  vom  abl.  ßrerundii,  Stuttgart  1877.  ||  Zu  §  96:  Wölpflin,  Lat.  und  roni. 
Komparation,  Erlangen  1879  p.  49  ff.;  Klotz,  Lat.  Stilistik,  Leipzig  1874  p.  15  ff.;  Ziemer. 
Vergleichende  Syntax  der  indogerm.  Komparation,  Berlin  1884  p.  64  ff.,  103  ff.  ||  Zu  §  98: 
Stkomann  in  Neue  Jahrb.  132  und  136;  J.  Golling  im  Gymnasium  1888,  Nro.  1  und  2.  || 
Zu  §  99:  Langen,  Die  Konstruktion  von  utor  fruor  fungor  potior  im  älteren  Latein,  Archiv  III 
p.  329—336.  II  Zu  §103:  Frobeen,  quaestionum  Plinianarum  specimen;  pars  II,  de  abl. 
temporalis  usu  Pliniano,  Königsberg  1888.  jj  Zu  §  104:  Hoffmann,  Der  abl.  abs.  und  seine 
Definition,  Jahrb.  1875  p.  783  f.;  Bombe,  De  ablativi  abs.  apud  scriptores  antiquissimos 
Roman,  usu,  Greifswalde  1877;  Habtnick,  De  ablat.  abs.,  qui  enormiter  usurpati  vocantur, 
Breslau  1869;  Rumpf,  Utrum  verborum  depon.  part.  perf.  in  abl.  abs.   sint  vitanda  an  ad- 


1.  Der  einfache  Satz:  a.  Der  Behauptongsaats.  (§  105—106.)  437 

mitteDda?  Frankfurt  1868;  Wölfpun,  Philol.  25,  117;  26.  134;  bei  Bursian  1874/75  p.  759; 
Schmalz  in  Wölfflins  Archiv  I  p.  344  ff.;  Adams,  De  ablaiivi  absoluti  apud  Q  Curüuin 
Kufum  UBU,  Marburg  1886. 

Lokativ. 

105.  Wie  bereits  bemerkt,  sind  in  der  historischen  Zeit  der  lat. 
Sprache  nur  noch  wenig  Überreste  des  Lokativs  erhalten.  Die  alte  Sprache 
verwendete  die  erhaltenen  Formen  mit  besonderer  Vorliebe  und  zwar  sowohl 
zur  Bezeichnung  des  Ortes,  als  auch  übertragen  als  Zeitbestimmung.  So 
hat  Plaut,  oft  teniperi,  peregri^  Cato  tempori,  Plaut,  mani;  ferner  wird  von 
Gellius  für  Cato,  Cael.  Antipat.,  Claud.  Quadrig.  die  quinti,  die  crastini^  die 
proximi  u.  ä.  bezeugt,  was  sich  auch  zum  Teil  bei  Plaut,  findet.  Erst  die 
Archaist^n  haben  diese  Formen  wieder  hervorgeholt,  im  übrigen  waren 
dieselben  —  abgesehen  von  vesperi  und  Äeri,  für  welch  letzteres  das  zwar 
schon  bei  Plautus  vorkommende  here  erst  in  der  silbernen  Latinität  ge- 
wöhnlich ward  —  seit  der  klassischen  Zeit  verschollen;  das  alte  temperi 
oder  tempori  wurde  in  der  klassischen  Sprache  von  dem  bei  Cic.  ausschliess- 
lich üblichen  tempore  ersetzt,  während  Liv.  und  Tac.  (wie  auch  schon  Plaut, 
und  Ter.)  nur  in  tempore  sagen. 

Bekannt  ist,  dass  die  Städtenamen  mit  o-  oder  o-Stämmen  im  Singular 
den  Lokativ  auch  in  klassischer  Zeit  und  weiter  hinaus  bewahrt  haben, 
also  altlat.  Romai,  klass.  Romae,  Deli,  Corinthi;  ebenso  domi  meae,  tuae^ 
suae;  militiae  und  belli  gewöhnlich  in  Verbindung  mit  domi  (mllitiae  allein 
steht  Fronto  p.  123  N,  belli  Ter.  Heaut.  112,  Cic.  rep.  2,  56),  humi  seit 
Cicero,  terrae  schon  bei  Ennius,  dann  bei  Verg.,  vielleicht  auch  bei  Vell. 
dann  bei  Ovid.  Liv.  und  spät.  Dichtern  und  Prosaikern,  campi  bei  Vergil 
und  Sil.  Ital.;  ruri  hat  schon  Plaut.  Auch  Städtenamen  mit  konsonantischem 
Stamm  haben  ähnlich  wie  ruri  den  Lokativ  erhalten,  aber  vereinzelt,  so 
Carthagini  schon  bei  Plaut.  Cic.  Liv.  Vitr.  ApuL,  Tiburi  bei  Cic.  Liv.  Val. 
Max.  Suet.,  sonst  Laccdaemoni^  Anxuri,  Sieyoni  ganz  selten. 

Anmerkung.  Hier  mögen  auch  die  finalen  Lokativformen  Erwähnung  finden  (vgl. 
§  89),  nämlich  gwo,  eo,  alio,  aliquo,  illo,  isto,  fioc,  hi^c,  intrOj  retro,  welche  zu  Adverbien 
erstarrt  sind. 

e.  Participia. 

106.  Ähnlich  wie  sich  an  den  Ablativ  ein  prädikatives  Partizip  an- 
schloss,  welches  dann  selbst  wieder  Bestimmungen  verschiedener  Art  zu 
sich  nehmen  konnte,  fügen  sich  Partizipien  an  jeden  Kasus  attributiv  in 
der  Weise  an,  dass  auch  hier  eine  Erweiterung  wie  bei  einem  vollstäfidigen 
Satze  möglich  ist.  Dies  erklärt  sich  daraus,  dass  das  Partizip  den  stoff- 
lichen Inhalt  des  Verbs  hat,  wie  dieses  zwischen  Aktiv  und  Passiv  scheidet 
und  die  gleichen  Ergänzungen  und  Bestimmungen  wie  das  Verb  zulässt. 
Auch  durch  den  Unterschied  der  Zeit  zeigt  das  Partizip  seine  verbale 
Natur;  aber  das  Partizip  ist  nur  geeigenschaftet  die  Zeitart,  nicht  die 
Zeitstufe  zu  bezeichnen,  die  letztere  wird  immer  durch  das  Hauptverbum 
gegeben.     Die  lateinische  Sprache  besitzt  folgende  Partizipien: 

1.  Partiz.  Praes.  act.  laudans       I    ^ 

2.  Partiz.  Praes.  pass.  laudandus  | 

3.  Partiz.  Perf.  pass.  laudatus:  Vollendung 


438  ^*  LateiniBohe  Oraaunatik.    d)  LateiniBche  Syntax. 

4.  Partiz.  Fut.  act.  laudaturus:  Neigung  zur  Handlung,  Bevorstehen 
derselben. 

Anmerkung.  In  klassischer  Zeit  wird  das  Part,  praes.  act  auch  fürs  Medium 
gebraucht,  wie  Cic.  exercentes,  Nepos  circumveheos  von  circumvehor,  ferentem  von  ferri 
bildet;  der  von  Sallust  (Jug.  79,  6  gignentia)  und  Vitruv  (161,  15  initianübtts)  vorbereitete 
Gebrauch,  es  auch  fürs  Passiv  zu  nehmen,  entwickelt  sich  seit  der  Zeit  der  Archaist^n 
immer  mehr,  so  bei  Fronte  bist.  Aug.,  Amm.  Marcell.  Vulg.  Hieron.  Sulp.  Sev.  Cassiodor 
etc.,  z.  B.  hie  est  filius  amantissimus. 

107.  Die  Deponentia  verwenden  natürlich  ihr  Part.  Perf.  in  aktivem 
Sinne  (vgl.  jedoch  oben  §  40).  Das  auch  Gerundivum  genannte  Part,  praes 
passivi  bekommt  in  späterer  Zeit,  z.  B.  bei  Sulp.  Sev.,  bei  den  scr.  h. 
Aug.  u.  a.,  die  Bedeutung  des  Futurs,  vgl.  Spart.  Carac.  8,  8  cum  ad 
Palatium  traheretur  occidendus.  Dementsprechend  wird  es  mit  esse,  z.  B. 
agendum  esse  geradezu  =  actum  iri  verwendet  und  von  Grammatikern, 
z.  B.  Diomedes  förmlich  als  Inf.  fut.  pass.  abgestempelt.  Der  Inf.  Fut. 
pass.,  mit  Sup.  und  in  gebildet,  verschwindet  daher  und  zwar  so,  dass  er 
beispielsweise  aus  Symmachus  und  den  gall.  Schriftstellern  sich  nicht  mehr 
belegen  lässt.  —  Das  Part.  perf.  der  Deponentia  hat  im  Verlaufe  der  Ent- 
wicklung der  Sprache  sich  zum  Teile  seiner  Bedeutung  der  Vollendung 
entäussert  und  wird  wie  das  Part,  praes.  gebraucht;  das  Altlatein  kennt 
diese  Verwendung  noch  nicht,  auch  die  klassische  Zeit  verfährt  sehr  vor- 
sichtig hierin  und  an  manchen  Stellen,  wie  z.  B.  Cic.  Rose.  com.  1,  2  sed 
ego  copia  et  facultate  causae  confisus  mde  quo  progrediar,  erkenne  ich  die 
Vollendung  („nachdem  ich  Vertrauen  gefasst  habe^),  nicht  die  Dauer  als 
Bedeutung  des  Part.  an.  Dagegen  lässt  sich  nicht  in  Abrede  stellen,  dass 
die  aug.  Dichter,  so  namentlich  Vergil,  dann  Liv.  und  die  silberne  Latinität 
und  hauptsächlich  Tacitus  nebst  Nachahmern  das  Part.  perf.  depon.  =  dem 
Part,  praes.  gebrauchen.  Die  Verwilderung,  welche  im  Sp.  L.  im  Gebrauche 
der  Zeiten  einriss,  dehnte  sich  auch  auf  die  Partiz.  aus,  wie  z.  B.  bei  Dracont. 
moriens  für  mortuus,  bei  Apoll.  Sidon.  redeuntem  für  reversum  u.  ä.   steht. 

108.  Das  Part.  fut.  act.  kann  im  Altlat.  und  in  der  klassischen 
Sprache  noch  nicht  attributiv  an  einen  Kasus  angeschlossen  werden;  nur 
futurus  erscheint  in  Verbindung  mit  res  und  einer  Reihe  anderer  von 
Hoppe  (s.  0.  §  29)  p.  11  aufgezählten  Subst.,  alles,  was  sonst  angeführt 
wird,  auch  Serv.  Cic.  fam.  4,  5,  ist  unsicher  und  unwahrscheinlich.  Dagegen 
zeigt  Sali,  in  der  Zeit  seiner  vollendeten  Diktion  die  ersten  Spuren  eines 
Gebrauchs,  der  mit  den  aug.  Dichtern,  Liv.  Celsus  und  der  silbernen  La- 
tinität allgemein  üblich  werden  sollte  und  sich  dann  wegen  der  Bequem- 
lichkeit und  Kürze  des  Ausdrucks  bis  herab  in  die  späteste  Zeit  erhielt; 
z.  B.  Trebell.  tr.  tyranni.  11  GalUenus  pacem  cum  eo  contra  Posthumum 
piigtiattirus  fecit. 

109.  Im  Anschluss  an  einen  Objektsakkusativ  treten  ganz  vereinzelt 
im  Altlat.  (Calpurn.  Piso  bei  Gellius  7,  9,  2),  dann  öfter  in  der  klassischen 
und  aug.  Zeit  Part,  praes.  ein  nach  den  v.  v.  der  Wahrnehmung,  um  die 
letztere  als  eine  unmittelbare  zu  bezeichnen;  z.  B.  Sali.  Jug.  93,  2  quidam 
Ligus  animum  advortit  inter  saxa  rep cutis  cocleas.  Dieser  Gebrauch  ist 
bis  jetzt  nur  bei  Calp.  Piso  Cic.  Sali.  Nepos  Vitruv  Liv.  und  Horaz  be- 
obachtet. 


L  Der  einfache  Satz:  a.  Der  Behauptongsaatz.  (§  107—111.)  439 

110.  Eine  wichtige  und  auffällige  Konstruktion  des  Partizips  ist  in 
Beispielen  zu  konstatieren  wie  Tac.  ann.  1,  36  augebat  metum  invasurus 
hostis;  hier  ist  nur  dem  Bestreben  der  Lateiner  ein  persönliches  Subjekt 
zu  erhalten  die  Konstruktion  zu  danken;  denn  der  eigentliche  Haupt-  und 
Subjektl^griflf  liegt  in  invasurus  „der  Umstand,  dass  ein  Einfall  zu  erwarten 
war**  oder  ,ein  befürchteter  (dies  besagt  das  Fut.)  Einfall**.  Die  bespro- 
chene Verwendung  des  Part,  geht  in  ihrer  Entwicklung  fast  gleichen  Schritt 
mit  der  Ausbildung  der  rhetorischen  Bestrebungen  der  Römer  und  dem 
Eindringen  der  letztem  in  die  Litteratur.  Daraus  ist  zu  entnehmen,  dass 
die  alte  Sprache  nur  wenige  Beispiele  bieten  wird;  und  in  der  That  ausser 
bei  optis  est  und  t^us  est  c.  abl.  finden  wir  bei  Plautus  nichts  Derartiges, 
z.  B.  Plaut.  Bacch.  749  quid  istis  usust  conscriptis,  Terenz  hat  nicht  einmal 
diese  Konstruktion.  Cato  schreibt  Orig.  5  fr.  10  post  dimissum  bellum  und 
geht  somit  schon  weiter,  noch  mehr  gilt  dies  für  Varro,  wo  wir  r.  r.  1, 
2,  4  propter  niare  congelatum  u.  ä.  öfter  lesen.  Cicero  ist  verhältnismässig 
zurückhaltend,  so  z.  B.  verwendet  er  von  Präpositionen  in  dieser  Verbin- 
dung nur  de,  post,  in;  aber  die  Bestrebungen  Varros  fanden  Nachahmung 
bei  Sallust  und  zwar  hier  schon  in  auffälligen  Verbindungen,  wie  z.  B. 
Cat.  43,  3  inter  haec  parata  atque  decreta  zeigt.  Besonders  aber  sind  es 
Liv.  u.  Tac,  welchen  diese  Konstruktion  sympathisch  erscheinen  musste; 
denn  sie  passt  ganz  vorzüglich  zu  ihrer  rhetorisch-pathetischen  Diktion. 
So  hat  Livius,  welchen  Lübbert  unicutn  huius  structurae  patronum  nennt, 
die  von  Cic.  Caes.  Sali,  noch  nicht  gekannte  Verbindung  des  Part.  perf. 
pass.  mit  dem  Subj.,  z.  B.  28,  11,  6  terruit  animos  ignis  in  aede  Vestae 
exstinctus,  eingeführt.  Auch  die  übrigen  Autoren  der  silbernen  Latinität 
stehen  solchen  Konstruktionen  nicht  fern,  ebenso  die  nachtacit.  Historiker, 
ferner  Sp.  L.  Autoren,  wie  Sulp.  Sev.,  Min.  Felix,  Ammian,  z.  B.  Sulp. 
Sev.  2,  15,  3  admotus  exercitus  magno  ludaeos  terrore  perculerat.  Das 
Partiz.  Praes.  Pass.  (Qerundivum)  nimmt  an  der  besprochenen  Konstruktion 
insofern  teil,  als  es  nach  Präpositionen  erscheint;  den  Subjekts-  oder 
Objektsbegrifif  zu  vertreten  ist  es  nicht  geeignet.  Mir  ist  daher  nicht  be- 
kannt, dass  dem  occisus  Caesar  ein  occidendus  Caesar  pulcherrimum  facinus 
videtur  =  die  Ermordung  des  Caesar  zur  Seite  trete  oder  dass  man  novandas 
res  cupide  appetere  sagte.  Von  Präpos.  hat  Cicero  nur  in,  de,  ab,  ex  u. 
pro  mit  Ablativ,  ad  u.  einmal  in  mit  Akkus.,  ferner  hat  er  ob  in  Formeln 
wie  ob  rem  iudicandam  erhalten,  Varro  verwendet  auch  propter,  altlat.  u. 
nachklass.  ist  inter;  super  steht  zuerst  bei  Hör.  carm.  saec.  17,  dann  bei 
Tac.,  prae  im  Sp.  L.  bei  Porphyrie,  erga  bei  Ammian  u.  s.  w.  Wendungen 
wie  Liv.  1,  20,  7  iusta  quoque  funebria  placandosque  manes  ut  idem  pon- 
tifex  edoceret  u.  praef.  6  ante  conditam  condendamve  urbem  sind  durch 
Ausgleich  entstanden  und  beweisen  nicht,  dass  auch  condenda  urbs  als 
Subjekt  zulässig  wäre  oder  dass  das  Gerundiv  den  Objektsbegrifif  ersetzt. 

111.  Eine  besondere  Auffassung  des  Verhältnisses  des  Partizips  zu 
seinem  Beziehungswort  wird  durch  hinzugefügte  Partikeln  angedeutet; 
Cicero  lässt  jedoch  dies  selten  zu;  nur  einmal  hat  er  so  quamquam,  nie 
quamvis,  öfter  quasi,  ut,  ebenso  vorsichtig  verhält  sich  Caesar,  auch  die 
aug.  Dichter.    Dagegen  mit  Livius  und  Celsus  kommen  diese  Konstruktionen 


440  B.  Lateinische  Ghrammatik.    d)  Lateinische  S3rntax. 

in  weitester  Verbreitung  vor;  hier  erscheint  erstmals  tamquam,  ebenso 
utpote,  häufig  ut  und  velut  c.  partic,  auch  nisi'  die  silberne  Latinität 
schliesst  sich  an  Liv.  an,  besonders  Curtius,  die  meisten  Beispiele  hat  Ta- 
citus,  nach  welchem  dann  ein  allmähliches  Abnehmen  sich  bemerklich 
macht,  wodurch  indes  die  Wiederaufnahme  früher  gebrauchter  Strukturen, 
z.  B.  des  von  Prop.  u.  Ovid  so  verwendeten  licet  c.  part.  bei  Ammian, 
nicht  ausgeschlossen  ist. 

Zu  8  106  vergl.:  Näoelsbach-Mülleb,  Stilistik.  8.  Aufl.  p.  307.  |i  Zu  §  107:  Leo 
Adrian,  Über  das  lat.  Part,  praes.  passivi,  Gr.  Glogau  1875,  Progr.;  Weissenboen,  De 
gerundio  et  gerundivo  ling.  lat.,  Eisenach  1844;  Scholl,  Über  das  Gerundium  und  Gerun- 
divum,  Bayr.  Gymn.  10,  104  fr.  i|  Zu  §  108:  Sommer,  de  usu  partic.  fut.  activi  apad  aevi 
Augustei  poetas,  Halle  1881.  Kupfer,  Gebrauch  des  Participiums  auf  t^rus  bei  Curtios, 
Cöslin  1887.  ||  Zu  §  110:  Lübbert,  Commentationes  svntacticae  I,  Giessen  1871;  Helm, 
Quaestiones  syntacticae  de  participiorum  usu  Tac.  Vell.  Sallustiano,  Leipzig  1879;  Tbifel 
in  Z.  f.  Gymn.  1858  p.  548  (hat  die  Stellen  aus  Cic.  gesammelt). 

f.  Präpositionen. 

112.  Die  Präpositionen  sind  ursprünglich  Adverbia.  Ihre  Haupt- 
aufgabe ist,  die  Richtung  der  im  Verb  ausgedrückten  Handlung  näher  zu 
bestimmen;  so  wurden  sie  zunächst  verbale  Begleitwörter  und  dann  auch 
nominale  Begleitwörter.  Die  Bedeutung  der  Präposition  wird  aus  ihrem 
adverbialen  Gebrauch  erkannt  und  muss  mit  der  Bedeutung  des  Kasus,  zu 
welchem  sie  tritt,  harmonieren.  Unter  den  Kasus  selbst  sind  es  im  Lat. 
nur  zwei,  welche  sich  mit  einer  Präposition  verbinden,  der  Akkusativ  und 
der  Ablativ.  Aus  dem  bei  Cicero  üblichen  animum  induco,  femer  aus 
amicum  adeo,  urbe  exeo  erkennen  wir  die  erste  Stufe  in  der  Entwicklung 
der  Präpos.  als  Begleitwörter,  auf  welche  dann  duco  in,  eo  ad,  eo  ex  oder 
induco  in^  adeo  ad,  exeo  ex  folgt;  dabei  ist  der  Kasus  von  der  vereinten 
Vorstellung  von  Verb  und  Präpos.  abhängig,  wobei  zum  Übei-fluss  die 
Präpos.  schliesslich  zugleich  als  verbales  und  nominales  Begleitwort  er- 
scheint. 

aa.   Präpositionen  mit  dem  Akkusativ. 

113.  Ad  als  Adverb  ist  in  dem  Verse  des  Ennius  (ann.  519  L.  Müll.) 
adquc  adqiie  accedit  mtiros  Romana  iuventus  ^und  heran  und  heran  zieht 
d.  r.  Jugend**  erhalten.  In  demselben  Verse  erscheint  es  auch  mit  dem 
Verb  cedo  verbunden.  Ad  ging  gern  eine  Verbindung  mit  Verben  ein,  dies 
zeigt  sich  darin,  dass  die  Volkssprache  manche  Verba  mit  ad  behielt, 
welche  die  klassische  Sprache  zurückdrängte,  z.  B.  aduugeo,  adcuro,  ad- 
promiito,  addubito  u.  ä.  Für  den  Kasus,  der  sich  mit  den  v.  compos.  ver- 
bindet, mag  hier  im  allgemeinen  gesagt  sein^  dass  die  alten  Dichter  und 
Lucrez,  weniger  Catull  den  Akk.,  meist  mit  Wiederholung  der  Präpositionen, 
worin  ihnen  auch  die  klass.  Zeit  nachahmt,  setzen,  während  bei  den  Jüngern 
Dichtern  und  in  der  nachklassischen  Prosa  der  Dativ  überwiegt;  so  z.  B. 
ist  accedo  mit  ad  bei  Plaut.,  mit  Dat.  bei  Horaz  bevorzugt;  adicio  ad  wird 
ausschliesslich  von  Terenz  gebraucht,  die  aug.  Dichter  kennen  diese  Kon- 
struktion gar  nicht,  sondern  verbinden  immer  adicio  c.  dat.;  adplico  kon- 
struiert Plaut,  und  Ter.  mit  ad,  die  aug.  Dichter  mit  Dat.,  nur  Ovid, 
welcher  gern  neuert  oder  Altes  wieder  ans  Licht  zieht,  hat  auch  adplico 
ad  gesagt. 


1.  Der  einfache  Satz:  a.  Der  Behanptangsaatz.  (§  112—114.)  441 

Ais  nominales  Begleitwort  ist  ad  zu  allen  Zeiten  viel  gebraucht.  Be- 
merkenswert ist  ein  in  der  Volkssprache  wurzelnder  Usus,  wonach  ad, 
welches  doch  ursprünglich  die  Richtung  wohin?  bezeichnete,  in  der  Bedeu- 
tung von  apud  erscheint.  So  sagt  Plaut,  ad  forum,  Cicero  in  epp.  und 
Erstlingsschriften  ad  vilhm,  ad  te;  namentlich  in  der  Gerichtssprache  hat 
sich  ad  in  dieser  Bedeutung  erhalten:  so  schreibt  Plaut,  ius  smim  ad 
mulieres  ohthiere,  und  in  der  Vulg.  noch  lesen  wir  ne  accuses  servum  ad 
dominum  suum.  Auch  die  Sakralsprache  verwendete  ad  so,  z.  B.  ad  aedem 
felicitatis.  Seit  Terenz  lesen  wir  auch  ohne  aedem  bloss  ad  Opis,  ad 
ApolUnis  (bei  Ter.  Cic.  Cael.  Hör.  Liv.),  wobei  der  Gen.  schlechthin  die 
Zugehörigkeit  bezeichnet  und  keine  Ellipse  eines  Subst.  gefühlt  wurde. 
Diese  Ausdrucksweise,  welche  sich  bei  Plaut,  noch  nicht  findet,  entstammt 
wahrscheinlich  der  familiären  Sprache  des  Scipionenkreises. 

Auch  die  nachklassische  Zeit,  besonders  Liv.  und  Tac.,  weisen  viele 
Beispiele  solcher  Verbindungen  auf. 

Die  Richtung,  in  welcher  ein  Prädikat  gilt,  wird  erst  mit  Terenz 
durch  ad  bezeichnet,  z.  B.  Heaut.  370  patrem  novisti  quam  ad  hos  res  sit 
perspicax;  von  da  ab  findet  es  sich  allenthalben  in  der  Prosa  und  bei  Dich- 
tern. Das  modale  ad  gehört  vorwiegend  der  Volkssprache  an;  so  lesen 
wir  ad  hunc  modum  oft  bei  den  Komikern,  bei  Cicero  aber  fast  nur  in  den 
Erstlingsschriften,  nie  in  den  Reden,  während  er  jedoch  quem  ad  nwdum 
überall  zuliess. 

Die  N.  El.  und  Sp.  Latinität  hat  die  Bedeutungssphäre  von  ad  sehr 
erweitert;  da  finden  wir  kausales,  instrumentales  und  begrenzendes  ad, 
für  letzteres  vgl.  Oros.  7,  24  Gallias  ad  perfectum  Uheravit,  ferner  ad  =^ 
adversus  u.  a.  Im  ganzen  mag  festgestellt  werden,  dass  die  Präposition 
ad  in  der  Vulgärsprache  einen  viel  ausgedehnteren  Gebrauch  hatte^  als  in 
der  Urbanität  und  dass  sie  oft  in  der  Sprache  des  Volkes  beigefügt  wurde, 
wo  die  urbane  Diktion  sich  mit  dem  blossen  Kasus  begnügte.  So  macht 
sich  schon  bei  Vitruv  das  Bestreben  bemerklich,  den  Dat.  durch  den  Akkus, 
mit  ad  zu  ersetzen,  wie  er  beispielsweise  nicht  solvendo,  sondern  ad  soU 
vendum  esse  sagt.  Dasselbe  finden  wir  später  allgemein,  z.  B.  bei  Hygin 
u.  a.  Vulgärschriftstellern,  und  im  Übergang  zum  Romanischen  verdrängt 
ad  mit  Akk.  allmählich  den  Dativ. 

114.  Auch  die  Präposition  apud  hat  eine  weitere  Gebrauchssphäre 
in  der  Volkssprache,  als  in  der  Diktion  der  urbanen  Litterärsprache.  Wir 
treffen  es  daher  sehr  oft  bei  den  Komikern,  hier  vielfach  =  in,  z.  B.  apud 
villam;  Cicero  hat  diese  letztere  Bedeutung  nur  in  den  Erstlingsreden, 
während  er  es  sonst  oft  zur  Bezeichnung  der  Nähe  besonders  einer  Person 
verwendet.  Ganz  ebenso  verhält  es  sich  mit  Livius;  Sallust  dagegen  lässt 
apud  schon  mehr  in  Vordergrund  treten,  indem  er  es  bei  der  Nähe  einer 
Sache  ausschliesslich  gebraucht.  Am  ausgiebigsten  jedoch  hat  Tacitus  sich 
dieser  Präposition  bedient,  wie  apud  senatum,  apud  Suriam,  apud  urbem 
u.  ä.  bezeugt;  auch  bei  Sueton  ist  sie  beliebt,  ebenso  bei  Gellius,  bei  Apu- 
leiuSy  bei  den  Script,  bist.  Aug.  und  den  eccl.,  besonders  vor  Städte-  und 
Ländernamen,  bei  Ammian,  Oros.  Sulp.  Sev.  u.  a.  Viele  Phrasen,  wie  das 
von  Ter.  und  Petron  gebrauchte  apud  se  esse,  dann  apud  me  fuit  =  „bei 


442  B.  LateiiÜBche  Grammatik,    d)  Lateinische  S3rntax. 

mir  zu  Hause '^  u.  ä.  lassen  den  volkstümlichen  Charakter  von  apud  er- 
kennen; bei  den  Kunstdichtern  ist  es  jedoch  selten,  Horaz  hat  es  z.  B. 
nur  einmal. 

116.  Ante  ist  =  am  gegenüber,  z.  B.  Hannihal  ante  portas,  bezeich- 
net also,  dass  man  etwas  vor  sich  hat,  während  pro,  z.  B.  in  pro  muris 
ptigtiare,  besagt,  dass  man  die  Mauern  hinter  sich  hat  und  sie  schützt.  Es 
hat  sich  als  Adv.  erhalten,  seltener  in  lokaler  Bedeutung  und  dies  meist 
nur  bei  Dichtern  (und  Liv.),  häufig  als  Adv.  temp. 

Um  die  Richtung  im  Räume  zu  bezeichnen,  wird  es  von  den  Komi- 
kern, Cornif.,  dann  von  Ovid  und  Livius,  und  noch  im  Sp.  L.,  z.  B.  bei 
Ammian,  aber  nicht  von  Cic.  verwendet,  z.  B.  Liv.  8,  10,  2  ante  signa  pra- 
cedere.  Ebenso  verhält  es  sich  mit  ante,  wenn  es  einen  Vorzug  bedeutet, 
eine  aus  der  vorhergehenden  leicht  sich  ergebende  Gebrauchsweise;  auch 
diese  ist  der  Sprache  Cic.  und  Caes.  fremd,  findet  sich  aber  sonst  allent- 
halben, z.  B.  Baibus  bei  Cic.  Att.  8,  15  A.  2  quem  ante  me  deligo,  besonders 
in  Verbindung  mit  Superl.,  z.  B.  Verg.  Aen.  7,  55  ante  alios  pulcherrimus. 
Ante,  von  der  Zeit  gebraucht,  war  namentlich  im  Kurialstil  sehr  beliebt, 
überhaupt  in  Formeln  aller  Art.  Antea  hat  Plaut,  noch  nicht;  es  findet 
sich  zuerst  Ter.  Andr.  52  und  wird  auch  von  Cicero  nur  allmählich  gegen- 
über ante  vorgezogen. 

116.  Pone  hat  sich  als  Adv.  erhalten,  z.  B.  ^^owe  iacet,  als  Präpo- 
sition ist  es  nicht  häufig,  doch  schon  bei  Plaut.,  von  Cicero  sichtlich  ge- 
mieden (nur  Tim.  10  2>one  quos)^  ebenso  auch  von  Horaz,  Caesar  und  viel- 
leicht noch  von  andern,  doch  nicht  so  sehr  in  der  spät.  Latinität,  z.  B. 
bei  Suet.  u.  ä.  und  noch  bei  Amm.;  es  war  offenbar  plebejischer  Natur. 
An  seiner  Stelle  ward  frühe  das  von  ihm  sich  herleitende  j^ost  üblich, 
welches  aber  auch  wie  ante  als  Adv.  loc.  et  temp.  gebraucht  wird.  Die 
lokale  Bedeutung  der  Präp.  2^ost  ist  in  klassischer  Zeit  nicht  gerade  häufig 
zu  treffen,  mir  ist  wenigstens  keine  Stelle  aus  Cic.  bekannt,  dagegen  findet 
es  sich  so  bei  Caesar  wiederholt  und  sonst  vereinzelt  vor-  und  nach- 
klassisch. Wie  ante  bezeichnet  es  den  Rang,  aber  erst  seit  Sallust,  der 
auch  das  adverb.  post  so  verwendet,  dann  bei  Dichtern  und  Spätem,  jedoch 
überall  selten.  Das  temporale  post  mit  ilki  haben  Plaut.  Enn.  Ter.  Cato 
und  noch  CatuU,  post  quae  oft  Celsus,  dann  Tacitus,  post  hoc  Hör.  Vell. 
Pat.  und  vulgäre  Schriftsteller. 

117.  Penes  wird  fast  nur  mit  persönlichen  Begriffen  verbunden, 
mit  Sachen  erst  bei  Hör.  und  Tac. ;  auch  bezeichnet  es  das  Sein,  nicht  das 
Werden,  letzteres  nur  in  einer  Art  Ausgleichung  bei  Plaut,  und  Aurelius 
Vict.  (epit.  41,  1  imperii  iura  penes  Liciniiim  devenere  =  devcnere  ad  L., 
ut  penes  eum  essent).  Gerne  bürgerte  es  sich  in  Formeln  ein,  z.  B.  Sali. 
Jug.  17  fides  eins  rei  pe^ies  auctores  erit^  worüber  Sen.  Q.  N.  4,  3,  1.  Im 
afrikanischen  Latein,  bei  Apul.  und  ganz  besonders  bei  Tertullian  wird  es 
=  in,  z.  B.  Tertull.  penes  Afncam,  und  -  coram,  z.  B.  Tert.  idol.  13 
2)enes  patrem,  bei  Claud.  Mam.  =  secundum, 

118.  luxta  hat  erst  in  der  klassischen  Zeit  und  zwar  bei  Varro  r. 
r.  3,  16,  15  iuxta  villam,  dann  bei  Caesar,  aber  nur  b.  civ.  1,  16,  4  und 
Nepos  präpositionale  Verwendung  gefunden,  im  Altlat.   und   noch   bei  Cic. 


1.  Der  einfache  Satz:  a.  Der  Behanptmigssatz.  (§  115^121.)  443 

und  Sali,  ist  es  ausschliesslich  Adv.  Erst  mit  Plin.  mai.  und  Tac.  tritt 
es  häufiger  auf,  hier  sowie  bei  Geliius  auch  in  der  von  Livius  und  Celsus 
eingeführten  Bedeutung  der  zeitlichen  oder  unterordnenden  Folge,  z.  B. 
Tac.  hist.  2,  76  iuxta  deos  in  tua  manu  positum  est;  bei  letzterem  Autor 
bezeichnet  es  auch  die  Annäherung  an  eine  Zeit,  z.  B.  iuxta  finem  vitae, 
Dass  die  vielleicht  auch  schon  bei  Liv.  39,  9,  6  anzunehmende,  sonst  aber 
seit  Apul.  dem  Spätlatein  eigentümliche  Bedeutung  „gemäss*  sich  aus  der 
lokalen  entwickelt,  ersehen  wir  aus  Tertull.  de  An.  2  plane  non  negahinius 
aliquando  2>hilosophos  iuxta  fwstra  sen^isse;  in  der  Vulg.  wird  iuxta  ganz 
gewöhnlich  so  gebraucht;  ebenso  bei  Cypr.  Lucif.  Sulp.  Sev.  scr.  h.  Aug. 
Eine  Form  iuxtim  wird  als  Präpos.  bei  Sisenna  und  Apul.  gefunden, 
gewöhnlicher,   wenn   auch  nicht   besonders   häufig,  ist  der  adv.  Gebrauch. 

119.  Prope  wird  wohl  das  adverbial  gebrauchte  Neutrum  eines 
Adj.  sein;  es  lässt  sich  wie  propius  und  proxime,  femer  propior  und  pro- 
ximus  mit  einem  Kasus  verbinden. 

Während  nun  das  Adv.  2>^02)e  temporal  und  lokal  gleich  üblich  ist, 
wird  prope  als  Präp.  ganz  selten  von  der  Zeit  gebraucht,  doch  vielleicht 
auch  von  Cicero  (ad  Fam.  3,  5:  Med.  propter,  edd.  pr.  Kai.),  jedenfalls  von 
Livius,  Sueton  und  Ammian;  der  Kasus  ist  überall  der  Akk.;  prapius  ist  aus- 
schliesslich lokal  verwendet,  findet  sich  erst  seit  Caes.  (nicht  bei  Cic.)  und 
zwar  abgesehen  von  Nepos  und  Verg.  immer  mit  Akk.;  proxime  kommt 
nur  bei  Geis,  und  Pallad.  temporal  vor,  lokal  auch  bei  Cic,  aber  zumeist 
in  den  Briefen,  konstruiert  sich  mit  Akk.,  nur  bei  Caes.  b.  civ.  1,  72  mit  Dat. 
Bei  den  adj.  Formen  überwiegt  die  Adjektivnatur,  und  so  herrscht  der  Dativ 
vor;  den  Akk.  haben  jedoch  neben  dem  Dat.  Caes.  Sali.  Liv.  Tac.  Nur 
Sali,  verbindet  proxumus  mit  dem  Abi. 

120.  Propter  ist  von  prope  gebildet  und  bezeichnet  zunächst  die 
örtliche  Nähe;  noch  bei  Cicero  hat  es  adv.  Bedeutung,  z.  B.  Pomp.  16 
cum  duo  reges  propter  adsint;  als  Präp.  finden  wir  es  oft  auf  Inschriften 
der  republikanischen  Zeit,  auch  bei  Plaut.  Ennius  Naev.  Ter.,  in  Prosa 
zuerst  bei  Sisenna  fr.  22  P.,  dann  bei  Cicero,  doch  nicht  bei  Caesar,  Nepos, 
Curtius,  wohl  aber  bei  Tac.  u.  Späteren,  z.  B.  Geliius,  Jul.  Val.,  Sulp. 
Sev.  u.  a.  Das  kausale  ^>ro2>^er  steht  adv.  vielleicht  Sp.  L.  bei  Claud. 
Mam.  113,  1  (Engelbrecht  p.  99);  als  Präp.  verwenden  es  schon  Plautus 
und  Ter.,  dann  die  Klassiker,  auch  Cornificius  und  Hirtius,  ebenso  die 
Späteren  in  grosser  Zahl,  z.  B.  Juvenal,  Hygin,  Pallad.,  namentlich  aber 
die  Vulg.;  sichtlich  gemieden  wird  dagegen  propter  von  Pomponius  Mela, 
Vell.  Pat.  Tac.  Flor.,  später  von  Ammian,  Sulp.  Sev.  Jul.  Val.,  Dares 
Phryg.  Die  Verbindung  von  propter  mit  Subst.  und  Partiz.  in  der  §  110 
besprochenen  Weise  hat  zuerst  Varro,  dann  ist  sie  häufig  in  der  silbernen 
Latinität,  so  bei  Liv.,  namentlich  aber  bei  Justin  zu  treffen;  mit  Gerundiv 
lesen  wir  es  zuerst  bei  Val.  Max.,  dann  bei  Plin.  mai.  Apul.  und  in  der 
späteren  Latinität  (bei  Cornif.  2,  44  ist  vituperandam  Adjektiv  =  „tadelns- 
wert").    Propter  quod  und  propter  quae  ist  nachklassisch. 

121.  Oh  hat  seiner  Abstammung  nach  zunächst  lokale  Bedeutung; 
so  verwenden  es  denn  auch  schon  Plaut.,  Ennius,  Accius,  dann  die  klas- 
sische Sprache  (aber  nicht  Caesar);  von  da  ab  findet  es  sich  nur  vereinzelt, 


444  B.  Lateinische  Grammatik,    d)  Lateinische  S3rntax. 

nicht  bei  Liv.  Curt.  Tac,  aber  bei  Verg.,  bei  Sil.  It.,  Apul.  —  In  kausaler 
Bedeutung  braucht  es  schon  Plaut,  (aber  nie  oh  me,  te,  sondern  stets 
propter  nie  etc.),  auch  Ter.,  dann  Cic.  und  Caes.,  der  letztere  jedoch  nur 
in  den  Formeln  mit  res  und  causa,  ferner  die  Schriftsteller,  welche  propter 
meiden  (siehe  §  120).  Bezüglich  der  mit  ob  gebildeten  Formeln  ist  zu 
bemerken,  dass  ob  id,  ob  eam  rem  u.  ä.  schon  bei  Plaut,  sich  findet;  davon 
trat  ob  id  in  klassischer  Sprache  ganz  zurück,  und  zwar  so,  dass  Cic.  u. 
Caes.  ob  id  und  ob  ea  gar  nicht  brauchen,  erst  mit  Sali.  Liv.  Tac.  kam 
es  wieder  in  den  Vordergrund;  Sali,  bevorzugt  übrigens  neben  ob  id  noch 
ob  ea  und  Tac.  ob  quae;  der  Plural  qtias  ob  res  gehört,  namentlich  wo 
nur  von  einem  Grunde  die  Rede  ist,  dem  vulgären  Stil  an,  z.  B.  Cass. 
Fam.  12,  12,  3,  wiederholt  Vitruv.  Ob  mit  Subst.  und  Part,  wird  seit 
Liv.  beliebt  und  erhält  sich  bis  herab  in  die  Schwindellitteratur,  z.  B. 
Dict.  5,  14  o6  servatam  Helenam;  ob  mit  Gerundiv  war  schon  im  archai- 
schen Latein  üblich,  z.  B.  bei  Pacuv.  u.  Cato,  Cic.  hat  es  nur  in  Formeln, 
z.  B.  ob  rem  itidicandam;  diese  Formeln  fanden  Nachahmung,  so  bei  Sali., 
dann  besonders  im  silbernen  Latein  und  bis  in  die  spätesten  Zeiten  herab, 
z.  B.  Orosius  3,  22  ob  ukiscendam  necem. 

122.  Contra  ist  bei  Plaut,  und  Ter.  noch  Adverb  und  wird  erst 
mit  der  klass.  Zeit  Präpos.  So  bildet  sich  aus  der  Bedeutung  des  Adv. 
co^itra  der  verschiedene  Gebrauch  der  Präposition  heraus,  und  zwar  ent- 
spricht dem  summa  vi  contra  nititur  bei  Cato  die  Bedeutung  der  Richtung 
und  hier  zumeist  der  feindlichen,  wie  sie  die  Präpos.  contra  von  Cic.  Caes. 
nb  allenthalben  in  der  Folgezeit  aufweist;  dem  plautinischen  cedo  tris  mihi 
homines  aurichaico  contra  (Mil.  657,  aurichalco  ist  Abi.  pret.)  gleicht  Varro 
r.  r.  1,  2,  10  tibi  poma  veneunt  contra  aurtwi,  welchen  Gebrauch  noch 
Plin.  mai.  und  Petron  aus  der  Vulgärsprache  übernommen  haben;  und 
wenn  Plaut,  sagt  Pers.  13  quis  illic  est  qui  contra  me  adstat?  so  können 
wir  damit  das  seit  Caesar  namentlich  bei  den  Historikern  übliche  contra 
zur  Bezeichnung  der  Lage,  z.  B.  Caes.  b.  g.  4,  20  regiones  quae  sunt  contra 
Gallias  in  Beziehung  setzen. 

123.  Ultra  ist  adverbialer  Ablativ  von  uUer,  welches  selbst  sich 
von  uls  herleitet.  Uls  (die  Form  ultis  ist  eine  grammatische  Fiktion)  hat 
sich  in  alten  Formeln  und  in  der  konservativen  Rechtssprache  erhalten, 
z.  B.  eis  Tiberim  et  uls  Tiberim  (vgl.  Gellius  12,  13,  8);  sonst  ist  es  sehr 
frühe  verschollen,  und  es  haben  sich  trans  und  ultra  in  seine  Erbschaft 
geteilt.  Das  letztere  ist  in  lokaler  Bedeutung  als  Präp.  schon  bei  Cato 
p.  10,  20  ultra  agrum  Ficentium  nachgewiesen;  von  da  ab  finden  wir  es 
bei  Varro  Cornif.  Cic.  Caes.  u.  a.  lokal,  seit  Livius  41,  10,  13  non  uUra 
triduum  moratus,  Celsus  (z.  B.  2,  8  ultra  septimum  diem)  und  Vell.  Pat. 
auch  temporal,  besonders  in  der  silbernen  Latinität,  ferner  klassisch  und 
nachklassisch,  um  das  Überschreiten  des  Gebührenden  zu  bezeichnen,  bei 
Vell.  sogar  mit  persönlichem  Objekt,  z.  B.  2,  88  ultra  feminam  mollitiis  fluens. 
Ultra  hat  sein  Gebiet  im  N.  Kl.  und  im  Sp.  L.  bedeutend  erweitert;  so 
verdrängte  e^  praeter  ganz,  vgl.  Capit.  Ant.  philos.  11,  9  qui  ultra  vecti- 
(ßalia  quicquum  ab  aliquo  cxegissent,  und  wurde  oft  für  supra  und  super 
gebraucht.     Es  ging  auch  in  die  roman.  Sprachen  über. 


1  Der  einfache  Satz:  a.  Der  fiehanptiuigfiBatz.  (122—126)  445 

124.  Citra  leitet  sich  her  von  eis.  Dies  letztere  wird  lokal  schon 
in  alter  Zeit  gebraucht  (siehe  uls),  in  die  Litterärsprache  aber  ist  es  in 
dieser  Bedeutung  erst  mit  Cicero  aufgenommen  worden.  Temporal  kon- 
struieren es  Plaut.,  dann  Sali,  und  Ovid,  hierauf  erst  wieder  spätere  Pro- 
saiker, z.  B.  Aur.  Victor.  Citra  wird  erst  mit  der  klass.  Zeit  Präpos., 
lokal  bei  Cic.  Caes.  Liv.,  temporal  zuerst  bei  Ovid,  dann  bei  Colum.  und 
Späteren.  Aus  der  räumlichen  Bedeutung  entwickelt  sich  der  mit  Liv. 
und  den  aug.  Dichtern  (Ovid)  aufkommende  und  namentlich  im  silbernen 
Latein,  auch  bei  Quint.,  weitverbreitete  Gebrauch  von  citra  =  „ohne", 
z.  B.  Celsus  4,  12  adhihendi  glutinosi  cibi,  sed  citra  satietateni  „ohne  sich 
damit  zu  sättigen  *";  besonders  Quintil.  und  Plin.  mai.  sind  reich  an  Bei- 
spielen hiefttr,  Tacitus  aber  kam  in  seinen  grösseren  Werken  ganz  von 
citra  zurück;  indes  hat  es  Amm.  22,  7,  5  citra  spem  veniae  noch  gebraucht. 
Vielleicht  darf  man  aus  der  Vorliebe  der  juristischen  Sprache  (nur  Gaius 
hat  es  nicht  angenommen)  für  citra  darauf  schliessen,  dass  citra  =  „ohne** 
schon  frühe  üblich  war,  aber  erst  mit  der  silbernen  Latinität  in  die  Schrift- 
sprache Eingang  finden  konnte. 

125.  Extra,  gleichfalls  adv.  Abi.  von  exter  wird  schon  bei  Plaut, 
und  Ter.  als  Präp.  verwendet  und  findet  sich  so  allenthalben,  um  räum- 
lich oder  übertragen  den  Ausschluss  zu  bezeichnen. 

126.  Intra  ist  adv.  Abi.  von  inter.  Auch  letzteres  wurde  prä- 
positioual  verwendet,  ja  überwiegend,  denn  sein  adverb.  Gebrauch  ist  sehr 
beschränkt.  Als  Präp.  hat  int  er  lokale  und  temporale  Bedeutung;  in 
ersterer  bezeichnet  es  „zwischen  zweien  oder  mehreren  Dingen*  oder 
„innerhalb  eines  Raumes  oder  einer  Strecke*.  Daraus  erklärt  sich  dann, 
wie  inter  den  Vorzug,  die  Gegenseitigkeit  u.  ä.  bedeuten  kann.  Offenbar 
vulgär  war  inter  viam  bei  Plaut.  Ter.  Cic.  ad  Att.  Suet.  (vgl.  Jordan, 
Krit.  Beitr.  p.  271);  zuerst  bei  Sali.,  dann  häufig  im  silb.  Latein,  hier 
auch  mit  persönlichen  Begriffen  verbunden,  findet  sich  inter  zur  Bezeichnung 
der  bei  einer  Handlung  obwaltenden  Umstände,  z.  B.  Tac.  bist.  1,  34 
credida  fama  inter  gaudentes  et  incuriosos  {=  cum  onines  gauderent  et  in- 
curiosi  essent);  nur  nachklassisch  wurde  inter  paucos  gebraucht  (Liv.  Curt. 
Plin.  mai.  Quint.  Tac),  wie  auch  inter  zur  Bezeichnung  der  Bewegung 
(seit  Verg.  u.  Liv.,  z.  B.  inter  patres  lectus,  auch  bei  Quint.,  Gellius, 
Ammian).  Temporal  findet  sich  inter  allenthalben,  aber  bei  Cic.  vorzugs- 
weise nur  in  epp.,  z.  B.  inter  cenam;  mit  Gerundium  treffen  wir  es  wohl 
bei  Plaut.,  dann  aber  erst  wieder  bei  Verg.,  im  silb.  und  spät.  Latein, 
z.  B.  inter  agendum.  Für  interea  findet  sich  seit  Celsus  und  Livius 
auch  inter  haec  und  inter  quae,  das  letztere  besonders  bei  Tac,  Curtius, 
Ammian. 

Intra  mit  dem  Akk.  giebt  die  Grenze  an,  innerhalb  welcher  die  Aus- 
sage gilt.  Dies  bezieht  sich  ebensowohl  auf  räumliche,  wie  auf  zeitliche 
Verhältnisse;  in  letzterem  Falle  jedoch  wird  intra  von  Cic.  nicht  gebraucht, 
wohl  aber  von  Caes.  b.  G.  6,  21,  5  intra  annum  vicesimum,  von  Sallust 
und  sonst  vor-  und  nachkl.  Dem  Kurialstil  ist  eigentümlich  intra  =  ante, 
z.  B.  si  filiiis  mens  intra  pubertatem  decesserit.  Übertragen  finden  wir 
intra  seit  der  klassischen  Zeit  verwendet,   so   intra  legefn  bei  Cic,  intra 


446  ^-  LateinisGlie  Grammatik,    d)  Lateinische  83riitax» 

fincm  sui  iuris  bei  Livius;    häufiger   wird   der  Gebrauch   bei   Celsus,    dem 
jung.  Plin.  Quint.  und  Späteren. 

127.  Infra  (adv.  Abi.  =  infera)  wird  vor  Terenz  nicht  gebraucht, 
und  hier  nur  Eun.  489  infra  infunios;  Sisenna  fr.  53  infra  Vesuvium  ver- 
wendet es  lokal,  Lucr.  hat  es  wiederholt  als  Adv.,  aber  nur  4,  112  infra 
sensus  nostros  als  Präp.  Mit  der  klass.  Zeit  wird  es  häufiger  und  dient 
zur  Bezeichnung  des  Ortes,  der  Zeit  (nur  Cic.  Brut.  40),  namentlich  aber, 
wie  schon  bei  Ter.  u.  Lucr.,  der  Unterordnung;  in  letzterer  Bedeutung 
geht  es  von  Cic.  u.  Caes.  an  durch  die  ganze  Latinität,  tritt  jedoch  im  Sp. 
L.  sehr  zurück,  wie  es  z.  B.  Apoll.  Sidon.  und  die  scr.  h.  Aug.  nur  je 
einmal  haben. 

128.  Supra  (adv.  Abi.  =  supera,  in  welcher  Form  wir  es  auf  Inscr. 
(Stolz  S.  277),  bei  Lucr.  und  sogar  bei  Cic.  Arat.  trefifen)  ist  schon  frühe  als 
Präpos.  verwendet  worden,  so  bei  Plaut.  Enn.,  öfters  bei  Lucr.,  hier  wohl 
zuerst  temporal;  Caes.  hat  es  wenn  auch  selten  in  lok.  und  temp.  Be- 
deutung, Cic.  nur  lokal.  Eine  vulgäre  Verwendung  ist  auf  Inschriften, 
bei  Vitruv  und  Curtius  darin  zu  erblicken,  dass  supra  die  Aufsicht  be- 
deutet, z.  B.  supra  coquos.  Als  Gegenstück  zu  intra  bezeichnet  supra  auch 
seit  Cic.  über  ein  Mass  hinausgehend,  z.  B.  supra  aetatem,  bei  Celsus  und 
Livius,  während  Tac.  u.  Sueton.  super  gebrauchen,  auch  über  eine  Zahl 
hinaus,  z.  B.  supra  tres  esse  non  debent  Dass  es  in  letzterer  Bedeutung 
mit  ultra  konkurriert,  darüber  vgl.  Poll.  Gall.  3,  8  supra  modum  u.  Tyr. 
30,  15  ultra  femineum  modum,  u.  oben  §  123;  aus  klass.  Zeit  praeter 
modum  Cic.  div.  1,  100. 

129.  Circum  ist  der  Akk.  von  circus,  circa  ein  adv.  Abi.  von  der- 
selben Wurzel,  beide  bedeuten  »im  Kreise  herum". 

Circum  findet  sich  in  lokaler  Bedeutung  zu  allen  Zeiten,  in  tem- 
poraler nur  bei  Vitruv  8,  6,  28  circum  vemum  tempus;  aber  nie  dient  es 
zur  Bezeichnung  übertragener  Verhältnisse. 

Circa  dagegen  vereinigt  alle  diese  Bedeutungen  in  sich,  allein  es 
kommt  erst  in  der  klass.  Zeit,  und  zwar  zuerst  als  Präp.,  dann  als  Adv. 
vor.  Caesar  wollte  an  circum  festhalten  {circa  steht  vielleicht  nur  b.  c, 
3,  31),  Cicero  jedoch  neuerte  circa  in  Analogie  von  extra,  infra  u.  a.,  Nepos 
und  Livius  schlössen  sich  ihm  an,  und  so  treffen  wir  circa  in  räumlicher 
Beziehung  seit  Hör.  und  Livius  zur  Bezeichnung  der  Zeit  und  des  Un- 
gefähren in  Mass  und  Zahl,  ebenso  seit  Her.  zur  Angabe  des  Gebietes, 
innerhalb  dessen  sich  eine  Handlung  bewegt,  z.  B.  Fronte  p.  132,  5  circa 
causas  belli  diu  commoraberis.  In  der  silbernen  Latinität  schon  entwickelt 
sich  hieraus  noch  die  Bedeutung  „inbetreff",  z.B.  bei  Quintil.  Gellius  und 
besonders  später  in  der  Vulg.  (circa  fidem  naufragaverunt)^  bei  Justin  Eutrop 
Amm.  Sulp.  Sev.  scr.  h.  Aug.;  spätlat.  wird  das  lokale  circa  =  „neben*", 
z.  B.  Vulg.  aliud  cecidit  circa  viam. 

Circitcr  verrät  sich  durch  seine  Endung  als  Adv.,  und  dies  ist  auch 
sein  gewöhnlicher  Gebrauch.  Als  Präpos.  findet  es  sich  selten,  doch  schon 
bei  Plaut,  und  nur  hier  lokal;  die  temporale  Verwendung  ist  gleichfalls 
schon   plautinisch,    dann   klassisch   und   später  noch  vereinzelt  anzutreffen. 

130.  Praeter  als  Adv.    hat  ausser  Lucrez  noch  Sali.,  dann  Gellius 


1.  Der  einfache  Satz:  a.  Der  fiehanptimgsBatz.  (§127-133.)  447 

und  Justin,  in  gewissen  Verbindungen  wie  2^^<^^^^Q^^^^  &uch  das  Altlat. 
Als  Präposition  bezeichnet  es  in  allen  Zeiten  den  Ort,  an  welchem  vorbei 
etwas  geschieht,  und  übertragen,  was  über  etwas  hinausgeht,  z.  B.  praeter 
opinionem,  schliesslich  den  Vorrang,  wobei  praeter  omnes  von  Horaz  allein 
nach  Plaut,  gebraucht  wird.  In  dem  Sinn  von  „ausser*^  lesen  wir  praeter 
auch  schon  bei  Plautus,  z.  B.  Merc.  585,  dann  aber  namentlich  in  der 
klassischen  Zeit,  auch  bei  Liv.  und  Späteren;  praeter Jiaec  ist  unklassisch, 
es  findet  sich  seit  Celsus  im  nachklassischen  Latein,  im  Altlat.  steht  dafür 
praeterheic,  klassisch  nur  praeterea  (was  z.  B.  Tac.  gar  nicht  hat). 

131.  Secundum  ist  der  Akk.  von  secundtiSy  einer  Partizipialform 
von  sequar  (vgl.  anundtis  von  orior).  Es  wird  zunächst  als  Adverb.,  aber 
bei  Plaut,  schon  als  Präpos.  verwendet  und  bezeichnet  seiner  Abstammung 
entsprechend  die  Richtung  im  Räume,  in  der  Bedeutung  „längs^  auch  bei 
Klassikern  (die  Ortsruhe  nur  in  e.  Plautusfragmente  und  bei  Serv.  ad  Farn. 
4,  12.);  übertragen  auf  die  Zeit  und  den  Rang  gebraucht  es  das  Altlat.  und 
Cic,  nicht  Caesar  u.  Sallust,  aber  oft  Liv.,  nicht  Tac.,  eigentümlich  Fronto 
und  Apuleius:  Ario^i  secundum  quaestum  profectus,  aber  entsprechend  der 
Etymologie;  in  der  Bedeutung  „ gemäss ""  findet  es  sich  bis  in  die  spätesten 
Zeiten  herab,  oft  bei  eccl.,  aber  nicht  bei  Amm.,  welcher  secundum  gar 
nicht  kennt.  Aus  ülpian  Dig.  49,  1,  14,  1  secundum  adversarium  setitentia 
datur  erkennen  wir  einen  Brauch  der  Rechtssprache,  der  sich  bis  auf  späte 
Zeiten  herab  in  gewissen  Formen  erhalten  und  auch  Analogiebildungen 
hervorgerufen  hat.  Das  vulgäre  secus,  welches  ähnlich  wie  trans  ur- 
sprünglich ein  Partizip  war,  vgl.  Zimmermann  in  Wölflflins  Archiv  IV, 
p.  602,  lesen  wir  schon  bei  Cato  und  noch  bei  Hieronym.,  auch  auf  In- 
schriften, z.  B.  corp.  inscr.  Lat.  III  Nro.  6418  hie  est  occisus  secus  Titum 
flunien,  Orelli  7170  secus  merita  dus, 

132.  Versus,  in  vulgärer  Form  versum,  kommt  erst  in  klassischer 
Zeit  als  Präpos.  vor  (vielmehr  als  Postposition,  denn  es  wird  immer  nach- 
gestellt, z.  B.  Ttomam  versus)^  vor  dem  Subst.  erstmals  im  b.  Hisp.  21,  3 
reliquos  versum  oppidum  iussit  deduci,  auch  auf  Inschriften,  offenbar  in 
vulgäi'er  Stellung.  Manchmal  geht  dem  versus  ein  ad  (nicht  bei  Cicero) 
oder  in  voraus,  z.  B.  Caes.  b.  G.  6,  33  ad  Oceanum  versus,  Cic.  Lael.  96 
in  forum  versus;  tritt  nun  ad  und  versus  zusammen,  so  erhalten  wir  die 
Präp.  adversus.  Dieselbe  findet  sich  noch  selten  im  Altlat.,  öfter  bei 
Cic.  Liv.  und  Tac,  vereinzelt  bei  Caes.  und  Sali.,  häufig  bei  Celsus,  Plin. 
mai.,  Suet.  Erst  seit  der  klassischen  Zeit,  so  bei  Cic.  Liv.  Sen.  phil. 
Tac.  bezeichnet  es  auch  die  freundliche  Richtung  oder  überhaupt  die 
Stellung  gegenüber  jemandem,  z.  B.  Brutus  ep.  2,  3,  5  secreto  consUio 
adversus  Pansam^  was  dann  bei  Tac.  häufiger  wird.  Das  archaische 
exadversum  erscheint  als  Präpos.  zuerst  bei  Cic.  und  Nepos,  von  da 
ab  vereinzelt  bis  zu  den  Archaisten. 

133.  Trans  ist  eig.  ein  Partiz.  =  überschreitend;  es  wird  der  ur- 
sprünglichen Bedeutung  entsprechend  regelmässig  mit  Gegenständen  ver- 
bunden, welche  zwei  Seiten  darbieten,  z.  B.  trar^  flumen,  Alpes  u.  ä. 
Über  diese  räumliche  Bedeutung  ging  es  nicht  gerne  hinaus,  und  so  finden 
wir  modales  trans^  abgesehen  von  Hör.  ep.  1,  6,  51  Irans  pondera  nur  bei 


448  ^*  iiaieinische  Grammatik,    d)  Lateiniflohe  &3riitax. 

Stat.  Th.  2,  386  trans  legem  und  Sp.  L.,  z.  B.  Ps.  Quint.  decl.  6,  10  poena 
trans  hominem  =  eine  übermenschliche  Strafe.  Trans  ist  frühzeitig  zurück- 
getreten und  in  Italien  beizeiten  ausgestorben. 

134.  Urga  (=  ex  rega  „gegenüber**)  findet  sich  in  seiner  ursprüng- 
lichen Bedeutung  ganz  selten,  sicher  nur  bei  Apuleius.  Seine  Haupt- 
verwendung ist  die  Bezeichnung  der  freundlichen  Richtung;  die  feindliche 
Richtung  wird  zwar  auch  bei  Plaut,  u.  Ter.,  dann  bei  Nepos,  Liv.  Tac. 
Gurt.  u.  Späteren  durch  erga  ausgedrückt,  aber  nicht  bei  Gic.  Gaes.  Sali. 
Wie  adversus  dient  es  häufig,  namentlich  bei  Tac.  und  später  noch  bei 
scr.  h.  A.  und  Ammian,  im  Altlat.  und  bei  Gic.  ganz  vereinzelt,  um  über- 
haupt das  Verhalten  einer  Person  oder  Sache  gegenüber  anzugeben,  z.  B. 
Tac.  ann.  2,  2  fastu  erga  patrias  epulas. 

135.  Per  bezeichnet  eine  Bewegung,  und  zwar  ebensowohl  im  Räume, 
wie  in  der  Zeit.  Aus  der  räumlichen  Bedeutung  entwickelt  sich  die  in- 
strumentale und  hieraus  die  modale,  sowie  die  kausale;  die  erstere  ist  bei 
Sali.,  dann  bei  Liv.,  auch  bei  Tac.  und  den  von  ihnen  abhängigen  Histo- 
rikern beliebt,  ebenso  bei  den  Archaisten  und  im  Spätlat.,  wo  es  geradezu 
mit  dem  Abi.  synonym  erscheint,  z.  B.  Hieronym.  ep.  58,  3  si  loca  sanctu 
per  idola  pollument,  die  letztere  findet  sich  allenthalben  bis  in  die  späteste 
Zeit,  z.  B.  per  amarem,  per  metum  u.  ä.  Per  haec  oder  quae  und  über- 
haupt die  Verbindung  von  i;6r  mit  Pron.  u.  Adi.  neutra  ist  erst  in  der 
nachklassischen  Zeit  aufgekommen,  ähnlich  wie  inter  luiec  etc.  —  Wichtig 
ist,  dass  die  Volkssprache  schon  frühe  per  statt  ab  beim  Pass.  brauchte, 
vgl.  Q.  Met.  bei  Gic.  Fam.  5,  1,  1  fratreni  per  te  oppugnatam  in,  was 
Gic.  Fam.  5,  2,  6  in  fratrem  tuuni  a  nie  oppugnuri  korrigierte.  Dies  pe^r 
für  ab  findet  sich  häufig  im  Sp.  L.  bei  scr.  h.  Aug.,  Amm.,  Sulp.  Sev. 
Oros.  Apoll.  Sidon.  u.  a. 

bb.   Präpositionen  mit  Ablativ. 

136.  A,  ab,  abs  heissen  „von  —  her"  und  bezeichnen  die  Richtung 
im  Räume.  Im  Altlat.  ist  die  Form  ab  überwiegend,  sie  steht  vor  Vokalen 
und  vor  i,  s,  r  regelmässig,  häufig  vor  d,  1,  n,  t,  a  ist  selten  und  nur  vor 
konsonantischem  Anlaut.  Allmählich  aber  überwiegt  vor  Konsonanten  a 
und  seit  der  aug.  Zeit  wird  regelmässig  ab  vor  Vokalen,  a  vor  Konsonanten 
gesetzt;  die  seltenere  alte  Form  abs  wird  nur  vor  q  und  t  und  dies  nicht 
überall,  z.  B.  von  Gic.  in  bester  Zeit  nur  a  te  an  Stelle  des  vulgären 
abs  te  gebraucht.  Daneben  erscheint  (vgl.  oben  Stolz  S.  293)  af  auf 
Inschriften,  und  zwar  der  republikanischen  und  der  Kaiserzeit,  aber  nur 
vor  Konsonanten,  z.  B.  af  vobeis.  Aus  der  lokalen  Bedeutung  hat  sich  die 
temporale,  kausale  und  limitierende  entwickelt.  Die  letztere  ist  im  ganzen 
selten,  doch  schon  bei  Plaut,  (mil.  628)  und  bei  Ennius  Fab.  79  M.  zu 
finden,  bei  Gaes.  b.  Q.  3,  26  intritac  ab  labore,  bei  Sali.  Jug.  48,  3  vastus 
ab  natura,  bei  Gicero  zumeist  in  den  Briefen,  z.  B.  ad  Att.  5,  18,  2  locw" 
copiosu^  a  frumcnto,  ebenso  in  epp.  an  Gic,  später  bei  Livius,  z.  B.  1,  32,  3, 
Fronte,  Gellius.  Eine  besondere  Art  entwickelt  sich  in  der  Kaiserzeit  zur 
Bezeichnung  der  Hofamter,  z.  B.  a  libeUis,  ab  epistulis;  dies  mochte  indes 
durch  den  Usus  vorbereitet  sein,  indem  man  im  gewöhnlichen  Leben  a  manu 


1.  Der  einfache  Satz:  a.  Der  Behanpinngssatz.  (§  133—188.)  449 

servuSy  a  pedibus  u.  ä.  sagte.  —  Zur  Bezeichnung  der  Veranlassung  und 
des  Beweggrundes  wird  seit  Livius  ab  verwendet,  so  besonders  ab  ira,  ab 
odio;  auch  dieser  Brauch  stammt  aus  der  Umgangssprache,  wie  Hygin 
48,  24  ab  serpentis  morsu  obiit  und  schon  Baibus  bei  Cic.  Att.  9,  7  B,  3 
me  ab  singulari  amore  ac  bmevolentia  quaecumque  scribo  scribere  zeigt; 
dem  Cic.  ist  er  jedoch  durchaus  fremd.  —  Während  Cicero  von  Rom  klass. 
=  Cicero  Romantis  ist,  finden  wir  schon  bei  Varro,  dann  bei  Liv.,  bei 
Dichtern  und  besonders  im  Sp.  L.  ab  verwendet,  z.  B.  bei  Sulp.  Sev. 
Narcissus  a  Nerofiopoli.  —  Im  allgemeinen  ist  festzustellen,  dass  in  der 
Volkssprache  die  Präpos.  ab  sehr  häufig  und  zwar  im  Interesse  der 
Deutlichkeit  gebraucht  wird,  wo  die  klassische  Sprache  sie  entbehrlich 
findet;  die  nachklassische  Latinität  nimmt  zumeist  die  Eigentümlichkeit  der 
Volkssprache  an,  die  späte  Latinität  ist  geradezu  überschwänglich  hierin.  — 
Bezüglich  der  mit  a,  de,  ex  zusammengesetzten  Verba  gilt  für  die  klassische 
Sprache  die  Regel,  dass  dieselbe  Präposition  oder  eine  synonyme  beim 
Subst.  wiederholt  wird,  z.  B.  egredi  ex  urbe,  bei  den  Historikern  steht 
gewöhnlich  der  blosse  Abi.,  z.  B.  egredi  finibus^  der  Akk.  dabei  ist  nach- 
klassisch, z.  B.  egredi  modum  (Hildebrand  im  Dortmunder  Progr.  1858 
u.  1859,  Anton,  Stud.  I  S.  72  ff.). 

137.  De  hat  sich  als  Adv.  erhalten  bei  Ennius  ann.  401  M.  de  me 
hortattir  und  in  der  Redensart  susque  deque;  als  Präpos.  hat  es  lokale, 
temporale  und  verschiedene  adverbiale  Bedeutung.  Statt  des  Akk.  findet 
sich  de  bei  Nepos,  z.  B.  10,  7  de  quo  commemoravi,  ebenso  im  b.  Afr., 
selten  bei  Cic.  und  Caes.,  oft  bei  Sali.,  bei  Vitruv  namentlich  nach  dem 
Gerundium,  z.  B.  280,  14  est  expli^andum  de.  Zur  Bezeichnung  der  Her- 
kunft einer  Person,  Sache  oder  ihres  Namens  haben  Dichter  hauptsächlich 
de  verwendet,  z.  B.  de  nomine,  ebenso  Tacitus  und  die  spätere  Latinität, 
z.  B.  noch  Hieronym.  Paulus  apostolus  de  tribu  Benjamin.  Schon  frühe 
konkurriert  de  mit  dem  Gen.  part.,  auch  in  der  klass.  Zeit,  wenn  auch 
hier  auf  gewisse  Verbindungen  beschränkt;  schon  Vitruv,  namentlich  aber 
die  spätere  Lat.  geht  darin  viel  weiter,  so  besonders  die  eccl.  De  ent- 
sprechend dem  französischen  Teilungsartikel  lesen  wir  erst  Sp.  L.  in  der 
Peregrinatio  ad  loca  sancta,  z.  B.  de  pomis  =:  des  pommes.  Ebenso  verhält 
es  sich  mit  de,  wenn  es  die  Materie  bezeichnet;  auch  dieser  Gebrauch  wird 
im  Spätlat.  aufs  ausgiebigste  kultiviert,  wie  überhaupt  „de  est  la  prepositio^i 
favorite  de  la  laHnife  2>osterieure'' {Ot'ölzer).  Dies  macht  sich  auch  gegenüber 
ab  und  ex  geltend,  welche  sich  sogar  nach  ihren  Kompos.  nicht  halten  können, 
z.  B.  de  conspeciu  evaniiif^  de  regno  est  ciectus]  ja  ex  wird  von  de  geradezu 
erdrückt,  da  auf  die  Frage  woher?  in  der  Peregrinatio  ad  loca  sancta  nur 
noch  de  vorkommt.  Ausschliesslich  spätlat.  ist  das  instrumental  erscheinende 
de,  z.  B.  Ammian  29,  3,  8  proteciores  de  fustibus  caesij  sowie  de  =  anstatt, 
z.  B.  Dracont.  5,  218  meruit  de  clade  salutem  (Rossbero,  Progr.  Hildes- 
heim 1888  p.  7).  Die  Konkurrenz  zwischen  Gen.  und  de  macht  sich  auch 
bei  Adj.  geltend,  z.  B.  securus  de  sua  mente;  in  den  romanischen  Sprachen 
hat  de  bekanntlich  den  Sieg  davongetragen  und  allmählich  die  Auflösung 
des  Genetivs  herbeigeführt. 

138.  E,  ex  hat  in  V.  compos.   z.  B.   ecfari  die   mit  dem  Osk.  und 

Handbuch  der  klass.  Alterluiu5.wi.sscnachaft.  II.    2.  Aufl.  29 


450  B*  Lateinischö  Grammatik,    d)  LateinisGlie  &3rntax. 

Griech.  gemeinschaftliche  Form  bewahrt;  ebenso  alt  ist  die  Form  ex, 
welche  bis  in  die  aug.  Zeit  herein  überwiegt,  später  und  selten  ist  e. 
Auch  ex  ist  lokal,  temporal,  kausal  und  modal.  In  der  Entwicklung  ist 
nichts  besonderes  hervorgetreten. 

139.  Sine  ist  entstanden  aus  dem  ursprünglich  demonstrativen  In- 
strumentalis si  und  der  Negation  ne  =  „so  nicht*;  dafür  konnte  auch 
nesi  gesagt  werden  (Festus  p.  165).  Es  findet  sich  allenthalben  gleich- 
massig;  über  die  Konkurrenz  von  citra  vgl.  §  124. 

140.  Cum  lautete  ursprünglich  quoiUy  so  noch  bei  Plaut,  z.  B.  Rud. 
528  quom  vestimentis,  später  wurde  cum  als  Präpos.  von  quom  der  Konj. 
geschieden,  bis  schliesslich  in  cum  wieder  Präp.  und  Konj.  zusammen- 
flössen. Im  Gebrauche  von  cum,  welches  ursprünglich  lokal  zu  fassen  ist, 
z.  B.  vimt  cum  Balho  „da  wo  Baibus**,  hat  die  Entwicklung  der  Sprache 
nichts  besonders  geschaffen;  es  bezeichnet  entsprechend  seiner  Grund- 
bedeutung Begleitung,  Verbindung,  Gleichzeitigkeit  u.  ä.  Nur  das  ist 
bemerkenswert,  dass  orare  cum  allquo  u.  ä.,  welches  sich  bei  Plautus  findet, 
erst  wieder  bei  Fronto  und  Gellius  in  quaeso  tecum  auftaucht,  dass  cum 
dis  volentibus  bei  Ennius  und  Cato  allein  von  Gellius  aufgegriffen  wird  und 
dass  im  Sp.  L.  sich  auch  instrumentales  cum  findet,  z.  B.  Sulp.  Sev.  2, 
41,  3  propriis  cum  sumptlbus  vivere. 

141.  Prae  hat  sich  als  Adv,  im  Altlat.  erhalten,  z.  B.  abi  prar 
und  taucht  dann  im  Sp.  L.  bei  Sidon.  und  Claud.  Mam.  wieder  auf,  z.  B. 
moneo  praeque  denuntio.  Als  Präpos.  in  lokaler  Bedeutung  findet  es  sich 
bei  den  Kom.  und  Archaisten  in  der  Phrase  prae  manu,  in  klass.  Zeit  nur 
mit  V.  der  Bewegung,  z.  B.  prae  se  mitfere,  nachklass.  und  Sp.  L.  z.  B. 
bei  Ammian  auch  mit  V.  der  Ruhe.  Einen  Vergleich  bezeichnet  prae 
schon  bei  Plaut.,  dann  allenthalben,  aber  selten  (nicht  bei  Sali.),  ferner 
einen  Grund,  in  klass.  Sprache  und  bei  Liv.  nur  in  negativen  Sätzen,  z.  B. 
prae  Jassitudine  nequibant,  affirmativ  bei  Komikern,  bei  Cornif.  4,  45,  Curt. 
Suet.  Fronto,  Anim.  Dict.  Cret.  Sulp.  Sev.,  z.  B.  1,  18,  1  prae  thnore 
inliorruit. 

142.  Pro  hat  sich  als  Adv.  nur  in  den  Zusammensetzungen  pro  quam, 
j)ro  ut  erhalten.  Als  Präpos.  findet  es  sich  in  der  ganzen  Latinität,  im 
Altlat.  nicht  in  lokaler  Bedeutung,  aber  oft  seit  der  klass.  Zeit,  ebenso  zur 
Bezeichnung  des  Schutzes.  Die  Stellvertretung,  wirkliche  oder  nur  ver- 
gleichsweise angenommene,  wird  durch  pro  schon  bei  Plaut,  bezeichnet, 
ebenso  das  Verhältnis,  z.  B.  i>/'ö  copia,  pro  viribus;  dabei  ist  quam  jvo 
nach  einem  Komparativ  erst  seit  Livius  in  Übung  gekommen.  Dem  Kurial- 
stil  gehört  2^^'^  in  Verbindung  mit  iwpcriumy  potestas  etc.  an.  Kausales, 
finales  und  instrumentales  pro  ist  Sp.  L.,  z.  B.  pro  amore  (vgl.  altfranzös. 
pro  deo  amur),  Hier.  adv.  Ruf.  1,  8  Pam2)hili  Jibrum  pro  defensione  Origenis. 

143.  Cor  am  wird  erst  seit  Cicero  als  Präposition  gebraucht,  aber 
auch  bei  ihm,  Nepos  Sali.  u.  Plin.  mai.  ganz  vereinzelt;  häufiger  finden 
wir  es  nur  bei  Tac.  in  den  Annalen,  hier  aber  immer  seinem  Subst.  nach- 
gestellt.    Mit  dem  Gen.  lesen  wir  coram  in  der  Vulg. 

144.  Pal  am  kommt  erst  mit  den  august.  Dichtern  als  Präpos.  auf, 
dann  findet  es  sich  so  bei  Liv.  u.  Petron  und  vereinzelt  bei  Spät.,  auch  in 


1.  t>er  einfache  Satz:  a.Der  BehanptnngsaatE.  (§139  -148.)  451 

der  Vulg.,  z.  B.  palam  ipsis.  —  Procul  wird  in  der  alten  und  klassischen 
Sprache  nur  als  Adv.  getrofifen;  zuerst  verwendet  es  Lucr.  als  Präpos. 
mit  Abi.,  dann  Hör.  Liv.  Tac.  u.  Spät.  Auch  simul  wird  bei  Dichtern 
(Hör.  Ovid  Sil.)  und  Tac.  als  Präp.  mit  dem  Abi.  verbunden,  vgl.  Sil.  5,  418 
mmlsa  protinus  Jmsü  ore  simul  cervix.  —  Usque  findet  sich  erstmals  bei 
Ter.  Ad.  655  als  Präp.  mit  dem  Akk.  eines  Städtenamens;  diesen  Gebrauch 
hat  Cic.  übernommen,  z.  B.  Q.  fr.  1,  1,  42  usque  Romam.  Andere  Orts- 
bezeichnungen bei  usque  haben  die  nachklass.  Dichter,  in  Prosa  Vell.  u. 
Plin.  n.  h.,  aber  nicht  Tac.  u.  Suet.,  vereinzelt  die  späteren  Historiker, 
häufig  aber  die  christl.  Autoren.  Überhaupt  mit  örtlichen  Begriffen  hat  es 
schon  Cato  r.  r.  49,  2  usque  radices  persequito,  dann  Celsus,  Quint.  11,  3, 
131,  häufig  die  Sp.  L.  Temporales  usque  findet  sich  im  Datum  schon  bei 
Cic,  dann  bei  Liv.,  im  silb.  Lat.  (nicht  Plin.  n.  h.),  häufig  im  Sp.  L. 

145.  Tenus  ist  ein  Subst.  =  »die  Strecke";  es  findet  sich  als  Präpos. 
zuerst  in  den  Aratea  des  Cic,  dann  bei  Catull,  Lucrez  und  Caelius,  hierauf 
bei  Verg.  Ovid  und  unter  dem  Einflüsse  Verg.  in  der  silb.  Lat.  bei  Val. 
Max.,  später  oft  bei  Apul.  Amm.  Der  Genetiv  bei  tenus  wird  zumeist 
vom  Plural  gebraucht,  z.  B.  Cumarum  tenus,  der  Abi.  im  Sing.,  z.  B. 
capulo  tenus ;  übrigens  ist  der  Gen.  bei  ten^is  vorwiegend  poetisch,  vielleicht 
durch  den  Zwang  des  Metrums  und  die  Analogie  von  /<*^?t  besonders  her- 
vorgerufen. Mit  dem  Akk.  konnte  tenus  erst  verbunden  werden,  als  es 
vollständig  Partikel  =  usque  geworden  war,  so  bei  Val.  Flacc,  Auson.  u.  a., 
z.  B.  Tanain  tenus.   Erschöpfend  behandelt  von  Wölfflin,  Archiv  I  p.  415  ff. 

146.  Fine  als  Präpos.  mit  dem  Abi.  haben  Plaut,  u.  Cato,  dann  erst 
wieder  die  späteste  Zeit;  mit  dem  Genetiv  findet  es  sich  auch  in  der  Zeit 
Ciceros,  aber  nur  im  b.  Afric,  bei  Sali,  in  den  Hist..  dann  bei  Ovid,  bei 
Hygin,  Apul.,  in  übertragener  Bedeutung  namentlich  bei  den  Juristen, 
z.  B.  fini  quadrantis  compensabitur,  —  Foris  als  Präpos.  ist  ausschliess- 
lich Sp.  L.,  z.  B.  bei  Vict.  Vit.  Lucif.  Cal. 

147.  Absque  ist  bei  Plaut,  u.  Ter.  auf  den  Konditionalsatz  beschränkt 
(vgl.  §  208),  von  da  ab  verschwindet  es  aus  der  Schriftsprache,  offenbar 
von  den  litterarischen  Kreisen  des  jung.  Scipio  in  Acht  und  Bann  gethan. 
Sehen  wir  von  der  Stelle  bei  Quint.  7,  2,  44  absque  sententia  ab,  so  er- 
scheint absque  erst  wieder  bei  den  Archaisten,  um  aber  von  jetzt  an  sich 
nicht  mehr  verdrängen  zu  lassen.  Es  ist  sehr  häufig  im  Bibellatein  und 
den  davon  abhängigen  Schriften  und  lässt  sich  bis  ins  VIH.  Jahrhundert 
herab  verfolgen;  um  so  merkwürdiger  ist,  dass  es  sich  ausser  im  lombard. 
asca  sonst  in  keiner  romanischen  Sprache  erhalten  hat. 

cc.   Präpositionen  mit  dem  Abi.  u.  Akk. 

148.  Von  in  findet  sich  im  Altlat.,  so  in  der  Gesetzessprache,  z.  B. 
der  XII  tab.,  dann  bei  Ennius,  Cato  und  noch  bei  Lucrez  eine  Nebenform  indu 
und  endOf  welche  durch  Anfügung  des  Suffixes  do  an  in  (oder  en)  ent- 
standen ist,  z.  B.  Enn.  ann.  298  M.  indu  foro,  Lucr.  5,  102  indu  manus. 
Indes  ist  seit  Plaut.,  welcher  indu  nur  in  indaudio  erhalten  hat,  in  allge- 
mein üblich  geworden.  Im  Verlaufe  der  Zeit  traten  folgende  Eigentüm- 
lichkeiten hervor :  das  lokale  in  wird  in  nachklass.  Latinität,  so  schon  bei 

29* 


452  B.  Lateinische  Grammatik,    d)  Lateinische  Syntax« 

Phaedrus,  dann  bei  Sen.  Flor.  Ammian  u.  a.  gebraucht,  wo  wir  ex  er- 
warten, z.  B.  hihere  in  poculis.  Wenn  in  gewissermassen  limitierend  die 
Person  bezeichnet,  an  welcher  sich  eine  Eigenschaft  oder  Thätigkeit  äussert, 
z.  B.  Uheralis  in  populo,  so  ist  diese  Konstruktion  von  geringen  Anfängen 
im  Altlat.  zu  einer  weiten  Verbreitung  in  kiass.  u.  aug.  Zeit  gelangt,  um 
dann  in  nachaug.  Zeit  wieder  immer  mehr  zu  verschwinden.  Aus  der 
Umgangssprache  scheint  in  die  Schriftsprache  übergegangen  der  Gebrauch 
von  in,  z.  B.  Cic.  Farn.  10,  28,  3  wagnum  damnum  factum  est  in  Servlo; 
so  lesen  wir  in  bei  Liv.  Quint.  (z.  B.  nmltum  in  Flacco  amifiiwtis)  Curt. 
Flor.  Plin.  epp.  In  temporalem  Sinn  bezeichnet  in  erst  im  silbernen  Lat. 
die  Ausdehnung  bis  zu  einer  Zeit,  z.  B.  in  illum  usque  diem  bei  Quint. 
und  oft  bei  Fronto.  Das  sog.  konsekutive  in  ist  von  Verg.  auf  Liv.  u. 
Tac.  übergegangen ;  namentlich  bei  letzterem  ist  es  ausserordentlich  häufig, 
z.  B.  ann.  4,  45  vulnere  in  mortem  affeeit;  das  finale  in  gehört  schon  Plaut, 
an,  z.  B.  calidum  bibere  in  prandium^  aber  nicht  der  klass.  Sprache  Cic. 
u.  Caes.,  und  findet  sich  dann  wieder  in  der  silb.  Latinität,  besonders  bei 
Quint.  und  bei  Tac.^)  Schliesslich  sei  erwähnt,  dass  die  vielbesprochenen 
Verbindungen  in  m&ntem  esse,  habere  in  potestatem,  in  medium  reUnquo  u.  ä. 
nicht  zu  beanstanden  sind ;  dieselben  sind  aus  der  Umgangssprache  hervor- 
gegangen und  lassen  psychologische  Erklärung  zu,  z.  B.  in  thentem  mihi 
est  =  mihi  in  mentem  venit  et  nunc  est,  also  nichts  weiter  als  Ausgleich 
zweier  Konstruktionen.  Bei  Cic.  sind  sie  jedoch  nur  in  den  epp.  anzu- 
nehmen. —  Im  Sp.  L.  machen  sich  Akk.  und  Abi.  bei  in  das  Qebiet  streitig, 
und  so  ist  ein  Wechsel  von  terminus  in  quo  und  in  quem  sehr  häufig, 
z.  B.  Sulp.  Sev.  1,  12,  6  in  Aegypto  advenire,  1,  34,  8  in  matrimonio 
accipere.  Doch  ist  hier  die  Macht  der  Analogie  nicht  zu  übersehen,  welche 
schon  bei  Livius  aus  collocatu  in  domo  ein  nupta  in  domo  entstehen  lässt. 
Übrigens  fällt  auch  hier  vieles  auf  die  Abschreiber  u.  bei  Inscr.  auf  die 
Steinmetzen  (vgl.  Seidel,  obs.  epigr.  Breslau  1880  p.  41  sqq.),  welche  infolge 
schlechter  Aussprache  die  Kasus  verwechselten. 

149.  Sub  mit  dem  Ablativ  bezeichnet  die  Lage  unter  etwas,  bei 
Dichtern,  auch  bei  scr.  h.  A.,  z.  B.  Carac.  9,  9  quae  est  sub  eius  thermis^  Verg. 
Aen.  9.  244  sub  vallibus,  die  Nähe,  seit  der  klassischen  Zeit  die  Unterordnung, 
z.  B.  sub  legibus  mvere,  besonders  häufig  so  in  der  silb.  Lat.^)  Seit  Liv. 
und  dann  namentlich  bei  den  Juristen,  ausschliesslich  so  bei  Gaius,  ferner 
im  Sp.  L.,  z.  B.  bei  scr.  h.  Aug.  Tert.  u.  andern  eccl.  giebt  es  die  Be- 
dingung an,  z.  B.  sub  ea  condicione;  in  temporalem  Sinne  bezeichnet  es 
bei  Caes.,  nicht  bei  Cic,  dann  bei  den  aug.  Dichtern,  Liv.,  oft  bei  Celsus 
u.  den  Spät,  die  Annäherung,  z.  B.  sub  nocte,  und  Sp.  L.  bei  Hier.  Tert. 
Lact.  Amm.  scr.  h.  Aug.  Claudian  Dracont.  Apoll.  Sidon.  u.  a.  überhaupt 
die  Zeit,  z.  B.  Hierou.  ep.  77,  10  sub  una  aestate  =  hi  einem  Somm/*r, 
Der  nachklass.  Latinität  seit  Celsus  ist  eigen  sub  zur  Bezeichnung  der 
Weise  oder  des  Grundes,  z.  B.  Celsus  5,  26,  31   sub  frigido  sudore  moriuntur; 


^)  Tn  der  nachtacit.  Zeit  trifft  man  häufig  |  ^)  Die  Unterordnung  unter  eine  Person 

finales  und  konsekutives  in,  so  bei  Apul.  scr.  |  wird  erst  seit  Liv.  bei  Val.  Max.  Tac.  Suet. 

h.  Aug.  eccl.  u.  a.,  vgl.  Oros.  7,  8,  1  Pisonem  ■  Just.   Tert.   Kutrop.    Amm.   Veg.   durch  sub 

Bibi  in  filium  et  in  regnum  adoptacit.  bezeichnet,  z.  B.  Tac.  H.  3,  245142)  Corbulone. 


1.  Der  einfache  Satz:  a.  Der  Behanpinngssatz.  (§  149—152.)  453 

dies  hat  sich  ins  Sp.  L,  herein  erhalten,  vgl.  Apoll.  Sidon.  sub  ope  Christi^ 
suh  invidia  sordidatorum.  Bei  sub  c.  acc,  welches  eine  Bewegung  voraus- 
setzt, ist  nichts  besonders  zu  bemerken.  Sub t er  ist  in  klass.  u.  vorklass. 
Zeit  ganz  vereinzelt,  häufiger  erst  seit  den  aug.  Dichtern;  mit  Abi.  steht 
es  nur  bei  Catull  und  Vergil.  Subtus  scheint  ganz  vulgär  gewesen  zu 
sein ;  wir  finden  es  bei  Vitruv  (4,  2,  5  subtus  canierios),  dann  in  der  Vulg. 
und  bei  eccl.;  es  wurde  nur  mit  dem  Akk.  verbunden. 

150.  Super  hat  sich  als  Adv.  bis  in  die  nachklass.  Latinität  herein 
erhalten,  namentlich  in  der  Verbindung  satis  superque.  Als  Präposition 
findet  es  sich  mit  dem  Akk.  im  Altlat.  bei  Ennius  in  lokaler  Bedeutung, 
sonst  nirgends  in  der  vorklassischen  Zeit,  dann  von  Cic.  an  allenthalben; 
um  das  Hinausgehen  über  eine  Grenze  zu  bezeichnen,  dient  super  seit  Sali., 
so  besonders  in  Redensarten  wie  su2)er  modum,  super  cetera;  die  Wieder- 
holung bedeutet  super  nicht  vor  Liv.,  hier  aber  findet  es  sich  so  öfter, 
z.  B.  vulnus  super  vulnus.  Temporales  super  ist  nachkl.,  z.  B.  Juven.  15,  14 
super  cenam,  ebenso  bei  Suet.  —  Super  c.  abl.  zur  Bezeichnung  des  Ort^s 
lesen  wir  nicht  vor  den  aug.  Dichtern,  dann  in  der  silb.  Latinität,  in  der 
Bedeutung  von  praeter  seit  Sali,  bei  Dichtern  und  dann  im  Spätlat.  Synonym 
mit  de  gehört  super  der  Umgangssprache  an ;  so  gebrauchen  es  Plaut.  Cato, 
Cic.  nur  in  den  Briefen  ad  Att.,  dann  Sali.  Liv.  und  von  da  ab  immer 
mehr  Autoren,  besonders  auch  Tacitus  und  die  Juristen  ausser  Gaius,  am 
meisten  wohl  Qellius  und  Ammianus,  wie  es  überhaupt  im  Sp.  L.  de  in 
dieser  Bedeutung  ganz  verdrängt. 

161.  Clam  wird  im  Altlat.  nur  mit  Akk.  verbunden,  ebenso  im  b. 
Hisp.  an  3  Stellen,  dann  bei  den  Juristen  und  Archaisten.  Mit  dem  Abi. 
hat  es  nur  Caes.  b.  civ.  2,  32  und  b.  Afric.  11,  4  clam  hostibus,  Clan- 
culuni  mit  Akk.  scheint  sich  auf  Ter.  zu  beschränken. 

152.  Abschliessend  mag  zur  Lehre  von  den  Präpositionen  noch  fol- 
gendes bemerkt  werden: 

1.  Die  Stellung  der  Präpositionen  hinter  dem  Subst.  ist  die  ursprüng- 
liche in  den  indogermanischen  Sprachen  (vgl.  Delbrück,  Synt.  Forsch.  IV 
p.  151);  sie  hat  sich  im  Lateinischen  noch  erhalten  bis  in  die  historische 
Zeit  besonders  im  konservativen  Kurialstil  und  bei  den  Dichtern.  In  der 
vorgeschrittenen  Sprache  trifft  man  die  Nachstellung  im  allgem.  nur  bei 
zweisilbigen  Präpos.;  von  den  einsilbigen  wird  de  gerne  dem  Relativ  an- 
gefügt, von  Cic.  zumeist  nur  in  den  Jugendschriften,  ferner  von  Cornif.; 
beide  haben  diese  Wortstellung  dem  Kurialstil  entnommen,  vgl.  Gell.  12, 
13,  17;  nachgestellt  wird  ferner  ad  wie  schon  von  Plaut,  u.  Ter.,  so  auch 
von  Cic,  z.  B.  quos  ad  Cic.  nat.  deor.  2,  10;  dass  cum  bei  Caes.  immer, 
bei  Cic.  u.  Sali,  öfter  ans  Relativ  angefügt,  als  ihm  vorausgeschickt  wird, 
während  später  es  umgekehrt  ist,  hat  Greef,  Phil.  32,  711  flf.  nachgewiesen; 
im  übrigen  ist  die  Nachstellung  einsilbiger  Präpos.  z.  B.  von  per,  ab,  pro 
u.  s.  w.  dichterisch.  Von  zweisilbigen  wird  bei  Cic.  contra  dem  Relativ 
nachgestellt,  ebenso  ultra  u.  sin^-,  inter  wird  bei  Cic.  Caes.  Sali.,  penes, 
propter  ebenso  nachgestellt;  sonst  ist  auch  hier  die  Nachstellung  dichterisch. 
Tacitus  hat  die  dichterischen  Freiheiten   in   der  Anastrophe  angenommen, 


454  ^*  Lateinische  Qrammatik.    d)  Lateinische  Syntax. 

aber  nur  in  den  grösseren  Werken,   also  in  den  Hist.  und  hauptsächlich 
in  den  Annalen. 

2.  Die  Freiheit,  eine  Präposition  unmittelbar  auf  eine  andere  folgen 
zu  lassen,  haben  sich  abgesehen  vom  Datum  und  dem  adv.  Gebrauch  der 
Präpos.,  z.  B.  in  ante  factis^  sowie  von  Titeln,  z.  B.  a  pro  consule  zuerst 
die  Juristen  erlaubt,  z.  B.  Gaius  in  per  vindicationem  legato,  ebenso  Ulpian, 
Papinian  u.  a.,  dann  auch  andere  Sp.  L.,  z.  B.  Boethius. 

3.  Doppelpräpositionen  finden  sich  ausser  exadversum  und  insupcr 
(Cato  Lucr.  Vitr.  Verg.  Colum.  Apul.)  in  klassischer  Zeit  und  überhaupt 
vor  dem  beginnenden  Verfalle  der  Sprache  keine,  um  so  mehr  im  Spät- 
latein; übrigens  hat  gewiss  die  Volkssprache  schon  frühe  sich  solche  Zu- 
sammenstellungen gestattet,  worauf  die  adverb.  Verbindungen  circumcirca, 
praeterpropter  u.  ä.  hinweisen.  Ich  erwähne  nur  de  sub  von  Bass.  Jul. 
bei  Sen.  Controv.  1,  3,  11  virgo  de  sub  saxo,  ab  ante  in  der  Itala,  sub  ante 
ib.,  contra  versum  bei  Solin.  15  (10),  incoram  bei  Apul.  Met.  242,  de  post 
in  Vulg.  Lucif.  u.  a.  Die  Grammatiker,  z.  B.  Sergius,  wehrten  sich  gegen 
solche  Verbindungen,  aber  dieselben  drangen  doch  immer  mehr  in  die  Litte- 
ratur  ein.  Wichtig  ist  dieser  Punkt  für  die  Entwicklung  der  romanischen 
Sprachen,  wie  z.  B.  avant  aus  ab  ante,  des  aus  de  ex,  dcvant  aus  de  ab 
ante,  depuis  aus  de  post  etc.  hervorgegangen  ist. 

4;  Bezüglich  der  Form  vgl.  zu  endo,  indo  Stolz  S.  256,  pos  statt 
2)ost  id.  S.  316,  quoni  u.  cum  S.  298,  sub  u.  super  S.  300,  pone  u.  tratis, 
ab,  ad,  ob,  per  S.  316,  ferner  zu  indo  und  poste  A.  Reichardt  in  Neue 
Jahrb.  1889  S.  119  f. 

Zu  §  112  verg].:  Kampmann,  De  ab  in  de  ex  usu  Plautino;  Breslau  1842,  1845, 
1850.  KössNEB,  De  praepos.  Ab  De  Ex  usu  Varroniano,  Halle  1888.  Schüssler,  De  praepos. 
ab  ad  ex  apud  Cic.  usu,  Hannover  1880;  id.  in  c.  acc.  Hannover  1881.  Gründlkb,  Cber 
den  Gebrauch  einiger  Präpos.  (propter  ob  apud  ad)  bei  Curtius,  Tamowitz  1874.  Greef,  De 
praepositionum  usu  apud  Tacitum,  Göttingen  18(^9.  Gerher,  Nonnulla  de  usu  praepos.  apud 
Tacitum,  Gltickstadt  1871.  Langen,  De  usu  praep.  Tcrtullianeo,  Münster  1868.  1869.  1870. 
Reinhardt,  de  praepos.  usu  apud  Ammianum.  Cöthcn  1886;  Grupe,  Die  Präpositionen 
a,  de  und  ex  bei  Apoll.  Sidonius,  Pfalzburg  1888.  F.  C.  U.  Müller,  De  praepositionibus 
latinis,  Rostock  1871  (1.  Teil).  Becher,  Quacst.  graram.  ad  Quint.  X  üb.;  Nordhausen 
1879  (enthält  in,  ad,  de,  ex  etc.  bei  Quint.).  ||  Zu  §  118:  Maue,  De  praep.  ad  usu  Tacit<^o, 
Frankfurt  1870.  Bourciez,  de  praepos.  ad  usu  casuali  in  latinitate  aevi  Merovingici,  Paris 
1887.  Ulrich,  De  verborum  compos.  apud  Plautum  structura;  Halle  1880.  Wölfflin,  Genetiv 
mit  Ellipse  des  regierenden  Substantivs,  Archiv  H  p.  365.  ||  Zu  §  117:  Hirt,  PeiuSf  in 
WöLFFLiNs  Arch.  IV  p.  88  und  389.  ||  Zu  §  121;  Wölfflin  im  Archiv  I,  161  ff.  ||  Zu  §  123: 
Thielmann,  Uls  Irans  und  ultra,  Archiv  IV  p.  247  und  358.  ||  Zu  §  127  vgl.  Wölfflin 
im  Arch.  V  p.  294.  ||  Zu  §  144:  Wölfflin  im  Arch.  IV  p.  52.  ||  Zu  §  136  f.:  Ess,  de  praepos. 
cum  abl.  apud  Plin.  sec.  usu,  Karlsruhe  1888.  ||  Zu  §147:  Jordan,  Krit.  Beiträge  zur 
Gesch.  d.  lat.  Sprache,  Berlin  1879,  p.  308  ff.  Wölfflin,  Rh.  Mus.  37,  1  p.  98  ff.  Brug 
MANN,  Rh.  Mus.  32,  485  f.  ||  Zu'§  152:  Wölfflin  im  Archiv  I  p.  437  ff.  Hamp,  Die  zu- 
sammengesetzten Präpositionen  im  Lateinischen,  Archiv  V  p.  321—368.  Überhaupt:  Hand 
im  Turscllinus  (Leipzig  1845)  von  ab  bis  procul. 

2.  Der  Fragesatz. 

153.  Die  Fragesätze  zerfallen  in  Ergänzungsfragen  (oder  Ver- 
deutlichungsfragen) und  Bestätigungsfragen.  In  den  Ergänzungs- 
fragen werden  die  interrogativen  Pron.  u.  Adv.  von  Stamm  qui  und  quo 
verwendet.  Bemerkenswert  ist  nur,  dass  ut  bei  den  Komikern  und  Horaz, 
auch  bei  Livius  in  täglicher  Rede  (z.  B.  10,  8,  11   t^  sese  in  Samnio  res 


1.  Der  einfache  Satz:  b.  Der  Fragesatz.  (§  153  -158.)  455 

hnbent?)  in  direkter  Frage  sich  findet  und  dass  die  von  Cic.  ausser  in  den 
epp.  streng  durchgeführte  Scheidung  von  quis  und  uter  von  Prosaikern 
(Caes.  Liv.  Tac.  und  Sp.  L.)  und  Dichtem  (Verg.  Juvenal)  nicht  immer 
beobachtet  wird.  —  Ausserdem  ist  zu  bemerken,  dass  seit  der  klassischen 
Zeit  in  diesen  Fragesätzen  auch  Partizipien  verwendet  werden,  z.  B.  Cic. 
fin.  3,  37  quem  factum  peteiites  scirc  cupimus  illa?  dies  hat  sich  auch  in 
der  Unterordnung  der  Fragesätze  (§214  ff.)  erhalten  und  findet  sich  so  in 
der  Zeit  der  klassischen,  wie  der  silbernen  Latinität. 

154.  Die  Bestätigungsfi-agen,  welche  wir  durch  die  Wortstellung  als 
Fragen  charakterisieren,  waren  ursprünglich  im  Lateinischen,  wie  in  allen 
Sprachen,  wohl  nur  durch  die  Betonung  von  dem  Behauptungssatz  ge- 
schieden. So  finden  wir  denn  auch,  namentlich  in  lebhafter,  affektvoller 
Rede,  oft  in  missbilligender  Weise,  durch  die  ganze  lat.  Sprache  hindurch, 
ganz  besonders  aber  in  den  Erzeugnissen  der  volkstümlichen  Diktion,  Frage- 
sätze, die  kein  Erkennungszeichen  ausser  dem  Zusammenhange  aufweisen. 
Im  Laufe  der  sprachlichen  Entwicklung  treten  besondere  Wörtchen  ein, 
welche  den  Satz  schon  von  Anfang  an  als  Fragesatz  kennzeichnen.  Solche 
Wörtchen   sind  nc,   num,   titrum,  an,  nonnc,  numne,  tUrumne,  anne  und  ^i, 

156.  Allen  diesen  Fragewörtern  (ausser  utt'iwi-  an  und  si)  ist  die 
Negation  eigen.  Nc  ist  die  ursprüngliche  Negation,  num  ist  =  „nicht 
zu  irgend  einer  Zeit";  an  die  aus  ne  entstandenen  Wörtchen  non  (=:  wc- 
oenum,  vgl,  Reiciiardt  in  Neue  Jahrb.  1889  S.  120  und  Stolz  oben  S.  274), 
num,  sowie  an  utrum  und  an  kann  noch  nc  angehängt  werden.  Es  gehen 
somit  alle  diese  mit  ne,  num,  numne  etc.  gebildeten  Fragen  von  der  negativen 
Voraussetzung  aus  (vgl.  auch  Wegener  p.  75). 

156.  Das  mit  Vokalkürzung  oder  -abfall  enklitisch  gebrauchte  nc 
wird  dem  Tonwort  angehängt  und  findet  sich  in  allen  Zeiten  der  Sprache, 
jedoch  so,  dass  es  mit  dem  Verfall  der  Sprache  immer  mehr  zurücktritt 
(z.  B.  selten  in  der  Vulg.,  Thielmann,  Piniol.  42  p.  347).  Der  archaischen 
Sprache  eigentümlich  mit  je  einem  Ausläufer  bei  Hör.  (sat.  1,  10,  21)  und 
Catull  (64,  180)  ist  die  Anfügung  von  nc  ans  Kelativum;  die  Prosa  ausser 
spätlat.  Panegyr.,  z.  B.  esse  pudicam  nuptam,  qunene  queat  (vgl.  Bährens 
zu  Catull  p.  411  u.  N.  Phil.  Rundsch.  1887  p.  301)  und  alle  Dichter  ausser 
Plaut.  Ter.  Catull.  Hör.  kennen  diese  Konstruktion  nicht.  Noch  seltener 
ist  die  Verbindung  des  fragenden  ne  mit  einem  Pron.  ihterrog.,  sicher  nur 
an  mehreren  Stellen  bei  Horaz  (Fritzsche  zu  sat.  2,  3,  251)  und  bei 
Lucan  7,  301  und  10,  99,  oder  mit  einem  Adv.  interrog.,  was  nur  für 
ecquandone  bei  Properz  2,  8,  15  (Vell.  u.  Apul.?)  feststeht. 

157.  Durch  Anfügung  von  ne  an  non  entsteht  nonnc,  welches  bei 
Plautus  noch  gar  nicht  vorkommt  und  bei  Terenz  noch  sehr  selten  ist 
(dafür  genügt  angehängtes  ne,  was  Sioismund  in  comm.  Jen.  HI,  231  allein 
für  Plaut,  u.  Ter.,  nie  nonnc,  gelten  lässtj,  oft  aber  von  Cic.  gebraucht 
wird.  Manche  Autoren  vorschmähen  es  ganz,  wie  Catull  u.  Tibull,  Sen. 
rhet.,  jedoch  nicht  Properz,  Horaz;  Spätlat.  wie  Lucifer  gebrauchen  dafür 
ne,  z.  B.  ne  dixisse  mcmineras  dominum? 

158.  Num,  welches  eigentlich  ^^  „nicht  zu  irgend  einer  Zeit"  be- 
deutet^ hat  wie  die  Negation  n  e  gleichfalls  die  Bedeutung  eines  Frageworts 


456  ^'  Lateinische  Grammatik,    d)  Lateinische  Syntax. 

angenommen.  Es  findet  sich  von  Plautus  und  Terenz  an  bis  in  die  sil- 
berne Latinität  in  ziemlich  häufigem  Gebrauche;  von  da  ab  wird  es  sel- 
tener, so  hat  es  z.  B.  Sen.  rhet.  gar  nicht  verwendet,  und  scheint  in  der 
Zeit  des  Hieronymus  schon  untergegangen  zu  sein.  Daher  treffen  wir  hier 
ne  =  minty  z.  B.  Joh.  4,  12  nc  tu  maior  es  patre  nostro  lacob?  Die  Form 
numnc  wird  von  Ritschl  op.  II,  248  verworfen,  dürfte  aber  bei  Cic.  doch 
zu  halten  sein,  so  de  nat.  d.  1,  88  deum  ipsum  numne  vidisti?  Lael.  36 
(dazu  Seyffert-Müller).  Nunnmm  ist  nur  altlat. ;  spätlat.  steht  numquid 
oder  sogar  numquidnam  für  einfaches  num, 

159.  Durch  Anfügung  des  fragenden  ne  an  die  Interjektion  e  entstand 
mit  Abwerfung  des  Schlussvokals  das  Fragewort  c»,  welches  eine  affekt- 
volle, an  der  Bejahung  sozusagen  verzweifelnde  Frage  einleitet.  Dasselbe 
gehört  den  Komikern  und  Epik.  (Verg.  Sil.),  sowie  Liv.  in  archaisierender 
Rede  an.  —  Nur  spätlat.   ist  f^i  in  direkter  Frage,  vgl.  Vulg.  act.  apost. 

I,  6  und  Lucif.  13,  8  H.  si  non  es  tu  Constuntius  Imperator? 

160.  Die  Doppelfrage  (auch  Wahlfrage  genannt)  gehört  eigentlich 
zum  „zusammengesetzten  Satz";  weil  aber  oft  ein  Teil  unterdrückt  wird 
und  so  auch  dabei  vom  einfachen  Satze  zu  sprechen  ist,  mag  dieselbe  hier 
angeschlossen  werden.  Sie  wird  zunächst  so  gebildet,  dass  die  beiden  Frage- 
glieder ohne  Fragewort  bloss  mittels  der  disjunktiven  Partikel  an  neben- 
einandergestellt werden,  z.  B.  maneam  an  fugiam;  diese  Form  ist  Regel 
bei  Juvenal,  sonst  im  ganzen  selten,  öfters  nur  bei  Plaut,  und  Sen.  rhet., 
bei  Cicero  wohl  nur,  wenn  die  Negation  den  Gegensatz  bildet,  z.  B.  sortietur 
an  non?  Häufiger  ist  ne  —  an,  am  gewöhnlichsten  (jedoch  nicht  zu  finden 
bei  Catull.  Tib.  Prop.  Hör.  Lucan)  utrum  —  an,  wobei  der  zur  Partikel 
gewordene  Akk.  neutr.  utrum  darauf  hinweist,  dass  die  Wahl  zwischen 
zwei  Dingen  gestellt  wird.  An  utrum  wird  noch  ne  angehängt  bei  Cic. 
inv.  1,  51  utrumne  tuum  vlrum  malis  an  illniSy  sonst  nicht  bei  Cic,  nicht 
bei  Caes.  u.  Liv.,  aber  bei  Horaz  u.  Plin.  mai.  Curt.  Lact.  Ferner  hat 
Cicero  an  einigen  Stellen  den  beabsichtigten  zweiten  Teil  der  Frage  unter- 
drückt, so  dass  utrum  scheinbar  in  einfacher  Frage  st^ht,  z.  B.  Cic.  top.  4,  25 
utrum  igitur  huctemis  satis  est?    Ganz  vereinzelt  ist  ne  —  ne  bei  Verg.  Aen. 

II,  126  iusiitinene  mirer  helline  laborum?     Nur  spätlat.  ist  utrumnam, 

Anmerkung.  Nnm^an  erscheint  nie  in  disjunktiver  Frage  (höchstens  vielleicht 
Plaut.  Poen.  1815?);  bei  Ter.  Phorm.  412,  Cic.  Tusc.  1,  112  num  rhetorum  epilogum  de- 
sideramus?  an  hanc  ariem  plane  relinquimus?  Cic.  sen.  23  und  sonst  wird  mit  an  überall 
eine  neue,  selbständige  Frage  {oder  vielmehr)  eingeleitet. 

161.  Unstreitig  die  wichtigste  Fragepartikel  ist  «n;  im  vollständig 
ausgesprochenen  disjunktiven  Fragesatze  leitet  es,  wie  wir  gesehen,  den 
zweiten  Teil  der  Frage  ein.  Aber  wie  wir  nicht  in  vollständigen  Syllo- 
gismen sprechen,  sondern  die  eine  oder  andere  Prämisse  unterdrücken,  so 
genügt  oft  auch  —  wie  oben  bei  utrum  bemerkt  —  ein  Teil  der  disjunk- 
tiven Frage,  in  der  Regel  der  zweite.  Und  so  steht  an  scheinbar  in  einer 
einfachen  Frage.  Dieser  Gebrauch  findet  sich  schon  bei  den  Komikern, 
hat  aber  seine  höchste  Ausbildung  in  der  Sprache  Ciceros  erreicht.  So 
spielt  denn  an  in  der  Lehre  vom  kunstreichen  Bau  der  Rede  oder  Ab- 
handlung eine  grosse  Rolle;  es  dient  vorzugsweise  zur  Einleitung  der  ar- 
gumentierenden Frage,    ferner  in  der  Widerlegung,   in   der  occupatio   und 


1.  Der  einfache  Satz.  (§  159- 162.).  —  2.  Der  zaBammengeaetzte  Satz.  (§  163.)    457 

in  der  reprehensio  (ausführlich  behandelt  von  Seyffert  in  dessen  scholae 
latinae).  —  Verstärkt  wird  an  durch  angehängtes  ne;  anne  kommt  häufig 
im  A.  L.  vor,  später  seltener,  nicht  bei  Hör.  Tib.  Prep.,  bei  Cicero  nur 
im  zweiten  Gliede  einer  Frage,  nicht  wenn  an  die  eben  erwähnten  stili- 
stischen Funktionen  hat.  Zum  Schlüsse  sei  bemerkt,  dass  an  non  in 
direkten  Fragen  bei  Cicero  regelmässig  ist  (necne  nur  Tusc.  3,  19  u.  p. 
Flacc.  59). 

Anmerkung.  Nach  Hinze  ist  an  durch  Apokope  aus  anne  entsfcandon  und  hatte 
ursprünglich  seinen  Platz  in  der  einfachen  Frage,  die  jedoch  an  einen  vorausgegangenen 
Satz  sich  anlehnt.  Es  erwartet  immer  eine  negative  Antwort,  wie  an  non  eine  positive.  — 
Nach  Gutjahb-Probst  (Beiträge  III  p.  240)  hatte  an  interrogativ-dubitative  Funktion  einst 
auch  im  einfachen  Satze  gehabt;  er  verwirft  demnach  die  Annahme  der  Unterdrückung 
einer  Prämisse. 

162.  Zu  besprechen  sind  noch  die  sog.  missbilligenden  Fragen. 
Dieselben  erscheinen  teils  im  Konjunktiv  ohne  einleitendes  ut,  z.  B.  vir  ego 
tuus  sim  (PI.  Amph.  813),  oder  mit  solchem,  z.  B.  Tor.  Andr.  263  eine 
ego  ut  advorscr,  auch  im  Akk.  c.  inf.  z.  B.  Ter.  Hec.  613  hine  abire  mutr&ni! 
Alle  diese  Ausdrucks  weisen,  wobei  ne  vielleicht  nicht  als  Fragewort,  son- 
dern als  Versicherungspartikel  aufzufassen  ist  (so  Warren  in  American 
Journal  of  Philol.  vol.  2,  no.  5),  gehören  dem  täglichen  Leben  an  und  sind 
von  da  in  die  Komödie,  in  die  Briefe  und  zum  Teil  auch  in  die  Reden 
Ciceros,  dann  in  die  Satiren,  Epod.  und  Epist.  des  Horaz  übergegangen; 
Caes.  u.  Sali,  haben  sie  nicht,  Verg.  u.  Liv.  vereinzelt  in  den  Reden.  Über 
den  Unterschied  in  der  Bedeutung  der  drei  Konstruktionen  bestehen  noch 
Kontroversen. 

Zu  §153— ](>2  vergl.:  Schmid,  Zur  Lehre  von  den  Fragesätzen,  Ulm  1854;  Hinze, 
De  an  particulac  apud  priscos  scriptores  latinos  vi  et  usu,  Brandenburg  1887.  Wolff, 
De  enuntiatis  interrogativis  apud  Catullum  Tibullum  Propertium,  Halle  1883;  Gbabknstein, 
De  interrogationum  enuntiativarum  usu  Horatiano,  Halle  1883 ;  Weiss,  Gebrauch  der  Frage- 
sätze bei  Juvenal,  »Stockerau  1882;  Kraz,  Die  sog.  unwillige  oder  missbilligende  Frage  etc., 
Stuttgart  1862;  G.  Müller,  Über  die  sog.  unwilligen  oder  missbilligenden  Fragen  im  Lat., 
Görlitz  1875;  Riemann,  Revue  de  philol.  1882,  p.  168.  0.  Ribbeck,  Beiträge  zur  Lehre 
von  den  lat.  Partikeln  (über  ne,  num  u.  ä.),  Leipzig  1869. 

B.    Der  zusammengesetzte  Satz. 

3.  Die  Beiordnung. 

163.  Die  ursprünglichste  Form  der  Satzbildung  beim  Zusammentreten 
mehrerer  selbständiger  Oedankenkomplexe  ist  die  Anreihung  ohne  jegliche 
Verknüpfung.  Dabei  bleibt  es  dem  Zuhörer  oder  Leser  überlassen,  selbst 
den  Zusammenhang  der  Sätze  sich  herzustellen.  Selbstverständlich  ist  diese 
Ali;  des  Satzbaus  der  Umgangssprache  ganz  besonders  eigen;  sie  findet 
sich  daher  schon  bei  Ennius,  Plaut.  Ter.,  besonders  bei  Cato,  bei  Cicero  in 
den  Briefen  und  in  den  Erstlingsreden.  Während  in  der  annalistischen 
Geschichtschreibung  dieser  Satzbau  namentlich  am  Platze  war,  verknüpft 
der  bereits  entwickelte  historische  Stil  natürlich  mit  der  Anwendung  des- 
selben besondere  Zwecke;  so  bedient  er  sich  desselben  zur  scharf  poin- 
tierten Gegenüberstellung  von  Gegensätzen,  zur  Darstellung  rasch  sich  fol- 
gender Handlungen,  zur  Charakteristik,  offenbar  um  das  Nebeneinandersein 
der  Eigenschaften   zu   bezeichnen,   zur  altertümlichen  Färbung  von  Reden 


458  B.  Lateinische  Grammatik,    d)  Lateinische  Syntax. 

u.  ä.     Die  silberne  Latinität  und  ihre  Nachfolger  und  Nachahmer  sind  in 
den  asyndetischen  Fügungen  geradezu  überschwänglich  und  oft  widerwärtig 
manieriert,  z.  B.  Plin.  epp.   Sen.  —  Doch  finden  wir  frühe  schon  den  Zu- 
sammenhang solcher  selbständigen  Sätze  durch  Konjunktionen  wie  ct^  autetH 
scd,  nam  u.  ä.  vermittelt,  worüber  im  folgenden  genauer  abzuhandeln  ist. 

Anmerkung.  Besonders  beachtenswert  ist  die  Nebeneinanderstellang  der  Impe- 
rative; hier  darf  mau  das  Asyndeton  als  das  ursprüngliche  und  echtlateinische  ansehen. 
Krst  später  wird  die  freilich  schon  im  Aitlat.  sporadisch  vorkommende  Verknüpfung  durch 
ei^  wofür  Plaut,  nach  Composita  von  ire  auch  atqxie  braucht,  allgemein,  wie  z.  B.  Juvenal 
nur  diese  Konstruktion  kennt,  während  noch  Livius  regelmässig  al;i,  renuntia;  tte,  cansuhs, 
redimite  civitatem  sagt  (ganz  selten  steht  et  nach  ite  z.  B.  88,  51,  10  ,in  weniger  knapper 
Rede**  M.  Müller).  Tritt  nunc  zum  Imperativ,  so  haben  auch  Horaz  und  Ovid  et  (aber 
nicht  Vergil),  ebenso  Martial,  auch  Sencca  philos. ;  der  nachlässigen  plebejischen  Diktion  ist 
nur  die  Verbindung  mit  et  geläufig,  so  Petron  sat.  115  ite  nunc  mortales  et  magnis  cogitatio- 
nihus  jyectora  implete  u.  ö.  Selbstverständlich  asyndetisch  stehen  die  zur  Interjektion  ge- 
wordenen Imperative  age,  agite,  z.  B.  Liv.  agitedum,  ite  mecum;  ebenso  cedo,  aber  nur 
A.  L.  und  Sp.  L.,  z.  B.  Claud.  Mam.  178,  17  cedo  quaeramtM, 

164.  Hieher  gehören  auch  die  Parenthesen,  welche  gewöhnlich  ohne 
Bindewort  eingefügt  werden ;  so  in  der  Umgangssprache  amabo  und  aniabo 
te^  ohsecro;  oft  hat  Liv.  ganze  Sätze  asyndetisch  als  Parenthese,  manchmal 
auch  Plin.  epp.  u.  Tac.  Die  Einfügung  mit  et  wird  wohl  vor  Sali.  Jug.  52 
{et  iam  die  vesper  erat)  nicht  vorkommen,  ist  häufig  bei  Livius,  mit  neque 
bei  Verg.  (ecl.  3,  102),  mit  auteni  bei  Cic.  Liv.  u.  Petron,  mit  nam  schon 
bei  Terenz,  dann  bei  Cic.  Sali.  Sen.,  bei  Dichtern  nach  der  Anrede  (Uor. 
Verg.  Ovid),  mit  namque  bei  Verg.  u.  Liv.,  sowie  deren  Nachahmern, 
z.  B.  Curtius  u.  Val.  Flacc,  mit  enim  bei  Cic.  Liv.  Curt.  Plin.  epp.  und 
Spätlat.,  mit  etenim  selten  bei  Cic.  Liv.  Ovid,  mit  sed  bei  Petron. 

165.  Die  Kopula  {et,  ac,  selten  que)  mit  folgender  Negation  {iwn, 
nihil,  nulliis,  nemo  u.  ä.)  ist  in  der  alten  Sprache  noch  selten,  schon  häu- 
figer bei  Cornific.  Cicero  und  Livius,  selten  bei  Caes.  u.  Sali.,  wiederholt 
bei  Val.  Max.  Plin.  mai.  Sueton.  Petron  u.  Curtius,  am  verbreitetsten  bei 
Tac,  welcher  besonders  die  einen  Nachdruck  auf  das  Pronomen  legenden 
und  auch  sonst  häufigen  Verbindungen  et  nihil  und  et  nullus,  gewöhnlich 
in  unmittelbarer  Folge,  bevorzugt.  Auch  in  der  späteren  Latinität  be- 
gegnet uns  diese  Verknüpfung,  z.  B.  bei  den  script.  bist.  Aug.  Lact.  — 
Beachtung  verdient  dabei,  dass  et  non  und  häufiger  ae  non  {atqtie  non  nur 
bei  Plin.  n.  h.)  besonders  zur  Berichtigung  oder  zur  nähern  Ausführung 
des  Gedankens   verwendet    wird,    z.  B.    si   hoe   dissumlere  est  ae  non  dis- 

turbare  atque  pervertere. 

Anmerkung.  Umgekehrt  steht  bisweilen  neque,  wo  et  nan  erwartet  wird;  dies 
gilt  jedoch  kaum  fürs  Aitlat.,  mehr  für  Cic,  wo  es  unserm  deutschen  «ohne  zu*  entspricht. 
In  der  nachklassischen  Latinität,  jedoch  mit  Sali,  beginnend,  finden  wir  so  nee  mit  fol- 
gendem adverbiellen  minus  oder  magis,  so  z.  B.  nee  ininus  =  item,  oft  bei  Vergil  und 
seinen  Nachahmern. 

166.  Manchmal  verknüpft  der  Lateiner  zwei  Gedankenkomplexe  mit 
et,  wo  unserm  Gefühl  eine  adversative  Partikel  mehr  entsprechen  würde. 
So  schon  bei  Plaut,  u.  Terenz,  dann  bei  Caesar,  bei  Cic.  hauptsächlich  in 
den  philos.  Schriften,  ganz  selten  bei  den  august.  Dichtern,  öfter  bei  Nepos, 
Livius  u.  Curtius,  auch  bei  Petron,  am  häufigsten  wohl  bei  Tacitus;  an 
dieser  Eigentümlichkeit  nehmen  auch  afque,  que  u.  neque  Anteil,  jedoch 
so,  dass  auf  que  das  Wenigste  entfällt  (z.  B.   nicht  bei  Tac,   ganz  selten 


2.  Der  zuBammengeseiste  Satz:   c.  Die  Beiordnang.  (§  164—170.)  459 

bei  Liv.  und  im  Sp.  L.,  z.  B.  nur  eine  Stelle  bei  scr.  h.  Aug.,  aber  im 
b.  Alex.  11  und  häufig  bei  Petron)  und  neque  erst  bei  Cicero,  Caes.  Sali., 
hier  aber  umfänglich,  adversativ  gebraucht  wird. 

167.  Die  Konjunktion  et  nach  einem  Imperativ  oder  Optativ  zur 
Einführung  der  aus  der  Erfüllung  des  Postulats  hervorgehenden  Konsequenz 
findet  sich  im  Altlat.  nur  einmal  bei  Cato  (Plaut,  nur  Bacch.  695  pcrgc: 
ac  facile  ecfeceris),  dann  erst  bei  den  aug.  Dichtem,  bei  Petron  {quidvis 
aptu,  et  vetiiet),  Phaedr.  Cestius  bei  Sen.  controv.  1,  7,  4,  Sen.  phil.,  Lucan 
Plin.  min.  Apul.;  übrigens  ist  auch  der  silbernen  Latinität  das  in  der 
klassischen  Sprache  ausschliesslich  übliche  Asyndeton  nicht  fremd,  wie 
Sen.  ep.  II,  1,  16  zeigt;  dort  steht  nebeneinander:  eofisidera  quid  vox  ista 
significet,  et  intelleges  und  dann  circumspice  teeum  singulos:  ocewre^it 
tibi  senes. 

168.  Der  später  zu  besprechende  enge  Zusammenhang  zwischen  Para- 
taxis  und  Hypotaxis  zeigt  sich  im  Gebrauche  von  et,  wo  wir  eine  Tem- 
poralkonjunktion erwarteten;  so  schon  bei  Sallust.  Jug.  97,  4,  dann 
namentlich  bei  Vergil,  z.  B.  Aen.  6,  498  vix  agiiamt  pavituntem  et  notis 
compellat  vocibus  ultro,  bei  Ovid  und  Lucan,  dann  bei  Liv.  einmal,  öfter  bei 
Plin.  epp.,  Tac.  Apul.  (met.  2,  11  commodum  meridies  accesserat  et  mittit 
mihi)  und  sonst  im  Sp.  L.,  z.  B.  noch  bei  Apoll.  Sid.  Diese  Struktur, 
in  welcher  bei  Verg.  auch  qtic  statt  et  erscheint,  gehört  der  nachlässigen 
Diktion  der  Umgangssprache  an  und  bildet  eine  Übergangsstufe  aus  der 
Parataxis  zur  Hypotaxis;  denn  aus  vonit  simul,  ac  sol  occidit  wurde  venu, 
simul  ac  sol  occidit, 

169.  In  der  Bedeutung  „auch"  erscheint  et  bei  Plautus  im  Personen- 
wechsel, ebenso  bei  Terenz  (z.  B.  curae  est  mihi  Et  mihi  curae  est), 
dann  bei  Cicero  z.  B.  Q.  Rose.  32  at  enim  tu  tuum  negotium  gessisti  bene. 
Gere  et  tu  tuum  bene.  Ferner  setzt  Cic.  c^  in  unmittelbarer  Verbindung 
mit  einer  Adversativkonjunktion,  z.  B.  S.  Rose.  94  fateor  me  sectorem  esse. 
Verum  et  alii  mulii.  Nach  nam  und  simul  erscheint  gleichfalls  et  ^-= 
,auch",  namentlich  wenn  ein  Pronomen  folgt,  wobei  aber  oft  ein  zweites 
et  durch  Konstruktionswechsel  umgangen  wurde  (wie  Cic.  oiF.  1,  142). 
Caesar  hat  et  =  „auch"  nicht,  selten  Sali.,  oft  Liv.  Tac.  u.  Spätlatein,  wo 
der  schon  bei  Cato  r.  r.  156  eodetn  addito  et  oleum  beobachtete  allgemeine 
Gebrauch  nach  langer  Einschränkung  durch  die  vorklassische  und  klas- 
sische Sprache  wieder  vollständig  zum  Durchbruch  kommt  (Anton,  Stud.  I, 
S.  26-69). 

170.  Die  Konjunktion  quo  war  im  Altlat.  sehr  gebräuchlich,  vgl. 
Cato  r.  r.  praef.  4  ex  agricolis  viri  fortissimi  gignuntur  maximeque  piiis 
qimestus  stabilissimusque  consequitur  minimeque  invidiosus  minimeque  male 
cogitnntes  sunt  etc.  und  erhielt  sich  so  namentlich  in  der  publizistischen 
Sprache  auch  der  späteren  Zeit.  Bei  Plautus  wird  que  immer  dem  ersten 
Worte  des  Satzes  angehängt,  was  sich  auch  in  der  Prosa  erhielt;  nur  die 
Dichter  der  aug.  und  der  späteren  Zeit  nehmen  von  dieser  Stellung  Um- 
gang und  erlauben  sich  Freiheiten,  offenbar  unter  dem  Zwange  des  Metrums. 
Bezüglich  der  Präpositionen  ist  festgestellt,  dass  que  nie  an  ob  und  sub, 
selten    an   a   und  ad   angehängt  wird,   während   es  immer  an  die  zwei- 


460  B.  Lateiniffohe  Grammatik,    d)  LateiniBohe  Syntax. 

silbigen  Präpositionen  auf  a,  auch  an  sine,  Irans,  post  u.  s.  w.  sich  anfögt. 
(Näheres  im  Antibarb.^  s.  v.  Qtie.)  —  Die  Hauptfunktion  der  Partikel  que 
ist  die,  dass  der  mit  que  eingeführte  Teil  eine  zusammengehörige  Reihe 
als  ein  Ganzes  abschliesst. 

Anmerkung.  Que  --  «auch**  erscheint  nicht  vor  Velleias,  bei  diesem  aber,  dann 
bei  Val.  Max.  Sen.  phil.  Quint.  Plin.  mai.  häufig  im  Sp.  L.,  z.  B.  bei  Cypr.  Oros.  Lucif. 
u.  a.  in  Verbindung  mit  hodie,  also  hodieque  ~  , auch  heute  noch**. 

171.  Die  Konjunktion  atque  hat  in  der  Sprache  der  Komiker  de- 
monstrative Kraft,  so  namentlich  in  der  Verbindung  atque  eecum;  ferner 
vgl.  Epid.  97  sed  ego  cesso  ire  obvlam  adidescenti  .  .;  atque  ipse  illic  est. 
Verwandt  damit  ist  (Ballas  p.  31  ,,demonstrationi  semper  fere  admixta 
est  adseveratio  quaedam  et  adfirmatio^)  die  Bedeutung  der  nachdrück- 
lichen Versicherung,  welche  bisweilen  durch  Partikeln  wie  ecastor,  pro^ 
fecto,  vei'o  etc.  gehoben  wird:  Bacch.  85  rapidus  fluvius  hie  est  ...  atque 
ecastor  apud  hunc  fluvium  aliquid  perdundum  est  tibi.  Später  finden  wir 
atque  mit  versichernder  Kraft  bei  Cic,  namentlich  aber  bei  Sallust,  hier 
besonders  mit  Pronomina,  z.  B.  ego^  verbunden.  —  An  die  Bedeutung  der 
Versicherung  schliesst  sich  die  der  Steigerung  an,  welche  atque  namentlich 
in  Verbindung  mit  adeo,  etiam,  quoque,  insuper  ausübt,  so  schon  bei  Plautus 
und  Ter.,  dann  bei  Cic.  Caes.  Sali.  (Cat.  52,  35  intra  moenia  atque  in 
sinu  urbis)  Liv.  —  Die  Bestätigung  einer  vorausgegangenen  Frage  giebt 
atque  besonders  bei  Plaut,  u.  Ter.,  z.  B.  PI.  Stich.  582  sed  videon  ego 
Pamphilum  cum  fratre  suo  Epignonio?  atque  is  est  „ja  er  ist  es*.  Dieser 
Gebrauch  von  atque  lässt  sich  später  nicht  nachweisen. 

172.  Eine  Häufung  der  Konjunktion  atque  findet  sich  bei  Cato  (der 
überhaujit  die  Polysyndeta  liebt)  und  in  Nachahmung  desselben  bei  den 
Archaisten  Gellius  und  Fronto  (p.  36  Nah.  nam  uni  Porcio  nie  dedicavi 
atque  despondi  atque  delegavi).  Ausserdem  begegnet  uns  wiederholtes  atque 
bei  CatuU  u.  Vergil,  sonst  sporadisch  und  nicht  auffallend. 

173.  Bekannt  ist,  dass  atque  nach  den  Wörtern  der  Ähnlichkeit  und 
Verschiedenheit  dazu  dient,  eine  Vergleichung  zu  bilden.  Dies  geht  durch 
die  ganze  Latinität  hindurch,  selbstverständlich  ohne  dass  alle  Verbindungen 
zu  allen  Zeiten  getroffen  werden;  so  finden  sich  idem  atque  nur  in  der 
vorklass.  und  klass.  Zeit,  ita  atque  erst  bei  Juristen,  iu>xta  atque  nicht  vor 
Cic,  pro  CO  ac  bei  Juristen  (Sulp.  b.  Cic.  Fam.  4,  5,  1)  u.  Cicero,  alius 
atque  selten  nach  der  klass.  Zeit,  indem  hier  atque  durch  quam  ersetzt 
wird,  contra  atque  erst  seit  Cicero  u.  s.  w.  —  Selten  im  Altlat.  und  über- 
haupt nicht  häufig,  aber  dabei  vorwiegend  in  der  klassischen  Zeit,  wird 
atque  durch  et  ersetzt,  so  nach  aeque,  2)ariter,  alius,  aliter;  vgl.  Gaelius 
bei  Cic.  Fam.  8,  1,  3  solct  cnim  aliud  senfire   et  loqui   („als  er  spricht**). 

Anmerkung.  Nach  einem  Komparativ  folgt  atque  vor  Horaz  nur,  wenn  derselbe 
negiert  ist,  so  bei  Plaut.  Ter.  Cic.  (ad  Att.  5,  11,  2)  Catull,  Verg.:  erst  Horaz  hat  atque 
ohne  vorhergehende  Negation  gebraucht  und  zwar  hauptsächlich  in  den  Satiren,  weshalb 
die  Konstruktion  vulgär  erscheint.  Über  Cic.  Att.  13,  2  mihi  quidem  x^idelur  etiam 
diutius  afutnrus  ac  nollem  sind  die  Ansichten  geteilt  (vgl.  Boot  z.  St.  und  Ziemeb, 
Komp.  p.  199  Anm.  1). 

174.  Ausschliesslich  plautinisch  mit  Nachahmung  bei  Gellius  ist  at- 
que (Gellius  auch  et)  im  Nachsatze,  z.  B.  Epid.  209  quom  ad  portam 
vcnio,  atque  ego  illam  illic  video  praestolarier.    Dies  ist  eine  Verquickung 


2.  Der  zusammengeseizte  Baiz:  c.  Die  Beiordnimg.  (§  171—178.)         461 

zweier  Konstruktionen,  quam  venio  video  und  venia  atque  video,  wie  sie  im 
Munde  gemeiner  Leute  nicht  überraschen  darf;  an  einen  Gräzismus  ist 
nicht  zu  denken. 

175.  Während  die  klassische  Sprache  bei  Satzgliedern  und  Sätzen 
von  gleichem  Werte  den  Wechsel  in  den  Konjunktionen  et  atque  que  ver- 
meidet, brauchen  die  august.  Dichter,  dann  Livius  und  seine  Nachahmer, 
hauptsächlich  aber  Tac.,  die  kopulativen  Partikeln  in  willkürlicher  Ab- 
wechslung, z.  B.  Tac.  ann.  1,  1  Tiberii  Gaii  que  et  Claudii  ac  Neronis.  — 
Abschliessend  sei  bemerkt,  dass  bei  Historikern  que  und  et  gleich  häufig 
vorkommen,  während  et  bei  Rednern  überwiegt,  dass  die  Volkssprache  in 
erster  Reihe  et^  in  zweiter  que  bevorzugte,  dagegen  atque  der  Sprache  der 
Gebildeten  überliess.  Für  die  Stellung  ist  nur  noch  anzufügen,  dass  et 
zuerst  bei  aug.  Dichtem,  dann  aber  auch  in  Prosa  nachgestellt  erscheint. 

176.  Das  kopulative  nee  (von  welchem  wohl  ein  indefinites  zu  scheiden 
ist,  welches  altlat.  ^-  non  ist,  z.  B.  quod  nee  manifestum  erü  und  sich 
vereinzelt  bis  Verg.  herab  erhalten  hat,  z.  B.  ecl.  9,  6  qu^d  nee  vortat  bene, 
wie  auch  Liv.  und  Tac.  und  im  Sp.  L.  besonders  die  Afrikaner,  auch  die 
Gallier,  z.  B.  Apoll.  Sidon.  necdum  für  nondum  sagen)  wird  durch  folgende 
Negation  nicht  aufgehoben,  sondern  verstärkt,  aber  nur  in  der  alten  Sprache 
mit  Nachahmung  bei  Apuleius  u.  Gollius,  z.  B.  17,  21,  35  neque  haud 
longe  post,  und  bei  Petron,  welcher  die  Setzung  der  doppelten  Negation 
zur  Charakteristik  der  Sprache  der  Halbgebildeten  verwendet.  —  Den  Über- 
gang zur  Aufhebung  der  Negationen  bemerken  wir  bei  Varro,  welcher  noch 
de  r.  r.  1,  69,  3  den  alten  Gebrauch  wahrt,  sonst  aber  regelmässig  eine 
Bejahung  durch  zwei  Negationen  giebt.  Ständig  wird  das  letztere  in  der 
Prosa  zuerst  bei  Cicero,  in  der  Poesie  bei  CatuU,  welcher  erstere  indes 
neque  und  nan  durch  andere  Wörter  trennt,  während  Varro,  jedoch  öfters 
in  de  r.  r.  als  in  de  1.  1.,  nee  non  zusammenstellt,  wie  auch  die  Dichter 
seit  CatuU  (z.  B.  4,  3  neque  nequisse)  und  die  späteren  Prosaiker. 

177.  Nee  in  der  Bedeutung  „auch  nicht"*  oder  „nicht  einmal*  ist 
durch  sichere  Beispiele  bei  Plautus  Catull  Liv.  Ovid  Quint.  Tac.  Sueton. 
Juv.  Lucan  Gellius  Flor.  Just.  Tert.  Cypr.  Serv.  Sulp.  Lucif.  bezeugt,  und 
bei  Hör.  sat.  2,  3,  262  und  dessen  Nachahmer  Persius  (5,  172)  gleichfalls 
anzunehmen;  dagegen  ist  diese  Bedeutung  von  nee  der  klassischen  Latinität 
abzusprechen.  Nee  —  quidem  ist  nach  Madvigs  Vorgang  beseitigt  ausser 
Cic.  Fam.  6,  6,  2;  sen.  9;  Quint.  9,  3,  55:  überall  sonst  wird  ae  oder 
et  ne  —  quidem  gelesen.  —  Ne  in  dieser  Bedeutung  ist  vulgär,  zuerst  bei 
Petron  (jedoch  Bücheier  nee),  dann  auch  bei  scr.  h.  Aug.,  freilich  hier 
gerade  so  unsicher  (vgl.  Cotta  p.  33).  Ne-quoque  erwähnt  Gell.  17,  2,  18 
als  eine  bei  den  Alten  sehr  beliebte  Zusammenstellung. 

178.  Die  Verbindung  que  et  ist  im  Altlat.  sehr  selten  (Ter.  Hec.  488 
amoque  et  laudo),  findet  sich  bei  Cic.  u.  Caes.  gar  nicht,  dann  im  Jug.  des 
Sali.,  welcher  wie  Tac.  que  regelmässig  (Ausnahmen  ann.  2,  6  u.  14,  31) 
an  Pronom.  person.  anfügt,  während  Liv.  umgekehrt  dies  meidet  und  que 
an  Subst.  anhängt,  worin  ihm  Vell.  Curt.  Plin.  mai.  Gell,  nachfolgen.  Bei 
Yerg.  u.  Hör.  fehlt  diese  Konstruktion,  findet  sich  aber  sonst  bei  Dichtern, 
2.  B,  bei  TibuU.     Dagegen  hat  Verg.  zuerst  que  ac,  das  dann  auch  Ovid, 


462  fi*  tiAteinuiche  Grammatik,    d)  Lateiniache  äyntax. 

Liv.  Curt.  u.  Tac.  annehmen,  z.  B.  Tac.  bist.  3,  63  seque  ac  liheros  suas. 
Die  Verbindung  mit  que  —  que  ist  alt,  scbon  bei  Ennius  zu  treffen,  je- 
docb  unklassisch,  bei  Cic.  nur  de  fin.  1,  51  nociesque  diesque  als  dichterische 
Reminiszenz,  bürgert  sich  mit  Sali,  in  die  prosaische  Litteratur  ein;  Yergil 
hat  sie  wie  vorher  schon  Catull  dem  Ennius  abgelauscht,  und  ihm  wieder 
andere  Dichter;  Livius,  Vell.  Sen.  phil.  brauchen  es  nur  in  Anfttgung  an 
das  Pron.  relat.,  ebenso  Quint.  u.  Plin.  epp.,  z.  B.  Quint.  1,  8,  16  id  est 
figuras,  quaeque  A^^^cog  quaeque  diavo(a^  vocantur;  Tac.  hat  es  erst  in  den 
Annalen  und  hier  nur  zweimal.  Im  Sp.  L.  hat  man  korrespondierendes 
quo  nur  bei  Apoll.  Sidon.,  z.  B.  4,  18,  2  fuque  fraterque  communis  be- 
obachtet. —  Die  seltenste  Verbindung  ist  afque  —  afque,  welche  ausser 
Verg.  ecl.  5,  22  nur  noch  Sil.  1,  9p  aufweist.  Die  Korresponsion  et  — 
atque  wird  wohl  mit  Recht  für  unlateinisch  gehalten  (Madvig  fin.  284); 
et  —  que  liest  man  nicht  vor  Cicero,  bei  ihm  aber  öfter,  jedoch  nicht  in 
den  sorgfältig  ausgearbeiteten  Reden  der  besten  Zeit,  auch  nicht  bei  Livius, 
aber  bei  Horaz  (in  den  Satiren),  vereinzelt  in  der  silbernen  und  späteren 
Latinität,  z.  B.  bei  Curtius. 

179.  Nee  —  nee  „und  weder  —  noch"  scheint  in  Prosa  auf  die 
Historiker  Caes.  Sali.  u.  Liv.  sich  zu  beschränken;  von  Dichtern  haben  es 
Catull  und  Properz.  —  Wenn  ne^  —  nee  einen  vorausgehenden  negativen 
Begriff  zerlegt,  z.  B.  Cic.  Att.  14,  20,  3  nefno  unquam  neque  poeta  neque 
orator  fuit,  qui  .  .,  so  ist  an  eine  Aufhebung  der  Negationen  nicht  zu 
denken.  Diese  Konstruktion  hat  zuerst  Terenz,  dann  der  ihm  in  der 
Sprache  sehr  nahe  stehende  Cicero  und  ausserdem  noch  Livius,  Quint.  Plin. 
Pan.  Justin. 

180.  Die  Verbindung  neque  —  et  ist  selten  im  Altlat.,  oft  bei  Cic. 
und  in  der  nachklass.  Zeit,  neque  —  ac  kommt  erst  bei  Tac.  vor,  dann 
bei  Suet.  u.  Mart.,  neque  —  que  nicht  vor  Cic,  überhaupt  selten,  et  — 
neque  ebenfalls  nicht  vor  Cicero,  bei  diesem  häufig,  verliert  sich  nachher. 
Es  ist  klar,  dass  die  ebenerwähnten  Korresponsionen  der  durch  Cicero  aus- 
gebildeten Konzinnität  ganz  besonders  passten  und  dass  sie  deshalb  dem 
Streben  nach  ebenmässig  gliederndem  Satzbau  zumeist  ihre  Entstehung  ver- 
danken. Mit  dem  Zurücktreten  dieses  Strebens  verschwinden  auch  die 
meisten  der  genannten  Verbindungen. 

181.  Die  Korresponsion  tum  —  tum  bedeutet  nur  „bald  —  bald"; 
wo  „sowohl  —  als  auch  (ganz  besonders)"  verlangt  wird,  ist  cum  —  tum 
herzustellen,  wie  in  den  neueren  Texten  überall  geschieht.  Übrigens  liest 
man  die  Verbindung  tum  —  tum  nicht  vor  Cicero,  von  dieser  Zeit  an 
bis  herunter  ins  Spätlatein  findet  sie  sich  allenthalben  (nicht  bei  scr.  h.  A., 
CüTTA  p.  34). 

182.  Die  Partikeln  modo,  nunc,  interdum,  mox,  simul,  iam,  intevdum; 
ferner  hie,  illic,  hinc,  illinc,  inde  bilden  unter  sich  die  mannigfachsten  Kor- 
responsionen, die  jedoch  nicht  der  ganzen  Latinität  angehören,  sondern  in 
Analogie  nach  den  besprochenen  allgemein  üblichen  Verbindungen  von  ein- 
zelnen Schriftstellern  oft  in  manierierter  und  affektiert  gekünstelter  Weise 
gebildet  wurden  und  dann  sich  bald  einer  längern,  bald  einer  kürzern  Exi- 
stenz erfreuten.     So  hat  z.  B.  Lucrez  nunc  —  nunc  gebildet,  Vergil  ihm 


d.  Der  zuaatumengesetzte  Satz:  c.  Die  Beiordnung.  (§  179—185.)         463 

nachgeahmt,  Livius  es  in  die  Prosa  eingeführt,  Vell.  Val.  Max.  Curt.  Just, 
scr.  h.  Aug.  von  diesem  herübergenommen;  nunc  —  mox  dagegen  hat  Vell. 
aufgebracht,  und  mit  ihm  ist  es  auch  wieder  verschwunden.  —  Erwähnt 
mag  noch  werden  qua  —  qua,  welches  schon  Plaut,  hat,  Cicero  nur  in 
den  Briefen  ad  Att.  und  ad  Q.  fr.  zulässt,  Caesar  und  Sali,  verschmähen, 
Liv.  nur  in  der  ersten  Dekade  gebraucht.  Nachher  erscheint  es  bloss  ver- 
einzelt, z.  B.  bei  den  Archaisten,  einmal  auch  bei  scr.  h.  Aug.;  alias  — 
alias,  welches  bei  Cato  durch  aÜeras  —  alteras  ersetzt  wird,  ist  eine  der 
ältesten  Formen  der  Korresponsion;  Cic.  verwendete  es  noch  in  de  inv., 
Hess  es  aber  dann  wie  alle  doppeldeutigen  Formen  fallen. 

Anmerkung.  Abschliessend  sei  zur  Korresponsion  bemerkt,  dass  manchmal  der 
zweite  Teil  einer  solchen  korrespondierenden  Verbindung  unterdrückt  wird.  Dergleichen 
Anakoluthien  sind  psychologisch  leicht  zu  erklären  und  finden  sich  namentlich  in  der  Um- 
gangssprache, auch  in  den  pbilos.  Schriften  Cic,  die  sich  dem  leichtem  Konversationsstil 
nähern  (particula  pendens);  vgl.  auch  §207. 

183.  Die  Konjunktion  sed,  die  eigentlich  einen  Gegensatz  bezeichnet, 
dient  bisweilen  zur  Fortsetzung  der  Erzählung,  so  namentlich  bei  den 
Historikern  Sali.  Liv.  Just.,  zumeist  bei  Beginn  eines  Abschnittes,  z.  B.  Sali. 
Jug.  28,  6.  Ahnlich  steht  es  mit  at  in  den  Dichtungen  Cic,  bei  Sali. 
Verg.  u.  namentlich  Tac.  —  Apul.  braucht  sed  mit  Wiederholung  des 
betonten  Wortes  zur  Bekräftigung,  z.  B.  totum  me,  sed  prorsum  totum 
recepit;  überhaupt  dient  es  im  Spätlat.  (vgl.  Dressel  im  Progr.  von  Zwickau 
1882  p.  20  Anm.  2)  oft  zur  Hervorhebung,  z.  B.  bei  Firm.  Mat.  agricolas, 
sed  locupletes.  —  Anaphorisch  wiederholtes  sed  nach  vorausgegangener 
Negation  hat  Cic.  ganz  selten,  öfters  die  aug.  Dichter,  besonders  Ovid, 
dann  Sen.  Petron.  Tacitus. 

184.  Bei  at  —  von  welchem  die  Form  ast  archaisch  und  vulgär  ist 
und  sich  bei  Enn.  Plaut.  Cic.  de  legg.  und  ad  Att.,  oft  bei  Dichtern,  bei 
Petron  und  dann  bei  den  Archaisten  bis  in  die  späte  Lat.  herab,  z.  B. 
noch  bei  Apoll.  Sidon.  findet  —  ist  die,  der  von  Jordan  gegebenen  ur- 
sprünglichen Bedeutung  „noch  dazu,  anderseits",  nahestehende  Bedeutung 
„wohl  aber,  doch**  bemerkenswert.  Sie  wird  schon  bei  Ter.,  dann  bei  Cic. 
Sali.  Verg.  Prop.  angetroffen;  z.  B.  Cic.  Phil.  2,  12  non  placet  31.  Antonio 
consulatm  mens.  A  t  placuit  P,  Servilio,  Ebenso  mag  der  Gebrauch  von 
at  (manchmal  verstärkt  mit  certe,  tarnen,  saltem)  nach  einem  Bedingungs- 
satze notiert  werden;  er  ist  schon  dem  Altlat.  eigen,  findet  sich  bei  Cic. 
nach  negiertem  Satze,  auch  bei  Caes.,  nicht  bei  Sali.,  aber  wieder  bei  den 
aug.  Dichtern,  Liv.  und  den  Späteren.  Für  Liv.  u.  Curt.  hat  man  fest- 
gestellt, dass  nach  at  sehr  häufig  ein  Pron.  pers.  folgt,  z.  B.  at  ego,  at 
sibi  etc.,  aber  auch  at  Dareus,  at  rex  mit  emphatischem  Gebrauche  des  at. 

185.  Noch  sei  erwähnt  ein  in  der  Umgangssprache  wurzelnder  Ge- 
brauch von  at,  wenn  dies  nämlich  ähnlich  unserm  „aber"  in  aufgeregter 
Rede  einen  Befehl,  einen  Ausruf,  einen  Wunsch  einleitet,  z.  B.  Catull  3,  13 
at  vohis  Sit  male.  So  findet  sich  at  bei  den  Komikern,  selten  bei  Cic.  und 
überhaupt  in  der  Prosa,  öfter  bei  august.  Dichtern.  Die  Stelle  Liv.  1,  12,  5 
at  tu  pater  dcum  hominumque  arce  hostes  weist  auf  alten  Ursprung,  denn 
solche  sakrale  Formeln  pflegen  wenig  unter  der  Entwicklung  der  Sprache 
zu  leiden. 


464  ^*  LateiniBohe  Grammatik,    d)  Lateinische  dyntaz. 

186.  Die  Partikel  autem  ist  bei  Cicero  sehr  beliebt,  namentlich  in 
den  philos.  Schriften,  weniger  in  den  Reden,  höchstens  in  den  schon  ziemlich 
senilen  Philippicis;  dagegen  erfreut  sie  sich  nicht  sehr  der  Gunst  der  Histo- 
riker, von  denen  es  z.  B.  Tacitus  höchst  selten  gebraucht.  Denn  autem 
eignet  sich  seiner  ursprünglichen  Bedeutung  gemäss  (vgl.  Ziemer,  Junggi*. 
Streifzüge  p.  135)  weniger  für  die  historische  Darstellung,  als  für  den 
Konversationston  und  die  philosophische  Erörterung.  So  ist  in  der  Um- 
gangssprache unter  anderm  bemerkenswert  die  Verwendung  von  autem  in 
der  direkten  Frage;  damit  werden  die  verschiedensten  Affekt^  ausgedrückt 
oder  bereits  Gesprochenes  erklärt,  korrigiert  u.  s.  w.,  z.  B.  Liv.  21,  44,  7 
in  Africam  trafiscendes,  Transcendes  aulem  dico?  u.  Cic.  Att.  5,  15,  3 
quid  in  re  puhlica  fiat  Fiat  autem?  Jmmo  vero  etc.  Das  letztere,  nämlich 
die  Selbstverbesserung  durch  die  Frage,  ist  mit  Cic.  aufgekommen,  das 
übrige  findet  sich  schon  bei  den  Komikern. 

187.  Atqui,  dessen  Nebenform  atquin  selbst  bei  Cicero,  z.  B.  Phil. 
10,  17,  dorn.  12,  sonst  im  ganzen  sehr  selten  und  zur  Vermeidung  des 
Hiatus  von  Stat.  Theb.  6,  161  gebraucht  wird,  dient  dazu,  allen  Ernstes 
einem  Vorredner  das  Gegenteil  seiner  Behauptung  zu  versichern.  So  findet 
es  sich  bei  den  Komikern,  in  den  philosophischen  Dialogen  des  Cic,  in 
den  Satiren  des  Horaz,  bei  Liv.  Plin.  mai.  Suet.  in  eingestreuten  Dialogen, 
seltener  bei  den  genannten  Autoren  in  zusammenhängender  Rede.  Ausser- 
dem ist  bemerkenswert,  dass  atqui  einen  Bedingungssatz  einleitet  bei  Ter. 
Cic.  Hör.  und  seit  Cic.  nach  einer  Frage  das  Gegenteil  versichert,  z.  B.  bei 
Curt.  u.  Flor. 

188.  Ceterum  =  unserm  „übrigens**  lesen  wir  schon  bei  Ter.,  aber 
abgesehen  von  Cic.  Q.  Fr.  2,  12,  1  nicht  bei  Cic.  u.  Caes.,  häufig  bei  Sali. 
Liv.  Petron  Curt.  Tac.  Suet.  Um  die  Wirklichkeit  gegenüber  dem  Scheine 
zu  versichern,  brauchen  es  Sali.  u.  Tac,  dieser  aber  erst  in  den  Annalen, 
Plin.  pan.  u.  Suet.;  vgl.  Sali.  Jug.  76,  1  sinmlabat  sesc  negoti  gratia  pro- 
perarCy  ceterum  prodiUonem  timebat  (=  „in  Wahrheit  aber**). 

189.  Vero  ist  bei  Plautus  immer  blosse  Beteuerungspartikel,  während 
verum  bei  ihm  immer  adversative  Bedeutung  hat;  bei  Terenz  aber  wie  in 
der  klass.  Sprache  wird  vero  bereits  adversativ  gebraucht,  wenn  es  auch 
hier  seine  ursprüngliche  nachdrücklich  beteurende  Bedeutung  an  manchen 
Orten  bethätigt;  bei  den  Historikern  jedoch  erscheint  es  ziemlich  abgeschwächt 
und  nicht  von  auteln  verschieden,  ebenso  bei  Petron,  wo  es  geradezu  als 
Übergangspartikel  fungiert.  —  Bei  Cicero  hat  man  beobachtet,  dass  mit 
der  Entwicklung  der  Diktion,  namentlich  in  den  Reden,  verum  gegenüber 
srd  zurücktritt, 

19().  Ein  beachtenswerter  Gebrauch  der  Konjunktion  nut  ist,  dass 
sie  eine  vorausgehende  Negation  weiterzuführen  sich  eignet.  Dies  findet 
sich  indes  erst  seit  Cic.  häufiger,  auch  bei  Caes.  Sali.,  den  aug.  Dichtern, 
Liv.  Petron  Tac,  z.  B.  ann.  15,  61  nihil  triste  in  verbis  eius  aut  vuJtu. 
Ahnlich  wird  auch   vel  bei  Cic  Caes.,    den   aug.   Dichtern,    Liv.    getroff*en 

und  ve  bei  Verg.  Tibull. 

Anmerkung.  Übrigens  dienen  auch  die  kopulativen  Konjunktionen  et  que  atqtte 
dem  gleichen  Zweck  und   zwar  sogar  bei  Cic.  und  Caes;  hier  lesen  wir  selbst  ne  et  —  et 


2.  Der  zaBammengesetzte  Satz:  c.  Die  Beiordnung.  (§  186—195.)         465 

statt  ne  aut  —  aut^  wenn  —  wie  C.  F.  W.  Müllbb  sa^  —  hervorgehoben  werden   soll, 
dass  das  Zusammentreffen  von  beiden  zugleich  zu  verhüten  ist. 

191.  Im  Fragesatz  steht  aut^  wenn  nicht  eine  Ausschliessung  der 
Frageglieder  beabsichtigt  ist,  sondern  die  Erweiterung  des  zweiten  durch 
das  erste,  oder  wenn  in  gleicher  Weise  ein  Fragesatz  an  einen  andern  an- 
geknüpft wird;  so  bei  Plaut.  Ter.  (Andr.  236  hocinest  humanuni  factu  aut 
inceptu?),  Cic.  Caes.  Sali.  Petrön  Tac.  Dagegen  ist  aut  in  der  Disjunktive 
durchaus  unzulässig.  Korrespondierendes  aut  —  aut  im  Fragesatz  erscheint 
erst  seit  Cicero,  z.  B.  p.  Rose.  Am.  118  num  aut  ille  lanista  aut  isie  disci- 
pulus  videtur  etc. 

192.  Die  Konjunktion  vel,  welche  die  Wahl  zwischen  mehrern  ge- 
nannten Begriffen  dem  Belieben  anheimgiebt,  bekommt  bei  Ovid  und  dann 
in  der  silbernen  Latinität  auch  die  Bedeutung  von  aut,  z.  B.  Tac.  ann.  14,  35 
wncendum  illa  acie  vel  cadendum.  —  Bemerkenswert  ist  bei  vel  die  seiner 
Etymologie  entsprechende  Bedeutung  „zum  Beispiel",  welche  Plaut,  noch 
selten  hat,  ebenso  Terenz,  dann  aber  namentlich  Cicero,  so  in  den  Briefen, 
z.  B.  ad  Fam.  7,  24,  1  amoris  quidem  tui,  quoquo  me  vcrti,  vestiffia  [videoj, 
vel  2>roxime  de  Tigellio.  —  Das  korrespondierende  vel  —  vel  \^t  in  der 
klassischen  Sprache  streng  von  et  —  et  zu  scheiden;  dagegen  lässt  sich 
nicht  verkennen,  dass  an  einigen  Stellen  bei  Plautus  vel  —  vel  =  „sowohl  — 
als  auch''  ist,  und  dass  in  der  späten  Latinität,  so  namentlich  auch  im 
afrikanischen  Latein,  wo  vel  und  et  durcheinander  geworfen  werden,  vel 
—  vel  vollständig  die  abgeschwächte  Bedeutung  von  et  —  et  angenommen 
hat;  ja  bei  Cyprian  findet  sich  sogar  die  Korresponsion  vel  —  et. 

193.  Während  das  einfache  ve  der  ganzen  Latinität  angehört,  jedoch 
so,  dass  es  bei  Plaut,  und  überhaupt  im  Altlat.  mehr  kopulative  als 
disjunktive  Bedeutung  hat,  ist  die  Korresponsion  ve  —  ve  dichterisch;  sie 
kommt  indes  schon  bei  Ennius  vor  (ann.  302  L.  Müller:  prudenter  quod 
dicta  loquive  tacereve  posset),  dann  bei  Verg.  Hör.  Ovid,  öfter  bei  Tibull, 
und  bei  spät.  Dichtern. 

194.  Sive  in  der  Bedeutung  „oder"  (also  mit  Unterdrückung  jeder 
kondizionalen  Färbung)  findet  sich  bei  Lucr.  u.  Lucil.,  dann  bei  Cic.  (z.  B. 
Q.  Fr.  2,  3,  2  dixit  Fompeius  sive  voluit),  nicht  jedoch  in  den  rhetor.  und 
philos.  Schriften,  fehlt  bei  Caes.  Sali.,  fast  allen  Dichtern  (Ovid.  u.  Verg. 
je  1  Stelle)  und  vielen  spätem  Prosaikern.  Häufig  brauchen  es  Vitruv, 
Plin.  mai.  Tac.  Aur.  Vict.  script.  bist.  Aug.  Veget.  Macrob.  Auch  sive  hat 
im  Spätlat.  gerade  wie  vel  seine  Bedeutung  geschwächt,  so  dass  es  =  et 
geworden,  die  Beispiele  siehe  bei  Rönsch,  Semas.  Beitr.  H,  p.  82. 

195.  Auch  das  Fragewort  an  erscheint  als  Disjunktivpartikel;  aus 
dem  Altlat.  ist  nur  eine  Stelle  aus  Acc.  erwähnt,  häufig  ist  der  Gebrauch 
bei  Cic,  namentlich  in  den  Briefen,  aber  auch  in  den  philos.  und  rhetor. 
Schriften,  nicht  in  den  Reden,  vereinzelt  bei  CatulL,  Sali,  und  Varro,  etwas 
häufiger  bei  Livius,  bei  Tac.  ist  es  geradezu  Lieblingspartikel,  jedoch  nur 
in  den  Annalen,  wie  bei  Sali,  nur  in  den  Historien,  z.  B.  Sali.  Hist.  U  10  D. 
perrexere  in  Hispaniam  an  Sardiniam.  Zu  erklären  ist  dies  als  eine  vom 
Sprechenden  an  sich  gerichtete  parenthetische  Frage  „oder  wars  nach  Sar- 
dinien?"    Aber  bald  verschwand  dies  Bewusstsein,  und  man  fühlte  keinen 

Hftndbucb  der  klass.  AltertauiBWifleenachafl.  n.    2.    Aufl.  30 


466  B.  Lateinisohe  (hrammatik.    d)  Lateinisehe  dyntax. 

unterschied  mehr  zwischen  aut  und  an.    Nach  Tac.   wird  der  Gebrauch 
vereinzelt  noch  gefunden,  so  bei  Suet.  Apul. 

Anmerkung.  Die  Willkür  im  Gebrauche  der  disjungierenden  Konjunktionen 
zeigt  sich  wie  bei  den  kopulativen  (vgl.  §  175)  schon  frühe.  So  verwendet  Vitrav  OMt 
oder  sive  ohne  Unterschied,  Plin.  mai.  unterscheidet  kaum  zwischen  stve^  rel  und  aut, 
ähnlich  Tac,  hauptsächlich  um  die  Konzinnität  zu  vermeiden  und  Abwechselung  in  d'w 
Diktion  zu  bringen,  ebenso  Vegetius  und  Macrobius  und  die  Peregrinatio  ad  loca  sancta. 

196.  Die  Konjunktion  nam  war  ursprünglich  blosse  Versicherungs- 
partikel und  hat  sich  so  in  der  Umgangssprache  der  späteren  Zeit,  sogar 
bei  Cicero  in  dialogischen  Partien  erhalten,  z.  B.  Verr.  1,  133  nam  weher- 
cule^  inquity  sie  agamus,  ja  wahrhaftig,  so  wollen  wir  es  machen.  Schon 
frühe  macht  sich  im  Gebrauche  dieses  Wortes  —  welches  ausser  an  einigen 
Stellen  bei  Hör.  u.  Verg.  immer  am  Anfange  erscheint  —  die  begründende 
Natur  geltend  und  dabei  ist  dann  vielfach  eine  Art  Brachylogie  zu  Tage 
getreten.  Diese  wird  schon  bei  Plaut,  und  Ter.  wahrgenommen,  hat  aber 
ihr  eigenstes  Feld  bei  Cicero,  findet  sich  jedoch  auch  bei  Sali.  Curt.  Tac. 
scr.  h.  Aug.  in  mehreren  Erscheinungsformen  von  stilistischer  Wichtigkeit 
(in  der  Figur  der  Praeteritio  und  der  Occupatio).  Vgl.  Sali.  Cat.  52,  33 
ignoscite  Cethegi  adulescentiae  .  .  .  nam  quid  ego  de  Gabinio  .  .  loquar? 
und  meine  Anm.  —  Ganz  spät  erst  tritt  eine  Entwertung  von  nam  ein, 
z.  B.  bei  Commodian  ist  es  fast  =  rf«,  bei  Dracont.  =  ae  oder  sed;  zweifel- 
haft bleibt,  ob  ersteres  auch  für  den  Juristen  Gaius  angenommen  wer- 
den darf. 

197.  In  Fragesätzen  wird  nam  im  Altlat.  noch  teilweise  vorangestellt, 
z.  B.  Ter.  Phormio  732  nam  quae  haec  amis  est?  Doch  erscheint  es  auch 
schon  bei  Plaut,  und  Ter.  und  dann  in  der  ganzen  Folgezeit  an  das  Frage- 
wort angehängt  oder  (nur  bei  Dichtern)  ihm  wenigstens  nachgestellt,  z.  B. 
Verg.  ecl.  9,  39  quis  est  nam  ludus  in  undis?  —  Merkwürdig  ist  quianam 
bei  Ennius  Naev.  Att.  Plaut.  Lucrez  u.  Vergil,  z.  B.  Naev.  Poen.  18  L.  Müller: 
stimme  deum  regnator,  quianam  me  genuisti?  Hier  hat  dasNeutr.  plur.  quin 
die  interrogative  Bedeutung  erhalten ;  vgl.  Reichardt,  Neue  Jahrb.  1 889,  S.  120. 

198.  Die  Konjunktion  namque  ist  bei  Plaut,  u.  Ter.  noch  sehr  selten 
und  steht  nur  vor  Vokalen;  auch  in  der  klassischen  Sprache  wird  sie  wenig 
gebraucht  (jedenfalls  nicht  in  dem  §  196  u.  197  erörterten  Sinne),  öfter 
verwenden  sie  Varro,  Nepos,  Catull,  Sali.  Verg.  Liv.  Tac,  davon  Catull  u. 
Varro  zuerst  postpositiv,  dann  auch  Livius  und  namentlich  Val.  Max.  und 
Justin  öfters,  selten  Tac,  sehr  häufig  Gell.  u.  Apuleius,  fast  regelmässig 
Firm.  Mat.  und  immer  Florus. 

199.  Das  mit  nam  eng  verwandte  enim  (wie  eheti  neben  Act/,  ehern 
neben  hem)  erscheint  im  Altlat.  (Plaut.  Ter.),  auch  bei  Lucrez  (6,  1277, 
aber  Lachmann  interpungiert  nach  pendehantur  cnim),  dann  wieder  bei  den 
Archaisten  auch  an  erster  Stelle,  was  seit  der  klassischen  Zeit  sonst  nicht  mehr 
zulässig  ist.  In  der  Regel  nimmt  es  die  zweite  Stelle  ein,  rückt  aber  oft, 
wenn  die  ersten  Wörter  des  Satzes  eng  verbunden  sind,  an  die  dritte  und 
vierte  Stelle  und  noch  weiter  zurück.  In  seinem  Gebrauche  hinsichtlich 
der  Verbindung  der  Sätze  ist  es  nicht  wesentlich  von  nam  verschieden; 
nur  ist  zu  bemerken,  dass  es  bei  Plautus  ausschliesslich  und  bei  Ter.  noch 
überwiegend  Beteuerungspartikel  ist,  und  dass  es  im  afrikanischen  Latein, 


2.  Der  zaBammeiigesetKte  Satz:   c.  Die  Beiordnimg.  (§  190—203.)  467 

sowie  überhaupt  im  Sp.  L.,  seine  Kraft  fast  verloren  hat  und  in  blosser 
Aufzählung  erscheint. 

Anmerkung.  Die  Ansicht  Langen *s,  dafis  enini  bei  Plaut,  ausschliesslich  stark 
versichernde  Partikel  ist,  wird  von  Gutjahb-Pbobst,  Beitr.  III  p.  244  als  zu  eng  bestritten, 
aber  von  Niemeyeb  zu  Trin.  705  aufrecht  erhalten. 

200.  Etenini  ist  im  Altlat.  noch  sehr  selten  (fehlt  bei  Plautus  ganz) 
und  wird  erst  seit  Varro  und  Cic.  häufiger  gebraucht,  nachgestellt  nicht 
vor  Horaz,  dann  bei  Plin.  mai.  Apul.  Juristen  und  eccl.  Sein  Gebrauch  ist 
noch  in  der  silbernen  Latinität  weniger  ausgedehnt  als  der  von  nam  und 
enim\  so  fehlt  es  z.  B.  bei  Curtius;  dagegen  ist  es  Lieblingspartikel  bei 
Apuleius. 

201.  Qui^ype  ist  ursprünglich  Fragewort,  an  welches  die  Antwort 
ohne  weiteres  angefügt  wurde,  z.  B.  Ter.  Phormio  361  ff.  nam  iam  adu- 
lescenti  nihil  est,  quod  suscenseam,  siillum  minus  norat;  quippe  hämo  iam 
grandior  ruri  fere  se  continebat  „dem  jungen  Mann  kann  ich  nicht  zürnen, 
wenn  er  jenen  weniger  kannte;  warum  denn?  nun  der  alte  Herr-  etc. 
Daraus  entwickelte  sich  mit  Verwischung  der  ursprünglichen  Bedeutung 
der  kausale  Gebrauch  und  allmählich  wird  quippe  zum  abgeschliffenen  Ad- 
verb, das  bei  Cic.  p.  Mil.  12  movet  me  quippe  lumeti  curiae  sogar  mitten 
im  Satze  stehen  konnte.  Schon  bei  Sali.,  namentlich  aber  bei  Liv.  Curt. 
u.  Justin  wird  quippe  häufig  gebraucht  vollständig  synonym  mit  ewiw,  und 
zwar  bald  an  erster  bald  an  zweiter  Stelle  des  Satzes  (Paucker,  Z.  f.  ö.  G. 
1883  p.  333). 

202.  Ergo  (=  ex  rego  „aus  der  Richtung  her,  aus  dem  Grunde, 
deswegen^)  findet  sich  häufig  im  Altlat.,  manchmal  verstärkt  durch  me- 
casior,  edepol  u.  ä.  so,  dass  z.  B.  bei  Plaut,  immer  der  vorhergehende  Vers 
die  causa  efficiens  dazu  bildet;  dass  dadurch  ergo  in  vielen  Fällen  eine 
versichernde  Kraft  bekommt,  ist  selbstverständlich.  Bei  den  august.  Dich- 
tern (Horaz,  Ovid,  Properz)  drängt  sich  bisweilen  der  Satz  mit  ergo  als 
Ausdruck  einer  starken  Empfindung  seinen  Prämissen  vor  und  lässt  diese 
nicht  zu  Wort  kommen,  z.  B.  Hör.  sat.  2,  5,  101  ergo  nunc  Damo  sodalis 
nusquamst  (vgl.  dazu  Kiessling).  —  In  der  klassischen  Zeit  wird  ergo  vor- 
zugsweise zur  Einleitung  der  logischen  Folgerung  gebraucht.  In  der  nach- 
klassischen Zeit  hat  sich  ergo  namentlich  bei  Curtius  bemerklich  gemacht, 
sonst  erscheint  es  vereinzelt.*)  —  Die  Stellung  von  ergo  ändert  sich  je 
nach  dem  Ton,  der  auf  ihm  liegt,  und  der  Zusammengehörigkeit  der  ersten 
Worte  eines  Satzes.  —  Fast  ganz  wie  ergo  wird  auch  igitur  behandelt. 
Dies  ist  =  agittir  und  sollte  daher  seinen  Platz  an  erster  Stelle  des  Satzes 
haben.  Allein  es  findet  sich  so  konstant  nur  bei  Sallust  (abgesehen  von 
den  Fragesätzen)  u.  Vell.  Pat.  und  häufig  bei  Tac;  Cicero  dagegen  setzt 
es  gewöhnlich  an  die  zweite  Stelle.  Igitur  wurde  von  manchen  Autoren 
sichtlich  gemieden,  so  von  Ter.  in  den  letzten  Komödien,  von  Caes.  und 
seinen  Fortsetzern,  den  beiden  Seneca,  bei  Spartian  (scr.  h.  Aug.).  Vgl. 
Wölfflin,  Archiv  III  p.  560,  Madvig  zu  Cic.  Fin.  p.  115  und  oben  Stolz  p.  320. 

203.  Itaque  hat  seine   ursprüngliche  Bedeutung   „und  so"  nie  ver- 


^)  z.  B.  bei  scr.  h.  Aug.,  wo  es  viel  häufiger  ist  als  itaque, 

30' 


468  B.  Lateinische  Grammatik,    d)  Lateinische  Syntax. 

leugnet,  wenn  es  auch  ähnlich  wie  igitur  verwendet  wurde.  Es  wird  schon 
bei  Plaut,  und  dann  durch  die  ganze  Litteratur  angetroffen.  Im  Altlat., 
sowie  bei  Cic.  Caes.  Sali.,  erscheint  es  nur  am  Anfange  des  Satzes;  an 
zweiter  Stelle  sehen  wir  es  zuerst  wohl  bei  Lucrez,  dann  bei  Cornif.,  bei 
Horaz,  häufiger  bei  Livius,  Seneca  und  Quint.,  vereinzelt  bei  Curt.  u.  Val. 
Max.,  nicht  bei  Tac.  (der  es  nur  an  drei  Stellen  des  Dialogus  hat)  und 
Plin.,  oft  aber  im  Sp.  L.,  z.  B.  bei  Justin  Apul.  Tert.  Boeth.  u.  a. 

204.  Zur  Verbindung  beigeordneter  Sätze  dienen  auch  pronominale 
Adverbia,  wie  hinc,  inde,  eo,  ideo,  idcirco,  propterea,  quapropier,  proinde; 
jedoch  findan  sich  dieselben  nicht  überall,  so  eo  u.  ideo  =  „deshalb''  nicht 
bei  Cic.  Caes.  Sali.,  idcirco  nicht  bei  Cic.  Caes.,  ebenso  propterea;  jnomde 
dient  nur  zur  Anfügung  einer  Aufforderung,  erst  mit  Plin.  mai.  Plin.  min. 
Tac.  Curt.  wird  der  Gebrauch  freier;  z.  B.  Plin.  n.  h.  pr.  §  20  proinde 
occupantihus  locum  faveo, 

205.  Wenn  von  den  oben  besprochenen  beiordnenden  Konjunktionen 
zwei  oder  mehrere  zusammentreten,  so  kann  man  im  allgemeinen  dies  nicht 
als  Beweis  einer  besonders  feinen  und  mustergiltigen  Diktion  ansehen.  Die 
gesunde  Sprache  verfahrt  haushälterisch  mit  ihren  Mitteln;  Abundanz  im 
Ausdruck  verrät  entweder  geringe  Bildung  oder  wenig  Geschmack.  So  finden 
sich  denn  auch  abundante  konjunktionale  Verbindungen  nur  in  der 
Vulgärsprache  oder  in  der  Zeit  des  Verfalls  der  Latinität.  Beispielsweise  ist 
et  —  quoque  vor  Livius  nicht  zu  finden,  et  —  etiam  ist  bei  der  steigernden 
Bedeutung  von  etiam  eher  zulässig  und  wird  daher  auch  bei  Cic.  (nicht 
bei  Caes.  Sali.  aug.  Dichtern)  getroffen  (anders  freilich  et  etiam  bei  Apul.); 
etiam  et  ist  häufig  in  der  afrikanischen  Latinität,  nee  non  et  schon  bei 
Varro,  dann  bei  Verg.  Plin.  mai.  Suet.  Florus  eccl.;  nee  non  etiam  ebenfalls 
bei  Varro  zuerst,  dann  später  in  der  afrikanischen  Latinität,  et  quoque  etiam 
Haut.  Asin.  184,  nee  non  —  quoque  bei  Plin.  mai.  Quint;  etiam  quoque 
und  quoque  etiam  schon  bei  Plaut,  u.  Ter.  (vielleicht  auch  Cic.  Farn.  4, 
8,  1?  so  WöLFFLiN,  Cass.  Felix  p.  427,  anders  Streicher,  Comm.  philol. 
Jenens.  III,  158),  dann  im  afrikan.  Latein;  verum  vero  bei  Cato  Plaut, 
(vgl.  jedoch  §  189),  sed  autem  bei  Plaut.  Ter.  Verg.,  sed  vero  bei  Plaut, 
und  Cic.  sind  etwas  anders  zu  beurteilen,  indem  autem  entweder  =  „auch** 
oder  „seinerseits,  wieder"  und  t^ero  =  „gar  noch"  bedeutet;  cr(fo  igitur 
lesen  wir  bei  Plaut.,  dann  erst  wieder  in  dem  afrikanischen  Latein,  bei 
Apul.  nur  in  Met.,  ferner  bei  Claudian,  itaque  ergo  bei  Ter.  u.  Liv.; 
quippe  eienim  und  namque  enim  im  afrikanischen  Latein  (bei  Plaut. 
Trin.  Ol  namque  enim  ist  enim  affirmativ,  nicht  begründend,  vgl.  §  199), 
quare  ergo  Plin.  Pan.  (jedoch  Cic.  Rose.  Am.  112  ergo  idcirco  gehört  nicht 
hieher,  vgl.  Landgraf  z.  St.). 

200.  Anders  verhält  es  sich  (zum  Teil  wenigstens)  mit  der  Zusammen- 
stellung ungleichartiger  Partikeln,  z.  B.  sed  enim,  welches  schon  von  Cato, 
schwerlich  von  Plautus  und  Cicero  (Arch.  5,  Cael.  60,  Attic.  G,  1,  11  VV^es. 
geändert),  sicher  nicht  von  Caes.  Sali.  Liv.,  gerne  aber  von  den  aug.  Dichtern 
und  den  Archaisten,  z.  B.  Fronte,  Gellius  gebraucht  wird;  at  enim  findet 
sich  von  Plautus  bis  zu  den  Archaisten  herab,  et  —  autem  {atque  — -  autem) 
bei  den  Komikern,  nicht  in  der  klassischen  Sprache,   aber  in  der  silbernen 


2.  Der  zusammengesetzte  Satz:   c.  Die  Beiordnaog.  (§  204—207.)  469 

Latinität  und  bei  den  Archaisten,  ncque  autem  bei  Plaut.  Lucr.,  sogar 
bei  Cic.  Farn.  5,  12,  6,  dann  in  der  silbernen  Latinität,  Gell.;  verum  enim 
bei  Plaut.  Tert.,  verum  enim  vero  bei  Plaut.  Ter.  Cic.  (Erstlingsreden?) 
Sali.  Liv.;  et  vero  bei  Plin.  mai.;  enim  vero  bei  Plin.  mai.  Tac.  (aber 
ausser  1  Stelle  in  der  Germ,  nur  in  den  Annalen),  namentlich  bei  Fronto, 
meist  zur  Beteurung,  bei  Tac,  auch  adversativ. 

207.  Es  erübrigt  noch,  die  Verbindungen  non  solum  —  sed  etiam, 
non  modo  —  sed  etiam  mit  ihren  Variationen  zu  besprechen.  Für  Cicero 
ist  nachgewiesen,  dass  er  in  den  früheren  Reden  die  Formeln  non  modo  — 
verum  etiam,  non  modo  —  verum  und  non  solum  —  verum  etiam  gerne 
verwendet,  während  in  den  späteren  Reden  darin  verum  durch  sed  ersetzt 
wird;  verum  etiam  wird  überhaupt  in  den  Erstlingsschriften  Cic.  sehr  be- 
vorzugt, indessen  es  Cornific.  Caes.  Liv.  Tac.  sichtlich  meiden;  erst  später 
bei  Plin.  epp.  u.  Sueton.  tritt  verum  etiam  wieder  in  den  Vordergrund. 
Non  solum  hatte  seine  besondere  Verwendung  in  der  Figur  der  gradatio, 
non  tantum  haben  Caes.  u.  Sali,  nicht,  Cic.  selten  und  offenbar  nur  zur 
Abwechslung,  aber  Hirtius  im  b.  Gall.  VIII,  Liv.  Curt.  und  die  silberne 
Latinität,  sowie  die  scr.  h.  Aug.  Tritt  nach  sed,  wie  manchmal  bei  Cic. 
Liv.  und  in  der  silbernen  Latinität,  quoque  ein,  so  wird  damit  nur  ein 
Zusatz,  nie  eine  Steigerung  ausgedrückt.  Das  Fehlen  von  etiam  nach  sed 
ist  Gegenstand  eingehender  Erörterung  gewesen;  diese  Konstruktion  findet 
sich  bei  Cic,  aber  nur  nach  non  modo,  bei  Caesar  b.  G.  7,  54,  bei  Sali., 
sehr  häufig  bei  Liv.  und  in  der  silbernen  Latinität,  bei  Tac.  (aber  zumeist 
in  den  Annalen);  richtig  dürfte  sein,  dass  sed  ohne  etiam  da  steht,  wo  das 
zweite  Glied  dem  Umfange  oder  dem  Grade  nach  stärker  ist  und  das  erste 
umfasst  oder  in  sich  schliesst,  z.  B.  Cic.  p.  Plane.  §  76  non  modo  tacri-- 
wtilum,  sed  mulfas  lacrima^  et  fletum  cum  singultu  videre  potuisti;  im  Sp. 
L.,  z.  B.  bei  scr.  h.  Aug.,  findet  sich  jedoch  dieser  Unterschied  nicht  mehr. 

Eine  beachtenswerte  Konstruktion,  die  Effekt  machen  musste  und  auch 
darauf  berechnet  war,  ist  non  solum  ohne  folgendes  sed;  sie  gehört  jedoch 
ausschliesslich  Liv.  u.  Tac.  an,  z.  B.  Tac.  ann.  1,  77  nmi  modo  e  plebe, 
etiam  militibtis  et  ccnturione.  Unwillkürlich  wird  man  an  tantum  abest,  ut 
—  Hauptsatz  (siehe  unten  285)  erinnert.  —  Ebenso  kann  umgekehrt  der 
erste  Teil  unterdrückt  oder  doch  nur  angedeutet  sein,  während  der  zweite 
mit  sed  etiam  oder  öfter  sed  et  eingeleitet  wird.  Dies  gehört  dem  silbernen 
und  späteren  Latein  an;  z.  B.  Apul.  met.  10,  6  curiam,  sed  et  pUbem 
maerens  inflam  maverat. 

Sind  beide  Glieder  negativ,  so  fehlt  die  zweite  Negation  im  ersten 
Gliede,  wenn  das  Prädikat  am  Schluss  beiden  Gliedern  gemeinsam  ist;  im 
zweiten  Gliede  steht  meistens  ne  quidem,  selten  vix  oder  doppeltes  neque. 
Steht  aber  gleichwohl  non  modo  non  in  diesem  Falle  —  was  höchst  selten, 
aber  doch  auch  bei  Cic.  vorkommt  — ,  so  erklärt  sich  dies  aus  der  Bedeu- 
tung von  non  modo  „ich  will  nicht  sagen,  nicht  etwa**.  Bei  Cicero  hat 
man  noch  bemerkt,  dass  die  Formel  non  modo  nofi,  verum  ne  —  quidem 
sich  im  ganzen  nur  viermal  findet  (dagegen  oft  mit  sed). 

Selbstverständlich  bot  eine  so  vielfacher  Variation  fähige  Konstruktion 
günstige   Gelegenheit    zur    Anwendung    mannigfacher    Sprachkünste     von 


470  B.  Lateinieche  Grammatik,    d)  Lateinische  Syntax. 

welcher  denn  auch  manieriert  schreibende  Schriftsteller,  wie  z.  B.  Curtius, 
reichlich  Gebrauch  machen. 

Zu  §  182  vergl.:  Hand,  Tursellinus;  Ballas,  Gramm.  Plautina  I  und  II,  Berlin  1884 
(2.  Aufl.);  Ringe,  Zum  Sprachgebrauch  des  Caesar,  GötÜDgen  1880  (et,  que,  atque);  Ahtor, 
Studien  etc.  p.  13  ff.  et,  p.  7  atque  u.  s.  w.  ||  Zu  §  189:  Jobdan,  Krit.  Beitr.  p.  290  ff. 
(über  ast),  Seyffbbt,  Scholae  lat.  Leipzig  1870  (an  mehreren  Orten).  ||  Zu  §  195:  C.  F.  W. 
Müller,  Ober  den  Gebrauch  der  Partikel  sive,  Berlin  1871.  i|  Zu  §  196:  Dombabt,  Bayr. 
Gymn.  1880  p.  40.  ||  Zu  §  200:  Fbiisoh,  nam,  etenim,  enim,  Wetzlar  1859.  ||  Zu  §205: 
WöLLFFLiN,  Über  die  Latinität  des  Afrikaners  Cass.  Felix,  Manchen  1880  p.  427.  ||  Zu 
§  207:  Wolf,  De  formularum  non  modo,  non  modo  non  —  sed  etc.  usu  Ciceroniano, 
Ratibor  1856. 


4.  Die  Unterordnung. 

a.  Unterordnung  ohne  Pronomina  oder  Konjunktionen. 

208.  Die  Behandlung  der  Satzunterordnung  wird  in  einer  historischen 
Syntax  nicht  ohne  guten  Grund  an  letzter  Stelle  gebracht.  Denn  die  Ent- 
wicklung des  Satzbaus  hat  offenbar  den  Gang  mitgemacht,  den  uns  folgende 
Reihen  veranschaulichen: 

1.  Die  Sonne  scheint.  —  Wir  wollen  spazieren  gehen.  2.  Die  Sonne 
scheint;  wir  wollen  spazieren  gehen.  3.  Die  Sonne  scheint,  deshalb  wollen 
wir  spazieren  gehen.  4.  Weil  die  Sonne  scheint,  deshalb  wollen  wir  spa- 
zieren gehen;  und 

1.  Ich  höre:  du  bist  krank;  2.  ich  höre  das:  du  bist  krank;  3.  ich 
höre,  dass  du  krank  bist;  und  1.  Er  sagte  den  Soldaten:  gehet  weg;  2.  er 
sagte  den  Soldaten,  sie  sollten  weggehen;  3.  er  sagte  den  Soldaten,  dass 
sie  weggehen  sollten. 

Es  ist  eine  durch  die  Natur  der  Sache  gegebene  und  durch  die  Re- 
sultate der  Sprachforschung  bestätigte  Thatsache,  dass  aus  dem  einfachen 
Satze  durch  Anfügung  eben  eines  solchen  sich  zunächst  die  Beiordnung  er- 
gab, und  dass  erst  mit  der  fortschreitenden  Entwicklung  der  Sprache  sich 
aus  der  Beiordnung  die  Unterordnung  herausbildete,  indem  die  eine  der 
Handlungen  als  die  bedeutendere  (Hauptsatz),  die  andere  als  die  unbedeu- 
tendere (Nebensatz)  empfunden  wurde;  als  die  bedeutendere  erschien  die- 
jenige, welche  geeignet  war,  den  Zusammenhang  und  die  Verknüpfung  mit 
neuen  Gedanken  zu  vermitteln.  Wenn  nun  auch  in  der  vollendeten  Periode 
der  Sprache  die  Unterordnung  überwog  und  Relativsätze,  sowie  Konjunk- 
tionalsätze zur  schärferen  logischen  Präzisierung  des  Verhältnisses  der 
Gedankenkomplexe  zueinander  an  Stelle  koordinierter  Sätze  eintreten,  so  hat 
sich  doch  die  ursprüngliche  Beiordnung  nicht  ganz  verdrängen  lassen,  und 
oft  tritt  sie  uns  entgegen,  wo  Unterordnung  uns  mehr  am  Platze  schiene 
oder  wo  man,  wie  bei  licet,  dies  Verhältnis  ganz  verkannt  hat.  Selbst- 
verständlich wird  dies  überall  da  der  Fall  sein,  wo  die  naturwüchsige  Sprache 
des  Volkes  zur  Geltung  kommt,  ferner  bei  den  Dichtern,  denen  die  streng 
logische  Periodisierung  weniger  entspricht,  als  die  schlichte  Anknüpfung 
eines  Gedankens  an  den  andern  (vgl.  Horaz  sat.  2,  7,  68  cvasit:  crcdo, 
metues  dodusque  cavebis  ^=^  ut  evaseris  credo  tc  .  .  docfum  esse  catäurum), 
wo  also  die  logische  Beziehung  der  Phantasie  des  Lesers  überlassen  bleibt, 
dann  in  der  sinkenden  Latinität  bei  den  Schriftstellern,  welche  die  Ursprung- 


2.  Der  zuBammengeBetzte  Satz:  d.  Die  Unterordnung.  (§  208    209.)        471 

liehe  Einfachheit  der  Sprache  affektieren,  d.  h.  bei  den  Archaisten,  und 
schliesslich  bei  den  Kirchenschriftstellern,  bei  denen  die  Rücksicht  auf  ihr 
Publikum  eine  kunstvolle  Satzbildung  ausschloss. 

Die  einfachste  Art  der  Zusammensetzung  zeigt  sich  in  Sätzen  wie  bei 
Petron  129  crede  mihi:  nan  intellego,  und  Cic.  ad  Att.  2,  11,  1  narro  tibi, 
plane  relegatus  mihi  nideor.  Sobald  einmal  die  Sprache  in  den  Modi  das 
Mittel  geschaffen  hatte,  das  Wirkliche  vom  Gedachten  oder  Gewünschten 
zu  unterscheiden,  wurde  die  Anfügung  schon  mannigfaltiger;  so  lesen  wir 
bei  Naev.  diu  vivat  volo  „er  möge  lange  leben,  ich  wills",  bei  Plaut,  cedo 
bibam,  manc  sis  videam  in  offenbarer  finaler  Beziehung,  dann  iube  veniat 
in  urbeni  u.  a.  So  werden  nun  die  mannigfachsten  inneren  Verhältnisse 
zweier  Sätze  zu  einander  durch  einfache  Zusammenstellung  angedeutet;  ich 
erwähne:  Plaut,  und  Ter.  absque  me  esset,  faceretn  (Jordan,  Krit.  Beitr. 
p.  313  f.)  kondizional;  Tac.  bist.  4,  58  in  volkstümlicher  Rede  sane  ego 
displiceam:  sunt  alii  legati  konzessiv;  Plin.  ep.  1,  12,  8  dcdisses  huic  animo 
par  corpus:  fecisset  etc.  kondizional  (d.  h.  dedisses  ist  wünschend,  aber 
„Wunsch  und  Bedingung  sind  Zwillinge,  die  Formen  der  Bedingung  sind 
daher  naturgemäss  die  des  Wunsches**  Wegener  p.  188);  Catull  66,  18 
non  Vera  gemunt:  ita  me  di  iuvennt,  wie  bei  Ter.  in  der  Schwurformel, 
später  nur  mit  ut  eingeleitet;  Varro  r.  r.  1,  2,  26  est  satius  dicas,  ib.  1, 
2,  16  und  oft  licet  adieias,  also  ein  sogen.  Inhaltssatz,  Petron  61  oro  te, 
sie  me  felicem  videas,  narra,  75  rogo,  sk  pcculium  tuum  fruniscaris,  ifispue 
etc.;  Cic.  Att.  2,  15,  3  nondum  plane  ingemueram:  „salve*',  inquit  Arrius, 
temporal;  PI.  Men.  572  morem  habent  hunc:  cluentes  sibi  omnes  volunt  esse 
multos,  konsekutiv  etc. 

Einen  Schritt  weiter  geht  die  Unterordnung  durch  die  Personen-  und 
Tempus-  (ev.  auch  Modus-) Verschiebung.  So  wird  aus  dem  rogo  venias  in 
der  Erzählung  rogavi  veniret;  ebenso  erklärt  sich  Tac.  ann.  1,  35  ferirct 
hortabantur  und  alles  im  folgenden  Paragraphen  zu  Besprechende.  Auch 
der  Acc.  c.  inf.  gehört  hieher,  denn  polliceor:  veniam  wird  polliceor  me 
vcnturum  esse,  und  noster  socer  vidco  venit  zu  iiostrum  socerum  vidco  venire. 

Tritt  zu  hortabantur  ferirct  ein  ut,  zu  nondum  plane  ingemueram. 
„salve*',  inquit  Arrius  ein  quom,  welche  Wörtlein  sofort  die  Unterordnung 
und  die  Art  derselben  anzeigen,  so  ist  die  Hypotaxis  förmlich  ausgebildet, 
und  wir  haben  Haupt-  und  Nebensatz,  d.  h.  eine  Periode. 

209.  Einfache  Parataxe  finden  wir  zunächst  bei  den  v.  sentiendi 
und  dicendi,  wenn  sie  in  der  I.  Person  eines  präsentischen  Tempus  oder 
in  einer  Aufforderungsform  erscheinen;  aber  auch  hier  ist  sie  auf  gewisse 
Verba  wie  credo  fateor  pufo  opinor  u.  ä.  beschränkt,  die  selbst  nicht  überall 
auftreten,  wie  z.  B.  S2)ero  und  seio  nicht  bei  Cic,  opinor  nicht  bei  Ter., 
moneo  nur  bei  Plaut,  so  konstruiert  wird.  Allgemein  üblich  im  Altlat. 
und  überhaupt  in  der  Volkssprache  ist  die  Parataxe,  wo  sie  schwerfällige 
Periodisierung  vermeiden  hilft,  z.  B.  Ter.  Hec.  756  quod  pol^  si  esset  alia 
ex  hoc  quaestu,  Imud  faceret,  scio.  Dann  gehört  hieher  certum  est  bei 
Plaut.,  das  auch  bei  Cic.  und  überhaupt  in  der  klassischen  Zeit  sich  findende 
cave,  ferner  fac  bei  Plaut.  Ter.  Cato,  Cic.  epp.,  facito  bei  Varro  und 
besonders  faxo  mit  folgendem  Fut.  oder  (ganz  vereinzelt)  Eonj.  Praes.  bei 


472  B.  LateiniBche  Gr&mmatik.    A)  Lateinische  Syntax. 

Plaut.  Cato,  weniger  oft  bei  Ter.,  dann  nicht  mehr.  Die  V.  des  Wollens 
konstruieren  sich  so  in  allen  Zeiten,  z.  B.  PI.  Pers.  245  noh  ames  und 
Gell.  4,  1  nolo  labores,  ebenso  oportet  und  nccesse  est  und  wie  erwähnt 
licet;  opus  est  wohl  nur  in  Plin.  epp.;  selten  operam  do,  z.  B.  Pomp,  und 
Plane,  in  epp.  an  Cicero,  welche  als  echte  Dokumente  der  Umgangssprache 
überhaupt  sehr  reich  an  einfachen  Parataxen  sind.  Dazu  kommen  die  V. 
des  Bittens  besonders  bei  Cic.  epp.  Sali.  aug.  Dichtem  und  noch  spät 
bei  eccl.,  wie  z.  B.  Cyprian  fast  regelmässig  in  seinen  Briefen,  ep.  8,  3 
sed  et  vos  petimus  meniores  sitis  schreibt;  dann  die  V.  des  Ratens,  z.  B. 
Cic.  Fam.  7,  7,  1  essedum  aliquod  capias  stuideo,  auch  bei  Plaut.  Nep.  epp. 
an  Cic.  und  bei  Petron,  der  selbstverständlich  viele  Parataxen  aufweist, 
schliesslich  sino,  aber  nur  bei  Plaut.  Catull.  aug.  Dichtern  Liv. 

Der  angefügte  Satz  kann  auch  negativ  sein,  z.  B.  PI.  Poen.  909  ita 
dei  faxint:  ne  apud  lenofiem  hunc  so-viam;  hier  ist  ne  serviam  Wunsch- 
satz; die  weitere  Ausbildung  dieser  Satzform  siehe  211  u.  212. 

Wir  sehen  somit  die  einfache  Parataxe  auf  den  Dialog,  den  Briefstil 
und  die  volkstümliche  Rede  beschränkt.  In  epischer  Erzählung  und  histo- 
rischer Darstellung  hat  sie  sich  nur  mittels  der  Personen-  und  Tempus- 
verschiebung einfuhren  können ;  die  vollendete  klassische  Diktion  bevorzugt 
die   vollständige  Durchführung   der  Hypotaxe   mittels   der  Konjunktionen. 

Anmerkung.  Wie  mit  dem  Vordrängen  der  Konjunktionen  immer  mehr  das  Gefabl 
und  Verständnis  ffir  die  ursprüngliche  Parataxe  verblasste,  ersehen  wir  aus  der  Geschichte 
von  licet,  welches  allmählich  zur  förmlichen  Konjunktion  erstarrte  und  so  wie  quamvis  bei 
Dichtem  und  später  bei  Ammian  auch  mit  Adi.  und  Part,  sich  verband,  z.  B.  Anm.  21,  3,  8 
milites  licet  numero  imparea,  oder  den  Indikativ  zu  sich  nahm,  z.  B.  bei  Ulpian,  Apul. 
Macrob.  Ammian.  und  regelmässig  in  der  Vulg.,  wo  umgekehrt  quamquam  immer  den 
Konj.  nach  sich  bat. 

210.  Die  Übergangsform  von  der  Parataxe  zur  Hypotaxe  mittels 
Personen-,  Modus-  und  Terapusverschiebung  ist  vorzugsweise  nach 
den  VV.  der  Willensrichtung  bemerkenswert  (wobei  wir  den  BegriflF 
„Willensrichtung"  sehr  weit  fassen)  und  zwar  mit  positivem  oder  nega- 
tivem Nebensatze  und  dann  in  der  sogen,  indirekten  Frage.  Wir  betrachten 
zunächst  die  erstberührte  Konstruktion. 

Dieselbe  kommt  schon  im  Altlat.  öfters  vor  neben  der  209  be- 
sprochenen, also  sino  irattis  sit  und  sivi  viverent  neben  smc  te  exorem 
(„lass  es  zu,  ich  möchte  dich  erbitten**,  wo  einfache  Zusammenstellung, 
während  bei  sivi  viverent  dies  nicht  der  Fall  ist).  Beispiele  bieten  besonders 
Plaut,  u.  Cato,  ferner  Ennius,  weniger  Terenz;  im  Hauptsatz  stehen  Verba, 
welche  zumeist  ein  Postulat  oder  dessen  Verwirklichung  bezeichnen  wie 
curo,  dicOy  impetro,  rogo  u.  ä. 

In  der  klassischen  Zeit  und  der  spätem  Latinität  erweitert  sich  die 
Zahl  der  Verba  durch  Analogiebildung;  jedoch  entfällt  der  Hauptanteil  auf 
die  Dichter,  die  poetisierenden  und  archaisierenden  Prosaiker,  so  namentlich 
Apuleius,  welcher  viel  Singuläres  wagt,  während  Cic.  (zumal  in  den  sorg- 
fältig ausgearbeiteten  Reden),  sowie  Caesar  nur  wenig  von  Belang  bieten. 
Bemerkenswert  ist,  dass  iubere  —  dessen  einfache  Parataxe  aus  Plaut,  in 
208  zitiert  ist  —  im  b.  Alex,  und  Hisp.,  dann  bei  den  aug.  Dichtern,  bei 
Liv.  und  den  folgenden  Historikern  bis  zu  den  script.  bist.  Aug.  herab  so 
konstruiert  erscheint,  z.  B.  Tac.  bist.  2,  46  bomim  haberet  animum  iubebant, 


2.  Der  EUBammengesetzte  Satz:  d.  Die  ünterordnong.  (§  210—211.)  473 

da88  p ermitter e  seit  Sali,  namentlich  im  publizistischen  Stile,  welcher, 
wie  Sali.  Cat.  29,  2  senatus  decrevit,  darent  qperam  eonsules  zeigt,  gerne 
stehende  Formeln  in  Parataxe  anfügt  (z.  B.  Liv.  33,  45  faceret,  gtwd  e  re 
publica  cemeret  esse,  permiserunt)  so  auftritt,  und  schliesslich  dass  von  den 
VV.  des  Verlangens  nie  flagitare  und  poscere  so  konstruiert  werden, 
während  postulare  und  petere  sogar  bei  Caesar  sich  finden. 

211.  Die  mit  ne  eingeleiteten  Nebensätze  gehören  auch  hierher; 
denn  bei  ihnen  findet  entweder  einfache  Parataxe  statt,  z.  B.  Ter.  Haut. 
783  ita  tu  istaec  misccto,  ne  me  admisceas  (»auf  folgende  Weise  sollst  du 
mischen:  mische  mich  nicht  hinein'')  und  Caecina  bei  Cic.  Fam.  6,  7,  6 
ita  eorrigas  Ubrum,  ne  mihi  noceat^  oder  mit  Personen  und  Tempusverschie- 
bung, z.  B.  Cic.  har.  resp.  21  quod  f rater  consul  ne  fieret  restiterat;  schon 
frühe  hat  man  jedoch  die  Negation  ne  zugleich  als  Konjunktion  gefühlt, 
weshalb  auch  ut  ne  nicht  recht  aufkam  oder  —  wie  bei  Cicero  —  seinen 
bestimmt  ausgeprägten  Charakter  erhielt. 

Solche  Sätze  mit  ne  reihen  sich  an  Hauptsätze  an,  deren  Verbum  ein 
Machen  und  Bewirken  bedeutet,  und  zwar  in  der  ganzen  römischen  Littera- 
tur;  ferner  stehen  sie  nach  VV.  des  £rreichen8,  aber  mit  ganz  vereinzelten 
Ausnahmen  in  der  vorklassischen  und  klassischen  Zeit  hauptsächlich  erst 
seit  Livius,  z.  B.  Suet.  Jul.  23  obtinuit  reus  ne  fieret;  dann  nach  den  sog. 
VV.  impediendi,  ganz  vereinzelt  im  A.  L.,  z.  B.  Plaut.  Trin.  87  und  Ter. 
Eun.  809,  häufiger  erst  seit  Cicero,  z.  B.  ad  Att.  11,  13  plura  ne  scribam 
dolore  impedior,  nicht  bei  Caesar,  selten  bei  Sallust,  öfter  bei  Livius  und 
in  der  silbernen  Latinität;  dann  nach  itibeo  (vgl.  auch  210)  bei  Hirtius  b. 
Call.  8,  52  und  den  Script,  bist,  aug.,  nach  impero  sogar  bei  Caesar  (aber 
sonst  nur  noch  bei  Ter.),  ferner  nach  den  VV.  des  Verbietens  vorklas- 
sisch, klassisch  und  nachklassisch,  jedoch  selten,  sogar  nach  veto  bei 
Horaz;  schliesslich  nach  den  VV.  cavendi  allenthalben,  während  mit  der 
Konstruktion  von  ne  nach  temperare  Plaut,  keine  Nachahmung  ge- 
funden, sondern  nur  eine  Analogie  bei  Livius  (3,  11  eonsules  se  abstine- 
bant  ne  —  offerrcnt)  hervorgerufen  hat.  Daran  mag  sich  das  im  Altlat. 
und  nachklassisch  selten,  bei  Cicero  um  so  häufiger  gebrauchte  video  ne 
anreihen. 

Die  Konstruktion  der  VV.  timendi  ist  hier  auch  zu  besprechen.  Metuo 
ne  veniat  —  „ich  fürchte,  dass  er  kommt',  eigentlich  „er  soll  nicht  kommen, 
ich  bin  in  Angst  davor**;  aus  diesem  metuo  ne  veniat  entstand  für  den 
verneinenden  Fall  metuo  ne  non  veniat  in  einfacher  Ausbildung  der  Kon- 
struktion. Statt  ne  non  steht  ut,  aber  nur  nach  metuo,  timeo,  vereor,  paveo, 
und  dies  nach  paveo  nur  bei  Komikern,  nach  metuo  und  timeo  auch  bei 
Cic.  und  Caes.  (ganz  selten,  z.  B.  Cic.  Plane.  77),  nach  vereor  nur  bei  Pac. 
Ter.  Cic;  ne  non  ist  ganz  selten  bei  Komikern,  häufig  bei  Cicero,  nach 
ihm  aber  nirgends  mehr  zu  finden.  Aus  dieser  Entstehung  der  Konstruktion 
der  VV.  timendi  erklärt  sich  auch,  dass  auf  sie,  selbst  bei  unzweifelhafter 
Beziehung  auf  die  Zukunft,  gleichwohl  Konj.  Praes.  oder  Imperf.  folgt; 
Ausnahmen  sind  selten,  z.  B.  Varro  1.  1.  165  M  vereor  ne  plures  sint  futuri; 
Cic.  Verr.  5,  163;  Parad.  2,  18;  Matius  bei  Cic.  Fam.  11,  28,  8  und  im 
Sp.  L.  Sulp.  Sev,  M.  praef.  2  scd  vereor  ne  tu  ei  iantM  sis  futurus.  —  Auch 


474  B.  Lateinische  Grammatik,    d)  Lateinische  Syntax. 

die  kausativen  VV.,  welche  hieher  gehören,  nämlich  „in  Furcht  setzen* 
und  »abschrecken'*,  werden  mit  ne  konstruiert,  aber  höchst  selten,  doch 
auch  bei  Cicero,  z.  B.  Att.  2,  17,  2  solebat  enim  me  pumjere,  ne  Sampsi" 
cerami  mcrita  in  patriam  maiora  viderentur  qtmm  nostra;  vgl.  noch  Hör. 
od.  1,  2,  4  terruit  urbem,  grave  ne  rediret  saeculum  Pyrrlme. 

Im  übrigen  finden  wir  mit  ne  eingeleitete  Sätze  an  alle  Sätze  ange- 
fügt, die  eine  Handlung  ausdrücken,  welche  in  einer  zu  nennenden  Absicht 
ausgeführt  wird,  so  namentlich  nach  VV.  der  Bewegung  u.  ä.  Dies  geht 
durch  die  ganze  Latinität  hindurch. 

212.  Schliesst  sich  ein  zweiter  Satz  mit  ne  an  einen  ersten  mit  oder 
ohne  ne  eingeleiteten  Aufforderungssatz  an,  so  wird  statt  des  seltenen  et  ne 
oder  des  erst  im  silbernen  Latein  aufkommenden  ae  ne  gewöhnlich  neve 
gebraucht  und  zwar  in  allen  Zeitaltern  der  Sprache.  Ein  korrespondierendes 
neve  findet  sich  selten,  bei  Cicero  nur  —  was  dann  eigentlich  nicht  mehr 
hieher  gehört  —  nach  einleitendem  xit,  aber  bei  Caesar,  einmal  bei  Liv.  30, 
37,  4  bellum  neve  in  Africa  neve  extra  Africam  gererent  und  Hör.  ars 
poet.  189.  —  Selten  ist  die  Anknüpfung  mit  nee  statt  mit  neve;  bei  Cicero 
wird  nee  nach  ne  nie  angetroffen  (vgl.  C.  F.  W.  Müller  zu  Cic.  off.  1,  91), 
auch  nicht  bei  Caes.  und  Sali.,  aber  bei  Nepos,  bei  Vitruv,  welcher  neve 
gar  nicht  kennt,  bei  Liv.  Flor.,  nach  Liv.  vereinzelt,  häufig  bei  Dichtern, 
so  schon  bei  Plaut.,  bei  Verg.  Hör.  Ovid  u.  a. 

213.  Wenn  eine  Frage  mit  einer  Aussage  in  Beziehung  gesetzt 
werden  soll,  so  geschah  dies  ursprünglich  durch  einfache  unveränderte  Zu- 
sammenstellung beider  nach  der  208  besprochenen  Weise,  also  die:  quis 
emit?  oder  quaesivit:  cur  afuisti?  Sobald  aber  mit  dem  Fortschreiten  der 
Sprachentwicklung  eine  innigere  Verbindung  beider  Sätze  als  Bedürfnis 
empfunden  wurde,  trat  an  Stelle  des  Indikativs  der  die  Unterordnung  be- 
zeichnende Konjunktiv,  also  die  quis  emerit,  ferner  fand  eine  Tempus-  und 
Personenverschiebung  statt,  also  qu<iesivit  cur  afuisseni;  dazu  kam  in  ein- 
zelnen Fällen  noch  die  Scheidung  im  Gebrauche  des  Frageworts,  indem  wie 
im  Griechischen  manche  Fragewörter  der  direkten  Frage  sich  vorzugsweise 
eignen. 

Anmerkung.  Kine  andere  Art  von  Verbindung  ist  die  vollständige  Verschmelzung 
beider  Sätze  zu  einem  Gedankenkomplex,  wobei  der  Fragesatz  als  der  wichtigere  erschien 
und  den  Hauptsatz  zu  einer  Art  pronominaler  oder  adverbialer  Bestimmung  herabdrückte. 
Dies  ist  vorzugsweise  der  Volkssprache  eigen,  findet  sich  aber  auch  vereinzelt  bei  Cic. 
namentlich  in  den  Briefen,  bei  Sali.  Liv.  Plin.  mai.  Tac.  und  ihren  Nachahmern;  hieher 
gehört  nescio  quis,  nescio  quo  pacto,  dann  aber  sane  quam,  per  quam,  admodum  quam, 
oppido  quam,  7nirum  quantum,  nimium  quantum  und  analog  gebildete  Wendungen,  z.  B. 
Sali.  H.  2,  79  D  immane  quantum,  Plin.  mai.  infmüum  quantum  congelat  und  Justin,  in- 
credibile  quantum  gloriae  dedit. 

214.  Im  Altlateinischen  hat  sich  der  Indikativ  in  der  indirekten 
Frage  noch  vielfach  erhalten,  d.  h.  die  Stellung  des  Fragesatzes  zum 
Hauptsätze  ist  eine  ziemlich  selbständige,  namentlich  in  den  eigentlichen 
Fragen,  welche  eine  Antwort  verlangen,  dann  auch  in  den  Fragen,  welche 
einen  Affekt  zum  Ausdruck  bringen,  z.  B.  inden  ut  adstat  furcifer?  (Plaut. 
Most.  1172),  oder  welche  mehr  den  Charakter  eines  Ausrufs  tragen,  z.  B. 
specta  quam  arte  dormiunt  (PL  Most.  829).  Wenn  auch  manchmal  hier 
ein  Konjunktiv   erscheint,   so   haben  wir   in   demselben   nicht  sowohl   den^ 


2.  Der  zasammengesetste  Satz:  d.  Die  Unterordnung.  (§  212—215.)        475 

unterordnenden  Modus  zu  erkennen,  als  vielmehr  einen  eigentlichen  Kon- 
junktiv (so  namentlich  dubitativer  und  potentialer  Natur),  der  auch  im 
selbständigen  Satze  stehen  müsste,  z.  B.  quid  fadam  impera  (direkt:  quid 
faciam,  was  soll  ich  thun?).  Selbstverständlich  ist  der  Konjunktiv,  wo  der 
Inhalt  des  Gefragten  noch  zweifelhaft  und  ungewiss  ist,  z.  B.  rcnuntict 
mihi  velitne  an  non,  oder  wo  bloss  über  eine  Frage  gesprochen  wird,  z.  B. 
Cato  r.  r.  1  praedium  quod  primum  siet,  si  me  rogabis,  sie  dicam,  oder  wo 
der  Fragesatz  infolge  einer  Prolepsis  seines  Subjektes  —  welche  oft  bei 
den  Komikern  vorkommt  —  die  wesentliche  und  notv^endige  Ergänzung 
des  Hauptsatzes  bildet,  z.  B.  Plaut.  Fers.  635  patriam  te  rogo  quae  sit, 
oder  wo  ein  Modusausgleich  eintritt,  z.  B.  Plaut  Rud.  638  ut  mi  istuc 
dicas  negoti  quid  sit. 

In  der  klassischen  Sprache  darf  der  Konjunktiv  in  der  indirekten 
Frage  als  Regel  erkannt  werden,  und  hier  ist  er  oft  lediglich  subjunktiver 
Modus.  Dagegen  kann  man  doch  im  Zweifel  sein,  ob  man  nicht  seit 
Lambins  Vorgange  zu  strenge  verfahren  ist,  wenn  man  alle  Indikative 
verbannte.  Mir  scheint  es  sicher,  dass  bei  Cornificius,  bei  Varro,  bei  Cic. 
in  den  Erstlingsschriften  und  in  den  epp.  ad  Att.,  in  den  Briefen  an  Cicero, 
überhaupt  in  all  den  Schriften  auch  der  klassischen  Zeit,  welche  der  Volks- 
sprache nahe  stehen,  der  Indikativ  der  Überlieferung  vielfach  zu  halten 
ist,  so  Cic.  Att.  13,  18  mdes  propinquitas  quid  Jiabet;  Lambin  hat  am 
Rande  v.  c.  quid  Imbct,  im  Texte  aber  habeat,  was  Baiter  trotz  Med.  auf- 
genommen. 

Die  Historiker  wie  Caes.  Nepos  Sali.  Liv.  Tac.  brauchen  durchaus 
den  Konjunktiv,  nicht  so  die  Dichter  wie  CatuU  Vergil  und  besonders  Pro- 
perz.  Die  Archaisten  sowie  die  plebeische  Diktion  des  Petron,  auch  Vitruv, 
haben  oft  den  Indikativ,  der  mit  dem  Überwuchern  der  Volkssprache  all- 
gemein aufkommt;  so  sagt  z.  B.  der  Grammatiker  Diomedes  ncscio  quid 
facis  mit  der  Bemerkung  cruditius  enim  dicetur  y^nescio  quid  facias**.  Die 
spätlat.  Schriftsteller  weisen  fast  nur  den  Indikativ  auf,  z.  B.  bist.  Apoll, 
eccl.  gramm.  u.  s.  w. 

215.  Bezüglich  der  die  einfache  indirekte  Frage  einleitenden  Frage- 
wörter mag  folgendes  genügen:  Quis  und  qui  werden  im  Altlat.,  über- 
haupt in  der  Volkssprache,  nicht  geschieden,  weshalb  auch  bei  Sali.  Cat.  44,  5 
qtä  sim  und  Nep.  Them.  8,  6  qui  sit  zu  lesen  ist.  —  Qui  kommt  öfters  im 
AltJat.  vor,  z.  B.  Acc.  (Ribb.  tr.  149,  103)  fiec  quei  te  adiutem  invenio, 
auch  bei  Plaut.  Ter.,  doch  nicht  allein  modal,  auch  instrumental,  selten  in 
der  klassischen  Sprache,  öfter  bei  Liv.  —  Quor  ist  selten  im  Altlat.,  da- 
gegen cur  in  der  klassischen  Zeit  häufig,  dann  bei  Dichtern  (nicht  bei 
Catull  und  Tibull,  aber  bei  Properz)  und  in  der  nachklassischen  Prosa; 
hier  entwickelte  sich  daraus  die  in  der  spätem  Latinität,  z.  B.  bei  scr.  h. 
Aug.  Hier.  Ambros.  Sulp.  Sev.  Apoll.  Sidon.  Lucifer  u.  a.  nicht  seltene 
Bedeutung  „weil**,  z.  B.  bei  Sulp.  Sev.  D.  2,  5,  8  frendens  cur  fuisset  ad- 
missus;  ebenso  verhält  es  sich  mit  qua  re,  das  erst  mit  Cic,  öfter  indirekt 
auftritt.  Beide,  cur  und  qua  re,  stehen  in  älterer  Zeit  vorzugsweise  bei 
arguere,  indignari  u.  ä.,  welche  wohl  anfangs  prägnant  genommen  wurden, 
z.  B.  indignari   —   unwillig  fragen;   erst  allmählich  erweiterte  sich   der 


476  B.  Lateinieche  Grammatik,    d)  Lateinische  Syntax. 

Gebrauch  (Rebling  N.  Jahrb.  121,  p.  367,  Sittl  bei  Bursian  1877/83  p.  349), 
so  dass  sie  ~  quod  werden  konnten.  —  Über  ut  siehe  unten  §  278  ff.  — 
Ne  erscheint  in  indirekten  Fragen  allenthalben,  besonders  nach  vv.  der 
Überlegung;  nach  meiner  Ansicht  ist  dabei  unvermittelte  Parataxe  anzu- 
nehmen, z.  B.  Cic.  Fam.  15,  14,  4  considera,  ne  in  alienissimum  tempus 
cadat  advenfus  tuusi  „dass  nur  nicht  deine  Ankunft  in  eine  sehr  ungelegene 
Zeit  fällt:  darauf  gieb  achf" ;  allmählich  aber  bekam  ne  die  Bedeutung  eines 
Fragewortes  und  behielt  sie  durch  die  ganze  Latinität,  wenn  auch  der 
Gebrauch  kein  besonders  häufiger  ist.  —  Ntim  fehlt  bei  Gatull,  TibuU, 
Vitruv,  steht  einmal  bei  Properz  und  wird  nach  der  klassischen  Zeit  über- 
haupt seltener  und  fast  durchweg  durch  an  ersetzt,  welches  sich  vorklas- 
sisch und  klassisch  abgesehen  von  einigen  stereotyp  gewordenen  Verbin- 
dungen mit  scio  und  duhito  in  einfacher  indirekter  Frage  gar  nicht  findet; 
an  nach  dublto  und  duhium  ist  durch  Unterdrückung  des  ersten  Teils  einer 
Doppelfrage  entstanden  {duhito  num  war  erst  möglich,  als  das  Bewusstf^in 
von  der  Herleitung  und  Bedeutung  von  dubito  zweifeln  schwand,  bei  Plin. 
min.  u.  Tac);  nach  dubito  an,  nescio  an  folgen  in  klassischer  Zeit  nur  die 
negierten  Pronomina  u.  Adv.  (also  haud  scio  an  nihil),  während  mit  Beginn 
der  silbernen  Latinität  auch  die  entsprechenden  positiven  Formen  stehen 
können,  so  bei  Val.  Max.  Sen.  Quint.  Plin.  epp.,  z.  B.  nescio  an  ars  ulla.  — 
Nonne  in  indirekter  Frage  gehört  ausschliesslich  Cicero  an,  und  auch  er 
hat  es  nur  nach  quaero,  —  Neben  an  macht  sich  in  späterer  Latinität 
noch  ein  anderer  Ersatz  für  num  geltend,  nämlich  si.  Dies  findet  sich 
schon  bei  den  Komikern,  dann  bei  Properz  z.  B.  2,  3,  5  quaerebam  si<;ca 
si  posset  piscis  arena  vivere,  bei  Horaz,  ausschliesslich  bei  Vitruv,  der  ne, 
num  etc.  gar  nicht  kennt,  bei  Livius  und  zwar  nach  Analogie  der  Verba 
des  Versuchens,  Erwartens,  bürgerte  sich  aber  namentlich  durch  den  Ein- 
fluss  der  Vulg.  ein,  überlebte  alle  andern  indirekten  Fragewörter  und  ging 
dann  auch  allein  in  die  romanischen  Sprachen  über;  vgl.  Konstantinroman 
p.  22,  21  si  mortuus  sit  aut  vivat  deus  seit  und  bist.  Apoll.  43,  9  nescio 
si  tu  possis  virgo  mauere,  Sulp.  Sev.  D.  2,  11,  3  die  mihi,  si  unquam  in 
hello  fuisti, 

216.  Die  in  §  160  besprochenen  Sätze  werden  durch  Anfügung  an 
einen  Fragehauptsatz  indirekt,  also  aus  nnmeam  an  abeam  wird  nescio  oder 
incertumst  maneam  an  abeam.  Diese  Form,  worin  an  selten,  doch  auch 
bei  Cicero  durch  anne  ersetzt  wird,  geht  von  Plaut,  an  durch  die  ganze 
Latinität.  „Oder  nicht"  heisst  in  diesem  Falle  an  non  (bei  Cic.  fast  nur  in 
Erstlingsschriften,  nicht  bei  Caes.,  Sali.,  selten  bei  Liv.),  necne  bei  Ter.  Cic. 
Hör.  Quint.  Suet.  Das  zweite  Glied  mit  ne  statt  mit  an  eingeleitet  findet 
sich  schon  bei  Ennius  ann.  80  L.  Müller  certabant  urbem  Romam  licmoramne 
vocarent,  scheint  in  kurzen  Gegenüberstellungen  beliebt  gewesen  zu  sein, 
wie  der  bei  Cic.  Phil.  2,  41  zu  lesende  sprichwörtliche  Satz  albus  atcrne 
fuerit  ignoras  beweist,  wird  aber  nicht  besonders  häufig  angetroffen,  selten 
bei  Liv.  Hör.  Nep.  Vell.,  gar  nicht  bei  Caes.  Sali. 

Der  eben  zitierte  Satz  albus  atenie  fuerit  lautet  bei  Catull  93  nee 
scire  studeo,  Caesar,  utrum  sis  albus  an  ater  homo:  es  ist  dies  die  üblichst« 
Form  der  indirekten  Doppelfrage;  dieselbe  gehört  der  ganzen  Latinität  mit 


2.  Der  zOBammengeaetzte  Satz:  d.  Die  Unterordnung.  (§  21(].)  477 

einzelnen  Ausnahmen  z.  B.  TibuU,  Properz  an.  Selten  wird  an  durch  annc 
ersetzt;  an  non  kommt  nicht  in  der  vorklassischen  Zeit  und  wohl  nur  mit 
eigenem  Verb.,  ev.  Wiederholung  des  im  ersten  Glied  stehenden  (ausser  bei 
den  grobkörnigen  Skribenten  Varro  u.  Cornif.)  vor,  also  utriim  feceris  an 
non  hnprobaris,  oder  Catull  17,  22  utrum  sit  aw  nan  $U  ipse  ncscit;  sonst 
steht  necne,  aber  in  dieser  Verbindung  auch  erst  seit  Cicero.  —  Was  oben 
§  160  für  utrum  in  direkter  Frage  bemerkt  worden,  gilt  auch  für  die 
indirekte,  vgl.  noch  Oros.  6,  17,  2  diu  deliberatum  est,  utrum  CapitoUum  cum 
audoribus  caedis  oporteat  incendi. 

Eine  interessante  Erscheinung  ist  utrum  —  ne  —  an  bei  zwei  Glie- 
dern, z.  B.  Plaud.  Pseud.  688  die  utrum  Spemne  an  Salutem  te  salutem? 
Eigentlich  utrum  faciam  Spemne,  vgl.  Cic.  div.  2,  129  venu  in  contentionem, 
utrum  Sit  probabilius,  deosne  cancursare  .  .  an  natura  fieri.  Bald  fühlte 
man  in  utrum  nicht  mehr  das  Pronomen,  und  so  dient  das  vorausgeschickte 
utrum  dazu,  den  Satz  als  eine  Doppelfrage  zu  charakterisieren,  die  dann 
erst  mittels  ne  —  an  in  ihren  beiden  Gliedern  eingeführt  wird;  so  z.  B. 
Cic.  nat.  deor.  2,  87  videamus^  utrum  ea  fortuitane  sint  an  eo  statu.  Allein 
schon  Sisenna  fr.  123  P.  utrumne  divi  cultu  erga  se  mortaUum  laetiseant 
an  humana  neglegant  beachtete  nicht  mehr  diese  Entwicklung  der  Bedeu- 
tung von  utrum  und  fügte  ne  an  utrum  an,  wie  auch  später  Catull  und 
Horaz,  die  silberne  Latinität,  Tac.  im  Dialogus  und  vereinzelt  Spätere, 
z.  B.  Martial  7,  7,  9  ut  ipsa  magni  turba  nesciat  drei  utrumne  currat 
Passeriniis  an  Tigris, 

Die  bei  Sallust  üblichste  Form  der  indirekten  Doppelfrage,  z.  B.  Cat. 
1,  5  vine  corporis  an  virtute  procederet  findet  sich  allenthalben,  schon  bei 
Ennius  ann.  199  L.  M.,  mit  negiertem  an  nur  bei  Gellius  16,  2  5  respon- 
deas  dtsierisne  facere  adulterium  an  non^  während  necne  so  bei  Plaut,  und 
selbst  bei  Cic.  gelesen  wird,  z.  B.  Att.  15,  20,  5  sitne  excitata  necne  tecum 
cognoscam. 

Die  mit  doppeltem  ne  gebildete  Frage  ist  der  Poesie  eigen  (in  Prosa 
merkwürdigerweise  nur  Caes.  b.  G.  7,  14  und  im  Sp.  L.  Dict.  Cret.  3,  23), 
zuerst  bei  Terenz,  dann  bei  Tibull  Verg.  Hör.  Ovid.  Juvenal. 

Wiederholtes  an  —  an  m  disjunktiver  Bedeutung  ist  ebenfalls  dich- 
terisch, so  bei  Tib.  Verg.  Ovid.  Juv.;  allein  die  silberne  und  späte  Latinität 
nahm  die  Konstruktion  gerne  an;  vgl.  Ovid.  met.  10,  254  saepe  manus 
ojßeri  tcmptantes  admovet  an  sit  corpus  an  illud  ebur.  Ja,  im  Spätlat.  wurde 
sogar  an  —  an  necne  gebraucht,  vgl.  Tert.  adv.  lud.  6  quaerendum  an 
iam  renerit  an  necne.  Da  jedoch,  wie  §  215  bemerkt,  die  nachklassischen 
Schriftsteller  oft  in  einfacher  indirekter  Frage  an  brauchen,  und  dies  an 
dann  zur  Fortsetzung  der  Frage  wiederholt  wird,  so  hat  man  in  der  Fest- 
setzung des  disjunktiven  Gebrauches  von  an  —  an  bei  nachklassischen 
Schriftstellern  vorsichtig  zu  verfahren. 

Vulgär  und  sonst  aus  keinem  Autor  zu  erweisen  ist  si  —  necne  und 

si  —  seu   bei  Vitruv,   z.  B.  53,  12    si  sit  optima   seu  vitiosa  statim  nemo 

potest  indicare, 

Anmerkung.  Wo  ein  Komparativ  oder  ein  komparativischer  Begriff  z.  B.  malle 
im  Fragesatz  steht,  kann  ebenso  gut  qxuAm  wie  an  das  zweite  Glied  einleiten,   z.  B.  Cic. 


478  fi*  tateiniftohe  (Shrammatik.    d)  Lateinische  fiyniax. 

Farn.  4,  7,  4  Romciene  an  Mytüenis  maües  vivere  u.  ib.  nonne  PMvis  sine  periculo  tuae 
domi  esse  quam  cum  periculo  alienae.  Dies  findeD  wir  noch  im  Sp.  L.,  z.  B.  Sulp.  Se?. 
139,  17  H  nescio  an  paene  plus  fuerit  vixisse  m  profunda  an  supra  maria  profunda 
transisse. 

Vom  Infinitiv  u.  Acc.  c.  inf. 

217.  Eine  im  Lateinischen  ganz  besonders  beliebte  Anfügung  eines 
zweiten  Satzes  an  einen  ersten  zeigt  sich  in  der  Konstruktion  des  Akku- 
sativs mit  dem  Infinitiv.  Diese  finden  wir  nach  J.  Grimm  überall  da,  wo 
ein  im  Satz  ausgedrückter  Akk.  nicht  zum  verb.  regens,  sondern  zum  ab- 
hängigen Infinitiv  dergestalt  gehört,  dass  er  bei  Auffassung  des  Ganzen 
als  zweier  Sätze  den  Nominativ  des  zweiten  abhängigen  Satzes  gebildet 
haben  wUrde.  Um  diese  merkwürdige  Satzfügung  richtig  zu  verstehen, 
müssen  wir  zuerst  den  Gebrauch  des  Infinitivs  behandeln. 

218.  Der  Infinitiv  ist  wie  oben  §  90  Anm.  2  bemerkt  der  Dativ 
eines  Verbalnomens.  So  finden  wir  ihn  denn  auch  um  die  Richtung  einer 
Bewegung  zu  bezeichnen,  also  als  finalen  Infinitiv,  nach  den  v.  movendi 
bei  Plautus,  bei  Terenz  wenigstens  noch  nach  ire  und  mütere;  von  späteren 
Dichtern  brauchen  ihn  die  zu  archaischen  Strukturen  neigenden  Lucrez  und 
Vergil,  ferner  der  in  seinen  Konstruktionen  oft  recht  kühne  Properz,  z.  B. 
1,  1,  12  ibat  et  hirsutas  ille  videre  feras,  auch  Horaz  in  den  Oden  und 
einmal  Ovid.  Heroid.  1,  37  te  quaerere  misso^  dann  die  Epiker  der  silbernen 
Latinität  in  Nachahmung  der  früheren  Dichter.  In  Prosa  lesen  wir  ihn 
bei  Piso  (Gell.  7,  9,  5)  venisse  visere,  ebenso  bei  Cael.  Antip.  fr.  12  P. 
cehcem  mittit  visere  hcum,  dann  erst  bei  Val.  Max.,  bei  den  Archaisten 
natürlich,  bei  Justin,  in  den  Fabeln  Hygins,  in  der  Yulgata  und  bei  eccl., 
z.  B.  oft  bei  Hieronymus  (ep.  11  ipse  Salvator  non  venu  iustos  vocare,  sed 
peccatores),  bei  Sulp.  Sev.,  und  so  auch  in  der  Schwindellitteratur,  z.  B.  bei 
Dictys  Cret. 

Besonders  bemerkenswert  ist  das  Verbum  dare,  welches  bei  Plautus, 
Terenz,  Cato,  Cicero,  Livius,  den  medizinischen  Schriftstellern  mit  hibere, 
bei  den  eccl.  auch  mit  manducare  konstruiert  wird,  z.  B.  Hieronymus  in 
Osee  I  ad  1 ,  2  dedit  ei  mel  et  oleum  et  simihim  manducare.  Dieser  Gebrauch 
erweiterte  sich  bei  Dichtern,  wo  auch  andere  Infinitive  erscheinen,  so  bei 
Lucrez,  Verg.,  bei  diesem  als  Lieblingsformel  dare  habere  und  dare  ferro, 
bei  Tib.  Hör.  Ovid.  Prep.  Lucan  Val.  Flacc.  Sil.  Ital. ;  in  Prosa  kenne  ich 
nur  Vitruv  180,  23  dabit  hnitari.  Natürlich  wurden  bald  Synonyma  ebenso 
gebraucht,  sogar  Cicero  erlaubte  sich  Tusc.  1,  26  ut  lovi  bibere  ministraref, 
Horaz  t rädere,  Ovid  praebere  (in  dem  lässigen  Stile  der  Heroiden  V  132 
qtiae  lotiens  rapta  est,  praebuit  ipsa  rapi).  Seit  Vitruv  und  dem  silbernen 
Latein  finden  wir  auch  in  der  Prosa  das  Passiv  von  dare  mit  Infinitiv, 
auch  noch  bei  eccl.  wie  Hieronymus,  Aug.  Lactanz  u.  a. 

219.  Sobald  einmal  die  Verbindung  von  dare  mit  Infinitiv  sich  ein- 
gelebt hatte,  so  wurde  es  selbst  auch  da  mit  dem  Infinitiv  verbunden,  wo 
eine  finale  Bedeutung  weniger  nahe  liegt,  und  so  erscheint  bei  dare  und 
analog  bei  seinen  Synonymen  wie  donare,  reddere,  relinquere,  und  dem 
Gegenteil  adimere  auch  der  Infinitiv,  freilich  nur  bei  Dichtern,  wie  Lucrez, 
Horaz,  Verg.  Ovid.,  z.  B.  Hör.  ep.  1,  19,  9  adimam  cantare  severis.     Nur 


2.  Der  zQS&mmeligeBeizte  6atz:  d.  l)ie  ünterordnnng  (§  21?  -222)        470 

permitio  wird  auch  in  Prosa,  sogar  einmal  bei  Cic.  (Verr.  5,  9,  22),  nicht 
bei  Caes.  und  Sali.,  aber  bei  Liv.,  den  späteren  Historikern  und  eccl.  mit 
Inf.  konstruiert. 

220.  War  aber  einmal  der  Infinitiv  als  Objekt  verwendet,  so 
wurde  der  Gebrauch  als  ein  sehr  bequemer  besonders  kultiviert;  er  lebte 
sich  namentlich  in  der  Volkssprache  ein,  in  welcher  er  sich  ununterbrochen 
bis  in  die  romanischen  Sprachen  herein  erhielt;  vergl.  besonders  habere, 
welches  sogar  Cicero  so  verwendet,  z.  B.  habeo  pollkeri  oder  sctibere  (nur 
in  epp.  einigemale  Jiabeo  dicere),  und  welches  dann  später  als  Hilfsverbum 
zur  Bildung  des  Futurs  verwendet  wurde  (vgl.  Hieronym.  in  Eccl.  1  quae 
nunc  fiunt  .  .  hi  qui  nasci  habent  scire  non  poterunt).  Nunmehr  konnte 
der  Infinitiv  auch  mit  Präpositionen  verbunden  werden;  das  erste  Beispiel 
hat  Cicero  fin.  2,  13  inter  optime  valere  et  gravissime  aegrotare  nihil  inter- 
esse,  ihm  folgt  Sen.  ben.  5,  10,  2;  die  aug.  Dichter  Hör.  und  Ovid  brauchen 
so  praeter  mit  Inf.,  z.  B.  Hör.  sat.  2,  5,  69  praeter  phrare;  häufiger  aber 
wird  der  Gebrauch  erst  im  Sp.  L.,  welches  den  Inf.  auch  von  ad^  contra, 
iuxia,  seamdum  u.  a.  Präp.  abhängen  lässt,  von  solchen,  die  den  Ablativ 
regieren,  wie  in,  pro,  de  aber  erst  seit  Anfang  des  V.  saec.  —  Beim  Ob- 
jektsinfinitiv sind  es  namentlich  zwei  Kategorien  von  Verben,  welche  hier 
in  Betracht  kommen,  1.  die  kausativen,  der  Analogie  von  dare  und  facere 
folgenden  Verba,  bei  welchen  eine  Person  als  causa  die  Vollziehung  einer 
Handlung  veranlasst  oder  zugesteht,  und  2.  die  Hilfs verba. 

221.  An  kausativen  Verben,  welche  mit  Infinitiv  verbunden  werden, 
treffen  wir  bei  Plautus  schon  eine  stattliche  Reihe,  so  cogere,  subigere, 
vielleicht  auch  orare,  agitare,  adnuere^  occupare^  persequi  u.  ä.,  bei  Afranius 
invitare,  bei  Cato  und  dem  vulgärschreibenden,  sowie  gerne  archaisierenden 
Cornificius  hortarl,  dissuadere^  bei  Terenz  und  Jiucrez  suader e;  auch  Cicero 
hat  sehr  viele  kausativen  Verba  mit  Infinitiv  konstruiert,  doch  zumeist  nur 
in  seinen  Erstlingsschriften,  so  moneo,  praecipio,  hortor,  postulo  (höchst 
selten!),  concedo,  curo  u.a.  Bei  den  augusteischen  Dichtern  erweitert  sich 
die  Zahl  bedeutend,  so  kommt  dazu  adigo,  moveo  bei  Verg.,  irrito  und  con- 
cito  bei  Ovid,  compello  bei  Ovid,  impello  bei  Verg.  Hör.  Ovid,  impono  bei 
Verg.,  posco,  rogo  schon  bei  Catull,  urgeo  bei  Horaz  u.  s.  w.  Die  nach- 
klassische Latinität  übernahm  die  meisten  dieser  Konstruktionen,  so  bei 
orarc^  exposcere,  hortari^  suadere,  persuadere^  dissuadere,  praecipere,  impeUere, 
compellcre;  neu  kam  nur  weniges  dazu,  so  praescribo,  scribo,  mando,  nuntio, 
perpello  bei  Tac,  dico  bei  Sueton  (z.  B.  singuUs  valere  dicebat),  provoco 
bei  Plin.  mai.;  auch  das  Spätlatein  und  besonders  die  Kirchenschriftsteller 
haben  viele  Beispiele,  so  Hieronymus  das  sonst  nur  aus  Plin  mai.  zitierte 
prorocare  z.  B.  ep.  22,  35  provocant  magis  orare  quam  cogunt,  ebenso  Com- 
modian ;  sonst  kommen  noch  sustinere,  compellere,  impellere,  suadere  etc.  vor. 
—  Man  beachte  übrigens,  dass  viele  unter  den  genannten  Verben  eine  auf 
ein  Ziel  gerichtete  Thätigkeit  (z.  B.  moneo  scribere  ich  mahne  zum  Schreiben) 
bezeichnen  und  schon  deshalb  leicht  einen  Infinitiv  annehmen  konnten. 

222.  Die  Hilfsverba  teilen  wir  ein  in  Verba  des  Wollens  und  des 
Könnens.  Beide  Kategorien  sind  durch  ausgedehnte  Analogiebildungen 
ausserordentlich  erweitert  worden. 


480  B.  Lateinische  Arammatik.    d)  Lateinische  Syntax. 

a.  Verba  des  Wollens.  Im  Altlat.  finden  wir  hier  schon  viele  mit 
Inf.  konstruierten  Verba,  neben  den  eigentlichen  VV.  des  Wollens  besonders 
cupio,  expeto,  opto,  exopto,  gestio,  experior^  cogito,  meditor  (nicht  Plaut.,  aber 
Terenz),  memini,  paro,  affecto,  propero,  certo;  ferner  gehören  hieher  gaudeo 
bei  Terenz,  mitor  und  se  comparare  ibid.  Mit  der  klassischen  Zeit  kommen 
dazu  zunächst  aveo,  welches  zuerst  Lucrez,  dann  öfters  Cic.  hat,  namentlich 
in  den  Briefen  ad  Att.,  pracgestio  bei  Cic,  contendo  bei  Cic.  Caes.  Sali., 
intmdo  bei  Caes.,  labaro  bei  Cic.  und  Nepos,  aber  nur  negiert,  nioliar  bei 
Cic,  ingredior  ib.,  quaero  bei  Cic,  suscqno  ib.,  persto  und  persevero  ib., 
festino,  maturo  ib.;  daneben  haben  sich  die  in  der  vorklassischen  Zeit  ge- 
bräuchlichen VV.  in  dieser  Konstruktion  teils  erhalten,  wie  cupio^  gestio 
namentlich  bei  Cic.  in  epp.,  cogito,  meditor,  memini  ebenfalls  in  Cic.  epp., 
paro;  andere  sind  verschwunden,  wie  expeto^  exopto,  experior,  affecto.  Die 
augusteischen  Dichter  haben  hier  vielfach  die  Erbschaft  der  alten  Dichter 
angetreten,  ja  durch  neue  Analogien  erweitert.  So  lesen  wir  gaudeo  bei 
Verg.  Uoraz,  Prop.  Ovid,  delector  und  amo  bei  Horaz,  amo  auch  bei  Ovid, 
affecto  wieder  bei  Ovid,  ebenso  saevio,  dann  furo  bei  Horaz;  seit  Lucrez 
treten  auch  luctor  und  pugno  auf,  die  dann  Lieblingswörter  des  Ovid  sind; 
wie  malle  wird  schliesslich  von  Hör.  u.  Ovid  auch  praeferre  konstruiert. 
Die  nachklassische  Prosa  bedient  sich  der  meisten  der  genannten  Verba  in 
gleicher  Konstruktion,  so  amo,  aveo,  Idboro  (seit  CatuU  auch  ohne  Negation), 
enitor,  quuero,  luctor,  memini,  maturo.  An  Neuerungen  ist  auch  hier  nur 
wenig  zu  verzeichnen,  so  compono  bei  Tac,  olstino  bei  Liv.,  adnitor  bei  Liv.  u. 
Tac     Die  spätere  Latinität  bringt  nichts  besonderes  mehr  zum  Vorschein. 

Besondere  Erwähnung  verdienen  opto  und  tempto.  Opto  hat  nur 
in  den  Formen  oj)tatum,  optandum  und  optahile  est  bei  Cic.  den  Infinitiv, 
bei  Caes.  u.  Sali,  steht  es  nicht,  aber  bei  Hirtius  b.  öall.  8,  9;  sonst  ist 
es  vor-  und  nachklassisch  bis  auf  die  Kirchenväter  herab  im  Gebrauche. 
Tempto  findet  sich  zuerst  bei  Lucrez,  dann  bei  den  augusteischen  Dichtern ; 
in  Prosa  zuerst  bei  Hirtius  b.  Gall.  8,  50,  dann  bei  Nepos,  hierauf  erst 
wieder  bei  Liv.  Curt.  Sen.  phil.  Quint.  Diese  beiden  Beispiele  beweisen, 
wie  vorsichtig  die  klassische  Sprache  Konstruktionen,  die  damals  üblich 
und  im  Volksmunde  allgemein  gebräuchlich  waren,  von  sich  fernhielt,  wenn 
dieselben  nicht  den  strengen  Ansprüchen  der  urbanitas  entsprachen. 

Negative  Verba  des  Wollens,  die  sich  mit  dem  Infin.  verbinden,  sind 
neben  nolo  namentlich  die  VV.  metuo,  vereor,  timeo^  formido,  teformido^ 
pcrtimcsco  im  Altlat.,  vereor,  fimeo,  reformido,  horreo,  horrcsco  bei  Cic, 
dann  pavco  bei  Ovid,  trepido  bei  Verg.  u.  Ilor.,  formido  wieder  bei  Hör., 
cxtimesco  bei  Ovid,  perhorre^co  bei  Hör.,  dazu  cruhesco  bei  Verg.  u.  Ovid; 
die  nachklassische  Sprache  nahm  die  meisten  der  vorgefundenen,  auch  vorher 
bloss  dichterischen  Konstruktionen,  aber  nicht  allgemein  auf,  so  metuo  Liv. 
u.  Curt.,  reformido  Liv.  u.  Plin.  min.,  erubesco  Liv.  Curt.  Sen.  phil.  und  Sp.  L. 
noch  ürosius,  ^^av^o  Tac,  horrcsco  Ammian.  Die  Lieblingswörter  der  au- 
gusteischen Dichter  fugere  u.  miUerc  trifft  man  auch  früher  schon  und  zwar  im 
Altlat.  und  in  der  klassischen  Sprache,  aber  sehr  selten  in  der  nachklass.  Zeit; 
dagegen  war  parco,  das  im  Imperativ  besonders  bei  Ovid  beliebt  ist,  im 
Altlat.  wolil  im  Gebrauch,   nicht  aber  in  der  klass.  Zeit,   zeigt  sich   indes 


2.  Der  ziusainmengeBetzte  Satz:   d.  Die  Unterordnung.  (§  223.)  481 

wieder  bei  Livius  und  dann  namentlich  in  der  a&ikanischen  Latinität  und 
bei  ecel.,  z.  B.  Min.  Fei.  14,  2  parce  in  eum  plaudere,  Augustin  ep.  43,  24 
parce  iam  dicere.  Neghgo  ist  selten,  kommt  aber  doch  bei  Plaut.  Cic.  Hör. 
Gell.,  also  allenthalben  in  der  Latinität  vor.  Ich  erwähne  nur  noch  odi, 
das  bei  Plaut.,  dann  bei  M.  Brutus,  Hör.  u.  Ovid,  dedignari,  welches  ent- 
sprechend dem  seit  Lucrez  so  konstruierten  dignari  =  velle  auch  bei  Ovid, 
und  dann  bei  Sen.  Tac.  Just,  mit  Inf.  erscheint,  fastidio  bei  Ovid,  dann 
in  der  silbernen  Latinität,  auch  im  pleb.  Latein  des  Petron,  absisto,  dessen 
Imperativ  namentlich  in  der  Äneide  =  fioli  gebraucht  wird.  —  Als  Qe- 
samteindruck  erhalten  wir  hier,  dass  abgesehen  von  wenigen  Verben  im 
allgemeinen  die  besprochene  Infinitivkonstruktion  den  Dichtern  und  den 
poetisierenden  Prosaikern  angehört  und  dass  bei  den  vielen  Analogie- 
bildungen doch  auch  sehr  oft  das  griechische  Vorbild  Veranlassung  ge- 
geben haben  mag. 

b.  Verba  des  Könnens  und  der  Möglichkeit.  Die  VV.  des  geistigen 
Könnens  und  Nichtkönnens,  wie  scire  und  nescire,  kommen  überall  vor;  ihnen 
analog  konstruiert  sich  calleo  bei  Pacuv.  Lucr.  Horaz,  novi  schon  bei  Ennius, 
dann  Cato,  Verg.  Hör.  Prop.,  vinco  =  „besser  können"  bei  Properz.  Valeo, 
welches  echt  poetisch  ist,  bürgert  sich  mit  Lucrez  ein  und  wird  von  fast 
allen  Dichtern  aufgenommen  (nicht  bei  Catull  u.  Tibull);  die  klassische 
Prosa  verschmäht  es,  die  silberne  Latinität  verhält  sich  zurückhaltend  (nur 
Curt.  u.  Plin.  mai.  brauchen  es),  dagegen  hat  es  die  Sprache  der  Juristen 
und  Theologen  bis  in  die  späteste  Zeit  fortgeerbt;  poUeo  hat  wohl  Cic. 
einmal,  dann  aber  nur  nachklass.  Dichter  (Lucan,  Sil.). 

Im  ganzen  hat  in  dieser  Kategorie  die  Analogie  viel  weniger  ihre 
Macht  entfaltet  als  bei  den  Verben  des  Wollens,  wenn  auch  im  übrigen 
bezüglich  der  Verbreitung  der  Konstruktion  die  gleichen  Resultate  sich 
ergeben  werden. 

Anmerkung.  Die  Wahrnehmung,  dass  durch  die  Gerundia  das  Gebiet  der  In- 
fi nitivstrukiuren  allmählich  eingeengt  wurde  (§  90  Anm.  3),  bestätigt  sich  bei  einer  ge- 
naueren Betrachtung  der  Latinität  seit  Livius.  Während  Lucc.  ad  Farn.  12,  14,  7  schreibt 
neqne  dcfatiffabor  permanere,  sagt  Apul.  flor.  7  fatigaberis  admirando.  Schon  bei  Livius 
lesen  wir  cum  od  ultimum  persei'erasset  negando,  ferner  ahsistere  8equendo  u.  ä.  Beson- 
ders ist  dieser  Gebrauch  bei  den  Afrikanern  oder  den  des  Africismus  verdächtigen  Schrift- 
stellern häufig  zu  treffen,  also  bei  Fronto,  Gellius,  Apul.  Tertull.,  dann  bei  Commodian, 
fiucifer  von  Calaris,  Dictys  Cret.  z.  B.  3,  14  se  non  pi'ius  desinere  pemoctando  humi, 

223.  Es  liegt  nahe,  dass  der  Qebrauch  des  Infinitivs  als  Objekt  auch 
dessen  Verwendung  als  Subjekt  herbeiführte.  Wir  wollen  nicht  bestreiten, 
dass  die  griechische  Litteratur  hier  mitbestimmend  wirkte;  denn  die  Mög- 
lichkeit der  Verbindung  des  griech.  Infin.  mit  dem  Artikel  legte  das  Ver- 
langen nach  einer  ähnlichen  Konstruktion  nahe;  und  hier  kam  die  Volks- 
sprache in  ihrer  freien  Verwendung  der  sprachlichen  Mittel  sehr  entgegen : 
sie  nahm  den  Infinitiv  geradezu  als  Substantiv  und  verband  ihn  mit  Attri- 
buten, z.  B.  Plaut.  Cure.  28  tuuni  amare,  Cic.  Att.  7,  11,  2  hoc  ipsiim  velle, 
später  Petron  menm  iniellegere,  Persius  wiederholt  so,  z.  B.  hoc  ridere  meum^ 
Macrobius  contra  suum  velle^  seit  dem  silb.  Latein  auch  mit  Genetiven, 
z.  B.  Val.  Max.  7,  3,  7  cuius  non  dimicare  vincere  fuit  Darnach  wurde 
dann  der  Infinitiv  als  Subjekt  gebraucht,  namentlich  bei  prädikativem  Sub- 
stantiv, was  sich  um  so  leichter  einbürgerte,  als  bei  manchen  substantivischen 

Handbuch  der  klam.  AltortniuHWiBHcnschaft.  \\.    2.  Aufl.  31 


482  B.  Lateinische  Grammatik,    d)  Lateinische  Syntax. 

Wendungen  wie  lulido  cepit,  copia  datur  sich  der  Infin.  in  seiner  Ursprung-« 
liehen  Bedeutung  leicht  anfügte.  So  lesen  wir  consilium  est  schon  bei  Plaut., 
dann  bei  Cic.  Sali.  Liv.;  senientia  est  seit  Cic,  besonders  bei  aug.  Dichtem, 
hibido  est  bei  Plaut,  stuUitiast  ib.,  tempus  est  allenthalben,  mos  est  bei  Cic. 
vereinzelt,  öfter  bei  Sali.  Liv.,  consuctudo,  his,  vitium  est  erst  seit  der 
klassischen  Zeit,  ebenso  fas  est,  fatum  est;  dagegen  copia  est  treffen  wir 
nicht  bei  Cic.  Caes.,  aber  bei  Sali.,  potestas  est  zuerst  bei  Verg.,  dann  bei 
Liv.,  opus  est  seit  Cic,  cura  est  bei  Ennius,  dann  bei  den  aug.  Dichtern 
und  nachklass.  Prosaikern. 

Hieher  gehört  auch  est  mit  Inf.,  welches  wir  bei  Plaut,  und  Ter.  noch 
nicht,  aber  bei  Mumm.,  Varro  und  Lucrez  und  zwar  immer  in  der  formel- 
haften Verbindung  est  videre  lesen.  Erst  mit  Verg.  und  Hör.  erlangt  diese 
von  der  klassischen  Sprache  schroff  zurückgewiesene  Konstruktion  wieder 
Aufnahme,  die  silberne  Latinität  (Livius  sehr  behutsam  und  nur  42,  41,  2, 
Vitruv  nur  57,  17)  behält  sie  bei,  namentlich  Plin.  mai.,  meist  mit  Negation, 
ganz  selten  Tac;  dass  Gellius  sie  sosehr  bevorzugt,  lässt  darauf  schliessen, 
dass  sie  im  Altlat.  doch  verbreiteter  war,  als  unsre  jetzigen  Mittel  es  nach- 
weisen. Später  findet  sie  sich  bei  eccl.  und  gramm.,  z.  B.  Tertullian, 
Priscian;  griech.  Einfluss  ist  hier  unverkennbar.  —  Häufiger  ist  dieser 
Gebrauch  des  Infinitivs  bei  den  sog.  V.  impersonalia.  Im  Altlat.  sind  es 
nur  wenige  dieser  Verba,  die  sich  mit  dem  reinen  Subjekts-Inf.  konstruieren, 
so  expedit,  refert;  weniger  auffallend  ist  es  bei  licet,  lulet,  oportet,  de^et, 
liquet,  pudet,  taedet,  subolet,  scilicet,  sowie  Wendungen  mit  est,  wie  certum, 
decretuin^  meum,  opus  e^t  u.  ä.,  z.  B.  Terenz:  exsequias  Chremeti  quibus  est 
commodum  Ire,  em  tempus  est!  Die  klassische  Sprache  nimmt  den  grössten 
Teil  der  vorgefundenen  Verba  an  (nicht  z.  B.  condecet,  dispudet,  subolei) 
und  fügt  neue  bei,  so  paenitet,  dedecet,  displicety  prodesf^  obest^  attinet;  in 
nachklassischer  Zeit  kommen  dazu  iuvat  bei  Verg.  Hör.  Ovid  Liv.  Sen,, 
placet  schon  bei  Sali.,  dann  bei  Hör.,  oft  bei  Liv.,  vacat  bei  Cassius  ad 
Fam.  12,  13,  2,  dann  bei  Verg.  und  anderen  Dichtern,  ebenso  in  der  silb. 
Latinität;  vincit  bei  Horaz,  cmitingit  nicht  vor  Verg.  u.  Hör.,  häufig  in  der 
silb.  Latinität,  cvenit  bei  Ovid,  rcstat  schon  bei  Ter.,  dann  aber  ei*st  wieder 
bei  aug.  Dichtern,  sufficit  nur  im  silb.  Latein,  z.  B.  Suet.  Nero  31  suf- 
fecerit  haec  retfulisse. 

224.  Diejenigen  Verba  nun,  welche  imstande  waren,  sowohl  einen 
Objektsakkusativ  als  auch  einen  Objektsinfinitiv  anzunehmen,  ver- 
banden beide  Konstruktionen  miteinander;  so  sagt  schon  Cato:  familiam  ne 
sieris  peccare,  vorher  die  XII  tab.  qui  se  sierit  tcstarier,  und  um  noch  weiter 
zurückzugehen  steht  im  Arvallied:  ncve  lue{m)  ruc{m)  sins  incurrcre  mpleores. 
Diese  Konstruktion  war  dem  Volksmunde  sehr  bequem  und  erhielt  sich 
daher  bis  in  die  romanischen  Sprachen  herein,  z.  B.  bei  facere,  wovon  wir 
bei  Plaut,  schon  Beispiele  lesen,  bei  Petron,  dann  namentlich  im  Spätlatein, 
so  bei  Tertull.  Arnob.  Commodian  Firm.  Hieronymus  (z.  B.  ep.  50,  4 
quoiics  me  istc  in  circulis  stomachan  fccit).  Soweit  sind  auch  die  ver- 
wandten Sprachen  wie  Sanskrit,  die  germanischen  und  slavischen  gegangen. 
Allein  in  den  klassischen  Sprachen  hat  man  die  Konstruktion  schon  frOho 
über  diesen  Gebrauch  hinaus  erweitert.     Sobald  man  Sätie  BQsammenf&gtey 


2.  Der  znsammengeBeizte  Satz:  d.  Die  ünterordnimg.  (§  224-226).        4g3 

sah  man,  dass  der  abhängige  Satz  vielfach  ähnlich  war  einem  von  dem- 
selben Verbum  abhängigen  Acc.  c.  inf.,  und  so  setzte  man  in  dem  Streben 
nach  möglichst  enger  Verbindung  beider  Sätze  den  Nebensatz  ebenfalls  in 
Acc.  c.  inf.  Zunächst  geschah  dies  mit  Objektsätzen;  allein  wie  sich  aus 
dem  Gebrauch  des  Inf.  als  Objekt  der  als  Subjekt  entwickelte,  so  ging  aus 
dem  das  Objekt  vertretenden  Acc.  c.  inf.  bald  per  analogiam  der  Subjekts- 
akkusativ mit  Inf.  hervor.  Mit  der  Konstruktion  des  Acc.  c.  inf.  als  Um- 
bildung eines  ganzen  Satzes  zeigte  sich  auch  das  Bedürfnis,  den  Infinitiv 
durch  die  Zeiten  und  Genera  Verbi  durchzuführen.  Die  Konstruktion  des 
Acc.  c.  inf.  eroberte  sich  bald  im  Lat.  ein  weites  Gebiet,  so  dass  bei  Be- 
ginn der  Litteratur  uns  bereits  der  Gebrauch  dess.  vollständig  ausgebildet 
vorliegt  und  zwar  nicht  allein  bei  den  vom  Griechischen  beeinflussten 
Schriftstellern,  sondern  auch  bei  dem  besonders  nationalen  Autor,  Cato. 
Im  Verlauf  der  weiteren  Entwicklung  der  Sprache  dehnen  sich  die  Grenzen 
immer  weiter  aus,  bis  qtwd^  qxda,  qu&itiam  erfolgreiche  Konkurrenz  machen 
und  die  allmähliche  Auflösung  der  Konstruktion  herbeiführen. 

225.  Zuerst  möge  der  Acc.  c.  inf.  nach  den  Verben  des  Affekts 
behandelt  werden,  weil  hier  die  lateinische  Sprache  unbestritten  ihre  eigenen 
Wege  gegangen  ist;  denn  die  griechische  Sprache  kennt  den  Gebrauch  des 
Acc.  c.  inf.  nach  den  VV.  des  Affekts  nicht.  Der  Acc.  c.  inf.  entspricht 
hier,  wie  man  z.  B.  neben  reprehendo  te  in  eo  auch  reprehendo  id  in  te 
sagt,  einem  mit  dem  akkusativischen  quod  oder  dem  lokativen  quoni  ein- 
geleiteten Satze.  Schon  im  Altlatein  ist  die  Konstruktion  ziemlich  ver- 
breitet, so  gaudeo  bei  Kom.,  laetor  bei  Terenz,  laetus  sum  bei  Naev.  (vgl. 
den  bekannten  Vers  laetus  sum  laudaH  me  abs  te  bei  Cic.  adFam.  15,  6), 
Terenz,  rideo  bei  Naevius,  doleo  bei  Plaut.,  ebenso  maestus  sum  u,  crt^cior 
sowie  discrucior,  ib.  lamentor.  invideo,  miror^  formido  und  vereor.  Dio 
klassische  Sprache  hat  sich  wenig  davon  angeeignet,  so  gaudeo,  Jaetor,  doleo, 
miror  und  demiror,  timeo  bei  Cic.  leg.  2,  57  (jedenfalls  Caelius  ad  Fam. 
8,  11,  3,  plane  timet  Caesarem  consulem  designari,  welcher  auch  wie  Cic. 
Q.  fr.  2,  1,  3  furo  mit  Acc.  c.  inf.  verbindet),  und  ebenso  wenig  zur  Er- 
weiterung beigetragen;  bemerkenswert  ist  an  neuen  Verben  lugeo  bei  Cic, 
ebenso  angor,  soUieito  und  indignor,  welches  letztere  auch  in  Briefen  an 
Cic.  vorkommt,  dann  fremo  bei  Cic,  triumpho  bei  Caesar  (Cic  Att.  9,  IG 
meum  factum  prohari  als  te  triumpho  gaudio).  Die  augusteischen  Dichter 
haben  ebenso  wohl  frühere  Konstruktionen  wieder  aufgegriffen,  als  auch 
neue  hinzugefügt;  so  lesen  wir  miseror  zuerst  bei  Verg.,  fleo  Verg.  Hör. 
Prop.  Tib.,  ^>/öro  Hör.,  gemo  Hör.,  stupeo  Verg.  Die  nachklass.  Latinität 
bietet  nichts  Besonderes,  ausser  dass  Liv.  oft  timeo  und  Plin.  mai.  erst- 
mals metuo  mit  Acc.  c  inf.  verbindet;  im  übrigen  ist  die  Konstruktion 
selten  anzutreffen. 

226.  Am  ausgiebigsten  an  Acc.  c.  inf.  ist  das  Gebiet  der  VV.  sen- 
tiendi,  cogitandi  und  declarandi.  In  der  ganzen  Latinität  findet  sich 
dieser  Gebrauch;  bemerkenswert  ist  dabei  nur,  dass  manche  Verba  früher  oder 
später  erst  mit  Acc.  c.  inf.  konstruiert  erscheinen,  dass  manche  nur  bei 
gewissen  Autoren  auftreten,  sonst  aber  nirgends  gelesen  werden,  oder  dass 

liar  in   einer  Epoche   der  Sprache   besonders  kultiviert  werden.    Die 

31* 


i 


484  B.  Lateinische  Grammatik,    d)  Lateinische  Syntax. 

klassische  Sprache  ist  auch  hier  sehr  zurückhaltend,  so  hat  sie  percipio, 
cxperior,  rescisco,  aspicio,  conspicor^  depudo  und  autumo  (letzteres  wird  je- 
doch jetzt  und  wohl  mit  Recht  bei  Cic.  Fam.  5,  13,  1  qtiam  quidefn  laudetn 
sapietitiae  autumo  esse  maxiniam,  von  Streicher  aus  Y  wiederhergestellt) 
und  manche  andere  Verba  nicht  aufgenommen;  neue  Verba,  die  erst  mit 
Cic.  in  die  Konstruktion  des  Acc.  c.  inf.  eintreten,  sind  cenio,  agnosco,  re- 
cardor,  ohliviscor,  iudico  und  repufOy  despero;  bei  den  august.  Dichtern  finden 
wir  erstmals  prospicio  (Verg.),  renihmcor  (Ovid,  doch  vorher  auch  Lucrez), 
repeto  (Verg.):  im  übrigen  haben  sie  so  wenig  als  die  nachklassischeu 
Schriftsteller  geneuert.  Man  kann  wohl  sagen,  dass  hier  im  ganzen  die 
Entwicklung  der  Sprache  kaum  etwas  Neues  geschaffen  hat. 

Anmerkung  1.  Videor  mit  dem  Acc.  c.  inf.  hat  schon  Ennius  fab.  1  L.  Mullkr: 
water  gravida  purere  se  ardetitem  facem  visast  in  somnis  Hecuba  und  in  offenbarer 
Nachahmung  Ovid  Heroid.  Iti,  287  fax  quoque  tne  terret  quam  se  peperisse  cruentam  ante 
diem  partus  est  ttta  t^isa  parens;  auch  in  der  klassischen  Sprache  findet  sich  der  Ge- 
brauch aber  nur  vereinzelt  bei  Cic,  nicht  bei  Caes.,  dann  bei  Sali,  und  schh'esslich  bei 
Gellius,  sowie  spät  noch  im  Pastor  Hermac  simil.  9,  11  videbar  mifii  veluti  iuniorem  esse 
factum, 

Anmerkung  2.  Nach  memini  ist  einzig  richtig  der  Inf.  des  Präsens,  also  memini 
me  legere  „ich  habe  im  Gedächtnis  mein  Lesen'.  Dies  ist  denn  auch  die  im  Altlat.  üb- 
liche Konstruktion,  vielleicht  schon  bei  Knnius  ann.  8  memini  me  fiere  pavom  (vergl.  jedoch 
li.  Müller),  jedenfalls  bei  Plaut,  und  Terenz.  Auch  Cicero  hat  sehr  oft  den  Inf.  des  Pil- 
sens, ebenso  Verg.  und  später  Tac.  Allein  selbstverständlich  hat  das  Bedürfnis  der  Deut- 
lichkeit schon  frühe  den  Inf.  per  f.  hervorgerufen,  welcher  nachdrücklich  betonen  sollte, 
dass  das  fragliche  Eieignis  der  Vergangenheit  angehört.  So  hat  denn  auch  Cic.  oft  den 
Inf.  per  f.,  ebenso  Caesar  (b.  G.  3,  G  alio  se  in  hihema  cansilio  venisse  meminerat,  aliis 
occurrisse  rebus  viderat,  wo  offenbar  venisse  unter  dem  Einflüsse  des  korrespondierenden 
occiirrisse  steht),  einmal  selbst  Verg.,  dann  aber  die  ganze  nachklassische  Ijatinität  (ausser 
Tac),  welcher  das  Verständnis  für  die  ursprüngliche  Bedeutung  von  memini  ganz  abhanden 
gekommen  war. 

Anmerkung  3.  Dass  bei  non  dubito  und  dubium  non  est  der  Acc.  c.  inf. 
auch  in  der  alten  und  klassischen  Zeit  (jedoch  nicht  bei  Cic.  Caes.  Sali.,  wohl  aber  bei 
Varro,  Cic.  fil.,  Asin.  Pollio,  Trebon.  in  Cic.  epp.)  zulässig  ist,  wenn  die  phrasis  dubitandi 
eißt  nach  dem  Inhaltssatze  folgt,  also  der  Schreibende  bei  der  Setzung  des  Acc.  c.  inf. 
nur  im  allgemeinen  ein  Verb,  sentiendi,  aber  nicht  das  spezielle  non  dubito  im  Sinne  hat. 
habe  ich  mit  Kikmann's  und  anderer  Gelehrten  Zustimmung  nachgewiesen  (Latinität  des 
Asinius  Pollio  p.  88).  Sobald  aber  einmal  der  Acc.  c.  inf.  sich  vorfand,  wurde  er  und 
zwar  von  Nepos  und  Liviüs  ab  auch  ohne  Rücksicht  auf  die  Stellung  verwendet ;  wir  finden 
ihn  daher  in  der  silbernen  Latinität  (jedoch  nicht  bei  Vell.  und  Val.  Max.)  und  dann  bis  zu 
den  Kirchenschriftstellern  herab. 

Anmerkung  4.  Bekanntlich  steht  nach  spei'Of  iuro,  minor  und  polliceor  regel- 
mässig der  Inf.  fut.  Nun  findet  sich  aber  schon  in  alter  und  auch  in  klass.  Zeit,  bei  Cic. 
besonders  in  Briefen,  öfters  bei  Caes.  namentlich  im  bell,  civ.,  z.  B.  3,  8,  3  maqnitudinr 
poenae  reliquos  terrei'i  sperans^  wo  territum  iri  besagen  würde,  man  erwarte,  dass  die 
Strafe  auch  diesmal  schrecken  würde)  und  ebenso  später  der  Inf.  praes.,  um  zu  be- 
zeichnen, dass  man  hofft  eine  Handlung,  von  der  man  noch  nicht  Kenntnis  hat,  habe  bereitst 
begonnen  und  währe  noch.  Ein  Inf.  perf.  nach  spero,  selten  im  Altlat.,  öfter  bei  Cic,  haupt- 
sächlich in  den  Briefen,  auch  bei  Caes.,  nicht  bei  Sali.,  aber  bei  Catull,  Liv.  und  in  der 
silbernen  Latinität,  bezeichnet  eine  Handlung,  von  der  man  erwartet  und  wünscht,  dass 
sie  sich  verwirklicht  hat,  von  deren  Verwirklichung  man  aber  noch  keine  Kenntnis  hat, 
oder  auch  dass  die  Hoffnung  nicht  sowohl  auf  die  bereits  geschehene  Handlung  als  auf  die 
daraus  zu  erwartenden  Folgen  gerichtet  ist.  —  Nach  inro  hat  Cato  und  Plaut,  auch  den 
Inf.  praes.,  nach  minor  Lucrez  z.  B.  1,  723  hie  Aetnca  minantur  murmura  flammarum 
rursum  se  colli gere  iras.  Polliceor  und  promitto  mit  Inf.  praes.  lesen  wir  schon  bei 
Plaut.  Terenz  (Heaut.  724  decem  minas  qiias  mihi  dare  poUicitiist),  bei  Cornificius  und  Cic. 
in  den  Erstlingsschriften  (p.  Quinctio  29  ut  P.  t^uinctium  sisti  Sex.  Alfenus  promitteret), 
auch  bei  Caes.  (b.  Gall.  4,  21,  5),  dann  bei  Asin.  Pollio  (bei  Sen.  rhet.);  die  silberne  Lati- 
nität mit  Livius  eignete  sich  die  Konstniktion  gleichfalls  an,  die  sich  besonders  beim 
älteren  Plinius  ausgebildet  findet,  ebenso  die  Archaisten,  z.  B.  Gellius  5,  3,  7  j)ollicebatur 
9e  id  facere,  selbstverständlich  auch  die  Vulgärschriftsteller  wie  Hygin,  z.  B.  Venus  He* 


2.  Der  zasammengesetzte  Satz.  d.  Die  ünterordnimg.  (§  227—228.)        4g5 

Jenam  se  in  coniuctium  dare  promisü  88,  7.  Für  die  Sprache  der  Juristen  ist  zu  bemerken, 
dass  sie  regelmässig  den  Inf.  Praes.  im  Passiv  setzen;  so  erklärt  sich  auch  einfach  die 
Cicerostelle  p.  Quinct.  29  als  Anlehnung  an  den  Kurialstil.  --  £s  genügt  darauf  zu  ver- 
weisen, dass  in  diesen  Verbindungen  der  Inf.  praes.  mit  vollständiger  Vernachlässigung 
der  Bezeichnung  des  Futurischen  der  Volkssprache  entstammt,  die  unbedenklich  neben- 
einander die  te  datururn  ut  abeat  und  egon  dicam  dare  (Plaut.  Most.  638)  sagt. 

227.  Der  Acc.  c.  inf.  nach  den  VV.  desWollens  bei  gleichem  Sub- 
jekt findet  sich  schon  im  Altlat.,  z.  B.  Plaut.  Pseud.  167  volo  me  magnifice 
viros  acdpercy  dann  bei  Cicero,  hier  namentlich  wie  bei  Terenz  ausschliesslich, 
wenn  der  Infinitiv  im  Passiv  steht  oder  esse  ist;  ebenso  verhält  es  sich 
mit  studeo  bei  Plaut.  Ter.  Sali,  und  selbst  bei  Cicero,  wenn  auch  vereinzelt, 
z.  B.  de  off.  2,  70  gratum  se  vidcri  studet,  und  mit  propero  bei  Sali. 
Cat.  7  se  quisque  hostem  ferire  properabat,  wo  jedoch  das  quisque  beein- 
flussend wirkte,  mit  ojjto  im  Altlat.,  selbst  bei  Cic,  aber  sehr  selten,  z.  B. 
de  or.  1,  87  ut  ialis,  qualem  se  esse  optaret,  mdcretur,  mit  exopto  bei 
Plaut.  Im  Hinblick  auf  den  Gebrauch  der  Komiker,  den  ich  auch  bei 
Servius  ad  Fam.  4,  5,  4  nachgewiesen  habe  (Z.  f.  6.  W.  1881  p.  101),  erachte 
ich  es  als  eine  der  Volkssprache  entstammende  Bestrebung,  im  Interesse 
der  Deutlichkeit  sogar  die  Abundanz  des  Ausdrucks  nicht  zu  scheuen,  wenn 
in  den  genannten  Fällen  der  Acc.  c.  inf.  an  Stelle  des  Inf.  gesetzt  wird. 
Nach  all  den  genannten  Verben  steht  bei  verschiedenem  Subjekt  der  Akk. 
und  Infinitiv,  wenn  auch  nicht  bei  allen  gleichmässig  und  überall,  wie 
z.  B.  opto  bei  Cic.  nur  in  der  Ausgleichung  mit  andern  Inf.  oder  in  Kon- 
kurrenz mit  confido,  spero,  malo  etc.  etc.,  z.  B.  Fam.  1,  7,  11  spero  et  opto 
nobis  hanc  conhmctionem  voluptuti  fore,  bei  Caes.  u.  Liv.  gar  nicht,  häufig 
jedoch  in  der  spätem  Latinität,  z.  B.  bei  Cyprian,  dessen  Briefe  fast  regel- 
mässig mit  opto  vos  semper  bene  valere  schliessen,  gebraucht  wird,  urgeo 
sich  zuerst  bei  Tac.  und  concupisco  nicht  vor  Suet.  mit  Acc.  c.  Inf.  findet. 

228.  Zu  den  Verben  des  Wollens  rechnet  man  auch  die  VV.  des 
Beschliessens.  Diese  finden  sich  selten  im  Altlat.  so  konstruiert,  sicher 
steht  nur  ccnseo  bei  Cassius  Hemina  fr.  16  P.  eensuit  sese  regem  Porsennam 
occidere,  ferner  cenio  u.  delibeyatum  est  (man  vergleiche  Afranius  bei  Ribbeck 
fr.  com.  p.  169  deliberatum  est  non  tacere  me  amplius  mit  Cic.  pro  Rose. 
Am.  31  certum  est  deliberatumque  omnia  non  modo  dicere,  sed  audaeter 
libereque  diccre  zur  weitern  Bestätigung  des  im  vorhergehenden  Paragraphen 
Gesagten);  öfter  treffen  wir  die  Konstruktion  seit  Cicero,  der  eemco,  decerno 
u.  scntioy  aber  nur  bei  verschiedenem  Subjekte,  so  braucht;  von  diesen  hat 
sich  censeo  auch  in  der  silbernen  Latinität,  bei  den  Archaisten  und  eccl. 
erhalten;  als  Analogiebildung  ist  bei  Tac.  ann.  1,  74  iulit  absohi  reum  zu 
betrachten. 

Verwandt  mit  diesen  Verben  sind  die  des  Bittens,  Ermahnens, 
Forderns.  Ovare  mit  Acc.  c.  inf.  erscheint  zuerst  bei  Tac,  dann  bei 
Suet.  Ammian,  Cyprian,  Hieronymus,  bei  letzterem  auch  obseerare  v.  Hilar. 
20  non  tarn  advcrsarium  laedi  quam  se  defendi  obsecramt;  petere  ist  viel- 
leicht aus  der  Rechtssprache  herübergenommen,  wo  man  z.  B.  petÜ  aes 
sibi  dari  sagte;  so  findet  es  sich  bei  Suet.  und  von  da  ab  häufig,  z.  B. 
Hygin  fab.  32  petiit  dari  sibi  responsum,  bei  Gellius,  Hieronymus  Rufin. 
Dict.  Cret.  Sidon.  (bei  letzterem  ep.  1,  11  petis   tibi  satiram  nescio   quam 


486  B*  Latemiflche  Orammatik,    d)  Lateiaiselia  Syntax. 

transmUti);  precari  eiogef&hrt  von  Ovid  haben  Plin.  mai.  Suet  Gell. 
Hieronymns;  suader e  u.  persuadere  lesen  wir  bei  Dichtern  wie  Ter. 
Lucr.  Verg.,  in  Prosa  aber  nicht  vor  Plin.  mai.,  dem  dann  vereinzelte 
Spätere  folgen,  imperare  bei  Lncr.  u.  Ovid,  sowie  im  b.  Afr.  wiederholt  mit 
Inf.  act.,  mit  pass.  Inf.  anch  in  klassischer  Sprache  (nicht  bei  Sali.),  in  nach- 
klassischer Latinität  (nicht  bei  Liv.  u.  Tac.)  namentlich  oft  bei  Sueton. 
Besondere  Beachtung  verdient  praecipio;  dies  verbindet  schon  Cic.  Att. 
12,  51  quibus  parere  amties  noXiUMoi  praecipiunt  mit  dem  Infinitiv;  in  der 
Konstruktion  des  Acc.  c.  inf.  findet  es  sich  zuerst  bei  Plin.  mai.  and 
Curtius  (nicht  bei  Tac.  und  Plin.  min.)  und  geht  nachher  aber  vollständig 
in  die  Bedeutung  und  den  Besitzstand  von  iübere  über;  so  lesen  wir  es 
oft  mit  Inf.  pass.  bei  Suet.  Justin.,  dann  bei  den  scripL  bist.  Aug.,  bei 
Firmicus,  Ammianus,  Orosius,  bei  Hieronymus,  Gyprian  Amob.  Lactanz, 
z.  B.  Hieronjrm.  v.  Paul.  3  aliam  iuveniU  aetaie  floreniem  in  amoenissintos 
hortulos  praecepU  adduci;  mit  Inf.  act.  seltener,  aber  wiederholt  bei  script. 
bist.  Aug.  u.  eccl.,  z.  B.  Hieron.  v.  Hilar.  22  po&t  horam  ceteros  abire 
praecepü.  Postulare  mit  Acc.  c.  inf.  geht  von  Plaut,  bis  herab  zu  den 
eccl.,  jedoch  in  der  Weise,  dass  es  in  der  klassischen  Zeit  seltener  wird 
(bei  Gic.  nur  in  Erstlingsschriften),  häufiger  wieder  bei  Liv.,  Plin.  mai.  u. 
Tac.,  bei  Nepos  u.  Justin  vorkommt,  dagegen  von  einzelnen  Autoren  wie 
Vell.  Val.  Max.  Gurt.  Suet.  Archaisten  gemieden  wird.  Wenn  Plaut.  Rud. 
543  Fl.  sagt  iam  posiulabas  ie  iotam  Siciliam  devoraiurum,  so  beweist  dies 
um  so  mehr,  dass  die  zahlreichen  Acc.  c.  inf.  nach  postulare  bei  Plaut 
sich  aus  der  Bedeutung  desselben,  die  bald  =  veüe,  studere  oder  ==  ,das 
Verlangen  aussprechen",  «frech  behaupten*  ist,  erklären  lassen.  Die  andern 
verba  postulandi,  wie  expostulare^  exposcere,  poscere  (zuerst  Horaz,  auch 
noch  Sulp.  Sev.),  flagiiare,  exigere  gehören  in  der  Konstruktion  mit  Acc. 
c.  inf.  nur  einzelnen  Autoren  der  nachklassischen  Zeit  an  und  erweisen 
sich  so  als  Analogiebildungen,  die  gewagt  wurden  zum  Ersatz  für  die  ab- 
gebrauchten Verba  des  Wollens  und  Wünschens. 

229.  Die  Verba  der  negativen  Willensrichtung,  zunächst  die 
VV.  impediendi  kommen  in  der  uns  erhaltenen  Litteratur  der  vorklas- 
sischen Zeit  ganz  vereinzelt  vor,  bei  Plaut,  z.  B.  prohibeo  nur  Aulul.  435, 
bei  Ter.  nur  Hec.  266  mit  Acc.  c.  inf.;  jedoch  darf  man  aus  der  Grab- 
schrift des  App.  Claudius  Caecus  pacem  fieri  cufn  Pyrrho  rege  prohibuit, 
sowie  aus  dem  Umstände,  dass  die  Archaisten  und  die  spätlateinische 
Litteratur  prohibere  mit  Acc.  c.  inf.  konstruieren,  schliessen,  dass  diese 
Konstruktion  schon  frühe  existierte  und  sich  immer  erhielt,  wenn  sie  frei- 
lich durch  die  konjunktionale  Anfügung  des  Nebensatzes  sehr  zurück- 
gedrängt wurde.  Die  klassische  Sprache  hat  gewöhnlich  den  Inf.  act.  nach 
prohibere,  selten  den  Inf.  pass.,  welch  letzterer  hauptsächlich  bei  Liv.  und 
den  Autoren  des  silbernen  Lateins  gefunden  wird.  Ausser  prohibere  verbinden 
sich  namentlich  in  der  Dichtersprache  einige  andere  Verba  mit  Acc.  c.  inf., 
vereinzelte  Prosaiker  ahmten  die  Wendung  nach,  z.  B.  dedignari  bei  Ovid 
und  dann  bei  Tac.  u.  Amobius,  dbnuere  bei  Verg.  u.  Sil. 

230.  Schliesslich  erwähnen  wii*  die  Verba,  welche  bezeichnen,  dass  das 
Subjekt  entweder   selbst  etwas  veranlasst  oder  doch  eine  Handlung  zulässt. 


2.  Der  zusammengeBetKie  Satz:  d.  Die  Unterordnung.  (§  229—232.)        437 

Schon  §  224  wurde  von  facere  c.  Acc.  c.  inf.  gesprochen;  neben  dem- 
selben wurden  auch  efficere,  offenbar  mit  vulgärem  Beigeschmack,  zuerst  von 
Vitruv,  später  von  Arnobius  u.  Lactanz,  und  perficere  bei  Arnobius  Firm.  Mat. 
u.  a.  gebraucht.  In  der  Bedeutung  »beweisen*  lesen  wir  efficere  u.  conficere 
bei  Cic,  sonst  nirgends.  Nach  permittere  ist  der  Acc.  c.  inf.  unklassisch, 
aber  im  Altlat,  bei  Liv.  und  Tac.  und  dann  im  Spätlatein  gebräuchlich,  nach 
ferre  „ertragen**  (gewöhnlich  mit  acjre,  mofesfeetc.  verbunden) selten  im  Altlat., 
oft  bei  Cic,  den  aug.  Dichtern,  spärlich  in  nachklass.  Zeit  zu  finden,  nach  qum- 
ccre  jedenfalls  nicht  bei  Cic.  ad.  Att.  7,  9,  2  (wahrscheinlich  überhaupt  nirgends, 
bei  Plaut.  Most.  1 1 74  u.  Gell.  2,  28,  2  steht  nur  der  Inf.  in  Analogie  von 
desino),  nach  neglegere  in  der  Bedeutung  von  non  curare  bei  Antonius 
in  Cic.  Phil.  13,  33,  bei  Tibull  Hör.  Suet.,  ähnlich  wie  nihil  moror  eben- 
falls bei  Antonius  in  Cic.  Phil.  13,  35  und  vorher  bei  Plautus,  beides 
offenbare  Fügungen  der  Umgangssprache.  Über  den  Unterschied  von 
neglego   mit  Inf.  oder   Acc.  c.  inf.   vgl.   Kiessling  zu  Hör.  od.  1,  28,  30. 

231.  Der  Acc.  c.  inf.  steht  infolge  naheliegender  Analogie 

1.  nach  Phrasen,  welche  die  Bedeutung  eines  verbum  declarandi  oder 
eines  solchen  andern  Zeitworts  haben,  nach  welchem  der  Acc.  c.  inf.  zu- 
lässig ist,  z.  B.  Phrasen  wie  nuntius  adfertur,  pervenit  seit  der  klassischen 
Zeit  namentlich  bei  Livius,  auctor  sum  seit  Cic,  auch  bei  Verg.,  bei  Liv. 
und  in  der  silbernen  Latinität  (das  von  Reisig  p.  564  als  „verwerflich** 
bezeichnete  Beispiel  aus  des  Attikus  Feder  bei  Cic.  Att.  9,  10,  5  ego  qui" 
dem  tibi  non  sini  auctor  te  quoque  profugere  erklärt  sich  als  Analogie  des 
so  bei  Ter.  Lucr.  Verg.  gebrauchten  suadere,  vgl.  auch  Celsus  7,  7,  6  Hera- 
clides  auctor  est  subsecare),  nach  testis  sum  bei  Cicero  u.  ä. 

2.  nach  Adjektiven  gewöhnlich  in  Verbindung  mit  esse,  z.  B.  ignarus 
sum  =  nescio,  jedoch  noch  nicht  im  Altlatein,  zum  Teil  erstmals  bei  Cicero, 
wie  ignarus  sum,  certus  sum,  non  nescius  sunt,  oder  bei  Dichtern  und  Späteren 
wie  memor,  immemor,  prudens  sum ;  manche  Bildungen  sind  ganz  vereinzelt, 
wie  z.  B.  peritus  fortius  adversus  Romanos  aurum  esse  quam  ferrum  bei 
Florus  (Opitz,  Pr.  Dresden  1884  p.  11). 

232.  Als  Subjekt  steht  der  Acc.  c.  inf. 

1.  nach  unpersönlichen  Verben  in  allen  Zeiten,  jedoch  so,  dass 
einige  dieser  sogen.  Impersonalia  bald  veralten  und  ausser  Gebrauch  kommen, 
während  umgekehrt  namentlich  von  Cicero  und  dann  auch  von  Späteren  neue 
eingeführt  werden ;  wenige  wie  apparet,  decet,  licet,  expcdit  etc.  gehören  der 
ganzen  Latinität  an. 

Altertümlich  sind  die  Komposita  von  decet,  wie  addccei  und  condecet, 
dann  scilicet  und  videlicet  (doch  auch  bei  Lucrez  u.  Sali.),  mit  Cicero  treten 
SLufaccidit  (beiCic.  Fam.  6,  11,  1  neuerdings  wieder  bestritten  von  Streicher) 
conducit,  comtat  (vgl.  hierüber  Praun,  Synt.  d.  Vitr.  p.  37),  existit,  fallit, 
iuvat,  liquet,  patet  (Cic.  Tusc.  1,  54),  pertinet,  placet,  prodest;  später  erst 
enotescit  bei  Sen.,  latet  bei  Vitruv  und  dann  bei  Plin.  mai.,  sufficit  bei 
Quintil.,  contingit  bei  Gell,  und  dann  bei  Augustin. 

2.  nach  Adi.  neutr.  mit  esse,  und  zwar  ebenfalls  in  der  ganzen  Lati- 
nität; vereinzelt  ist  necessum  est  bei  Fab.  Pictor,  nimium  est  bei  Cato, 
stabile  est  bei  Plaut,  und  volup  est  bei  den  Komikern. 


488  S*  Lateiniflche  Qrammatik     d)  Laieinische  Syntax. 

3.  nach  Subst.  abstracta  mit  e^t  gleichfalls  in  allen  Zeiten,  aber  bei- 
spielsweise audacia  est,  confidcfUia  est,  factum  est,  nüseria  est,  molestia  est, 
negotium  est,  scelus  est  nur  bei  Plautus,  fama  est,  fides  est,  laus  est  allent- 
halben, proverbium  est  seit  Cic,  mos  est  vor-  und  nachklassisch,  auch  ein- 
mal bei  Cic,  o2)inio  est  seit  Cicero;  causa  est  wurde  von  Vitruv,  persmisio 
nst,  remcdium  est,  hofios  est  von  Plin.  mai.,  praeceptum  est  und  patrocinium 
est  von  Sen.  rhet.,  usus  est  und  controversia  non  est  von  Gellius,  rubor  est 
von  Tac.  geneuert. 

233.  Bei  aller  Vorsicht  in  der  Annahme  eines  Gräzismus  müssen  wir 
doch  jetzt,  wo  die  ausgedehnte  Verbreitung  des  Acc.  c.  inf.  in  der  latei- 
nischen Litteratur  dargelegt  ist,  behaupten,  dass  an  mehreren  Stellen  der 
Dichter  seit  CatuU  (nicht  bei  Plaut.  Asin.  634,  wo  mit  Kienitz  datarum  zu 
lesen  ist)  sich  Gräzismen  im  Gebrauche  des  Nom.  c.  inf.  an  Stelle  eines 
Acc.  c.  inf.  finden.  So  sagt  Catull  4,  1  phaselus  die  ait  fuisse  namum  celer-^ 
rimu^,  ähnlich  Verg.  Hör.  Properz,  Ovid,  Lucan.  Ebenso  sind  Gräzismen  die 
Partizipialkonstruktionen  bei  den  VV.  des  Affekts,  wie  sie  sich  bei  den 
augusteischen  Dichtern  finden,  z.  B.  Verg.  Georg.  2,  510  gaudent  pcrfusi 
sanguxne  fratrum.  Wo  in  Prosa  sich  derartiges  trifft,  wie  z.  B.  Cic.  Att. 
4,  5,  1  senseram,  noram  inductus,  relictus,  proiectus  ab  iis,  Cael.  21  laesi 
dolent,  irati  eff'eruntur,  pugnant  lacessiti  ist  es  anders  zu  erklären;  vgl. 
noch  Cic.  ad  Brut.  1,  15,  2  quem  cum  a  me  dimUtem  graviter  ferrem  ,da 
ich,  als  ich  ihn  von  mir  Hess,  sehr  betrübt  war''. 

234.  Während  wir  also  in  den  eben  besprochenen  poetischen  Stellen 
nichts  weiter  als  eine  Nachahmung  der  Griechen  erblicken,  ist  dagegen  der 
Nom.  c.  inf.  beim  Passiv  der  VV.  sentiendi  und  declarandi  als  eine 
echtlateinische  Konstruktion  zu  erklären.  Hier  ist  jedoch  zu  beachten,  dass 
abgesehen  von  ganz  wenig  Ausnahmen  nur  die  3.  Person  der  V.  sentiendi 
oder  declarandi  mit  Nom.  c.  inf.  verbunden  wird  und  dass  mit  Ausnahme 
von  vidcor  die  Verba  zumeist  nur  die  einfachen  Zeiten  mit  Nom.  c.  inf. 
vorziehen,  während  bei  den  Temp.  compos.  der  Acc.  c.  inf.  zugelassen  wird. 
Doch  gelten  diese  Wahrnehmungen  nur  für  die  alte,  die  klassische  und  die 
erste  Epoche  der  nachklassischen  Zeit. 

Im  Altlat.  finden  wir  nur  wenig  Beispiele,  darunter  auch  clueo  = 
einem  Passivum  bei  Plautus  (anders  Ennius  sat.  31  L.  Müller)  und  noch 
bei  Lucrez.  Mit  dem  klassischen  Zeitalter  erweitert  sich  die  Zahl  der  Verba, 
indem  jetzt  awrf/or,  cognoscor  (dies  Cic.  Fam.  1,  5»,  1  in  erster  Person  ^it  qtuim 
gratissimus  crga  te  esse  cognoscercf).  compenor,  eonccdar,  defendor,  doceor, 
excusor^  ludicor,  invefiior  (in  2.  Person  Verr.  4,  1,  4  inveniare),  liberor,  negor, 
nuntlor,  ostendor,  postulor,  putor,  sinor,  trador  bei  Cic.  und  zum  Teil  auch 
bei  Caes.  so  gebraucht  werden;  für  Cicero  habe  ich  die  Wahrnehmung 
gemacht,  dass  ein  gut  Teil  dieser  Verba  in  die  Erstlingsschriften  oder  in  die 
Philippicae  fallt,  so  z.  B.  arguor,  dcfoidor^  demonstror,  doceor,  imperor, 
memoror,  oste^idor,  postulor^  proh'iheor\  dies  lässt  schon  einen  Schluss  zu: 
dass  nämlich  die  Konstruktion  des  Nom.  c.  inf.  der  urbanitas  nicht  beson- 
ders sympathisch  war  und  deshalb  von  Cicero  abgesehen  von  den  Gerichts- 
reden (z.  B.  pro  Milone)  in  der  besten  Zeit  seiner  Schriftstellerei  gemieden 
wurde.     Und  in  der  That,  schon  bei  Vitruv,  der  sogar  26,  27  quod  a  nobis 


2.  Der  zusammengesetzte  Satz:  d.  Die  ünterordnimg.  (§  288—235.)        489 

expositi  siwt  tantum  oc(o  esse  venu  wagt,  noch  mehr  aber  mit  dem  Verfall 
der  Sprache  kommen  die  Nom.  c.  inf.  immer  mehr  auf;  zahllose  Analogie- 
bildungen überschwemmen  seit  Sali,  und  Liv.  die  Litteratur,  und  je  mehr 
wir  uns  den  letzten  Zeiten  der  lebenden  Sprache  nähern,  um  so  häufiger 
begegnen  uns  persönliche  Konstruktionen  aller  Art.  Zum  Beweise  füge  ich 
aus  der  späten  Litteratur  einige  Beispiele  bei:  Sulpic.  Sever.  Chron.  1,  46,  5 
hie  novem  azinös  reißiasse  scrihitur^  sed  in  Paralipomenis  atque  etium  in 
Chronicis  novew  et  viginti  annos  imperium  tenuisse  adnotatus  est;  Hiero- 
nymus  in  Luc.  hom.  111  Eva  quoqtie,  antequam  aperirentur  oculi  eim, 
vidisse  describitur;  Lucifer  v.  Calaris  pro  Athanas.  II  p.  920  c:  cum 
mendax  esse  clarueris  und  Cyprian  ep.  30,  8  dum  episcopus  dari  a  deo  nobis 
sustinetur.  Am  reichsten  an  solchen  Konstruktionen  scheint  neben  Sulp. 
Sev.  wohl  Cassiodor  gewesen  zu  sein. 

Neben  clueo  im  Altlat.  haben  wir  in  ganz  später  Zeit  so  eben  noch 
claresco  mit  Nom.  c.  inf.  verbunden  gesehen.  Ausser  den  beiden  kon- 
struieren sich  noch  einige  andere  Intransitiva  ebenso,  im  ganzen  aber  selten, 
sowie  die  Phrasen  in  susptcioue  sum  und  in  suspicionem  venia.  Immerhin 
muss  man  die  Beispiele,  bei  Cicero  wenigstens,  sehr  vorsichtig  aufnehmen, 
wie  z.  B.  pro  Rose.  Am.  §  118  ntaleficiis  qtuie  in  illo  constat  e^sse  von  Land- 
graf und  C.  F.  W.  Müller  gelesen  wird,  während  jedoch  Caelius  bei  Cic. 
Farn.  8,  10,  2  kritisch  sicher  ist.  Ich  erwähne  appareo  bei  Cic.  Varro,  Sen. 
phil.  Suet.,  opus  esse  bei  Brut.  Cic.  Fam.  11,  11,  2  (von  Wesenberg  wohl 
mit  Unrecht  angezweifelt),  pateo  bei  Apul.,  dann  Dolabella  bei  Cic.  Fam.  9, 
9,  1  etsi  nullo  tempore  in  susjncionem  tibi  debui  venire  partium  causa  potius 

quam  tua  tibi  suadere. 

Anmerkung.  Der  Acc.  c.  inf.  nach  dem  impersönlich  gebrauchten  Passiv  eines 
V.  sentiendi  oder  dcclarandi,  z.  B.  Ter.  Andr.  796  in  hac  habitaase  platea  dictumst  Chnj- 
sidem  ist  im  Altlat.  sehr  selten,  vgl.  Acc.  praet.  19  (Ribb.  p.  283)  visum  est  pastorem  ad 
me  adpeUere  pecuSy  häufiger  bei  Cicero  und  Caes ,  von  wo  ab  die  Konstruktion  immer  öfter 
sich  findet.  Man  hat  bei  einzelnen  Schriftstellern  Beobachtungen  individuellen  Gebrauchs 
gemacht,  z.  B.  dass  Cicero  und  Caesar  den  Acc.  c.  inf.  nach  dicüur  und  nuniiatur  setzen, 
wenn  ein  Dativ  dabeistehe,  dass  creditur  in  der  klassischen  Sprache  regelmässig  unpersön- 
lich, später  persönlich  konstruiert  werde;  dass  Tacitus  nach  creditur  den  Acc.  c.  inf.  nur 
bei  sachlichem  Subjekte  oder  beim  Subj.  im  Plural  setze,  während  bei  persönlichem  Subj. 
im  Singular  überwiegend  der  Nom.  c.  inf.  stehe.  Schliesslich  mag  erwähnt  werden,  dass 
die  Konstruktion  des  Nom.  c.  inf.  in  der  besten  Zeit  der  Sprache  sich  nur  in  unmittelbarer 
Verbindung  mit  dem  V.  sent.  oder  die.  halten  konnte,  die  Weiterführung  des  Gedankens 
musste  im  Acc.  c.  inf.  erfolgen.  Es  ist  dies  ein  Beweis,  dass  die  Fügung  des  Nom.  c.  inf. 
hier  als  eine  grammatische  Fessel  empfunden  wurde,  der  man  sich  möglichst  rasch  zu  ent- 
ziehen suchte  (ähnlich  wie  bei  der  constructio  »ard  ai^vecty). 

235.  Zum  Abschluss  in  der  Behandlung  der  Infinitivkonstruktionen 
mögen  noch  folgende  Punkte  erledigt  werden: 

1.  Der  Gebrauch  des  Infinitiv  des  Perfekts,  wo  das  Präsens  erwartet 
wird,  findet  sich  in  der  ältesten  Periode  vorzugsweise  in  Sätzen,  die  ein 
Verbot  enthalten,  und  zwar  nach  volo  und  nolo^  z.  B.  Cato  r.  r.  5  ne  quid 
emisse  velit,  ebenso  bei  Plaut,  u.  Ter.,  sowie  in  Edikten  und  Senats- 
beschlüssen, z.  B.  S.  C.  de  Bacan.  nei  quis  Bacanal  habuise  velet.  Die 
Erklärung  liegt  darin,  dass  das  auf  Vollendung  gerichtete  Verlangen  sich 
einmischt,  die  berührte  Sache  möge  nicht  geschehen  sein.  Diesen  Gebrauch, 
der  in  der  Litteratur  bald  erlosch,  während  er  sich  im  Kurialstil  erhielt, 
haben  Catull,  dann  die  Schriftsteller  der  augusteischen  und  der  späteren  Zeit 


490  B.  Lateinische  Qrammaiik.    d)  LateiniBche  Syntax. 

wieder  aufgenommen  und  erweitert,  z.  B.  Hör.  sat.  1,  2,  28  sunt  qtU  noUni 
tetigisse.  So  schreiben  Ovid,  Hör.  Liv.  Verg.  Quint.  Plin.  mal.,  z.  B.  n.  h. 
lOf  30  cum  eam  nemo  velit  aUigisse.  Wenn  Liv.  sogar  ohne  Negation  diesen 
Infinitiv  braucht,  so  hat  er  damit  den  bei  den  Komikern  und  in  einem  bei 
Cicero  off.  2,  23  erhaltenen  Fragment  quem  quisque  odit  pensse  expetü  and 
bei  Lucrez  auch  schon  sich  findenden  Brauch  wieder  aufgenommen.  Die 
dem  griechischen  Einfluss  besonders  zugänglichen  Dichter  der  augusteischen 
Zeit,  so  namentlich  Properz,  Ovid,  Tibull,  auch  Horaz,  ebenso  die  N.  Kl. 
Dichter  wie  Silius  verwenden  diesen  einmal  wieder  in  Gebrauch  gekom- 
menen Inf.  nun  auch  nach  den  Verben  des  Strebens  und  Könnens,  und  hier 
dürfen  wir  eine  unzweifelhafte  Anlehnung  an  den  griechischen  Aorist  er- 
kennen.  So  lesen  wir  den  Inf.  perf.  nach  decety  convenit,  iuvat,  libet,  opariet 
und  andern  unpersönlichen  Verben;  aus  Horaz  werden  curo,  lahoro,  tento 
zitiert,  vgl.  auch  Ovid  met.  14,  571  sed  vkissc  petunt.  Selbstverständlich 
hat  die  metrisch  sich  leicht  fügende  Form,  z.  B.  sustinuisse,  impasmsse 
die  Konstruktion  den  Dichtern  sehr  empfohlen.  Die  Prosaiker  der  silbernen 
Latinität,  so  Val.  Max.  Plin.  mai.,  seltener  Seneca  phil.,  haben  sie  vielfach 
übernommen,  z.  B.  satis  est  adiecisse,  und  die  Autoren  des  Sp.  L.  bei- 
behalten, z.  B.  Justin  5,  4,  15  posulsse  cupiunt. 

Der  Inf.  Perf.  pass. ,  meist  ohne  esse^  steht  bei  energischen  Willens- 
äusserungen  schon  in  alter  Zeit,  in  der  klassischen  Sprache  und  in  der 
silbernen  Latinität  und  zwar  meist  nach  volo^  seltener  nach  it4}lo  und 
cupiOy  .z.  B.  Plin.  n.  h.  2,  7,  15  muUis  etiam  pestibus,  dum  esse  placatus 
cupimus  etc. 

Schliesslich  sei  erwähnt,  dass  nach  den  Praeterita  von  oportet 
{decet,  convenit)  und  aequiim  est  der  Inf.  perf.  pass.  meist  ohne  esse  sich 
findet  (der  Inf.  perf.  act.  nur  bei  Plaut,  zweimal,  z.  B.  Ampb.  544  cavisse 
oporttüt)  und  zwar  bei  Plaut.  Ter.  u.  Cicero,  vgl.  PI.  Mil.  730  itideni  divos 
disperlisse  vitam  humanam  aequom  fuit  und  Cic.  Cat.  1,  2  quod  iam  pridem 
factum  esse  oportuit.  Hier  liegt  eine  einfache  Attraktion  zu  Grunde,  indem 
der  Infin.  sich  im  Tempus  dem  regierenden  Verb  assimiliert  hat. 

2.  Der  Subjektsakkusativ  wird  in  der  Konstruktion  des  Acc.  c.  inf. 
oft  ausgelassen  und  zwar,  wie  dies  genau  nachgewiesen  ist,  sehr  häufig 
bei  den  Komikern,  allgemein  bei  den  Historikern  (vgl.  besonders  Frigell 
zu  Liv.  23  p.  4ü — 55),  im  Briefstil  ganz  gewöhnlich,  auch  bei  Cicero  (ad 
Fam.  16,  5  1  is  omnia  pollicitus  est,  quae  tibi  opus  essent;  facturum  puto), 
selbst  in  den  Reden  Ciceros  häufiger  als  man  glaubt.  Bei  den  Dichtern, 
so  namentlich  den  august.,  trifft  man  zahlreiche  Beispiele  an,  die  teils  in 
Anlehnung  an  die  alte  Litteratur,  teils  unter  dem  Zwange  des  Metrums 
entstanden  sind.  Ein  Gräzismus  ist  hier  völlig  ausgeschlossen.  —  Die 
Auslassung  des  Infinitivs  z.  B.  quid  illum  censesY  sc.  f'acere,  was  in  der 
Umgangssprache,  also  besonders  bei  den  Komikern  und  in  den  Briefen 
üblich  ist,  erklärt  sich  nach  §  8. 

3.  Ein  mit  qu^am  sich  anschliessender  Satz  kommt  durch  eine  Art 
Attraktion  auch  in  den  Acc.  c.  inf.  zu  stehen ;  doch  ist  dies  nur  klassischer 
Brauch,  bei  Cicero  sogar  in  den  Briefen  ad  Att.  durchaus  beobachtet,  z.  B. 
ad  Att.  2,  20,  3    addit   etiam   se  j^^i^s  occisum  iri  quam  me  violatum  iri. 


2.  Der  zuBammengeBetzte  Satz:  d.  Die  ünterordnimg.  (§  236)  491 

Allein  im  Altlat.,  dann  wieder  bei  Sali.  Liv.,  bei  Curt.  Nepos,  selten  in 
späterer  Zeit,  tritt  der  zweite  Satz  in  Konjunktiv,  z.  B.  Tac.  ann.  13,  42 
omnia  j^otius  toleraturum  quam  submUteret.  Die  Grundform  dafür  finden 
wir  im  selbständigen  Satze  schon  bei  Plautus,  z.  B.  Mil.  311  mussitdbo 
potius  quam  intcream  male;  vgl.  unten  §  258  und  Biemann,  revue  de 
philol.  1888  p.  47. 

4.  Das  Subjekt  des  Acc.  c.  inf.  tritt  bisweilen  mit  de  voraus  und 
wird  dann  mit  is,  illc  oder  überhaupt  einem  Pronomen  im  Akkusativ  wieder 
aufgenommen.  Diese  Konstruktion  gehört  im  ganzen  dem  attenuatum  genus 
dicendi  an,  welches  solche  lose  und  bequeme  Verbindungen  liebt.  Sie  findet 
sich  nicht  vor  Cicero,  bei  diesem  namentlich  in  den  Briefen,  doch  auch  in 
den  philos.  u.  rhetor.  Schriften  z.  B.  Brut.  §  252  sed  tarnen  de  Caesare  iudico  . . . 
illum  omnium  fere  oratorum  latine  loqui  elegantissime;  die  spätere  Latinität 
hat  sich  eine  so  bequeme  Satzfügung  erhalten,  wie  z.  B.  Gellius;  eine  Pro- 
lepse  des  Objekts  ist  bei  Jul.  Cap.  Max.  et  Balb.  11  de  quo  saepissime 
dicebaty  se  non  contra  hominem,  sed  contra  Cychpem  bellum  gerere. 

5.  Die  sog.  oratio  obliqua  besteht  darin,  dass  die  Rede  eines  andern 
einem  einführenden  V.  dicendi  untergeordnet  wird.  Dabei  treten  die  Be- 
hauptungssätze in  den  Acc.  c.  inf.,  Aufforderung  und  Wunsch  erscheint 
mittels  Personen-  und  meistens  auch  Tempusverschiebung  im  Konjunktiv, 
der  Fragesatz  aber  steht,  wenn  er  als  rhetorische  Frage  eine  Behauptung 
in  sich  schliesst,  im  Acc.  c.  inf.,  enthält  er  dagegen  den  Ausdruck  eines 
Verlangens,  Wunsches,  Befehls,  so  muss  er  konjunktivisch  ausgedrückt 
werden.  Selbstverständlich  gehört  die  orat.  obliq.  wesentlich  den  Histori- 
kern an  und  findet  sich  sonst  nur  sporadisch. 

Zu  §212  vergl.:  Weissbnhorn,  Parataxis  Plautina.  Burghausen  1884.  ||  Zu  §216: 
Becker.  De  syntaxi  int<}rrogatioDum  obliquarum  apud  priscos  scriptores  latinos,  Strassburg 
1873;  GuTscuB,  de  interrogationibus  obli^uis  apud  Ciceronem,  Halle  1885;  Olbricht,  de 
interrogaüonibus  disiunctivis  et  an  particulae  usu  apud  Tacitum,  Halle  1883;  s.  oben 
WoLFF  und  Grabekstein  nach  §  162.  ||  Zu  §  220:  Thielmann,  habere  mit  dem  Infinitiv 
u.  d.  Entstehung  de«  rora.  Futunims  in  Wöllflins  Arch.  II,  1  und  2;  Wölfflik,  Der  sub- 
stantivierte Infinitiv,  Archiv  III,  p.  70—91;  Thielmakn,  Facere  mit  dem  Infinitiv,  Archiv  III, 
p.  177-206.  II  Zu  §  235:  Jolly  s.  o.  §  21;  Herzog.  Die  Syntax  des  Infinitivs,  Jahrb.  1873, 
1—33;  G.  Müller,  Zur  Lehre  vom  Infinitiv  im  Lat.,  Görlitz  1878;  Barth,  de  infinitivi  apud 
sccnicos  poetas  latinos  usu,  Berlin  1882;  Mbrouet,  De  usu  syntacticö  Inf.  Lat.  maximo 
poptico,  Königsberg  1863;  Reichbkuart,  Der  Infinitiv  bei  Lucretius;  act.  sem.  Erlang.  IV, 
457—526;  Senger,  Über  den  Infinitiv  bei  Catull,  TibuU  und  Properz,  Speier  1886;  Sork, 
Der  Infinitiv  bei  Sallust,  Florus,  Eutrop  und  Persius,  Innsbruck  1887;  Krause,  De  Vergilii 
usurpatione  infinitivi,  Halle  1878;  Schmidt,  De  usu  infinitivi  apud  Lucanum  Val.  Place.  Sil. 
Italicum,  Halle  1881;  Trillhaas,  Der  Inf.  bei  Ovid.  Erlangen  1877;  Kidenbchink,  Der  Inf. 
bei  Corn.  Nepos  etc.  Passau  1877;  Fükck,  Neue  Jahrbb.  1880  p.  725-334  (Ellipse  des 
Subj.).  Bezüglich  der  Fragesätze  in  oratio  obliqua:  Kraz  im  Progr.  von  Stuttgart  1862 
und  dagegen  Riemann  in  der  revue  de  philol.  1882. 

b.  Unterordnung  mittels  relativer  Pronomina  und  Konjunktionen. 

236.  Wir  wenden  uns  nun  zu  dem  Grade  der  Unterordnung,  wo  die 
Sprache  sich  nicht  mit  schlichter  Zusammenstellung  von  Haupt-  und  Neben- 
satz, höchstens  unterstützt  durch  Personen-,  Modus-  und  Tempusverschiebung 
begnügt,  sondern  wo  ein  Pronomen  oder  eine  Konjunktion  die  Vermittlung 
übernimmt.  Zu  dieser  Funktion  sind  geeignet  die  Relativpronomina  und 
die  aus  erstarrten  Kasusformen  des  Relativs  oder  sonstwie,  z.  B.  Ver- 
schmelzung  von   Partikel  und   Konjunktion    wie  simul  atque,   wofür  man 


492  B.  Lateinische  Qrammatik.    d)  Lateinische  Syntax. 

auch  simul  allein  sagte,  ferner  aus  erstarrten  Verbalformen,  z.  B.  licet, 
dann  vis  und  Übet  in  Verbindung  mit  quam  entstandenen  Konjunktionen. 
Wir  unterscheiden  daher 

1.  Relativsätze, 

2.  Konjunktionalsätze. 

Die  letzteren  sind  aus  den  ersteren  hervorgegangen,  und  es  ist  der 
Relativsatz  als  der  ältere  zu  betrachten;  aber  allmählich  hat  die  Verbin- 
dung durch  Konjunktionen  als  die  bequemere  und  deutlichere  bei  weitem 
die  durch  das  Relativ  bewirkte  überholt.  Ferner  haben  die  Konjunktionen 
bei  ursprünglich  weiter  Gebrauchssphäre  ihr  Gebiet  immer  mehr  eingeengt 
und  präzisiert. 

Eine  Hauptfrage  ist  hier  die  nach  Modus  und  Tempus  des  unter- 
geordneten Satzes.  Der  Konjunktiv  war  ursprünglich  nur  der  Ausdruck 
für  die  Subjektivität  eines  Gedankens,  und  daraus  entwickelte  sich  sein 
Gebrauch  als  Modus  der  Abhängigkeit.  Er  findet  sich  nun  in  Relativsätzen 
dann^  wenn  eine  innere  Beziehung  der  beiden  Sätze,  sei  es  in  konsekutiver, 
kausaler  oder  anderer  Weise  ausgesprochen  werden  soll  und  zwar  durchweg 
in  der  Latinität;  denn  dieser  Gebrauch  des  Relativpronomens  ist  spezitisch 
lateinisch.  Dagegen  stand  ursprünglich  in  den  mit  Konjunktionen  ein- 
geleiteten Sätzen  zumeist  der  Indikativ  (abgesehen  von  den  Finalsätzen); 
dass  auch  solche  den  Konjunktiv  annahmen,  ist  der  letzte  Schritt  in  der 
Entwicklung  dieser  Syntax,  wie  wir  es  namentlich  bei  quom  konstatieren 
können.  Wie  nun  die  klassische  Sprache  den  unterordnenden  Konjunktiv 
sehr  ausgiebig  verwendet,  so  dass  sogar  Nebensätze  durch  blosse  Anglei- 
chung  an  einen  konjunkt.  Satz  selbst  in  den  Konjunktiv  treten,  so  macht 
sich  in  der  nachklassisehen  Zeit  ein  Wiedervordringen  des  ursprünglichen 
Indikativs  vielfach  geltend,  und  allmählich  sehen  wir  wie  früher  neben 
einander  den  Indikativ  und  Konjunktiv.  Umgekehrt  aber  lässt  sich  und 
dies  unter  offenbarem  Einflüsse  des  griechischen  iterativen  Optativ  ein 
Eindringen  des  Konjunktivs  in  Satzgefügen  erkennen,  in  denen  früher  der 
Indikativ  herrschte;  es  gelang  ihm  aber  nicht,  den  letzteren  zu  verdrängen 
und  so  sehen  wir  auch  hier  bis  in  die  späteste  Zeit  herab  beide  Modi  in 
fast  gleichmässigem  Gebrauch,  ja  manchmal  mit  einander  wechselnd.  In 
den  Nebensätzen  der  erat,  obliq.  steht  in  klassischer  Sprache,  ausser  wenn 
dieselben  nicht  als  Teil  der  indirekten  Rede  betrachtet  werden,  regelmässig 
der  Konjunktiv.  Dagegen  bemerken  wir  im  Altlat.,  wo  der  Konjunktiv 
als  unterordnender  Modus  noch  nicht  vollständig  zum  Durehbruch  gelangt 
ist,  ferner  seit  Sali.  Liv.  u.  Tac,  offenbar  unter  dem  Einflüsse  der  Griechen 
und  der  Volkssprache,  welcher  jede  Reflexion  und  damit  auch  die  Setzung 
des  durch  dieselbe  bedingten  Konjunktivs  der  fremden  Meinung  fernliegt, 
den  Indikativ  in  konjunktionalen  Nebensätzen;  dies  wird  im  Spätlat.  noch 
verbreiteter,  z.  B.  bei  Justin  und  besonders  bei  Ammian. 

Das  Tempus  des  Nebensatzes  betr.  ist  festzuhalten:  Der  ursprüng- 
liche Gebrauch  der  Tempora  (vgl.  oben  §  22)  ist  der  absolute.  Erst 
einer  späteren  Zeit  war  es  vorbehalten,  mit  der  Entwicklung  der  Neben- 
sätze auch  Ausdrucksformen  für  die  Ordnung  der  Zeiten  unter  sich  zu 
schaffen  und  so  den  bezogenen  Gebrauch  der  Tempora  einzuführen.   Diese 


2.  Der  susammengeBeizte  datz:  d.  Die  Unterordnung.  (§230.)  493 

Umgestaltung  der  Tempusbedeutung  ergab  für  das  Plusq.  die  Bedeutung 
der  Vorvollendung  in  der  Vergangenheit,  für  das  Fut.  ex.  in  der  Zukunft 
u.  s.  w.  Freilich  kam  diese  Ordnung  der  Zeiten  nicht  überall  zur  Gel- 
tung; z.  B.  in  den  Sätzen  mit  ut,  mW,  postqtmm^  quam  primum  hat  sich 
aoristisches  Perfekt  erhalten,  während  nach  quam  das  bezogene  Plusq.  ein- 
trat. Das  gleiche  gilt  für  Sätze  wie  Liv.  2,  19,  4  quia  Tarquinios  esse 
in  eijcercitu  Latinorum  cognitum  est,  stistineri  ira  non  potuit,  quin  extemplo 
confligerenty  25,  29,  9  quos  fors  obtulii,  irati  interfecere.  So  werden 
wir  vielfach  absolute  Zeitgebung  im  Nebensatz  finden,  wo  wir  ein  be- 
zogenes Tempus  erwartet  hätten,  vgl.  z.  B.  §  261.  —  Die  Konjunktive 
nahmen  ursprünglich  teil  an  der  Bedeutung  der  indikativischen  Tempora; 
eine  Verschiebung  macht  sich  erst  später  bemerklich,  wie  wir  dies  bezüg- 
lich des  Konj.  Imperf.  in  den  irrealen  Bedingungssätzen,  bezüglich  des  Konj. 
Plusq.  in  der  niedrigen  Sprache  z.  B.  im  b.  Hisp.  und  im  Sp.  L.  konsta- 
tieren können.  Haben  wir  oben  §  24  ein  Vordrängen  des  Plusquamperfekts 
in  der  gewöhnlichen  Sprache  festgestellt,  also  dixeram  für  dm,  so  nimmt 
daran  der  Konjunktiv  auch  teil;  daher  sagt  Cic.  Att.  4,  16,  1  Paccius  in 
intimis  est  meis^  eum  antea  non  fuisset  und  1,  13,  1  nos  ipsi,  qui  Lycurgei 
fuissemus  a  princijuo,  cottidie  demitigamur  {qui  fuissemus  =  antea  enim 
fiieramus,  vgl.  §  24).  Das  Futur  hat  keinen  Konjunktiv,  es  muss  daher 
im  Bedürfnisfalle  zur  Umschreibung  mittels  der  Konj.  periphrastica  oder 
zur  Ersetzung  durch  Konj.  Präs.  oder  Imperfekt  gegriffen  worden;  das 
letztere  findet  in  klass.  Zeit  zumeist  da  statt,  wo  der  regierende  Satz  schon 
einen  futurischen  Ausdruck  enthält.  Die  Umschreibung  tritt  regelmässig 
da  ein,  wo  der  Nebensatz  sich  möglichst  selbständig  gegenüber  dem  Haupt- 
satze gehalten  hat,  so  namentlich  in  Konsekutivsätzen  und  in  indirekten 
Fragen. 

Was  nun  das  Verhältnis  des  Tempus  im  Nebensatz  zu  dem  im  Haupt- 
satz anbelangt,  so  ist  als  unbedingt  sicher  hinzustellen,  dass  eine  mecha- 
nische Abhängigkeit  der  Tempora  des  Nebensatzes  von  denen  des  Haupt- 
satzes nicht  vorhanden  ist,  sondern  dass  die  Wahl  des  Tempus  von  der 
jedem  Satz  zu  Grunde  liegenden  Anschauung  bestimmt  wird,  weshalb  man 
gut  thut,  auf  die  ursprüngliche  Parataxis  zur  Erklärung  zurückzugreifen, 
z.  B.  Cic.  Rose.  92  video  causas  esse  niultns^  quae  istum  impellerent  = 
mtdt<ie  caufae  eum  impellerent  (Potent.  Präterit.),  video.  Ferner  spielt  die 
Angleicliung  der  Tempora  eine  grosse  Rolle,  vgl.  Cic.  Lael.  2,  Fam.  7,  10,  2 
Camino  luculento  utendum  censeo  —  id&m  Mucio  placehat  —  praescrtim 
qui  sagis  non  ah  un  dar  es,  wie  überhaupt  die  psychologische  Betrachtung 
auf  diesem  Gebiete  vieles  bisher  Ungeheuerliche  einfach  erklärt.  Schliess- 
lich vergesse  man  nicht,  dass  der  innere  Zusammenhang  nicht  bei  allen 
hypotaktischen  Verhältnissen  derselbe,  sondern  bald  enger  (z.  B.  in  finalen 
Sätzen),  bald  lockerer  (wie  in  konsekutiven  und  temporalen  Sätzen)  ist. 
Nach  den  entwickelten  Grundsätzen  gestaltet  sich  die  sogenannte  conse- 
cutio  temporum  sehr  einfach  für  die  gute  Zeit  der  Sprache,  und  eine 
wesentliche  Veränderung  derselben  lässt  sich  hier  nicht  konstatieren.  Be- 
merkenswert ist  nur,  dass  seit  der  klassischen  Zeit  der  Koni.  perf.  in  er- 
zählendem Gedankenzusammenhange  erscheint,  dass  bei  Praes.  bist,  nunmehr 


4d4  B.  Lateinische  Örammatik.    d)  Lateinische  Öyntax. 

verschiedene  Tempus-  und  Moduswahl  möglich  ist  und  dass  in  indirekter 
Rede  Abwechslung  im  Tempus  an  Stelle  einheitlicher  Durchführung  sich 
findet.  Der  Grund  liegt  dazu  in  der  Raschheit  und  Beweglichkeit  der  An- 
schauung, welche  im  Verlaufe  der  Zeit  immer  mehr  die  strenge  Gesetz- 
mässigkeit und  Nüchternheit  des  altrömischen  Charakters  verdrängte.  Auf- 
fällige Verstösse  gegen  die  consecutio  temporum  gehören  erst  dem  Verfalle 
der  Sprache  an,  wo  das  Gefühl  für  die  feinen  Unterschiede  der  einzelnen 
Tempora  verschwunden  war  und  manche  Verbalformen  zurücktraten,  wie 
z.  B.  der  Konjunktiv  des  Imperf.  gegenüber  dem  Konj.  Plusq.  VgL  z.  B. 
Lucifer  Cal.  195,2  quomodo  in  nobis  possit  Jtabitare  Spiritus  sanctuSf  si  tuaw 
fecissemus  voluntatem  und  12,  25  directa  est  obsecratio  ad  deum,  ne  simul 
periremus,  sed  fuissenms  segregati  Namentlich  darf  den  Juristen  der  Vor- 
wurf nicht  erspart  werden,  dass  ihnen  die  Folge  der  Zeiten  wenig  Sorge 
machte.  Zeigte  schon  Gaius  auffällig  wenig  Sinn  für  die  cons.  temp.,  so 
werden  uns  bei  Ulpian  und  Späteren  Sätze  wie  intcrest  stipulatoris  fiett, 
quod  stipuhtus  est^  cum  obligatus  futurus  esset  pupillo,  si  male  res  gessefit 
oder  dicitur  Augustus  quacsisse  an  possit  hoc  recipi  nee  absonans  esset 
gar  nicht  wundern. 

Hiezu  vergl.:  Libyen,  Die  consecutio  temporum  des  Cicero»  Riga  1872;  Kbamarczik, 
Die  Lehre  von  der  cons.  temp.,  Heiligenstadt  lo55;  Reusch,  Zur  Lehre  von  der  Tempus- 
folge,  Elbiug  1861;  Kluge,  Die  cons.  temporum,  deren  Grundgesetz  und  Erscheinung  im 
Ijat.,  Cöthen  1883;  Gardner-Halb,  the  sequence  of  tenses  in  Latin,  Baltimore  1887  und 
1888.  Wetzel,  De  cons.  temp.  Ciceroniana  capp.  H,  Leipzig  1877;  id.  Beiträge  zur  Lehre 
von  der  cons.  temp.  im  Lat.,  Paderborn  1885;  Progksch,  Die  cons.  temp.  bei  Caesar, 
Leipzig  1874  (id.  Gebrauch  der  Nebensätze  bei  Caesar,  Bautzen  1870).  Hartmanv,  Über 
den  Konjunktiv  der  Futura,  in  Wölffüns  Archiv  HI,  p.  337—354;  Reiter,  de  Amm.  usu 
orat.  obl.,  Aniberg  1887. 

aa.  Relativsätze. 

237.  Das  lateinische  Relativpronomen  ist  unmittelbar  aus  dem  ad- 
jektivischen Interrogativum  hervorgegangen  und  lautet  daher  qui,  quae, 
quod  — ;  allein  es  erscheint  unzweifelhaft,  dass  die  älteste  Sprache  auch 
das  substantivische  Interrogativum  quis  und  quid  statt  des  später  all- 
gemein üblichen  qui  quac  quod  als  Relativpronomen  verwendete,  z.  B.  Cato 
r.  r.  148  dominus  vino  quid  volet  faciat  und  Festus:  quis  voJet  magist) atus ; 
nachgeahmt  wird  dies  von  Gellius  13,  23,  8  quis  erat  egregia  et  inaesianti 
fortitudinCy  Nero  adpcllatus  est.  Doch  beschränkt  sich  der  Gebrauch  des 
substantivischen  Interrogativum  als  Relativum  auf  sehr  enge  Grenzen, 
denn  als  anaphorisches  (rückdeutendes)  Pronomen  wurde  nur  qui  quac  quod 
verwendet. 

238.  Die  Entstehung  des  Relativsatzes  Ter.  Phorm.  947  argc^itum 
quod  habcs  cofidonamus  fe  haben  wir  uns  so  zu  denken:  argentum,  quod 
argcntum?  hahes!  condonamus  fe,  d.  h.  der  Sprechende  beginnt:  argtntum, 
er  wird  unterbrochen  quod  argentum?  antwortet  darauf  hahes  und  führt 
dann  den  mit  argentum  begonnenen  Satz  durch  condonamus  te  zu  Ende. 
So  erklärt  sich  auch  die  sog.  Wiederholung  des  Substantivs  beim  Relati- 
vum, hier  quod  argentum,  welche  demnach  der  ursprünglichen  Konstruktion 
angehört,  vgl.  §  240.  Nach  §  5  kann  argmtum  vor  ecndünamus  noch 
einmal  durch  id  aufgenommen  und  diA«  gehörig  auch 


2.  Der  amsammengeBetaste  Satz:  d.  Die  tTnterordiiimg.  (§  237— ^dd.)        495 

zu  ihm  gesetzt  werden;  also  argentum  id,  quod  argentum  hohes,  condonamus 
te.  Diese  schwerfallige  Konstruktion  wurde  nun  vereinfacht  durch  Unter- 
drückung des  Demonstrativs  und  des  Substantivs  beim  Relativ  oder  durch 
Beseitigung  des  Substantivs  mit  Demonstrativ,  also  argentum,  quod  habes 
oder  quod  argentum  hohes  condonamus  te. 

So  sehen  wir,  wie  das  Relativum  zu  der  Befähigung  kam,  einen  ge- 
nannten Begriff  näher  zu  beschreiben.  Diese  Beschreibung  kann  nun  ganz 
objektiv  sein,  wie  in  dem  eben  behandelten  Satze;  sie  kann  aber  auch  den 
Inhalt  einer  Reflexion  ausdrücken.  Daher  erklärt  sich,  dass  das  Relativ- 
pronomen Sätze  konsekutiver  etc.  Art  mit  dem  Hauptsatze  zu  verbinden 
geeigenschaftet  ist;  dies  nähere  Verhältnis  zu  erkennen,  bleibt  nun  ent- 
weder dem  Leser  oder  Zuhörer  überlassen,  oder  es  wird  durch  den  die 
Abhängigkeit  dokumentierenden  Konjunktiv  ausgedrückt. 

In  finalen  und  konsekutiven  Relativsätzen  wird  im  Altlat.  oft  vor  qui 
noch  ut  gesetzt  z.  B.  Plaut.  Bacch.  283  adeon  me  fuisse  fungum  ut  qui  ilU 
crederem:  hier  wäre  dann  eine  im  Interesse  der  Deutlichkeit  gebrauchte 
Abundanz  zu  erkennen;  vgl.  indes  Spenoel  zu  Ter.  Andr.  148. 

Während  in  finalen  Relativsätzen  nur  der  Konjunktiv  steht,  herrscht 
in  den  konsekutiven  noch  das  Übergangsstadium;  wir  treffen  manchmal 
noch  den  ursprünglichen  Indikativ,  wo  wir  den  Konjunktiv  erwarteten, 
z.  B.  Plaut.  Trin.  91  sunt  quos  scio  amicos  esse;  auch  Ind.  u.  Konj.  neben 
einander  Men.  457  adfatim  hominumst  in  dies  qui  singulas  escas  edint,  quibus 
negoti  nihil  est  etc. 

Die  kausativen  Relativsätze  gehen  im  Altlat.  schon  häufig  in  die  sub- 
jektive Auffassung  über  und  werden  deshalb  in  den  Konjunktiv  gesetzt. 
Wie  bei  den  konsekutiven,  zeigt  sich  indes  auch  in  diesen  Relativsätzen 
bei  Plaut,  das  Übergangsstadium:  man  vergleiche  PI.  Pers.  75  sumne  ego 
stultus  qui  rem  curo  puplicam?  mit  PI.  Trin.  1057  sed  ego  sum  insipientior, 
qui  rebus  eurem  puplicis;  bisweilen  tritt  quippe^  ut  oder  ganz  selten  ut^ 
pote  vors  Relativ.  Das  gleiche  gilt  für  den  Modus  in  den  relativen  Ad- 
versativsätzen. 

Als  letztes  Moment  in  der  Entwicklung  der  relativen  Syntax  erscheint 
der  sogen,  relative  Anschluss;  auf  Inschriften  und  bei  Cato  sind  davon 
nur  wenig  Spuren  zu  entdecken,  auch  bei  Plautus  ist  er  noch  selten,  bei 
Terenz  häufiger  und  bei  Lucrez  bereits  ganz  verbreitet. 

239.  Das  aus  dem  Frageworte  quis^  quid,  quot  sich  entwickelnde  In- 
definitum  wird  mit  dem  Frageworte  zusammengesetzt,  also  quisquis,  quid- 
quid,  quotquot,  oder  es  tritt  quomque  ans  Relativ,  auch  que  allein,  also 
quisque  „wer  irgendwo**  oder  »wer  irgendwann**  (denn  que  ist  Ablativ  des 
Indefinitums):  daraus  entstanden  die  sog.  verallgemeinernden  Relativa 
und  die  verallgemeinernden  Partikeln  wie  ubiubi,  utut,  utcumque, 
undecumque  u.  ä.  Während  nun  das  Relativ,  wenn  es  eine  verallgemei- 
nernde Bedeutung  annahm,  sich  mit  dem  Konjunktiv  zum  Ausdrucke  dieser 
Bedeutung  verband,  brauchte  man  es  bei  quisquis  etc.  nicht,  und  so  werden 
denn  diese  Relativsätze  in  den  Indikativ  gesetzt.  Dieser  Indikativ  hat 
iioh  in  der  guten  Zeit  der  Sprache  erhalten  und  wo  wir  im  Altlat.  oder 
"^  ier  klass.  Latinität  in  den  jetzigen  gereinigten  Texten  noch  den  Konj. 


4dO  fi*  tiateiniache  Grammatik,    d)  Lateinisciie  Synta^t. 

finden,  ist  derselbe  durch  Attraktion  oder  eine  ähnliche  Ursache  veranlasst, 
z.  B.  Plaut.  Trin.  437  di  duint  tibi  quaequomque  optes.  Anders  wird  es 
in  der  nachklass.  Zeit  und  besonders  im  Spätlat.;  denn  hier  findet  sich 
gerade  wie  bei  quamquam  der  Konjunktiv,  der  jetzt  mit  Livius  und  Plin. 
mai.  (vgl.  Frobeen  p.  32  ff.)  sein  Gebiet  sehr  erweitert  und  im  Sp.  L.,  be- 
sonders bei  den  eccl.  ganz  gewöhnlich  wird,'Z.  B.  Plin.  n.  h.  27,  109  pur- 
gut  cicatrices  et  nubeculas  et  quicquid  obstet ,  üieronymus  ep.  119,  1  haec 
qualincumque  sint  dictare  compellor. 

240.  In  der  Zeit  der  klassischen  Sprache  haben  Comificius,  Cicero, 
Caes.  u.  a.  Spuren  einer  alten  Struktur  gewahrt,  welche  sich  fast  überall 
im  Kurialstil  erhalten  hat,  wenn  sie  beim  Relativ  das  Nomen  belassen,  so 
namentlich  res  dies  locus,  auch  andre  Substantiva.  Daraus,  dass  der  auctor 
b.  Afric.  u.  Hisp.,  dann  hauptsächlich  Yitruv  (z.  B.  10,  14,  6  fotamina  fiani, 
in  quibus  foraminibus),  ferner  Petron  und  Hygin.  fab.,  ja  die  Peregrinatio 
ad  loca  sancta  (IV  saec.  fin.)  mit  Vorliebe  sich  der  Konstruktion  bedienen, 
geht  hervor,  dass  die  altertümliche  Struktur  volkstümlich  blieb,  vgl.  be- 
sonders Hygin  145  at  luno  coeifit  eam,  ut  se  in  mare  praedpitaret^  quod 
wäre  loniuni  est  appellatum  (eig.  quod  mare?  Antwort:  lonium  est  appel- 
latum).  Selbstverständlich  ist  sie  besonders  häufig  im  Juristenlatein,  hier 
oft  auch  mit  Voranstellung  des  Relativsatzes,  z.  B.  Gaius  Dig.  28,  6,  5 
pro  qua  parte  —  pro  ea  parte,  41,  1  9  pro  qua  ratione  —  eadeni  ratione. 
Sonst  scheint  die  Konstruktion  seit  Livius,  der  sie  spärlich  verwendet, 
zurückzutreten,  ausser  bei  den  Archaisten,  von  denen  namentlich  Gellius 
viele  Beispiele  aufweist,  ebenso  Fronte,  auch  Apuleius.  Nicht  selten  da- 
gegen ist  bei  Livius,  wie  auch  bei  Cicero,  diejenige  Weiterbildung  der  ur- 
sprünglichen Form,  wonach  beim  Relativ  das  Substantiv  bleibt,  aber  im 
Hauptsatz  mit  oder  ohne  Demonstrativ  wegfällt,  z.  B.  29,  31,  9  quem 
ceperant  eusules  mo7item,  herbidus  aquosusque  est. 

241.  Seit  Cicero  finden  wir  die  ursprüngliche  Form  des  Relativsatzes 
auch  da  angewendet,  wo  nach  der  bisher  üblichen  Erklärung  eine  Appo- 
sition in  den  Relativsatz  gezogen  wird;  z.  B.  ad  Att.  5,  20,  3  Amanus, 
qui  mons  erat  hostium  plenus  (eigentlich  Amanus  nions;  qui  mens  =  ua^ 
war  wit  dem  Berge?  Antwort:  erat  hostium  plenns).  Mit  Livius  treffen 
wir  die  Voraussetzung  der  Apposition,  die  auch  Voll,  sich  erlaubt,  und  dio 
bei  den  Script,  bist.  Aug.  allgemein  üblich  wird,  z.  B.  Vop.  Aur.  35  ajmd 
Caenophrurium,  viansionem,  quae  est  inter  etc. 

Ebenso  tritt  erst  mit  Cicero  die  gleichfalls  aus  der  Urform  sich  leicht 
herleitende  Konstruktion  ein,  welche  eine  Begründung  des  Hauptsatzes 
giebt,  z.  B,  Cic.  Pam.  7,  2,  1  qtwd  si  mihi  2)ermisisses,  qui  meus  amor  in 
1e  est^  confecissem  cum  cohercdibus  (wo  man  ersieht,  dass  es  co  amore,  qiti 
mctis  amor  in  te  est^  confecissem  in  vollständiger  Struktur  heissen  müssto; 
das  von  eo  amore  verlangte  quo  amore?  wird  durch  Attraktion  von  fneui^ 
est  in  Nominativ  gesetzt).  Dies  lesen  wir  auch  in  den  Briefen  an  Cicero, 
es  darf  also  als  eine  damals  allgemein  übliche  Konstruktion  gelten.  Nach 
Cicero  finden   sich   nur  vereinzelte  Beispiele  bis   zu   den  Archaisten  herab. 

242.  Während  finale  Relativsätze  auch  in  der  klassischen  und 
folgenden  Zeit  den  Konjunktiv  haben,  erschA'»«^"  konsekutive  Relativ- 


2.  Der  sEnflammengesetzte  Satz:  d.  Die  Unterordnung.  (§240—245.)        497 

Sätze  hier  teilweise  im  Indikativ,  z.  B.  nach  sunt  qui  bei  Cic.  inv.  1,  40, 
72  u.  2,  55,  167  (also  nur  in  frühester  Zeit),  dann  aber  nicht  mehr,  auch 
nicht  de  oflf.  1.  84  (wozu  siehe  C.  F.  W.  Müller),  während  er  nach  sunt 
muUi  u.  ä.  auch  den  Indikativ  zulässt  (C.  F.  W.  Mülleb  off.  1,  42),  z.  B. 
p.  Rose.  Am.  48  permultos  notn,  qui  incensi  sunt;  auch  Caesar  hat  den  In- 
dikativ z.  B.  b.  Gall.  6,  27  sunt  item  qui  appellantur  alces;  wiederholt 
Horaz,  nicht  Verg.,  selten  Liv.  (z.  B.  9,  3,  12  ista  quidem  sentmtia  ea  est, 
quae  neque  amicos  parat  nee  inimicos  tollit);  die  nachliv.  Prosa  weist  ver- 
einzelte Beispiele  mit  Indikativ  auf,  überall  aber  daneben  öfter  Sätze  mit 
Konjunktiv.  Man  kann  somit  sagen,  dass  im  ganzen  der  Gebrauch  von 
Plautus  bis  Apul.  keine  wesentliche  Veränderung  erlitten  hat.  Gleichmässig 
durch  die  ganze  Latinität  ist  die  Konstruktion  von  dignus,  indignus, 
idoneuSj  das  überall  qui  c.  coni.  nach  sich  hat  (vgl.  jedoch  §  290),  für  aptf4S 
wird  nur  Cic.  Lael.  1,  4  u.  Ov.  her.  3,  70  zitiert. 

243.  Seit  der  klassischen  Zeit  überwiegt  in  kausalen  Relativsätzen 
der  Konjunktiv,  namentlich  wenn  durch  vorantretendes  ut,  quippe,  utpote 
der  kausale  Charakter  besonders  betont  wird.  Bei  Cicero  ist  nach  quippe 
qui,  ut  qui  u.  utpote  qui  jetzt  durchweg  an  allen  Stellen  der  Konjunktiv 
hergestellt,  bei  Caes.  treffen  wir  nur  ut  qui  und  dies  mit  Konj.;  dagegen 
ist  beachtenswert,  dass  Sali,  quippe  qui  ausschliesslich  mit  Indikativ  kon- 
struiert, utjwte  qui  indes  mit  Konj.  (Cat.  57,  4).  Bei  Liv.  lesen  wir  ut  qui 
sehr  oft  und  immer  mit  Konj.,  quippe  qui  mit  beiden  Modi,  utpote  qui  ver- 
schmäht er  ganz;  ebenso  auch  Tac,  welcher  ut  qui  u.  quipj)e  qui,  letzteres 
nicht  in  den  späteren  Schriften,  immer  mit  Konjunktiv  verbindet.  Bei  den 
Archaisten  treffen  wir  wieder  quippe  qui  mit  Indikativ,  auch  bei  Sulp.  Sev., 
ebenso  einmal  utpote  qui  bei  Apul.  Im  Sp.  L.  überwiegt  der  Indikativ, 
ohne  jedoch  den  Konj.  ganz  verdrängen  zu  können.  Im  ganzen  erhalten 
wir  den  Eindruck,  dass  der  Indikativ  seit  der  klassischen  Zeit  entweder 
archaisierenden  Bestrebungen  (so  vielleicht  auch  bei  Lucrez  u.  Catull)  oder 
dem  Einflüsse  der  Quellen  sein  Dasein  verdankt,  oder  wie  z.  B.  Liv.  8, 
26,  5  der  grossen  Entfernung  des  Verbs  vom  Pronomen  oder,  wie  im  Sp.  L., 
der  Gleichgiltigkeit  und  Unsicherheit  im  Gebrauche  der  Modi. 

244.  Hier  ist  die  Assimilation  des  Kasus  des  Pronomen  relativ,  in 
den  Fällen  zu  besprechen,  wo  man  glaubte,  eine  griechische  Kasusattraktion 
annehmen  zu  müssen,  z.  B.  Hör.  sat.  1,  6  14  notante  iudice  quo  nosti  po- 
pulo;  der  Kasus  des  Relativs  ist  ganz  einfach  aus  der  Entstehung  des 
Relativsatzes  zu  erklären  notante  iudice,  quo?  nosti,  populo  =  welches  Rich- 
ters? du  kennst  ihn  ja:  des  Volkes!  Solche  Beispiele  finden  sich  infolge 
instinktiven  Zurückgehens  auf  die  alte  Ausdrucksweise  seit  Comificius, 
häufig  bei  Liv.  und  bei  Gellius,  z.  B.  1,  25,  16  ex  his  quilms  dixi  vodbus. 
Bemerkenswert  ist,  dass  in  dem  einen  Beispiel  bei  Cic.  (ad  Att.  10,  8,  7), 
femer  im  b.  Afr.,  bei  Nepos,  Gellius  das  Verb  des  Nebensatzes  stets  dicere 
ist.  Im  christlichen  Latein  finden  wir  eine  Attraktion,  welche  offenbar 
durch  das  griechische  Original  der  Bibel  beeinflusst  ist,  z.  B.  Lucif.  Cal. 
92,  3  retribuat  tibi  bona  pro  quibus  fecisti  nach  I  Reg.  26,  23. 

245.  Schliesst  sich  ein  Relativsatz  an  ein  gleichartiges  Adjektiv, 
seltener  an  ein  Partizip  oder  eine  Apposition  an,   so  muss  derselbe  im 

Bandtraoli  der  klMs.  AltertumBwlflMiucluift.  IL   2.  Aufl.  32 


498  S*  Latemische  Grammatik,    d)  Lateinisohe  Syntax. 

Konjunktiv  stehen;  dies  hat  man  zuerst  bei  Yarro,  aber  nur  de  re  rusi, 
und  bei  Cic,  dann  bei  Livius,  namentlich  aber  bei  Tac.  bemerkt,  z.  B.  ann. 
2,  88  haud  dubie  liberator  Gernmniae  et  qui  .  .  laccssierit.  Aber  in  späterer 
Zeit  bei  den  Script,  hist.  Aug.  findet  sich  auch  der  Indikativ  mit  offenbarer 
Nichtbeachtung  des  konsekutiven  Verhältnisses. 

246.  Auffallig  scheint  bei  Ter.  Ad.  306  quem  neque  fides  neque  ius 
iurandum  tjeque  illum  misericordia  repress^it  innerhalb  desselben  Satzes  die 
Wiederaufnahme  des  Relativs  durch  das  Demonstrativ.  Allein  hier 
und  oft  bei  Cicero,  wo  mit  Relativsätzen  andre  Sätze  koordiniert  werden, 
in  denen  das  Relativ  zeugmatisch  in  einem  andern  Kasus  scheinbar  zu  er- 
gänzen ist,  oder  statt  dessen  ein  Demonstrativ  steht  (dies  auch  bei  Flaut), 
oder  in  die  ein  Relativ  gar  nicht  hineinpasst,  z.  6.  Cic.  or.  237  iudicium 
quod  aut  sequere  aut  tuo  stabis,  wird  die  Erklärung  leicht  durch  Zurück- 
gehen auf  die  ursprüngliche  Konstruktion  gefunden,  also  Terenz  Ad.  306 
0  homineni  impium  .  .  quem?  neque  fides  neque  ins  iurandum  neque  illum 
misericordia  repressit;  Cic.  or.  237  iudicium^  quod?  aut  sequere  (id)  aut 
tuo  stabis.  Die  spätere  Zeit  bietet  hier  sehr  weniges  (vgl.  jedoch  Phaedrus 
5,  1.  10),  so  dass  wir  es  offenbar  mit  einer  Eigentümlichkeit  cic.  Periode 
zu  thun  haben. 

247.  Der  in  §  238  besprochene  sog.  relative  Anschluss  erweitert 
seine  Qebrauchssphäre  in  der  klassischen  Zeit  immer  mehr.  Die  mittels  des 
Relativs  in  dieser  Weise  angefügten  Sätze  gelten  als  Hauptsätze,  weshalb 
sie  in  Orat.  obl.  gewöhnlich  im  Acc.  c.  inf.  erscheinen  (über  Ausnahmen 
vgl.  Zusätze  und  Berichtigungen).  Schon  frühe  bilden  sich  mittels  des  Re- 
lativs beliebte  Übergänge,  wie  quo  facto,  qua  rß,  quibus  rebus  cogfiUis, 
welche  zum  Teil  geradezu  formelhaft  werden. 

Zu  §247  vergl.:  Weokner,  Der  lat.  Relativsatz,  Treptow  a.  d.  R.  1874;  Partzolt, 
Beitrage  zur  hißt.  Syntax  der  lat.  Sprache,  Waidenburg  1875  (Neubearbeitung  von  Paetzolt. 
De  latini  pronominis  relativi  syntaxi  prisca,  Breslau  1873);  Wölfflin,  Die  Gemination  im 
Lateinischen,  München  1882  p.  446— 40f3  (äusserst  interessante  Abhandlung,  worin  quisquis, 
quidquid  etc.  als  geminierte  Formen  erklärt,  ihr  Gebrauch,  ihre  Verbreitung,  die  Diffe- 
renzierung mit  quiqiwmque  u.  ft.  untersucht  und  bezüglich  sämtlicher  verallgemeinernden 
Formen,  wie  undeunde,  utut,  ubiubif  der  Sprachgebrauch  festgestellt  wird);  Bach^  de  at- 
tractione,  quae  dicitur  in  versa,  apud  scriptores  latinos,  Strassburg  1888.  Debcke,  Die 
griechischen  und  lateinischen  Nebensätze  auf  wissenschaftlicher  Grundlage  neu  geordnet, 
Colmar  1887. 

bb.  Konjunktionalsätze. 

1.  Akkusativische  Eonjanktionen. 
a.  Quod. 

248.  Quod  ist  der  Akkusativ  des  Pron.  relativum;  die  Anfügung 
eines  Satzes  mit  quod  soll  also  besagen,  dass  der  Konjunktionssatz  zu  dem 
Hauptsatz  in  demjenigen  Verhältnis  stehend  gedacht  wird,  welches  sich  im 
Akkusativ  verkörpert  hat.  Nun  ist  aber  der  Akkusativ  ursprünglich  der 
allgemeine  casus  obliquus,  somit  bezeichnet  die  Verbindung  mit  quod  eine 
dementsprechende  Beziehung  der  beiden  Sätze.  Daraus  erklärt  sich  auch, 
dass  quod  allmählich  Universalkonjunktion  werden  konnte,  indem  ja  der 
Akkus,  beim  Übergang  ins  Romanische  Universalkasus  wurde.  Wie  quod 
ist  dann    auch   sein  Nachfolger  que  im  Französischen  geeignet,  ganz  all- 


2.  Der  srasainmengesetzte  Satz:  d.  Die  Unterordnung.  (§  246—249.)        499 

gemein  die  Beziehung  des  zweiten  Satzes  zum  ersten  zur  Anzeige  zu  bringen. 
Erst  später  wurde  dann  que  durch  6/ew,  afin,  ^^owr  u.  ä.  näher  bestimmt. 

Anmerkung.  Beachtung  verdient  die  Ansicht  (Gutjabr-Probst,  III,  p.  236)»  ob 
nicht  mit  dem  akkusativiscben  qtwd  das  ablativische,  von  Berok  zuerst  erwiesene  qiiod 
(z.  B.  in  quod  si,  vgl.  meine  Anm.  872  zu  Reisig-Haase  p.  109)  zusammengefaUen  und  daraus 
die  weite  Ausdehnung  des  Gebrauches  von  quod  mitzuerklären  sei. 

249.  Die  nächstliegende  Beziehung  des  mit  quod  eingeleiteten  Satzes 
zum  ersten  Satze  ist  die  des  direkten  Objekts.  So  sagt  schon  Ennius 
Med.  285  Müll,  non  commemoro  quod  draconis  saevum  sopivi  impefum  und 
Cicero  p.  Cluent  188  2^^<^^^^^(^o  Q^od  eani  s^ibi  domum  delegit;  ingleichem 
folgt  im  Altlat.  (aber  nie  bei  Cicero  und  Caesar)  auf  adde^  sowie  in  der 
silbernen  und  späteren  Latinität  auf  adino  und  adde  (seit  Asin.  Pollio,  oft 
bei  Ovid  u.  aug.  Dichtern,  nicht  bei  Verg.)  quod,  z.  B.  Asin.  PoU.  bei  Cic. 
Fam.  10,  31  addc  huc  quod  perferri  Utterae  nuUa  condicione  potuerunt.  Erst 
bei  Macrobius  wird  quod  in   dieser  Konstruktion  auch  durch  quiu  ersetzt. 

Nach  den  prädizierten  Verben  des  Machens  und  Bewirkens 
steht  seit  Cic.  ein  Satz  mit  quod  zur  Bezeichnung  des  Objekts,  z.  B.  Cic. 
fin.  3,  4  bene  facis  quod  me  adiuvas;  dieser  Gebrauch  erhält  sich  auch  bei 
Liv.  und  Späteren,  während  Plaut,  quia  statt  quod  verwendet. 

Ebenso  verhält  es  sich  mit  den  Verben  des  Affekts,  welche  jedoch 
schon  im  Altlat.  einen  Satz  mit  quod  nach  sich  haben,  z.  B.  Poen.  1373 
ne  mircre  mulieres  quod  eum  sequuntur.  Allein  hier  hat  quia  dem  quod 
bei  Plautus  wenigstens  erfolgreiche  Konkurrenz  gemacht,  und  erst  in  der 
klassischen  Zeit  überwiegt  quod. 

Besondeis  bemerkenswert  sind  Sätze  mit  quod  nach  VV.  sentiendi 
und  declarandi.  Das  einzige  Beispiel  im  Altlat.  bei  Plaut.  Asin.  1,  3,  37 
equidem  scio  iam  filius  quod  amet  mens  wird  jetzt  anders  erklärt  (vgl.  Blass, 
Rh.  Mus.  1882  p.  151  und  oben  Handbuch  I  p.  175);  darnach  wäre  quod 
amei  abhängig  von  filio  quor  suscenseam?  Durch  die,  wie  oben  §  224  ge- 
zeigt, sofort  in  der  histor.  Zeit  der  Sprache  ausgebildet  entgegentretende 
Konstruktion  des  Acc.  c.  inf.  wurden  Sätze  mit  quod  zurückgedrängt;  allein 
sie  scheinen  doch  in  der  Volkssprache  gelebt  zu  haben,  wie  z.  B.  das  b. 
Hisp.  dreimal  (10,  2;  18,  5;  36,  1)  solche  nach  renuntio  und  nuntio  auf- 
weist. Die  klassische  Sprache  verschmähte  diese  Konstruktion  durchaus. 
Allein  mit  Livius  tritt  sie  unverkennbar  auch  in  die  Litteratur  ein,  taucht 
allenthalben  in  der  silbernen  Latinität  auf,  verbreitet  sich  mit  dem  Nieder- 
gange der  Sprache  immer  mehr,  so  namentlich  in  der  Africitas,  dem  Kirchen- 
latein und  den  davon  beeinflussten  Schriften;  die  romanischen  Sprachen 
haben  die  Erbschaft  (französ.  que,  ital.  che)  angetreten.  Der  auctor  b.  Hisp. 
braucht  im  Satze  mit  quod  den  unterordnenden  Konjunktiv.  In  der  Zeit  nach 
Livius  tritt,  erstmals  bei  Petron,  auch  der  Indikativ  auf,  der  mit  dem  Sinken 
der  Sprache  immer  mehr  den  Konjunktiv  verdrängt.  Interessant  ist  in  dieser 
späten  Zeit  die  Verbindung  der  Konstruktion  des  Acc.  c.  inf.  mit  quod, 
z.  B.  Pseudo-Cypr.  mont.  Sina  12:  diximus  quod  lignuni  .  .  .  habere 
inierpretationeni. 

Anmerkung.  Ahnlich  ist  auch  die  vulgäre  Ausdrncksweise  Jiabeo  quod  dicere  für 
das  klassische  haheo  dicere  zu  erklären;  sie  gehört  dem  Sp.  L.  an  (vgl.  Pbtschenio,  Progr. 
Graz,  1885  p.  12). 

32* 


500  B.  Laieinische  Oraimwatik.    d)  LaieiniBohe  Syntax. 

250.  Wie  man  id  excrucior  sagte,  so  konstruierte  man  schon  frühe 
auch  quod  male  feci  excrucior,  und  so  treten  Sätze  mit  quod  zum  Haupt- 
satze ganz  in  das  Verhältnis,  in  welchem  der  sog.  freiere  Akkusativ  zu 
seinem  Verb  steht.  Daraus  leitet  sich  auch  der  Gebrauch  von  quod  = 
„was  das  betrifft,  dass'^  her,  welcher  schon  dem  Altlat.  eigen  ist,  hier  aber 
merkwürdigerweise  ebenso  häufig  den  Konjunktiv  als  den  Indikativ  nach 
sich  hatte. 

Hieraus  entwickelte  sich  der  sog.  kausale  Gebrauch  von  quod,  der 
bei  Plautus  übrigens  noch  nicht  getroffen  wird,  um  so  häufiger  aber  im 
klass.  Latein  sich  findet.  Manchmal  hat  quod  im  Hauptsatze  ein  Korrelativ, 
z.  B.  eo,  ideo,  idcirco;  ea  gratia  nur  bei  Sali.,  oh  hoc  nur  bei  Späteren; 
allein  es  hat  sich  schon  frühe  von  der  relativen  Natur  emanzipiert,  indem 
z.  B.  schon  bei  Lucrez  die  Zahl  der  Stellen  mit  Demonstr.  nur  halb  so 
gross  ist,  als  die  Zahl  der  Stellen  ohne  Demonstrativ. 

351.  Haben  wir  oben  gesehen,  dass  der  Infinitiv  als  Objekt  den 
Inf.  als  Subjekt  nach  sich  zog,  so  können  wir  hier  die  gleiche  Wahr- 
nehmung mit  den  Sätzen  mit  quod  machen,  denn  aus  non  pigritia  feci  quod 
ergiebt  sich  sehr  leicht  non  pigritia  est  factum  quod.  So  ging  femer  ac- 
cedit  quod  aus  adde  quod  hervor  und  auch  est  quod  aus  habeo  quod.  Mit 
dieser  Erweiterung  seiner  Gebrauchssphäre  wurde  quod  allmählich  befähigt, 
Erklärungssätze  aller  Art  anzufügen,  z.  B.  Cic.  Farn.  4,  13,  2  ut  id  ipsum, 
quod  mancam  in  vita,  peccare  me  existimcni,  aber  auch  Cic.  de  or.  1,  8  hoc 
enim  uno  praestamus  feris,  quod  colloquimur  inter  nos,  und  cum  eo  quod 
auf  einer  Inschrift,  bei  Cic.  ad  Att.,  Celsus  und  Quint. 

352.  Sehr  interessant  ist  die  Beobachtung,  wie  der  stete  Gebrauch 
von  quod  in  der  spätem  Sprache  dasselbe  zu  einer  Art  Universalkonjunktion 
stempelte,  ähnlich  wie  dies  früher  bei  ut  gewesen  war.  So  wird  quod  bei 
Vopisc.  u.  Cass.  Fei,  dann  bei  Sidonius  ApoUinaris  und  Salvianus,  bei 
letzteren  gar  mit  dem  Indikativ,  in  Finalsätzen  gebraucht;  ferner  finden 
wir  es  in  der  bist.  Apoll.,  namentlich  aber  im  gallischen  Latein,  zu  dessen 
auffälligen  Erscheinungen  es  gehört,  also  bei  Salv.  Apoll.  Sidon.  Alcim. 
Avit.  Claud.  Mam.,  auch  in  Konsekutivsätzen,  z.  B.  Claud.  Mam.  95,  2  E 
sie  ad  illum  accedit,  quod  a  te  utique  non  recedit,  bist.  Apoll.  3,  30  tantam 
verecundiam  concepit,  quod  decrevit;  statt  ne  nach  den  VV.  timendi,  z.  B. 
Hieronym.  in  Matth.  1  ad  10,  29  sqq.  non  debetis  timere,  quod  ahsque 
dei  vivatis  Providentia;  für  quin  oder  quominus  nach  prohibere,  dubitare 
u.  a.,  z.  B.  Ammian  14,  6,  21  illud  non  dubitatur,  quod  retentabant;  ja 
seit  Quint.  10,  3,  14  u.  Plin.  ep.  4,  27,  1  sogar  statt  quom  oder  postquam 
oder  quam,  z.  B.  Hieronym.  V.  Vilai*.  29  biduum  hodie  est,  quod  totua 
mundus  tali  parente  orbatus  est  (letzteres  ist  vielleicht  schon  b.  Hisp.  37,  3 
quarto  die  navigationis,  quod  imparati  a  Carteia  profecti  sine  aqua  fuissent, 
ad  terram  applicant  anzunehmen?).  Wir  sehen  somit,  dass  das  französische 
que  als  „allgemeiner  Nachsatzexponent**  (Gröber)  lediglich  die  Funktionen  von 
quod^  in  welchen  es  namentlich  im  gallischen  Latein  erscheint,  weitergeführt  hat. 

253.  Dass  quod  in  Verbindung  mit  Präpositionen  tritt,  welche  den 
Akkusativ  regieren,  z.  B.  praeter  quod,  kann  nicht  befremden,  denn  der 
ganze  Nebensatz  ist  ja  weiter  nichts  als  ein  Akkusativ;  bisweilen  tritt  ein 


2.  Der  zusammengesetzte  Satz:  d.  Die  Unterordnung.  (§250—254.)        501 

hinweisendes  id  dazu,  z.  B.  ad  id  quod,  bei  praeter  und  super  ist  ausser- 
dem in  pleonastischer  Weise  noch  quam  beigefügt,  z.  B.  ^yraeter  quam 
quod.  Wie  man  statt  neminem  vidi  praeter  te  auch  sagte  nisi  te,  so  hat 
sich  neben  praeter  quod  schon  frühe  nisi  quod  gebildet,  was  um  so  leichter 
sich  einbürgerte,  als  nisi  in  der  Volkssprache  adversativen  Charakter  hatte. 
Es  werden  nun  angetroffen  praeter  quam  quod  bei  Cato  Ter.  Cic.  Liv.  u. 
Spät.,  praeter  quod  bei  den  Archaisten  und  Florus,  super  quam  quod  nur 
bei  Liv.,  ebenso  ad  id  quod,  super  id  quod  nur  bei  Tac.,  nisi  quod  bei 
Plaut.  Cic.  (nicht  in  den  Reden),  Sali.  Liv.,  oft  bei  Tacitus,  Sueton  und 
ApuL,  iuxta  quod  und  i^ropter  quod  in  der  Vulgata,  secundum  quod  bei 
eccl.,  besonders  Hieronymus  und  Cyprian,  sogar  prae  quod  bei  Plaut. 
Stich.  362. 

Ähnlich  wie  §  213  sane  quam  u.  ä.  ist  tantum  quod  zu  erklären, 
welches  ganz  selten,  aber  doch  auch  in  Cic.  Erstlingsreden  =  nisi  quod 
gebraucht  wird,  öfters  aber,  so  in  Cic.  epp.,  dann  bei  Vell.  u.  Suet.  =  »so 
eben''    bedeutet,   z.  B.  Suet.  Aug.  98  navis  quae   tantum   quod  adpulerat. 

ß.  Quia. 

254.  Quia  ist  Acc.  plur.  neutr.  vom  Relativstamm  (bestätigt  durch 
quiaptopter  =  quapropter,  welches  sich  in  der  laudatio  Scipionis  Aemiliani 
findet).  Als  Fragewort  hat  sich  quia  ganz  spät  bei  Lucifer  Calarit.  218, 
17  H.  quia  haec  facit?  vorgefunden,  in  Verbindung  mit  warn  schon  bei 
Ennius  s.  §  197  (nach  Stolz  ist  quia  Instrumental,  s.  oben  S.  348). 

Quia  dient  als  relative  Konjunktion  fast  ganz  denselben  Zwecken  wie 
quod.  So  wird  es  nach  den  Verben  des  Affekts  bei  Plautus,  Ter.  u.  Cato, 
bei  Cicero  nur  in  den  Briefen  ad  Att.,  aber  auch  von  Lucc.  ad  Fam.  5,  14, 
dann  bei  Liv.  und  sehr  selten  bei  Sueton  u.  Tac,  aber  auch  noch  bei  scr. 
h.  Aug.,  bei  Dracont.  und  sonst  im  Sp.  L.  gebraucht.  Bei  den  prädizierten 
Verben  des  Machens  und  Geschehens  hat  Plautus  den  Nebensatz  durch  quia 
verbunden,  z.  B.  Aulul.  418  Götz  istuc  male  factum  arbitror  quia  non  latus 
fodi.  Nach  den  VV.  sent.  u.  declar.  mag  es  schon  frühe  wie  quod  ver- 
wendet worden  sein,  daraufhin  weisen  Stellen  wie  Plaut.  Pseud.  545  L. 
quo  id  sim  facturus  pacta  nil  etiam  scio  nisi  quia  futurumst.  Dann  aber 
verschwindet  es,  um  erst  wieder  in  der  Itala  des  TertuUian  und  bei  eccl. 
aufzutreten;  doch  wird  jetzt  der  Gebrauch  auch  bei  Profanschriftstellern,  z.  B. 
Macrobius  ganz  allgemein,  bald  mit  Indikativ,  bald  mit  Konjunktiv,  z.  B. 
Hieronym.  ep.  22,  29  mcmmto  quia  in  medio  laqueorum  amhulas  u.  Hier. 
Orig.  in  Ezech.  hom.  5,  2  drbemus  nasse  quia  noti  statim  übt  fames  fuerit 
sequatur  et  mors,  ja  ähnlich  wie  bei  quod  selbst  in  Konkurrenz  mit  dem 
Acc.  c.  inf.,  z.  B.  Sulpic.  Sev.  dial.  1,  27,  4  creda  quia  non  defutura  tibi 
vcrba.  Wenn  auch  hier  quia  sogar  häufiger  als  qiiad  erscheint,  hat  doch 
das  letztere  den  Sieg  davongetragen. 

Mit  entsprechendem  Korrelativ  {ideo,  co,  propterea,  eaprapter,  ab  hoc, 
welche  aber  nur  zum  Teil  der  klassischen  Prosa  angehören)  oder  auch  ohne 
ein  solches  wird  quia  schon  frühe  als  kausale  Partikel  gebraucht,  und 
zwar  überwiegt  es  in  der  Volkssprache  und  so  bei  älteren  Schriftstellern 
über  quadj  wie  dies  die  scenischen  Dichter  und  Lucrez  beweisen,  während 


502  B.  Lateinische  Grammatik,    d)  Lateinische  Syntax. 

dagegen  die  Prosa,  auch  Varro  und  Nepos  und  die  mehr  für  Gebildete 
bestimmte  Poesie  quod  vorziehen.  So  hat  beispielsweise  Caesar  nur  eine 
Stelle  mit  quia,  und  diese  steht  im  b.  civ.  3,  30.  Dagegen  wird  der 
Gebrauch  von  quia  wieder  bei  Tacitus  sehr  ausgedehnt,  und  wir  finden 
hier  oft  quia,  wo  die  klassische  Sprache  unbedingt  quod  gesetzt  hätte; 
ebenso  zeigt  sich  beim  Juristen  Gaius  das  Bestreben,  quod  durch  quia 
zurückzudrängen.  Der  Modus  nach  quia  ist  in  klass.  Zeit  wie  im  silb. 
Latein  der  Indikativ;  erst  im  Sp.  L.  finden  wir  auch  den  Konj.,  z.  B. 
Apoll.  Sidon.  7,  14,  10  harbaros  vitaSy  quia  tnali  putentur,  namentlich  bei 
den  Juristen. 

Wie  nisi  qtwd  treffen  wir  auch  nisi  quia^  aber  nur  bei  Plaut,  u.  Ter. 
Mit  praeter  quam  u.  ä.  hat  quia  nie  eine  Verbindung  eingegangen,  woraus 
zu  schliessen,  dass  nur  nisi  quod  und  nisi  quia  volkstümlich,  die  andern 
Wendungen  aber  künstlich  nachgebildete  waren  und  deshalb  auch  sich  nur 
vereinzelt  finden. 

Zu  besprechen  ist  noch  das  zur  Bezeichnung  eines  geleugneten  Grundes 
gebrauchte  non  eo  quia  oder  ohne  Korrelativ  non  quia,  Plautus  kennt 
nur  eo  quia  und  entsprechend  non  eo  quia,  Terenz  aber  hat  zwar  noch 
häufig  eo  quia,  aber  nur  non  eo  quo.  Mit  Livius  bürgert  sich  das  von 
allen  Schriftstellern  der  klassischen  Zeit  verschmähte  non  quia  (bei  Cic. 
Tusc.  1,  1  will  Gebhardi,  N.  Jahrb.  1886  p.  864  nicht  non  quia,  sondern 
'non  quin  perci))i  posset  lesen)  ein,  das  bei  Quint.  Plin.  epp.  Tac,  welcher 
non  quo,  non  qtwd^  7ion  quin  nicht  kennt,  und  bei  Flor,  sich  erhält.  Aus- 
schliesslich spätlat.  bei  Val.  Prob,  ad  Verg.  2,  19  K.  findet  sich  non  quo- 
niam  .  .  .,  sed  quoniam.  Der  Modus  bei  non  quia  ist  überall  der  Kon- 
junktiv, ausser  an  einigen  Stellen  des  Celsus,  Liv.  u.  Tac,  wo  aber  wie 
bei  Cic.  p.  Plane.  78  der  Satz  mit  quia  einen  wirklich  vorhandenen  Grund 
bezeichnet.  Der  mit  sed  quod  oder  sed  quia  eingeleitete  Gegensatz  steht 
naturgeniäss  im  Indikativ;  erstmals  bei  Justin,  dann  Capit.  Gord.  9  und 
öfters  dann  in  der  Folgezeit  treffen  wir  den  Konj. 

y.  Quam. 

255.  Qtiam  ist  ein  Acc.  fem.  gen.  vom  Stamme  quo  und  hat  inter- 
rogative, relative  und  indefinite  Bedeutung. 

AlsRelativum  entspricht  es  dem  korrelativen  tam^  welches  gleichfalls 
Akk.  ist;  beide  repräsentieren  die  freiere  Anfügung  des  Akk.  und  bedeuten 
daher  „in  der  Hinsicht,  in  welcher".  So  findet  es  sich  in  der  Sprache 
des  Volkes,  z.  B.  im  Sprichwort  t<ifn  perit  quam  ejctrema  faha  (Festus  s.  v. 
tam  perit)  „er  verkommt  wie  die  Saat  am  Wege";  in  der  urbanen  Sprache 
müsste  dies  lauten  perit  tumquam  extrema  faha.  Diese  Korrelation  t<im  — 
quam  hat  sich  bei  Plaut.  Ter.,  bei  Cicero  in  epp.  und  Reden,  bei  Sali.,  auch 
in  der  silbernen  Latinität,  so  namentlich  beim  Philosophen  Seneca  erhalten, 
z.  B.  ep.  18,  15  hie  adfeetus  tarn  ex  amore  naseitur  quam  ex  odio,  dann 
auch  bei  den  Juristen,  hier  geradezu  für  eum  —  tum  (vgl.  §  273). 

256.  Während  tarn  —  quam  in  Verbindung  mit  dem  Positiv  der 
Adj.  u.  Adv.  allgemein  lateinisch  ist,  gehört  tarn  tnagis  —  quam  magis  der 
Dichtersprache  an,  z.  B.  Ennius  fab.  416  L.  Müll,    quam  magis   aerummi 


2.  Der  saBammengeseizte  Satz:  d.  Die  ünterordnnxig.  (§  255-258.)        503 

urget,  tarn  magis  ad  mdlfaciendum  viget  Ähnliches  hat  man  bei  Plaut. 
Lucr.  Verg.  beobachtet.  Der  Superlativ  bei  tarn  —  quam  findet  sich  ver- 
einzelt bei  den  Komikern,  scheint  aber  dann  der  Richtung  Cato,  Varro, 
Sallust  (Jug.  31,  14  quam  quisque  2^^sume  facit,  tarn  maxume  tutus  est), 
über  welche  er  nicht  hinausgeht,  besonders  eigentümlich  gewesen  zu  sein. 

Mit  Unterdrückung  des  demonstrativen  Gliedes  finden  wir  qtiam  mit 
Superlativ  seit  Ennius  allenthalben  in  der  Latinität,  während  quam  mit 
Positiv  der  Volkssprache  eigen  ist;  näheres  siehe  Stilistik  §  11  Anm. 

Dem  Verfall  der  Latinität  gehört  quam  mit  Komparativ  an,  z.  B. 
Hieronym.  ep.  130,  5  his  et  alm  quam  pluribus  inflammata  studiis;  vgl. 
Probus  inst.  art.  p.  93  K:  quam  plures  soni,  hoc  est,  quamplurima  nomina. 

267.  Das  negierte  non  tarn  —  quam  kommt  erst  mit  Varro  und  Cic. 
auf,  bei  welchem  es  p.  Deiot.  3,  8  durch  eine  Art  Ausgleichung  mit  der 
Komparativkonstruktion  verschmolzen  ist. 

Ausser  tarn  finden  wir  auch  andere  Korrelativa  zu  quam,  z.  B.  asque 
—  quam  bei  Plaut.  Liv.  Plin.  mai.  Sen.  phil.  Quint.  Tac.  Plin.  epp.  Suet. 
Colum.,  meist  mit  vorausgehender  Negation,  perinde  —  qtiam  bei  Tac.  u. 
Suet.,  iuxta  —  quam  bei  Liv. 

258.  Der  mit  quam  angefügte  Satz  wird  demnach  besagen,  in  welcher 
Hinsicht  das  im  Hauptsatz  Gesagte  gilt.  Dies  bemerken  wir  namentlich 
beim  Komparativ  und  bei  komparativen  Begriffen;  wenn  somit  omnium 
opinione  celcrius  Caesar  venu  =  „vom  Standpunkte  der  allgemeinen  Ansicht 
aus  betrachtet"  bedeutet,  so  bezeichnet  celerius  venu  quam  onines  opinati 
sunt  „in  Hinsicht  auf  die  allgemeine  Ansichf" ,  welche  beide  Anschauungen 
sich  decken  (vgl.  oben  §  96).  Vgl.  noch  Oros.  6,  19,  19  ut  duplicia, 
quam  usque  ad  id  fuerant,  possessionum  pretia  statuerentur  (im  Vergleich 
mit  dem  früheren  Freise). 

Beim  Komparativ  selbst  ist  zu  bemerken,  dass  auch  das  Adj.  oder 
Adv.,  in  Hinsicht  auf  welches  eine  andere  Eigenschaft  in  höherem  Grade 
erscheint,  durch  eine  Art  formaler  Ausgleichung  ebenfalls  in  den  Komparativ 
gesetzt  wird;  dies  ist  jedoch  vor  Varro  (1.  lat.  10,  75  diligentius  quam 
apertitis)  und  Cic.  nicht  nachzuweisen.  Nach  ihm  haben  es  Liv.  und  die 
von  ihm  abhängigen  Historiker,  Tac,  der  aber  nach  quam  auch  den  Positiv 
zulässt,  dann  Gellius  und  mit  abundantem  magis  noch  Festus  13,  1  ed. 
Wagener:  ius  oius  insulae  avariiis  magis  quum  iustius  sumus  assecuti. 

Mit  Unrecht  wird  eine  Ellipse  angenommen  in  Sätzen  wie  Liv.  3, 
08,  11  malae  rei  sc  quam  nullius  duces  esse  volunt,  Plaut.  Bacch.  618 
inimicos  quam  amicos  aequomst  med  Juibere,  Nepos  14,  8,  1  stutuit  c<m~ 
gredi  quam  refugere,  denn  hier  liegt  im  Adjektiv  oder  Verbum  ein  Kom- 
parativbegriff.  Solche  Konstruktionen  finden  sich  seit  ältester  Zeit;  so 
sagt  schon  Ennius  ann.  13G  L.  Müller  ferro  sc  caedei  quam  dictis  his  se 
toUraret,  auch  Cicero  hat  ein  Beispiel,  Att.  12,  37,  3  apud  Terentiam  gratia 
opus  est  nobis  tiia  quam  auctoritnte,  namentlich  aber  ist  die  silberne  Latinität 
reich  an  solchen  Konstruktionen,  dann  besonders  Tac.  und  die  Archaisten, 
sowie  die  eccl.,  und  dieser  Gebrauch  von  qtiam  erstreckt  sich  bis  in  die 
späteste  Zeit  herab.  Hier  konnte  er  sich  um  so  weiter  ausdehnen,  als 
im  Sp.  L.  die  Koniparationsgrade  sich  leicht  verschieben;  so  sind  Beispiele 


504  B.  Lateinische  Grammatik,    d)  Lateinieche  Syntax. 

wie  bonum  est  confidere  in  domino  quam  confidcre  in  honüne  hier  nicht 
selten.  Allmählich  gewöhnte  man  sich  so  an  quam  ohne  Komparativ,  dass 
z.  B.  bei  Tei*tull.  Lucif.  u.  a.  magis  regelmässig  fehlt.  Vgl.  Paucker,  Rh. 
Mus.  37  p.  606,  Z.  f.  ö.  G.  1883  p.  338. 

Der  Modus  des  mittels  quam  nach  einem  Komparativ  eingeführten 
Satzes  ist  der  Indikativ;  der  Konj.  steht  dann,  wenn  etwas  Gedachtes  zum 
Ausdruck  gelangen  soll,  z.  B.  Cic.  Tusc.  2,  52  Zeno  perpessus  est  omnia 
potius  quam  conscios  indicaret  Während  nun  das  Altlat.  nach  potius  quam 
nie  ein  konsekutives  und  wohl  auch  kein  finales  ut  einschob,  sondern 
lediglich  den  Potentialis  setzte,  so  wird  seit  der  klassischen  Zeit  in  aus- 
gesprochenem konsekutiven  Verhältnisse  oder,  wo  zwei  Finalsätze  ver- 
glichen werden,  ut  eingefügt.  Näheres  siehe  bei  Riemann,  Revue  de  philol. 
1888  p.  43—59. 

259.  Komparative  Adverbien  und  Adjektiva  können  auch  einen 
Satz  mit  quam  zur  näheren  Bestimmung  annehmen;  so  steht  extra  quam 
bei  Gate,  dann  namentlich  im  Kurialstil,  ultra  quam  bei  Gic.  Asin.  Poll. 
Liv.  Tac.  Sen.  phil.,  2)rae  quam  nur  bei  Plaut.,  super  und  inmper  quam 
nur  bei  Liv.,  advorsum  quam  nur  Plaut.  Trin.  176,  cofitra  quam  seit  Cic, 
der  aber  auch,  wie  Caes.  und  Sali,  ausschliesslich,  das  anknüpfende 
atque  braucht. 

Nach  alius  findet  sich  quam  meist  nur,  wenn  ersteres  negiert  ist, 
und  auch  dies  erst  seit  Sallust;  die  klassische  und  vorklassische  Sprache 
kennt  diese  Konstruktion  nicht.  Nach  positivem  alius  treffen  wir  quam 
selten,  erstmals  bei  Liv.,  dann  bei  Sen.  phil.,  Plin.  ep.,  Suet.  Gell. 

Ähnlich  verhält  es  sich  mit  aliter,  das  gleichfalls  mit  Sali,  diese 
Konstruktion  annimmt  und  sie  erst  mit  Quint.  und  Sen.  nach  positivem 
aliicr  zulässt. 

Der  Analogie  von  alius  folgt  bei  Plin.  mai.  Just.  Flor,  divcrsus,  bei 
Lactanz  u.  Claudian  contrarius,  Vorläufer  von  contra  quam  ist  bei  Plaut. 
advorsum  quam.  Nach  sccus  gebraucht  die  ganze  Latinität  bis  Curtius, 
Sen.  u.  Tac.  herunter  quam,  Gic.  freilich  nur  ad  Att.  und  die  meisten 
Autoren  nur,  wenn  secus  negiert  ist;  die  Verbindung  scheint  vulgär  ge- 
wesen zu  sein. 

Anmerkung.  Die  Frage,  ob  nach  alius  in  klassischer  Sprache  nie  quam  folgen 
könne,  ist  viel  erörtert  worden.  In  Ciceros  Reden  hat  C.  F.  W.  Mülleb  überall  quam  be- 
seitigt, bei  Cic.  Att.  9,  5,  3  billigt  er  das  von  Baitcr  eingesetzte  quam  nicht,  allein  in  dem 
fragm.  ep.  ad  Hirtium  p.  298,  19  ctim  enim  nohüita^  nihil  aliud  sit  quam  cognila  virtus 
wagt  er  quam  nicht  anzutasten.  Vgl.  C.  F.  W.  Müller  zu  Cic.  oratt.  II,  p.  LXI,  Anton, 
Studien  III,  p.  40-45. 

260.  Quam  kann  in  unmittelbare  Nähe  zu  seinem  Korrelativ  treten  oder 
sich  geradezu  mit  demselben  verbinden;  so  wird  aus  tarn  perit  quam  extrema 
faba  nunmehr  i;m^  tamquam  extrema  faba;  vgl.  Cic.  p.  Sest.  120  Aesopus 
semper  partium  in  rej)ublica  tum  quam  (so  Halm  und  C.  F.  W.  Müller,  tanquam 
Madvig  op.  acad.  1,  494,  Seyfif.  schol.  lat.  1,  196)  in  scaena  optinmrum.  Das 
Ursprüngliche  ist  hier  der  der  Realität  entsprechende  Vergleich;  aber  daraus 
entwickelte  sich  naturgemäss  die  Bedeutung  des  angenommenen  Vergleichs, 
und  so  wird  tarn  qtmm  =  „gleich  wie*;  z.  B.  Cornif.  4,  29  si  lenofies  vt- 
tasset  tarn  quam  leones  „so  wie  man  Löwen  meidet**  =  „als  ob  es  Löwen 


2.  Der  suBammengesetzie  Satz:  d.  Die  Unterordnung.  (§259-261.)        505 

wären*^,  öfters  bei  Petron,  Sen.  phil.  u.  a.  Sobald  man  einmal  tamquam 
als  ein  Wort  ansah,  traten  damit  andere  Korrelative  in  Beziehung;  so 
tamquam  —  ita  bei  Ter.  Cic.  Liv.  Sen.  phil.,  tamquam  —  sie  bei  Cic,  auch 
bei  Petron,  Sen.  phil.,  in  wirklichem  und  angenommenem  Vergleiche,  auch 
perinde  —  tamquam  bei  Liv. ;  ja  man  verband  tamquam  mit  si,  so  schon 
Plaut.,  dann  Cic.  Liv.  Suet.  Spät.  Eine  bemerkenswerte  Bedeutung,  näm- 
lich „zum  Beispiel^,  ist  für  tamquam  bei  Sen.  phil.,  der  es  überhaupt  sehr 
kultiviert,  zutage  getreten,  z.  B.  Ben.  1,  11,  iproxima  ab  his  sunt,  quae  .  .  . 
tamquam  lihertas  et  pudicitiu  et  mens  bona;  dies  hat  sich  erhalten,  z.  B. 
bei  Grammatikern  wie  Diomedes. 

Einen  eigentümlichen  Gebrauch  hat  tamquam  bei  Celsus,  Quintil.  Plin. 
min.  und  besonders  bei  Tac.  und  Sueton  angenommen,  der  sich  indes  leicht 
aus  der  Grundbedeutung  herleiten  lässt,  z.  B.  Quintil.  9,  4,  53  Cicero 
reprehenditur  a  quihusdam,  tamquam  orationan  ad  rythmos  aüiget,  Tac.  bist. 
1,  48  servili  probro  respersus  est  tamquam  scyphum  aureum  furatus  ,in  der 
Hinsicht,  in  welcher  einer  der  gestohlen  hat**  =  „weil  er  gestohlen  habe''; 
auch  geradezu  für  einen  Acc.  c.  inf.  scheint  bei  Tac.  tamquam  zu  stehen, 
z.  B.  ann.  14,  22,  1  de  quo  vulgi  opinio  est  tamquam  mutationem  regni 
portendat:  ein  Beweis,  wie  Tac.  die  durch  die  Sprache  gebotenen  Mittel 
auszunützen  wusste,  um  an  die  Stelle  abgegriffener  Wendungen  neue  Kon- 
struktionen zu  setzen. 

261.  In  Sätzen  wie  Just.  26,  1,  10  quinto  quam  tyrranideni  occupa- 
verat  mense  opprimitur  bezeichnet  der  mit  quam  eingeleitete  Satz,  in  welcher 
Hinsicht  die  Zeitbestimmung  aufgefasst  werden  soll.  Dieser  Gebrauch  von 
quam  gehört  Nepos,  Liv.  und  den  nachfolgenden  Historikern,  jedoch  nicht 
dem  Tac,  aber  noch  den  scr.  h.  Aug.  und  dem  Eutrop  an.  Er  ist  der 
Grundbedeutung  von  quam  durchaus  entsprechend,  und  wenn  er  auch  ver- 
hältnismässig spät  in  der  Litteratur  erscheint,  doch  für  ursprünglich  an- 
zusehen. 

Durch  Hinzufügung  einer  entsprechenden  näheren  Bestimmung  im 
Hauptsatze,  z.  B.  ante^  post,  prius  wird  der  Ausdruck  vollständiger,  und 
so  finden  wir  seit  Cato(r.  r.  65  post  diem  tertium  quam  lecta  erit)  allent- 
halben in  der  Prosa  (immer  bei  Vell.,  der  nie  postquam  hat)  mit  post 
gebildete  Zeitbestimmungen  durch  einen  ganzen  Satz  näher  bestimmt.  Das 
Tempus  richtet  sich  darin  nach  den  allgemeinen  Bestimmungen.  Über 
ante,  prius  .  .  .  quam  vgl.  §  262. 

Wenn  nun  j^ost  und  quam  sich  zu  einem  Worte  postquam  vereinigen, 
so  steht  darnach  der  Indikativ  der  Hauptzeiten;  der  Indikativ  des  Imperf. 
und  Plusquamperf.  ist  ausgeschlossen.  Sollten  aber  doch  Imperfekt  und 
Plusquamperfekt  nach  postquam  auftreten,  so  haben  wir  absolute  Zeit- 
gebung  des  Nebensatzes  anzunehmen,  d.  h.  der  Grund  der  Tempora  liegt 
ausschliesslich  in  der  BeschafTenheit  ihrer  betrefTenden  Handlungen  und  ist 
nicht  durch  die  Relation  und  temporale  Unterordnung  unter  den  Hauptsatz 
bedingt.  Soll  das  letztere  zum  Ausdruck  gelangen,  so  muss  der  Coni. 
imperf.  oder  plusq.  gesetzt  werden. 

So  findet  sich  denn 

1.   der  Ind.  imperf.  bei  Plaut.  Most.  640,  sonst  nicht  im  Altlat.,  bei 


506  B.  LateiiÜBche  Grammatik,  d)  LateiniBche  Syntax. 

Cic.  nur  in  den  Erstlingsreden  und  in  Briefen,  ganz  selten  bei  Caesar,  öfter 
bei  Sali.,  vereinzelt  bei  Catuli  und  den  aug.  Dichtern,  sehr  häufig  bei  Liv. 
Tac.  und  ihren  Nachahmern,  z.  B.  Curtius  und  Florus.  Signifikantes  Bei- 
spiel Catuli  50,  14  posfquam  memhra  semimortua  lectulo  iacebant,  hoc 
poema  tibi  fccL 

2.  das  logische  Plusq.  im  Ind.  (z.  B.  comaeverat  =  solehat,  circum- 
steterat  =  circumclahat  etc.)  im  Altlat.  nur  bei  Ter.  Andr.  177  und  CaecU. 
Statius,  bei  Cic.  nur  in  Erstlingsreden  und  Briefen  (auch  Cael.  Farn.  8,  8,  2), 
nicht  bei  Caesar  und  Horaz,  einmal  bei  Verg.,  öfter  bei  Sali,  und  Nepos, 
häufiger  bei  Liv.  u.  Tac.  (jedoch  nicht  in  Germ.  Agric),  selten  bei  den 
Nachahmern  der  letztern  Flor.  Eutrop.  Aur.  Victor. 

3.  Der  Coni.  imperf.  und  plusq.,  um  das  zur  Haupthandlung  relativ 
Frühere  oder  relativ  Gleichzeitige  zu  bezeichnen,  wird  im  Altlat.  nicht  an- 
getroffen, wohl  aber  öfters  bei  Cic,  freilich  sind  die  Beispiele  hier  alle  an- 
gefochten, doch  mit  Unrecht.  Vahlen  hat  richtig  de  legg.  2,  ßipostea  quam 
coepissent  hergestellt,  und  vielleicht  ist  auch  Cic.  Fam.  2,  19,  1  mit  Med. 
posteaquam  scriheretur  zu  lesen  (TPH  jedoch  postea  cum),  jedenfalls  Att. 
11,  12,  1  posteaquam  missae  essmit;  im  b.  Afric.  ist  posteaq^iam  im  näm- 
lichen Satze  noch  einmal  durch  cum,  welches  in  dieser  Schrift  möglichst 
ans  Ende  des  Satzes  tritt,  aufgenommen,  aber  auch  sonst  mit  Plusq.  coni. 
verbunden  (vgl.  jedoch  Zusätze  etc.);  unsicher  ist  die  Konstruktion  bei  Liv. 
und  Tac.  (Wölfflin,  Liv.  Krit.  p.  6  und  bei  Bursian  1874/75  p.  757),  be- 
glaubigt je  eine  Stelle  bei  Vitruv  u.  Val.  Max. 

Anmerkung  1.  Dadurch  dass  postquam  eine  Reihenfolge  der  Ereignisse  angiebt, 
bekommt  es  und  zwar  schon  im  Altlat.  auch  kausale  Bedeutung,  z.  B.  Plaut.  Capt.  487 
aheo  ab  Ulis,  postquam  video  sie  nie  ludificaricr. 

Anmerkung  2.  Ganz  späilat.  \st  post  =:^ postquam,  wie  ähnlich  simul  für  simulatqtte 
schon  klass.  gebraucht  wird;  vgl.  Wölffun,  Arch.  IV  p.  274,  Wiener  Stud.  1  210,  247; 
111  300. 

262.  Ähnlich  wie  i^os^  wird  auch  ante  und  j)nw5  zu  qtiam  in  Korre- 
lation gesetzt,  z.  B.  ante  rorat  quam  phiit  und  oft  mit  demselben  zu  ante- 
quam  und  pritisquam  verschmolzen. 

Das  Altlatein  bevorzugt  ])riusquam  {antcqimm  steht  nur  bei  Cato  r.  r., 
bei  Cael.  Antip.  p.  100  fr.  4  u.  Varro  p.  230  fr.  5  P),  welches  Nopos  aus- 
schliesslich braucht;  antequam  ist  ausser  bei  Vitruv,  Tac.  und  Ammian 
überhaupt  viel  seltener  als  priusquam.  Zulässig  sind  im  Nebensatz  beide 
Modi  aller  Zeiten,  nur  ist  der  Ind.  fut.  auf  die  Zeit  vor  Ter.  beschränkt; 
in  der  Folge  findet  er  sich  nur  noch  Vitruv  108,  10  priusquam  dissipabiiur, 
sonst  wird  er  regelmässig  durch  das  Präs.  ersetzt  (aber  Cic.  Att.  13,  48,  1 
si  minus,  non  antequam  necesse  erit);  der  Ind.  imperf.  kommt  ganz  selten 
bei  Liv.  und  einmal  bei  scr.  h.  Aug.  Jul.  1,  4,  der  Ind.  plusq.  nur  bei 
Cael.  Antip.  p.  100  fr.  4  P  und  Cic.  de  dom.  80  vor.  Auch  im  Gebrauche 
der  übrigen  Tempora  und  Modi  herrscht  bei  den  verschiedenen  Schrift- 
stellern keine  Gleichmässigkeit;  so  hat  z.  B.  Tac.  weder  Ind.  praes.,  noch 
Fut.  exact.,  Nepos  bevorzugt  im  Prät.  den  Konjunktiv.  Nur  bei  ihm  z.  B. 
Them.  8,  4  inde  non  prius  cgressus  est.  quam  rcx  cum  data  dextra  in  fuiem 
recipcret  finden  wir  eine  Ausnahme  zu  der  durch  die  bessere  Latinität 
herrschenden  Kegel,  wonach  im  Nebensatz  der  Ind.  perf.  steht,   wenn   der 


2.  Der  snaammengeBeizte  Satz:  d.  Die  Unterordnung.  (§202-265.)        507 

Hauptsatz  verneint  ist  und  ein  histor.  Tempus  enthält.  Im  Sp.  L.  freilich 
sagt  Ammian  20,  7,  16  non  ante  discessü  qtuim  cenieret  und  20,  4,  22  nofi 
ante  discesserunt  quam  conspexissent:  aber  hier  werden  bekanntlich  Tempora 
und  Modi  bunt  durcheinandergeworfen. 

Hieher  gehören  auch  pridie  und postridie  quam;  ersteres  bei  Plaut, 
u.  Cic.  (Lael.  12,  sonst  nur  in  epp.)  mit  dem  Ind.,  bei  Livius  Yal.  Max. 
und  Suet.  mit  Konj.,  postridie  quam  bei  Plaut.  Cic.  (nur  in  epp.)  und  Suet. 
mit  Ind.  gefunden,  bei  Cic.  Ac.  2,  3,  9  mit  Eonj.,  sonst  nicht  erwähnt. 
Statim  quam  gehört  den  Juristen  und  eccl.  an,  mox  quam  (wofür  auch 
mox  atque  und  bloss  mox  gebraucht  wird)  nur  dem  späteren  Latein. 

263.  Durch  Hinzufügung  des  indefiniten  quam  an  das  fragende  ent- 
steht quamquam;  heisst  quam  „in  welcher  Hinsicht**,  so  bedeutet  quam- 
quam  „in  welcher  Hinsicht  auch  nur  immer**;  es  entspricht  somit  quam- 
qu<im  in  Zusammensetzung  und  Bedeutung  den  sog.  verallgemeinernden 
Relativen  und  wird  daher  wie  dieselben  mit  dem  Indikativ  verbunden.  Diese 
Konstruktion  hat  es  bei  Plaut.  Ter.  Cic.  Caes.  Sali.  Vell.;  wo  bei  Cic. 
der  Konjunktiv  steht,  ist  er  durch  Attraktion  oder  Modusausgleich  entstanden, 
oder  er  ist  durch  sonst  einen  Grund  veranlasst,  wie  z.  B.  auch  bei  Sali. 
Jug.  3  quamquam  possis  (wo  j^ossis  =  man  kann).  Allein  wie  in  den  ver- 
allgemeinernden Relativsätzen  schon  frühe  der  Konj.  auftritt  (vgl.  §  239), 
so  finden  wir  vielleicht  schon  bei  Varro  (Gellius  14,  8,  2,  in  den  erhaltenen 
Schriften  hat  Varro  quamquam  gemieden,  vgl.  jedoch  Jordan,  Krit.  Bei- 
träge p.  268),  sicher  bei  Nepos  Att.  13,  6  den  Konj.  nach  quamquam, 
öfter  bei  den  aug.  Dichtern,  immer  bei  Juvenal,  in  der  Prosa  aber  noch 
selten  bei  Liv.  Val.  Max.  Curt.  Plin.  mai.,  bis  die  Freunde  Plin.  min.  u. 
Tac.  der  Konstruktion  mit  Konj.  den  Vorzug  geben,  denen  sich  Apul.  u. 
Sueton  anschliessen.  Auch  die  eccl.  bevorzugen  den  Konjunktiv,  so  z.  B. 
Hieronymus  oft,  ebenso  Cyprian,  Commodian,  Sulpic.  Sev.  Minuc.  Fei. 
Tertullian  etc.  Über  Ammians  wunderlichen  Gebrauch  im  Wechsel  beider 
Modi  vgl.  Ehrismann  p.  60. 

264.  Die  Zusammensetzung  quam  diu  erhält  in  der  späteren  Lati- 
nität  die  Bedeutung  „bis'^.  So  finden  wir  es  mit  Indik.  bei  Amm.  Marceil., 
öfter  aber  mit  Konjunkt.  und  zwar  bei  Macrob.  Firm.  Mat.  Spartian,  Cy- 
prian u.  A.,  z.  B.  Spart.  Hadr.  21,  1  cuncta  tarn  diu  rcquisivit,  quamdiu 
reum  invcniret.  Diese  Verschiebung  der  Bedeutung  sogar  bei  Vorausgehen 
des  Korrelativs  beweist  einen  bereits  weitgehenden  Verfall  der  Latinität. 

2Ö5.  Quamvis  ist  entstanden  aus  quam  und  vis  =  „wie  sehr  du 
auch  willst" ;  in  dieser  Form  von  velle  hat  sich  die  Verbindung  festgesetzt 
und  ist  zur  förmlichen  Konjunktion  erstarrt,  während  andere  Formen  ver- 
einzelt blieben,  z.  B.  Cic.  Verr.  5,  11  exspcctate  facinus  quam  vultis  im- 
prohum,  mncam  tarnen  omnium  cxspectationem.  Schon  in  klassischer  Zeit, 
selbst  bei  Cicero,  hat  quamvis  seine  ursprüngliche  Bedeutung  abgeschwächt, 
und  es  ist  oft  =  mag  auoh,  z.  B.  Cic.  Verr.  5,  168  quamvis  civis  Eomanus 
esset,  in  crucem  tolleretur.  In  nachkl.  Zeit  wird  es  geradezu  synonym  mit 
quamquam. 

Fügt  quamvis  einen  ganzen  Satz  an,  so  steht  bei  Plautus  der  Kon- 
junktiv, z.  B.  Bacch.  82  locus  hie  apud  nos,  quamvis  subito  venias,  semper 


508  B.  Laieinisohe  Grammatik,    d)  Lateinische  Syntax. 

Über  est.  Allein  dieser  Gebrauch  ist  im  Altlat.  höchst  selten,  denn  hier 
erscheint  quamvis  meist  bei  Adj.,  z.  B.  PI.  Rud.  373  quam  vis  fasHdiosus 
aedilis  est,  als  eigener  Satz,  so  auch  bei  Ter.  Ad.  279,  der  einzigen  Stelle 
mit  quamvis  bei  Ter.  Lucrez  hat  nur  den  Konj.,  ebenso  Caes.  Sali.,  auch 
Cicero  (jedoch  der  gleichzeitige  Varro  verwendet  zum  Teil  bereits  den  In- 
dik.,  auch  Vatinius  bei  Quintil.  6,  3,  60  quamvis  retis  sunt),  ferner  Tac. 
Suet.  Plin.  min.  und  Spät.;  mit  dem  Indikativ  einmal  bei  Liv.  2,  40,  7,  der 
den  Konjunkt.  nach  quamvis  nicht  hat,  dann  bei  Corn.  Nepos,  den  aug. 
Dichtern,  Celsus,  Val.  Max.,  Petron,  Sen.  phil.  Colum  und  im  Spätlatein,  i) 

Anmerkung.  Im  Sp.  L.  hat  gt^amm  einen  Konkurrenten  an  quamlihet  erhalten: 
dies  quamlihet  findet  sich  bei  Min.  Fei.  und  besonders  bei  Claud.  Mam.,  z.  B.  54,  20  £ 
qtMtmlihei  pofidere  carnis  oneretur,  bei  Ammian  sogar  mit  Indikativ,  z.  B.  28,  1,  43  quam- 
libet  tempestivum  est, 

2<v6.  Durch  Anhängung  des  enklitischen  do  an  qttam  erhalten  wir 
quando;  dies  hat  ursprünglich  temporale  Bedeutung,  aus  welcher  sich 
dann  die  kausale,  kondizionale  und  adversative  leicht  entwickelte. 

Zur  Bezeichnung  der  Zeit  ist  quando  als  relative  Konjunktion  von 
Plautus  bis  herab  ins  Spätlatein  im  Gebrauch  gewesen,  ohne  freilich  je  zu 
allgemeiner  Verwendung  zu  kommen.  Es  findet  sich  oft  bei  Plautus, 
manchmal  mit  korrelat.  tum:  z.  B.  PI.  Men.  547  at  tu,  quando  habebis, 
tum  dato.  Auffallig  ist,  dass  Terenz  und  Caesar  neben  Varro  das  tempo- 
rale quando  ganz  meiden,  ferner  dass  Cicero  es  in  den  Reden  nicht  zulässt 
und  überhaupt  nur  in  den  Erstlingsversuchen  oder  in  altertümelnder  Rede 
verwendet;  es  scheint  demnach  frühe  schon  in  der  eleganten  Diktion  ausser 
Übung  gekommen  zu  sein.  Von  Dichtern  nach  Plaut,  hat  Lucrez  einige  Stellen, 
dann  Verg.  und  Horaz;  in  Prosa  tritt  es  seit  Livius  zurück,  findet  sich 
aber  noch  bei  den  scr.  h.  Aug.  und  zwar  =  wann  und  damals  als,  ja  sogar 
mit  angefügtem  etiam  oder  quidem,  ferner  bei  Orosius  6,  17,  10,  hier  in 
Beziehung  auf  tum  dcmum  u.  sonst,  im  Sp.  L. 

Durch  Anfügung  des  indefiniten  quo  entsteht  quandoque  „wenn 
irgend*  (vgl.  jedoch  Scherer  S.  21  f.  Anm.  1);  dies  findet  sich  zwar  schon 
in  den  XII  tabb.,  wird  aber  überall  selten  angetroffen.  Cicero  hat  es  in 
einer  Formel  und  in  dem  altertümlich  gefärbten  Somnium  Scipionis,  Horaz 
wiederholt,  ganz  selten  Liv.  und  die  silberne  Latinät,  gar  nicht  Quint.  und 
Plin.,  wohl  aber  Tac.  und  die  spätem  Historiker. 

Kausales  quando  hat  neben  Plautus  auch  Terenz,  femer  öfter  Lucrez, 
freilich  häufig  mit  angehängtem  quidem,  wie  schon  teilweise  bei  PI.  und 
Ter.,  nicht  Caesar  und  Varro,  aber  Sali,  und  dies  besonders  in  den  Hist., 
auch  Cicero  mit  und  ohne  quidem,  letzteres  nie  in  den  Reden,  ebenso  Catull, 
dann  Verg.  Liv.  und  die  silberne  und  spätere  Latinität  vereinzelt.  Auch 
quandoque  wird  manchmal  in  kausaler  Bedeutung  gefunden;  bei  Cicero 
und  Liv.  wird  es  so  wohl  nur  verwendet,  um  der  Rede  ein  altertümliches 
Gepräge  zu  geben  (z.  B.  Cic.  Verr.  3,  80,  187;  Liv.  8,  7;  9,  10). 

Adversative  und  kondizionale  Bedeutung  enthält  oft  das  tem- 
porale   quando,   so  z.  B.  Plaut.  Men.  422  nunc  quando  vis,  eamus  intro. 

Anmerkung.    Scheber  sagt  über  die  Entstehung  von  quando  (de  partic.  quando 

')  aber  hier  nicht  allgemein,  da  z.  ß.  die  scr.  h.  Aug.  nach  quamvis  ausschliesslich 
den  Konj.  setzen. 


2.  Der  znaammeiigeaetzte  Satz:  d.  Die  Unterordnung.  (§  266—267.)        509 

S.  15):  ^quando  ortum  esse  censeo  adverhio  tempornli  *quodö  et  adverhio  modalt  quam 
ita  mter  se  commixtis,  ut  quam  stirpem  quo-  loco  detnoverit^  über  die  Form  quandoc 
Tgl.  ib.  S.  18,  aber  auch  Zimmermann  in  wölfflins  Archiv  Y  p.  568. 

J.  Dum. 

267.  Dum  ist  ein  Akkusativ  und  bedeutet  „den  Tag  lang,  der  Weile". 
Dies  dum  wird  in  der  alten  Sprache  an  alle  möglichen  Imperative,  an  qui, 
primum  angehängt,  klassisch  nur  an  age  und  affite^  und  erscheint  femer  in 
Zusammensetzungen  wie  interdum,  vixdum^  nandum,  selten  etiamdum.  Seine 
Verwendung  als  Konjunktion  erklärt  sich  aus  dem  korrespondierend  ge- 
setzten dum  bei  Plaut.  Truc.  232,  CatuU  Epithal.  (Quint.  9,  3,  16)  dum 
innupta  manet,  dum  cara  suis  est  dieweilen  sie  ledig  ist,  die  weilen  gefällt 
sie"  =  „solange  als",  wie  dies  schon  Quint.  1.  1.  erkannt  und  bei  Verg. 
Aen.  4,  52  (nach  Fr.  Scholl);  dann  wurde  das  demonstrative  Glied  unter- 
drückt und  dum  wurde  Konjunktion.  Die  aus  der  Abstammung  sich  er- 
gebende Bedeutung  ist,  dass  der  von  dum  eingeleitete  Satz  eine  neben 
der  des  Hauptsatzes  dauernde  Handlung  oder  Zuständlichkeit  ausdrückt, 
oder  dass  er  das  Endziel  des  im  Hauptsatze  gegebenen  Zuständlichen  hin- 
stellt; also  entspricht  dum  dem  deutschen  „während,  so  lange  als,  bis", 
und  dann  in  einer  aus  dieser  temporalen  sich  herleitenden  kondizionalen 
Bedeutung  =  „wenn  nur",  z.  B.  oderint  dum  mefuant  „sie  mögen  hassen 
dieweilen  sie  fürchten."  —  Ursprünglich  verband  sich  dum  wohl  nur  mit 
den  Zeiten  des  Präsensstammes  und  erst  später  ergab  sich  die  Konstruktion 
mit  dem  Perfekt;  daher  ist  die  Zahl  der  Beispiele  für  dum  c.  Perf.  im 
Altlat.  noch  eine  geringe. 

1.  Dum  in  der  Bedeutung  „so  lange  als"  wird  mit  dem  Indikativ 
verbunden ;  bemerkenswert  ist,  dass  von  den  Historikern  Sali,  in  den  Erst- 
lingsschriften das  Praes.  (eigentl.  u.  bist.)  bevorzugt,  während  er  in  den 
Historiae  wie  Liv.  mehr  das  Imperfekt  braucht;  letzteres  findet  sich  sonst 
selten  verwendet,  z.  B.  bei  Properz.  Der  Konjunktiv  nach  dum  =  so  lange 
als  gehört  dem  Sp.  L.  an,  z.  B.  Ammian. 

2.  Dum  „während"  kann,  wie  Hoffmann  treffend  nachgewiesen,  nur 
mit  Praes.  bist,  oder  Imperf.  coni.  verbunden  werden.  Das  erstere  treffen 
wir  zu  allen  Zeiten,  sogar  im  Altlat.  schon  bei  einem  Plusq.  im  Haupt- 
satze, z.  B.  Ennius  ann.  391  L.  M.  missaque  per  pedus  dum  transit,  striderat 
hastu;  das  letztere  haben  Varro,  Cornif.  Liv.  Val.  Max.  Justin  und  die 
Dichter  neben  der  ersten  Konstruktion  verwendet;  dum  c.  coni.  =  „wäh- 
rend" hat  sich  auch  in  der  spätem  Latinität  bei  den  Script,  bist.  Aug.  Aur. 
Victor,  Ammian,  bei  den  ecci.  erhalten,  z.  B.  Hieronymus  ep.  60,  5  dum 
rerum  podreniur,  terrori  gmitihiis  erant;  ebenso  bei  Sulp.  Sev.,  Sidon.  Apoll. 
Gregor  Tur.;  mit  der  Entwertung  des  Plusq.  coni.  und  der  Verwischung  der 
Bedeutungsunterschiede  der  Tempora  der  Vergangenheit  hängt  es  zusammen, 
wenn  Ammian  auch  Ind.  Imperf.  und  Plusq.  und  Cassiodor  Perf.  und  Plusq. 

coni.  nach  dum  braucht. 

Anmerkung.  Bezüglich  der  Stellen, ' welche  der  obengenannten  Regel  sich  nicht 
fügen,  vgl.  Hoffmann,  Zeitpartikeln  p.  170  Anm. 

3.  Dum=  „bis"  leitet  bei  thatsächlichen  Verhältnissen  einen  indi- 
kativischen Nebensatz  ein;  der  Konjunktiv  darnach  bezeichnet  eine  Absicht 


510  B.  Lateinische  Grammatik:  d)  Lateinisolie  Syntax. 

oder  Erwartung.  Selbstverständlich  lag  es  im  Ermessen  des  Schriftstellers, 
ob  er  das  letztere  zum  Ausdruck  bringen  wollte  oder  nicht;  daher  die 
scheinbare  Willkür  in  der  Setzung  der  Modi  (vgl.  Luchs,  Erlang.  Lekt.  1881 
p.  9  und  Frigell,  Proleg.  zu  Liv.  23  p.  26).  Ausgeschlossen  sind  Indik. 
imperf.  und  plusq.  —  Hieher  gehören  besonders  die  VV.  exspectandi,  nach 
welchen  Cic.  selten  den  Indik.  setzt  (wohl  nur  in  Erstlingsschriften  und 
Briefen);  auch  sonst  ist  der  Konj.  häufiger,  ausschliesslich,  wie  es  scheint, 
bei  Caes.  und  Sali. 

4.  Dum  =  „wenn  nur**  findet  sich  in  allen  Zeitaltem  und  zwar  durch- 
aus nur  mit  dem  Konjunktiv;  denn  die  von  ihm  eingeleiteten  Sätze  sind 
ursprünglich  finale  Willenssätze.  Manchmal  wird  an  dum  noch  der  ad- 
verbiale Abi.  von  modus  angehängt,  also  =  dummodo,  aus  dem  sich  dann 
auch  das  einfache  modo  in  der  Bedeutung  von  dum  entwickelte  und  zwar 
zuerst  bei  Ter.,  dann  bei  Cic.  Liv.  und  Späteren,  aber  nicht  bei  den  Juristen, 
die  dafür  dum  tarnen  sagen.  Bei  Tac.  hat  man  die  Beobachtung  gemacht, 
dass  er  in  Dial.  und  Germ,  nur  dummodo,  von  da  ab  aber  ausschliesslich 
dum  verwendet.  Negiert  werden  diese  Nebensätze  mit  ne ;  so  z.  B.  ist  Cato 
r.  r.  5  id  faciat  saepe  dum  ne  lassus  fiat  entstanden  aus  id  factat  saepe: 
faciendo  ne  lassus  fiat,  und  die  von  uns  durch  facietido  angedeutete  Be- 
ziehung drückt  dann  dum  aus.  Während  dum  ne  auch  bei  Plaut,  und  Ter. 
sich  findet,  tritt  erst  mit  Cic.  dummodo  ne  und  modo  ne  auf.  Sobald  non 
an  Stelle  von  ne  in  Wunschsätzen  Eingang  fand,  ging  es  auch  in  die  Sätze 
mit  dum  über,  z.  B.  bei  Juvenal  7,  222  dummodo  non  pereat,  bei  Celsus 
Plin.  min.  und  sonst;  z.  B.  scr.  h.  A.  6et.  2,  8  sit  divus,  dum  non  sit 
vivus.  Der  finale  Charakter  dieser  Sätze  führte  schliesslich  dazu,  dass  im 
Sp.  L.  dum  geradezu  finales  ut  vertritt,  z.  B.  Vict.  Vit.  1,  5. 

Anmerkung.  Nedum  «geschweige  denn*  findet  sich  erstmals  bei  Ter.  Heaut.  454, 
nicht  bei  Caes.  und  Sali.,  bei  Cic.  wohl  nur  nach  negativem  Satze;  nachklassisch  folgt 
nedum  auch  auf  einen  affirmativen  Satz,  so  bei  den  aug.  Dichtem,  bei  Liv.  und  in  der  sil- 
bernen Latinität,  sowie  bei  Tac.  und  im  Sp.  L.  bei  Sulp.  Sev.  Schon  bei  Liv.  galt  nedum 
kaum  mehr  als  Konjunktion,  es  trat  daher  ut  dazu,  z.  B.  3,  14,  6  fiedum  ut  ulla  risfieret; 
dies  haben  auch  Tac,  aber  nur  im  dial.  10,  und  Apul.  angenommen.  Nedum  ohne  eigenes 
Verb  iÄ  mit  Liv.  in  Gebrauch  gekommen,  wurde  von  Tac.  (nicht  von  Quint.)  Suet.  u.  a. 
auch  verwendet. 

2.  LokativiBche  Konjunktionen. 

a.  Quom. 

268.  Die  Konjunktion  quofu  ist  ein  Lokativ  vom  Relativstamm. 
Entsprechend  der  Konstruktion  gratulor  tibi  in  hac  re  sagte  man  daher 
auch  gratulor  tibi  quom  vahs,  eine  Konstruktion,  die  sich  bis  zu  Cicero 
herab  in  der  Umgangssprache  erhalten  hat.  Wie  die  Lokativformen  auch 
auf  die  Zeit  übertragen  werden,  so  wurde  quom  zunächst  dazu  verwendet, 
um  die  Reihenfolge  zweier  Ereignisse  in  der  Zeit  zu  bestimmen;  dabei 
ist  die  Verbindung  oft  noch  eine  recht  lose,  namentlich  wenn  der  Satz 
mit  quom  nachfolgt;  dies  kann  man  schon  daraus  ersehen,  dass  statt 
quom  auch  que,  atqiie  oder  gar  keine  Konjunktion  steht,  z.  B.  Verg.  Aen. 
3,  90  vix  ea  fatus  eram:  tremere  omnia  visa  repe^ite.  Aus  dem  temporalen 
quom  entwickelt  sich  das  explikative,  z.  B.  barbarismns  est  quom  verbum 
aliquod  vitiose  effertur  (man  drehe  um:  verbum  aliquod  vitiose  effertur:  har^ 


2.  Der  zasammengesetzte  Satz:  d.  Die  Unterordnung.  (§268-269.)        511 

barismus  est),  und  aus  diesem  das  kausale.  Das  letztere  ist  keineswegs 
identisch  mit  quia  und  dem  später  dies  zurückdrängenden  quod:  im  Gegen- 
teil, die  Anknüpfung  mittels  quod  und  quia  ist  eine  mehr  äusserliche,  wäh- 
rend quoni  eine  Kausalverknüpfung  innerlicher  Art,  wo  Grund  und  Folge 
in  ihrem  Gegenstande  identisch  sind,  bezeichnet;  z.  B.  Plaut.  Rud.  1234 
isto  iu's  pauper  quom  nimis  sancte  piu's.  Da  das  zeitlich  Verknüpfte  doch 
in  einem  Gegensatze  des  Wesens  stehen  kann,  geht  aus  dem  temporalen 
auch  das  adversative  und  konzessive  quom  hervor.  Es  ist  nun  fest- 
zustellen, dass  zur  Zeit  des  Plautus  dieser  ganze  Gebrauch  von  quom  voll- 
ständig entwickelt  angetroffen  wird,  dass  aber  trotzdem  die  Modusgebung 
immer  noch  dieselbe  wie  im  Temporalverhältnis  geblieben  war. 

269.  Nun  ist  aber  die  Modusgebung  bedingt  durch  das  von  Hoff- 
HANN  aufgestellte  Gesetz:  dass  der  Konjunktiv  einzutreten  hat,  wenn  das 
Tempus  des  Nebensatzes  ein  streng  relatives  ist,  während,  wenn  das  Tempus 
dieses  Satzes  ein  absolutes  ist,  ohne  Ausnahme  der  Indikativ  steht.  Im 
Altlatein  überwiegt  die  absolute  Zeitgebung,  namentlich  wird  hier  das 
Haupttempus  der  Vergangenheit  viel  mehr  gebraucht  als  später,  wo  die 
Nebenzeiten  zu  grösserer  Bedeutung  emporgehoben  wurden  und  so  das  Auf- 
kommen der  Konjunktivkonstruktionen  begünstigten.  So  ist  bei  Plautus 
nach  temporalem  quom  der  Coni.  imperf.  oder  plusq.  nicht  zu  finden,  der 
Coni.  praes.  aber  nur  da,  wo  eine  Angleichung  an  den  Modus  des  über- 
geordneten Satzes  eintritt.  Nach  explikativem  quom  steht  bei  Plaut,  nur 
der  Indikativ;  ebenso  ist  festzustellen,  dass  Plaut,  die  Konstruktion  von 
kausaladversativem  quom  mit  davon  abhängigem  Konjunktiv  noch  nicht 
kennt;  wo  ein  Konjunktiv  erscheint,  ist  derselbe  semasiologisch  und  nicht 
durch  die  mittels  quom  erfolgte  Unterordnung  bedingt.  Ebenso  verhält  es 
sich  mit  dem  konzessiven  quom.  Mit  Terenz  tritt  jedoch  schon  ein 
Schwanken  ein,  und  der  Konjunktiv  beginnt  dem  Indik.  sein  Gebiet  streitig 
zu  machen,  wenn  auch  bei  ihm  der  Indikativ  noch  die  Regel  bildet.  Es 
ist  kein  Zweifel,  dass  der  Konj.  nach  temporalem  quo^n  sich  zuerst  Sn  den 
Aussagen  ausbildete,  wo  momentane  Nebenfacta  mit  Hauptfacta  verbun- 
den wurden,  und  mit  dem  Beginn  des  VII.  saec.  scheint  der  Gebrauch  des 
temporalen  quom  mit  dem  Konjunktiv  Sprachregel  geworden  zu  sein.  Es 
blieb  indes  in  späterer  Zeit  der  Indic.  imperf.  u.  plusq.,  wo  der  Bedeutungs- 
charakter dieser  Tempora  gewahrt  werden  sollte,  d.  h.  in  absoluter  Zeit- 
gebung,  z.  B.  Cic.  Cat.  mai.  1 5  ceieri  senes,  cum  rem  publicam  consilio  et 
auctoritate  defendebant,  nihil  agebant!  und  —  was  weniger  zahlreich  ist 
—  Cic.  Pomp.  19  tum  cum  in  Asia  res  magnas  jyermulti  amiserant,  scimus 
Itomae  fidcm  concidisse;  hier  führt  das  relative  Glied  in  durchaus  selb- 
ständiger Zeitform  eine  Situation  aus,  neben  der  die  im  Hauptsatze  besagte 
Situation  einherging  oder  sich  entwickelte.  So  kann  auch  der  Aorist  eine 
Zuständlichkeit  involvieren,  die  zur  Zeit  des  Sprechenden  bereits  ab- 
geschlossen ist,  z.  ß.  Cic.  Att.  13,  49,  2  Gallo  narravi,  cum  proxime  Botnae 
fui,  quid  audissem.  Kurz:  Bedingung  für  Anwendung  des  Indikativs  ist 
Wahrung  der  Zeitselbständigkeit  der  als  Bestimmung  einer  andeni  heran- 
gezogenen Handlung.  —  Bezüglich  der  Verbreitung  der  Indikativkon- 
struktionen mag  noch  erwähnt  werden,  dass  quom  mit  dem  Plusq.  indic. 


512  B.  Lateinische  Orammatik.    d)  Lateinische  Syntax. 

sehr  selten  in  der  klass.  Sprache  ist,  sich  bei  Liv.  nur  in  Angleichung  an 
das  Tempus  des  Hauptsatzes  findet,  dass  Sali,  nur  quam  c.  Indio,  plusq. 
in  Fällen  der  Wiederholung  verwendet,  während  Vell.  Flor.  Tac.  Hör.  die 
Konstruktion  gar  nicht,  Yerg.  einmal  aufweist.  Auch  das  Plusq.  der 
Wiederholung,  wo  im  Hauptsatze  Imperf.  folgt,  verliert  sich  nach  Cic,  bei 
dem  es  verhältnismässig  am  häufigsten  vorkommt,  immer  mehr,  so  dass 
wir  beispielsweise  bei  Verg.  Hör.  Ov.  Vell.  Tac.  Flor,  es  nicht  belegt  finden. 
Ähnlich  verhält  es  sich  mit  qtwm  und  Perf.  Ind.,  wo  im  Hauptsatze  Präs. 
Ind.  folgt,  z.  B.  Cic.  sen.  51  cum  semen  excepit^  primum  id  cohibet;  schon 
in  augusteischer  Zeit,  z.  B.  bei  Liv.  und  Vitruv,  noch  mehr  aber  in  der 
Folge  wird  das  Perf.  durch  das  Präs.  ersetzt,  z.  B.  Vitruv  226,  27  e  tauro 
cum  ingreditur  sol  in  geminos,  magis  crescit  .  .  . 

270.  Ist  der  Satz  mit  quoni  in  loser  Weise  in  Nachstellung  an  den 
Hauptsatz  angefügt,  so  steht  selbstverständlich  der  Indikativ;  denn  hier 
bildet  der  Satz  mit  quofn  eine  durchaus  selbständige  Aussage;  daher  tritt 
auch  in  or.  obliq.  der  Acc.  c.  inf.  ein,  z.  B.  Liv.  4,  51  iacere  tarn  diu  «n- 
ritas  sanctioneSy  cum  Interim  de  sanguine  ac  supplicio  suo  latam  legem 
confestim  exerceri.  Diese  Konstruktion  hat  bereits  ihre  Vorläufer  bei 
Terenz,  findet  sich  aber  in  ausgedehntem  Gebrauche  nur  bei  Cicero  und 
Sali.,  der  sie  in  den  Hist.  sehr  begünstigt  zu  haben  scheint;  seit  Liv.  ver- 
einzelnen sich  die  Beispiele.  Der  Konjunktiv  ist  nur  da  möglich,  wo  der 
Nebensatz  als  untergeordnete  temporale  Bestimmung  besagt,  dass  das  im 
Hauptsatze  Berichtete  geschehen  sei,  während  eine  gewisse  Äusserung  ge- 
macht wurde,  z.  B.  Cic.  or.  129  cum  coepisset  Curia  pater  respondere, 
subito  a&^edit,  cum  sibi  venenis  ereptam  memoriam  dicerct,  oder  wo  über- 
haupt der  Nebensatz  eine  untergeordnete  Bestimmung  enthält  und  danach 
in  die  relative  Zeitform  zu  setzen  ist. 

271.  Ebenso  selbstverständlich  ist  der  Indikativ  beim  sog.  qumn  in- 
versuni;  im  Hauptsatze  steht  Imperf.  oder  Plusq.  mit  den  Partikeln  mw, 
nondum,  vix,  bei  Cic.  ad  Att.  auch  commodum,  bei  Liv.  u.  Tac.  und  ihren 
Nachahmern  vixdum,  bei  Dichtern,  so  namentlich  bei  Ovid,  vix  bene;  zu 
quom  kann  subito,  repetite  oder  eines  der  entsprechenden  Adj.  wie  repens, 
subitus,  repentinus  (hauptsächlich  bei  Verg.  u.  Liv.)  hinzutreten.  Diese 
Konstruktion  treffen  wir  —  abgesehen  von  3  Stellen  bei  Plaut,  u.  Ter.  — 
erst  seit  Cic.  in  vollem  Gebrauche,  auch  bei  Dichtern,  wie  Verg.,  u.  Späteren. 
Mit  Verg.  u.  Livius  tritt  bei  quom  auch  der  historische  Inf.  ein,  z.  B.  Flor. 
3,  11,  8  itaque  vixdum  vcfierat  Carras,  cum  undique  praefecti  regis  osten- 
dere  Signa  etc. 

272.  Nachdem  einmal  q^uom  mit  Konjunktiv  Sprachregel  geworden 
war,  lag  es  nahe,  namentlich  bei  den  Schriftstellern,  welche  für  griechische 
Einflüsse  zugänglich  waren,  diesen  Konjunktiv  wie  den  griech.  Optativ  zum 
Ausdruck  der  Wiederholung  zu  brauchen.  Natürlich  hielten  sich  die  Klas- 
siker dieser  Konstruktion  möglichst  fem.  Sali,  vollständig,  auch  Liv.;  da- 
gegen im  silbernen  Latein,  so  namentlich  bei  Val.  Max.  u.  Plin.  mai., 
kommt  dieser  iterative  Konj.  immer  mehr  auf,  der  sich  dann  bei  den 
Script,  hist,  Aug.  und  sonst  im  Spätlat.  ganz  und   gar  einbürgert.     Nicht 


2.  Der  znBarnttengesetzie  Satz:   d.  Die  tJnterordnniig.  (§  270—276.)        513 

zugunsten  der  Diktion  des  Nepos   spricht  der  Umstand,  dass  bei  ihm  cum 
mit  Coni.  iterat,  sehr  zahlreich  vorkommt 

273.  Die  Korresponsion  cum  —  tum  leitet  sich  von  dem  lokativen 
guofn  her  und  bedeutet  daher  ursprünglich  eigentlich  „wo  —  da**;  allmäh- 
lich entwickelte  sich  daraus  die  Bedeutung  »sowohl  —  als  auch",  und  so 
wird  quom  —  tum  schon  im  Altlat.  getroffen  und  zwar  hier  immer  mit  Indik. 
im  relativen  Satze,  z.  B.  Ter,  Phorm.  187  quom  mihi  paveo^  tum  Antipho 
me  excruciat  animL  In  der  klassischen  Zeit  mehrt  sich  die  Zahl  der  Bei- 
spiele; auch  hier  ist  der  Indikativ  Kegel;  der  Konjunktiv  steht  ganz  selten 
und  nur  da,  wo  die  Handlungen  beider  Sätze  in  durchaus  verschiedener 
Zeit  gedacht  sind  oder  wo  der  Konjunktiv  die  temporale  Unterordnung 
unter  das  demonstrative  Olied  ausdrücken  soll,  z.  B.  Cic.  fil.  ad  Farn.  16, 
21  ftam  cum  maximam  cepissem  laetitiam  ex  patris  epistula^  tum  vero  tw- 
cundissimae  time  litterae  cumulum  mihi  gaudii  attule^nint.  In  der  nach- 
klassischen Zeit  ist  wenig  beobachtet;  die  Konstruktion  findet  sich  bei 
Nepos,  Livius,  Vell.,  bei  Tac.  nur  im  Dialogus;  bei  den  Juristen  ist  es 
ausschliesslich  temporal  und  bedeutet  nie  „sowohl  —  als  auch"  (dafür  sagen 
sie  tam  —  quam), 

274.  Das  explikative  quom  wird  auch  in  der  klassischen  Zeit  mit 
Indik.  konstruiert,  z.  ß.  Verr.  5,  13,  33  renovabatur  prima  illa  militia, 
cum  iste  e  foro  abdud,  non  ut  ipse  j^rosdicat^  perduci  solehat;  so  nament- 
lich wenn  Zeitbegriffe  näher  erkläi't  werden,  z.  B.  Cic.  Fam.  15,  14,  1 
muUi  anni  sunt,  cum  ille  in  meo  aere  est;  soll  jedoch  hier  nicht  die  objektive 
BeschaflFenheit  der  Zeit,  z.  B.  p.  Rose.  Am.  50  si  iUis  temporibus  flatus 
esses,  cum  ab  aratro  arcessebantur^  sondern  die  aus  ihrer  Beschaffenheit 
sich  ergebende  Wirkung  bezeichnet  werden,  so  steht  der  Konj.,  z.  B. 
Cic.  p.  Rose.  C.  33  accepit  enim  agrum  iis  temporibus,  cum  iacerent  pretia 
praediarum.  In  der  nachklassischen  Zeit  scheint  das  explikative  quom 
seltener  zu  werden. 

275.  Das  kausale,  adversative  und  konzessive  quom  wird  seit  der 
klassischen  Zeit  ausschliesslich  mit  dem  Konjunktiv  konstruiert.  Erst  im 
Sp.  L.,  z.  B.  bei  Ammian  Lucif.  u.  a.  folgt  darnach  auch  der  Indikativ, 
vgl.  Ammian  21,  1,  4  ambitioso  diademate  utebatur,  cum  inter  exordia  prin^ 
cipattis  viU  cmona  circumdatus  erat.  Vor  das  kausale  quom  tritt  utjyote 
bei  Cic.  Att.  5,  8,  1,  bei  Asin.  Poll.,  Val.  Max.  Cels.  Curt.  u.  Minuc. 
Fei.,  quippe  schon  bei  Ennius  u.  Plaut.,  dann  bei  Cic.  Nep.  Liv.  Florus, 
oft  bei  Apul.,  ut  wohl  nur  bei  Quint.  (z.  B.  10,  1,  76). 

ß,  Quoniam. 

276.  Quoniam  ist  entstanden  aus  quom  und  iam,  entspricht  also 
vollständig  dem  griechischen  ineidi].  Auch  bei  dieser  Partikel  ist  der  tem- 
porale Gebrauch  der  ältere  wie  bei  quom;  allein  er  ist  später  ausser  An- 
wendung gekommen,  und  es  blieb  nur  die  kausale  Bedeutung  erhalten. 
Das  Altlatein,  so  namentlich  Plautus,  hat  quoniam  noch  häufig  in  tempo- 
raler Bedeutung,  z.  B.  Plaut.  Mil.  129  qumiiam  inspexi  muVieris  sententiam, 
cepi  tabellas;  allein  auch  hier  sind  viele  Fälle  zu  konstatieren,  die  auf  der 
Grenze  des  temporalen  und  kausalen  Gebrauchs  stehen,  und  bei  Terenz  ist 

üandbach  der  klowi.  AltcrtumawisaeDHchaft.  n.    2.  Aufl.  38 


514  B*  Lateinische  Orammatik.    d)  Lateinische  Syntax. 

bereits  die  temporale  Bedeutung  kaum  mehr  wahrnehmbar.  Überali  aber 
im  Altlatein  wird  quoniam  mit  den  Haupttempora  verbunden  und  zwar  mit 
dem  Perf.  oder  Präs.  bist. 

In  der  klassischen  und  folgenden  Zeit  ist  die  temporale  Verwendung 
von  quoniam  nicht  mehr  zu  finden;  selbst  da,  wo  quoniam  unserm  «nach- 
dem'^ entspricht,  ist  der  Zusammenhang  kausaler  Art,  auch  bei  Suet.  Tib.  23 
und  Cal.  12  (gegen  Trachmann  p.  34);  höchstens  beim  Archaisten  Gellius 
kann  noch  ein  Nachklang  gefunden  werden  6,  5,  4  eum  luctum  quoniam 
satis  vist4$  est  eluxisse  rediit.  Überall  ist  hier  der  Modus  der  Indikativ, 
ausser  in  der  orat.  obliq.  und  in  Fällen  der  Modusangleichuug,  und  zwar 
gilt  dies  für  Cic.  und  die  folgende  Zeit,  auch  für  Tacitus.  Doch  bereits 
Justin  hat  Neigung  für  den  Konjunktiv,  der  dann  in  der  Folgezeit  häufiger 
auftritt.  —  Die  Zusammensetzung  aus  quom  und  iam  wurde  frühe  vergessen 
und  schon  bei  Lucrez,  namentlich  aber  in  der  silbernen  Latinität,  können 
wir  oft  quoniam  verwendet  sehen,  wo  wir  quod  oder  quia  erwarteten,  und 
80  werden  dem  entsprechend  auch  Demonstrativa  zu  quoniam  in  Korrelation 
gesetzt,  die  nur  zu  quod  oder  quia  passen,  z.  B.  Lucrez  2,  834,  ferner 
Gell.  3,  6,  3  propterea  in  certaminibus  palmam  Signum  esse  victoriae 
placuit,  quoniam  ingenium  ligni  eius  modi  est.  .  ,  Über  non  quoniam 
vgl.  8  254. 

Hatte  aber  quoniam  einmal  in  das  Gebiet  von  qu^d  und  quia  ein- 
gegriffen, so  setzte  es  diese  Konkurrenz  erfolgreich  fort  und  wurde  dann 
in  der  spätem  Latinität  geradezu  wie  quod  und  quia  nach  VV.  die.  u.  sent. 
gebraucht,  z.  B.  Hieronym.  ep.  147,  1  ignorans  quoniam  benignitas  dei  ad 
paenitentiam  te  hortatur;  ja  quoniam  überwiegt  in  diesem  Gebrauche  bei 
manchen  Schriftstellern  (aber  nicht  bei  Lucifer,  Orosius,  Sedulius  u.  a.) 
die  sonst  sehr  häufig  verwendeten  Konjunktionen  quod  und  quia  und  wird 
wie  diese  auch  mit  Acc.  c.  inf.  verbunden,  z.  B.  Pseudo-Cypr.  rebaptism.  5: 
annuis  quoniam  niysterium  fidei  salufem  adimere  non  vosse.  Sonst  ist 
der  Modus  bald  Indik.,  bald  Konjunktiv. 

y.  Donec  (donicum). 

277.  Die  Form  donicum,  wofür  Vitruv  doneque  cum  und  im  Sp.  L. 
Hilarius  Prolog.  Psalm.  2  Migne  234,  4,  ebenso  Scribon.  Larg.  47  in  der 
ed.  princ.  und  nach  dem  Zeugnis  von  Hertz  zu  Prise.  15,  17  schon  Plaut. 
Capt.  II,  2,  88  in  Handschriften  donec  cum  bietet,  ist  -  „da  nicht  wo", 
enthält  also  im  letzten  Teil  das  lokative  quom  und  giebt  den  Grenzpunkt 
an,  bis  zu  welchem  eine  Handlung  sich  erstreckt  und  zwar  durch  die  Ver- 
neinung der  Fortdauer  derselben.  Schon  frühe  hat  man  cum  aufgegeben, 
wie  wir  ja  auch  „bis*  statt  „bis  dass"  sagen  infolge  einer  Art  Absehleifung, 
und  so  entstand  donique  und  donec. 

Nach  einer  andern  Erklärung  (Zimmermann  in  Wölfflin's  Archiv  V 
p.  567—571)  ist  donicum  aus  donecum  entstanden,  wie  undique  aus  uvde 
quc,  done  cum  selbst  ist  =  bis  wo,  denn  done  ist  eine  frühe  verschwundene 
Präposition.  Aus  donecum  mag  dann  doyicc  cum  hervorgegangen  sein;  dies 
Hess  sein  cum  fallen,  wie  bis  dass  sein  dass;  aus  do7iec  entwickelte  sich 
dann   doneque,   wie  neque  aus  nee,   u.   donique.     Eine  Form   dune  kennen 


2.  Der  snsammeiigesetzte  8atz:  d.  Die  Unterordnung.  (§  277—280.)       515 

wir  nur  aus  Inschriften ;  dieselbe  kommt  von  donicum,  dancum,  donc,  dune; 
z.  B.  CIL.  VI,  19683  fruere,  dmic  vita  data  est 

Donicum  heisst  ausschliesslich  „bis",  regiert  nur  den  Indik.,  gehört 
dem  Altlat.  (Liv.  Andr.  Cato  Plaut.)  an  mit  einem  Ausläufer  bei  Com. 
Nepos  (hier  aber  mit  Konj.). 

Donique  steht  in  der  Bedeutung  „bis"  bei  Lucrez  und  Vitruv  284, 
16,  vielleicht  auch  bei  Varro  sat.  Men.  190,  325  B.  mit  dem  Indikativ 
(vgl.  Lachmann  zu  Lucr.  p.  139),  mit  dem  Konj.  Präs.  und  Perf.  an  drei 
Stellen  des  Vitniv. 

Donec  erscheint  schon  sehr  frühe,  so  in  den  XII  tab.,  bei  Plaut,  u. 
Cato;  in  der  vorklassischen  Zeit  hat  es  nur  die  Bedeutung  „bis"  und  wird 
abgesehen  von  orat.  obliq.  und  finalem  Sinne  des  Nebensatzes  nur  mit 
Indik.  konstruiert.  Cicero  verwendet  donec  nur  viermal  und  zwar  in  den 
Erstlingsreden  und  de  fin.  4.  65,  wo  evaseris  fut.  exact.  ist,  überall  = 
„bis"  und  mit  Indikativ;  Caesar  u.  Sali.,  sowie  Varro  in  den  Büchern  de 
r.  r.  enthalten  sich  dieser  Konjunktion  ganz.  Mit  den  august.  Dichtern 
tritt  auch  die  Bedeutung  „so  lange  als"  auf  und  der  Konjunkt.  nach  donea 
wird  häufiger.  Seit  Liv.  u.  Tac,  welcher  letztere  entgegen  den  Klassikern 
donec  sehr  bevorzugt,  findet  es  sich  allenthalben  in  beiden  Bedeutungen, 
nur  ist  zu  bemerken,  dass  Gebrauch  und  Liebhaberei  bei  den  einzelnen 
Autoren  sehr  verschieden  ist;  so  hat  Plin.  mai.  nie  donec  =  quamdiu  und 
im  Sp.  L.  verzichtet  Ammian  ganz  auf  donec,  während  die  Peregrinatio 
ad  1.  s.  es  in  der  Bedeutung  his  wiederholt  verwendet.  Da,  wo  es  = 
quamdiu  ist,  verbindet  man  es  in  direkter  Rede  nur  mit  Indikativ.  Eine 
ausschliesslich  spätlat.  Erscheinung  ist  finales  donec,  z.  B.  Lucifer  58,  27  H 
ad  hoc  te  fingis  Christinnum,  donec  vcneno  haeresis  tuae  possis  inermes 
sauciare. 

d.  Ut. 

278.  Die  Partikel  w^  begegnet  uns  in  ältester  Form  als  utei,  welches 
dann  als  nti  häufig  bei  Lucrez  und  Sali.,  sonst  aber  nur  vereinzelt  sich 
findet,  während  u  t  schon  bei  Plautus  über  uti  bedeutend  überwiegt.  Ut,  dessen 
Ableitung  zweifelhaft  ist  (vgl.  oben  Stolz,  S.  290),  hatte  ursprünglich  wohl 
lokale  Bedeutung;  in  der  entwickelten  Sprache  ist  jedoch  ut  als  eino 
Modalpartikel  anzusehen;  die  lokale  Bedeutung  hat  sich  nur  bei  Dichtern  z.  B. 
Lucil.  Catull,  Cic.  Arat.  Verg.  Ovid  erhalten,  z.  B.  Catull.  11,  2  sive  in 
extremos  2>enefrnbit  Indos,  litus  ut  longe  resonante  Eoa  tunditur  unda. 

279.  Die  relative  Bedeutung  von  tit  ersieht  man  namentlich  da,  wo 
im  Hauptsatze  die  Korrelativa  ita,  sie,  item,  itidem,  in  der  älteren  Sprache 
und  bei  Dichtern  auch  aeque,  adaeque,  pariter,  non  aliter,  non  secus,  idem 
u.  ä.  entsprechen;  häufig  jedoch  fehlen  die  Korrelativa.  Solche  mit  ut  ein- 
geleiteten Relativsätze  kommen  im  altern  Latein  auch  da  vor,  wo  die  klas- 
sische Sprache  einen  indirekten  Fragesatz  setzen  würde,  z.  B.  rem  ut  est 
cloquamur  oder  (was  in  der  Komödie  gewöhnlicher)  res  ut  factast  eloquar, 

280.  Die  Korrelation  ut  —  ita  „zwar  —  aber"  bürgert  sich  seit 
Cic.  ein,  gehört  jedoch  mehr  der  silbernen  Latinität  und  hier  hauptsächlich 

Quintilian  an. 

33* 


516  B.  Lateinische  Grammatik,    d)  Lateinische  Syntax. 

//a,  selten  sie  mit  Optativ,  im  Altlat.  auch  mit  Indic.  Fut.,  z.  B. 
Plaut.  Poen.  1219  ita  me  di  amdbunt,  vgl.  §  35,  und  korrelativem  ut  wird 
in  der  alten  wie  in  der  klassischen  Sprache  in  Schwüren  gebraucht.  Der  Modus 
des  mit  ut  eingeleiteten  Satzes  ist  der  Indikativ,  für  den  jedoch  auch  der 
Potentialis  eintreten  kann,  z.  B.  Plaut.  Poen.  289  ita  me  di  ament,  ut  malim, 
Cic.  Fam.  5,  21,  1  nam  tecum  esse,  ita  mihi  omnia,  quae  o2)to,  contingant, 
ut  vehementer  velim ;  hier  würde  malim  und  velim  auch  in  der  Parataxe  ohne 
ut  stehen.     Über  die  Parataxe  siehe  oben  §  208. 

Ut  quisque  (Lucr.  Plaut.  Cato  auch  quisquis,  Tac.  auch  quis)  und 
korrelativ  ita,  gewöhnlich  in  Verbindung  mit  Superlativen,  jedoch  auch  mit 
andern  Vergleichsgraden,  findet  sich  in  der  ganzen  Latinität;  jedoch  ist  ut 
quisque  c.  superl.  —  ita  c.  superl.  selten  im  Altlat.,  während  ui  quisquc 
c.  pos.  —  ita  {perindCf  proinde,  exinde)  c.  pos.  überall  öfters  (namentlich 
aber  bei  Sallust)  getroffen  wird. 

281.  Das  relative  ut  eignet  sich  auch  zur  Einleitung  einer  Parenthese, 
so  namentlich  bei  den  VV.  putandi  {ut  opinor)  oder  dicendi  {ut  dixi).  Es 
scheint,  dass  ut  fit  noch  nicht  bei  Plaut.,  ut  mos  est  nicht  bei  Terenz,  ut 
fere  fit  nicht  bei  Liv.  getroffen  wird.  Seit  der  klassischen  Sprache  dient 
der  parenthetische  Satz  mit  ut  zur  Bekräftigung  der  Aussage,  z.  B.  Sali. 
Jug.  69,  1  primo  uti  erat  res  Metellum  esse  rati.  Manchmal  ist  die  Paren- 
these hinweisend  auf  eine  momentane  Situation,  dies  aber  erst  mit  den 
aug.  Dichtern,  z.  B.  Ovid  und  ihren  Nachahmern,  z.  B.  Ovid.  met.  12,  324 
collo  fraxint^,  ut  casu  iacuit  resupinus,  adacta  est.  Durch  den  Zusammen- 
hang kann  die  Parenthese  auch  kausale  Bedeutung  annehmen,  z.  B.  Hör. 
sat.  1,  9,  42  ego,  ut  contendere  durumst  cum  Victore,  sequor;  als  reine 
Kausalpartikel  erscheint  ut  nur  bei  den  Komikern,  z.  B.  Plaut.  Truc.  2,  7,  22 
pallidast,  ut  peperit  puerum. 

Das  relative  ut  dient  auch  dazu,  den  Standpunkt  bei  der  Beurteilung 
einer  Sache  zu  bezeichnen;  dies  findet  sich  oft  in  der  alten  Sprache,  aber 
auch  bei  Cic,  besonders  in  epp.,  bei  Horaz  z.  B.  sat.  1,  9,  4  suavite.r 
ut  nunc  est  Oft  beschränkt  es  bei  Adj.  und  Adv.  die  Giltigkeit  des  Urteils, 
seltener  in  der  älteren  Sprache,  als  in  der  klass.  und  bei  Liv.,  z.  B.  2,  63,  G 
in  urhem  Antium,  ut  tum  res  erant,  opuUntissimam, 

282.  Beim  relativen  ut  kann  auch  das  Verb  fehlen;  dabei  ist  be- 
merkenswert das  seit  Ter.  u.  Cato  übliche  ut  qui  oder  ut  quom  mit  Superl. 
z.  B.  Ciceronis,  ut  qui  maxime,  amicus,  ferner  das  gleichfalls  mit  Ter.  be- 
ginnende ut  si.  Selten  ist  ut  —  iia  mit  Komparationsgraden  ohne  Verb, 
häufig  das  parenthetische  ut;  in  seiner  kausalen  Färbung  gehört  es  vor- 
zugsweise der  Prosa  seit  Cicero  und  hier  wieder  besonders  Liv.  an,  der  es 
auch  einem  Abi.  abs.  vorsetzt.  Ut  vor  präpositionalen  Ausdrücken,  nament- 
lich vor  den  mit  Vokalen  anfangenden  Präpos.,  lesen  wir  bei  Cic.  Caes. 
Sali.,  am  häufigsten  aber  bei  Liv.  u.  Tac,  z.  B.  Germ.  22  crebrae,  ut  intcr 
vinolcntos,  rixae, 

283.  Durch  Gemination  von  ut  (nach  Wölfflin)  oder  Anfügung  von 
quomquc  entstehen  die  verallgemeinert  relativen  Partikeln  utut  und  iitcumque. 
Das  erstere  findet  sich  oft  bei  Plaut,  und  Ter.,  meist  mit  Formen  von  esse 
veibunden,  ganz  selten   bei  Cic,    vielleicht  Verr.  2,  1,  5,  Att.  15,  25  und 


2.  Der  zusammengesetzte  Satz:   d.  Die  ünterordnimg.  (§281—285.)        517 

15,  26,  aber  nirgends  in  sicherer  Überlieferung,  noch  seltener  in  der  Folge- 
zeit. Utcumque  treffen  wir  oft  bei  Cic,  aber  nur  in  der  Bedeutung  je 
nachdem,  z.  B.  Fin.  5,  11  utcumque  res  postularet,  ebenso  bei  den  aug. 
Dichtern,  in  der  Bedeutung  wie  auch  immer  bei  Liv.,  im  silb.  Latein.  Bei 
Plaut,  und  Horaz  wird  utcumque  Temporalkonjunktion  ==  ut  primumf  z.  B. 
Plaut.  Poen.  754  uiquamquest  ventus,  cxim  velum  vortitur  (so  Wölfflin; 
aber  Hirschfelder  nimmt  utcumque  bei  Horaz  lokal,  vgl.  Z.  f.  6.  W.  1869 
p.  355,  und  Landgraf  bei  Plautus  vergleichend,  vgl.  zu  Reisig-Haase  p.  222). 
284.  Aus  Gell.  2,  29,  4  nidulatur  in  segetibus  id  ferme  temporis, 
ut  appetat  mcssis  sehen  wir,  wie  aus  dem  relativen  ut  sich  das  temporale 
entwickelt.  Dies  erscheint  nur  in  der  Form  ut  und  wird  im  Altlat.  zu- 
meist mit  dem  Perfekt,  selten  mit  Präs.,  Imperf.  und  Plusq.  verbunden;  die 
meisten  Beispiele  finden  wir  bei  Plaut.,  bei  Ter.  ist  das  temporale  ut  sehr 
selten;  denn  allmählich  gewinnt  quam  die  Oberhand  über  das  ihm  nahe 
verwandte  und  seit  Terenz  mit  ihm  konkurrierende  ut  In  der  klassischen 
Sprache  und  später  nimmt  ut  teil  an  allen  Eigentümlichkeiten  von  post 
quam;  nur  das  mag  bemerkt  werden,  dass  Sali,  ut  nur  einmal  und  zwar 
in  den  Hist.,  Tac.  es  selten  braucht,  dass  Vell.  u.  Flor,  es  nur  mit  Perf. 
verbinden,  dass  dagegen  Caes.  wiederholt  darauf  das  Plusq.  folgen  lässt, 
wie  auch  Nepos  und  Verg.  in  je  einem  Falle;  die  meisten  Beispiele  für  ut 
c.  Plusq.  bietet  Liv.,  der  auch,  abgesehen  von  dem  vielbesprochenen  Ter. 
Hec.  378  iam  ut  limen  cxirem  ad  genua  accidit,  zuerst  ut  mit  dem  Konj., 
aber  dem  der  Wiederholung,  verbindet. 

Anmerkung.  Die  Zusammenstellung  statim  ut  ist  klass.,  z.  B.  Cic.  de  orat.  2,  313 
quae  non  statim,  ut  dici  coepta  est,  meliar  fiei-i  videtur,  hat  sich  aber  bis  ins  Spätlat.  er- 
halten; dasselbe  gilt  für  simul  ut.  khev  mox  ut  ist  ausschliesslich  spätlat.,  z.  B.  bei  Apoll. 
Sidon,  in  der  Peregrinatio  ad  loca  sancta,  oft  bei  Orosius  u.  sonst. 

28Ö.  Das  konsekutive  ut  wird  mit  dem  Konj.  verbunden;  dies 
kommt  daher,  weil  nur  durch  den  Konj.  im  Nebensatz  ausgedrückt  werden 
kann,  dass  der  letztere  die  Haupthandlung  nach  den  sie  begleitenden  oder 
ihr  folgenden  Umständen  bestimmt.  Erst  ganz  spätlat.  z.  B.  beim  Juristen 
Dorotheus,  besonders  nach  adco,  ferner  bei  Lucif.  Calar.  folgt  nach  konse- 
kutivem ut  der  Indikativ,  z.  B.  4t),  13  adeo  impos  mentis  fuerat  (actus, 
ut  diabolo  servire  maluit;  dies  gehört  der  Zeit  an,  wo  quia,  quoniam,  ne 
vor  den  Acc.  c.  inf.  treten,  also  alles  Gefühl  für  richtige  Unterordnung 
geschwunden  war.  Das  konsekutive  ut  findet  sich  in  der  ganzen  Latinität; 
es  hat  im  Hauptsatze  mancherlei  Korrelative,  von  denen  m  tantum  vom 
silb.  Latein  bis  herab  ins  Spätlat.  gelesen  wird,  während  adeo  non  nur  bei 
Sali.  Liv.  Vell.  Curt.,  nicht  bei  Cic.  Caes.  gefunden,  usque  co  bei  Ter. 
und  Cicero,  co  c.  gen.  nicht  bei  Cic.  Caes.,  aber  bei  Sali.  Nep.  und  oft  in 
der  silbernen  Latinität,  huc  c.  gen.  ausschliesslich  bei  Val.  Max.  Tac.  Curt. 
angetroffen  wird.  Sehr  häufig  aber  ist  das  Korrelativ  im  Hauptsatze  aus- 
gelassen. 

Die  vielbeliebte  Verbindung  tantum  abcst  ut  —  ut  findet  sich  im  Alt- 
lat. nicht,  auch  nicht  bei  Caes.  Sali.  Tac.;  dagegen  steht  sie  öfter  bei  Cic. 
und  Liv  ,  vereinzelt  bei  Val.  Max.  Suelon.  Die  vollständige  Formel  tantum 
abest  ab  eo  ut  —  ut  lesen  wir  nur  Cic.  Tusc.  1,  76  und  Liv.  25,  6,  11; 
am  häufigsten   ist  tantum  abest  ut  —  ut  und  zwar  unpersönlich  (persönlich 


518  B.  LateixÜBohe  Grammatik,    d)  Lateinische  Syntax. 

nur  b.  Alex.  22,  1),  selten  (dies  auch  bei  Nepos)  tmüum  absum  ab  .  .  . 
ut,  wo  die  präpos.  Wendung  den  ersten  f/featz  vertritt;  eine  bemerkens- 
werte Parataxe  hat  Cicero  und  zwar  er  allein,  z.  B.  Att.  13,  21,  5  tantum 
aberat  ut  binos  scriberefit:  vix  singulos  confecerunt 

Der  Umgangssprache  eigen  sind  Konsekutivsätze  mit  Ellipse  des  Verbs, 
z.  B.  Cic.  Fam.  13,  1,  5  Attktis  sie  a  me  hoc  contendU,  tU  nihü  unquam 
magis  (sc.  contenderit). 

Während  non  in  Konsekutivsätzen  die  regelrechte  Negation  ist,  finden 
wir  doch  aber  auch  ut  ne,  natürlich  nur  da,  wo  in  der  Parataxe  ne  stehen 
müsste,  z.  B.  Varro  r.  r.  3,  16,  16  alvos  ita  conhcant,  ut  ne  affUentur 
neve  inter  se  contingant  (vgl.  oben  §  211  f.). 

286.  Das  aus  dem  konsekutiven  ut  ohne  weiteres  sich  ergebende 
kondizionale  ut,  z.  B.  Publ.  Syr.  577  rex  esse  nolim  ut  esse  crudelis  velim 
gehört  der  ganzen  Latinität  an;  der  silbernen  Latinität  ist  eigen  nisi  ut, 
wobei  nisi  mit  der  im  Hauptsätze  liegenden  Negation  eine  Bejahung  er- 
giebt,  z.  B.  Suet.  Cal.  23  aviae  Antoniae  secretum  petenti  denegavit,  nisi  ut 
interveniret  Macro  praefectus. 

287.  Das  finale  ut  wird  gleichfalls  ausschliesslich  mit  dem  Kon- 
junktiv verbunden,  der  hier  den  Willen  oder  die  Erwartung  bezeichnet; 
aus  dem  oben  §  208  zitierten  >wa«e  sis  videam  wird  matie  sis  ut  videam, 
wobei  ut  als  relative  Partikel  den  Begriff  des  Hauptverbums  wieder  auf- 
nimmt „bleibe,  durch  welches  Bleiben  ich  sehen  möchte^.  Hieraus  erklärt 
sich  auch,  dass  Plaut.  Ter.  Sali.  z.  B.  Cat.  58,  3  quo  monerem,  simul  uti 
aperirem^  Hör.  Ov.,  selbst  Cic.  quo  (bezw.  qui)  final  verwenden;  es  ist  dies 
quo  vollständig  =  dem  aus  dem  lokativischen  uti  zur  Modalpartikel  ge- 
wordenen ut,  z.  B.  Ter.  Andr.  472,  PI.  Pseud.  87.  Die  im  Hauptsatze  oft- 
mals hinzutretenden  demonstrativen  Ausdrücke  wie  idcirco,  eo  etc.  sind 
später  hinzugekommene  Zusätze,  ohne  jedoch  auch  da  unentbehrlich  zu  sein. 

Die  Negation  nach  finalem  ut  ist  ne,  und  so  findet  sich  ut  ne  von 
Ennius  bis  Gellius,  jedoch  nicht  bei  allen  Schriftstellern;  viele  wie  Caes. 
Sali.  Liv.  behalten  die  ursprüngliche  Parataxe,  wobei  ne  allmählich  selbst 
konjunktionale  Bedeutung  annahm,  bei  (vgl.  §  211);  Cicero  macht  einen 
Unterschied  zwischen  ne  und  ut  ne,  indem  letzteres  die  Absicht  als  aus- 
drückliche, geflissentliche  und  direkte  bezeichnet;  daher  erklärt  sich  auch, 
dass  ut  ne  in  der  feierlichen  Sprache  der  Gesetze  seine  Stelle  hat. 

Das  finale  ut  steht  auch  in  Parenthesen;  bemerkenswert  ist,  dass  die 
silberne  Latinität  (Quint.  Plin.  Tac.)  hier  den  Potent,  perf.  braucht,  z.  B. 
ut  sie  dixerim. 

Schliesslich  sei  erwähnt  die  Verbindung  von  Fragesatz  und  Finalsatz, 
z.  B.  Ter.  Eun.  570  quid  ex  ea  re  ut  caperes  commodi?  dann  Cic.  nat.  deor. 
3,  74  quid  ut  iudirxtur.  Die  gleiche  Konstruktion  treffen  wir  auch  bei  Liv. 
und  Plin.  mai.  Aber  schon  bei  Cic.  Att.  7,  7,  7  lesen  wir  die  Formel  ut 
quid  ohne  Verbum,  ebenso  bei  Martial  (3,  77,  10  ut  quid  cfiim?);  häufig 
aber  wird  sie  erst  in  der  Itala  und  so  bei  den  eccl.,  wo  der  Einfluss  des 
Iva  II  unverkennbar  ist;  hier  hat  sie  geradezu  die  Bedeutung  von  warum, 
z.  B.  Hier.  ep.  22,  37  ut  quid  tniJii  lemna/zs.^  Vgl.  noch  Wölfflin,  Archiv  IV 
p.  617. 


2.  Der  zusammengesetzte  Satz:  d.  Die  ünterordnnng.  (§  286-290.)        519 

288.  Aus  ursprünglichem  iam  faxo  hie  erunt  oder  iam  faxo  paeniteat 
hat  sich  faciam  ut  fateare  u.  ä.  entwickelt.  Während  nun  fa^^  mit  blossem 
Konj.  sich  namentlich  im  Briefstil  erhalten,  z.  B.  fac  me  anies,  ist  seit 
Plaut,  facio  ut  üblich  geworden,  oft  zur  Umschreibung  oder  Vermeidung 
eines  wenig  üblichen  Nomens,  z.  B.  fcci  ut  ekerem  =  feci  ciectionem.  So- 
bald einmal  facio  ut  aufgekommen  war,  nahmen  an  dieser  Konstruktion 
alle  seine  Komposita  und  Synonyma  Anteil,  jedoch  so,  dass  manche  erst 
später  in  der  Litteratur  auftreten,  z.  B.  ohtineo  erst  mit  Liv.,  extundo  mit 
Val.  Max.,  emercor  mit  Tac,  enio  mit  Justin  u.  ä.  Ganz  ebenso  verhält 
es  sich  mit  fit  und  den  ihm  synonymen  Impersonalien;  dabei  ist  potest 
=  „es  ist  möglich**  in  der  Komöd.  und  in  Cic.  epp.  zu  bemerken,  z.  B. 
Plaut.  Pseud.  378  j^otin  ut  abeiis.  Wie  das  einfache  est  werden"  auch  Ver- 
bindungen wie  jf^ope  est,  in  eo  est,  abest  mit  ut  konstruiert,  freilich  selten 
in  der  klassischen  Sprache,  während  dagegen  reliquum  estj  extremum  est, 
proximum  est,  tertium  est  (nirgends  jedoch  xmmuin  est)  gerade  bei  Cic.  gerne 
einen  Satz  mittels  ut  sich  anfügen  lassen.  Auffallend  ist  ut  nach  verum, 
falsum,  vcrisimilc  non  est  u.  ä.,  Konstruktionen,  die  besonders  bei  Cic.  ge- 
troffen werden,  selten  in  der  spätem  Zeit,  ganz  vereinzelt  im  Altlat. ;  dies 
ist  zu  erklären,  z.  B.  „credibile  est  ut  der  Fall  ist  denkbar,  verum  est  ut 
es  ist  wirkliche,  faktische  Thatsache**. 

289.  Wenn  Cic.  fin.  4,  80  sagt  fuinc  primam  a  te  exigam  operam,  ut 
audias  nie  refelle^item,  so  ist  dies  hervorgegangen  aus  hatte  primam  operam 
exigam:  atidias  me  refellentem,  wobei  der  zweite  Satz  zur  Erklärung  von 
hanc  operam  dient.  Dies  ist  nun  eine  schon  im  Altlat.  sehr  verbreitete 
Funktion  von  ut,  dass  es  Sätze  anfügt,  die  einen  substant.,  adj.  u.  ä.  Aus- 
druck näher  erklären,  die  Konstruktion  hat  sich  erhalten  und  ist  bei 
manchen  Schriftstellern,  z.  B.  Livius,  besonders  häufig.  Eine  bemerkenswerte 
Zusammendrängung  zweier  Redeformen  haben  wir,  wenn  auf  sequitur,  ad- 
diicor,  asscntior,  concedo  ein  Satz  mit  ut  folgt,  z.  B.  Cic.  leg.  2,  11  assen- 
tior,  ut,  quod  est  rectum  vcrumque,  aeternum  quoque  sit ;  übrigens  lässt  sich 
eine  gewisse  Ähnlichkeit  der  letztern  Satzfügung  mit  verum  est  ut  u.  ä. 
nicht  leugnen;  die  Konstruktion  selbst  ist  vorzugsweise  Cicero  eigen,  vor- 
und  nachklassisch  lassen  sich  kaum  vereinzelte  Spuren  (nicht  bei  Plaut., 
aber  bei  Ter.,  Hör.)  nachweisen. 

290.  Nach  den  Verben  der  Willensrichtung  ist  frühe  schon  ein  Satz 
mit  ut  angefügt  worden;  die  Analogie  dehnte  sich  sogar  auf  spero  (Plaut. 
Liv.  Sen.  Just.,  nicht  Cic.  Caes.  Sali.  Tac),  visum  est  (Cic.  nur  ad  Att.  12, 
51,  2),  iubco  (Plaut.  Liv.  Hör.  Tac,  bei  Cic.  nur  im  offiziellen  Stile),  dico, 
prohibco  bei  Capitol.  Maxim.  28,  7,  Augustin.  und  anderen  Sp.  L.,  impedio 
bei  Augustin.  aus.  Nach  video  ist  namentlich  bei  den  Kom.  und  in  Cic. 
epp.  ein  Satz  mit  ut  in  der  Aufforderung  zu  finden^  nach  eaveo,  wenn  es 
heisst  „darauf  achten**,  so  von  Plaut,  bis  Suet.,  namentlich  auch  im  Juristen- 
latein. Wie  die  VV.  merendi  kann  auch  dignus  sum  mit  tU  konstruiert 
werden;  dies  findet  sich  jedoch  nur  bei  Plaut.  Liv.  Quint.  Ebenso  unklas- 
sisch ist  deprccor,  comjirecor,  veneror  (Tac.  bist.  4,  58),  fatigo  (Sali.  Jug. 
11,  4),  posco  (mit  ut  erst  seit  Liv.  konstruiert),  exhortor,  inelino  u.  ä.  Auch 
nach  den  Subst.  der  Willensrichtung,  z.  B.  voluntas,   cupiditas,   spes   u.  ä. 


520  B.  Lateinische  Qrammatik.    d)  Lateinische  Syntax. 

findet  sich  allenthalben,  namentlich  auch  bei  Cic.  ein  Satz  mit  ut.    Über  td 
nach  den  V.  timendi  ist  oben  §  211  gesprochen. 

291.  Ein  Satz  mit  konzessivem  Konjunktiv  z.  B.  sint  sane  ista  bona: 
tarnen  laetUia  turpis  est  wurde  auch  mittels  ut  dem  Hauptsatze  angefügt, 
zuerst  bei  Terenz  (nur  Hec.  296),  dann  aber  namentlich  bei  Cic.  Liv.  Quint. 
Curt.  Tac.  Flor.  Phrasenhaft  wurde  in  der  Umgangssprache,  so  bei  Cic. 
Att.,  ut  aliud  nihil  (Att.  7,  3,  1). 

€.  Ubi. 

292.  Ubi  (altlat.  auch  ubei  und  übe)  ist  ein  Lokativ  vom  Relativ ^ 
und  wird  so  allenthalben  geradezu  für  das  Relativ  gebraucht,  z.  B.  Plaut. 
Mi.  2,  1,  40  naveni  illam,  ubi  vectus  fui.  Demgemäss  vertritt  auch  ubiubi 
und  ubicumque  die  entsprechenden  Formen  des  verallgemeinernden  Relativ- 
pronomens. Ubiubi  ist  altlat.  bei  Plaut,  und  Ter.  und  taucht  dann  erst 
wieder  bei  den  Archaisten,  z.  B.  Fronte,  auf  und  erhält  sich  vereinzelt  im 
Sp.  L.  Ubicumque  ging  von  Plaut,  und  Ter.  auch  auf  Cicero  und  Caes. 
über  und  erhielt  sich  dann  im  silb.  und  spätem  Latein.  Über  die  lokale 
Bedeutung  ist  weder  ubiubi  noch  ubicumque  hinausgegangen. 

Entsprechend  seiner  engen  Verwandtschaft  mit  dem  Relativpronomen  wird 
ubi  oft  ganz  wie  das  letztere  mit  dem  Konjunktiv  verbunden,  wie  derselbe  in 
Relativsätzen  konsekutiver,  finaler  etc.  Bedeutung  üblich  ist,  z.  B.  Sali.  Cat.  54,  5 
sibi  magnum  Imperium  exoptabat,  ubi  virtus  cnitescere  posset  {=  in  quo  passet). 

Dann  wurde  ubi  in  gebräuchlicher  Übertragung  auf  die  Zeit  ver- 
wendet, Z.B.Ter.  Andr.  631  ubi  tempust  promissa  iam  perfici,  tum  coacti 
necessario  se  a^yeriunt.  Daraus  entwickelte  sich  die  Bedeutung  einer  tem- 
poralen Konjunktion,  welche  schon  bei  Plaut,  angetroffen  wird.  Hier  ver- 
bindet sich  ubi  mit  Praes.,  mit  Perf.,  auch  mit  Imperf.  u.  Plusq.  Indikat., 
jedoch  ganz  selten  mit  letzteren  beiden;  von  quam  unterscheidet  es  sich  in 
der  Weise,  dass  quom  da  steht,  wo  der  Zeitbegriff  stark  hervorgehoben 
wird,  während  bei  ubi  das  räumliche  Moment  der  Bedeutung  vorwiegt.  Bei 
Terenz  ist  der  Gebrauch  fast  ganz  derselbe,  nur  dass  hier  ubi  mit  Praes. 
seltener  als  bei  Plaut,  angetroffen  wird.  Mit  Beginn  der  klassischen  Zeit 
treffen  wir  ubi  wieder  in  gleicher  Konstruktion,  allein  bei  Cicero  wohl  nie 
mit  Imperf.  u.  Plusq.,  bei  Caes.  je  einmal,  wiederholt  bei  Sali.,  bei  Liv.  u. 
Tac,  nicht  bei  Nepos  und  Horaz,  zweimal  bei  Vergil.  Sonst  mag  bemerkt 
werden,  dass  ubi  mit  Präs.  der  Verba  sent.  sich  oft  bei  Sali.,  welcher  es 
überhaupt  sehr  bevorzugt,  findet,  dass  Vell.  es  im  verallgemeinernden  Sinne 
mit  Konj.  Imp.  oder  Plusq.  verbindet,  dass  Florus  die  Liebhaberei  des  Sali., 
so  besonders  ubi  videt,  übernommen  hat,  dass  Tac.  sowohl  den  Indic.  als 
auch  den  Konj.  Plusq.  zur  Bezeichnung  der  wiederholten  Handlung  ver- 
wendet. Im  ganzen  ist  der  Konj.  nach  ubi^  abgesehen  von  dem  mit  der 
silbernen  Latinität  sich  einbürgernden  Iterativus,  sehr  selten  und  kaum 
irgendwo  durch  die  Unterordnung  veranlasst,  also  in  relativer  Zeitgebung, 
eher  in  manchen  Stellen  durch  Modusangleichung  und  oratio  obliqua  oder 
durch  das  Streben  nach  Abwechslung  und  die  Unsicherheit  im  Modusge- 
brauch, so  im  Sp.  L.,  z.  B.  bei  Ammian. 

')  Vgl.  jedoch  oben  Stolz  S.  290. 


2.  Der  zuBammengesetzte  Satz:  d.  Die  ünterordnimg.  (§291  -294.)        521 

t.  Quoad. 

293.  Das  lokativische  quo  ist  in  Verbindung  mit  ad  zur  Konjunktion 
geworden  quond;  doch  schrieb  noch  Afranius  ad  quo.  Die  Form  qua 
ad  wird  wohl  aus  quad  durch  orthographische  Distraktion  entstanden  sein, 
und  so  darf  man  neben  quo  ad  kein  gleichbedeutendes  qua  ad  annehmen 
(so  Jordan;  Keil  indes  schreibt  in  seiner  Yarroausgabe  fast  überall  qun  ad). 

Quoad  besitzt  ursprünglich  lokative  Bedeutung  =  bis  tvohin  =  soweit. 
Gerade  wie  unser  soweit  in  gedachten  räumlichen  Verhältnissen  gebraucht 
wird,  so  auch  quoad;  Vitruv  kennt  nur  diesen  Gebrauch,  vgl.  99,  6  quoad 
jwtui  attingere,  exposui.  Viel  häufiger  ist  jedoch  die  Verwendung  von  quoad 
in  temporalem  Sinne,  und  es  ist  interessant  zu  beobachten,  wie  dum,  donec 
und  quoad,  welche  sich  in  ihrem  Gebrauche  nicht  wesentlich  unterscheiden, 
bald  Lieblingswörter  einzelner  Schriftsteller  sind,  bald  wie  es  scheint  ab- 
sichtlich gemieden  werden.  So  findet  sich  quoad  gar  nicht  bei  Plin.  n.  h., 
quoad  =  „so  lange  als*  nicht  bei  Terenz,  quoad  —  „bis**  nicht  bei  Tac; 
Varro  braucht  quo  ad  ganz  vereinzelt  in  den  libb.  de  1.  1.,  sehr  häufig  in 
den  libb.  de  r.  r.,  in  welch  letzteren  er  dagegen  dotiec  nicht  zulässt;  von 
Dichtern  haben  es  ausser  den  Komikern  nur  Lucr.  und  Horaz  und  der 
letztere  auch  nur  in  der  aus  Inschriften  als  stereotyp  bekannten  Formel 
quo  ad  vixit  (sat.  2,  3,  91)  verwendet;  während  Tac.  eine  besondere  Vor- 
liebe für  donec  hat,  bevorzugt  Apul.  umgekehrt  quoad,  und  Ammian  braucht 
nur  quoad,  nie  donec.  Im  ganzen  bekommt  man  den  Eindruck,  dass  die 
schon  in  ihrer  Zusammensetzung  auffallende  Partikel  mehr  der  gewöhnlichen 
Sprache  angehörte,  als  der  gewählteren  Diktion.  Die  Modusgebung  ist  wie 
bei  donec,  nur  dass  in  der  nachtaciteischen  Latinität  der  Konjunktiv  auch 
da  erscheint,  wo  bei  quoad  „bis"  an  eine  Absicht  nicht  zu  denken  ist. 

Anmerkung.  Für  quoad  eins  fieri  possit  ist  vielmehr  quod  e.  f.  p,  zuschreiben 
und  bo  überall,  wo  diese  Formel  oder  eine  Variation  derselben  vorkommt;  dieses  quod 
zeigt  uns  recht  eigentlich  den  Übergang  vom  Pronomen  zur  Konjunktion,  wie  Jobdan,  Kr. 
Boitr.  p.  830,  nachgewiesen  hat.  Über  quou8qu£  und  quondusque^  vgl.  ZusHtze  u.  Berichtigungen. 

1],  Quatenus. 

294.  Quatenus  hat,  wie  schon  Festus  p.  248,  32  erklärt,  die  Bedeu- 
tung qua  fine.  Sein  ursprünglicher  Gebrauch  ist  daher  ein  lokaler,  und  so 
steht  es  vielleicht  schon  in  einer  Rede  des  Scipio  Africanus  quatenus  castra 
nostra  ita  munita  erant,  ut.  Die  klass.  Sprache  kennt  diesen  Gebrauch 
nicht,  wohl  aber  Vitr.  und  Liv.  und  in  der  Folgezeit  die  Geographen, 
Geometer  etc.  bis  ins  späteste  Latein  herab.  Dagegen  hat  Cic.  quatenus, 
wo  eine  Handlung  als  räumlich  sich  ausdehnend  gedacht  wird,  z.  B.  Lael.36 
videamus,  quatenus  amor  in  amieiiia  progrcdi  dcbeat;  hierin  folgten  ihm 
Ovid.  Liv.  Sen.  ep.  Quint.  Petron  und  Spätere.  Das  temporale  qua- 
tenus  treffen  wir  gleichfalls  bei  Cic,  z.  B.  Phil.  14,  14  quatenus  Imherem; 
Nachahmung  fand  er  darin  nur  bei  Val.  Max.  und  im  Sp.  L.  Kausales  qua- 
tenus (welches  die  Grammatiker  quatinus  geschrieben  wissen  wollten)  hat 
zuerst  Lucrez  2,  927,  dann  Horaz  u.  Ovid.,  Val.  Max.  zuerst  in  Prosa, 
hierauf  Quintil.  Plin.  min.  Tac.  Suet.  Flor.,  im  Sp.  L.  die  Afrikaner  u.  a. 
Nur  der  späteren  Latinität  gehören  an  quatenus  =  quomodo  bei  Tertull. 
Lact.  Hilar.  Firm.  Mat.  u.  a.;  für  finales  quatenm  ist  gleichfalls  Tert.  der 
erste  Gewährsmann,  konsekutives  quatenus  tritt  gegen  Ende  des  IV  saec. 


522  B.  LateiniBche  Grammatik,    d)  Lateinisohe  Syntax. 

auf.  Als  Ersatz  für  den  Acc.  c.  inf.  kommt  quaienus  nicht  vor  dem  VI  saec. 
vor.  Wir  ersehen  daraus,  dass  quatenns  erst  im  Sp.  L.  weiter  um  sich 
greift  zur  Entlastung  von  ut.  Bemerkenswert  ist,  dass  Varro  Caes.  SaU. 
Verg.  Sen.  rhet.  Lucan  u.  a.  es  gar  nicht  kennen,  dass  es  keinen  Schrift- 
steller giebt,  der  sich  alle  Anwendungen  der  Partikel  nebeneinander  ge- 
stattet hätte  und  dass  die  ursprünglichen  Bedeutungen  von  quatentis  gegenüber 
den  neu  entstandenen  zurücktreten.  Über  quousque  für  quatentis  vgl.  Zusätze. 

^.  Si. 

295.  Si  ist  eine  lokative  Partikel,  ursprünglich  sei  lautend.  Durch 
Anfügung  des  deiktischen  ce  wird  sie  daraus.  Beide  treten  in  Korrelation, 
und  zwar  so,  dass  sie  in  den  Nachsatz  kommt;  diese  ursprüngliche  Kon- 
struktion hat  sich  in  der  Sprache  des  Volkes  erhalten,  z.  B.  bei  Cic.  Att. 
12,  38,  2  sie  seribes  aliquid,  si  vaeabis,  Hör.  ep.  1,  7,  69  sie  ignovisse 
ptitato,  si  ecjias  hodie  meeum,  Apul.  met.  3,  3,  5  sie  salvi  recedeniuSy  si 
salvtim  in  domo  neminem  reliquerimus;  wir  brauchen  im  Deutschen  in  gleicher 
Weise  unser  so,  z.  B.  ^o  du  heute  mit  mir  speisest,  so  darfst  du  glauben. 
Wie  nun  aber  das  im  Hauptsatze  stehende  so  wegbleiben  kann,  so  auch 
sie,  also  seribes  aliquid,  si  vaeabis.  Oder  sie  wird  durch  sinnverwandte 
Wörter  ersetzt,  z.  B.  PI.  Asin.  242  si  adfers,  tum  patent;  diese  Art  der 
Wechselbeziehung  hat  sich  bis  zur  augusteischen  Zeit  erhalten  und  wird 
von  da  ab  nur  in  Formeln,  also  z.  B.  Liv.  22,  53,  115«  seiens  fallo^  tum 
me  Iu]}piter  pessimo  leto  afßciat  gefunden.  Eine  Korrelation  mit  igitur 
ist  schon  in  den  XII  tab.  zu  treffen  und  so  bis  auf  Cicero,  während  sonstige 
kausale  Partikeln  in  negativem  Hauptsatze  erst  seit  der  klassischen  Zeit 
mit  si  in  Korrelation  gesetzt  werden.  Die  Beziehung  von  si  auf  ein  voraus- 
gehendes ita,  z.  B.  Cic.  sen.  11  itu  cnim  senectus  honesta  e^t^  si  se  ij^sa 
defcndit  ist  bei  Cicero,  später  nur  wenig  üblich.  So  ist  auf  dem  Wege 
der  Korrelation  das  ursprünglich  demonstrative  si  zur  relativen  Konjunktion 
geworden,  und  aus  dieser  Art  der  Korrelation  zweier  Sätze  ist  die  hypo- 
thetische Periode  hervorgegangen. 

296.  Wenn  in  beiden  Gliedern  der  sog.  hypothetischen  Periode  der 
Indikativ  steht,  so  sind  hinsichtlich  der  Tempora  verschiedene  Kombina- 
tionen möglich:  sehr  selten  ist  si  c.  Praes.  —  Iinperf.  und  nur  mehr  bei 
Ter.  und  Lucrez,  vereinzelt  bei  Cic.  beobachtet;  si  c.  Präs.  —  Fut.  ist  vor 
und  nach  Cic.  üblicher  als  .s*  c.  Fut.  —  Fut.;  letzteres  überwiegt  bei  Cicero 
und  bei  den  Verfassern  von  Lehrbüchern,  also  bei  Cato,  Cornificius,  Cic.  inv., 
Vitruv.  Quintil.;  si  c.  Fut.  —  Praes.  ist  selten  in  allen  Zeiten,  findet 
sich  nicht  bei  Varro  Sali,  und  vielen  Sp.  L.  Selten  ist  ferner  si  c. 
Fut.  exact.  —  Fut.  exact.,  aber  doch  bei  Plaut,  schon  und  dann  besonders 
bei  Cic.  vertreten,  ebenso  si  c.  Perf.  —  Fut.  und  zwar  erst  seit  Cic. 
beobachtet;  si  c.  Indic.  Imperf.  ist  bei  Cic.  wohl  nur  in  den  Erstlings- 
schriften zu  finden,  si  c.  Plusq.  —  Imperf.  ist  nur  vorklassisch  und  dann 
bei  Sali.,  sowie  N.  Kl.  bei  Juvenal  belegt,  si  c.  Fut.  I  oder  II  —  Perf.  log. 
besonders  bei  Plaut,  u.  Ter.,  ganz  selten  bei  Cic,  z.  B.  Verr.  3,  62  nisi 
res  illa  manifesta  erit  adlata,  vicimus,  si  c.  Fut.  II  —  Präs.  bei  Plaut., 
z.  B.  Poen.  671  rex  sum,  si  ego  illum  ad  me  adlexero. 


2.  Der  zasammengeseizte  Satz:  d.  Die  ünterordnnng.  (§  295-298.)        52B 

297.  Steht  in  beiden  Gliedern  der  Koni.,  so  ist  folgendes  zu  bemerken: 
Ursprünglich  hatten  die  Konjunktive  der  einzelnen  Zeiten  die  ihren  Judi- 
kativen entsprechende  temporale  Geltung.  Daher  bezog  sich  si  haberem, 
darem  nur  auf  die  Vergangenheit  als  Potentialis  der  unvollendeten  Hand- 
lung im  Präteritum  und  si  dem,  habeam  wurde  auch  für  den  Irrealis  der 
Gegenwart  gebraucht.  Dies  können  wir  noch  bei  Plautus  konstatieren. 
Im  Interesse  der  Deutlichkeit  aber  war  eine  Verschiebung  notwendig;  so 
konkurrierte  bald  Konj.  Imp.  in  irrealen  Bedingungssätzen  mit  dem  Konj. 
Präs.,  und  schliesslich  verdrängte  er  ihn  ganz  und  Hess  ihm  nur  das  Gebiet 
des  Potentialen;  damit  war  das  Präteritum  ins  Präsens  verschoben,  was 
in  der  klass.  Zeit  sich  bereits  vollzogen  hatte;  was  also  bei  Plaut.  Aul.  523 
compellarem  ego  illum^  ni  metuam  heisst,  würde  bei  Cicero  allocutus 
cuw  essem,  nisi  mctuerem  lauten;  demnach  trat  an  Stelle  des  Konj.  Präs. 
der  Konj.  Imperf.,  an  Stelle  des  letzteren  der  Konj.  Plusq.  und  beide  er- 
halten nunmehr  den  Begriff  der  Nichtwirklichkeit,  der  ihrer  Grundbedeutung 
durchaus  ferne  lag.  Wir  finden  daher  bei  Cicero  nur  noch  wenig  Anklänge 
an  präteritales  si  habcreni^  und  noch  weiter  ist  letzteres  bereits  bei  Livius 
zurückgetreten.  Anders  wird  es  erst  im  Sp.  L.,  wo  die  Archaisten  die 
ältere  Sprach  weise  wieder  aufnehmen  und  die  Afrikaner  infolge  des  Ein- 
flusses der  semitischen  Tempora  dieselben  Formen  in  präteritalem,  präsen- 
tischem, ja  sogar  futuralem  Sinne  nehmen. 

298.  Der  Indik.  Präs.  oder  Fut.  im  Nachsatz  bei  konjunktivischem 
Nebensatze  findet  sich  oft  im  Altlat.,  wenn  der  Hauptsatz  die  Verba  posse 
und  dcbere  oder  sinnverwandte  Phrasen,  z.  B.  sati%4^  est,  nielius  est  enthält 
oder  wenn  der  Nachsatz  mit  besonderem  Affekt  gesprochen  ist,  z.  B.  nugae 
siint^  nisi  .  .  dare  iam  lubeat;  vielfach  erklärt  sich  der  Konj.  des  Neben- 
satzes aus  der  ursprünglich  engen  Verwandtschaft  von  Ind.  Fut.  und  Konj. 
Präs.,  weshalb  Ind.  und  Konj.  Präs.,  sowie  Ind.  Fut.  leicht  vertauscht 
werden,  oder  aus  andern  Gründen,  z.  B.  wenn  si  =  etiamsi  oder  der  Konj. 
ein  Potential  =  man  ist  u.  s.  w.  Die  klassische  Sprache  stimmt  mit  diesem 
Gebrauche  im  wesentlichen  überein,  dagegen  nimmt  die  Zahl  der  Beispiele 
bedeutend  ab,  das  gleiche  gilt  auch  für  die  folgende  Zeit.  Tacitus  ge- 
braucht die  Konstruktion  wieder  häufiger,  aber  zumeist  in  Sätzen,  die  eine 
wiederholte  Handlung  ausdrücken  (vgl.  §  299).  Wo  man  später  noch  ähn- 
liche Fälle  findet,  gehen  dieselben  auf  allgemeine  Formeln  und  Phrasen 
zurück,  z.  B.  Apul.  Apol.  54,  dies  me  deßciet,  si  omnia  velim  persequi^ 
neues  wurde  nicht  mehr  geschaffen. 

Der  Konjunktiv  Imperf.,  welcher  mit  Aufgebung  der  präteritalen 
Natur  den  Irrealis  der  Gegenwart  vertrat,  zog  nun  auch  den  Indik.  Imperf. 
naeh  sich.  Sobald  in  dem  Satze  si  velim,  possum  für  velim  das  Imperf. 
vellem  eintrat,  musste  auch  possum  sich  ändern,  und  entsprechend  velim  — 
vellcm  bildete  sich  possum  —  poteram,  vgl.  Cic.  Quinct.  43  s^i  velles^  iam 
pridem  actum  esse  2>oterat.  Dies  fand  zunächst  nur  bei  den  Verben  des 
Könnens,  Müssens  und  Wollens  statt,  welche  ja  zur  Umschreibung  des 
einfachen  Konjunktivs  dienen,  und  bei  diesen  und  ihnen  verwandten  Phrasen 
finden  wir  den  Indik.  Präterit.  durch  die  ganze  Litteratur  von  Cicero 
bis    ins    späteste    Latein   herab,    jedoch    so,    dass    bei   Cic.   passem    über 


524  B.  Lateinische  Qrammatik.    d)  Lateinische  Syntax. 

poteram  überwiegt,  während  für  die  V.  des  Müssens  der  Indik.  die  Regel 
ist,  und  dass  bei  den  Historikern  der  Indikativ  die  meisten  Beispiele 
aufweist.  Erst  dem  gallischen  Latein  war  es  vorbehalten,  auch  andere 
Verba  zu  verwenden,  z.  B.  Gregor.  Tur.  1,  31  p.  49,  12  si  domus  wea 
digtm  esset,  praestare  non  ahmeham,  wo  abnucbam  =:  abnuerem  =■  Irrealis 
der  Gegenwart  ist.  —  Der  Indikativ  an  Stelle  des  Konj.  zur  Bezeich- 
nung des  Irrealis  der  Vergangenheit  war  gleichfalls  ursprünglich  auf 
die  genannten  Kategorien  von  Verben  beschränkt.  Aber  der  enge  Kreis 
erweiterte  sich  bald,  und  mit  Liv.,  namentlich  aber  mit  Tac.  nahmen  alle 
Verba  des  Strebens,  Begehrens,  Versuchens  u.  ä.  an  der  Konstruktion  teil,  z.  B. 
Tac.  Hist.  3,  46  iam  castra  exscindere  parahant,  ni  Mudanus  sextam  leffioncm 
opposuisset  Mit  Ammian  wird  der  Gebrauch  ganz  unbeschränkt,  indem  von 
jedem  beliebigen  Verbum  der  Ind.  Plusq.  oder  Imperf.  statt  des  Konj.  er- 
scheint, z.  B.  14,  3,  2  quod  si  impctrasset,  fulminis  modo  omnia  vastaraL 

Anmerkung  1.  Sobald  einmal  der  Konj.  Imperf.  durch  die  Verschiebung  der 
Tempora  seine  präteritale  Natur  aufgegeben,  lag  es  nahe,  ihn  auch  in  futuralero  Sinne  zu 
verwenden.  Dies  finden  wir  noch  nicht  bei  Plautus,  sondern  erst  mit  der  klass.  Zeit 
namentlich  bei  den  Historikern,  z.  B.  Liv.  22,  28,  13  videbntur,  si  iusta  ac  recta  pugna 
esset f  Iiaudquaquam  impar  futura.  Der  Hauptsatz  steht  dabei,  wenn  er  ein  V.  finitum  hat, 
im  Indikativ. 

Anmerkung  2.  Der  Indikativ  eines  Präteritums  im  Nachsätze  bei  konjunktivischem 
Vordersatze  steht  auch  in  Folge  der  Teilnahme,  welche  der  Sprechende  an  der  Sache  nimmt, 
wie  wir  dies  §  298  gleichfalls  fürs  Präsens  festgestellt,  und  zwar  schon  bei  Plaut.  Mit.  5'j 
fit  hebes  machaera  foret,  uno  ictu  occideras,  dann  bei  Cic,  z.  B.  Fam.  12,  10,  3,  auch  im 
silb.  Latein,  z.  B.  Sen.  de  ira  2,  33,  6  perierat  alter  fiUus,  si  carnifici  conviva  non  pla- 
cuisset  und  später,  wenn  auch  die  i3eispicle  nirgends  häufig  sind. 

299.  Die  nahe  Verwandtschaft  von  quom  und  si  (vgl.  unser  wann 
und  wenyi)  erklärt  uns,  dass  auch  ein  Satz  mit  si  dazu  dienen  kann,  die 
wiederholte  Handlung  zu  bezeichnen.  Dass  ursprünglich  in  solchen  Sätzen 
der  Indikativ  stand,  ist  selbstverständlich;  er  findet  sich  erhalten  bei  Cato 
p.  35,  3  J  si  qiiis  ströme  fecerat,  dondbam  Iwnestc,  Cicero  und  Caesar  ver- 
wenden zumeist  den  Indikativ;  doch  treten  bei  ihnen  die  ersten  Spuren 
des  Konj.  auf,  z.  B.  Caes.  b.  civ.  3,  110,  4  si  quis  a  domino  prehenderetur, 
consensu  miliium  eripiebatur.  In  der  nachklass.  Zeit  überwiegt  wie  bei 
quom  (vgl.  §  272),  so  auch  bei  si  der  Konj.,  und  mit  Sueton  erscheint  der 
Indik.  fast  völlig  vordrängt.  Allein  im  Sp.  L.,  z.  B.  bei  den  scr.  h.  Aug., 
kehrt  auch  der  Indik.  wieder  und  beide  Modi  werden  nun  unterschiedslos 
verwendet. 

300.  Zur  hypothetischen  Periode  gehören  auch  die  Sätze,  wo  im 
Hauptsatze  ein  Optativ  oder  Polen tialis  steht;  diese  sind  in  der  Umgangs- 
sprache besonders  häufig,  so  namentlich  in  Schwurformeln,  z.  B.  Cic.  Att. 
4,  16,  8  ne  vivani,  si  scio;  gefunden  werden  sie  ausser  bei  den  Komikern 
bei  Lucr.,  bei  Cic.  in  epp.,  bei  Horaz  in  den  Sat.,  bei  Juvenal  und  Martial; 
ferner  die  Sätze  mit  Imper.  im  Hauptsatze,  auch  vorzugsweise  der  Umgangs- 
sprache eigen,  so  z.  B.  Caes.  b.  g.  4,  25  desilite^  nisi  vultis  aqtälam  prodere. 
aber  von  Cic.  selbst  in  den  Reden  zugelassen;  steht  dabei  si  c.  Perf.,  so 
erscheint  der  Gebrauch  auf  Ter.  Sali.  Tac.  und  Juvenal  beschränkt,  was 
gewiss  ein  blosser  Zufall  ist;  wenn  aber  si  c.  Fut.  vorausgeht,  so  ist  be- 
sonders der  Imper.  fut.   gebräuchlich,   namentlich  in   Gesetzen,   Verträgen, 


2.  Der  ziiBammengeaetzte  Satz:  d.  Die  Unterordnung.  (§299—302.)        525 

und  dementsprechend  in  gemessener  Weisung,  häufiger  bei  Plaut,   als  bei 
dem  feineren  Terenz,  oft  bei  Cic,  zumeist  jedoch  nur  in  epp.  ad  Att. 

301.  Die  periphrastische  Form  des  Verbs  hat  ein  kondizionales  Ele- 
ment in  sich,  und  so  sagt  man  statt  venissem  im  A.  L.  und  noch  bei  Cic. 
Liv.  Curt.  auch  eram  ventunts,  seit  Cicero  auch  fui  und  seit  Ovid  auch 
fueram  venturus.  Nach  Cicero  wird  fui  venturus  häufiger  gebraucht,  als 
die  beiden  andern  Formen.  Dass  venissem  und  venturus  fui  in  der  Be- 
deutung sich  vollständig  decken,  zeigt  Cic.  Att.  14,  14,  2  quae  ille  factm-us 
non  fuit,  fiunt  verglichen  mit  14,  13,  6  quae  Caesar  nunquam  fecisset,  ea 
nunc  proferuntur.  Dies  ist  wichtig  für  den  Fall,  dass  der  Nachsatz  einer 
irrealen  Periode  der  Vergangenheit  zugleich  Konjunktionalsatz  (eingeleitet 
mit  quin,  ut,  cum)  oder  indirekter  Fragesatz  ist;  im  ersteren  Falle  steht 
Coni.  Perf.  coniug.  periphr.,  z.  B.  Liv.  4,  38  nee  dulnum  erat  quin,  si 
possent,  terga  datuH  Iwstes  fuerint  (von  posse  etc.  also  potuerint  etc., 
z.  B.  non  duhito  quin  potuerint  „dass  sie  gekonnt  hätten^);  im  letzteren 
Perf.  oder  Plusq.  coni.  coniug.  periphr.  je  nach  der  Zeitstufe  des  Haupt- 
satzes, also  die  quidnam  facturus  fueris,  aber  seieham  quidnam  fuisset  fac- 
turus. Diese  Konstruktion  erscheint  erst  mit  der  Zeit  der  kunstvollen 
Ausbildung  der  Periode,  also  bei  Cicero  und  Livius,  fehlt  bei  allen  übrigen 
Schriftstellern  der  aug.  u.  klass.  Zeit  und  findet  sich  ganz  vereinzelt  bei 
Tac.  und  der  von  Liv.  abhängigen  Historiographie.  Der  Koni,  plusq.  muss 
jedoch  stehen  bei  passiver  Form,  z.  B.  duhitatis  quin  ei  vis  esset  adlata?  bei 
Cic.  u.  Liv.  kommt  er  vereinzelt  auch  in  aktiverForm  vor,  vgl.  Cic.  inv.  2, 120. 

Tritt  der  Nachsatz  der  irrealen  hypothet.  Periode  der  Vergangenheit 
in  die  Konstruktion  des  Acc.  c.  inf.,  so  steht  der  ausschliesslich  als  Ver- 
treter des  Irrealis  Praeteriti  gebrauchte  Inf.  auf  —  urum  fuisse,  z.  B. 
Liv.  3,  50  nee  se  superstitem  futurum  fuisse,  nisi  hahuisset.  An  dieser 
Konstruktion  haben  neben  Cic.  Liv.  Nepos  auch  Sali.  Curt.  teil.  Selten,  aber 
auch  zweimal  bei  Cic,  ist  der  Inf.  perf.,  z.  B.  Cato  mai.  82  tanta  esse 
conatoSy  nisi  animo  cernerent, 

Anmerkung.  Ob  auch  tfenturus  fuissem  zulässig  ist  fQr  venissem,  kann  nicht 
sicher  gesagt  werden.  Madvio  op.  II  p.  227  ff.  leugnet  es,  Thielmann  aber  (Ar- 
chiv II,  p.  191)  verteidigt  facturus  fuissem  als  Modusausgleichung  zwischen  fedssem  und 
facturus  fui. 

302.  Seine  lokative  Natur  zeigt  si  auch  in  den  Sätzen,  welche  sich 
an  ein  Verb  des  Affekts  oder  des  Versuchs  anschliessen;  es  giebt  hierin 
die  Sphäre  au,  worin  sich  der  Affekt  äussert  oder  der  Versuch  gemacht 
wird,  bezw.  werden  soll.  So  finden  wir  si  nach  miror  und  mirum  est 
allenthalben,  seltener  nach  andern  Verben  wie  gaudeo  und  indignor,  bei 
Nep.  Hör.  und  in  nachklassischer  Zeit  bei  satis  est  oder  Jiaheo,  z.  B.  Tac. 
ann.  4,  38  satis  habere,  si  locum  principem  itnpleam. 

Dann  steht  si  nach  den  Verben  des  Versuchs  und  der  Erwartung,  so 
schon  im  Altlat.,  häufig  bei  Caesar,  bei  Cic.  fast  nur  in  epp.,  häufig  wieder 
bei  Livius,  auch  bei  Tacitus,  dann  aber  seltener.  Dagegen  lässt  sich  das 
fragende  si  (vgl.  oben  §  215),  welches  aus  der  eben  besprochenen  Ver- 
wendung sich  entwickelt  hat,  in  späterer  Zeit  sehr  häufig  konstatieren. 
Der  Modus  ist  in  klassischer  Zeit  ausschliesslich  der  Konjunktiv,  ebenso 
bei  Liv.  u.  Tac;  im  Altlat.  ist  der  Indikativ  als  der  ursprüngliche  Modus 


526  fi-  Lateinlache  Chrammatik.    d)  Lateinische  Syntax. 

zum  Teil  noch  erhalten,  doch  ist  bei  Plaut,  bereits  das  Übergangsstadium 
zum  Konjunktiv  eingetreten. 

303.   Der  Unterschied   von  nisi  und  si  non  erklärt  sich  ein&ch  an 
dem  Satze:    memoria  minuitur  nisi  eam  exerccas  und  si  eam  non  exerceas; 
im   erstem  Falle  erhält   eine   allgemeine  Behauptung   einen  Ausnahmsfall 
angefügt,  im  zweiten  wird  die  Geltungssphäre  einer  Einzelbehauptung  an- 
gegeben.    Der  Gebrauch  beider  negativen  Konjunktionen   geht  durch    die 
ganze  Latinität.     Ausserdem  wird  noch  sin  (aus  si  ne  entstanden,  also  =: 
so  nicht,   daher  si  —  sin  =  so  .  .  so  nicht)    und    zwar  vorzugsweise  im 
zweiten    Gliede   einer  Alternative   gebraucht,   z.   B.   Cic.  Att.  16,  13  b  si 
pares  aeque  inter  se^  quiescendum;  sin,  latius  manabit;   dies  findet   sich  so 
im  Altlat.  und  bei  Cic.     Zu  sin  wurde  auch  noch  secus  (bei  Plaut.)  oder 
minus  hinzugefügt,  auch  aliter  und  schliesslich  ging  es  in  den  Gebrauch 
einer   einfachen   adversativen   Konjunktion    über.      Si  minus  gehört   der 
klass.  und   aug.  Zeit  an.     Ni  hat  bei  den   Schriftstellern  der  alten  und 
der  klassischen  Zeit  sich  besonders  in  Formeln  der  juristischen  und  sakralen 
Sprache  erhalten,  neben  welchen  dann  noch  Phrasen  der  Umgangssprache 
wie  moriar  ni,   quod  ni  ita  sit,  ni  ita  sc  res  haberct   häufig  angetroffen 
werden;  sonst  wird  n/ bei  Cic.  wenigstens  selten  gefunden,  Caes.  verwendet 
es  gar  nicht.     Den  Dichtem  war  ni  eine  bequeme  Form,  daher  verwenden 
sie  es  gerne,  z.B.  Vergil,  auch  Liv.  macht  ausgedehnten  Gebrauch  davon; 
bei  Tac.  ist  es  stehend  in   den  §  298  besprochenen  konjunktivischen  Be- 
dingungssätzen   bei   indikativischem  Hauptsatze.     Die  Verbindung   nisi  si 
repräsentiert  eine  der  Volkssprache  eigentümliche  Abundanz;   es  wird  oft 
im  Altlat.,    dann   bei   Varro,   Cornif.,  Cic.   in   epp.   und  Erstlingsschriften, 
nicht  bei  Caesar  (vgl.  Meusel,  Lex.  Caesar.  II  p.  777),   Sali.   Verg.   Hör., 
aber  bei  Juvenal,  bei  Tacitus  nur  in  den  Annalen,  dann  im  Sp.  L.  bei  den 
scr.  li.  Aug.  und  sonst  getroffen;  bei  den  Kirchenvätern  ist  nisi  si  geradezu 
Regel  geworden. 

Ein  eigentümlicher  Gebrauch  von  nisi,  welcher  der  Umgangssprache 
angehört,  ist  der,  dass  es  förmlich  als  Adversativpartikel  fungiert.  Dies 
findet  sich  besonders  nach  nescio,  aber  auch  sonst,  und  zwar  von  Plaut, 
bis  in  die  spätesten  Zeiten  herab  bei  allen  Schriftstellern,  welche  mit  der 
Vulgärsprache  in  Berührung  stehen.  Für  Cicero  ist  diese  Wahrnehmung 
auf  die  Erstlingsschriften  und  Briefe  beschränkt;  dann  findet  es  sich 
bei  Sali.  Liv.,  vereinzelt  im  silbernen  Latein  und  dann  wieder  bei  den 
Archaisten. 

An  Verbindungen,  die  nisi  eingeht,  sind  noch  nisi  forte  und  nisi 
vero  zu  besprechen.  Ersteres  bürgert  sich  mit  Cicero  ein,  findet  sich  oft 
bei  Sali.,  bei  beiden  mit  Indik.;  der  Konjunkt.  darnach  gehört  den  Afri- 
kanern an.  JSisi  vero,  wie  nisi  forte  fast  immer  ironisch,  ist  ausschliess- 
lich Cicero  eigen. 

304.  An  einen  Bedingungssatz  kann  ein  zweiter  mit  sive  (wofür 
auch  seu  gesagt  wird)  sich  anschliessen,  so  schon  in  XII  tab.  si  quis  oc- 
centavisset  sive  Carmen  condidisset;  diese  Satzform  beschränkte  sich  aufs 
Altlat.  und  die  Archaisten,  bei  Juristen,  z.  B.  bei  Gaius,  haben  sich  natür- 
lich die  alten  Gesetzesstellen  auch  in  später  Zeit  so  erhalten.     Folgt  jedem 


2.  Der  znaammengeBeizie  &atz:  d.  Die  Ünterordnimg.  (g  303    305).        527 

Vordei'satz  ein  besonderer  Nachsatz,  was  zuerst  bei  Cicero  eintritt,  so 
findet  sich  auch  hier  si  —  sive,  aber  ganz  selten  in  klass.  wie  in  späterer 
Zeit;  ebenso  wird  si  —  sive  mit  gemeinschaftlichem  Verbum  in  der  klass. 
und  folgenden  Sprache  angetroffen. 

Dieses  st  —  sive  wird  im  Altlat.  auch  da  gebraucht,  wo  die  klass. 
Schriftsteller  sive  —  sive  sagen,  z.  B.  Ter.  Andr.  215  si  ista  uxor  sive 
amicast;  die  korrespondierende  Verbindung  sive  —  sive  schliesst  nämlich 
die  beiden  Glieder  gegenseitig  aus.  Doch  hat  auch  Cato,  nicht  jedoch 
Plautus  und  Terenz,  sive  —  sive  bereits  in  diesem  ausschliessenden  Sinne. 
Seit  der  Zeit  des  Cicero  kommt  sive  —  sive  in  allgemeinen  Gebrauch. 
Der  Modus  ist  der  Indikativ;  allein  schon  bei  Cic.  u.  Caes.  vereinzelt,  mehr 
bei  Liv.  Plin.  mai.  u.  Tac,  besonders  häufig  im  Sp.  L.  liest  man  auch 
den  Konjunktiv,  z.  B.  bei  Oros.  Claud.  Mam.  Apoll.  Sid.  u.  a. 

Mit  Unterdrückung  des  ersten  sive  finden  wir  auch,  vereinzelt  schon 
bei  Terenz,  häufig  seit  der  klassischen  Zeit  einmaliges  sive,  z.  B.  Hör.  od. 
1,  3,  16  tollere  seu  ponere  vuÜ  freta,  auch  sonst  öfters  bei  den  aug.  Dich- 
tern; manchmal  wird  dies  einmalige  sive  zur  Anfügung  eines  Satzes  in  der 
Bedeutung  von  „oder*  verwendet,  so  z.  B.  in  der  lex  lul.  munic:  is  censor^ 
seive  quis  alius  vmgistratm  censum  aget,  aecipito  (=  sive  censor  sive  .  .  .). 
Dieser  Gebrauch  hat  sich  als  ein  echtlateinischer  ausserordentlich  entwickelt 
und  zwar  in  engeren  Grenzen  bei  Cicero,  ausgedehnter  bei  Liv.  Vitruv  Plin. 
mai.  Quint.  Tac,  ebenso  bei  Dichtern,  so  dass  schliesslich  ein  Satzteil  ohne 
eigenes  Verb  mit  sive  angefügt  wird,  freilich  erst  seit  Lucil.  u.  Lucr.,  von 
hier  ab  aber  ausser  bei  Caes.  u.  Sali,  sehr  häufig;  vgl.  oben  §  194. 

Die  Korresponsion  sive  —  ve  findet  sich  nur  bei  Dichtern  und  ganz 
spät  bei  Apoll.  Sidon.  in  Prosa,  sive  —  vel  ist  auf  die  Dichter  Verg.  Juv. 
u.  Spät,  beschränkt;  si  —  ve  lesen  wir  nur  Juven.  3,  297.  Die  mannig- 
fachste Abwechslung  in  der  Korresponsion  bietet  Petron,  der  allein  wohl 
sive  —  seil  —  aut  schreibt. 

Neben  sive  ist  auch  nive  zu  erwähnen,  welches  mit  ni  oder  s/  in 
Beziehung  gesetzt  wird,  aber  nur  bei  Plaut,  sich  findet  und  in  juristischen 
Formeln,  z.  B.  Fest.  249,  5  si  alium  proms,  nive  etim  procas  („oder 
wenn  nicht"). 

306.  Wenn  schon  das  einfache  si  oft  konzessive  Verhältnisse  re- 
präsentiert, z.  B.  Plaut.  Most.  351  nee  Salus  iam  nobis  saluti  iam  esse,  si 
cupiat,  polest,  ebenso  bei  Catull,  in  Prosa  bei  Nep.  Sali.  Flor,  und  sonst, 
so  geschieht  dies  um  so  mehr,  wenn  si  mit  et,  etiani,  tarnen  et  zu  etsi, 
etiamsi,  tamenetsi  verschmolzen  wird.  Während  etsi  auch  die  losere 
Anfügung  von  Sätzen  vermittelt,  so  schon  im  Altlat.,  dann  besonders  bei  Cicero, 
z.  B.  Tusc.  2, 3  viriutem  atitem  si  unam  amiseris  —  etsi  amitti  non  2)otest  —  etc., 
oft  geradezu  wie  qtmmquam  im  Sinne  von  „freilich",  wird  etiamsi  wohl 
nur  in  der  hypothetischen  Periode  verwendet.  Etsi  ist  im  ganzen  ziemlich 
selten  bei  Dichtern,  findet  sich  gar  nicht  bei  Sali.,  welcher  tamenetsi  oder 
mit  vulgärer  Abkürzung  des  twncyi  in  tarn  auch  tametsi  bevorzugt,  auch 
nicht  bei  Quint.  u.  a.,  dagegen  wird  es  oft  von  Cicero  gebraucht;  tametsi 
fehlt  bei  den  aug.  Dichtern,  bei  Tac.  Curtius,  ist  überhaupt  mehr  der 
Umgangssprache  eigen  und  findet  sich  besonders  in  Komödie  und  Briefstil 


528  B.  LateiiÜBche  Grammatik,    d)  Lateinische  Syntax. 

und  bei  Varro,  hat  sich  aber  bis  ins  Sp.  L.,  z.  B.  bei  den  scr.  h.  Aug., 
erhalten;  die  Modi  sind  wie  bei  si  in  Gebrauch;  nur  scheint  bei  etsi  der 
Indikativ  in  klassischer  Zeit  zu  überwiegen. 

Im  Hauptsatze  steht  oft  korrespondierend  tarnen,  sogar  nach  tametsi, 
hier  aber  in  vulgärer  Abundanz,  so  namentlich  bei  Sali.,  bei  Cic.  in  Erst- 
lingsreden und  epp.,  bei  den  Juristen,  bei  den  Archaisten,  bei  Justinus  oder 
hier  richtiger  Trogus. 

306.  Zusammengestellt  werden  mit  si  in  bemerkenswerter  Weise  noch 
modo,  tarnen  und  quideni;  davon  kommt  si  modo  erst  seit  Cicero  vor,  auch 
bei  Caes.  und  seinen  Fortsetzern,  bei  Sali.,  selten  bei  Liv.  und  seinen  Nach- 
ahmern, überwiegend  mit  Indik.  konstruiert,  bei  Cic.  wohl  immer;  si  tamen 
verschmähen  die  klass.  u.  vorklass.  Schriftsteller,  dagegen  findet  es  sich 
seit  den  aug.  Dichtem  bis  in  die  späteste  Zeit  allenthalben,  hier  im  Sp.  L. 
geradezu  =  si  quidem,  z.  B.  bei  Apoll.  Sidon. 

Zu  grossen  Dingen  war  das  im  Altlat.  noch  gar  nicht  bekannte  si 
qtiidem  berufen.  Cicero  verwendet  es  neben  Varro  zuerst  und  zwar  mit 
dem  Indikativ.  Allmählich  ging  si  quidem  ganz  in  die  Bedeutung  einer 
kausalen  Konjunktion  über  (den  Ansatz  dazu  vgl.  bei  Varro  r.  r.  2,  5,  13) 
und  wurde  so  auch  mit  dem  Konjunktiv  verbunden,  namentlich  von  den 
Script,  bist.  Aug.  und  den  eccl.  Die  spätere  Latinität  hat  eine  ganz  ab- 
sonderliche Liebhaberei  für  si  quidem,  so  Veget.  Sulp.  Sev.  Hieronym. 
Cyprian,  Lact.,  daher  begegnet  es  hier  unglaublich  häufig.  Ja  es  wird  hier 
sogar  nachgestellt  und  unterscheidet  sich  nicht  von  nam  oder  enim,  nament- 
lich in  Verbindung  mit  dem  Indikativ,  z.  B.  Oros.  3,  5,  1  repente  siquidew 
medio  urhis  terra  dissiluit,  wo  siquidem  =  nämlich. 

307.  Wenn  si  mit  quam  zusammengesetzt  wird,  so  entsteht  daraus 
quasi  (quam  si  nur  bei  Tac.  ann.  13,  47  u.  49);  dies  ersehen  wir  aus 
Plaut.,  der  es  nach  einem  Komparativ  setzt,  Trin.  265  peius  perit,  quasi 
saxo  saliat.  Die  ursprüngliche  Bedeutung  von  quoM  ist  daher  als  wefiv. 
wie  wenn,  vgl.  noch  Lucrez  3,  192  spumat  quasi  fervescunt  undae  (hierin 
erblickt  Wegener  p.  102  mit  Recht  eine  Ähnlichkeit  mit  c»5g  ove  m 
homerischen  Gleichnissen);  doch  beschränkt  sich  dieser  Gebrauch  auf  das 
Altlatein.  Dagegen  wird  es  zu  allen  Zeiten  gebraucht,  um  einen  an- 
genommenen Vergleich  an  den  Hauptgedanken  anzufügen.  Im  N.  Kl. 
nimmt  es  teil  an  dem  oben  §  260  besprochenen  Gebrauch  von  taniquam, 
vgl.  Suet.  Tit.  5  unde  natu  suspicio  est,  quasi  temptasset,  Tac.  ann.  13,  18 
(aber  bei  Tac.  nur  in  den  annales).  Wie  zu  nisi  kann  auch  zu  quasi  noch 
ein  abundantes  si  hinzutreten,  jedoch  nicht  bei  Cic.  und  überhaupt  nicht 
in  der  klass.  und  aug.  Zeit,  aber  bei  Plaut.  Lucr.  und  später  wieder 
bei  Florus. 

Die  Verbindung  ut  si  =  quasi  ist  selten  im  Altlat.,  nicht  bei  Plaut., 
öfter  bei  Cic,  aber  nie  in  den  Reden,  dann  einmal  bei  Liv.,  öfter  bei  Nep. 
u.  Tac.  zu  finden.  Yelutsi  lesen  wir  nicht  im  Altlat.  und  nicht  bei  Cic, 
aber  bei  Caesar  und  öfters  bei  Livius,  welcher  jedoch  wie  die  Autoren  der 
silbernen  Latinität  auch  velut  allein  =  velut  si  gebraucht;  bei  Tac.  ann. 
ist  velut  neben  quasi  und  tamquam  Kausal partikel  geworden.     Ac  si  =  quasi 


2.  Der  znaainmengeBetzte  Satz.  d.  Die  ünterordnong.  (§  306—308.)        529 

gehört  dem  Sp.  L.  an,  z.  B.  Justin  Cypr.  Tert.  u.  a.;   vgl.  Paucker,   Z.  f. 
ö.  G.  1883  p.  338,  Rönsch,  Sem.  Beitr.  II  p.  61. 

8.  Modale  Eonjonktioneii. 

Quin. 

308.  Die  Partikel  quin  ist  entstanden  aus  dem  Modalis  qui  und  der 
angehängten  ursprünglich  von  non  in  der  Bedeutung  nicht  verschiedenen 
Negation  ne.  Da  qui  sowohl  interrogativ  wie  relativ  ist,  so  wird  auch 
quin  an  beiden  Bedeutungen  teilnehmen. 

Das  interrogative  quin  zeigt  sich  zunächst  in  Hauptsätzen,  z.  B.  quin 
ad  hunc  aggredimur?  „warum  greifen  wir  nicht  an?"  Allenthalben  ist  mit 
der  Frage  eine  Ermahnung  und  zwar  im  Sinne  eines  Tadels  oder  der  Ent- 
rüstung verbunden.  Eine  Art  Ausgleich  findet  statt,  wo  quin  mit  dem 
Imperativ  verbunden  wird,  eine  Konstruktion,  die  Terenz  gegenüber  dem 
bei  Plaut,  beliebteren  Indik.  vorzieht;  so  ist  quin  eloquere  entstanden  aus 
quin  eloqueris?  eloquere!  Auch  Cicero  hat  einmal  so  geschrieben,  p.  Milone 
79  quin  sie  attendite,  während  sonst  diese  Konstruktion  ihm  fremd  ist  und 
erst  später  wieder  üblicher  wird.  Aus  dem  interrogativen  quin  erklärt 
sich  auch  das  steigernde,  das  in  der  Umgangssprache  sehr  beliebt  war  und 
in  der  Verbindung  mit  eti<im  sich  auch  in  der  klassischen  Sprache  Eingang 
zu  verschaffen  gewusst  hat,  z.  B.  Plaut.  Truc.  2,  3,  6  quin  hercle  lassus 
iam  sum  durando  miser. 

Durch  einfache  Anfügung  im  Sinne  des  §  208  erklärt  sich  nun:  quin 
ad  dient  decedam,  nuUn  causa  est  (Cic.  Fam.  2,  17,  1),  was  eigentlich  so 
ursprünglich  zu  fassen  war:  quin  ad  dient  decedam?  nulla  causa  est!  „warum 
sollte  ich  nicht  auf  den  Tag  weggehen?  es  ist  kein  Grund  dazu  vorhanden!" 
Natürlich  findet  sich  diese  Konstruktion  auch  schon  im  Altlat.,  z.  B.  Plaut. 
Amph.  559  tarnen  quin  loquar  haec  uti  facta  stmt  hie,  nunquam  ullo  modo 
me  potes  deterrere;  der  Konjunktiv  ist  dabei  der  dubitative.  Allmählich 
aber  wurde  quin  doch  als  Konjunktion  gefühlt  und  zwar  auch  deshalb,  weil 
es  nebst  der  interrogativen  wie  bemerkt  relative  Bedeutung  hat.  Bedenken 
wir,  dass  Plautus,  Terenz,  Catull,  Horaz  ne  ans  Relativpronomen  anhängen 
und  so  Fragesatz  mit  Relativsatz  vereinen  (vgl.  §  156),  so  wird  uns  re- 
latives qui  mit  angehängtem  verneinenden  ne  gar  nicht  absonderlich 
erscheinen.  So  finden  wir  denn  quin  als  relatives  Adverb  zu  dem  Gebrauch 
gelangt,  dass  es  die  Untrennbarkeit  des  Hauptsatzes  vom  Inhalt  des  Neben- 
satzes bezeichnet.  Damit  ist  gleichzeitig  gesagt,  dass  der  Hauptsatz  immer 
negativ  und  quin  immer  vom  Konjunktiv  begleitet  sein  muss. 

Die  Konjunktion  quin  ist  im  Altlat.  schon  sehr  häufig;  bemerkenswert 
ist  hier  die  stets  in  negativem  Gedanken  mit  ironischem  Sinne  gebrauchte 
Formel  mirum  quin,  z.  B.  PI.  Trin.  495  mirum  quin  tu  illo  tecum  divitia^ 
fcraSy  du  wirst  doch  den  lieichtum  nicht  gar  mitnehmen^  oder:  das  fehlte 
noch,  dass  du  etc.  Dies  mirum  quin  ist  bei  Terenz,  der  quin  nicht  mehr 
so  häufig  braucht  als  Plautus,  bereits  verschwunden.  Mit  der  klassischen 
Zeit  erweitert  sich  durch  Analogiebildungen  der  Gebrauch  von  quin,  so 
sagt  Cicero  sogar  p.  Flacc.  27  quis  ignorat  quin  tria  Graecorum  genera  sint, 

Handbuch  der  klai».  AltcrtiuuswiaHonscbaft.  II.    2.  Aufl.  34 


oSÖ  S-  Lateinische  Orammatik.    d)  Lateinische  Syntax 

Caesar  neuert  b.  G.  3,  23  non  amctandum  existimavH  quin  decertaref, 
Vatin.  bei  Cic.  Fam.  5,  10,  1  non  desisfnm,  quin  illum  aUquando  cruam;  in 
ähnlicher  Weise  geht  es  bei  den  aug.  Dichtern,  bei  Livius,  bei  Tac.,  ebenso 
bei  ihren  Nachahmern,  bei  den  Archaisten,  wo  überall  neue  Wendungen 
nach  Analogie  bereits  bestehender  eingeführt  werden.  Allein  mit  dem 
Sinken  der  Sprache  wird  quin  immer  seltener.  Der  hl.  Hieronymus  suchte 
es  zwar  zu  halten,  aber  auch  er  verwendet  wie  Ammian  und  die  scr.  b. 
Aug.  nach  non  dubifare  die  Konjunktion  quod  und  beweist  damit,  dass 
seine  Zeit  von  quin  nichts  mehr  wusste.  So  musste  denn  quin  der  Kon- 
kurrenz mit  der  Universalkonjunktion  qnod  unterliegen. 

Auffällig  ist,  wie  schon  in  der  Zeit  Caesars  (jedoch  bestritten  von  Land- 
graf Untersuchungen  S.  90)  im  b.  Alex.  7  ut  alii  morari  Caesareni  dicereni, 
quin  fiaves  conscendere  iuherct  sich  quin  an  einen  affirmativen  Satz  an- 
schliesst;  dies  haben  später  Sen.  phil.  u.  Tac.  sowie  Apul.  auch  angenommen. 

4.  Ablativische  Konjunktion. 

Quo. 

309.  Quo  ist  der  Abi.  vom  llelativum.  Derselbe  wird  synonym  mit 
ut  in  Finalsätzen  schon  von  Plaut,  und  Terenz  gebraucht,  dann  von  Sali, 
u.  Ovid  und  noch  im  Sp.  L.  bei  Lucif.  Cal.,  von  wo  aus  es  sich  mit  quod 
ins  französische  que  umsetzte.  In  negativen  Sätzen  hat  man  quo  nicht 
gerne  gebraucht,  offenbar  weil  die  Form  zu  sehr  an  das  Relativ  erinnerte 
und  in  Relativsätzen  ne  nicht  üblich  war.  Das  erste  Beispiel  ist  vielleicht 
Hör.  sat.  2,  1,  36  (aber  sehr  bestritten),  dann  finden  sich  solche  erst  bei 
Dictys  und  Boethius.  Mit  nachfolgendem  Komparativ  ist  die  Konstruktion 
in  allen  Zeitaltern  üblich. 

Nach  vorausgegangenem  negativem  Hauptsätze  mit  oder  ohne  eo 
(wobei  die  Auslassung  von  co  urban  ist)  wird  das  relative  quo  kausal 
gebraucht  (jedoch  noch  nicht  bei  Plaut.,  der  in  dem  Falle  quia  verwendet, 
Landgr.  eloc.  p.  42),  zuerst  bei  Terenz,  dann  bei  Cic.  Sali.  Bei  Cic.  und 
Caes.  sehen  wir  auch  mit  umgekehrtem  Satzverhältnisse  den  Kompar.  mit 
quam  quo  verwendet;  also  Cic.  Fam.  10,  3,  4  aniore  magis  impuhus  quam 
quo  arbiträrer  (=  non  quo  arbiträrer,  scd  amore  imjHihu^);  vgl.  §  254  a.  E. 

An  quo  kann  sich  minus  anschliessen ;  der  relative  Charakter  zeigt 
sich  in  Stellen  wie  Cic.  Att.  2,  4,  praeter  quercum  Dodonaeam  nihil  de- 
sideramu.^,  quo  minus  Epirum  ipsam  possidere  videamur,  und  noch  bei 
Tac.  ann.  1,  14  quo  minus  idem  pro  Druso  postularetur,  ea  causa  etc.; 
dabei  hat  minus  wie  in  si  minus  die  Funktion  eines  urbanen  non,  und 
es  ist  quo  minus  durchweg  =  „weshalb  nicht".  So  gebraucht  es  Terenz 
(Plautus  kennt  quo  minus  nicht),  aber  ganz  selten  und  zum  Teil  noch  durch 
andere  Wörter  getrennt.  Häufiger  wird  es  seit  der  klassischen  Zeit  (aber 
nach  prohibere  und  impedire  nicht  bei  Caes.,  selten  bei  Cic),  am  weitesten 
wird  der  Gebrauch  bei  Liv.  und  Tac.  ausgedehnt;  auch  Vell.  u.  Val.  Max. 
verwenden  es.  Die  Analogie  entfaltete  in  der  Verbreitung  dieser  Kon- 
struktion eine  grosse  Macht,  so  dass  schliesslich  nach  non  desum,  quiesco 
ein  Satz  mit  quominus  in  der  silbernen  Latinitüt  folgen  konnte.  In  der 
späteren  Latinität  wird  quominus  seltener;  daraus,   dass  es  bei  Plaut,  und 


2.  Der  zna&mmengeBeizte  Satz:  d.  Die  Unterordnung.  (§  309.)  531 

Vitruv  gänzlich  fehlt,  kann  man  schliessen,  dass  es  der  Volkssprache  nicht 
eigen  war.  Mit  dem  Eindringen  der  letzteren  in  die  Litterärsprache  muss 
daher  quomintis  zurücktreten;  so  findet  es  sich  beispielsiveise  bei  Ammian 
nur  26,  4,  6,  gar  nicht  bei  scr.  h.  Aug.,  Cyprian,  Orosius  und  vielen 
anderen.  Bekanntlich  ist  es  auch  nicht  in  die  romanischen  Sprachen 
übergegangen. 

Ganz  spärlich  vertreten  ist  quo  setius;  ausser  in  einem  Fragmente 
des  Afranius  lesen  wir  es  noch  bei  Cornif.  und  in  der  Erstlingsschrift  Gic. 
de  inv.,  die  noch  stark  von  Cornif.  beeinflusst  ist.  Cicero  Hess  es  somit 
sehr  früh  fallen,  und  nach  ihm  finden  wir  es  gar  nicht  mehr. 

Zu  §253  vergl.:  Wolpf,  de  usu  coniunctionum  apud  luvenalem,  Amsterdam  1888; 
ZiMiiERifAivN,  Gebrauch  der  Konjunktionen  quod  und  quia  im  Siteren  Latein,  Posen  1880; 
Reichenhakt,  Die  subordinierenden  kausalen  Konjunktionen  bei  Lucrez,  Frankenthal  1881 ; 
Günther,  de  coniunctionum  causalium  apud  Quintilianum  usu,  Halle  1881;  Frobeen,  Quaest. 
Plin.,  de  modorum  usu  Pliniano,  Königsberg  1888;  Reuss,  De  coniunctionum  causalium  apud 
Tacitum  usu,  Halle  1876;  Trachmann,  De  coniunctionum  causal.  apud  Suetonium  usu,  Halle 
1880  (Reichemhart,  Günther,  Frobeen,  Reuss  und  Trachmann  gehören  auch  zu  quia, 
quoniam  u.  ä.).  ||  Zu  §205:  Fuhrmann,  De  particularum  comparativarum  usu  Plautino. 
(ifeifswald  1809;  Anton,  Über  die  lat.  Zeit{>artikeln  antequam  und  priusquam,  Erfurt 
1871;  Ihm,  quaestiones  s^^ntacticae  de  elocutione  Tacitea,  Giessen  1882  (im  III.  Teile 
Über  postquatn,  priusqtiam  etc.);  Gerber,  De  coniunctionum  temporis  et  de  coniunctionum 
concessivarum  usu,  GlUckstadt  1874;  Hopfmann,  Die  Konstruktion  der  lat.  Zeitpartikeln, 
Wien  1873  (gehört  auch  zu  quem,  dum,  ubi,  ut  etc.);  Stock,  De  Vitruyii  sermone  :  de 
formis  enuntiatorum  temporalium,  Berlin  1888;  C.  Rothk,  Qu.  gramm.  ad  usum  Plauti 
potissimum  et  Ter.  spectantes,  Berlin  1881  (über  quam  ut  u.  ä.);  Klussmann,  Tul- 
liana,  Gera  1877  (p.  10  über  quam  vis);  Wölfflin,  Gemination  p.  450  über  quam - 
quam  und  Philol.  24  p.  115  ff.  über  tamquam;  Hellwig,  Zur  Syntajc  des  Sallust,  Ratze- 
burg 1877  (behandelt  alle  Konjunktionen  bei  Sali.);  Schubert,  Zum  Gebrauch  der  Tem- 
poralkonj.  bei  Plautus;  Lissa  1881  Progr.;  Ott,  Beiträge  zur  lat.  Lexikographie,  Rott- 
weil 1809  (über  quam  diu).  ||  Zu  §200:  Schbber,  De  particulae  quando  apud  vetustis- 
simos  scr.  lat.  vi  et  usu;  Strassburg  1888  Diss.  ||  Zu  §207:  Elste,  De  dum  particulae  usu 
Plautino,  Halle  1882;  Richardson,  De  dum  particulae  apud  priscos  scriptores  latinos  usu, 
Leipzig  1880;  Lalin,  De  dum  donec  quoad  particularum  usu  apud  Terentium,  Norr- 
kopiae  1888.  ||  Zu  §275:  Lübbert,  Die  Syntax  von  quom  und  die  Entwicklung  der  rela- 
tiven Tempora  im  Latein,  Breslau  1870  (neben  Hoffmann*s  Zeitpartikeln  das  bedeutendste 
Werk  in  dieser  Partie  der  Syntax);  aus  fiüherer  Zeit  stammt:  Fabian,  De  constructione 
part  quum  I.  Teil  Königsberg  1844;  II.  Teil  Tilsit  1850;  Zimmermann,  Ist  d.  Part,  quom 
ursprünglich  nur  Zeitpartikel  gewesen?  Posen  1884.  ||  Zu  §291:  Dahl,  Die  lateinische  Par- 
tikel ut,  Kristiania  1882  (fürs  alte  und  klass.  Latein  sehr  wichtig,  geht  aber  nicht  Über 
Tac.  herunter);  Schnoor,  Zum  Gebrauch  von  ut  bei  Plautus,  Neumünster  1885;  Gutjahb- 
Probst,  Beiträge  III,  Der  Gebrauch  von  ut  bei  Terenz  (vgl.  oben  p.  391);  Anton,  Studien 
11.  Teil  (handelt  nur  von  ut);  Naoler,  De  partic.  usu  apud  Senecam  phil.  pars  II;  Nord- 
hauson  1880  (ut,  velut  u.  ä.).  ||  Zu  §  294:  Wölfflin,  Quatenus  im  Archiv  V  p.  399  -414.  || 
Zu  §295  ff.:  Priem,  Die  irrealen  Bedingungssätze  bei  Cicero  und  Caesar,  Philol.  Suppl.  V, 
Heft  2.  II  Zu  §  297  if. :  Blase,  De  modorum  tempommque  in  enuntiatis  condicionalibus  latinis 
permutatione.  Argentorati.  1885;  id.  Geschichte  des  Irrealis  im  Lateinischen,  Erlangen,  1888; 
RoTRHEiMER,  De  euuntiatis  condicionalibus  Plautinis,  Göttingen  1870;  C.  F.  W.  Müller, 
Über  nisi  und  si  non,  Philol.  9,  p.  599  ff.;  Lilie,  Konjunktivischer  Bedingungssatz  bei 
indikativischem  Hauptsatz  im  Lat.,  Berlin  1884  (über  sive  vgl.  §  190);  0.  Bruomann,  Über 
den  Gebrauch  des  kondizionalen  ni  in  der  älteren  Latinität,  Leipzig  1887;  Blase,  Zur  Syntax 
der  Bedingungssätze  im  Lat,  Strassburg  1889.  ||  Zu  §308:  Geist,  Über  den  Gebrauch  der 
Konj.  quin,  Bayr.  Gymnbl.  1870  p.  110  ff.;  Kienitz,  De  quin  particulae  apud  pHscos  scrip- 
tores usu,  Karlsruhe  1878;  Bender,  Über  quin  Württemb.  Corr.  1801  p.  258  ff.,  1802  p.  78  ff. 


ä4 


Lateinische  Stilistik.*) 


Die  lateinische  Stilistik  ist  hervorgewachsen  aus  dem  Bedürfnisse, 
neben  der  Grammatik  noch  eine  sicliere  Anleitung  zu  einer  gutlateinischen 
Diktion  zu  besitzen.  Daraus  ergiebt  sich,  dass  die  Aufgabe  der  Stilistik 
eine  vorwiegend  praktische  ist:  wie  die  Grammatik  die  richtige  Flexions- 
form und  die  echtlateinische  Konstruktion  der  Satzteile  und  Sätze  zu  lehren 
hat,  so  soll  die  Stilistik  einen  reinen,  angemessenen,  ja  eleganten  lateini- 
schen Ausdruck  an  die  Hand  geben.  Da  nun  aber  der  Lateinschreibende 
vor  allem  den  Massstab  seiner  eigenen  Muttersprache  bei  der  Diktion  an- 
legen wird,  so  hat  man  die  Aufgabe  der  Stilistik  bei  uns  zum  Teil  dahin 
verengert,  dass  sie  dem  Deutschen  zeigt,  in  welcher  Weise  die  Darstellungs- 
mittel der  lat.  Sprache  denjenigen  des  deutschen  Idioms  entsprechen. 

Gewiss  ist  gerade  der  letztgenannte  Zweck  vom  Standpunkte  der 
Schule  aus  unverrückt  festzuhalten,  wenn  der  Unterricht  in  der  lat.  Sprache 
wirklich  geistbildend  und  verstandschärfend  wirken  soll;  daher  hat  das 
Nägelsbach 'sehe  Buch  bei  uns  so  viel  Gutes  gestiftet,  und  derjenige  ist 
kein  guter  Lateinlehrer,  welcher  nicht  im  Nägelsbach  sehen  Sinne  in  seinen 
Stilübungen  und  in  der  formalen  Exegese  verfährt.  Aber  unsere  Aufgabe 
ist  eine  andre:  hier,  wo  die  Stilistik  historisch  behandelt  werden  soll,  han- 
delt es  sich  nicht  darum,  eine  praktische  Anleitung  zur  richtigen  und  ge- 
schmackvollen Wiedergabe  der  Darstellungsmittel  der  einen  Sprache  in 
denen  der  andern  aufzustellen,  sondern  vielmehr  zu  zeigen,  welche  Mittel 
der  Darstellung  die  lat.  Sprache  besitzt,  wie  sie  dieselben  verwendet,  ferner 
welche  Eigentümlichkeiten  sich  in  dieser  Verwendung  im  Laufe  der  Ent- 
wicklungsgeschichte  ergeben   haben,   wie   die   einzelnen  Autoren   sich    den 

*)  Die    Bearbeitung    der    vorliegenden  möglichsten  Vervollkommnung  dieser  ebenso 

Lateinischen  Stilistik,  welche  zum  ersten  -  '  anziehenden  wie  praktisch  fiuchtbringenden 

male  versucht  eine  Historische  Stilistik  '  Behandlungsweise   der  lateinischen  Stilistik 

der   lateinischen    Sprache    der    bereits  I  liegt  es  nun,   wenn  recht  viele  Eiuzelunter- 

eifrig   kultivierten   Historischen   Syntax   zur  i  suchungen  gemacht  werden,  und  dazu  bieten 

Seite  zu  stellen,   hat   den   Beifall   der  sach-  |  Dissertationen    und    Programmbeilagen     die 

verständigen  Beurteiler  gefunden,  und  Herr  !  beste  Gelegenheit.     Verfasser  glaubt   daher 


Professor  Iwan  Müller  spricht  in  der  Ein- 
leitung zur  S.  Auflage  der  Nägelsbach'schen 
Stilistik  geradezu  aus,  dass  mit  unserer 
Stilistik  „die  Epoche  der  wissenschaft- 


den  Wunsch  aussprechen  zu  sollen,  dass 
bei  der  nächsten  Neubearbeitung  dieses  Gnind- 
risses  ihm  zahlreiche  Einzelarbeiten  ermög- 
lichen, die  allgemeinen  Umrisse  der  Darstel- 


liehen  Begründung  der  historischen    1   lung  schärfer  und  präziser  zu  ziehen,  als  drr 
Stiltheorie   beginnt".     Im  Interesse  der   ,   derzeitige  Stand  der  Forschung  es  gestattet. 


1.  Eigentümlichkeiten  im  Gebranoh  der  Bedeteile.  (§  1.)  533 

Postulaten  der  Stilistik  gegenüber  verhalten  und  ob  sie  in  all  ihren  Schriften 
dem  Sprachstoff  die  gleiche  Behandlungsweise  angedeihen  lassen. 

Wir  werden  daher  im  folgenden  zunächst  untersuchen,  welche  Be- 
sonderheiten sich  im  Gebrauche  der  Redeteile  von  der  ältesten  Zeit  an  er- 
geben. Dieser  Abschnitt  hat  viele  Berührungspunkte  mit  der  Grammatik, 
wie  überhaupt  eine  strenge  Scheidung  beider  Gebiete  nirgends  durchgeführt 
und  wohl  auch  kaum  durchzuführen  ist;  aber  immerhin  gehört  die  hier  zu 
behandelnde  Materie  mehr  in  die  Stilistik,  ich  brauche  nur  auf  die  Verbalia 
auf  for,  io,  <e,s,  die  Diminutiva,  Verba  compos.  u.  ä.  zu  verweisen,  was  in 
einer  Syntax  wohl  kaum  Platz  findet.  Dann  gehen  wir  über  zu  einer  Be- 
handlung der  Wortstellung  und  des  Satzbaues,  welche  beide  Kapitel  für  die 
Gestaltung  der  lat.  Rede  von  grosser  Wichtigkeit  sind.  Hierauf  wird  nach- 
gewiesen, wie  die  einzelnen  lat.  Schriftsteller  sich  gegenüber  den  stilistischen 
Postulaten  der  Reinheit  und  Angemessenheit  der  Sprache  verhalten.  .  Zum 
Schlüsse  folgt  eine  Erörterung  über  Sparsamkeit,  reichliche  Anwendung 
oder  gar  Verschwendung  in  Handhabung  der  sprachlichen  Mittel,  denn 
dai-aus  ergiebt  sich  einerseits  Einfachheit  und  Kürze,  anderseits  Reichtum 
und  Mannigfaltigkeit,  bisweilen  sogar  Abundanz  in  der  Diktion. 

Die  meisten  der  oben  S.  «^90  ff.  erwähnten  Abhandlungen  enthalten  ganze  Abschnitte 
oder  doch  einzelne  Bemerkungen,  welche  sich  auf  die  Stilistik  der  jeweils  behandelten 
Autoren  beziehen;  ich  hebe  besonders  die  Bücher  von  Dbaeoer,  Kübnast,  Riemann,  Lupus, 
(jiÖLZER  hervor.  Ebenso  sind  manche  der  S.  897  aufgeführten  Kommentaro  wahre  Fund- 
gruben der  Stilistik,  z.  B.  Madvio  de  fin.,  Seyffert  zum  Laelius,  Landgraf  zur  Rosciana, 
C.  F.  W.  Müller  zu  Cic.  off.  u.  a.  An  modernen  Bearbeitungen  der  Stilistik  verdienen 
Beachtung: 

1.  C.  Fr.  von  Näoelsbach*s  latein.  Stilistik  für  Deutsche;  VIII.  Aufl.  von  Dr.  Iwan  Müller; 

Nürnberg  1889.  (Dieses  Werk  ist  durch  die  Neubearbeitung  von  der  sachkundigen 
Hand  Iwan  Müllers  nunmehr  eine  zuverlässige  Anleitung  geworden,  dem  besten 
deutschen  Ausdruck  den  mustergiltigen  lateinischen  gegenüberzustellen.  Die  neueste 
Auflage  zeichnet  sich  abgesehen  von  der  Umarbeitung  der  Einleitung  und  den  neu 
eingefügten  zahlreichen  Litteraturnach weisen  dadurch  vorteilhaft  aus,  dass  der  Deut- 
sche neben  dem  klassisch  lateinischen  Ausdruck  auch  die  Gebrauchsweise  der  früheren 
oder  späteren  Zeit  verzeichnet  findet  und  so  die  Eleganz  der  klassischen  Sprache  durch 
eigene  Anschauung   und  Vergleichung  erkennen  kann.) 

2.  H.  Klotz,  Handbuch  der  lat.  Stilistik,  Leipzig  1874. 

3.  F.  Hand,  Lehrbuch  des  lat.  Stils,  III.  Aufl.  von  Dr.  H.  L.  Sghmitt,  Jena  1880  (hier  sowie 

bei  Klotz  und  Näoelsbach  ist  die  stilistische  Litteratur  früherer  Zeit  einzusehen). 

4.  Heimchen,  Lehrbuch  der  Theorie  des  lat.  Stils,  II.  Aufl.  Leipzig  1848. 

5.  Grysar.  Theorie  des  lat.  Stils  nebst  einem  lat.  Antibarbarus,  II.  Aufl.  Köln  1843. 

6.  G.  Wickert,  Die  lateinische  Stillehre;  Königsberg  1856. 

7.  Haacke,  Lat.  Stilistik  für  ob.  Gymnasialklassen,  III.  Aufl.  Berlin  1884. 

8.  BouTERWEK,  Adversaria  latina,  Berlin  1876. 

9.  Hense,  Lat.  Stilistik  für  ob.  Gymnasialklassen;  Parchim  1881. 

10.  Schulze,  Admmenta  latinitatis,  Grundzüge  des  lateinischen  Stils;  Tieipzig  1883. 

11.  Berger,  Lat.   Stilistik   für  ob.  Gymnasialklassen,   VIII.  Aufl.   von  E.   Ludwig,    Coburg 

und  Leipzig  188G. 

12.  Drenckhahn,  Lat.  Stilistik  für  die  obem  Gymnasialklassen,  Berlin,  Weidmann  1887. 

13.  Drenckhahn,  Leitfaden  zur  lat.  Stilistik,  Berlin,  Weidmann  1884. 

14.  B.  Schmidt,  Kurzgefasste  lat.  Stilistik.  II.  Aufl.  Leipzig  1884. 

15.  Heynacher,  Lehrplan  der  lat.  Stilistik,  Paderborn  und  Münster  1885. 

1.  Eigentümlichkeit  im  Gebrauch  der  Redeteile. 

Substantlva. 
1.   Eine  genaue  Betrachtung  des  Wortschatzes  der  lateinischen  Sprache 
und  eine  Vergleichung  des  Vorkommens  der  Begriflfswörter  lässt  einen  auf- 


534  B.  Lateinische  Orammatik.    e)  Lateinische  Stilistik. 

fallenden  Mangel  an  Substantiven  erkennen,  der  in  der  alten  und  der  klas- 
sischen Sprache  besonders  zutage  tritt.  Diesem  Mangel  wurde  abgeholfen 
durch  Umschreibungen  der  mannigfachsten  Art,  wobei  die  zahlreich  vor- 
handenen Verba  die  besten  Dienst«  leisteten.  Allmählich  aber  erweiterte 
sich  der  Bestand  an  Substantiven  und  schliesslich  tritt  das  Gegenteil  des 
ursprünglichen  Zustandes  ein,  dass  nämlich  die  Subst.  und  besonders  die 
Abst.  geradezu  überwiegen  und  andere  Wörter  z.  B.  Adverb,  verdrangen 
(vgl.  Syntax  §  93). 

*i.  Im  Gebrauche  der  Subst.  ist  folgendes  Bemerkenswerte  hervor- 
getreten : 

a.  In  der  Sprache  des  Volkes  waren  die  Subst.  abstr.  gerade  nicht 
unbeliebt,  wie  ein  Blick  auf  den  Wortschatz  des  Plautus  zeigt;  aber  immerhin 
ist  erst  mit  Cicero  und  zwar  infolge  seiner  philosophischen  Studien  eine 
Bereicherung  eingetreten.  Das  silberne  Latein  that  manches  hinzu,  und  so 
erweiterte  sich  z.  B.  die  Zahl  der  Verbalia  auf  io  von  Cicero  bis  Hadrian 
von  859  auf  1447.  Bei  den  christl.  Schriftstellern  steigert  sich  das  Be- 
düifnis  nach  Abstr.  (Tertull.  August.  Hieron.),  und  manche  gehören  aus- 
schliesslich dieser  Zeit  an. 

Plautus  bevorzugt  die  Verb,  auf  io  besonders  in  halb  verwunderten, 
halb  unwilligen  Fragen  z.  B.  quid  tibi  Juinc  tactio  est?  Doch  zeigt  sich 
schon  hier  der  bei  Cic.  und  in  der  Folgezeit  ausgebildete  Brauch,  wonach 
dieselben  als  Verbalia  aktive,  passive  und  mediale  Bedeutung  und  zwar 
für  die  Gegenwart  wie  für  die  Vergangenheit  aufweisen  können.  Ferner 
bezeichnen  sie  die  Art  und  die  Möglichkeit  etwas  zu  thun,  letzteres 
namentlich  in  Verbindung  mit  esse  und  habere;  seltener  drücken  sie  das 
Resultat  einer  Handlung  aus,  z.  B.  inventio  =  inventum;  wenn  auch  Cic. 
in  epp.  und  sonst  vereinzeint  dies  zulässt,  z.  B.  Fam.  9,  18,  4  aesfi- 
mationes  =  „taxierte  Grundstücke**,  so  gehört  dieser  Gebrauch  doch  vor- 
zugsweise der  Geschäfts-  und  Kanzleisprache,  sowie  der  sinkenden  Lati- 
nität  an. 

Bei  den  Verbal,  auf  sus  und  tus  verwischt«  sich  schon  in  klass.  Zeit 
der  Unterschied,  der  dieselben  ursprünglich  von  denen  auf  Io  trennte  (vgl. 
motus  u.  motio),  und  beide  Arten  ergänzten  sich  gegenseitig,  wie  z.  B.  con- 
cursio)ics  den  Plural  zu  cmicurstis  hergiebt  und  überhaupt  der  Plur.  der 
Verbal,  auf  us  namentlich  im  Dat.  u.  Abi.  durch  die  Verbal,  auf  io  ei-setzt 
wird.  In  der  nachaug.  Zeit  steigert  sich  die  Liebhaberei  für  Verbal,  auf 
us^  so  bei  allen  Autoren  des  silbernen  Latein  und  dann  ganz  besonders  bei 
Apuleius,  Tertullian,  Amra.  und  Sulp.  Sev.;  auch  schwindet  die  Abneigung 
gegen  Dat.  und  Abi.  Plur.,  so  dass  z.  B.  bei  Sulp.  Sev.  Formen  wie  coetibus, 
plausibus  u.  ä.  häufig  sind.  Doch  nehmen  nicht  alle  Autoren  des  Sp.  L. 
hieran  teil,  wie  z.  B.  die  scr.  bist.  Aug.  und  ebenso  viele  eccl.  verhältnis- 
mässig wenig  Beispiele  bieten. 

Die  Neigung  zur  Abstraktion  in  den  Zeiten  des  Verfalls  zeigt  sich 
noch  in  der  Zunahme  der  Subst.  auf  ta^,  ferner  in  Wiederaufnahme  der 
nur  im  Aitlat.  üblichen  Endung  ela  und  der  von  den  Klassikern  vernach- 
lässigten, aber  bereits  von  den  archaisierenden  Schriftstellern  der  cic.  und 
der  folgenden  Zeit  gerne  aufgegriffenen  Bildung  mit  tudo^  z.   B.  clariiudo. 


1.  Eigentümlichkeiten  im  Oebranch  der  Bedeteile.  (§  2.)  535 

b.  Subst.  abstr.  im  Plur.  finden  sich  schon  im  Altlat,  besonders  bei 
Plaut,  in  verhältnismässig  grosser  Zahl;  in  klass.  Zeit  erweitert  sich  die- 
selbe wesentlich  durch  Gic,  weniger  durch  Gaes.  und  Sali.,  bei  denen  der 
Gebrauch  sehr  selten  ist;  noch  mehr  aber  als  Cicero  haben  die  Dichter, 
die  poetisierenden  Prosaiker  seit  Liv.  und  die  Archaisten  geneuert,  und 
man  kann  sagen,  dass  der  Gebrauch  der  Abstr.  im  Plur.  in  jeder  Epoche 
der  lat.  Sprache  zugenommen  hat.  Nirgends  jedoch  trifft  man  diese  Plural- 
bildungen so  häufig  und  in  so  auffallenden  Beispielen,  als  in  der  Vulg.  und 
bei  den  eccl.,  z.  B.  mstitiae  Gesetze,  veritates  Wahrheiten  u.  ä.  Ohne 
Zweifel  hat  mancher  Plural  seine  Entstehung  der  Ausgleichung  zu  danken 
z.  B.  Sali.  Cat.  15  neque  viffiliis  neque  quietibm  (vgl.  meine  Anm.)  und 
Plaut  Pseud.  62  nosti  amores^  mores,  constietudincs.  Die  Gründe  für  Setzung 
des  Plur.  der  Abstr.  sind  bekannt;  in  der  Sprache  der  Dichter  hat  der 
Plur.  auch  steigernde  Bedeutung,  wie  z.  B.  Yerg.  Aen.  2,  22  regtia  =  „das 
grosse,  mächtige  Keich^  bedeutet. 

c.  Schon  die  alte  Sprache  hat  Abstr.  in  konkretem  Sinne  ver- 
wendet, wie  z.  B.  Plaut,  u.  Ter.  scclus  und  Senium  zur  Bezeichnung  von 
Menschen  gebrauchen,  ebenso  die  klassische  Sprache.  Kühner  sind  jedoch 
Livius,  Gurt.  u.  Tac.  Es  scheint,  dass  die  Sprache  der  Jäger,  Landleute, 
Soldaten,  Advokaten  hier  manches  Eigentümliche  hatte,  was  allmählich 
sich  Eingang  in  die  Schriftsprache  zu  verschaflfen  wusste,  z.  B.  furtum  ^:= 
„gestohlener  Gegenstand**  sog.  bei  Gic,  armatura  besonders  zahlreich  bei 
Gaes.  Fortsetzern  u.  ä. 

d.  Subst.  abstr.  als  Subj.  oder  Obj.,  wo  wir  ein  Personalsubstantiv 
oder  mindestens  ein  Konkretum  erwarten,  finden  sich  namentlich,  wenn  die 
Bezeichnung  der  Person  im  Gen.  oder  durch  ein  Pron.  poss.  angefügt  ist. 
Selten  noch  im  Altlat.,  z.  B.  Plaut.  Bacch.  5,  2,  57  mea  jnetas,  wird  dieser 
Gebrauch  von  Gic.  in  eleganter  Weise  ausgebildet,  z.  B.  Q.  fr.  1,  1,  12 
videtur  potuisse  tua  liheralitas  decipL  Schon  Liv.  lässt  ihn  in  kühneren 
Wendungen  zu,  mehr  noch  Vell.  Val.  Max.  Tac.  u.  Plin.  min.,  und  so  ent- 
wickelt sich  hieraus  die  offizielle  Titulatur,  z.  B.  vestra  serer^itas  etc.  Vgl. 
Schöner,  in  act.  sem.  Erlang.  II  p.  490  ff.  Hierin  leistete  das  konstan- 
tinische Zeitalter  das  Mögliche;  ja  die  christl.  Kirche  eroberte  sich  nun- 
mehr eine  Titulatur,  und  sanctitas  tua  ist  seit  Ende  IV.  saec.  stehende  An- 
rede der  Bischöfe.  Auch  in  unsern  Kurialstil  und  Konversationston  ist 
dieser  Brauch  übergegangen,  wie  wir  ja  von  /SV.  Majestät,  meiner  Wenig- 
keit  u.  ä,  sprechen. 

AnmerkuDg.  Im  übrigen  meidet  die  lat.  Sprache  die  Setzung  eines  Abstr.  im 
8ubj.,  wenn  das  Verb,  eine  Handlung  bezeichnet,  die  nur  von  einem  konkreten  Wesen 
ausgeführt  werden  kann,  z.  B.  Rom  führte  Krieg  Romani  bellum  gesserunt.  Aber  auch 
schon  bei  Cic.  (um  wie  viel  mehr  bei  Spät.!)  tritt  ein  Abstr.  als  Subj.  auf,  z.  B.  wenn  es 
motivierende  Kraft  hat  oder  wenn  es  eme  besondere  Vorstellung  involviert,  wie  z.  B.  in 
(rraecia  haec  semper  summa  dtixit  das  Wort  Graecia  das  eigentümliche  nationale  Wesen 
zum  Ausdruck  bringen  soll. 

e.  Die  Pluralia  tan  tum  bezeichnen  BegrifiFe,  welche  den  Eindruck 
einer  Zusammensetzung  oder  Vielseitigkeit  machen,  z.  B.  scalae,  fides^  di~ 
vitiue  u.  ä.  Die  Sprache  hatte  jedoch  nicht  immer  dieselbe  Anschauung 
bezüglich  der  Einfachheit  oder  Mannigfaltigkeit;  daher  kommt  es,  dass 
Subst.  in  einer  Periode  als  Plur.  tantum  erscheinen,  in  einer  andern  nicht. 


536  B.  Lateinische  Grammatik«    e)  Lateinische  Stilistik. 

So  wird  facetia  bei  Plaut,  und  wieder  bei  Gellius  im  Sing,  gebraucht,  die 
Zwischenzeit  kennt  nur  facctiae;  klassisch  ist  cervices,  inimicitiae,  divUiae 
u.  ä.,  während  Dichter,  vor-  und  nachklassische  Autoren  auch  den  Sing, 
zulassen. 

Anmerkung.  Auffällig  ist  der  Plural  liberi  von  einem  Kinde,  sowie  patentes 
von  einer  Mutter,  weniger  jedoch  pontes  (=  die  Joche  einer  Brücke)  neben  pons  von 
einer  Brücke.  Vgl.  darüber  meine  Abhandlung  in  Z.  f.  G.  W.  1881  S.  121,  Ott,  Progr. 
Rottweil  1869  und  Nipp,  zu  Tac.  ann.  2,  8. 

f.  Die  Verbal  auf  tor  kommen  schon  im  Altlat.  und  in  der  klass. 
Sprache  ziemlich  zahlreich  vor;  in  der  silb.  Latinität  erweitert  sich  die 
Fähigkeit  solche  Verbal,  zu  bilden  sehr  und  wird  mit  dem  Sinken  der 
Sprache  fast  unbeschränkt.  Während  nun  Cic.  u.  Caes.  mit  denselben  den 
Begriff  einer  dauernden  Eigenschaft  oder  eines  unterscheidenden  Charak- 
ters verbinden,  verblasst  diese  Bedeutung  seit  Liv.  immer  mehr;  der  letz- 
tere sagt  schon  corruptores  exercitus  vollständig  im  Sinne  von  ü  qui  exer- 
citum  corriq)erunt,  und  nach  ihm  bezeichnen  die  Verbal,  auf  tor  allgemein 
eine  vorübergehende  Handlung  oder  einen  solchen  Zustand  der  gemeinten 
Person. 

Vgl.  Gramer,  Über  die  Verbalsubst.  auf  tor  und  triv  bei  Cic,  Cöthen  1848;  Schaffbr, 
Über  den  Gebrauch  der  Derivaten  auf  tor  und  trix,  Prenzlau  1859,  1860;  Dziaüek,  De 
subst.  vcrb.  in  io  eius  desinentibus,  Trzomessno  1847;  J.  Schmidt,  commentatio  de  Dominum 
verbalium  in  tor  et  tn'x  desinentium  apud  Tertullianum  copia  ac  vi,  Erlangen  1878;  Fr. 
LiESEMBERO.  Die  Sprache  des  Animian.  Marc.  I  der  Wortschatz,  Blankenburg  1888;  Kin* 
DI8CHER,  Die  Verbalsubstantiva  auf  tor  und  trix  bei  Cicero,  Z.  f.  G.  W.  1860;  Adolf  M. 
A.  Schmidt,  Beiträge  zur  livianischen  Lexikographie,  Baden  in  Österreich,  1888. 

Adjektiva. 

3.  Adjektiva  können  substantiviert,  d.  h.  wie  Substantiva  ge- 
braucht werden.  Die  Substantivierung  des  lat.  Adjektivs  vollzieht  sich  auf 
doppeltem  Wege,  entweder  durch  unbewusstes  Einordnen  eines  persönlichen 
oder  sächlichen  Begriffes  unter  einen  obersten  Allgemeinbegriif  oder  durch 
fühlbare  Ellipse  eines  ebenfalls  generellen,  aber  enger  begrenzten  Begriffes 
von  weit  überwiegend  konkreter  Natur.  Der  erste  Fall  gilt  für  consularis, 
afßniSy  amictiSy  boniis  u.  ä.;  hier  k'Snnen,  im  Masc.  u.  Fem.  wenigstens,  nur 
solche  Adj.  substantiviert  werden,  die  persönliche  innere  oder  äussere  Eigen- 
schaften, z.  B.  des  Standes,  Berufes,  Charakters  ausdrücken.  Begünstigt 
wurde  die  Substantivierung  auch  durch  die  Wortstellung,  z.  B,  fera  bestia, 
wo  besiia  wegen  des  vorausgehenden  fera  leicht  entbehrlich  wurde.  Durch 
das  Neutrum  werden  allgemein  sächliche,  zumeist  abstrakte  Verhältnisse, 
z.  B.  honcsfum,  nisfion,  immensum,  und  im  Plural  Dinge,  die  ihrem  Wesen 
nach  eine  Eigenschaft  besonders  hervortreten  lassen,  z.  B.  digna,  nera,  summa 
bezeichnet.  Die  Substantivierung  dieser  Adjektiva  ist  durch  den  inneren 
Grund  der  Bedeutung,  bei  abgeleiteten  Adj.  auch  durch  das  Suffix  und 
schliesslich  durch  die  Geschlechtsendung  begünstigt. 

Im  allgemeinen  kann  man  wohl  sagen,  dass  diese  Substantivierung 
in  der  vorklassischen  und  klassischen  Zeit  noch  ziemlich  enge  Grenzen  hat; 
dieselben  erweitern  sich  bereits  bei  Sali.,  bei  den  aug.  Dichtern,  dann 
hauptsächlich  bei  Liv.  u.  Tac,  noch  mehr  im  Sp.  L.,  wo  Beispiele  aller 
Art  in  allen  Kasus  sich  finden. 

Bedingt  ist  ferner  die  Häufigkeit  der  Erscheinung   von  Geschlecht 


1.  Eigentümlichkeiten  im  Oebranch  der  Redeteile.  (§  3—4.)  537 

und  Deklination,  Numerus  und  Kasus.  Darnach  ergiebt  sich:  Die 
Substantivierung  tri£ft  mehr  die  Adj.  der  II.  als  der  III.  Dekl.,  im  Plural 
mehr  im  konkreten,  im  Sing,  mehr  im  abstrakten  Sinne;  dabei  zeigt  sich 
öfter  der  Gen.  sing,  als  der  Dat.  oder  Abi.  Bei  Präpositionalausdrücken, 
4ie  mittels  des  Neutr.  sing,  gebildet  werden,  finden  wir  besonders  Adj.  der 
IL  Dekl.  substantiviert,  z.  B.  ad  extrennim,  de  publica  u.  ä.;  die  der  III. 
waren  wohl  nur  in  der  Volkssprache  üblich,  z.  B.  in  proclivi,  in  j)raesenti, 
haben  sich  aber  auch  allmählich  in  die  Schriftsprache  eingedrängt;  die 
komparativen  Ausdrücke  wie  in  malus,  in  mollius  u.  ä.  treten,  vielleicht 
begünstigt  durch  die  Nachahmung  des  Thucyd.,  seit  Sali,  und  Liv.  auf, 
werden  aber  namentlich  von  Tac.  und  seinen  späten  Nachahmern,  z.  B. 
Ammian  bevorzugt;  überhaupt  mehren  sich  solche  präpositionale  Wendungen, 
wie  in  quantum,  de  cetera  u.  ä.  seit  Livius  im  N.  Kl.  und  Sp.  L.  Die 
plural.  Neutra  bewegen  sich  in  der  klassischen  Sprache  am  liebsten  in  den 
als  neutral  erkennbaren  Kasus,  z.  B.  amnia,  aber  amnium  verum;  mit  Sali, 
und  Liv.  wird  dies  anders;  bei  ihnen  wie  auch  bei  Tac.  und  Spätem  er- 
scheint das  Neutr.  gleichmässig  in  allen  Kasus. 

Die  Verbindung  eines  partitiven  Genetivs  mit  dem  Neutr.  plur. 
lassen  Cic.  u.  Caes.  selten,  Nepos  gar  nicht  zu;  ziemlich  umfänglich  machj; 
Sali,  davon  Gebrauch,  mehr  noch  die  aug.  Dichter  nach  dem  Vorgang  des 
Lucrez  und  dann  Liv.  u.  Tac,  z.  B.  Cic.  Fam.  1,  9,  15  summa  j^^ctaris, 
Liv.  5,  29  per  aversa  urhis.  Bei  den  Dichtern  und  Liv.  Curt.  Tac.  ver- 
wischt sich  oft  die  partitive  Bedeutung  des  Gen.,  z.  B.  sub  cansiratis  pan~ 
tium.  Das  Neutr.  sing,  ist  mit  partit.  Gen.  bei  Cic.  nur  aus  den  Erst- 
lingsreden nachgewiesen,  auffällig  wird  die  Konstruktion  bei  Sali.,  z.  B. 
Jug.  21,  2  ubi  plerumquc  noctis  processit^  und  pflanzt  sich  in  dieser 
Weise  bei  Liv.  Plin.  mai.  Tac.  fort;  doch  verliert  der  Gen.  auch  hier  vielfach 
seine  partit.  Natur;  vgl.  darüber  Syntax  §  70,  Anm.  2.  Schliesslich  sei  er- 
wähnt, dass  zu  einem  subst.  Adj.  ein  attribut.  Adj.  hinzutreten  kann, 
selten  bei  Cic.  (Madvig  fin.  S.  234),  um  so  häufiger  bei  Dichtern,  z.  B. 
Verg.  G.  1,  393  aperta  scretia,  Juv.  7,  30  dives  avarus.  In  Verbindungen 
wie  quidam  docti,  nemo  sapiens  u.  ä.  bildet  das  Pron.  das  subst.  Element; 
dies  gilt  für  alle  Pron.  numer.  ausser  önmi>  im  Sing,  und  ullus  und  nullus 
im  Nom.   und  Acc.  sing. 

4.  Die  Participia  lassen  sich  in  ähnlicher  Weise  wie  die  Adj.  sub- 
stantivieren; auch  hier  machen  sich  die  gleichen  Faktoren  wie  Genus 
und  Deklination,  Kasus  und  Numerus  geltend.  Während  schon  Ter.  das 
Part,  praes.  im  Nom.  sing,  substantivierte,  haben  die  Klassiker  und  wie 
es  scheint  auch  Liv.  diesen  Gebrauch  vermieden;  im  Zeitalter  Neros  erst 
schreibt  Sen.  de  ira  1,  4,  1  quo  distet  t intens  a  timido  und  Lucan  6,  293 
Äetnaeis  habitans  in  vallibus.  Die  andern  Kasus  werden  im  Sing.  u.  Plur. 
allenthalben  unbedenklich  substantiviert,  jedoch  so,  dass  seit  Liv.  sich  eine 
Zunahme  der  Konstruktion  wahrnehmen  lässt. 

Das  Part.  perf.  pass.  (oder  depon.)  kommt  in  der  klass.  Zeit  im 
Masc.  sing,  kaum  substantiviert  vor,  höchstens  mortuus  Cic.  Mil.  27,  75 
kann  hieher  gerechnet  werden.  Auch  Liv.  ist  noch  sehr  behutsam  und 
erlaubt  sich  den  Gebrauch  nur  da,  wo  ein  wirkliches  Substantiv  in  der  Nähe 


588  B.  Lateinische  Orammatik.    e)  Lateinisclie  StilisiÜL 

steht,  dem  sich  das  Partiz.  angleicht,  z.  B.  40,  10,  1  disceme  itmditUorem 
et  Petitum  insidiis.  Nach  Liv.  jedoch  gestatten  sich  die  Autoren  wie  Sen., 
auch  Quint.  Tac.  Suet.  alle  Freiheit,  und  Beispiele  wie  Suet.  Jul.  82  corpus 
occisi  in  Tibet  im  trahere  gehören  nicht  mehr  zu  den  Seltenheiten.  Ähnlich 
verhält  es  sich  mit  dem  Plural;  Cicero  lässt  ihn  zwar  zu,  namentlich  um 
eine  Klasse  von  Menschen  zu  bezeichnen,  ist  aber  sonst  dieser  Art  von 
Substantivierung  wenig  geneigt.  Anders  wird  es  schon  mit  Livius;  sagte 
Cicero  off.  2,  66  eorum,  qui  defetisi  sunt^  gratia  und  nicht  dcfcnsorum  graiia 
oder  2,  81  eos  quos  ipse  restituemt  für  a  se  restUtUos,  so  lesen  wir  bei 
Livius  26,  16,  13  quam  nihil  in  Hannihale  ad  receptos  in  fidem  tuendos 
esset  u.  ä.  öfter.  Verhältnismässig  sparsam  ist  Tac.  in  diesen  Sub- 
stantivierungen, weniger  die  spätere  Historiographie,  wo  sie  fast  unein- 
geschränkt werden. 

Häufig  wird  das  Neutr.  sing,  substantivisch  gesetzt,  namentlich  in 
präpositionalen  Wendungen;  auch  hierin  zeigt  Liv.  wieder  eine  besondere 
Liebhaberei;  ihm  hauptsächlich  ist  eigen  das  Part,  in  Stellvertretung  eines 
ganzen  Satzes,  z.  B.  degcneratum  in  aliis  kuie  quoque  decori  offecit  und 
Wendungen  wie  praeter  crebrius  eo  anno  lapidatum;  wenn  auch  von  beidem 
ßich  Anfänge  schon  bei  Cicero  und  den  aug.  Dichtern,  sowie  Nachklänge 
im  silb.  Latein  finden,  z.  B.  Cic.  off.  1,  10,  33  nihil  habeo  praeter  auditum 
und  ante  exsjyectatum  bei  Verg.  u.  Sen.,  so  tritt  dieser  Gebrauch  bei  Liv. 
besonders  häufig  und  signifikant  auf  (vgl.  Lübbert,  Lektionskatal.  Giessen 
1871  p,  20).  Das  Neutr.  plur.,  vorzüglich  in  Ausdrücken  wie  dic/a,  facta, 
acta  etc.,  ist  allgemein  üblich,  doch  gesta  für  res  gestae  finden  wir  nur  bei 
Nepos  und  dann  im  Sp.  L.  (vgl.  Wölfflin,  Rh.  Mus.  1882  p.  89). 

Die  Substantivierung  des  Part.  fut.  lässt  sich  nicht  vor  dem  silb. 
Latein  nachweisen,  wo  Vell.  Pat.  u.  Quint.  kühne  Beispiele  liefern  (Quint. 
11,  3,  157  mire  cnim  auditurum  dicturi  cura  delectat);  ähnlich  ergeht 
es  dem  Gerundiv;  dies  findet  sich  substantiviert  seit  Hör.  bei  Liv.  Vell. 
Sen.    Plin.    min.     Beide   Substantivierungen    sind    häufig   im    Sp.   L.,   vgl. 

LÖNNEROREN    p.    5. 

5.  Anders  verhält  es  sich  mit  der  zweiten  Art  der  Substantivierung. 
Hier  ist  der  Hergang  äusserlich,  indem  ein  allgemeiner  Substantivbegriff, 
der  sich  zum  Adjektivbegriff  verhält,  wie  das  Genus  zur  Species,  weg- 
gelassen ist.  Hauptsächlich  sind  es  Concreta,  Dinge  aus  dem  Alltagsleben 
des  Menschen,  aus  Kunst  und  Gewerbe  etc.  bezeichnend,  welche  weggelassen 
werden.  Hervorgegangen  ist  diese  Substantivierung  aus  dem  Bedürfnis 
nach  kurzen  handwerksmässigen  Wörtern.  Zumeist  ist  es  sehr  leicht,  die 
Ellipse  festzustellen,  z.  B.  vasa  bei  Corinthia,  fabula  bei  praetewtu,  f'ebris 
bei  tertiana  u.  ä.  Man  wird  wohl  nicht  mit  Unrecht  hieher  Wörter  wie 
aerarium,  apinrium,  granarium  u.  s.  w.  rechnen,  wenn  auch  die  Adjektiva 
nicht  mehr  erhalten  sind;  denn  das  ursprüngliche  Adj.  kann  mit  der  Zeit 
untergegangen  sein,  so  dass  nur  das  Substantiv  im  Neutrum  geblieben  ist. 
Unter  allen  Umständen  ist  aber  notwendig,  dass  das  zu  ergänzende  Sub- 
stantiv ein  konkreter,  in  Unterabteilungen  zerlegbarer  Begriff  sei.  Nicht 
hieher,  sondern  zur  ersten  Art  gehören  jedoch  die  Neutr.  plur.  wie  avia, 
ardua,  summa,  abrupta  u.  ä. 


1.  Eigentflmliohkeiien  im  Oebranch  der  Bedeteile.  (§  5  -  8.)  539 

Nach  dem  Gesagten  wird  man  die  Substantivierung  der  zweitigenannten 
Art  im  publizistischen  Stile,  z.  B.  diunia  sc.  acta,  laurea  sc.  Corona,  Latinae 
sc.  feriae,  agraria  sc.  lex  u.  ä.,  dann  in  der  Sprache  der  Landleute,  der 
Handwerker,  der  Künstler,  der  Seeleute  u.  s.  w.  finden;  damit  ist  zugleich 
auch  nahegelegt,  welche  Schriftsteller  sie  vorzugsweise  verwenden,  d.  h. 
Varro,  Vitr.  Plin.  mai.  Colum.  Fall.,  auch  Cic.  wie  fast  alle  Schriftsteller 
in  vereinzelten  Beispielen. 

0.  Ein  Adjektiv  an  Stelle  eines  Adverbs  erscheint  schon  im  Altlat., 
um  die  Eigenschaft  der  Handlung  zur  Eigenschaft  des  Subjekts  oder  Ob- 
jekts zu  machen,  z.  B.  Plaut.  Gas.  5,  1,  14  lihens  et  solem  fecero;  ebenso 
auch  bei  Ter.  Der  Grund  ist  nach  Holtze  H,  S.  202,  weil  adiecHvo  actio 
multo  mvidius  expfimitur.  In  der  klassischen  und  vorklassischen  Zeit  stehen 
so  vorzugsweise  Adjektiva  des  Affekts,  z.  B.  Sali.  Cat.  60,  3  Uli  haud  ti- 
midi  resistunt,  bei  Cic.  besonders  in  epp.  Allein  die  Dichter  legten  sich 
diese  Beschränkung  nicht  auf,  sie  gebrauchten  der  Analogie  folgend  auch 
andere  Adj.,  namentlich  solche,  welche  eine  Zeit  bezeichnen  (was  Cicero 
abgesehen  von  frequens,  repentinus  und  assidutis  nur  in  epp.  ad  Att.  zu- 
lässt,  z.  B.  12,  1,  2  noctuabtindus  ad  mc  venit  cum  epistula  tun  tabellarius) 
z.  B.  Hör.  od.  1,  2,  45  serus  in  caelum  redeas,  und  von  hier  aus  ging  dec 
Gebrauch  auch  in  die  Sprache  der  Prosaisten  des  Kaiserreiches  über,  wo 
er  mit  dem  Sinken  der  Sprache  immer  weitere  Dimensionen  annahm,  wie 
namentlich  Serv.  Sulp,  zeigt.  Besonders  auffallig  ist,  was  sich  Livius  nach 
dem  Vorgang  des  Vergil  gestattet,  nämlich  beim  Partizip  ein  Adjektiv  an 
Stelle  des  Adv.  zu  setzen,  z.  B.  24,  46,  5  lentior  aequaliorquc  accido^ 
am  ihm,  wie  Verg.  G.  1,  163  tarda  volventia.  Manchmal  gebraucht  ein 
und  derselbe  Schriftsteller  Adj.  und  Adv.  nebeneinander,  wie  z.  B.  Sali. 
Cat.  26,  5  invidiae  pros2)cre  cessere  und  omnia  aspera  foedaque  evc- 
nerant  sagt. 

Anmerkung.  Der  Umgangssprache  ist  eigen  nuüus  an  Stelle  von  non.  So  lesen 
wir  schon  bei  Plaut.  t8  nuUus  venit,  ähnlich  schreibt  Ter.  memini  tametsi  nuUus  moneas. 
Bei  Cicero  sind  Beispiele  nur  in  den  Briefen  und  Erstlingsschriften  zu  finden,  z.  B.  p.  Rose. 
Am.  128  haec  bona  in  tabulas  publicas  nulla  redierunt;  auch  Liv.  nimmt  in  emzelnen 
Fällen  teil  an  der  Konstruktion,  z.  B.  24,  36,  8  postquam  ea  {occasio)  nulla  contigerat; 
im  übrigen  ist  die  Redeweise  von  der  strengen  Prosa  verschmäht  worden  (Haupt,  obs. 
crit.  1841  p.  5).  -  Auf  Nachahmung  der  Griechen  beruht  der  Gebrauch  von  prädikativem 
inultus  bei  Sali,  und  Tac.  z.  B.  Sali.  Jug.  84,  1  midtus  instare. 

7.  Die  Partie,  perf.  pass.  bezeichnen  oft  in  Vertretung  der  Part, 
praes.  einen  dauernden  Zustand  und  erhalten  so  die  Bedeutung  des  Gerun- 
divs oder  eines  Adj.  auf  ilis.  Namentlich  ist  dies  der  Fall  bei  den  mit 
negativem  in  zusammengesetzten  wie  invictus,  implacatus,  aber  auch  bei 
andern  wie  co7iteniptus,  ahiectus^  optatus  u.  ä.  Die  Zahl  der  so  gebrauchten 
mit  in  zusammengesetzten  Part,  ist  schon  beträchtlich  in  der  klass.  Sprache, 
steigert  sich  aber  noch  bei  Dichtern  und  Spätem,  wo  z.  B.  inaccessus  nach 
dem  Vorgange  Vergils  bei  Plin.  mai.  Tac.  u.  ä.,  ificoncussus  bei  Sen.  phil., 
illaudatus  u.  ä.  vorkommen. 

8.  Der  poetischen  und  nachklassischen  Sprache  eigen  ist  die  aus  der 
Volkssprache  (Cornif.  4,  45  pauco  sermone,  Vitruv  1,  1,  6  pauca  manu, 
b.  Afr.  67  pauco  trifici  numero)  entnommene  Verbindung  des  Sing,  der  Adj. 
multus,  paucus,  plurinms,  omnis,  singulus  mit  Subst.  im  Sinne  einer  Mehr- 


540  B.  Lateinische  Orammatik.    e)  Lateinische  Stilistik. 

heit.  Aus  der  klassischen  Sprache  sind  nur  stereotype,  gleichfalls  der 
Volkssprache  entstammende  Wendungen  wie  plurinmm  salutcm,  ad  multam 
nocteni,  plurima  excrcitafio,  z.  B.  Cic.  Fin.  3,  50  mrtus  plurimae  exerdioHih 
nis  indigct  bekannt;  dagegen  Beispiele  wie  plurima  mortis  imago,  singuh 
numeroj  incola  rartis  u.  ä.   finden   sich   nur   bei  Dichtem   und    Archaisten. 

\\  Die  lateinische  Sprache  ist  reich  an  Adverbien,  welche  geeignet 
sind,  zur  Steigerung  der  Adjektiva  zu  dienen.  Doch  waren  dieselben 
nicht  alle  gleichzeitig  und  gleichmässig  im  Gebrauch.  Da  solche  Wörter 
sich  sehr  leicht  abnutzen  und  ein  Wort,  das  jetzt  noch  einen  hohen  Grad 
anzuzeigen  geeignet  ist,  bald  diese  Kraft  verliert  und  durch  ein  anderes 
ersetzt  wird,  so  lösen  auch  die  steigernden  Adv.  vielfach  einander  ab. 
Manche  derselben  hatten  einen  so  plebeischen  oder  doch  vulgären  Charakter, 
dass  sie  nur  sporadisch  in  die  Litterärsprache  Aufnahme  fanden. 

Anmerkung  1.  Während  multum  bei  Plaut  vielfach  gebraucht  wird,  verscbinäbt 
es  der  feinere  Ter.,  Horaz  hat  es  Überwiegend  in  den  Satiren  und  Ep..  sonst  findet  es  sieb 
bei  archais.  und  vulgären  Autoren.  Valde  wurde  von  Cic.  in  die  lat.  Prosa  eingeführt, 
er  hat  es  namentlich  in  den  epp.  oft  verwendet,  nach  ihm  scheint  es  abgestorben,  es  lassen 
sich  abgesehen  von  dem  späten  llermae  past.  nur  vereinzelte  Belege  aus  Vitr.  Peiron  Ph'n. 
mai.  Quint.  beibringen.  Offenbarer  Ersatz  für  das  fehlende  valde  wird  im  archaischen 
Latein  durch  sane  geboten;  dies  findet  sich  indes  auch  bei  Cic,  besonders  häufig  in  ad 
Att.  Das  bei  Comif.  noch  sehr  beliebte  vehementer  tritt  mit  Cic.  zurück,  dieser  wie 
Caes.  und  Sali,  setzen  es  eher  zum  Verb,  während  vulgäre  Autoren  das  derbe  vehementer, 
z.  B.  Vitruv  9,  1,  16  r.  frigidus,  gerne  beibehielten.  Ganz  spät  erst  scheint  for titer 
aufgekommen  zu  sein,  indes  das  dem  französ.  hien  entsprechend  hene  schon  bei  Plaut, 
und  Ter.,  wenn  auch  vereinzelt,  häufiger  bei  Enn.  und  Cato,  oft  bei  Cic.  namentlich  in  epp. 
vorkommt.  Dieser  Gebrauch  gehört  der  Konversationssprache  an.  Male  synonym  dem 
in  privativum  bevorzugten  die  Dichter,  namentlich  wenn  die  Adj.  eine  Zusammensetzung 
mit  in  nicht  ertrugen,  z.  B.  Ovid.  fast.  3,  102  male  fortis.  Im  archaischen  Latein  spielt 
eine  grosse  Rolle  oppido,  welches  selten  noch  von  Plaut.,  öfter  von  Ter.  Catull.  b.  Afr. 
Vitr.,  vereinzelt  von  Cic,  häufiger  von  Liv.  und  Apul.,  ja  noch  bei  Apoll.  Sidon  gebraucht 
wird ;  Quiutilian  bezeichnet  das  Wort  bereits  als  veraltet,  und  in  den  romanischen  Sprachen 
hat  es  sich  nicht  erhalten.  Admodum  , völlig"  ist  häufig  auch  in  der  klass.  Sprache, 
welche  adfatim  noch  gar  nicht  kennt;  dies  ist  vielleicht  bei  Publ.  Syr.  zuerst  aufgetreten, 
dann  vereinzelt  nach  Liv.;  ahundc  findet  sich  auch  nicht  bei  Caes.  und  in  Cic.  oratt.. 
oft  aber  bei  Sali.  Voll.,  auch  bei  Liv.  und  im  silb.  Latein,  nimiuvi  neben  nimio  scheint 
ausser  sane  Ersatz  für  valde  im  Altlat.  gewesen  zu  sein,  klassisch  kommt  es  nicht  vor, 
spätlat.  kehrte  nimium  wieder  z.  B.  bei  scr.  h.  Aug.,  dafür  sagte  man  auch  nimie  und  das 
klass.  nimis.  Auf  die  alte  Zeit  und  die  Archaisten  sind  beschränkt  impense  und  im- 
pendio,  während  satis,  das  oft  einem  valde  nahe  kommt,  sich  auch  bei  Cic,  besonders 
in  epp.,  bei  Caes.  Sali,  erhalten  hat  und  zwar  zumeist  mit  Adj.  guter  Bedeutung.  Bezüglich 
der  Komposita  mit  per  und  prae  sei  bemerkt,  dass  die  ersteren  sich  zwar  schon  zahlreich 
bei  Plaut,  finden,  aber  ihre  Blüte  in  Cic.  epp.  haben,  während  die  mit  prae  bei  den  Tra- 
gikern zuerst  auftreten,  aber  nicht  vor  dem  silb.  Latein  (Plin.  mai.)  zur  vollen  Entwicklung 
gelangen. 

Anmerkung  2.  Die  Verbindung  von  Qualitütsadverbien,  welche  nicht  der  Steigerung 
dienen,  mit  Adj.  findet  sich  selten  in  klass.  Zeit,  um  so  häufiger  im  N.  Kl.  und  im  Sp.  L., 
z.  B.  Cic.  Tusc.  r>,  6  impie  ingratus,  Liv.  7,  5,  6  und  Tac  ann.  1,  8  Molide  ferox^  Ammian 
15,  3  abiectc  ignavns. 

10.  Eine  Umschreibung  des  Komp.  u.  Superlat.  wird  von  den 
besten  Prosaikern  sehr  selten  und  nur  bei  zwingendem  Grunde  angewendet, 
während  weniger  gute  Stilisten  und  die  Dichter  unter  dem  Zwange  des 
Metrums  beide  Bildungen  neben  einander  gebrauchen.  Zunächst  finden  wir 
das  im  Französischen  herrschend  gewordene  2)lus  zwar  schon  Ennius  Fab. 
371  M.  plus  miscr,  dann  aber  nicht  wieder  vor  dem  Sp.  L.,  wo  wir  es 
häufig  treffen,  ganz  besonders  im  gallischen  Latein,  z.  B.  bei  Apoll.  Sidon., 
weniger  oft  im  afrikanischen;   die  Beispiele,   welche   Wölfflin   und   Sittl 


1.  Eigentümlichkeiten  im  Oebrauch  der  Bedeteile.  (§  9—13.)  541 

zusammengestellt,  sind  vermehrt  durch  Rönsch,  Sem.  Beitr.  II  p.  77;  das 
in  andern  romanischen  Sprachen  erhaltene  niagis  dagegen  wurde  frühe 
verwendet,  wo  entweder  Begriff  oder  Form  der  Adj.  eine  Steigerung  nicht 
zuliess.  Manche  Partizipien,  die  später  als  Adj.  gelten  und  unbedenklich 
kompariert  werden,  wurden  im  Altlat.  umschrieben,  z.  B.  Plaut.  Amph.  132 
maxume  cupiens;  die  klassische  Sprache  scheute  sechs-  und  mehrsilbige 
Wortformen,  daher  wird  wohl  auch  Sali.  Cat.  36,  4  maxume  miserabilc 
geschrieben  haben.  Im  übrigen  weisen  die  Umschreibungen  auf  den  Verfall 
der  Sprache  hin,  während  umgekehrt  Formen  wie  piissimus  u.  ä.  eine  sehr 
nachlässige  und  vulgäre  Diktion  verraten. 

11.  Der  Superlativ  wird  im  archaischen  Latein  mit  multo  gesteigert, 
Cicero  hat  zuerst  dafür  longo  gesetzt  und  diese  Steigerungsform  (mit  Aus- 
nahme des  allitterierenden  multo  maximus)  konsequent  beibehalten;  auch 
Caes.  nahm  sie  an,  ebenso  Livius;  allein  Hör.  Quint.  Tac.  u.  besonders  die 
Archaisten  griffen  wieder  nach  dem  alten  multo,  welches  sich  auch  als  vul- 
gärem Brauche  entsprechend  in  den  romanischen  Sprachen  erhalten  hat, 
während  longe  spurlos  verschwunden  ist.  Beim  Kompar.  wird  longe  zuerst 
von  Catull  64,  215  lofige  iiicundior  gewagt,  dann  von  Sali.  Hirtius,  Verg.  Pro- 
perz  Liv.  Yell.  Sen.  und  überhaupt  von  der  silbernen  Latinität  aufgenommen, 
freilich  zunächst  nur  bei  irregulären  oder  eines  Positivs  entbehrenden  Kom- 
parativen. Vel  beim  Superl.  u.  Kompar.  ist  nicht  vor  Cic.  zu  treffen,  facile 
mit  normalen  Superlat.  ebenso.  Ausserdem  dienen  zur  Steigerung  seit 
Plaut,  omnium  und  unus  omnium^  auch  unus  allein,  bei  sächlichen  Be- 
griffen omnium  verum,  aber  nur  im  archaischen  und  archaistischen  Latein. 
Für  die  Entwertung  der  Steigerungsformen  ist  lehrreich,  dass  quam 
plurimi  im  Spätlat.  kaum  mehr  als  muUi  bedeutet. 

Anmerkung.  Quam  zur  Verstärkung  des  Superlativs  findet  sich  zu  allen  Zeiten. 
Aber  quam  mit  Positiv,  welches  offenbar  aus  einem  Ausrufe  in  die  Bedeutung  der  Ver- 
sicherung eines  hohen  Grades  übergegangen  ist,  lesen  wir  nur  bei  Ter.,  bei  Cic.  in  epp. 
und  Erstlingsschriften,  z.  B.  Att.  14,  9,  2  itaque  qwim  severe  no8  M.  Curtius  ßccusut, 
nicht  bei  Caes.  und  Sali.,  bei  Cael.  in  Cic.  epp.,  bei  Val.  Max.,  oft  seit  Apuleius. 

12.  Die  Volkssprache,  wie  sie  in  der  Komödie  besonders,  im  Briefstil 
und  im  Spätlatein  auftritt,  zeigt  ungewöhnliche  Fülle  des  Ausdrucks  da- 
durch, dass  sie  zu  einem  Adjektiv  im  Positiv  zwei  steigernde  Adverbia 
hinzutreten  lässt,  z.  B.  plane  bene  peculiatus  bei  Asin.  Poll.  ad  Fam.  10, 
32,  1  [oppido  perquam  pauci  im  b.  Afr.  47)  oder  doppelte  Komparativ-  u. 
Superlativsuffixe  ansetzt  oder  auch  steigerndes  Adv.  noch  zum  Suffix  ver- 
wendet. Während  nun  dexterior  in  Verkennung  der  Komparativendung  und 
Bedeutung  schon  zu  Cic.  Zeit  gebildet  war  und  posterius  gar  schon  bei 
Plaut,  u.  Ter.  auftaucht,  um  dann  von  Cornif.  Nepos  u.  Cic,  von  letzterem 
freilich  nicht  im  edleren  Stile,  weitergeführt  zu  werden,  hat  superius  nur 
schwer  aufkommen  können;  wenn  es  auch  im  b.  Hisp.  vorkommt,  hat  es 
doch  erst  im  II.  saec.  weitere  Verbreitung  gefunden;  ähnlich  geht  es  mit 
inferius,  citerius  u.  ä.,  die  alle  der  nachklass.  Zeit  entstammen.  Von 
proximiis  hat  zuerst  Sen.  einen  Komparativ  ^^roAiwior,  pluriorcs  von 
plurcs  wird  spät  erst  gebildet. 

13.  Die  Steigerung  des  Komparativs  durch  magls  hat  schon 
Plautus,  z.  B.  fnagis  mollior,  der  feinere  Ter.   Hess  sie  nur  an  einer  Stelle 


542  ^*  Lateinisohe  Orammatik,    e)  Lateinisohe  Stilistik. 

zu,  Hec.  738  magis  cautius;  dann  lesen  wir  sie  im  b.  Afr.,  bei  Vitr.  und 
später  namentlich  oft  bei  den  Afrikanern  seit  Apul.  Wir  sehen  also,  dass 
die  ganze  klassische  Zeit  und  das  silberne  Latein  (ausser  Val.  Max.)  sich 
dieser  Abundanz  enthalten.  Plus  beim  Komparativ  ist  in  der  Sprache 
der  Vulg.  und  bei  eccl.  wie  Rufin  und  Commodian  zu  finden.  Maxime 
neben  dem  Superlativ  hat  vielleicht  Cic.  Att.  12,  38,  3  quae  waxifue 
liberalissima  docfoque  homine  dignissima  zuerst  geschrieben,  dann  Columella, 
später  Gellius,  plurimum  mit  Superlat.  wurde  von  niemand  gewagt. 

Es  ist  schliesslich  kein  Zeichen  eleganter  Latinität,  wenn  die  mit  per 
und  prae  zusammengesetzten  Adj.  in  den  Komparativ  oder  Superlat. 
treten;  daher  lässt  sich  praenobilior,  perpaucissimi  u.  ä.  nicht  aus  Klassikern 
belegen.  Bei  praeclw'us  ist  das  Bewusstsein  der  Zusammensetzung  und 
ursprünglichen  Bedeutung  frühe  verloren  gegangen,  und  so  gebraucht  selbst 
Cicero  öfters  praeclunssimus.  Für  die  Hinzufügung  eines  Adv.  zum  Super- 
lativ wird  in  der  klassischen  Sprache  sich  höchstens  aus  Cic.  epp.  (Fam. 
3,  10,  10  quibus  me  ornatissimum  voluit  amplissime)  ein  Beispiel  finden 
lassen;  auch  Sali,  hat  nur  eine  Stelle  (Jug.  7  difficillumum  inprimis),  ebenso 
ist  die  archaische  Latinität  arm  daran.  Um  so  mehr  wuchert  die  Unsitte 
seit  Vell.,  der  bereits  2,  27  penitus  infestissimus  schrieb,  und  nimmt  mit 
dem  Verfall  der  Sprache  immer  mehr  zu;  vgl.  Spart.  Hadrian  14,  8  W- 
te^iarum  nhnium  studiosissimus,  Amm.  16,  12,  54  saus  prosperrime, 

14.  Die  Komparationsgrade  haben  nicht  zu  allen  Zeiten  ihre 
Bedeutung  erhalten;  es  trat  schon  frühe  eine  Abschwächung  ein,  und 
zunächst  verloren  die  Superlat.  optumus  pessumus  maxumus  minumus  ihren 
Superlativcharakter.  Die  Folge  davon  war,  dass  man  nunmehr  den  Positiv 
und  solche  entwertete  Superlative  sich  parallel  setzen  konnte,  z.  B.  opt'mms 
et  niilis.  Die  regelmässigen  Superl.  verbanden  sich  seit  Pollio  b.  Alex.  3, 
ingeniosl  atgue  aciäissinü,  Vitruv  und  Vell.,  z.  B.  Vitr.  24,  G  c  parva 
hrevissimoque  specfaculo,  Vell.  2,  69  acri  atque  prosperrimo  bello  mit  Posit. 
Namentlich  das  Titel wesen  der  Kaiserzeit  hat  die  Superl.  herabgedrückt, 
und  jetzt  wurde  sogar  ein  invictissimus  möglich. 

Auch  der  Komparativ  sank  schon  frül:e  im  Werte,  hier  ebenfalls  zu- 
nächst in  den  Formen  melior  peior  maior  minor.  So  konnte  er  im  paral- 
lelen Satzgliede  dem  Positiv  entsprechen  und  zwar  schon  bei  den  aug. 
Dichtern,  z.  B.  Ovid  Trist.  4,  8,  2  anni  fragiles  et  inertior  aetas,  häufiger 
freilich  im  Spätlat. 

Auch  Komparativ  und  Superlativ  wurden  vertauscht,  namentlich  in 
den  anormalen  Bildungen,  z.  B.  melius  u.  optivmm,  doch  auch  bei  andern 
Adj.,  z.  B.  setzt  Pollio  im  b.  Afr.  56,  3  i^ilustriores  notissirnique  ein- 
ander parallel;  derartige  inkorrekte  Verbindungen  sind  dann  am  meisten 
im  afrikan.  u.  spät.  Lat.  zu  finden. 

Besonders  in  Verbindung  mit  quisque  zeigt  sich  die  Entwertung  der 
Komparationsgrade.  Regelmässig  ist  der  Superlat.  im  Sing,  mit  quisque: 
der  Plural  wird  sich  wohl  vor  Cornif.,  z.  B.  prinms  quasque  partes  nicht 
finden,  er  nimmt  in  der  nachklass.  Litteratur  überhand,  so  dass  schliess- 
lich bei  den  Script,  bist.  Aug.  auf  3  Sing.  19  Plur.  kommen. 

Der  Komparativ  mit  quisque  ist  namentlich  bei  den  spät.  Afrikanern 


1.  fiigentOmlichkeiten  im  Gebrauch  der  fiedeteile.  (§  14  - 15.)  543 

ganz  an  die  Stelle  des  Superl.  getreten,  z.  B.  Apul.  propiorcs  quosque;  der 
Positiv  kommt  zunächst  in  solchen  Wörtern  vor,  welche  Superlativbedeu- 
tung haben;  so  sagt  z.  B.  Liv.  eximium  quemque  und  Tac.  pracdpui  quU 
que;  aber  schon  Sali,  wagt  ignavi  cuiusque  (in  den  bist.),  Tac,  in  den 
ann.  invalidus  quisque;  indes  war  es  auch  hier  den  Afrikanern  vorbehalten, 
solche  Wendungen  ins  masslose  auszudehnen,  hauptsächlich  Tertull.  hat 
hier  alle  überboten. 

Vgl.  Ott,  Die  Substantivierung  des  lat.  Adj.  durch  Ellipse,  Rottweil  1874;  WGlfflin, 
Jjat.  und  roman.  Comparation,  Erlangen  1879;  Pbnkiosdorf,  De  quisque  et  quisquis  prono- 
minum  apud  com.  lat.  usu,  Halle  1878;  Ott,  Doppelgradation  und  Verwechslung  der  Gradus, 
N.  Jahrhb.  1875. 

Pronomina. 

Reflexivum  und  Reciprocum. 

15.  Das  Reflexiv  sui  sibi  se  deutet  die  Rückbeziehung  zu  einem 
Gegenstande  an,  der  die  Thätigkeit  ausübt  oder  an  der  Ausführung  der- 
selben beteiligt  ist,  suus  aber  bezeichnet  einen  Gegenstand  als  in  den  Be- 
sitz des  die  Thätigkeit  ausübenden  Gegenstandes  gehörig;  is  dagegen, 
welches  hier  durchaus  als  Pron.  der  III.  Pers.  anzusehen  ist,  bewerkstelligt 
die  Rückbeziehung  der  Thätigkeit  auf  jeden  andern  in  ebendemselben  oder 
im  vorhergehenden  Satze  schon  gegebenen  Gegenstand.  Bisweilen  jedoch 
giebt  der  Sprechende  die  Rückbeziehung  mittels  des  Reflexivs  auch  auf  einen 
Gegenstand,  der  zwar  nicht  die  Thätigkeit  vollzieht,  aber  damit  im  Zu- 
sammenhang steht.  Diese  Regel  gilt  für  einfache  Sätze.  In  zusammen- 
gesetzten Sätzen  wird  die  Rückbeziehung  auf  das  Hauptsubjekt,  falls  es 
eine  von  diesem  selbst  gewollte  oder  nach  seinem  Sinne  stattfindende  ist, 
durch  das  Reflexiv  ausgedrückt  (der  Modus  des  Nebensatzes  ist  in  diesem 
Falle  der  der  Vorstellung,  d.  h.  der  Konjunktiv);  ist  sie  aber  vom  Sprechen- 
den bloss  wahrgenommen  und  vom  Hauptsubjekt  nicht  beabsichtigt,  so  wird 
sie  durch  is  eingeleitet. 

Es  ist  selbstverständlich,  dass  obiges  Grundgesetz  mancherlei  Aus- 
nahmen erlitt;  liegt  es  ja  doch  vielfach  in  der  Willkür  des  Schreibenden, 
einem  Gedanken  subjektive  oder  objektive  Färbung  zu  geben  und  die  Be- 
ziehungen einzelner  Satzteile  oder  auch  ganzer  Sätze  zu  einander  enger 
oder  loser  zu  gestalten;  ferner  hat  die  Sprache  des  Volkes  die  bei  den 
Klassikern  beliebte  Scheidung  im  Gebrauche  der  Pron.  als  eine  zu  feine 
Nuancierung  in  vielen  Punkten  ganz  unbeachtet  gelassen.  So  ist  zu 
bemerken : 

1.  Innerhalb  ebendesselben  Satzes  steht  is  in  Bezug  auf  das  Subjekt; 
solche  Satzglieder  sind  ursprünglich  als  Bemerkung  des  Redenden  zu  betrachten, 
z.  B.  Nepos  Them.  8,  2  hie  cum  propter  multas  eius  virtuics  magna  cum 
(Ugfiitate  viveret;  häufiger  findet  sich  dies  erst  im  Sp.  L. 

2.  Objektive  Färbung  erhalten  Nebensätze  durch  Setzung  von  is  bei 
den  Historikern  seit  Caesar  (ganz  selten  bei  Sali.  u.  Cic,  in  den  Reden 
wohl  nur  Verr.  1,  86  Milesios  vavem  jwposcit,  quae  cum  praesidii  causa 
Myndnm  p rosequer cfur),  z.  B.  Caes.  b.  civ.  3,  30  Pompeius  ignes  fieri  pro-^ 
hibuit,  quo  oecultior  esset  eius  adventus.    Dieser  Gebrauch  hat  sich  bei  Nep. 


544  ^*  LateiniBohe  Orammatik.    e)  Laieiniacke  Stilistik. 

Liv.  Tac.  Vell.  Curt.  Just,  und  in  der  spätesten  Historiographie,  z.  B.  bei 
Sulp.  Sev.  erhalten. 

3.  Das  Pronomen  reflex.  in  objektiven  Nebensätzen,  namentlich  in 
Relativsätzen,  findet  sich  seit  Plaut.,  z.  B.  Poen.  956  eum  fecisse  aiunt, 
sihi  quod  faciundum  fnit,  in  der  Sprache  des  Volkes,  hat  sich  jedoch  auch 
in  der  Litterärsprache  Eingang  zu  verschaffen  gewusst^  sogar  bei  Caesar 
(z.  B.  b.  Gall.  6,  9  Caesar  duabus  de  catisis  Rhenum  transire  constituii, 
qunriim  erat  altera,  quod  auxilia  contra  se  Treveris  miserant),  bei  Cic.  nur 
in  Erstlingsschriften  und  Briefen,  bei  Sali,  und  Liv.  und  den  folgenden 
Historikern  ausser  Tac,  in  der  silbernen  Latinität  und  bei  Spät. 

4.  Suus  ist  ebensowohl  Pron.  poss.  wie  reflexiv.  Es  kann  nun  der 
Fall  eintreten,  dass  die  reflexive  Bedeutung  gegenüber  der  possessiven 
zurücktritt;  dies  geht,  freilich  nur  in  der  Umgangssprache  und  in  den  von 
ihr  beeinflussten  Schriften,  manchmal  soweit,  dass  suus  sein  Beziehungs- 
wort in  einem  ganz  andern  Satze  hat,  z.  B.  Cic.  Att.  G,  2,  5  tnira  erant 
in  chitattbus  ipsorum  furta  Graecorum,  qtuie  magistratus  sui  fecerant. 
Dies  wird  ganz  besonders  da  der  Fall  sein,  wo  suus  seine  possessive  Be- 
deutung prägnant  entwickelt  hat,  vgl.  Liv.  4,  58,  2  tantum  afuit,  nt  ex 
incommodo  alieno  sua  occasio  peteretur.  Im  Sp.  L.  wird  suus  für  eius  ganz 
gewöhnlich,  namentlich  im  gallischen  Latein,  z.  B.  ad  te  revocabis  uxorem 
suam.  Ja  in  der  Kechtssprache  hat  suus  ganz  allgemein,  sogar  von  der 
ersten  und  zweiten  Person,  den  Besitz  bezeichnet,  z.  B.  si  sui  iuris  sumus 
(Dig.);  dass  jedoch  jemals  meus  suus  gesagt  wurde,  ist  nicht  anzunehmen 
(Kalb  p.  57). 

5.  Wenn  i2)se  gebraucht  wird,  um  in  zusammengesetzten  Sätzen  die 
Rückbeziehung  auf  das  Hauptsubj.  zu  vermitteln,  z.  B.  Caes.  b.  G.  1,  40 
cur  de  sua  virtute  auf  de  /^>.s/«s  diligentia  desperarent,  so  soll  damit  ein 
Gegensatz  zwischen  den  Subjekten  besonders  hervorgehoben  werden.  Dies 
gilt  für  die  klassische  Zeit  und  noch  für  Liv.;  aber  mit  der  Entwertung 
des  Pronomens  ipse^  welche  sich  schon  bei  Curt.  bemerklich  macht,  tritt 
eine  Vertauschung  des  Reflex,  mit  ipse  ein,  und  das  letztere  bezeichnet 
nunmehr  weder  Gegensatz  noch  Vergleich,  z.  B.  Curt.  7,  8,  8  nuntiare 
iubent  rcgi  vclle  ipsos  ad  cum  mandaia  perferre:  ja  im  Sp.  L.  steht  es 
geradezu   für   is  und   ille,  z.  B.   bei    Sulp.   Sev.  Firm.  Mat.  Dracont.  u.  .n. 

16.  Das  reziproke  Verhältnis  wird  im  Altlat.  und  in  der  klassischen 
Sprache  durch  infer  se  ausgedrückt,  wobei  ein  weiteres  se  oder  sibi  aus- 
geschlossen ist,  z.  B.  Nepos  Arist.  1,  2  obirectarunt  inter  se.  Das  Reflexiv 
allein,  höchstens  verstärkt  durch  ipse.y  genügt,  wenn  die  Subjekte  als  Ein- 
heit gedacht  werden,  z.  B.  Caes.  b.  G.  2,  25,  1  conferfos  milite^'i  sibi  ipsos 
ad  pugnam  esse  impedimento  =  hinderten  eiyiander.  Beide  Konstruktionen 
erhalten  sich  in  der  Folgezeit,  z.  B.  Curt.  9,  9,  21  congregata  vero  tot  milia 
elephantorum  ipsa  se  elidenf.  Mit  der  Kaiserzeit  tritt  jedoch  zu  inter  sc 
noch  in  vicem,  z.  B.  Liv.  9,  43,  17  in  viceni  inter  se  gratantes;  sobald  eir.- 
mal  diese  Konstruktion  im  Gebrauch  war,  konnte  inter  se  wegfallen,  und 
so  finden  wir  in  der  That  im  silbernen  Latein  und  später  allenthalben 
in  vicem  zum  Ausdruck  des  rezip.  Verhältnisses,  z.  B.  Plin.  ep.  7,  20,  7 
ut  in   vicem   ardentius    diligamus;  manchmal   nimmt  mviccm   noch   se  zu 


1.  Eigentfimlichkeiten  im  Gebrauch  der  Bedeteile.  (§  16—18.)  545 

sich,  auch  verträgt  es  sich  ganz  gut  mit  Präpositionen,  z.  B.  ah,  ad,  in, 
pro  invicem,  lauter  Bildungen,  die  mit  dem  Vordrängen  von  in  vicem  und 
dem  Zurücktreten  von  inter  se  aufkommen.  Doch  auch  m  vicem  erhielt 
bald  einen  Eonkurrenten  an  alter  uter.  Das  Nächstliegende  ist,  dass  alter 
utcr  als  Pronomen  auftritt  und  zwar,  indem  in  alter  das  Subjekt  ruht, 
in  uter  der  Kasus  obl.,  also  alter  utrum,  alter  utri  u.  ä.  Daraus  ent- 
wickelte sich  der  adverbielle  Gebrauch,  und  zwar  in  der  Form  alt  er  - 
utrum  und  alter utro,  z.  B.  Tertull.  uxor.  e,  8  alterutro  docentes,.  und  in 
weiterer  Folge  zeigt  sich  aUeruter  =  mutuus,  z.  B.  Tertull.  pudic.  2  aUerutra 
oppositio, 

17.  Ipse.  Als  Pron.  des  Gegensatzes  tritt  ipse  in  Verbindung  mit 
dem  Reflex,  immer  in  den  Kasus,  welchen  der  Gegensatz  verlangt,  z.  B. 
Lael.  10  non  egeo  nwdicina^  me  ipse  cmisolor  (ich  selbst  u.  kein  anderer). 
Es  scheint,  dass  Ter.  Caes.  Nep.  Sali,  sich  an  diesen  Gebrauch  halten, 
während  man  für  Cic.  u.  Liv.  die  Wahrnehmung  gemacht  hat,  dass  die- 
selben den  Nomin.  ipse  auch  da  bevorzugen,  wo  der  Gegensatz  in  einem 
andern  Kasus  liegt,  z.  B.  Cic.  Fam.  1,  1,1  ceteris  satüi  facio  omnihus,  mihi 
ipse  nunquam  satis  facio;  in  diesem  Falle  ist  der  Gegensatz  nach  innen 
gewendet,  und  es  sind  Subj.  und  Obj.  einander  gegenübergestellt,  während 
wir  Ausdruck  des  nach  aussen  gerichteten  Gegensatzes  erwarten.  Für  die 
Sprache  Cic.  ist  noch  zu  bemerken,  dass  it^se,  wenn  es  vor  dem  Reflexivum 
steht,  auf  das  Subjekt  bezogen  wird,  z.  B.  Cic.  Lael.  80  i2)se  enim  se  quis- 
que  diligit 

Wenn  ipse  zur  Verstärkung  des  Pron.  poss.  dient,  tritt  es  in  den 
Kasus,  welcher  durch  den  Gegensatz  verlangt  wird,  z.  B.  Liv.  27,  28,  13 
ita  inde  Hannibal  suamet  ipse  fraude  captus  ahiit  u.  Liv.  1,  28,  4  si  um- 
quam  ullo  in  hello  fuit,  quod  primtmi  dis  immortalihus  gratias  ageretis,  deinde 
vestrae  ipsorum  virtuti.  Aber  auch  hier  kann  sich  der  Gegensatz  nach 
innen  wenden,  und  so  finden  wir  ipse  oft  im  Nom.,  wo  wir  einen  andern 
Kasus  (den  Gen.)  erwarteten,  z.  B.  Sali.  Jug.  31,  8  necesse  est  suomet  ipsi 
more  praecipites  eant.  Es  scheint  daher  für  Cic.  Caes.  Sali.  Horaz  (epod. 
16,  2)  Tacitus  (ann.  6,  14)  sich  die  Kegel  zu  ergeben,  dass  sie  ipse  in 
den  Nom.  treten  lassen,  wenn  die  Person  des  Possess.  mit  der  des  Subj. 
die  gleiche  ist.  Die  silberne  Latinität,  z.  B.  Vell.  u.  Val.  Max.,  begnügt 
sich  mit  ipse  und  meidet   dessen  Zusammenstellung  mit  dem   Pron.   poss. 

AnmerkuDg.  Das  vielbehandelte  et  ipse  darf  für  Cicero  und  Caes.  noch  nichfc 
angenommen  werden;  erst  Liv.  und  die  Späteren  gebrauchen  dasselbe  im  Sinne  von  ^auch'^  \ 
klassisch  ist  nur  ipse  quoque, 

Demonstrativa  und  Relativa. 

18.  Die  Pronomina  hie,  iste  und  ille  eignen  in  dieser  Reihenfolge 
den  Pers.  verbi  zu.  Die  alte  und  die  klassische  Sprache  verbinden  dem- 
nach mit  hie  immer  einen  Hinweis  auf  die  erste  Person  oder  eine  Beziehung 
zu  derselben;  ebenso  lässt  sich  bei  iste  eine  wenn  auch  nur  schwächere 
Beziehung  zur  zweiten  Person  nachweisen,  wie  denn  Cicero  besonders  im 
Briefstil  und  in  den  philos.  Dialogen  iste  zu  feiner  Nuancierung  des  Ge- 
dankens verwendet.  Aber  schon  in  der  silbernen  Latinität  verwischen  sich 
die  feinen  Unterschiede.     Während   Cicero   hie  vor  qui  nur  zum  Hinweis 

Ilaudbuch  der  klass.  Altortuuiswissenscbaft.  IL    2.    Aufl.  35 


546  B«  LateiniBclie  Grammatik,    e)  Lateinische  Stilistik. 

auf  das  dem  Sprechenden  Naheliegende  zulässt,  sonst  aber  das  definierende 
?s  gebraucht,  beachten  Vell.  Sen.  u.  die  andern  Autoren  der  silb.  Latinität, 
noch  mehr  aber  die  spätlat.  Autoren,  diesen  Unterschied  nicht  mehr  und 
verwenden  allenthalben  unbedenklich  hie  für  is.  Das  gleiche  gilt  fOr  iste, 
welches  schon  in  der  neronischen  Zeit  von  Lucan  und  von  Sen.  ohne  jeg- 
lichen Bezug  auf  eine  zweite  Person  gebraucht  wird  und  dann  bei  den 
Afrikanern,  bei  denen  es  Lieblingswort  ist,  schrankenlose  Verwendung  findet. 
Überhaupt  zeigt  sich  die  Verwilderung  der  Sprache  nirgends  mehr 
als  auf  dem  Gebiet  der  Pronomina.  Is  war  den  Dichtern  unbequem,  weil 
es  sich  nicht  gut  in  den  Vers  fügt,  und  so  meiden  es  Catull  Verg.  Horaz 
Lucan  sichtlich.  Aber  es  schliff  sich  auch  als  kleines  Wörtchen  sehr  bald 
so  ab,  dass  es  überhaupt  fast  ganz  ausser  Kurs  kam,  und  nun  roussten 
hie,  iste,  ilhj  ipse,  idem  für  dasselbe  eintreten.  Dadurch  verloren  auch 
diese  an  ihrer  Bedeutung,  und  so  erklärt  sich,  dass  die  Verbindung  idem 
ipse,  die  dem  Cicero  entschieden  abzusprechen  ist,  schon  bei  Gcilius  oft 
vorkommt  und  dann  im  afrikan.  Latein  allgemein  üblich  wird. 

Anmerkung  1.  Ilic  weisfc  neben  ille  auf  die  dem  Sprechenden  näherstehende 
Person.  Die  Dichter,  zuerst  wob]  Catull,  dann  Properz,  in  Prosa  wohl  niemand  vor  der 
Zeit  des  silb.  I^atein  und  hier  hauptsächlich  Quint.  verwendeten  es  dazu,  auf  ein  erst  Ge- 
nanntes zurückzuweisen,  so  dass  hie    -  ille  dem  griechischen  6  /ley    —  6  dt  entspricht 

Anmerkung  2.  Dass  hie  und  nune  in  orat.  obl.  durch  ille  und  tunc  allgemein 
ersetzt  werden,  galt  früher  als  Regel.  Allein  es  ist  nunmehr  erwiesen,  dass  bei  Caesar 
oft.  bei  Cic.  und  Sali,  seltener,  wiederholt  bei  Nepos.  häufig  bei  Liv.  hie  und  nunc  bei* 
behalten  werden.  Der  Ersatz  von  hie  durch  is  ist  bei  Caesar  über  den  Gebrauch  von 
ille  überwiegend;  ähnlich  scheint  es  bei  Liv.  zusein,  während  Sa/I.  nnr  ille,  nie  is  zolässt 

Anmerkung  3.  Schon  frühe  mussten  die  demonstrativen  Pronomina  hie  und  ille 
dazu  herhalten,  den  fehlenden  Artikel  zu  ersetzen;  selbst  die  klass.  Sprache  des  Cicero 
\  erschmähte  diese  Aushilfe  nicht,  vgl.  nat.  deor.  2,  114  ille  ante  canem  —  6  U^oxvwr. 
Später  wurde  der  Gebrauch  allgemeiner,  namentlich  bei  den  eccl.,  bei  denen  übrigens  auch 
is  und  ipse  mit  ille  und  hie  konkurrierten,  und  aus  dem  dominierenden  ille  ging  bekannt- 
lich der  Artikel  der  romanischen  Sprachen  hervor. 

19.  Das  zur  Anknüpfung  dienende  quod,  z.  B.  quod  si,  quod  nLv\ 
gnod  uiinnw,  quod  quia  u.  ä.  ist  als  Ablativ  in  der  Bedeutung  ^daruni, 
daher"  aufzufassen.  Dieses  quod  findet  sich  selten  bei  Dichtern  und  den 
Autoren  der  nachklassischen  Latinität;  es  gehört  vorzugsweise  der  Sprache 
Ciceros  an,  der  allein  auch  quod  vors  Relativ  setzt  (Phil.  10,  9). 

20.  Das  parenthetische  quod,  welches  sich  auf  einen  ganzen  Satz 
bezieht,  lässt  sich  durch  die  ganze  Latinität  verfolgen;  daneben  findet  sich 
auch  id  quod,  welches  in  klass.  Zeit  besonders  bei  Cicero  beliebt  ist;  dies 
id  quod  geht  gewöhnlich  dem  Gedanken  voraus,  auf  welchen  es  sich  bezieht, 
seltener  folgt  es  nach.  Im  silbernen  Latein  überwiegt  quod,  und  id  quod 
tritt  zurück,  wie  z.  B.  Curtius  nur  3  mal  id  quod  braucht,  dagegen  oft  ein- 
faches quod  hat.     Näheres  siehe  bei  Zander. 

21.  Nicht  genug  beachtet  ist  der  Gebrauch  von  id  und  quod,  wenn 
dasselbe  zur  Zusammenfassung  dos  Vorhergehenden  mit  nachfolgender  Exe- 
gese dient;  diese  Spracherscheinung  tritt  besonders  in  der  klassischen 
Sprache  zutage,  selten  in  der  folgenden  Zeit,  doch  auch  noch  bei  Liv.  u. 
Tac,  z.  B.  Liv.  G,  7,  2  ifaqnc  novus  hostis  vefcri  adiunciiis  commovit  aniwos 
militis  Bomani.  Quod  ubi  acicm  iam  insfruonti  Camillo  renuntiavermü^ 
iurhafas  militum  mentcs  esse,  etc. 


1.  Eigentümlichkeiten  im  Gebrauch  der  Redeteile.  (§  19— 22.j  547 

Indefinita. 

22.  Die  Pronomina  aliquis  einerseits,  quisquam  und  ullus  anderseits 
unterscheiden  sich  so,  dass  das  erstere  die  Qualität,  die  letzteren  die 
Existenz  in  Frage  stellen.  Es  heisst  somit  aliquis  „irgend  einer, 
gleichgiltig  welcher",  während  quisquam  y,ivgend  einer,  wenn  es  nur 
überhaupt  einer  ist"  bedeutet.  Daraus  erklärt  sich,  dass  quisquam  und 
ullus  vorwiegend  in  solchen  Sätzen  erscheinen,  welche  negiert  sind,  einen 
Zweifel  mit  Hinneigung  zur  Verneinung  oder  die  Ansicht,  dass  etwas  hätte 
nicht  geschehen  sollen,  ausdrücken.  Diese  Wahrnehmung  gilt  für  Plautus 
und  dann  für  die  Latinität  bis  Liv.  inkl.  Im  silbernen  Latein  jedoch, 
besonders  bei  Seneca  und  Quint.,  erweitert  sich  der  Gebrauch  von  quis- 
quam, weshalb  C.  F.  W.  Müller  zu  Cic.  Tusc.  5,  17  meint,  Sen.  hätte 
wohl  qui  omnia  humana,  quae  cuiquam  accidere  possunt,  tolerabilia  ducat 
schreiben  können,  aber  nicht  Cicero. 

Quisquam  ist  Subst.,  sein  adjektiv.  Gebrauch  bei  Personennamen 
jedoch  nicht  selten  zu  finden,  weniger  häufig  bei  Sachsubst.,  wenigstens  im 
Altlat.  und  in  der  klass.  Prosa  (bei  Cic.  nur  in  Erstlingsschriften  u.  epp., 
z.  B.  Fam.  3,  10,  6  cuiquam  legationi);  in  nachklassischer  Latinität  sind 
Verbindungen  wie  Quint.  10,  2,  6  cuiusquam  rei  oft  anzutrefifen.  Im  Altlat. 
wird  quisquam  auch  als  Femin.  mit  Subst.  verbunden,  z.  B.  Plaut.  Most. 
608  Lor.  quisquam  belua.  In  späterer  Latinität  tritt  quisquam  so  wie  ullus 
immer  mehr  zurück  und  wird  vollständig  durch  aliquis  ersetzt,  auch  in 
negativen  Sätzen. 

Aliquis  steht  seiner  Bedeutung  entsprechend  vorwiegend  in  affirma- 
tiven Sätzen;  nach  den  Konjunktionen  si,  nisi,  ne,  fium,  an  wird  es  ge- 
wöhnlich durch  quis  ersetzt,  für  welches  die  alte  Sprache  u.  Cic.  (jedoch 
nicht  in  den  Reden)  überhaupt  eine  besondere  Vorliebe  haben,  während 
Liv.  und  seine  Nachfolger  sich  für  den  Gebrauch  von  quis  viel  engere 
Grenzen  ziehen.  Dass  aliquis  auch  nach  den  genannten  Konjunktionen 
folgen  kann,  namentlich  wenn  es  von  denselben  weit  getrennt  ist  und  für 
das  enklitische  quis  eine  Stütze  fehlt,  oder  wenn  das  Pronomen  den  Haupt- 
ton hat,  und  schliesslich  bei  minder  sorgfältigen  Stilisten,  wurde  vielfach 
beobachtet  und  ausgesprochen;  für  die  beste  Zeit  der  Sprache  ist  jedoch 
festzuhalten,  dass  die  Setzung  von  aliquis  immer  seiner  Grundbedeutung 
nach  sich  rechtfertigen  lässt. 

Quis2)iam  entspricht  in  seiner  Bedeutung  dem  aliquis,  doch  hat  es 
einen  grösseren  Gebrauchskreis,  ja  es  wechselt  sogar  mit  quisquam  und 
wird  daher  auch  in  negativen  Sätzen,  selbst  bei  Cic,  wenn  schon  selten, 
gebraucht;  vgl.  Cic.  Lael.  11,  39  ne  suspicari  quidem  possumus  qucmqumn 
horum  ah  amico  quidpiam  contcndisse.  Wie  quisquam  treffen  wir  es  oft 
adj.  bei  Personenbezeichnungen,  ganz  selten  bei  Sachsubst.,  doch  sogar  bei 
Cic,  z.  B.  Fam.  9,  8,  2  aliae  quaepiam  rationes.  Wie  manche  Schrift- 
steller, z.  B.  Cornific,  später  Gellius,  ganz  spät  Apoll.  Sidon,  eine  besondere 
Vorliebe  für  quispiam  zeigen,  meiden  es  andere,  z.  B.  Trogus,  konsequent. 
Plautus  braucht  quispiam  in  negativen  (aber  nie  nach  haud  oder  fton)  und 
positiven  Sätzen,  in  letzteren  nur  nach  si  oder  uhi  und  in  direkten  Fragen, 
Terenz  hat  diesen  Gebrauch  erweitert,  indem  er  quispiam  auch  in  positiven 

35  ♦ 


548  B.  Lateinische  Grammatik,    e)  Lateiniaclie  Stilistik« 

Behauptungssätzen  verwendet.  Cicero  hat  es  in  seinen  Erstlingsschriften 
umgangen,  später  aber  besonders  in  der  Formel  dixerit  quispiam  mehr  bei- 
gezogen. Bei  den  Schriftstellern,  welche  nach  Abwechslung  im  Ausdruck 
streben,  finden  wir  aliquis  und  quispiam  mit  einander  variierend,  z.  B. 
Liv.  23,  3,  10. 

23.  Die  verallgemeinernden  Relativpronomina  quisquis  und 
quicumque  nebst  ihren  entsprechenden  Adverbien  werden  in  der  klassischen 
Sprache  Ciceros  noch  selten,  aber  immerhin  häufiger  als  man  glaubt,  in 
indefinitem  Sinne  gebraucht;  mit  den  aug.  Dichtern  u.  Liv.  er  weitem  sich 
die  Grenzen  dieser  Gebrauchssphäre,  um  im  silbernen  Latein,  bei  Tac.,  bei 
den  Juristen,  den  scr.  h.  Aug.  und  sonst  im  Sp.  L.  eine  fast  uneingeschränkte 
Verwendung  zuzulassen,  z.  B.  Tac.  bist.  1,  11  cuicumque  serviHo  exposita. 
Das  gleiche  gilt  für  utcunque,  welches  mit  Liv.,  für  ubicunque,  das  bei 
Hör.  Ovid  Lucan  zuerst  die  relative  Bedeutung  aufgegeben  hat. 

24.  Die  beiden  Formen  quisquis  und  quisque  sind  ihrem  Ursprung 
nach  synonym;  denn  quisquis  ist  entstanden  durch  Anfügung  des  indefiniten 
quis  an  das  fragende  quis,  quisque  durch  Anfügung  des  Abi.  que  vom  selben 
Indefinitum  quis.  So  finden  wir  denn  auch  quisquis  im  Sinne  von  quisque 
namentlich  im  Neutrum  bei  Plaut.  Ter.  Cato,  Lucrez,  auf  Inschriften  und 
selbst  bei  Cicero,  vgl.  Madvio  zu  Cic.  fin.  5,  24  p.  645,  nach  Cic,  wie  es 
scheint,  nicht  mehr  (Ott,  Progr.  Kottweil  1869  S.  17);  die  Formen  quoquo 
und  quaqua,  welches  letztere  wie  überhaupt  das  Fem.  von  quisquis  erst  mit 
Tac.  aufkommt,  im  Sinne  von  quoque  und  quaque  sind  häufig  bei  den  Ju- 
risten. Umgekehrt  hat  quisque  wohl  in  der  Volkssprache  zunächst,  so  auf 
Inschriften,  und  dann  in  der  Litterärsprache  vereinzelt,  z.  B.  bei  Plautus, 
nicht  bei  Cic.  und  Caes.,  bei  Liv.  offenbar  in  Nachahmung  der  Quellen, 
die  Bedeutung  eines  verallgemeinernden  Relativs  angenommen,  z.  B.  Liv. 
1,  24,  3  culusquc  populi  cives  tncissent,  is  alteri popiilo  inqyeritweL  Dieser 
Gebrauch  tritt  im  Spätlatein  wieder  in  Vordergrund,  namentlich  bei  den 
christl.  Schriftstellern,  z.  B.  häufig  bei  Min.  Felix,  Cyprian,  Commodian, 
Apoll.  Sidon.,  z.  B.  9,  9,  15  experietur,  quisque  cmiflixerit,  aber  auch  bei 
Auson.  Aur.  Vict.  u.  a.  (Rönsch,  Semas.  Beitr.  II  p.  44). 

26.  Quisque  wird  in  den  Plural  gesetzt,  wenn  es  mit  einem  Plurale 
tantum  verbunden  ist  oder  eine  ganze  Klasse  von  Menschen  oder  Sachen 
bezeichnet,  z.  B.  Liv.  1,  9,  8  mulU  morfales  convenere  .  .  maxime  proxintl 
quiquc.  Im  übrigen  ist  der  Plural  von  quisque  sehr  selten,  findet  sich 
wohl  bei  Plaut,  und  Ter.  gar  nicht,  ganz  vereinzelt  bei  Cato,  Lucr.  Cic. 
Sali.,  wird  aber  mit  Liv.  und  der  silbernen  Latinität  immer  häufiger, 
namentlich  beim  alt.  Plin.,  z.B.  10,  203  quac  de  quibusquc  corum  diximus. 
Über  quisque  in  Verbindung  mit  den  Komparationsgraden  vgl.  §  14. 

20.  üterque  tritt  regelmässig  in  Plural,  wenn  auf  beiden  Seiten 
mehrere  Gegenstände  sind.  Sollen  jedoch  nur  zwei  einzelne  bezeichnet 
werden,  so  steht  der  Singular.  Nun  aber  hat  die  Volkssprache  auch  im 
letzteren  Falle  den  Plural  zugelassen,  und  so  lesen  wir  utrique  von  zweien 
bei  Ter.,  ganz  selten  bei  Cic,  in  den  epp.  an  Cic,  bei  Caesars  Fortsetzern, 
Sali.  Nepos,  öfter  bei  Livius,  bei  Tac,  auf  Inschriften.  Doppeltes  ulerque  ist 
streng  genommen  unlogisch,  richtig  kann  nur  uferque  mit  alter  sein,  vgl,  Cic, 


1.  fiigenttlmliohkeiten  im  Qebraach  der  Eedeteile.  (§  23-29.)  54g 

off.  1,  4  utcrque  cmitempsit  allerunt.  Aber  die  übliche  Zusammenstellung  alius 
aliuni,  alter  alieri,  sowie  uter  utri  in  der  Zusammenziehung  zweier  Fragen, 
z.  B.  Caes.  b.  G.  5,  44,  14  ut  diiudicari  posset,  titer  utri  anteferendus 
videretur  und  schon  Plaut.  Poen.  1242  uter  utri  det  führte  auch  auf  dop- 
peltes uterque,  was  bei  Ter.  Varro  Caes.  b.  G.  7,  35,  1,  b.  Alex.  4,  1, 
Vitruv  1,  1,  10  u.  Hieron.  sich  findet. 

27.  Nemo  und  nullus  unterscheiden  sich  wie  Subst.  und  Adj.;  in 
Verbindung  mit  Personenbezeichnungen,  z.  B.  scriptor,  amieus,  senex  etc. 
können  beide  stehen ;  dann  bedeutet  nemo  scriptor  =  nemo  scriptor  qualis- 
cunque  est;  nullus  scriptor  aber  nullus  scriptor  quotquot  sunt.  Nemo  bildet 
nicht  alle  Kasus  gleichmässig;  nemine  z.  B.  hat  zwar  schon  Plaut.,  von 
Prosaikern  aber  zuerst  Tac.  gewagt,  neniinis  gebrauchen  nur  Plaut.  Cato, 
Lucil.,  aber  kein  Schriftsteller  der  klass.  u.  spät.  Zeit.  Statt  nemini  findet 
sich  bei  Caesar,  besonders  aber  nach  Cic.  häufig  nulli. 

Pronominale  Adjektiva. 

28.  Für  die  pronominalen  Adjektiva  iotus,  tantus,  quantus  und 
aliquantus,  alter  und  alius  ist  zu  bemerken: 

Totus  hat  schon  einmal  bei  Plaut,  (mil.  213  totis  horis),  dann  bei 
Caes.  b.  civ.  3,  44  totis  co^nis  und  im  b.  Hisp.  sowie  Alex,  für  den  Plural 
die  Bedeutung  „alle''  angenommen.  In  Prosa  findet  sich  also  toti  =  omncs 
zuerst  nur  in  Verbindung  mit  Pluralia  tantum.  Die  Dichter  wie  Verg. 
Prop.  Juv.  Stat.  gebrauchten  toti  freier,  in  Prosa  aber  erst  Sen.,  oft  dann 
Apul.  und  die  spätere,  besonders  auch  die  christliche  Latinität,  sowie  die 
Juristen.  Die  besprochene  Verwendung  ist  offenbar  vulgär,  bei  Caesar  nur 
in  dem  nicht  mehr  überarbeiteten  b.  civ.  zu  finden  und  hier  durch  Flüchtig- 
keit entstanden. 

Quant i  erscheint  erstmals  bei  Propertius  in  der  Bedeutung  von  quot, 
nämlich  1,  5,  10  a^  tibi  curarum  quantu  milia  dabit,  und  dann  wieder  bei 
Statins  Silv.  4,  3,  49  0  quantae  x)ariter  manus  lahorant!  dann  bei  Apul. 
Tertull.  Justin.,  den  eccl.  und  den  script.  bist.  Aug.  Ebenso  nimmt  in  der 
august.  Zeit  auch  tanti  und  aliquanti  die  Bedeutung  von  tot  und  aliquot 
an  und  zwar  tand  wieder  bei  Properz  5,  11,  12  quid  currus  avorum  jyro- 
fuit  aut  famae  piijnora  tanta  moae?  Ihm  schliesst  sich  Lucan  an,  ebenso 
Manil.  Häufig  wird  dieser  Brauch  erst  in  der  Bibelübersetzung,  bei  Tertull. 
Hieroym.  und  andern  eccl.,  namentlich  im  afrikanischen  Latein,  so  oft  bei 
Cass.  Felix,  bei  den  script.  bist.  Aug.  Amm.  bei  späten  Juristen  (nicht  bei 
den  klass.  Juristen,  die  nur  tot  —  quot  brauchen)  u.  a. 

29.  Älter  verhält  sich  zu  alius  wie  Komparativ  zu  Superlativ.  Die 
klassische  Sprache  hat  streng  im  Gebrauche  der  beiden  Wörter  geschieden, 
nicht  so  die  Volkssprache.  Die  Folge  davon  ist,  dass  schon  frühe  beide 
mit  einander  verwechselt  werden,  so  vielleicht  schon  bei  Plaut.  Capt.  prol.  8 
seni  huic  fucrtint  filii  n<iti  duo:  alium  quadrimum puerum  etc.  Jedenfalls 
wird  alius  für  alter  bei  Vitruv  und  seit  dem  Eindringen  der  Volkssprache 
in  die  Litterärsprache  nach  Liv.  gebraucht,  wie  Curtius  z.  B.  Alius  Ale- 
xander sagt,  und  Plin.  n.  h.  11,  19,  59  duo  genera  apum,  aliarum  .  .  . 
aliarum  ,  .  .     Dasselbe  lässt  sich  bei  Apul.  und  von  da  ab  im  Spätlatein 


550  B.  LateiniBche  Grammatik,    e)  Lateinische  Stilistik« 

allenthalben  konstatieren;  umgekehrt  steht  auch  aUcr  für  aUus,  z.  B.  Vopisc 
Firm.  3,  1  Firmo  pairia  Selciicia  fuit,  fametsi  plerique  alteram  tradutU 
und  so  oft  bei  eccl.,  besonders  Hieronym.,  namentlich  auch  im  Sinne  von 
„verschieden'*,  z.  B.  Hieronym.  nobis  vero  alter  sefisus  videtur  (während 
Sali.  Cat.  52  hnge  mihi  alia  nums  est  schreibt).  Der  Plural  alii  =  ceteri 
ist  der  Volkssprache  eigen,  so  bei  Plaut,  u.  Ter.,  bei  Cato  Sali.,  selten  bei 
Cic.  Caes.,  häufiger  bei  Liv.  und  Sp. 

Vgl.  KicHNER,  Gebrauch  des  lat.  Reflexivs,  Gr.  Glogau  1860  und  1869  Progr.:  Kitt, 
Obs.  gramm.  ad  Caesarem  etc.,  Braunsberg  1875  S.  3— 9;  Ott,  Neue  Jahrbb.  1874  S.  863 
(zum  Reciprocum) ;  Dembitzeb,  de  ratione  quam  Plautus  potissimum  et  Terentius  in  rociproca 
actione  exprimenda  inierinfc,  Krakau  1886;  Kvicala,  Untersuchungen  auf  dem  Gebiete  der 
Pronomina,  besonders  der  lateinischen,  Sitzungsberichte  der  k.  k.  Akademie  der  Wissen- 
schaften 1870  phil.  bist.  Klasse  S.  77~ir)5  (sehr  ivichtig!);  Kkokb,  Über  hie  und  nunc 
in  orat.  obl.,  Progr.  Bernburg  1881;  Röksch,  Seraasiologische  Beiträge  zum  lat.  Wörterbuch, 
Leipzig  1888  (zu  hie,  ille,  ipse  als  Artikel);  Bkbgk,  Philol.  XIV  S.  185  Nr.  72  Ober  qnod 
in  quod  si  u.  ä.  Verbindungen;  ebenso  Joe.  Müller,  Beiträge  zur  Kritik  und  Erkl.  des 
Tac.  III,  8.  40;  Zander,  De  relatione  pronominali  ea,  quae  est  per  qtwd  et  id  quod,  Lundae, 
1885;  Pennigsdorf,  quisquis  et  quisque,  Halle  1878;  Stürenburg  zu  Cic.  de  off.  comnt  II. 
de  pronominibus  nemo,  nullus,  quisquam,  ullus;  Prehn,  quaestioncs  Plautinae  de 
pronominibus  indcfinitis,  Strassburg  1887;  V.  Vaccaro,  alii  =  ceteri,  Palermo  1889. 

Numeralia. 

30.  Zur  Bezeichnung  einer  runden  Zahl  finden  wir,  je  nachdem  eine 
unbestimmte  grosse  oder  kleine  Zahl  bezeichnet  werden  soll,  verschiedene 
Ausdrücke.  So  braucht  Plautus  tres,  z.  B.  tribtis  verbis,  ferner  sex,  aber 
auch  deeem  als  typische  kleine  Zahl,  namentlich  in  Verbindung  mit  dies  und 
menses,  aber  auch  entsprechend  dem  französischen  quinze  jours  schon  Plaut. 
Trin.  402  quindecim  dies:  ferner  war  für  eine  unbestimmte  massige  Zahl 
das  allitterierende  Asyndeton  sex  Septem  formelhaft  geworden;  bei  Hör. 
lesen  wir  ep.  1,  7,  1  quinque  dies  =  ein  paar  Tage.  Um  eine  unbestimmte 
grössere  Zahl  zu  bezeichnen,  hat  man  seit  Plautus,  auch  bei  Cicero, 
sescenfi  (z.  B.  Cic.  Sest.  59)  verwendet;  seltener  ist  und  wie  es  scheint 
auf  den  Gebrauch  der  Dichter  beschränkt  trecenti,  so  bei  Plaut.  Catull, 
Hör.,  noch  seltener  ducenti  und  quingenti.  Ähnlich  wie  wir  „tausend'' 
als  abrundende  grössere  Zahl  gebrauchen,  verwenden  lat.  Autoren  mille, 
so  besonders  Hör.  Verg.  Liv.  Lucan,  auch  Cic;  allgemein  üblich  scheint 
mori  m  Uli  es  gewesen  zu  sein,  vgl.  Cic.  Att.  14,  ö  u.  ö.  Im  Sp.  L.  über- 
wiegt millCf  wie  z.  B.  Sulp.  Sev.  nur  mille,  nie  scscenti  braucht. 

31.  Der  Dichtersprache  eigentümlich  sind  Verbindungen  wie  tcr 
felix,  ter  heati,  bei  Verg.  gar  ter  quaterque  beati.  Namentlich  sind  es 
die  august.  Dichter,  welche  diesen  Gebrauch  besonders  begünstigen,  und 
von  da  scheint  er  auch  in  spätere  Dichter  und  Prosaiker  übergegangen  zu 
sein.  Die  Ausdrucksweise  ist  eine  besonders  feierliche  und  scheint  ihre 
Heimat  in  der  Sakralsprache  gehabt  zu  haben.  —  Ebenso  ist  der  Dichter- 
sprache eigen,  das  Distributiv  an  Stelle  des  Kardinale  zu  setzen.  Verg. 
und  Ovid  haben  diesen  von  Catull  ganz  verschmähten,  von  Tib.  vorsichtig 
beobachteten  Gebrauch,  ebenso  wie  Properz  öfter  und  von  da  wusste  er 
sich  auch  im  silb.  Lat.  Eingang  zu  verschaffen.     Vgl.  Zusätze. 

32.  Es  ist  bekannt,  dass  die  Dichter  im  Interesse  der  Anschaulich- 
keit  die  Zahlen    zerlegen,    z.  B.  Verg.  Aen.  1,  71    sunt   mihi   bis  Septem 


1.  Eigentttmlichkeiten  im  Gebrauch  der  Bedeteile.  (§  30-35.)  551 

Ni/mphae.     Ähnlich   ist  der  bei  Cic.   seltene,  häufig  aber  bei  Liv.  zu  fin- 
dende Brauch,  decem  et  tres  statt  tredecim  zu  sagen. 

33.  Das  Pronomen  aliquis  wird  zu  Zahlangaben  gesetzt,  um  zu 
bezeichnen,  dass  dieselben  nur  ungefähre  seien;  z.  B.  Cic.  Att.  4,  4  veltm 
mihi  miitns  de  tuis  lihrariolis  duos  aliquos.  Dieser  Gebrauch  ist  unstreitig 
der  Umgangssprache  entsprossen;  wir  treffen  ihn  daher  bei  Plautus,  Cato, 
Varro,  bei  Cic.  in  den  epp.  ad  Att.,  und  schliesslich  bei  Apuleius.  Soll 
dagegen  eine  Zahl  als  genau  angeführt  werden,  so  wird  ipse  dazu  gesetzt 
z.  B.  Cic.  Att.  3,  21  triginta  dies  erant  ipsi. 

Vgl.  RiCHTEB,  Zum  Gebrauch  der  Zahlwörter  bei  Livius,  Oldenburg  1880  Progr. 

Verba. 

34.  Der  absolute  Gebrauch  transitiver  Verba,  wenn  dieselben 
einen  reflexiven  oder  medialen  Sinn  annehmen,  gehört  zunächst  der  alten 
Sprache  an,  wie  Gellius  (n.  att.  18,  12,  6—9)  aus  Cn.  Gellius,  Cato  und 
Varro  sedavit,  auxit  und  mutavit  in  diesem  Sinne  zitiert.  In  der  spä- 
teren Zeit  hat  sich  dieser  Gebrauch  auf  gewisse  Formeln  beschränkt  (vgl. 
Synt.  §  106  Anm.)  oder  wurde  da  zugelassen,  wo  man  der  Rede  einen 
archaischen  Anstrich  geben  wollt«,  oder  in  vulgärer  Rede;  so  scheint 
terra  movet  ein  Ausdruck  der  Sakralsprache  gewesen  zu  sein,  Cicero 
schreibt  nur  de  sen.  6,  16  cum  senattis  senteutia  inclinaret  ad  pacetn, 
und  minus  helle  habet  statt  se  habet  sagt  der  auct.  b.  Hisp.,  sowie  Cic.  in 
den  epp.  ad  Att.  (vgl  Z.  f.  G.  W.  1881  S.  133  f.,  Lorenz  zu  Plaut. 
Pseud.  918).  Erst  ganz  spät,  z.  B.  bei  Lucifer  Dracont.  Coripp  u.  a. 
finden  wir  zahlreiche  Beispiele,  dass  sonst  transitiv  gebrauchte  Verba  in- 
transitiv erscheinen,  z.  B.  Dracont.  de  deo  1,  239  haec  eadem  minuunty 
Cynthia  dum  minuii. 

Im  übrigen  war  der  absolute  Gebrauch  der  Transitiva,  mag  man  nun 
ein  bestimmtes  Objekt  ergänzen  wie  bei  appeUerCy  ducere,  teuere  u.  ä.  oder 
dasselbe  nur  im  allgemeinen  fühlen,  wie  z.  B.  bei  utrimquc  clumore  sublato 
excipit  rursus  clamor  (Caes.  b.  g.  7,  88),  nicht  besonders  häufig  und  auf 
gewisse  Redensarten  oder  Ausdrücke  der  Soldaten-  und  Seemannssprache 
beschränkt  (vgl.  auch  Syntax  §  63). 

35.  Die  sog.  Frequentativa  lassen  in  der  alten  Sprache  nur  selten 
die  Bedeutung  der  Wiederholung  oder  einer  Intensität  des  Sinnes  hervor- 
treten; der  grösste  Teil  dieser  Verba  wird  im  Sinne  ihrer  einfachen  Verba 
gebraucht.  Das  Altlatein  verwendet  dieselben  mit  einer  gewissen  Vorliebe 
und  zwar  in  Poesie  wie  in  Prosa:  in  klassischer  Zeit  schliesst  sich  Varro 
und  ganz  besonders  Sallust,  doch  mehr  in  den  Bella,  als  in  den  Hist.,  an, 
während  Caesar  und  Cicero,  der  letztere  wenigstens  in  der  Zeit  der  voll- 
endeten Diktion,  die  Frequentativa  im  ganzen  selten  und  zwar  mit  Absicht 
und  vollem  Bewusstsein  setzen.  Livius  hat  in  der  ersten  Dekade  unter 
dem  offenbaren  Einfluss  der  Annalisten  viele  Frequentativa  gebraucht,  in 
den  spätem  Büchern  treten  dieselben  jedoch  deutlich  zurück.  In  Nach- 
ahmung des  Sali,  verwendet  Tac.  und  zwar  vorwiegend  in  den  Annalen 
viele  Fr.  im  Sinne  der  einfachen  Verba,  nach  ihm  die  Archaisten  und  in 
geradezu  lästiger  Manier  Ammian. 


552  B.  Lateiniflche  Ghrammatik.    e)  Lateinische  Stilistik. 

30.  Die  mit  Präpositionen  zusammengesetzten  Verba  geben 
ausser  der  Handlung  noch  begleitende  Umstände  derselben  an,  z.  B.  deferre, 
transfene,  perferre  u.  ä.  Wenn  nun  an  Stelle  des  Kompos.  das  Simpl. 
gesetzt  wird,  so  wird  damit  der  Phantasie  des  Lesers  überlassen,  das  selbst 
herauszufinden,  was  sonst  die  Präpos.  besagt.  Hieraus  erklärt  sich,  dass 
der  Gebrauch  der  Simpl.  an  Stelle  der  Kompos.  vorzüglich  der  poetischen 
Sprache  eigentümlich  ist.  Somit  finden  wir  Simpl.  statt  der  erwarteten 
Kompos.  besonders  bei  den  Dichtern  der  Kunstpoesie  und  dann  bei  den 
Prosaisten,  welche  in  nachklassischer  Zeit  ihrer  Diktion  ein  poetisches 
Kolorit  zu  geben  bemüht  sind.  Die  klassische  Sprache  setzt  selten  Simpl. 
für  Kompos.  und  wie  es  scheint  nur  dann,  wenn  das  Simpl.  sich  in  einer 
Formel,  von  der  man  nicht  gerne  abweicht,  eingebürgert  hat;  hiehergehört 
defrimtmhim  capere  und  videre  statt  detr.  acclpcre  und  providere  in  der 
Formel  videant  cousules,  nc  quid  detrimcnfi  res  ptMlca  capiat  (vgl.  Cic.  Cat. 
1,  4  u.  Phil.  5,  34),  namentlich  aber  dare  in  den  Phrasen  testes  dare, 
hidlccs  dare,  ferner  condiciinics  ferre,  reges  pellere,  u.  ä.  Doch  wurde 
manchmal  auch  in  diesem  Falle  geändert,  offenbar  wenn  der  Ausdruck  zu 
vulgär  war  und  allzusehr  an  den  Lager-,  Schiffs-  oder  sonstigen  Jargon 
erinnerte,  wie  z.  B.  das  im  gewöhnlichen  Leben  übliche  exercHum  scribere 
von  Cic.  u.  Caes.  durch  conscribere,  milites  Ugere  durch  deligere,  tepidere 
durch  contendcre,  struere  aciem  durch  insirtiere  ersetzt  ward. 

37.  Interessant  ist,  wie  die  Verba  compos.  nicht  gleichmässig  in 
allen  Zeiten  im  Gebrauch  sich  halten  konnten,  sondern  oft  zeitweilig  durch 
andere  abgelöst  wurden.  Die  klassische  Sprache  war  auch  hier  ausser- 
ordentlich peinlich,  indem  sie  solche  VV.  compos.,  welche  dem  urbanen 
Geschmack  nicht  behagten,  erbarmungslos  ausschloss.  Während  im  Altlat. 
occipio  ganz  gewöhnlich,  ja  in  gewissen  Phrasen  geradezu  stereotyp  war, 
wiesen  Cic.  u.  Caes.  es  entschieden  zurück  und  gebrauchten  neben  coepi 
nur  incip'w.  Sallust  verwendet  occipio  in  den  Historien  (Hauler  im  Archiv 
HI  p.  5:3<))  offenbar  nach  seinem  Vorbilde  Sisenna,  vgl.  fragm.  25  P  2^^<^^' 
stolari  occipiunt;  aber  erst  Liv.  verschaffte  dem  in  seinen  Quellen  gewiss 
oft  vorkommenden  Wort  einen  sicheren  Platz  in  der  Litteratur,  den  es 
dann  auch  bei  Tac.  und  bei  den  Archaisten  behauptete.  Ähnlich  erging 
es  dem  Verb,  praepcdio;  dies  hat  bereits  Plaut,  verwendet,  dann  aber 
erst  wieder  der  auct.  b.  Hisp.;  nun  ist  es  auch  erklärlich,  warum  Cic.  und 
Caes.  sich  dem  Wort  gegenüber  ablehnend  verhielten.  Aber  Sali,  be- 
günstigte es  um  so  mehr,  und  die  Augusteer  Liv.  und  Ovid  führten  es 
wieder  so  nachhaltig  ein,  dass  es  in  der  Folgezeit,  bei  Plin.  min.  u.  Tac., 
dem  von  den  Klassikern  empfohlenen  impedio  erfolgreich  Konkurrenz  machte. 
Ähnlich  ist  es  manchen  andern  Kompos.  ergangen;  besonders  scheinen 
Kompos.  mit  dis,  de  und  con  in  der  Volkssprache  beliebt  gewesen  zu 
sein,  während  die  ersteren  in  der  klassischen  Sprache  so  gut  wie  keine 
Aufnahme  fanden  (z.  B.  discrucior  bei  Cic.  Att.,  sonst  nicht). 

3S.  Verba  compos.,  deren  Simplicia  abgestorben  waren,  konnten 
mit  einer  zweiten  Präposition  verbunden  werden,  weil  sie  nunmehr  als 
Stammwörter  erschienen;  so  hat  schon  Cato  coopcrio  gebildet,  welches  sich 
dann  bei  Sali.  Tac.  u.  ä.  erhalten  hat.     Ebenso  konnte  ein  Kompos.,  wenn 


JL  Eigentümlichkeiten  im  Gebrauch  der  Redeteile.  (§  36—40.)  553 

es  eine  neue  Bedeutung  annahm  und  sich  dadurch  von  seinem  fortlebenden 
Stammworte  trennte,  eine  zweite  Präposition  zu  sich  nehmen,  z.  B.  ad- 
surgo  und  hisurgo  von  surgo.  Man  kann  wohl  sagen,  dass  Decomposita 
der  klassischen  Sprache  nicht  besonders  sympathisch  sind;  um  so  mehr 
wurden  sie  in  der  Volkssprache  begünstigt,  finden  sich  daher  in  der  alten 
Komödie  ziemlich  zahlreich,  z.  B.  superadduco;  mit  Verg.  u.  Liv.  dringen 
sie  in  die  nachklassische  Litterärsprache  ein,  doch  so,  dass  nur  Verba  mit 
super  und  m,  z.  B.  superincido,  superimpono  zusammengesetzt  werden.  Seit 
Plinius  werden  Decomposita  allgemeiner  üblich,  und  Formen  wie  circum^ 
adapicio^  exprospicio,  circumohruo  bürgern  sich  allmählich  immer  mehr  ein ; 
ja  wir  treffen  jetzt  Verba  wie  recofnmonco,  welche  Art  der  Zusammen- 
setzung die  gute  Zeit  der  Sprache  verschmähte. 

39.  Viele  Verba  composita,  namentlich  wenn  sie  mit  cupUy  ad,  ex 
und  de  zusammengesetzt  waren,  büssten  im  Laufe  der  Zeit  die  in  der 
Präpos.  liegende  Bedeutung  ein,  und  so  schwand  allmählich  der  Unter- 
schied zwischen  V.  simpIex  u.  compos.  Die  Folge  davon  war,  dass  die 
klassischen  Schriftsteller  die  Präposition  fallen  Hessen  und  sich  mit  dem 
einfachen  V.  begnügten.  Ihrem  Beispiele  folgten  auch  in  der  nachklassi- 
schen Latinität  diejenigen  Autoren,  welchen  der  Sinn  für  den  delectus 
verborum  nicht  abhanden  gekommen  war.  Dagegen  lebten  die  Komposita 
unbehelligt  in  der  Volkssprache  weiter,  tauchen  daher  auch  in  klassischer 
Zeit  bei  vulgär  schreibenden  Skribenten  vereinzelt  auf,  um  dann  mit  der 
Hochflut  der  archaisierenden  Bestrebungen  massenhaft  in  die  Litteratur 
hereingeschwemmt  zu  werden.  Natürlich  erhielten  sie  sich  nun  in  der 
sinkenden  Latinität,  welche  lieber  noch  eine  weitere  Präpos.  vorgesetzt  als 
eine  vorhandene  fallen  gelassen  hätte. 

Es  genüge  ein  Beispiel.  Exaugeo  findet  sich  bei  Plaut.  Enn.  Ter., 
Lucrez  u.  Cornif.  behielten  es  auch  noch  bei,  Cicero  aber  und  Caesar  Hessen 
es  ganz  fallen,  und  so  verschwindet  es,  um  erst  wieder  bei  Symniachus,  der 
es  offenbar  in  Nachahmung  der  Alten  brauchte  (vgl.  Schulze,  De  Aurelii 
Symmachi  vocabulorum  formationibus  ad  sermonem  vulgarem  pertinentibus, 
Halle  1884),  aufzutauchen.  Adaugeo  dagegen  haben  Cic.  und  Caes.  wohl 
angenommen,  aber  höchst  selten  gebraucht  und  zwar  Cic.  fast  nur  in  der 
von  Cornif.  sehr  stark  beeinflussten  Schrift  de  inv.  u.  Caes.  nur  im  b.  civ. ; 
besonders  begünstigt  war  adaugeo  von  Caesars  Fortsetzern  und  namentlich 
von  Vitruv. 

Vgl.  WöLFFLiN,  Die  Verba  frequentativa  und  intensiva,  Archiv  IV  p.  197  222; 
Jonas,  Zum  Gebrauch  d.  VV.  frequentativa  und  intensiva  in  der  alt.  lat.  Prosa  (Cato,  Varro 
Sallust),  Posen  1879  Progr.;  id.  die  VV.  frequentativa  bei  Livius,  1884.  Progr. 

Partikeln. 

40.  Negationen.  Ilaud  ist  seiner  Etymologie  nach  strittig.  Die 
überlieferten  Formen  sind  haud,  haut^  hau;  das  letzte  steht  vor  Konso- 
nanten z.  B.  hau  multum  und  gehört  dem  Altlat.  u.  Verg.  an;  die  beiden 
ersten  werden  vor  Vokalen  gebraucht.  Haud  ist  sogenannte  Begriffs- 
negation und  wurde  dementsprechend  ursprünglich  nur  zur  Negation 
einzelner  Wörter  verwendet,  z.  B.  bei  Adj.  Adv.,  bei  qtiisquam  u.  ä.  Es 
findet  sich  daher  nie  =  tu],  welches  Satznegation  ist.  Die  klassische  Sprache 


554  B.  LateiniBche  Grammatik,    e)  LateiniBolio  StUiaük« 

verschmäht  haud,  bei  Caesar  steht  es  nur  einmal  und  zwar  in  der  Phrase 
haiid  scio  an,  bei  Cicero  ausserdem  in  Verbindung  mit  gewissen  Verbeo, 
Adj.  und  Adv.  z.  B.  haud  duhito,  haud  obscurus,  }iaud  facile,  haud  saue, 
nie  aber  braucht  er  hauddum,  und  luiud  ifu  nur  in  den  Obersetzungen 
Tim.  6,  Arat.  346;  auch  Sal].  verbindet  hnud  vorwiegend  mit  Adj.,  Adv. 
und  Partikeln  (mit  Verbum  nur  Jug.  110).  Horaz  hat  es  in  den  Oden 
nicht  zugelassen,  öfters  aber  in  den  Sat.,  Epist.  und  auch  Epod.  1,  32;  bei 
Liv.  wird  haud  Lieblingsnegation  und  erhält  sich  bei  Tac;  jetzt  verbindet 
es  sich  öfter  mit  Verben  und  wird  so  auch  Satznegation.  Aber  diese  Vor^ 
liebe  für  haud  tritt  nur  sehr  vereinzelt  auf,  Celsus  braucht  es  einmal,  Quint 
zweimal,  Seneca  rhet.  und  Plin.  min.  lassen  es  ganz  fallen,  es  wird  in  der 
Folge  selten  und  meist  nur  von  den  Nachahmern  des  Sali.  Liv.  u.  Tac. 
gebraucht  und  geht  auch  nicht  in  die  roman.  Sprachen  über. 

Über  non  u.  ne  siehe  Syntax  §  31  u.  37;  über  Verbindung  mehrerer 
Negationen  §  170,  über  mc,  welches  altlat.  =  non  ist,  §  176. 

41.    Ausserdem   ist  Bemerkenswertes  im   Gebrauche   folgender  Par- 
tikeln in  der  Entwicklung  der  Sprache  zutage  getreten: 

Adhuc  dient  in  klass.  und  vorklass.  Sprache  ausschliesslich  zur  Be- 
zeichnung der  Gegenwart  des  Sprechenden;  von  der  Vergangenheit  wird 
etiam  und  etiam  tum  gesagt;  die  wenigen  Stellen  bei  Cic,  welche  zu 
widersprechen  scheinen,  erklären  sich  aus  der  Eigentümlichkeit  des  Brief- 
stils oder  der  Doppel natur  des  Perfekts.  Aber  mit  Liv.  Voll.  Curt.  Plin. 
min.  Tac.  verliert  adhuc  seine  etymologische  Bedeutung  und  steht  nun 
auch  in  der  Erzählung  vergangener  Thatsachen,  z.  B.  Liv.  21,  48  quam- 
quam  gravis  adhuc  vulnere  erat.  Seit  Quint.  entspricht  es  unserm  y,nocW" 
bei  Kompar.  und  wird  so  von  Sen.  Suet.  scr.  h.  Aug.,  namentlich  aber  von 
eccl.  verwendet.  Im  Sp.  L.  bezieht  es  sich  ausserdem  auf  die  Zukunft  und 
steht  auch  im  Sinne  von  praeter ea,  z.  B.  Sulp.  Sev.  1,  12,  4  quinque^  adhuc 
auvos  famcm  futuram  und  D  1,  12,  7  rcfcram  adhuc  vobis  pauca,  —  Ahnlich 
verhält  es  sich  mit  mox^  welches  seit  Liv.  auch  auf  die  Vergangenheit 
übertragen  und  überhaupt  zur  Bezeichnung  der  Zeitfolge  zugelassen  wird. 
Suhinde  wird  vor  Liv.  gar  nicht  gefunden;  dieser  Autor  hat  es  in  der 
Bedeutung  „hierauf''  in  die  Schriftsprache  aufgenommen,  wo  es  sich  bei 
Voll.  Suet.  u.  a.  erhalten  hat  und  mit  Vell.  auch  den  Sinn  von  „wieder- 
holentUch'  annimmt.  Dehine  wurde  bei  den  Dichtern  und  im  silb.  Latein 
oft  gebraucht;  Suet.  hat  es  zuerst  im  Sinne  von  deinccps,  z.  B.  Tit.  8  omnes 
dehinc  Caesares.  Alias  bezeichnet  in  klass.  Zeit  nur  alio  tcmjwrc;  erst 
mit  Plin.  nimmt  es  die  Bedeutung  von  alio  loco  und  alioquin  an.  Quando- 
que  als  Synonym  von  aliqmindo  findet  sich  einmal  bei  Cic.  (fam,  6,  19), 
sonst  gehört  es  der  silb.  Latin.,  besonders  dem  Suet.  und  dem  Sp.  L.,  z.  B. 
dem  Sulp.  Sev.,  an.     Über  die  Konjunktion  quandoque  vgl.  Syntax  §  266. 

Fere  und  ferme  verhalten  sich  wie  Positiv  zu  Superlativ;  doch  wird 
dieser  Unterschied  im  Gebrauche  kaum  empfunden.  Ferme  kommt  schon 
bei  Plaut,  u.  Ter.  vor,  selten  bei  Cic,  nicht  bei  Caes.  u.  Hör.,  wiederholt 
bei  Sali.;  bei  Liv.  u.  Vell.  ist  es  Lieblingswort,  ebenso  bei  Tac.  in  den 
Ann.,  während  er  im  Dial.  sich  auf  fere  beschränkt.  Im  Spätlatein  wird 
ferme  immer  beliebter. 


1.  Eigentttmliohkeiten  im  Qebraach  d.  Redeteile.  (§  41.)  -  2.  Wortstellang.  (§  42.^    555 

Die  vorgeführten  Beispiele  zeigen,  wie  die  Bedeutung  der  Partikeln 
oft  im  Laufe  der  Zeit  verblasste,  ferner  wie  sich  diese  meist  kleinen 
Wörtchen  im  Gebrauch  abnutzten  und  dann  von  andern  abgelöst  wurden, 
hierauf  wie  manche  einen  förmlichen  „Kampf  ums  Dasein^  führten  und 
so  die  eine  Form  sich  erhielt,  während  die  andere  dem  Untergang  ver- 
fallen war.  Auch  hier  tritt  allenthalben  ein  feines  Gefühl  der  klassischen 
Sprache  für  die  Bedeutung  und  die  Handhabung  der  Partikeln  zutage, 
welches  jedoch  seit  Livius  ständig  abnimmt  und  schliesslich  so  geschwächt 
ist,  dass  in  regelloser  Weise  die  Partikeln  wechseln  oder  gehäuft  werden. 

Vgl.  zur  Lehre  von  den  Negationen:  Hand  im  Tursellinus;  Stürbnburg,  comment.  I 
zu  Cic.  de  off.;  Mor.  Müller,  Zum  Sprachgebrauch  des  Livius  I:  die  Negationen  haud  (non) 
haud  quaquam  (nequaquam),  Stendal  1877  Progr.;  Sigismund,  De  haud  negationis  apud 
priscos  scriptores  usu;  comm.  philol.  Jenens.  III  p.  217 — 2<)2;  Planer,  De  haud  et  haud- 
quaquam  negationum  apud  scnptores  latines  usu,  Jena  1886. 

2.  Wortstellung. 

42.  Ein  sehr  wichtiger  Faktor  in  der  Gliederung  der  lateinischen 
Sätze  ist  die  Wortstellung.  Wenn  auch  die  alten  Sprachen  im  Vergleich 
mit  den  modernen  eine  viel  grössere  Freiheit  in  der  Anordnung  der  Wörter 
und  Gruppierung  der  Satzteile  besitzen,  so  lassen  sich  doch  auch  bestimmte 
Kegeln  aufstellen,  die  sie  im  allgemeinen  befolgt  haben  oder  an  die  sich 
eine  Zeit  oder  Richtung  der  Litteratur  gebunden  erachtete.  Wir  unter- 
scheiden zwei  Hauptarten  der  Wortstellung:  1)  die  grammatische,  tradi- 
tionelle, 2)  die  durch  den  besondern  Zweck  der  Hervorhebung  oder  des 
W^ohlklangs  bedingte,  okkasionelle  (vgl.  Delbrück,  synt.  Forschungen 
IV,  S.  148  fif.).  Die  erstere  besteht  darin,  dass  die  beiden  Hauptteile  des 
Satzes,  Subjekt  und  Prädikat,  in  dieser  Reihenfolge  (S.  P.)  gesetzt  werden, 
und  dass  die  ihnen  sich  anschliessenden  Satzteile,  insofern  sie  mit  dem 
Subjekt  enger  zusammenhängen,  diesem  folgen,  während  die  näheren  Be- 
stimmungen des  Prädikats  demselben  vorausgehen;  dabei  ist  das  gramma- 
tisch Zusammengehörige  auch  zusammenzustellen.  So  entsteht  die  richtige 
Abrundung  des  Satzes,  der  in  seiner  zweigliedrigen  Gestaltung  doch  eine 
wohlthuende  Einheit  bildet,  z.  B.  Appius  inter  patres  Icctus  \\  haud  iia 
nndto  post  in  principum  dlgnationcm  pervcnit  Durchbrochen  wird  diese 
grammatische  Wortfolge  durch  das  Bedürfnis  nach  Hervorhebung  eines 
oder  des  andern  Begriffes,  z.  B.  dixit  Democritm,  credidit  Thcophrnstus  esse 
hetbam  etc.  Das  Bedürfnis  nach  Hervorhebung  aber  ist  in  dem  Gegen- 
satze einzelner  Satzteile  begründet,  und  dass  in  der  Eigentümlichkeit,  die 
Rede  in  Gegensätzen  fortschreiten  zu  lassen,  ein  Prinzip  des  antiken  Stiles 
liegt,  hat  Nägelsbacu  richtig  erkannt.  Man  wird  also  untersuchen  müssen, 
wie  die  Hervorhebung  des  Gegensatzes  im  Lat.  sich  vollzieht;  es  wird  sich 
ergeben,  dass  Anaphora  und  Chiasmus,  bald  einzeln,  bald  unter  sich 
verbunden,  die  erforderliche  Betonung  hervorbringen.  Schliesslich  galt  den 
Alten  fast  noch  mehr  als  uns  der  Tonfall  und  Wohlklang  in  der  Folge 
der  Wörter;  daher  wichen  sie  von  der  traditionellen  Wortstellung  auch  da 
ab,  wo  dieselbe  einen  missliebigen  Eindruck  auf  das  Ohr  machte.  In  der 
nachklassischen  Latinität  kommt  noch  ein  weiterer  wichtiger  Faktor  dazu. 
Die  Periode  der  klass.  Zeit  hatte  man  aufgegeben  und  hielt  sich  an  eiuQ 


556  B.  Lateinische  Qrammaiik.    e)  LateiniBclie  Stilistik« 

aus  kurzen  Sätzen  oft  abgerissener  Natur  bestehende  Rede.  Die  Wort- 
stellung war  nun  berufen,  neben  der  Auswahl  der  Wörter  als  Ersatz  ein- 
zutreten für  den  kunstreichen  Bau  der  Sätze.  Wir  finden  daher  im  silb. 
Latein  eine  geradezu  gekünstelte,  oft  gar  nicht  ins  Ohr  fallende  Wort- 
stellung und  dies  bei  einem  Inhalt,  der  dazu  gar  keine  Veranlassung  bietet 
Die  lateinische  Sprache  hatte  somit  eine  durch  die  Überlieferung 
fixierte  Wortstellung,  welche  sie  aber  dem  Inhalt  und  dem  Wohlklang 
zuliebe  häufig  durchbrechen  Hess. 

43.  Die  durch  den  Inhalt  gegebenen  Gegensätze  finden  in  der 
Wortstellung  zunächst  durch  den  Chiasmus  Ausdruck,  z.  B.  Cic.  de  rep. 
2,  33  matrcm  habemus,  ignoranm»  patrem.  Derselbe  beschränkt  sich  zu- 
meist auf  zwei  Glieder,  kann  aber  auf  drei  ausgedehnt  werden  und  zwar 
bei  Cic.  Liv.,  z.  B.  Liv.  9,  12,  3  ut  clnrioreni  inter  Romanos  deditio  Postu- 
mium  quam  Pontium  incnienta  vhtoria  inter  Samnites  faccrct.  Ausserdem 
ist  wirksam  die  Stellung  in  der  Anaphora;  hierunter  verstehen  wir  die 
Wiederkehr  derselben  Wortfolge  im  nämlichen  Satze  oder  auch  in  ver- 
schiedenen Sätzen,  z.  B.  Caes.  b.  Q.  2,  27  transire  latissimum  flunteti^  as- 
ccndere  altissimas  fipas,  subire  iniquisshnum  locum;  besonders  eindringlich 
wird  die  Anaphora  durch  Wiederholung  des  ersten  Wortes,  z.  B.  Cic.  Lael. 
74  dispares  mores^  disparia  studia  seqtiuniur.  Wenn  auch  mit  der  Wieder- 
holung gewöhnlich  eine  Steigerung  verbunden  ist,  so  gehört  doch  die  Ana- 
phora keineswegs  bloss  dem  affektvolten  Stile  an,  sondern  auch  die  einfache 
Diktion  des  Caesar  bevorzugt  dieselbe  sehr,  z.  B.  b.  G.  7,  33  alio  loco, 
alio  femjwrey  2.  18  artts  nuntiis,  certis  auctoribtis.  Ganz  besonders  von 
Wirkung  aber  ist  die  Verbindung  von  Chiasmus  und  Anaphora  und 
zwar  1)  indem  sie  einander  folgen,  z.  B.  Cic.  Farn.  7,  3,  3  discessi  ab  eo 
belh,  in  quo  aut  in  acte  cadendum  fuit  auf  in  aliqua^  insidias  incidendum 
aut  dcvcnicndum  in  vicioris  manus  aut  ad  lubam  confugiendum,  oder  2)  indem 
sie  ineinander  greifen,  z.  B.  Verr.  2,  25,  62  et  Heraclius  die  St/racusanus 
et  hie  Bidinus  Epierates, 

Man  wird  finden,  dass  die  weitaus  grösste  Zahl  der  Fälle,  welche 
von  der  grammatischen  Wortfolge  abweichen,  sich  auf  Anwendung  der  be- 
sprochenen Figuren  zurückführen  lässt  und  dass  Nägelsbach  recht  hat, 
wenn  er  dieselben  „die  den  Organismus  des  lat.  Satzes  beherrschenden 
Mächte**  nennt.  Die  Frage,  inwieweit  die  eine  oder  die  andere  Figur  bei 
den  einzelnen  Schriftstellern  überwiegt,  ist  nur  für  wenige  Autoren  beant- 
wortet; z.  B.  bei  Caesar,  Sallust  u.  Nepos  erscheint  die  Anaphora  ungleich 
häufiger  als  der  Chiasmus  verwendet,  von  Dichtern  bat  sie  am  meisten 
Vergil  gepflegt,  bei  welchem  der  Parallelismus  überhaupt  zu  den  Stileigen- 
tümlichkeiten  gehört,  beim  älteren  Plinius  neigt  die  Darstellung  mehr  dem 
Chiasmus  zu,  der  sofort  eintritt,  wenn  irgend  ein  Gegensatz  in  den  Be- 
griffen liegt;  bei  Tacitus  dagegen  herrscht  wieder  die  Anaphora  vor  mit 
vollständigem  Zurücktreten  des  Chiasmus,  während  der  jüngere  Plinius  trotz 
Vorliebe  für  Anaphora  doch  auch  gerne  nach  einem  Chiasmus  greift. 

44.  Der  Wohllaut  ist  für  die  Wortstellung  in  vielen  Punkten  ent- 
scheidend. So  werden  oft  syntaktisch  zusammengehörige,  ja  zusammen- 
gesetzte Wörter  (z.  B.  jicr  mihi  (jraium  crif,  mehr  jedoch  der  Dichtersprache 


2.  WorteteUung.  (§  43—45.)  557 

und  der  tacit.  Diktion  eigen,  z.  B.  Verg.  Aen.  2,  567  iantque  adeo  sui)er 
unus  erant  u.  Tac.  h.  1,  20  ülic  vix  decumae  super  portiones  erant)  getrennt, 
um  eine  rhythmischere  Abwechslung  von  Arsen  und  Thesen  hervorzubringen; 
gleichzeitig  verliert  das  Eingeschobene  an  Kraft  und  es  werden  die  getrennten 
Wörter  besonders  hervorgehoben.  Ähnlich  verhält  es  sich  mit  dem  Zurück- 
treten des  Relativs  von  der  ersten  Stelle,  welches  man  bei  Plaut.  Lucr. 
Cic.  Liv.  u.  PUn  mai.,  in  auffallender  Weise  bei  Apuleius  beobachtet  hat, 
z.  B.  Ascl.  307,  24  sedes  religionum  quae  fuit,  ferner  mit  der  Nachstellung 
von  ut  bei  vix,  paene,  nihil  u.  a.  Wörtern,  z.  B.  vix  ut  dicere  possim, 
ausserdem  mit  der  Zurückschiebung  von  cum  auch  da,  wo  der  Nebensatz 
ein  eigenes  Subjekt  hat.  Ebenso  erklärt  sich  die  bei  Cicero  beliebte  An- 
lehnung von  est  an  Pron.  relat.  demonstr.  u.  inteiTOg.,  z.  B.  quanta  esset 
hominum  admiratio  und  quae  est  in  we  facultas,  dann  die  Einschiebung  von 
est  bei  andern  Wörtern,  z.  B.  tum  est  Cato  locutus  u.  ä.,  die  Einfügung 
des  Vokativs  in  die  Rede,  z.  B.  Cic.  p.  Deiot.  10  imitari,  Castor,  potius  avi 
tui  mores  debebas  (Ausnahmen  selten,  aber  doch  bei  Cic.  Sali.  Liv.).  Auch 
rechne  ich  hieher  die  Trennung  zusammengehöriger  Wörter  in  beigeordneten 
Satzgliedern  durch  Zwischenstellung  des  Gemeinsamen,  z.  B.  Cic.  Lael.  32 
ut  usu  eius  fruantur  et  moribiL%  ferner  die  Nachstellung  des  sog.  zweiten 
Sup.,  z.  B.  facile  dictu,  die  bei  Caesar  regelmässig  ist,  von  Cic.  selten  auf- 
gegeben wird,  während  freilich  Livius  hier,  wie  in  vielen  andern  Punkten 
von  dem  klassischen  Brauche  abweicht;  hat  er  doch  selbst  die  solennen 
Formeln,  wie  senatum  populusque^  ferro  ignique  umgestellt  und  aus  pro 
virili  parte  ein  pro  parte  virili  gemacht.  Überhaupt  schwächt  sich  in  der 
nachklassischen  Zeit  das  Gefühl  für  eine  rhythmische,  in  die  Ohren  fallende 
Wortstellung;  während  z.  B.  Cicero  die  Trennung  von  Subst.  und  Attribut 
nur  durch  einfache  oder  präpositionale  Kasusbestimmungen  gestattet  und 
Caesar  davon  nur  zur  Hervorhebung  des  Adjektivs  Gebrauch  macht,  ohne 
jedoch  schwerfällige  Einschiebungen  zuzulassen  (vgl.  §  45,  3),  ist  bei  Liv. 
jede  Art  von  Trennung  statthaft,  ja  der  ältere  Plin.  hat  sich  bereits  so 
auffallende  Zwischenschiebungen  erlaubt,  dass  man  nicht  mehr  von  Wohl- 
laut reden  kann,  sondern  vielmehr  eine  gewisse  Schwerfälligkeit  der  Diktion 
erkennen  muss,  z.  B.  21,  89  reliqua  volgarium  in  cibis  apud  cos  herbarum 
nomina. 

45.  Hinsichtlich  der  Stellung  der  Satzteile  hat  man  folgende 
Wahrnehmungen  gemacht: 

L  Auffälliges  Zurücktreten  des  Subjektes  entsprechend  dem  ver- 
balen Satzanfang  finden  wir  oft  bei  Nepos  u.  Liv.,  selten  und  nie  ohne 
zwingenden  Grund  in  klass.  Sprache;  förmlich  zur  Manier  ist  diese  Stellung 
beim  älteren  Plin.  geworden,  z.  B.  34,  92  u)iam  tantum  Zenonis  statuam 
Cypria  expeditione  non  vendidit  Cato, 

Eingefügt  wird  das  Subjekt  in  den  Abi.  abs.  schon  bei  Cic.  u.  Caes., 
häufiger  von  Liv.  u.  Tac,  namentlich  ist  dies  bei  ipse  und  quisque  der 
Fall,  z.  B.  Liv.  4,  44  causa  ipse  pro  sc  dictu  damnatur.  Offenbar  soll  diese 
Stellung  die  Partizipialkonstruktion  ganz  eng  mit  dem  Hauptsatz  verflechten. 

2.  Das  Verbum  verlässt  seine  traditionelle  Stellung  und  tritt  an  den 
Anfang  namentlich  bei  Historikern  und  epischen  Dichtern  in  der  sich  schil- 


558  ^*  LateiniBohe  Orammaük.    e)  laieiniBohe  ÖtÜistik. 

dernd  ausbreitenden  Erzählung,  dann  zur  Herstellung  eines  engen  Zu- 
sammenhanges in  Wiederaufnahme  des  vorausgehenden  Verbs,  was  in 
Nachahmung  des  Liv.  das  silberne  Latein  kultiviert,  z.  B.  Plin.  ep.  8,  8,  6 
balineum  Ilispellates  publice  praebent^  praebent  et  Jiospüium,  In  Neben- 
sätzen besonders,  welche  sonst  regelmässig  mit  dem  Verb  schliessen,  zieht 
Liv.  das  Verb  vom  Ende  des  Satzes  weg,  der  ältere  Plin.  lässt  die  VV.  dicendi 
bei  merkwürdigen  Angaben  vorantreten,  Nepos  fröhnt  diesem  verbalen 
Satzanfang  oft  ohne  ersichtlichen  Grund,  Apuleius  setzt  das  Verb  in  einer 
ihm  ganz  besonders  eigentümlichen  Weise  an  die  vorletzte  oder  drittletzte 
Satzstelle,  letzteres,  wenn  Subst.  mit  Adj.  oder  Präp.  folgt,  z.  B.  Met.  4,  19 
Jiis  Omnibus  salubri  consilio  rede  dispositis  occurrit  scaevus  eventus. 

Wenn  das  Verbum  in  einer  zusammengesetzten  Zeit  steht,  so  wird 
bei  Cicero  regelmässig  am  Schlüsse  der  Sätze  das  Subjekt  zwischen  Partiz. 
und  esse  gesetzt,  z.  B.  detrada  oratio  est;  bei  Liv.  können  auch  Beklei- 
dungen des  Subst.  und  adv.  Bestimmungen  dazwischen  treten,  z.  B.  Liv.  21, 
57,  14  inhumavae  superbiae  editum  in  miscros  exemplum  est. 

Der  Inf.  esse  schliesst  sich  bei  Cicero  gewöhnlich  an  das  Hilfsverb, 
z.  B.  poiest,  vult  etc.  unmittelbar  an  und  hat  dann  das  betonte  Wort,  Subj. 
oder  Präd.,  nach  sich,  z.  B.  nt  vita  deserta  ab  amicis  non  possit  esse  iuctinda; 
ähnlich  verhält  es  sich  mit  den  VV.  sent.  u.  decl.,  z.  B.  quem  putant  esse 
fkdelissimum.  Die  Umgangssprache  gestattet  sich  hier  grössere  Freiheit  und 
lässt  auch  esse  ans  Ende  der  Sätze  treten. 

Die  Hilfsverba  folgen  in  der  Kegel  ihrem  Inf.;  voran  treten  sie  nur 
dann,  wenn  sie  als  selbständige  Verba  charakterisiert  werden  sollen,  z.  B. 
audeo  dicere  ich  habe  den  Mut  zu  sagen;  dagegen  dicere  non  ausim  ich 
möchte  nicht  sagen. 

Das  Verbum  osse  wird  vorangestellt,  um  die  Wirklichkeit  zu  ver- 
sichern, z.  B.  sunt  ista,  oder  —  wie  dies  bei  den  andern  Hilfsverben  auch 
beachtet  worden  — ,  um  selbständig  d.  h.  als  Verb  der  Existenz  gelten 
zu  können. 

3.  Das  adjekt.  Attribut  steht  regelmässig  vor  seinem  Nomen;  so 
lautet  die  indogermanische  Hegel,  Delbrück,  Synt.  Forsch.  IV  S.  150,  und 
darauf  weist  auch  die  Nominalkomposition  hin,  vgl.  muijnanimns  fuyaXt- 
xpvxog  grossmütiy.  Besonders  ist  dies  der  Fall  bei  den  gebräuchlichsten 
Adj.,  welche  mit  dem  Subst.  in  enger  Verbindung  verknüpft  sind  und  bei- 
spielsweise im  Abi.  oder  Akk.  einen  adv.  Begi'ifif  ergeben,  z.  B.  magvo  operc, 
ma(/n/x)H  partcm.  Doch  findet  sich  schon  frühe  die  Nachstellung  des  Adj. 
und  wird  dann  lür  manche  Arten  derselben  Regel,  z.  B.  homo  Ilomanus^ 
litterae  Uitinac  u.  ä.  Die  Tonstelle  ist  nicht,  wie  man  glaubte,  vor  dem 
Subst.;  vielmehr  werden  Adj.  dadurch  betont,  dass  sie  aus  der  gewohnten 
Stelle  gerissen  werden,  z.B.  Cato  erat.  18,  7  Gracco  ritu  fiebanfur  Satut- 
nalia;  vgl.  noch  latinae  Utterae  und  urbem  aliam  statt  des  gewöhnlichen 
littcrac  latinae  und  aliam  urbem.  Ausserdem  erzeugt  das  Hyperbaton 
nachdrucksvolle  Betonung;  dies  finden  wir,  wenn  auch  selten,  schon  im 
Altlat.,  so  namentlich  bei  Sisenna,  z.  B.  45  V,  inopriam  capcre  non  potucint 
quidvm^  dann  bei  Sallust,  der  jedoch  wie  die  meisten  seiner  Vorgänger 
gewöhnlich  nur  ein  Wort  einschiebt,  z.  B.  Hist.  5,  8  necjotia  cusequcbantur 


2.  Wortstellmig.  (§  45.)  550 

familiaria,  dann  in  klass.  Sprache,  vgl.  Caes.  b.  G.  5,  58  magna  proponit 
his  qui  occiderint  praemia.  In  der  Poesie  war  die  Stellung  bei  den  hexa- 
metrischen Dichtern  besonders  beliebt  und  ging  von  da  zu  spätlateinischen 
Prosaisten  über,  welche  sie  in  geradezu  manierierter  Weise  missbrauchen, 
so  Boethius  und  der  auctor  der  Hisperica  Famina  (vgl.  Stowasser,  Progr. 
Wien  Frz.  Jos.-Gymn.  1887  p.  17).  Am  gewöhnlichsten  ist  das  Dazwischen- 
treten der  Präpos.,  z.  B.  magno  cum  gcmiiu;  die  Nachstellung  des  Adj.  in 
diesem  Falle  gehört  schon  dem  A.  L.  an,  vgl.  Ennius  562  M  aequore  in 
altOy  findet  sich  auch  bei  Lucilius,  dann  bei  Verg.  und  ging  von  da  in  die 
nachklass.  Prosa  über,  vgl.  Tae.  ann.  3,  10  iudice  ab  uno.  —  Hat  das  Adj. 
eine  Beifügung,  z.  B.  virtus  digna  summo  honore,  oder  wird  es  prädikativ 
gebraucht,  z.  B.  VercassivcUaunus  Arvernas  vivus  in  fuga  comprehenditur, 
so  steht  es  im  klass.  Latein  nach;  die  silb.  Latinität  jedoch,  besonders  Plin. 
mai.,  verschmäht  auch  die  Voranstellung  des  erweiterten  Attributs  nicht, 
z.  B.  Plin.  n.  h.  3,  33  muUo  GalUartwi  fcrtilissimus  Rhodanus  amnis. 

Abgeleitete  Adj.  zur  Bezeichnung  der  Herkunft  stehen  abgesehen 
von  rhetorischer  Hervorhebung  noch  voran  in  populärer  Bezeichnung,  z.  B. 
Phalereus  Demetrius;  dies  gilt  für  die  klass.  u.  silb.  Latinität,  aber  nicht 
für  Tac. 

Die  Pronomina  hie  u.  is  treten  in  klass.  Sprache  regelmässig  voran, 
weniger  ille,  welches,  wie  immer  das  Poss.,  oft  nachgestellt  wird.  Von 
den  Zahlwörtern  folgen  die  Ordin.  dem  Subst.,  während  die  Card,  vor- 
ausgehen. 

In  der  Stellung  des  attrib.  Genetivs  herrscht  grosse  Freiheit;  es 
scheint,  dass  das  Lateinische  schon  frühe  von  der  Kegel,  wonach  derselbe 
vor  seinem  Subst.  steht,  abgewichen  ist,  weil  die  sehr  alten  Amtsbezeich- 
nungen, z.  B.  tribunus  plebiSy  praefeetus  urbis  u.  ä.  bis  in  die  silberne 
Latinität  (Plin  mai.  sagt  auch  z.  B.  undecimus  plebei  tribunus)  ihre  stereo- 
type Stellung  behalten  haben,  ebenso  die  volkstümlichen  Ausdrücke  wie 
orbis  ierrarum  u.  ä.  Die  silberne  Latinität  verfährt  hier  wieder  sehr  will- 
kürlich, indem  z.  B.  Plin.  mai.  ohne  jeglichen  ersichtlichen  Grund  a  Syriae 
Damaseo  u.  ä.  sich  erlaubt. 

Tritt  zum  Gen.  und  zum  Beziehungswort  noch  ein  Adj.,  z.  B.  fruetum 
magfmm  studiorum  optimorum,  so  sind  alle  mathematisch  möglichen  Varia- 
tionen auch  stilistisch  zulässig. 

Die  Apposition  tritt  in  der  Regel  hinter  das  Beziehungswort;  eine 
Ausnahme  bilden  die  Titel  rex^  imperator  u.  ä.,  z.  B.  rex  Boeche! 

Von  der  gewöhnlichen  Reihenfolge  der  Namen  weicht  Cic.  nur  da  ab, 
wo  er  durch  Voranstellung  des  Cognomen  der  Rede  den  Charakter  familiärer 
Vertraulichkeit  geben  will,  z.  B.  Gallus  nosfer  Caninius;  noch  seltener  als 
bei  Cic.  ist  diese  Wortstellung  bei  Caes.  u.  Sali.  Dagegen  wird  sie  mit 
Liv.  und  namentlich  mit  Vell.  allgemein  üblich. 

4.  Die  Trennung  des  Adverbs  von  seinem  Adjektiv  ist  besonders 
bei  den  Wörtchen  tarn  und  quam  beliebt  und  findet  sich  so  bei  Plaut.  Ter. 
Cic.  (besonders  ad  Att.  u.  in  Verr.)  Nep.  Curt.  Plin.  epp.,  z.  B.  tarn  ab 
teuui  exitio.  Auffälliger  ist  dies  Hyperbaton  bei  andern  Adv.,  z.  B.  Cic. 
fin,  4,  30  aeque  vita  iucunda    Liv.  2,  20  tanto  vi  maiore;  es  wird  selten 


560  B.  Lateinische  Grammatik,    e)  Lateinisohe  Stilistik« 

bei  Cic.  und  nicht  in   den   späteren  Reden,  dann  bei  Pollio,   Nepos,   liv. 
angetroffen. 

46.  Die  dichterische  Sprache  hat  ihre  eigene  Wortstellung,  die 
unter  dem  Zwange  des  Metrums  namentlich  in  der  Setzung  der  Konjunk- 
tionen sich  mancherlei  herausnimmt,  was  die  Prosa  nicht  zulässt.  FQr  die 
Prosa  ist  von  Cic.  u.  Quint.  der  poet.  Rhythmus  zurückgewiesen  worden; 
doch  ist  es  selbst  dem  Cicero,  mehr  noch  dem  Liv.  u.  Tac.  vorgekommen, 
dass  sie  unwillkürlich  Verse  in  ihre  Prosa  einflochten;  ja  Cicero  hat  nicht 
einmal  in  den  Reden  durchweg  den  Schluss  eines  Hexameters,  z.  B.  esac 
videbam  zu  vermeiden  gewusst.  Mit  der  Opposition  gegen  Cicero  macht 
sich  auch  ein  Eindringen  des  dichterischen  Rhjrthmus  in  die  Prosa  be- 
merklich; namentlich  haben  M.Brutus  und  Asinius  Pollio  geflissentlich  den 
Tonfall  der  Verse  in  der  Wortstellung  nachgeahmt. 

Vgl.  Henbi  Weil,  De  Tordre  des  mots  dans  Ics  langues  anciennes  comparees  aux 
langues  modernes,  Paris  1879;  Gantbelle,  ^tude  litteraire  sur  la  disposition  des  mots  dans 
la  phrase  latine,  Brüssel  1883;  Haspe,  Die  Wortstellung  der  lat.  Sprache,  Leipzig  1844; 
Dettweileb,  symb.  ad  collocationem  verborum,  Festschrift  zur  38.  Phil.- Vers.  1885  p.  82—105; 
Jahn,  N.  Jahrbb.  45,  S.  41-59;  Mauleb,  de  pronominum  personalium  apud  Plaatam  cd 
locatione,  Greifswald  187G;  Kämpf,  de  pron.  pcrs.  usu  et  collocatione  apud  poetas  scaenkos. 
Berlin  1880;  Heitzmakn,  de  substantivi  eique  attributi  apud  poetas  satiricos  collocatione 
part.  1.  Bonn  1887;  Meyeb,  Die  Wort-  und  Satzstellung  bei  Sallust,  Magdeburg  1880 
Progr.  LoBENZ,  Dasselbe  bei  Caesar,  Creuzburg  1875  Progr.;  von  Boltenstebn,  Bemerkungen 
über  die  Wortstellung,  insbesondere  über  die  Stellung  der  Präpositionen  in  Vergils  Aenein. 
Dramburg  1880  Progr.;  Kbafft,  Zur  Wortstellung  Vergils,  Altenburg  1887;  HObcheb.  De 
verborum  ordine  linguae  latinae  usitato,  Rudolstadt  1860,  1866,  1884;  A.  Rbckzet,  Über 
grammatische  und  rhetorische  Stellung  des  Adjektivums  bei  den  Annalisten,  Cato  und  Sallust; 
Berlin  1888;  Dietebich  Robde,  Adiectivum  quo  ordine  apud  Caesarem  et  in  Ciceron's 
orationibus  coniunctum  sit  cum  Substantive,  Hamburg  1884;  id.  Adiectivum  quo  ordine  apud 
Sallustium  coniunctum  sit  cum  Substantive,  Hamburg  1887;  G.  Akdbesen,  de  vocabuloruni 
apud  Tacitum  collocatione,  Berlin  1874. 


3.  Satz-  und  Periodenbau. 

47.  In  der  Syntax  wurde  die  Gestaltung  des  einfachen  Satzes,  die 
Verknüpfung  mehrerer  einfacher  Sätze  auf  dem  Wege  der  Beiordnung,  der 
Übergang  aus  ursprünglicher  Parataxe  in  die  Hypotaxe  und  das  Fortleben 
der  Parataxe  neben  den  streng  untergeordneten  Nebensätzen  besprochen. 
Es  erübrigt  noch  hier  die  Form  der  aus  der  Hypotaxe  sich  ergebenden 
lat.  Periode  darzulegen,  dann  eine  Übersicht  der  Entwicklung  der  Perioden 
überhaupt  und  der  historischen  insbesondere  zu  geben  und  schliesslich  die 
auffälligsten  Erscheinungen  der  lat.  Satzbildung  und  -Verknüpfung  kurz 
zu  charakterisieren. 

Die  einfachste  Periode  entsteht  durch  Verbindung  von  Haupt-  und 
Nebensatz,  wobei  folgende  Stellungen  möglich  sind:  a:  A,  A  {a)  A,  A  \  n, 
a  {A)  a.  Treten  zu  einem  Hauptsatze  zwei  Nebensätze,  so  ergeben  sieh 
folgende  Arten  des  Satzbaus:  a:  A  \  h;  a,  A  (b)  A;  A  (a)  A  \  b;  A  (n) 
A  (b)  A  und  schliesslich  a:  {b:  A);  besonders  wichtig  ist  die  letzte  Fügung, 
wo  a  als  Vordersatz  zu  (/>.*  A)  zu  betrachten  ist,  z.  B.  Cic.  Div.  Caec.  6, 
21  cur  voUnt,  ctiamsi  tacmnf,  satif^  dicmit.  Fügen  sich  einem  Hauptsätze 
zwei  Nebensätze  verschiedener  Grade  an,  so  ergeben  sich  nicht  weniger 
als  15  Formen  für  die  Gestaltung  der  Periode;  im  Deutschen  sind  alle  die- 


2.  WorUteUnng.  (§46.)    -  8.  Satsban.  (§47-48.)  5C1 

jeDigen  Fälle  unmöglich,  wo  a  vor  a  tritt,  z.  B.  a;  a:  A  quid  äff  er  res  novi, 
cum  ignararem^  servum  ad  te  misL 

Mit  Beiziehung  dieser  Grundfonnen  lassen  sich  alle  Perioden,  auch 
die  kompliziertesten,  erklären. 

Es  wurde  oft  schon  ausgesprochen,  dass  die  lat.  Sprache  eine  Hin- 
neigung zum  periodischen  Satzbau  besitze  und  dass  ein  wesentlicher  Unter- 
schied zwischen  der  deutschen  und  der  lat.  Rede  in  der  überwiegend 
periodischen  Gruppierung  der  letzteren  bestehe.  Dies  gilt  vorzugsweise  für 
die  Hauptvertreter  der  lat.  prosaischen  Litteratur;  wenn  dieselben  vom 
periodischen  Satzbau  absehen  und  zur  einfachen  mit  oder  ohne  Konjunktion 
erfolgenden  Anreihung  der  Sätze  sich  wenden,  so  haben  sie  ihre  bestimmten 
Gründe  dazu.  Diese  sind  zum  Teil  durch  den  Inhalt,  zum  Teil  durch 
den  Wohllaut  gegeben.  Sobald  aber  solche  Gründe  nicht  vorhanden  sind, 
tritt  die  Periodisierung  ein  (vgl.  oben  Syntax  §  208). 

48.  Die  tragische  wie  die  epische  Poesie  war  der  Entwicklung  der 
lateinischen  Periode  günstig.  So  ist  die  Satzbildung  des  Ennius  mannig- 
faltig und  beweglich;  manchmal  freilich  scheint  sie  zu  umfangreich  und 
verschlungen,  auch  ist  zu  häufig  der  Gebrauch  relativer  Fürwörter  und 
Konjunktionen.  Entsprechend  der  noch  kurzen  Zeit,  seit  welcher  dem  Satz- 
bau Aufmerksamkeit  gewidmet  worden,  finden  wir  nicht  selten  recht  hart 
scheinende  Asyndeta  und  eine  später  zurücktretende  Freiheit  in  der  An- 
knüpfung relativer  und  fragender  Sätze,  z.  B.  Ennius:  ea  libertas  est,  qui 
pectus  purum  et  firmum  gestitat.  Bei  Lucrez  fällt  uns  ferner,  wie  auch  bei 
CatuU,  ein  bisweilen  nicht  besonders  poetischer,  sondern  viel  mehr  streng 
logischer  Periodenbau  auf;  so  besteht  beispielsweise  CatuU  65  aus  einer 
einzigen  schwerfälligen  Periode:  Vordersatz  mit  Parenthese,  Hauptsatz  und 
Vergleich.  Bei  den  augusteischen  Dichtern,  die  einem  bereits  geläuterten 
Geschmacke  huldigen,  liegt  die  Sache  ganz  anders;  nur  ganz  ausnahms- 
weise stossen  wir  auf  Sätze  wie  Hör.  epist.  1,  15,  wo  Vers  1—25  eine 
einzige  durch  zwei  lange  Parenthesen  unterbrochene  Periode  bilden;  dies 
lässt  sich  durch  den  Briefstil  entschuldigen.  Im  übrigen  entspricht  der 
Satzbau  den  Anforderungen,  die  man  an  ein  Gedicht  stellt,  und  wie  die 
Poesie  der  aug.  Zeit  überhaupt  durch  die  bewunderungswürdige  formelle 
Vollendung  im  Ausdruck  und  Versbau  sich  auszeichnet,  so  auch  durch  einen 
wahrhaft  dichterischen  einfach  grossartigen  Satzbau.  So  vermeidet  bei- 
spielsweise TibuU  lange  und  gewundene  oder  schwer  zu  analysierende  Perio- 
den und  hält  sich  lieber  an  einfache  Parataxen  mit  zahlreichen  echt  dich- 
terischen Asyndeta.  Geradezu  wunderbar  im  Satzbau  ist  die  Sprache  des 
Vergil,  wo  umfangreiche  Perioden  sich  fast  gar  keine  finden,  kürzere  mit 
zwei  Nebensätzen  nur  vereinzelt  getroffen  werden  und  sogar  die  zwei- 
gliedrige Satzverbindung  noch  sehr  zurücktritt  gegen  die  einfachen  Sätze, 
welche  bald  kürzer,  bald  durch  Appositionen  und  Partizipialkonstruktionen 
erweitert  in  zwangloser  Parataxe  und  noch  öfter  asyndetisch  an  einander 
gereiht  das  ganze  Werk  füllen.  Die  Verehrung,  mit  welcher  die  Folgezeit 
auf  Vergil  blickte,  ist  bekannt;  ebenso  der  Einfluss,  den  seine  als  muster- 
giltig  angestaunte  Sprache  auf  die  Dichter  und  Prosaiker  der  Folgezeit  aus- 
übte.    So    lässt  sich   denn   auch    bemerken,   dass   seine  Bevorzugung   der 

Handbuch  der  klasa.  AltertumawlafleDschaft.  IL    2.  Aufl.  3(ij 


562  B.  Lateinisohe  Qrammatik.    e)  Lateinisohe  StUistik. 

parataktischen  SatzfUgung  gegenüber  der  Hypotaxe  in  der  nachklass. 
Litteratur  sich  in  den  Vordergrund  drängt,  und  wenn  z.  B.  Tacitus 
weniger  kunstreich  als  Liv.  periodisierte,  sondern  viele  Parataxen  ein- 
treten Hess,  so  mag  dies  zum  grossen  Teile  der  Nachahmung  des  Verg.  zu- 
zuschreiben sein. 

Die  Prosaiker  der  vorklassischen  Zeit  waren  noch  weit  entfernt  von 
einer  kunstreich  gegliederten  und  ebenmässig  gebauten  Periode;  wenn  wir 
auch  bei  Cato  in  dem  höchst  einfach  geschriebenen  Buche  r.  r.  Sätze  finden, 
wie  praedium  quodprinium  siet,  si  me  rogabis,  sie  dicam,  somit  Spuren  echt- 
lateinischer Periodisierung,  muss  doch  im  ganzen  sein  Satzbau  als  durch- 
aus primitiver  Natur  in  ungezwungener  loser  Parataxe  sich  bewegend  an- 
gesehen werden.  Ihre  Vollendung  und  kunstvolle  Ausbildung  erhielt  die 
Periode  durch  Cicero.  Dieser  Meister  des  Stils  verstand  es  ganz  ent- 
sprechend dem  Inhalte  und  Zweck  der  Darstellung  bald  die  einzelnen  Glie- 
der der  Periode  kunstreich  zu  verschlingen,  bald  lose  an  einander  zu  reihen 
und  in  letzterem  Falle  einmal  die  Sätze  sich  förmlich  drängen,  dann  aber 
sich  bedächtig  folgen  zu  lassen;  dabei  treten  die  Hauptgedanken  keck  in 
den  Vordergrund,  das  minder  Wichtige  wird  angehängt,  und  alles  verläuft 
im  schönsten  Flusse  und  herrlichsten  Wohllaut.  Das  silberne  Latein  ver- 
stand es  nicht,  sich  diesen  Vorzug  der  klassischen  Diktion  zu  erhalten;  dem 
Geschmacke  eines  Seneca  entsprechen  vielmehr  kurze  Sätze,  weil  hier  sich 
die  Pointen  und  der  ganze  Zierrat  eines  effekthaschenden  Stils  viel  besser 
anbringen  Hess.  So  verfiel  denn  der  Periodenbau  im  nachklass.  Latein 
immer  mehr,  und  nur  vereinzelte  Historiker  suchten  noch,  wie  wir  sehen 
werden,  sich  am  Beispiele  der  Alten  wieder  aufzurichten. 

49.  Die  Perioden  werden  eingeteilt  in  historische,  oratorische 
und  deskriptive;  wir  wollen  hier  nur  die  erste  Art  näher  ins  Auge 
fassen,  da  die  zweite  unten  in  der  Rhetorik  genauere  Behandlung  findet 
und  die  letzte  von  untergeordneter  Bedeutung  ist. 

Die  Periodenforni,  welche  den  Historikern  am  meisten  zusagte  und 
80  sich  allenthalben  bei  ihnen  findet,  ist  diejenige,  in  welcher  einem  Haupt- 
satz ein  Nebensatz  voraufgeht,  z.  B.  id  cum  dixisset^  hiistam  in  hosiium  fines 
emisit  Die  nächste  Erweiterung,  welche  diese  einfache  Periode  erfuhr,  war, 
dass  dem  Konjunktionalsatz  noch  ein  Partizip  vorausging;  diese  Perioden- 
form war  besonders  bei  Liv.  und  dann  auch  bei  Tac.  beliebt,  z.  B.  Tac.  ann.  2, 
69  mox  adversa  valetudine  Germanici  detenhis,  ubi  recrmltim  accepit,  plebem 
per  lictores  proturbat.  Weniger  häufig  findet  sich  die  von  Nepos  besonders 
gepflegte  Nachstellung  des  Partizips  mit  abhängigem  Objektsatz,  z.  B.  Theni. 
7,  1  dedit  02)eram,  tif  qtiam  longissime  tenipus  duccret  causam  interponefis  sc 
collegas  exspectare.  In  ähnlicher  Weise  nachschleppend  fügen  Nepos,  Liv. 
Plin.  mai.  T|ic.  script.  bist.  Aug.  auch  Relativsätze  an,  die  dann  öfters  den 
Hauptgedanken  enthalten,  z.  B.  Milt.  1,  2  nam  tum  Thraeces  cos  regiones 
iencbanty  cum  quibus  armis  erat  dimicandum. 

Eine  andere  Erweiterung  der  einfachen  Periode  entstand  durch  asyn- 
detische Beifügung  eines  zweiten  Konjunktionalsatzes  an  den  ersten,  z.  B. 
Nepos  Epam.  6,  3  Epaminondas,  cum  de  ceteris  perorasscty  postquam  od 
illa   duo   opprobria  pervenit^   admirari  se  dixit  etc.     Dies  Hebte  besondeis 


8.  Satzban.  (§  49  -50.)  563 

Livius,  weniger  Tac;  auch  Nepos  hat  einige  Beispiele.  Cicero  dagegen 
bevorzugt  die  Unterordnung  von  Nebensätzen  unter  Nebensätze. 

Beachtenswert  ist  in  der  Entwicklung  der  histor.  Periode  die  Häu- 
fung der  Partizipien.  Die  Anfänge  davon  finden  wir  bei  Caesar, 
weniger  bei  Sallust  und  Nepos;  namentlich  aber  ist  es  Livius,  der  in  der 
reichhaltigsten  Abwechslung,  bald  auf  dem  Wege  der  Koordination,  bald 
auf  dem  der  Subordination  die  Partizipien  zu  gruppieren  versteht.  Es  ist 
natürlich,  dass  die  von  ihm  abhängigen  Autoren,  wie  z.  B.  Val.  Max.  und 
Curtius,  ihm  hierin  nachahmen;  behutsamer  ist  trotz  seines  Reichtums 
an  Partizipien  schon  Tacitus,  der  sich  im  Satzbau  mehr  dem  Sali,  als  dem 
Liv.  nähert.  Eine  vielleicht  auf  Nachahmung  der  Oriechen  zurückzuführende 
Eigentümlichkeit  der  Partizipialverbindung  bei  den  Historikern  Sali.  Liv. 
Tac.  Sueton  besteht  in  der  ^rallelsetzung  von  absol.  u.  konj.  Partiz.,  z.  B. 
Liv.  25,  35  inter  exercitus  ducesque  gratulatio  ingens  facta  imperatore  ianto 
deleio  et  alteram  victoriam  exspectantes.  Die  spätem  Historiker  haben 
kein  Verständnis  mehr  für  grössere  Perioden,  und  damit  schwindet  auch 
die  Neigung  zur  Häufung  der  Partizipien;  oder  wenn  sie  einmal  einen 
Anlauf  nehmen,  fällt  er  gewiss  ungeschickt  aus,  z.  B.  Spart,  vit.  Hadr. 
24,  9:  quod  cum  esset  proditum  et  in  Antonini  usque  notitiam  venisset, 
ingressis  ad  se  praefectis  et  filio  rogantibusque,  ut  aeqtw  animo  necessi- 
tatem  morbi  ferret,  dicente  Antonio  ^)arrw?/dawji  se  futurum,  si  Uadrianum 
adoptatus  ipse pateretur  occidi,  iratus  Ulis  auctoretn  proditionis  iiissit  occidi. 

Im  ganzen  gilt  für  die  Entwicklung  der  histor.  Periode:  die  vor- 
klassische Geschichtschreibung  bewegt  sich  zumeist  in  Parataxen  oder  in 
den  einfachsten  Perioden  ohne  jede  Häufung  und  Verschlingung.  Caesar  hat 
einen  bedeutenden  Schritt  vorwärts  gethan;  immerhin  aber  kümmert  auch 
er  sich  wenig  um  Abwechslung,  wie  sich  dies  besonders  in  der  ihm  ge- 
läufigen Häufung  der  Abi.  abs.  zeigt,  ebenso  wenig  um  Abrundung  und  so 
fehlt  seinen  Perioden  die  Geschlossenheit.  Sallust  hat  viel  von  Thukydides 
gelernt,  aber  sein  archaisierendes  Wesen  giebt  doch  manchmal  dem  Satz- 
bau eine  gewisse  altrömische  Steifheit  und  Einförmigkeit.  Nepos  ver- 
meidet grössere  Perioden,  weil  er  sie  nicht  zu  beherrschen  versteht.  Da- 
gegen hat  Livius  die  bist.  Periode  zur  höchsten  Vollendung  gebracht;  seine 
Sätze  sind  mit  wenig  Ausnahmen,  die  sich  vielleicht  auf  die  ersten  Dekaden 
beschränken,  bei  aller  Ausdehnung  doch  immer  einheitlich  gebaut,  und 
namentlich  sind  die  Partizipien  geeignet,  die  Glieder  zusammenzuhalten. 
Tacitus  giebt  ihm  an  kunstvoller  Periodisierung  wenig  nach,  ohne  sich 
jedoch  auf  schwer  zu  lösende  Komplikationen  einzulassen.  In  der  nachtac. 
Geschichtschreibung  verdient  Sueton  noch  Anerkennung  wegen  der  Sorgfalt, 
die  er  auf  Anlage  und  Ausführung  seiner  Perioden  verwendet.  Später  aber 
wird  es  immer  schlimmer,  und  man  braucht  nur  eine  Seite  in  den  Script, 
hist.  Aug.  zu  lesen,  um  sich  zu  überzeugen,  dass  hier  das  Gefühl  für  die 
bist.  Periode  vollständig  abhanden  gekommen  ist. 

60.  Vereinigung  verschiedener  Konstruktionen.  Mit  einem 
Relativsatz  kann  noch  ein  zweiter  Relativsatz,  ein  Konjunktional-  oder  Frage- 
satz in  Verbindung  treten,  z.  B.  contra  quem  qui  exercitus  ducunt;  quac 
quia  non  vides;  qitae  unde  sit  prolata  nescio.     Ferner  vereinigen  sich  Kon- 

36* 


564  B.  Lateiniflohe  Grammatik,    e)  Lateinische  Stilistik. 

junktional-  und  Fragesatz,  z.  B.  quid  ut  facerent?  Wir  finden  solche  Kon- 
struktionen, die  vorzüglich  geeignet  sind,  der  Rede  ein  lat.  Gepräge  zu 
geben,  in  der  klassischen  Zeit  und  ebenso  bei  Liv.  u.  Tac,  später,  wie  es 
scheint,  nur  noch  in  Nachahmung.  Besonders  aber  ist  es  Cicero,  der  die- 
selben und  zwar  gleichmässig  in  allen  Arten  seiner  Schriften  aufs  feinste 
ausgebildet  hat.  Nur  eine  Eigentümlichkeit  sei  erwähnt:  Lässt  der  Haupt- 
satz vermöge  seines  Verbs  keine  Rektion  zu,  so  folgt  er  unmittelbar  auf 
das  Relativum,  z.  B.  Cic.  Vat.  7,  16  quem  tu  dirumperis  si  dedilicium  vides. 
de  or.  3,  41  quae  nemo  est  quin  effugere  cupiat. 

Eine  elegante,  uns  unnachahmbare  Konstruktion  entsteht  dann^  wenn 
das  Nomen,  auf  welches  sich  das  in  obenerwähnter  Verbindung  vorkom- 
mende Relativ  bezieht,  im  Nachsatze  nicht  steht  oder  gar  nicht  gedacht 
werden  kann,  z.  B.  Cic.  Pam.  6,  6,  5  ea  sua^i  JPompeio,  quibus  ille  si  paru- 
isset,  Caesar  tant<is  opes  non  hoher  et.  Diese  Art  des  Satzbaues  zeigt  sich  in 
ihren  Anfangen  schon  bei  Plaut.,  gehört  namentlich  der  klassischen  2ieit 
und  hier  in  erster  Reihe  Cicero  an,  hat  sich  aber  auch  noch  bei  den  Ar- 
chaisten,  z.  B.  Fronto  erhalten. 

Auch  mehrere  Fragesätze  können  zu  einem  einheitlichen  Satze  ver- 
einigt werden,  z.  B.  Cic.  Att.  1,  11,  3  quas  tu  incredibile  est  quam  brevi 
tempore  quanto  deteriores  offensurus  sis.  Diese  Konstruktion  ist,  wie  es 
scheint,  Eigentümlichkeit  ciceronischer  und  livianischer  Diktion,  findet  sich 
aber  auch  bei  Corn.  Nepos. 

61.  Attraktion.  Der  Sprache  des  gewöhnlichen  Lebens  gehört  die 
Art  des  Satzbaues  an,  in  welcher  das  Subjekt  aus  dem  Nebensatze  als  Ob- 
jekt in  den  Hauptsatz  genommen  wird.  Häufig  finden  wir  diese  Erschei- 
nung bei  Plaut,  und  Ter.,  selten  bei  Cicero  und  in  nicht  auffalligen  Bei- 
spielen, so  besonders  in  Fragen  (C.  F.  W.  Müller  zu  Cic.  oflF.  2,  7,  25), 
aber  nicht  in  Fällen  wie  Fam.  4,  1,  2,  wo  Cicero  nur  res  vides  quotnodo 
se  habeat  geschrieben  haben  kann;  anders  ist  es  bei  Cael.  ad  Fam.  8,  10 
7iosti  MnrccUiim  quam  sit  tardus.  Eine  Angleichung  an  die  vorhergehenden 
Akkusati ve  ist  bei  Caes.  b.  6.  1,  39  zu  statuieren.  Selten  ist  die  Kon- 
struktion auch  bei  Livius  (wohl  nur  in  Reden,  z.  B.  23,  10,  3),  ebenso 
im  silb.  Lat.,  z.  B.  Quint.  10,  1,  62. 

Manchmal  wird  das  zur  Konstruktion  des  Acc.  c.  luf.  gehörige  Par- 
tizip zum  Ilauptsubjekte  konstruiert,  z.  B.  Caes.  b.  6.  5,  39  hanc  adepti 
Victoria m  in  2^(*rpetuum  se  fore  victores  confnJehant;  dies  findet  sich  bei  den 
Historikern  Caes.  Sali.  u.  Liv.  und  im  Sp.  L.  noch  bei  Ammian. 

Eine  Angleichung  des  unpersönlichen  Hauptsatzes  an  den  Nebensatz 
gehört  besonders  der  familiären  Sprache  an,  findet  sich  auch  bei  Cicero, 
auffällig  bei  Vitruv,  vgl.  Cic.  Lael.  50  comtituendi  autem  sunt,  qui  sint  in 
amicitia  fincs,  Vitruv  28,  22  exspectanda  est,  dum  decreseat. 

62.  Die  Parenthesen  treffen  wir  bei  Caesar  ausseiet  selten,  häufiger 
schon  bei  Corn.  Nepos;  eine  Eigentümlichkeit  des  liv.  Stiles  ist  die  zahl- 
reiche Verwendung  derselben,  die  nur  noch  von  Curtius  überboten  wird. 
Im  Vergleich  zu  diesen  beiden  zeigt  sich  Tac.  äusserst  gemässigt  in  der 
Einfügung  von  Parenthesen;  sehr  häufig  beziehen  sie  sich  bei  ihm,  wie  auch 


8.  Saisban.  (§  51-53.)~4.  Reinheit imdEorrektheitderDar8tellimg.(§ 54-55.)    565 

vorher  teilweise  bei  Liv.  u.  Val.  Max.,   auf  das   folgende  (Nipp,   zu   Tac. 
ann.  12,  44). 

53.  Anakoluthe  entstehen,  wenn  eine  begonnene  Satzform  nicht 
fortgeführt,  sondern  mit  einer  andern  vertauscht  wird,  so  dass  sich  Anfang 
und  Ende  nicht  entsprechen.  Am  seltensten  finden  wir  dies  bei  Caes.  und 
Tac,  häufig  bei  Cic,  namentlich  in  längeren  Perioden,  ebenso  bei  Liv.,  am 
meisten  bei  minder  sorgfältigen  Stilisten  wie  Varro.  Ein  Beispiel  genüge: 
Celsus  3,  7,  1  xmrcius  in  his  agendum  est,  non  facile  sanguincm  mUtere: 
dies  mittere  setzt  ein  agcre  oportet  voraus;  vgl.  fürs  Qriech.  Plat.  Grit, 
p.  51  C. 

Anmerkung.  Aus  einer  ursprünglich  appositiven  Konstruktion  (vgl.  Syntax  §46) 
hat  sich  eine  Art  Anakoluth  gebildet,  welche  wir  besonders  im  8p.  L.  finden»  der  sog. 
Nominativus  absolutus;  vgl.  Piso  fragm.  27  p.  84  P  hi  cantempnentes  cum  (usurgere  ei 
nemo  voluit,  und  im  Sp.  L.  üb.  de  Constant.  '21  mane  autem  fcmto  coniuges  ipsi  evigüantes, 
coepit  sponso  dicere  stto.  Der  Nomin.  abs.  zog  dann  auch  einen  Akkus,  abs.  nach  bei 
Ennod.  Vict.  Vit.  Venant.  Fort  Lucif.  und  andern  Spätlat. 

Vgl.  Lehmann,  Allgem.  Mechanismus  des  Periodenbaus,  Danzig  1883;  Wesener,  De 
periodorum  1a\.  proprietatibus,  Fulda  1860;  Weissenborn.  Untersuchungen  über  den  Satz- 
und  Periodenbau  in  Vergils  Aeneide,  Mühlhausen  1879  Progr.;  Kriebel,  Der  Periodenbau 
bei  Cic.  und  Liv.,  Prenzlau  1873;  Devantier,  Über  das  lateinische  sogenannte  Relativum 
in  der  Verschränkung  oder  Konkurrenz.  Friedeberg  Nm.  1886  Progr.;  Back,  Über  den  lat. 
Satzton  und  sein  Verhältnis  zum  deutschen  Satzton,  Birkenfeld  1885  Progr.;  Clemens,  E. 
de  Catulli  periodis,  Göttingen  1886. 

4.  Reinheit  und  Angemessenheit  der  Sprache. 

54.  Reinheit  der  Sprache  wird  erreicht  durch  Vermeiden  aller 
fremden  Wörter  und  Wortformen,  sowie  durch  Ausschluss  aller  Archaismen 
und  unnötigen  Neologismen;  Angemessenheit  aber  durch  die  nicht  zu 
hoch  gehende,  aber  auch  nicht  zu  tief  greifende  und  dem  behandelten 
Gegenstand  entsprechende  Wahl  des  Ausdrucks  und  der  sprachlichen  Form 
überhaupt. 

55.  Gräzismen.  Bei  dem  grossen  Einflüsse,  welchen  die  griechische 
Sprache  und  Litteratur  auf  die  Ausbildung  der  latein.  Sprache  ausübte, 
mussten  notwendigerweise  auch  griechische  Wörter  herübergenommen  werden. 
Fast  selbstverständlich  hat  man  Gegenstände,  die  aus  Griechenland  impor- 
tiert waren,  mit  ihrem  einheimischen  Namen  auch  auf  italischem  Boden 
bezeichnet,  z.  B.  scyphus,  cymba,  epityrum;  die  Künste  und  Wissenschaften 
verpflanzten  sich  von  Griechenland  herüber,  die  ohnehin  schwerfällige  lat. 
Sprache  hatte  nicht  sofort  für  die  neue  Errungenschaft  ein  passendes  Wort 
bereit,  und  so  musste  man  bei  sonst  strenger  Abschliessung  gegenüber  dem 
Fremden  noch  froh  sein  um  den  griechischen  Ausdruck.  Für  Schilderung 
griechischer  Verhältnisse  reichte  oft  die  lat.  Bezeichnung  nicht  oder  deckte 
den  Begriff  kaum,  und  so  behielt  man  z.  B.  rf/ca,  ex  ephebis  excedere,  lyra 
u.  ä.  immer  bei,  wo  es  sich  um  Griechenland  und  seine  Einrichtungen  han- 
delte. Schliesslich  führte  der  höhere  Umgangston  manche  Wörter  ein,  die 
ähnlich  wie  bei  uns  viele  französischen  Ausdrücke  Bedürfnisse  der  höheren 
Gesellschaftsschichten  benennen.  So  konnten  sich  Römer  von  echtem  Schlage, 
die  mit  Verachtung  auf  alles  Fremdländische  blickten,  z.  B.  der  alte  Cato, 
der  eingebürgerten   griechischen  Wörter  nicht  ganz   enthalten,   und  wenn 


566  B.  Lateinische  Grammatik,    e)  Lateinische  StilistÜL 

er  auch  gegen  das  eingewanderte  awygddlum  sich  durch  nt^  graeca  zu 
verwahren  suchte,  so  blieb  ihm  doch  nichts  anders  übrig,  als  trapeiumf 
placenta  u.  ä.  Wörter  in  Wort  und  Schrift  zu  gebrauchen.  Doch  seit 
Ennius,  der  ja  der  griechischen  Sprache  einen  weitgehenden  Einfluss  zur 
Politur  und  Bereicherung  des  Lateinischen  einräumte,  war  man  gewohnt 
sein  römisches  Gewissen  durch  Latinisierung  der  Endung  und  soweit  mög- 
lich auch  der  übrigen  Form  zu  salvieren;  so  haben  Ennius,  Plaut.  Caecil. 
Pacuv.  u.  Ter.  fast  ausnahmslos  die  griechischen  Wörter  lateinisch  dekli- 
niert, ferner  wurde  amurca  aus  ccfio^y^j^  Alcumena  aus  Ukxitirjvij,  gumifM-sium 
aus  Y^*f^^'^^^^^'^  techina  aus  rc'xvrj  u.  ä.  Nur  Acc.  wagte  es  entgegen  der 
herrschenden  Übung  stäi*ker  zu  gräzisieren  und,  wie  Varro  sagt,  die  Wörter 
o  prisca  consuetudine  movere  et  ad  formas  Graecas  verborum  nuzgis  revocare; 
allein  er  fand  wenig  Anklang,  und  wenn  auch  Lucil.  Varro  u.  Catull  viele 
griechische  Formen  aufweisen,  so  war  es  doch  den  aug.  Dichtem  vor- 
behalten (z.  B.  Horaz  in  den  Oden,  nicht  in  den  Satir.  u.  Epist.,  Verg.  Ovid) 
dies  für  die  Dichtersprache  als  Regel  aufzustellen,  und  mit  Formen  wie 
h^roisin,  wofür  der  Prosaiker  heroidibus  sagte,  hervorzutreten. 

Im  übrigen  kann  man  sagen,  dass  die  römischen  Schriftsteller  sorg- 
fältig über  die  Reinhaltung  ihrer  Sprache  gewacht  haben.  Selbst  Plaut, 
u.  Ter.,  die  doch  griechische  Lustspiele  übersetzten,  hielten  sich  von  un- 
nötigen Fremdwörtern  fern,  besonders  gilt  dies  von  dem  elegant  dichtenden 
Ter.  In  der  Folge  mischte  zwar  Lucil.  gerne  Lateinisches  und  Griechisches 
durcheinander;  aber  er  fand  damit  wenig  Beifall,  und  noch  Horaz  glaubte 
es  rügen  zu  sollen;  auch  Varro  Hess  mancherlei  griechische  Phrasen 
in  seinen  Gedichten  mit  unterlaufen,  doch  offenbar  nur  solche,  die  all- 
gemein bekannt  waren.  Um  so  mehr  schloss  sich  Lucrez  von  allem 
Griechischen  ab,  ja  er  suchte,  soweit  dies  damals  möglich  war,  sogar  die 
philosophischen  termini  durch  lateinische  zu  ersetzen,  und  so  sind  grie- 
chische Wörter  bei  ihm  sehr  selten.  Besonders  ängstlich  war  Cicero  auf  die 
Reinheit  seines  Ausdrucks  bedacht;  wenn  er  auch  der  Gewohnheit  der  dama- 
ligen Konversationssprache  in  seinen  Briefen  ad  Att.  nachgab  und  vielleicht 
manchmal  seinem  Atticus  zuliebe  etwas  „Attisches*"  einfliessen  Hess,  so  hat 
er  in  seinen  übrigen  Schriften  und  ganz  besonders  in  den  Reden  seinen 
Grundsatz  (Tusc.  1,  15  scis  cnim  me  gracce  in  latino  sermone  non  plus 
solere  quam  in  graeco  laiine)  streng  eingehalten.  Ganz  ebenso  hat  es  Caesar 
gemacht,  auch  Sallust  und  Livius.  Bekannt  ist,  dass  Tiberius  sich  als  eif- 
rigen Puristen  erwies,  der  lieber  eine  Umschreibung  als  einen  fremden 
Ausdruck  wollte.  Aber  die  ganze  römische  Kultur  war  mit  so  viel  grie- 
chischen Elementen  durchdrungen  und  die  bessere  Gesellschaft  so  sehr  an 
die  griechische  Konversation  gewöhnt,  dass  solche  Bestrebungen  nicht  mehr 
aufkamen,  namentlich  seitdem  der  Nationalstolz  gebrochen  und  der  Sinn 
für  die  Reinheit  der  Sprache  beim  Volke  getrübt  war.  Seit  der  Zeit  des 
Quint.  dringt  die  von  den  aug.  Dichtern  gepflegte  griech.  Deklination  griech. 
Wörter  auch  in  Prosa  ein;  Celsus  u.  Plin.  mai.  gebrauchen  ohne  Not  griech. 
Wörter,  und  ihr  Beispiel  fand  nur  zu  bereitwillig  Nachahmung.  Eine  ehren- 
werte Ausnahme  in  dieser  Zeit  macht  Tac,  der  z.  B.  Hist.  5,  23  das  von 
Liv.  38,  38  gewagte  moneris  zurückweist  und  dafür  die  Umschreibung  guac 


4.  Beinheit  und  Korrektheit  der  Darstellung.  (§  55.)  567 

Sf'mplici  ordine  agebantur  gebraucht  und  sogar  eingebürgerte  Wörter  wie 
philosophus  und  philosophia  ängstlich  meidet.  Aber  nach  ihm  zeigen  sich 
immer  mehr  fremde  Eindringlinge,  die  lat.  Sprache  verliert  von  Stufe  zu 
Stufe  ihren  nationalen  Charakter  und  wird  zu  einer  Art  Universalsprache, 
in  welche  sich  die  heterogensten  Formen  und  Strukturen  mengen. 

Interessant  ist  es  hier  den  Einfluss  des  Christentums  zu  beob- 
achten. Die  christlichen  Schriftsteller  waren  aus  mehrfachen  Gründen  ge- 
zwungen, nach  griechischen  Wörtern  zu  greifen,  zunächst  weil  ein  lateini- 
sches entsprechendes  Wort  nicht  vorhanden  war  oder  bei  der  Bevorzugung 
der  griechischen  Sprache  im  liturgischen  und  homiletischen  Gebrauche  für 
paganisch  erachtet  wurde,  oder  weil  es  die  Sache  nicht  deckte  oder  zu 
wenig  umbildungsfahig  war  (zu  Adj.  Adv.  Verben).  Gleichwohl  regte  sich 
auch  hier  noch  einmal  die  altrömische  Energie,  um  die  Gräzismen  möglichst 
auszumerzen  oder  doch  wenigstens  umzuformen;  das  erstere  gelang  weniger, 
und  der  Kampf  ums  Dasein  einzelner  Wörter  fiel  sehr  ungleich  aus,  so 
zwischen  condlium  und  st/nodus,  excommunicarc  und  ancUhemizare^  dominicum 
und  ecclesia;  man  kann  sagen,  dass  die  älteste  Bibelübersetzung  puristischer 
verfuhr  als  die  spätere  Bearbeitung  und  die  eccl.,  welche  mehr  die  griech. 
Ausdrücke  bevorzugten.  Die  Umformung  der  letzteren  durch  Hinzufügen 
einer  lat.  Endung  fand  besonders  bei  häufig  gebrauchten  und  volkstüm- 
lichen Wörtern  statt;  war  einmal  die  Umformung  vollzogen,  so  begann  so- 
fort die  Ableitung,  und  so  entstand  auf  diese  Weise  ein  bedenklicher  Reich- 
tum der  christl.  Sprache,  z.  B.  hUtsphanare  zog  ein  blasphcmatio  und  hlas- 
phemator  nach  sich,  wie  baptizare  ein  bai)tizator^  baptizatio,  rebaptizator 
und  rebaptizatio  u.  ä.  Allein  wie  überhaupt  seit  dem  II.  saec.  wurden 
auch  hier  vielfach  die  griechischen  Endungen  beibehalten ;  an  dem  Verfall 
der  Kasusendungen  beim  Übergang  ins  Romanische  nahmen  selbstverständ- 
lich auch  die  griechischen  Formen  Anteil,  ja  sie  wurden  als  Fremdlinge 
vielfach  noch  häi*ter  behandelt. 

Schon  in  der  Syntax  habe  ich  vielfach  Konstruktionen  von  dem  Ver- 
dachte des  Gräzismus  befreit  und  als  echtlat.  nachgewiesen.  Gleichwohl 
ist  sicher,  dass  die  Dichter  aller  Zeiten,  am  meisten  aber  die  aug.,  dann 
Livius  und  andere  Prosaiker,  namentlich  wenn  sie  nach  griech.  Vorbildern 
arbeiteten  oder  wie  Ammian  aus  Griechenland  stammten,  unwillkürlich 
Konstruktionen  aus  der  fremden  Sprache  in  die  eigene  verpflanzten.  Selbst- 
verständlich fand  dies  nur  da  statt,  wo  die  lat.  Sprache,  ohne  dass  ihr 
Gewalt  geschah,  die  Konstruktion  aufnehmen  konnte,  besonders  also  wenn 
bereits  Analogien  vorhanden  waren.  Übrigens  sind  neuerdings  viele  der 
landläufigen  Gräzismen  als  Vulgarismen  nachgewiesen  worden. 

Von  untergeordneter  Bedeutung  ist  der  Einfluss  der  übrigen  Sprachen. 
Durch  die  nahe  Berührung  mit  den  in  Oberitalien  wohnenden  Galliern  und 
die  starke  Einwanderung  der  letzteren  seit  der  lex  Julia  verirrten  sich 
einzelne  keltische  Wörter  in  die  Diktion  mancher  Schriftsteller,  weniger 
der  urbanen  (vgl.  jedoch  Landgraf  zur  Rose.  S.  167),  als  der  aus  Gallien 
gebürtigen,  z.B.  des  Catull,  Nepos,  Liv.  In  späterer  Zeit  wird  die  semi- 
tische Einwirkung  mächtig,  besonders  im  Gebiete  des  sog.  afrikanischen 
Lateins;   sie  äussert  sich  ind^s  weniger  in  der  Wahl  der  Wörter,   als  in 


568  B.  Lateinische  Grammatik,    e)  Lateinisohe  Stilistik. 

der  syntaktischen  Fügung  und  einer  überreichen  Diktion,  daher  der  „tumor 
Africus". 

56.  Neologismen.  Bei  der  eigentümlichen  Entwicklungsgeschichte 
der  lat.  Sprache  war  eine  Beschränkung  der  Autoren  auf  den  vorgefundenen 
Sprachschatz  geradezu  unmöglich.  Freilich  Bildungen,  welche  dem  Charakter 
und  den  Formationsgesetzen  der  lat.  Sprache  nicht  entsprechend  waren, 
wurden  selten  gewagt,  und  wenn  sie  an  die  Öffentlichkeit  traten,  wurden 
sie  alsbald  verlacht  und  dem  Spotte  wie  dem  Untergange  zugleich  preis- 
gegeben, so  z.  B.  repandirostrus  bei  Pacuv.,  contemnifictis  bei  Acc,  femer 
incurvicervicus  u.  ä.  Solches  durfte  sich  nur  die  Komödie  gestatten,  der 
dann  eine  späte  geschmacklose  Zeit  in  ernster  Diktion  nachahmte.  Dagegen 
wusste  schon  Ennius  in  richtiger  Weise  der  noch  armen  und  spröden 
Sprache  aufzuhelfen,  ebenso  andere  alten  Dichter,  und  neben  diesen  arbei- 
teten auch  die  Grammatiker  mit  an  der  Bereicherung  der  Sprache.  Mit 
Lucrez  und  Cicero,  welche  zuerst  philos.  Gegenstände  zur  Darstellung 
brachten,  zeigte  sich  das  Bedürfnis  nach  philos.  Termini,  und  so  streng 
sich  sonst  Cic.  aller  Neubildungen  enthielt,  hier  konnte  er  derselben  nicht 
en traten.  Gleichwohl  verfuhr  er  äusserst  bedächtig  und  behutsam,  wie 
Lael.  49  zeigt,  wo  er  das  neue,  dem  griechischen  mTi^iXetv  nachgebildete 
redamare  durch  die  Worte  ut  ita  dicam  entschuldigt.  Ähnlich  erging  es 
dem  Verg.,  besonders  aber  dem  Ovid,  bei  welchem  die  Leichtigkeit  in 
Handhabung  der  Sprache  vielen  neuen  Wörtern  das  Leben  gab.  Die  Eaiser- 
zeit  brachte  mit  der  Schaffung  neuer  Begriffe  auch  neue  Wörter  (darunter 
manch  schlimme  Eroberung,  vgl.  Tac.  ann.  6,  1);  ebenso  musste  der  Fort- 
schritt in  der  Kunst  und  im  Handwerk  eigene  Bezeichnungen  zu  bekommen 
suchen.  Aber  wenn  auch  Fachschriftsteller  besonders  in  Zusammensetzung 
und  Ableitung  sich  manches  herausnahmen,  wie  sanguisuga,  dentidticnmj 
rupicapray  cucungia  u.  ä.  zeigen,  so  erkennt  man  doch  immer  und  wieder, 
wie  die  Sprache  sich  gegen  solche  Neubildungen  sträubte  und  lieber  wieder 
durch  Umschreibungen  mittels  des  vorhandenen  Sprachstoffs  sich  zu  helfen 
suchte.  Die  silberne  Latinität  legte  die  Scheu  der  klassischen  Sprache  ab 
und  that  viel  für  Bereicherung  des  Wortschatzes;  Adj.  auf  bllis  und  andere 
Ableitungen  wagt  man  jetzt  unbedenklich,  und  das  Sprachgefühl  weist  lange 
Formen  wie  miscrdbilissimum  u.  ä.  nicht  mehr  zurück.  Am  wichtigsten 
aber  wurde  der  Einfluss  des  Christentums.  Nicht  genug,  dass  ein  Bedeu- 
tungswandel umfassendster  Ausdehnung  eintritt,  so  dass  dieselben  Wörter 
bei  Seneca  und  christl.  Autoren  ganz  anderes  bezeichnen,  wird  die  Sprache 
durch  zahllose  Neubildungen  bereichert.  Selbstverständlich  hat  sich  hier 
die  Analogie  sehr  witksam  gezeigt,  und  ein  pacificator  bei  Cic.  fand  seine 
Nachbildung  in  salvificafor,  significator,  ein  magistratu^  in  ancillaUis,  cleri- 
cafus;  inaccessus  (vgl.  §  7)  genügte  nicht  mehr,  dafür  wurde  in<icccssibilis 
gesagt  u.  s.  w. 

57.  Archaismen.  Die  Diktion  eines  Schriftstellers  soll  der  Ent- 
wicklungsperiode der  Sprache,  welcher  er  angehört,  entsprechen;  damit 
ist  gesagt,  dass  er  nicht  willkürlich  in  den  Sprachschatz  früherer  Zeiten 
zurückgreifen  und  denselben  in  die  Diktion  seiner  Epoche  einmischen  darf. 
Gleichwohl  kann  entsprechend  dem  Gegenstand  doch   der  Rede  eine  alter- 


4.  Remheit  nnd  Korrektheit  der  Darstallnng.  (§  56—58.)  569 

tümliche  Färbung  gegeben  werden,  ohne  dass  die  Angemessenheit  darunter 
leidet;  allein  dazu  gehört  viel  Takt,  und  diesen  haben  manche  Autoren 
nicht  besessen. 

Schon  die  alte  Tragödie  bediente  sich  zur  Erhöhung  des  Pathos  ge- 
legentlich eingestreuter  Archaismen,  noch  mehr  fand  dies  im  Epos,  z.  B. 
den  Annalen  des  Ennius,  statt.  Der  streng  nationale  Lucrez  verwendete 
mit  voller  Absicht  Archaismen,  ebenso  fügte  Gatull,  jedoch  mit  sparsamer 
Hand,  altertümliche  Formen  und  Wörter  zur  Erzielung  archaischen  Kolorits 
ein.  Ihnen  schloss  sich  Vergil  an  und  zwar  dem  Stoffe  entsprechend  be- 
sonders in  der  Äneide.  Unter  den  Prosaikern  bediente  sich  Gic.  im  Cato 
mai.,  femer  in  de  rep.  und  de  legg,  absichtlich  der  Wendungen  und 
Ausdrücke  aus  früherer  Zeit;  ebenso  ahmt  Livius  in  der  Erzählung  alter 
Geschichten  mit  Geschick  die  Sprache  der  früheren  Periode  nach.  Weiter 
als  diese  ging  freilich  die  durch  Varro,  Sallust,  Pollio,  Plin.  mai.  u.  Tac. 
repräsentierte  Richtung  der  lat.  Prosa;  doch  auch  sie  wussten,  abgesehen 
vielleicht  von  Varro,  immerhin  noch  die  Angemessenheit  zu  wahren,  so 
dass  der  altertümelnde  Ton   bei  Sali,  vielfach  als  Vorzug  gepriesen  wird. 

Wirkliche  Übertreibung  Hess  sich  erst  bei  den  Nachahmern  des  Sali., 
z.  B.  L.  Arruntius,  konstatieren,  welche  masslos  in  der  Anwendung  von 
Archaismen  verfuhren  und  dadurch  geradezu  Ekel  und  Überdruss  erregten. 
Der  Kaiser  Augustus  freilich  war  den  archaisierenden  Bestrebungen  nicht 
günstig;  er  sprach  sehr  drastisch  von  dem  „Gestanke  verlegener  Wörter" 
(Suet.  Aug.  86  recanditorum  vtrborum  foctores).  Allein  hier  drang  die  Macht 
des  Herrschers  nicht  durch.  Die  Sehnsucht  nach  der  guten  alten  Zeit, 
wie  sie  namentlich  von  der  Opposition  in  der  ersten  Kaiserzeit  genährt 
wurde,  pflegte  systematisch  das  Hervorholen  altertümlicher  Wendungen, 
und  vielfach  suchte  man  sich  im  Zurückgehen  auf  die  alte  Zeit  förmlich 
zu  überbieten  (Sen.  ep.  114,  13:  Gracchus  Ulis  et  Crassus  et  Curio  nimis 
cuUi  et  recentes  sunt:  ad  Appium  usque  et  ad  Coruncanium  redeunt^  vgl. 
die  Einleitung  S.  388).  Jedoch  erst  mit  den  Frontonianern  bekamen  diese 
archaisierenden  Bestrebungen  in  der  Litteratur  die  Oberhand,  indes  nicht 
zum  Vorteile  der  Diktion;  denn  der  Stil  des  Apuleius  ist  beispielsweise  in 
hohem  Grade  manieriert  durch  ein  förmliches  Haschen  nach  altertümlichen 
Phrasen,  Wörtern  und  Konstruktionen.  Wenn  auch  hier  manches  Vulgäre 
aus  der  Umgangssprache  nach  längerem  Verschwinden  wieder  auftaucht, 
so  sind  doch  andere  Wendungen  lediglich  aus  den  Alten  reproduziert, 
z.  B.  oppido  beim  Adj.  u.  ä. 

58.  Angemessenheit  des  Ausdrucks.  Bei  aller  Meisterschaft, 
mit  welcher  Plaut,  die  Sprache  handhabt,  ist  ihm  doch  nicht  gelungen,  die 
Angemessenheit  durchweg  zu  wahren.  Während  er  offenbar  auf  eine  reiche 
Erfahrung  gestützt  die  Denkart  und  Sprechweise  der  untern  Schichten  der 
Gesellschaft  trefflich  wiedergiebt,  erreicht  er  es  nicht,  die  einer  höheren 
Bildungsstufe  angehörigen  Personen  dementsprechend  reden  zu  lassen.  Wir 
finden  daher  bei  allen  auftretenden  Persönlichkeiten  die  eine  derbdrastische 
Sprache  mit  ihren  unfeinen,  meist  dem  Sklavenjargon  entsprungenen  Witzen, 
die  oft  ins  Gemeine  umschlagen.  Bei  Terenz  dagegen  ist  der  Ausdruck 
mehr  dem  Charakter  entsprechend  nuanciert,   und  seine  Fabeln   sind   wie 


570  B.  Lateiniache  Grammatik,    e)  Laieiniache  StUisUk. 

Quint.  10  1,  99  sagt  in  hoc  gener c  elegantissimae.  So  weit  das  grosse 
Trümmerfeld  der  lat.  Tragödie  ein  Urteil  zulässt,  präsentierte  sich  die 
Sprache  der  röm.  Tragiker  in  voller  tragischer  Würde,  die  nur  selten  von 
plebeischen  Wörtern  entstellt  wurde;  besonders  gefeilt  im  Ausdruck  ist 
Accius,  doch  stört  hier  bereits  die  Grundrichtung  der  gesamten  röm.  Lit- 
teratur  und  zwar  der  pros.  wie  der  poet.,  nämlich  die  Neigung  zu  rhetor. 
Darstellung.  Die  Anfänge  des  Epos  bei  Naevius  scheinen  steif  und  leblos 
wie  die  Annalistik  gewesen  zu  sein;  Ennius  dagegen  sucht  überall  Be- 
rührung mit  Homer,  daher  ist  sein  Ausdruck  zumeist  angemessen  und 
verirrt  sich  nur  selten.  Ganz  das  gleiche  kann  man  von  Lucrez  sagen, 
der  sich  durchaus  an  Ennius  anschloss  und  so  für  seinen  erhabenen  Stoff 
auch  eine  entsprechende  würdige  Form  fand.  Im  ganzen  müssen  wir  jedoch 
bezüglich  der  mit  Lucrez  abschliessenden  Periode  sagen,  dass  die  Ange- 
messenheit litt  unter  der  noch  nicht  vollzogenen  Scheidung  von  Prosa  und 
Poesie ;  daher  die  vielen  Abstr.  auf  to,  tos  u.  tiido,  die  Adj.  auf  osus  u.  biUs, 
das  Vorwiegen  von  Kompos.  mit  ficus  u.  ä.  Dies  wurde  mit  Catull  besser; 
denn  er  überwand  zuerst  die  Schroffheit  des  altertümlichen  Ausdrucks  und 
schlug  neue  Bahnen  bessern  Geschmackes  ein,  ohne  sich  freilich  ganz  von 
der  Tradition  emanzipieren  zu  können.  Weniger  angenehm  aber  berührt 
aus  gleicher  Zeit  Varro  in  seinen  Dichtungen;  wenn  auch  der  Stoff  der 
Satiren  eine  ziemlich  niedere  Diktion  ertrug,  so  widert  doch  das  förmliche 
Haschen  nach  Ausdrücken  des  gemeinen  Lebens  wie  parvissimus,  saÜs- 
facitur,  in  humu  u.  ä.  den  Leser  an.  Wahre  Muster  der  Angemessenheit 
dagegen  sind  Horaz  und  Vergil.  Der  erstere  bandhabt  die  Sprache  mit 
vollendeter  Meisterschaft  und  weiss  daher  immer  die  richtige  Höhe  der 
Diktion  zu  finden;  der  lyrisch  erhabene  Schwung  der  Ode  verträgt  sich 
nicht  mit  den  tagtäglich  begegnenden  Ausdrücken;  während  Horaz  in  den 
Satiren  und  Epist.  unbedenklich  surrexe  statt  surexisse,  quis  statt  quihus, 
caballus  statt  equus,  haud  statt  non  sagt,  meidet  er  dies  alles  sichtlich  in 
den  Oden,  und  hier  muss  auch  das  alltägliche  Europam  dem  selteneren 
und  feierlicheren  Europen  weichen.  Auch  bei  Vergil  ist  eine  überall 
hervortretende  Abneigung  gegen  Worte  und  Wendungen  des  gewöhnlichen 
Lebens  zu  erkennen ;  die  Sprache  eines  Heldengedichtes  zur  Verherrlichung 
der  neugegi'ündeten  Dynastie  verlangte  Schwung  und  Würde,  und  diesem 
Postulat  kam  Vergil  durch  Anwendung  seltener  Ausdrücke  und  Konstruk- 
tionen, sowie  pomphafte  Färbung  der  Rede  entgegen.  Wenn  auch  wir 
darunter  manches  gewagt  und  befremdlich  finden,  so  haben  doch  die  Römer 
selbst  anders  darüber  geurteilt.  Der  jüngste  und  begabteste  Augusteer 
Ovid  zeigt  feinen  Sinn  für  die  Angemessenheit  der  Sprache;  in  den  epi- 
stulae  u.  ä.  weiss  er  den  Ton  der  urbanen  Umgangssprache  geschickt  zu 
treffen,  während  seine  Met.  u.  Fasti  je  nach  der  Bedeutung  des  zu  be- 
handelnden Stoffes  hohen  Schwung  erreichen. 

Die  Prosa  der  vorklassischen  Zeit  enthält  ausser  den  Schriften  Catos 
wenig  von  Belang.  Aber  gerade  dieser  Hauptvertret^r  des  Altlat.  wusste 
so  die  Sprache  dem  Stoffe  anzupassen,  dass  man  sogar  daran  denken  konnte, 
die  gleichmässige  Abstammung  so  verschiedenartig  geschriebener  Werke 
in  Zweifel  zu  ziehen.     Das  wahre  Muster  einer  angemessenen  prosaischen 


4.  Beinheit  nnd  Korrektheit  der  Danitellimg.  (§  58.)  571 

Diktion  ist  aber  in  den  beiden  Klassikern  Caesar  und  Cicero  gegeben. 
Der  letztere  charakterisiert  seinen  Standpunkt  in  den  vielzitierten  Worten 
ad  Fam.  9,  21:  quid  tibi  ego  videor  in  epistulis?  nonneplebeio  sermone  agere 
tecum?  .  .  .  ip.«a  iudicia  non  solemus  omnia  tractare  uno  modo;  privatas 
causas  et  ea5  tenuis  agimus  suhtiliuSy  capitis  axU  famae  scilicet  ornatius; 
epistu^as  vero  cottidianis  verbis  texere  solemus;  Caesar  aber  sagt  selbst,  im 
delectus  vcrborum  liege  origo  eloqucntiae,  und  Cicero  urteilt  über  Caesars 
Denkwürdigkeiten  (Brut.  261):  nudi  sunt,  recti  et  venusti  omni  ornatu  ora~ 
tionis  tamquam  veste  detracta.  Wer  also  nach  einer  angemessenen  lat. 
Diktion  strebt,  der  muss  auf  die  Nachahmung  Cic.  und  Caes.  verwiesen 
werden;  für  den  einfachen  historischen  Stil  sind  Caes.  commentarii,  für 
Reden,  Abhandlungen,  Briefe  aber  Cic.  Schriften  massgebend,  weil  in  ihnen 
die  schönste  Harmonie  zwischen  Inhalt  und  Form  herrscht.  Anders  wird 
dies  mit  Livius. 

Denn  hier  beginnt  bereits  das  Bestreben,  welches  in  der  sog.  silbernen 
Latinität  die  Angemessenheit  ausserordentlich  stört,  ja  schliesslich  ganz 
aufhebt.  Freilich  muss  man  die  Auffassung  der  Geschichte  bei  den  Kömern, 
wonach  die  historia  quasi  solutum  Carmen  ist,  berücksichtigen,  ebenso  die 
oben  besprochene  Neigung  zu  rhetorischer  Gestaltung  in  Prosa  und  Poesie, 
welche  in  der  beginnenden  Kaiserzeit  eine  bedenkliche  Höhe  erreicht, 
schliesslich  den  Einfluss,  den  poetische  Quellen  auf  den  Geschichtschreiber 
ausüben:  immerhin  wird  man  bei  allem  Zauber  der  Darstellung  des  Liv. 
doch  sagen  müssen,  dass  er  die  Angemessenheit  nicht  durchweg  zu  wahren 
gewusst  und  dass  eine  rhetorisch-übertreibende  oder  dichterisch-färbende 
Diktion  öfters  uns  an  den  sinkenden  Geschmack  mahnt.  Doch  nach  Liv. 
wird  es  viel  schlimmer.  Es  schwindet  jedes  Gefühl  für  Angemessenheit 
des  Ausdrucks,  derselbe  wird  gekünstelt,  gewunden  und  spitzfindig,  es 
zeigt  sich  ein  förmliches  Haschen  nach  hochtönenden  Phrasen,  die  Figuren 
und  Bilder  werden  zu  kühn,  und  die  Gemeinplätze  überwiegen.  Das  Wort 
des  alten  Cato  rem  tene,  verba  sequeniur  galt  nicht  mehr,  das  Streben  nach 
einer  pikanten  Diktion  überwand  jede  sonstige  Rücksicht,  und  damit  schwand 
such  der  Unterschied  zwischen  den  Stilgattungen.  Dies  sehen  wir  bei  Vel- 
leius  in  den  scharf  pointierten  Charakteristiken,  bei  Seneca  und  Plin. 
min.  namentlich  in  den  Briefen,  welche  entgegen  der  einfach  natürlichen 
Darstellung  in  Cic.  epp.  ein  bewegtes  pathetisches  Element  einführen,  das 
eigentlich  nur  der  oratorischen  Diktion  angehört;  dabei  darf  man  freilich 
nicht  übersehen,  dass  Seneca  nur  die  epistolare  Form  für  seine  Abhand- 
lungen gewählt  hat.  Eine  erfreuliche  Reaktion  wurde  von  Quintilian 
begründet,  er  sucht  sich,  soweit  dies  überhaupt  bei  dem  Menschen,  der  ja 
immer  ein  Kind  seiner  Zeit  ist,  möglich  werden  kann,  von  dem  schlechten 
Geschmack  der  Autoren  des  silbernen  Latein  loszureissen ;  sein  Lehrbuch 
der  Rhetorik  wahrt  auch  in  der  That  die  Angemessenheit  des  Ausdrucks 
und  erhebt  sich  selten  über  die  Höhe  eines  lebhaften  und  anregenden  Lehr- 
vortrags. Auch  die  Folgezeit  weist  einen  oder  den  andern  Autor  auf,  den 
das  Studium  der  massvoll  schreibenden  Alten  und  eigener  guter  Geschmack 
vor  den  auffallendsten  Verirrungen  bewahrte.  Hieher  rechneten  die  Römer 
selbst  den  Sueton,  den   z.  B.   Vopiscus  „emeyidatissimus  et  candidissimtis 


572  B.  Lateinische  Grammatik,    e)  Laieinisohe  Stilistik« 

scriptor"  nennt;  und  wirklich  sind  seine  Bilder  nicht  zu  kühn  und  der 
Ausdruck  überhaupt  nicht  ^o  erkünstelt  wie  bei  Gurtius,  Florus  u.  a.  6e- 
schichtschreibem,  die  als  echte  Kinder  ihrer  Zeit  so  schwülstig  und  über- 
trieben als  möglich  schrieben. 

Vgl.  Bebbmann,  Griech.  Wörter  im  Lat,  Leipzig  1874;  Tuchhandler,  De  vocab. 
graec.  in  linguam  latinam  translatis»  Berlin  1876;  dann  die  Arbeiten  von  Saalfbld,  besonders 
dessen  tensaurus  italograecus,  Wien  1884. 

5.  Reichtum  und  Mannigfaltigkeit  der  Darstellung. 

59.  Wenn  der  Schriftsteller  einen  ausgiebigen  Gebrauch  von  den 
sprachlichen  Mitteln  macht  und  sich  nicht  auf  das  absolut  Notwendige  in 
der  Darstellung  beschränkt,  so  entsteht  dadurch  eine  reiche  Diktion.  Vor 
allem  ist  es  Eigentümlichkeit  der  Sprache  des  Volkes,  dann  der  Dichter 
und  Redner,  nicht  in  Anwendung  der  Darstellungsmittel  zu  kargen;  wir 
werden  somit  in  allen  der  Umgangssprache  nahe  stehenden  Schriftwerken, 
den  Dichtungen,  den  Reden  und  in  der  poetisierenden  nachklassischen 
Prosa  Reichtum  der  Darstellung  finden.  Manchmal  versteigt  sich  dieser 
zur  Verschwendung,  was  in  Komödien  begreiflich  ist,  unangenehm  aber  in 
der  Prosa  wirkt;  daher  kommt  uns  gar  manches  in  der  silb.  Lat.,  noch 
mehr  bei  Apuleius  und  überhaupt  im  Spätlat.  manieriert  oder  abgeschmackt 
vor.  So  sagt  beispielsweise  Treb.  Pollio  trig.  tyr.  16  paternae  indulgenfiae 
affectione  permotus  für  einfaches  paterno  amore  motus.  Mit  dem  Reichtum 
der  Sprache  hängt  enge  die  Mannigfaltigkeit  zusammen,  welche  indes  gleich- 
falls zur  Manier  werden  kann  und  uns  dann  ebenso  anwidert,  wie  ein 
zwar  kostbares,  aber  in  regelloser  unschöner  Weise  überladenes  Gewand; 
Beispiele  bieten  auch  hier  besonders  die  silb.,  arch.  u.  spät.  Latinität. 

60.  Unter  Hendiadyoin  verstehen  wir  die  kopulative  Verbindung 
zweier  Wörter,  welche  dieselbe  Sache,  aber  nur  von  einer  andern  Seite 
betrachtet,  bezeichnen.  Die  Figur  erklärt  sich  daraus,  dass  dem  Sprechenden 
der  zweite  Ausdruck  als  zu  wichtig  erschien,  um  ihn  zur  nähern  Bestim- 
mung des  erstem  zu  machen,  und  er  ihn  somit  demselben  als  gleich- 
berechtigt koordinierte,  z.  B.  Verg.  G.  2  192  patcris  libamus  ei  auro.  Das- 
selbe Verhältnis  kann  auch  in  ganzen  Sätzen  herrschen,  freilich  selten  bei 
klass.  Schriftstellern,  häufiger  bei  vulgärschreibenden  und  spätlat.  Autoren, 
z.  B.  Vopisc.  Sat.  11,  1  errare  quosdam  et  putare,  was  klass.  nur  cum 
putent  lauten  könnte. 

Anmerkung.  Diejenigen,  welche  das  Hendiadyoin  weiter  fassen,  rechnen  unter 
dasselbe  alle  kopulativen  Verbindungen,  wo  zwei  Wörter  in  irgend  einem  andern  Verhält- 
nisse als  dem  zweier  von  sich  unabhängigen  Hegriffe  zu  einander  stehen,  z.  B.  festinatio 
breinta^que  litterarum,  wo  die  festinatio  der  Grund  der  breritas  ist.  Im  Altlatein  hat  sich 
das  Hendiadyoin  in  bescheidenen  Grenzen  bewegt,  auch  noch  bei  Cic.  in  den  Erstlings- 
schriften, während  Cic.  in  den  vollendeten  Reden  dasselbe  sehr  kultiviert  (Wölfflik, 
Archiv  IV  p.  143). 

61.  Synonyme  Subst.  Adj.  Verb,  und  Adj.  erscheinen  verbunden, 
um  einen  Begriff  so  voll  als  möglich  zum  Ausdruck  zu  bringen,  z.  B. 
animum  mentcmque^  cupidi  avidique,  relinquere  atque  descrcre  u.  ä.  Diese 
zunächst  rhetorische  Ausdrucksweise  ist  in  der  röm.  Litteratur  weit  ver- 
breitet, auch  in  der  klass.,  erreicht  aber  ihren  Höhepunkt  in  der  vulgären 


6.  Reichtum  und  Kaimigfaltigkeit  der  DarsteUimg.  (§  59-63.)  573 

Diktion,  so  namentlich  bei  Apuleius  und  dann  im  Sp.  L.  überhaupt;  z.  B. 
Dracontius  5,  218  exsul  et  extorris,  5,  58  inimlcus  et  hostis. 

Anmerkung.  Hieher  gehört  eine  Art  des  formelhaften  zweigliedrigen  Asyn- 
deton. Dasselbe  treffen  wir  vorzugsweise  bei  den  komischen  Dichtem,  ganz  selten  in  der 
klassischen  Zeit,  nicht  viel  häufiger  im  silb.  Lat.,  dagegen  oft  bei  den  Archaisten,  wo 
Fronto  in  ceteria  aliis  rebus,  omnes  universos,  inter  duos  amhos  u.  ä.  wieder  auf- 
genommen hat  und  damit  bei  Gell,  und  Apul.  bereitwillig  Nachahmung  findet.  Vgl.  auch 
$205  der  Syntax  bezüglich  quoque  etiam,  üaque  ergOj  post  deinde  u.  ä. 

62.  Gemination  nennt  man  die  unmittelbare  Wiederholung  eben- 
desselben Wortes,  z.  B.  niagis  magiSy  iam  iam,  auch  durch  einfache  Kopula 
verknüpft,  z.  B.  minus  mintisque,  etiam  atqvs  etiam.  Dieselbe  erstreckt  sich 
auf  Nomin.  Verb.  u.  Partik.;  sie  findet  sich  besonders  in  der  gehobenen 
Poesie,  in  sorgfältig  ausgearbeiteten  Reden,  bei  den  Historikern  weniger 
in  der  Erzählung,  als  in  den  orat.  Partien;  aber  auch  die  Konversations- 
sprache bedient  sich  dieses  Mittels,  so  oft  sie  Pathos  und  Affekt  in  die 
Rede  legen  will. 

Anmerkung.  Bei  manchen  Geminationen  hat  die  Sprache  in  ihrer  Entwicklung 
einen  Unterschied  zwischen  asyndetischer  und  kopulativer  Fügung  und  in  letzterem  Falle 
im  Gebrauche  der  Konjunktionen  selbst  hervortreten  lassen;  z.  B.  ist  in  magia  magisque 
die  Kopula  spfttere  Zuthat,  ebenso  überwiegt  iam  iam  in  archaischer  Latinität,  ali%M  aliusque 
gehört  dem  silb.  Lat.  an,  während  die  klass.  und  vorklass.  Sprache  alius  atque  alius  vor- 
zieht u.  ä. 

63.  Besonders  im  Gebrauche  der  Pronomina  zeigt  sich  vielfach  eine 
förmliche  Verschwendung.     Hieher  gehört: 

1.  die  Setzung  des  Pron.  poss.,  besonders  des  Refl.  suus,  namentlich 
bei  Nepos,  Vitruv,  Vell.  u.  Spätlat.,  wo  die  klass.  Sprache  die  Beziehung 
als  selbstverständlich  nicht  zum  Ausdruck  bringt; 

2.  die  Verstärkung  des  Poss.  durch  den  Dat.  des  Pron.  pers.,  z.  B. 
mens  mihi,  tuus  tibi;  Plaut.  Cap.  50  suo  sibi  servit  patri.  Wir  finden  dies 
bei  Plaut.  Ter.,  kaum  wohl  bei  Cicero  (vgl.  Seyffert-Müller  z.  Lael.  11), 
höchstens  Phil.  2,  96  priusqtiam  tu  suum  sibi  venderes,  in  Prosa  demnach 
zuerst  bei  Vitruv  207,  18  R,  dann  bei  Petron  66  und  Colum.  12,  41,  3, 
dann  erst  wieder  bei  den  Archaisten  und  im  Sp.  L.  bis  in  die  späteste 
Zeit  herab,  vgl.  Rönsch,  Semas.  Beitr.  II  p.  52; 

3.  die  Hinzufügung  von  quisqiiam  zu  nemc^  ullus,  quis,  von  quidquam 
zu  nihiL  Bei  Cicero  begegnen  wir  dergleichen  nicht,  wohl  aber  bei  den 
Kom.,  Cato,  Liv.  u.  den  Archaisten.  Zu  unterscheiden  davon  ist  die  Ver- 
bindung von  tinus  mit  quisquam,  quivis^  quilibet^  nemo,  nullus,  quidam^  ali- 
quis,  welche  auch  der  klass.  Sprache  angehört  (ausser  quisquam  unus)  und 
worin  unus  fast  immer  seine  gegensätzliche  Bedeutung  bewahrt,  z.  B. 
Liv,  3,  45  cum  multi  magis  fremerent  quam  quisquam  unus  recusare 
auderet; 

4.  die  Wiederholung  des  Subj.  beim  Infin.,  z.  B.  Plaut.  Stich.  5,  4,  36 
haud  tuum  est  istuc  vercri  te.  Die  Komiker,  die  Briefe  an  Cic,  ja  Cic. 
selbst  in  den  epp.  ad  Att.  weisen  hiefür  Beispiele  auf; 

5.  die  Häufung  der  Pronom.,  besonders  des  Pron.  is.  Während  die 
klass.  Sprache  in  der  Verwendung  von  is  sich  sehr  massvoll  zeigte  und 
höchstens  im  Briefstile  dasselbe  in  abundant  scheinender  Weise  zur  Wieder- 
aufnahme eines  ebengenannten  Subj.  zuliess,  übertreiben  vulgäre  u.  spätlat. 
Skribenten  den  Gebrauch  desselben  sehr;  z.  B.  b.  Hisp.  1,  4  cum  aliquis  ex 


574  fi*  Lateinisfvhe  Grammatik,    e)  Lateiniaohe  StOiatlk. 

ea  cimtate  optime  meriius  civis  esset,  aliqua  ei  inferehatur  causa,  ut  eo  de 
medio  suhlato  ex  eins  pecunia  lutronum  largitio  fieret 

64.  Fülle  des  Ausdrucks  entsteht  durch  Wiederholung  des  Verbs  im 
Partizip;  dies  finden  wir  noch  nicht  bei  Plaut.,  wohl  aber  bei  Ter.  Andr. 
298,  bei  Cato  fr.  19,  2  Jord.,  bei  Sisenna  fr.  27  Romanos  impetu  suo  pro- 
telant,  protelatos  2^(^rseeuntur,  bei  Lucrez,  bei  Caes.  z.  B.  b.  civ.  1,  28  fiaves 
cum  militibas  reprehendwit,  reprehensas  excipiunf;  bei  Cicero  wird  in  der 
Regel  ein  sinnverwandtes  Partizip  gesetzt,  z.  B.  p.  S.  Rose.  32  patrem  iu- 
gulastis,  occisum  in  proscriptorum  numerum  rettulistis;  Liv.  u.  die  folg. 
Historiker  schliessen  sich  an  Caes.  an,  so  sagt  noch  Orosius  H  p.  97,  11  Z 
Croesum  cepit  captumqiie  vita  donavit.  Bei  den  epischen  Dichtem  steht  das 
Partiz.  wohl  regelmässig  zu  Anfang  des  II.  Hemistichiums  z.  B.  Ov.  Met.  13, 
189  nunc  equidem  fateor  fassoque  ignoscat  Atrides, 

66.  Adverbiale  Ausdrücke  treten  oft  zu  einem  Verb.,  dessen  Be- 
deutung oder  Zusammensetzung  den  Zusatz  überflüssig  ei*scheinen  lässt, 
z.  B.  necessario  cogere,  ante  2>raedictum  est,  rursus  revertamur,  nmgis  mirari 
prne,  crebro  ventifare  u.  ä.  Wenn  auch  die  mit  rursus  gebildeten  Phrasen, 
z.  B.  rursus  rcddere  manchmal  etwas  Gegensätzliches  bezeichnen,  und  in 
crebro  ventitare,  saepe  visitare  u.  ä.  (Lorenz  zu  Plaut.  Pseud.  S.  58  Anm.  48) 
vielleicht  die  Iterativbedeutung  des  Verbs  verblasst  war,  so  müssen  die 
genannten  Wendungen  doch  im  ganzen  als  abundante  Ausdrücke  bezeichnet 
werden,  die  vorzugsweise  der  Volkssprache  angehören. 

66.  Auch  im  Gebrauch  der  Konjunktionen  zeigt  sich  oft  eine  Abun- 
danz  des  Ausdrucks,  z.  B.  bei  tametsi  —  tarnen,  propterea  quia,  interea 
dum,  prlus  quam  —  prius  (Plaut.  Poen.  321),  ideo  quod,  nihilo  minus  — 
tarnen,  nisi  st,  quasi  si  u.  ä.  Bei  Cicero  findet  sich  dergleichen  höchstens 
in  Erstlingsschr.  u.  epp.,  namentlich  ad  Att.,  z.  B.  9,  15,  5  ^)rae/erQrtmf« 
quod  te  moveri  arbitror  ojwrtcre  iniuria,  j>^(^^^^^^^  ^^  ipsum  hie  tiolavit. 

67.  Fülle  des  Ausdrucks  zur  Abrundung  der  Rede  liegt  vor: 

1 .  wo  V V.  des  Sagens  und  Meinens  namentlich  in  indirekten  Frage- 
sätzen fast  pleonastiseh  angefügt  werden,  z.  B.  Cic.  Rose.  Am.  153  videte 
quem  in  locum  rcmpuhlicam  perventuram  putctis!  Dieser  besonders  den 
Rednern  eigentümliche  Ausbau  der  Sätze  findet  sich  schon  bei  C.  Gracchus, 
am  häufigsten  aber  bei  Cic.  und  zwar  auch  ausserhalb  der  Reden; 

2.  wenn  zu  einem  speziellen  Begriff  eine  näher  erklärende  Ausführung 
hinzugefügt  wird,  gleichsam  als  ob  ein  allgemeines  erst  näher  zu  charakte- 
risierendes Wort  vorausgegangen  wäre,  z.  B.  permitto  ut  liceat  bei 
Cic.  Caes.  Nep.,  noii  velle  bei  Cic.  Nep.,  genus  eiusmodi  bei  Cic.  Varro 
Sali.  Nep.  b.  Afr.  u.  sonst;  optio  eligendi  bei  Cic,  aditus  convcniendi  bei 
Nep.  u.  ä. 

68.  Reich  wird  der  Ausdruck  auch  durch  die  Verwendung  der  Di- 
minutiva.  Dieselben  dienen  zur  Darlegung  der  Teilnahme,  Zärtlichkeit, 
besonders  aber  des  Schmerzes,  Spottes  und  der  Verachtung.  Sie  sind  sehr 
zahlreich  in  der  Sprache  des  Volkes  und  haben  sich  in  derselben  zu  allen 
Zeiten  und  so  auch  ins  Romanische  herein  erhalten.  Schon  Plaut,  braucht 
Diminutiva  in  ausgiebiger  Weise,  Cicero  namentlich  in  epp.,  dann  Catull. 
Am  auffälligsten  werden  sie  in  der  archaistischen  Zeit  und  hier  von  Apul. 


6.  Reiohtnm  nnd  Mannigfaltigkeit  der  Daratellong.  (§  64—70.)  575 

verwendet;  derselbe  treibt  förmlich  Missbrauch  mit  den  Dim.  und  giebt  so 
seiner  Diktion  oft  geradezu  einen  läppischen  Charakter. 

Spielerei  mit  Dim.  treiben  heisst  es,  wenn  zum  Subst.  dim.  noch  ein 
solches  Adj.  tritt.  Doch  hat  dies  schon  Plaut.,  dann  wieder  die  silberne 
Latinität,  z.  B.  Yal.  Max.  8,  8,  1  filioli  parvu/i,  Apul.  und  namentlich  der 
hyperarchaistische  Kaiser  Hadrian  gepflegt;  man  vergleiche  seine  Verse 
bei  Peter  scr.  bist.  Aug.  I  p.  27  {animula  vagulu  blandula  u.  s.  w.). 

69.  Metaphern  dienen  richtig  angewendet  ganz  besonders  zur  reichen 
Ausschmückung  der  Rede.  Die  alte  und  die  klass.  Sprache  weiss  hier 
Mass  zu  halten;  so  werden  z.  B.  die  Ausdrücke  des  Entbrennens  wie  exar- 
descere,  accendi  u.  ä.  bei  Cic.  nur  von  der  Gewalt  eines  hervorbrechenden 
Affekts  gebraucht,  z.  B.  exardescit  sive  amor  sive  amicitia.  Im  Verlaufe 
der  Zeit  aber,  besonders  im  silb.  Latein,  entwickelte  sich  eine  masslose 
Vorliebe  für  metaphorische  Ausdrücke  und  zwar  zum  Nachteile  der  Rede, 
wie  z.  B.  Suet.  Ti.  34  CoHnthiorum  vasomm  pretia  in  immensum  exarsisse 
schreibt. 

70.  Reichtum  der  Diktion  wird  auch  erreicht  durch  die  figura  ety- 
mologica  und  hinsichtlich  des  Klanges  durch  die  damit  verwandte  All it- 
teration  und  den  Reim. 

1.  Unter  der  figura  etymologica  (vgl.  Syntax  §  55)  versteht  man 
die  Verknüpfung  zweier  Wörter  desselben  Stammes,  wodurch  indes  nur 
ein  Begriff,  dieser  aber  in  gesteigerter  und  ausdrucksvoller  Weise,  bezeichnet 
wird.     Wir  unterscheiden  folgende  Arten  der  fig.  etymologica: 

1.  Verbindung  von  Nomen  und  Verb,  und  zwar  in  nachstehenden 
Erscheinungsformen  vitam  vivere,  odio  odisse,  potestas  potest; 

2.  Verbindung  je  zweier  Nomina  oder  Verba,  z.  B.  rex  regum,  ptüchra 
ptilchritudo,  propero  properare; 

3.  die  etymologische  Figur  in  der  Komparation,  z.  B.  stalte  stultus, 
pessimorum  pessimus  u.  ä. 

Eine  Erweiterung  erfuhr  die  fig.  etymologica  dadurch,  dass  an  Stelle 
des  einen  Wortes  vom  gleichen  Stamme  vielmehr  ein  Synonym  trat,  z.  B. 
actatem  vivere  statt  vitam  vivere;  pseudoetymologisch  heisst  aber  die 
Figur  in  allen  Fällen  wie  verhis  verberare,  detUes  dentiunt,  wo  lediglich 
Gleichklang  herrscht;  hierin  war  besonders  die  witzige  Sprache  des  Plaut, 
sehr  fruchtbar. 

Überhaupt  bildete  Plaut,  mit  grösster  Kunstfertigkeit  die  fig.  etymol. 
in  mannigfacher  Weise  aus;  manche  der  von  ihm  eingeführten  Formeln 
erhielten  sich,  andere  aber  verschwanden  mit  ihrem  Urheber.  Bei  Ter.  ist 
von  der  Kühnheit  des  Plaut,  in  Gestaltung  etymol.  Figuren  nichts  mehr  zu 
bemerken;  er  hält  sich  bereits  an  die  Grenzen,  welche  nachher  die  klas- 
sische Prosa  sich  zog  und  streng  beobachtete;  Lucil.,  Lucrez  und  nament- 
lich Catull  dagegen  gingen  wieder  viel  weiter  als  Ter.  Bei  Cic.  ist  eine 
ziemlich  gleichmässige  Verbreitung  der  fig.  freilich  nur  der  allgemein  üb- 
lichen und  vollständig  eingelebten  in  allen  Schriften  zu  bemerken,  Caesar 
jedoch,  Corn.  Nepos,  Vell.  Pat.  u.  Tac.  verwenden  sie  sehr  selten,  während 
Sali.  u.  Liv.  ihr  grösseren  Spielraum  gönnen.  Wie  in  Allitteration  und  Reim, 
so  hat  auch  in  Bevorzugung  der  fig.  etymol.  die  archaistische  Periode  und 


576  B.  LateiniBohe  Orammaiik.    e)  Lateinische  Stilietik. 

ganz  besonders  Apul.  Grossartiges  geleistet;  fast  ebenbürtig  stehen  ihm 
auch  hier  wieder  Tertullian  und  Augustinus  zur  Seite,  die  neben  Wieder- 
aufnahme üblicher  Figuren  gar  noch  neue  schufen,  z.  B.  paenitentiam 
paniitere. 

Wenn  auch  die  fig.  etymol.  eine  echtlateinische  Spracherscheinung  ist, 
so  lässt  sich  doch  nicht  leugnen,  dass  die  Nachahmung  griechischer  Dichter 
und  bei  den  christlichen  Autoren  das  griechische  oder  hebräische  Vorbild 
grossen  Einfluss  ausgeübt  hat.  Der  echtlateinische  Charakter  der  fig.  etymol. 
geht  daraus  hervor,  dass  sie  sich  in  uralten  Formeln  schon  findet  und 
dass  sie  in  der  rituellen,  der  gerichtlichen  und  publizistischen  Sprache  und 
hauptsächlich  im  Sprichwort  sowie  in  Lebensregeln,  also  in  der  natur- 
wüchsigen Sprache  des  Volkes,  ihre  Heimat  hat  und  dass  ausser  den  an- 
gestammten und  sorgfältig  weiter  überlieferten  Formeln  sich  im  Laufe  der 
Zeit  (abgesehen  von  besonders  kühnen  und  neuerungssüchtigen  Autoren 
wie  Plautus,  Apuleius  und  Tertullian)  keine  neuen  gebildet  oder  doch  kaum 
erhalten  haben. 

2.  Die  Allitteration  gehört  ebensogut  der  Prosa  als  der  Poesie  an; 
ja,  wir  müssen  sogar  annehmen,  dass  der  Ursprung  der  Allitteration  nicht 
in  der  Poesie  zu  suchen  sei,  und  zwar  weil  eine  der  ältesten  poetischen 
Urkunden,  das  Carmen  Arvale,  keine  bemerkenswerte  Allitteration  zeigt 
und  weil  allitterierende  prosaische  Formeln  über  die  ersten  Dichter  Roms 
hinaufreichen.  Am  meisten  bemerklich  macht  sich  die  Allitteration  im 
archaischen  Latein,  wo  sie  bei  Plautus,  welcher  der  Volkssprache  überhaupt 
und  namentlich  auch  dem  Sprichwort,  zweien  Fundgruben  der  Alliteration, 
breiten  Kaum  gewährt,  noch  bedeutend  wirksamer  ist  als  bei  Terenz. 
Gegen  das  Ende  der  Republik  wird  sie  weniger  beliebt,  und  dies  vererbt  sich 
auch  in  die  erste  Kaiserzeit;  hier  machen  Quintilian  und  Tacitus,  der  letztere 
wenigstens  in  den  erzählenden  Partien,  fast  gar  keinen  Gebrauch  von  ihr. 
Erst  mit  Fronte  brachte  das  Zurückgehen  auf  die  Alten  auch  die  Allit- 
teration wieder  zur  Geltung;  neben  Fronto  war  besonders  Apuleius  und 
von  den  christlichen  Schriftstellern  Tertullian  reich  an  allitterierenden  Ver- 
bindungen; ja  der  letztere  scheint  noch  neue  bisher  nicht  gebrauchte,  z.B. 
pastus  et  pofiis  und  de  eacio  in  caenum,  eingeführt  zu  haben.  In  späterer 
Zeit  tritt  die  Allitteration  immer  mehr  zurück,  ihre  Wirksamkeit  hörte 
zusehends  auf,  manche  Schriftsteller  verhalten  sich  ganz  ablehnend  ihr 
gegenüber,  z.  B.  Venantius  Fortunatus,  allein  sie  lebte  in  der  Volkssprache 
fort  und  drängte  sich  daher  in  besonders  beliebten  Verbindungen  immer 
wieder  vor.     In  die  romanischen  Sprachen  ist  weniges  übergegangen. 

Die  vokalische  Allitteration,  gewöhnlich  Assonanz  genannt,  konnte 
nicht  die  Bedeutung  erlangen,  wie  die  konsonantische;  während  regelmässig 
nur  a  und  a,  e  und  e  etc.  assonieren,  hat  infolge  vulgärer  Aussprache 
auch  anrum  und  oniafns  sich  entsprochen;  ja  es  scheint,  dass  der  sermo 
urbanus  sich  dem  letzteren  nicht  ganz  entziehen  konnte,  da  z.  B.  auch 
Vergil  und  andere  aug.  Dichter,  in  Nachahmung  auch  spätere,  Wörter  wie 
auium  und  osfrum  assonieren  lassen. 

Die  Alliteration  wie  auch  die  Assonanz  sind  von  besonderer  Wirk- 
samkeit bei  syntaktisch  koordinierten  Gliedern;   hier  können  Nomina,   ge- 


6.  Reichtum  und  Xannigfaltigkeit  der  Daratellimg.  (§  70.)  577 

wohnlich  Subst.,  auch  Adj.  oder  Adv.,  seltener  Verba  oder  noch  weniger 
Partikeln  allitterierend  beigeordnet  sein.  Dieselben  sind  in  ihrer  Bedeutung 
entweder  synonym,  oder  sie  ergänzen  einander  zu  einer  höheren  Einheit 
oder  sind  sich  ausschliessende  Gegensätze.  Die  ursprüngliche  Form  der 
Zusammenstellung  war  die  asyndetische,  welche  sich  in  Formeln  noch  bis 
in  spätere  Zeiten  erhalten  hat,  z.  B.  loca  lautia,  purns  piUus  u.  ä.  Zu- 
nächst trat  dann  die  Verbindung  mit  atque  ein,  an  welcher  auch  Cicero 
in  feierlicher  Rede  festhält  und  die  bei  archaisierenden  Schriftstellern 
wiederkehrt;  die  jüngere  Prosa  begnügt  sich  mit  et  oder  que.  Be- 
sonders häufig  sind  die  disjunktiven  Formeln  mit  nee  —  nee  z.  B.  nee  eor 
nee  eaptä. 

3.  Der  Reim.  Zu  einem  korrekten  Reim  genügt  nicht  die  Gleichheit 
einer  oder  zweier  kurzen  unbetonten  Schlusssilben,  etwa  ealcaribtis  montibtis, 
sondern  man  bedarf  dazu  mindestens  einer  langen  oder  einer  langen  (be- 
tonten) und  kurzen  Silbe,  z.  B.  natiis  und  graius.  Wenn  der  Reim  als 
stilistisches  Mittel  wirken  soll,  so  ist  abgesehen  von  der  Endung  noch 
Gleichheit  eines  Buchstabens  oder  einer  Silbe  des  Stammes  zu  verlangen, 
wie  dies  in  gemens  und  timens,  noch  besser  in  gemens  und  tremens  der  Fall 
ist.  Die  reimenden  Woi*te  können  entweder  unmittelbar  und  zwar  kopulativ, 
seltener  disjunktiv,  verbunden  sein,  z.  B.  nee  res  nee  spes,  oder  aber  sie 
bilden  den  Abschluss  paralleler  Sätze  und  Satzglieder,  in  Poesie  von  Versen 
oder  Halbversen;  während  wir  erstere  Erscheinungsform  „reimende  Ver- 
bindungen**  nennen,  bezeichnen  wir  letzteres  als  „Gliederreim''  oder 
„Satzreim*. 

Bei  Plaut,  finden  wir  eine  Anzahl  strenger  Reime,  die  er  zum  Teil 
geschaffen,  in  der  Mehrzahl  aber  wohl  der  Volkssprache  entnommen  hat, 
z.  B.  mel  et  fel^  spes  et  opes,  weniger  bei  Ter.  und  bei  Cato;  die  Frag- 
mente der  Tragiker  und  der  Annalen  des  Ennius  weisen  kein  Beispiel  auf, 
somit  waren  reimende  Verbindungen  im  höheren  Stile  gemieden.  Dies  zeigt 
sich  namentlich  auch  in  der  klassischen  Sprache  des  Caesar  und  in  den 
späteren  Reden  Ciceros;  freilich  in  den  Briefen  Hess  sich  Cicero  bei  seiner 
Neigung  zu  Witzworten  mehrfach  Reime,  darunter  sogar  rustike  wie  Att. 
14,  19,  6  villam  eellamque  entschlüpfen.  Sallust  hat  nur  weniges,  was 
wahrscheinlich  dem  alten  Cato  entlehnt  ist,  auch  Livius  und  die  Vertreter 
der  silbernen  Latinität,  sowie  Quint.  u.  Tac.  sind  äusserst  sparsam  im  Reim. 
Die  aug.  Dichter  wiesen  ihn  offenbar  absichtlich  zurück;  selbst  Ovid  bietet 
nur  Vereinzeltes,  wie  auch  bei  Horaz  nur  verus  merus  und  ridet  videt  sich 
nachweisen  lässt.  Das  gleiche  gilt  für  die  nachfolgenden  Dichter  wie  Lucan 
Silius  Statins  u.  a.  Dagegen  dringt  mit  den  archaisierenden  Bestrebungen 
des  Fronto  der  Reim  in  vielen  neuen  und  alten  Beispielen  in  die  Lit- 
teratur  ein ;  was  früher  nur  in  der  Komödie  erlaubt  gewesen  und  von  Cic. 
und  Quint.  energisch  zurückgewiesen  worden,  das  glänzt  jetzt  in  öffent- 
lichen Vorträgen  und  in  der  mustergiltig  werdenden  Prosa.  Die  meisten 
Reime  gestattete  sich  Apuleius  und  bei  den  christlichen  Schriftstellern 
Tertullian  und  Augustin  (vgl.  Archiv  III  S.  455);  Gellius  dagegen  verhielt 
sich  sehr  zurückhaltend.  Die  Zeit  nach  den  Afrikanern  brachte  weder  in 
der  christlichen  noch  in  der  heidnischen  Litteratur  Bemerkenswertes  hervor; 

Huidbiich  der  klaoB.  AltertnmawiaseMcbaft.  II.    2.  Aufl.  37 


578  S*  Lateinieche  Grammatik,    e)  Lateinische  Stilietik. 

namentlich  die  letztere  kultivierte  lieber  Allitteration  und  Assonanz  als 
den  vollen  Reim. 

Der  Satz-  oder  Gliederreim  fand  in  der  archaischen,  klassischen 
und  silbernen  Latinität  abgesehen  von  der  Zauberpoesie  und  der  Geschmacks- 
verirrung einzelner  Rhetoren  so  gut  wie  keine  Verwendung.  Anders  wird 
es  auch  hier  mit  den  Afrikanern.  Apuleius  und. in  viel  höherem  Grade 
Tertullian  bildeten  den  Gliederreim  aufs  sorgfaltigste  aus;  namentlich  der 
letztere  verwendete  ihn  so  häufig  in  seinen  Schriften,  dass  ein  Einfluss  auf 
die  folgenden  christl.  Schriftsteller  unvermeidlich  war.  und  in  der  That 
pflegte  auch  Augustin  den  Glieder-  und  Satzreim,  zumeist  in  den  Predigten; 
daraus  geht  hervor,  dass  der  Reim  populär  war;  nur  Hieronymus  verhielt 
sich  merkwürdiger  Weise  ablehnend.  Auch  das  christliche  Kirchenlied 
neigt  dem  Reime  zu,  wenn  auch  derselbe  meist  nicht  korrekt  gebildet  oder 
nicht  regelmässig  durchgeführt  ist;  an  moderne  Reimkünste  erinnert  ein 
Vers  des  Nigellus:  ncc  tua  nira  colo,  ncc  tua  iura  volo. 

71.  Mannigfaltigkeit  im  Ausdruck  suchen  nach  dem  Vorgange  der 
august.  Dichter  Liv.  und  besonders  Tac.  dadurch  zu  erreichen,  dass  sie  in 
parallelen  Satzgliedern  verschiedene  Konstruktionen,  z.  B.  Sing,  statt  Plur. 
u.  ä.  eintreten  lassen,  z.  B.  Verg.  Aen.  6,  858  Poenos  Gallumque  reheUem, 
Damit  ist  die  Konzinnität,  welche  die  klassischen  Schriftsteller  so  hoch 
stellen,  verletzt.  Es  steht  fest,  dass  für  Cicero  eines  der  höchsten  Ge- 
setze des  Ausdrucks  war,  korrespondierende  Satzglieder  gleichartig  zu 
gestalten  und  gleichmässig  auszubauen;  so  sagt  Cic.  pro  Sest.  14  ut  eos, 
quorum  sceleris  furore  molatus  esscm,  vocis  libcrtate  perstnngerent 
nur  der  Konzinnität  wegen  sceleris  furore  statt  scelere.  Offenbar  war 
schon  zur  Zeit  Ciceros  eine  gewisse  Abneigung  gegen  diese  Gleichmässig- 
keit,  welche  in  ungeschickter  Handhabung  ermüdend  und  abschreckend 
wirken  muss,  entstanden.  Die  ersten  Autoren  nun,  die  gegen  die  klassische 
Konzinnität  Widerspruch  erhoben  und  an  ihre  Stelle  die  Abwechslung 
im  Ausdiuck  zu  setzen  suchten,  waren  Asinius  Pollio  und  Sallust;  der 
letztere  ging  bereits  soweit,  dass  er  von  ein  und  demselben  Worte,  z.  B. 
experSy  neben  einander  den  Gen.  und  den  Abi.  abhängig  sein  Hess.  Mit 
den  aug.  Dichtern  u.  Liv.  stiegen  diese  Bestrebungen  immer  mehr,  und  mit 
Tac.  erreichten  sie  ihren  Höhepunkt,  namentlich  in  den  Annalen;  beispiels- 
weise lässt  Tac.  erst  in  den  Annalen  Part,  praes.  u.  Abi.  gerund..  Dat.  u. 
Gen.  gerund.,  das  Gerund,  und  Finalsatz,  Bedingungs-  und  Finalsatz,  z.  B. 
ann.  11,  28  sed  in  eo  discrimen  verti,  si  defensio  audirctur,  utque  clmisae 
aures  etiam  confitenti  forent,  abwechseln. 

Anmerkung  1.  Bei  Dichtern,  namentlich  bei  Properz,  werden  zwei  Verba,  die 
parallel  stehen  und  von  der  nämlichen  Konjunktion  abhängen,  in  verschiedenen  Modus 
gesetzt,  z.  B.  Prep.  5,  4,  10  quid  tum  Roma  fuit,  cum  q  unter  et  saxa  lovis  tuhicen  otqM 
stahant  Romano  pila  Sahina  foro?  In  der  Prosa  der  bessern  Zeit,  namentlich  bei  Cicero, 
sind  alle  Beispiele  nach  Madvig's  Vorgang  geändert;  im  Sp.  L.  aber  ist  die  Abwechslung 
zwischen  Indik.  und  Konj.  nicht  zu  beanstanden,  z.  B.  Hygin.  51,  12  Argonautae  dum 
ajmd  Lycum  morantur  et  stramentatum  exissent;  dasselbe  gilt  für  Ammian.  Sulp.  Scv.  u.  a. 

Anmerkung  2.  Abwechslung  im  Ausdruck  entsteht,  wenn  in  entsprechenden  Satz- 
gliedern ein  aktiver  und  passiver  Infinitiv  von  einem  impcrsonellen  Verb  abhängig  gemacht 
werden,  z.  B.  Cic.  fat.  23  id  fuit  defendi  melius  quam  introducere  declinationem ; 
Cic.  und  Caes.  haben  dafür  trotz  ihrer  Vorliebe  für  Konzinnität  viele  Beispiele.  Weniger 
auffallend  ist  der  Übergang  von  einem  Genus  verbi  ins  andere  beim  Anschluss  des  aktiven 
Infinitivs  an  ein  personliches  Verb,  z.  B.  Sali.  Cat.  8. 


5.  Reichtum  und  Mannigfaltigkeit  der  Daretellnng.  (§  71—73.)  579 

Anmerkung  3.  Den  Historikern  ist  eigen  in  parallelen  Satzgliedern  Adj.  und 
Adv.  wechseln  zu  lassen,  vgl.  Sisenna  fr.  15  occulte  tacitique  advenientiam  cohörtium  prae- 
stolari  occipiunt.  Hier  mag  das  Vorbild  des  Thukyd.,  vgl.  3,  4,  1  cenaQaaxevoi,  xnl  i^- 
tti(pvrjg  und  so  oft,  viel  beigetragen  haben.  Dem  Sali,  haben  diese  Konstruktion  seine 
späten  Nachahmer  abgelauscht,  z.  B.  Dict.  cret.  5,  12  foede  atque  inultos  obtruncari  (Cic. 
Fam.  13,  C9  nan  vulgare  nee  ambitiöse  ist  korrupt). 

72.  Mannigfaltigkeit  im  Ausdruck  entsteht  dadurch,  dass  die  Schrift- 
steller einen  in  kürzerer  Frist  öfter  sich  wiederholenden  Begriff  auf  ver- 
schiedene Weise  zur  Anschauung  bringen.  Massvoll  und  rechtzeitig  an- 
gewendet wird  dieser  Wechsel  im  Ausdruck  Einförmigkeit  vermeiden  und 
somit  ein  Vorzug  sein ;  dies  ersehen  wir  aus  den  Schriften  Ciceros,  Caesars, 
des  Liv.  u.  Tacitus  und  anderen  Autoren,  die  wenn  zum  Teil  auch  pathetisch 
und  rhetorisch,  doch  nicht  manieriert  schreiben.  Dagegen  hat  die  silberne 
Latinität,  besonders  Vell.  Plin.  mai.  u.  Curt.  und  von  den  Archaisten  Apu- 
leius  im  Wechsel  der  Wörter  fast  Unglaubliches  geleistet.  So  braucht  Vell. 
zur  Abwechslung  cupiditas  neben  cupido,  eloqiuum  neben  eloquentia,  prae- 
validus  neben  praevalms  und  vieles  Ähnliche;  Plin.  mai.  in  defectibus  s/- 
derum  neben  deliqtiio  solis,  summa  fluminum  neben  amnc  reliquo  u.  ä.; 
ferner  zählt  Vell.  für  den  Begriff  „sterben'^  nicht  weniger  als  25  mehr  oder 
minder  verschiedene  Phrasen,  für  „töten*'  13  eben  solche  u.  ä.;  Plinius  mai. 
hat  für  „heilen"  mehr  als  30  Ausdrücke  etc. 

Umgekehrt  müssen  wir  es  als  eine  Nachlässigkeit  bezeichnen,  wenn 
in  geringem  Zwischenraum  eben  dieselben  Worte  wiederholt  werden.  Wenn 
bei  den  guten  Schriftstellern  dies  sehr  selten  vorkommt  (vgl.  z.  B.  Caes. 
b.  G.  1,  3,  2  u.  3  ad  eas  res  conficiend(zs),  so  ist  es  dagegen  häufiger  bei 
geringeren  Stilisten,  wie  Nepos  u.  Curtius.  In  den  Schriften  des  älteren 
Plin.  können  solche  Wiederholungen  bei  dem  bedeutenden  Umfange  seines 
Werkes  und  der  Anlage  und  Behandlungsweise  seines  Stoffes  nicht  beson- 
ders auffallen,  namentlich  da  sie  gegenüber  dem  sonstigen  Streben  nach 
Mannigfaltigkeit  und  Abwechslung  nicht  sehr  hervortreten. 

Anmerkung.  Geradezu  tadelnswert  ist  der  bei  vulgärscbreibendcn  Autoren  sich 
findende  masslose  Gebrauch  des  Helativs  zur  Einleitung  der  Sätze,  vgl.  Hygin  53,  23  und 
Priscillian  46*^  (Archiv  III  p.  323),  oder  eben  derselben  Konstruktion  in  aufeinanderfolgenden 
Sätzen,  vgl.  Yitruv  im  Prooem.  bezüglich  quom. 

Vgl.  Hatz,  Beiträge  zur  lat.  Stilistik  (Zur  Hendiadys  in  Ciceros  Reden),  Schweinfurt 
1886;  Roth.  Comm.  qua  Taciti  aliquot  per  figuram  ^»^  cfice  dvoTy  dicta  .  .  .  colliguntur  et 
digeruntur,  Nürnberg  1825;  id.  de  Taciti  synonymis  et  per  figuram  ^y  dia  dvoTy  dictis, 
182G;  C.  F.  W.  Müller  im  Philol.  VII  297  ff.;  Ulbricht,  Taciti  qui  ad  figuram  iy  did 
&voTy  referuntur  ex  minoribus  scriptis  locos  congessit  atque  interpretatus  est,  Freiberg  1874 ; 
Pbeüss,  De  bimerobris  dissoluti  apud  scriptores  Romanos  usu  sollemni,  Edenkoben  1881 
(vgl.  meine  Rec.  in  Phil.  Rundsch.  I,  1053  ff.);  Wölfflin,  Die  Gemination  im  Lat.,  S.  Ber. 
d.  bayr.  Akad.  1882  S.  422 ff.;  Müller,  De  diminutivis  1.  lat.,  Leipzig  18G5;  Wölfflin  im 
Philol.  34,  S.  153;  Lorenz  zu  Plaut.  Pseud.  S.  58  ff.;  Landgraf,  De  figuris  etyniologicis 
ling.  lat.,  act.  sem.  philol.Erlang.il  S.  1—70;  Wölfflin,  Die  allitterierenden  Verbindungen 
der  lat.  Sprache,  S.  Ber.  d.  bayr.  Akad.  1881,  1  ff.;  id.  der  Reim  im  Lat.,  Archiv  1  S.  350 
bis  389;  id.  Zur  Allitteration  und  zum  Reime,  Archiv  III  p.  443—457;  Ebrard,  Die  Al- 
litteration  in  der  lat.  Sprache,  Bayreuth  1882 ;  Bötticher,  de  allitteration is  apud  Romanos 
vi  et  usu,  Berlin  1884;  Bintz  im  Philol.  44,  p.  62-278.  Reiche  Litteratumachweise  zum 
Gebiete  der  Metapher  siehe  bei  Nägelsbach-Müller,  8.  Aufl.  p.  504. 

6.  Einfachheit  und  Kürze  des  Ausdrucks. 

73.  Die  Geschichte  des  römischen  Volkes  wird  uns  für  das  Vorkommen 
der   Einfachheit   und    Kürze    des   Ausdrucks  den   Weg   zeigen.     Die   alt- 

37* 


580  B.  Lateinische  Grammatik,    e)  Lateinieche  Stilistik. 

römische  Sprache  jener  prisci  et  casci  viri  kann  nur  einfach  gewesen  sein; 
die  klassische  Zeit  verliert  infolge  des  Eindringens  rhetorischer  Bestrebnngai 
und  der  immer  mehr  sich  entwickelnden  Periodenbildung  einen  Teil  der. 
alten  Einfachheit,  weiss  aber  immer  noch  zu  rechter  Zeit  die  Kürze  des 
Ausdrucks  zu  wahren.  Freilich  zeigen  sich  hier  schon  gegenteilige  Be- 
strebungen; ihnen  arbeiten  Sali.  Pollio  und  Varro  entgegen.  Die  Eaiser- 
zeit  verliert  das  Gefühl  für  die  konzise  und  prägnante  Sprache,  um  so 
mehr  giebt  sich  Tac.  Mühe,  seine  Diktion  einfach  und  kurz  in  der  Weise 
des  Thucydides  zu  gestalten.  Nach  ihm  aber  kommt  der  Wortschwall 
immer  mehr  auf,  wie  uns  namentlich  die  Schriften  des  Apul.  zeigen,  oder 
aber  die  Kürze  des  Ausdrucks  ist  gesucht  und  affektiert  und  wirkt  infolge- 
dessen abstossend. 

74.  Kürze  des  Ausdrucks  entsteht  zunächst  durch  die  Ellipse;  vgl. 
darüber  Syntax  §  8  u.  10.  Dieselbe  ist  von  besonderer  Wirkung  in  der 
Charakteristik  und  Schilderung  (vgl.  meine  Anm.  zu  Sali.  Cat.  5,  8)  und 
findet  sich  so  besonders  bei  Historikern.  Ferner  ist  sie  geeignet,  den 
polternden  Charakter  des  Redners  oder  Schriftstellers  zum  Ausdruck  zu 
bringen,  wie  wir  dies  noch  Sp.  L.  bei  Lucifer  sehen.  Neben  der  eigent- 
lichen Ellipse  ist  noch  die  Spracherscheinung  bemerkenswert,  wo  ein  oder 
mehrere  Wörter  sich  leicht  aus  korrespondierenden  Satzteilen  ergänzen 
lassen,  z.  B.  Cic.  Phil.  2,  25  si  te  municipiorum  nan  pudebat,  ne  veterani 
quidem  exercitus?  So  wird  namentlich  aus  einem  negativen  Wort  ein 
positives  ergänzt,  z.  B.  fehlt  dicere  nach  negare,  quisqt^  nach  nemo, 
iubere  nach  vetare,  scire  nach  nescire  u.  ä.  Dies  letztere  finden  wir  bei 
den  klassischen  Schriftstellern,  den  august.  Dichtern,  Nep.  und  Liv.  Der 
umgekehrte  Fall,  dass  aus  einem  im  zweiten  Gliede  stehenden  negativen 
Worte  fürs  erste  Glied  ein  positives  ergänzt  wird,  darf  für  Cicero  nicht 
angenommen  werden. 

76.  Kürze  des  Ausdrucks  erkennen  wir,  wenn  in  der  Verbindung 
zweier  Verba,  welche  ein  verschiedenes  Objekt  verlangen,  dasselbe  beim 
zweiten  ausgelassen  wird,  z.  B.  Cic.  de  orat.  1,  72  apparet  utrum  simus 
earum  rüdes  an  didicenmus.  Dies  ist  klassischer  Brauch;  vulgär  dagegen 
erscheint  die  Wiederholung,  welche  Hygin  sogar  bei  gleichem  Objekt  an- 
wendet, z.  B.  129,  16  Archclaus  regem  arrcptum  in  fovcam  coniecit  atque 
ita  cum  perdidit,  vgl.  §  63,  5.  Bei  Sali.  Liv.  Curt.  u.  Juv.  wird  das  Ob- 
jekt erst  zum  zweiten  Verb  gesetzt,  z.  B.  Sali.  Cat.  51,  38  imiiari  qtmfn 
invidere  bonis  malebant, 

76.  Kürze  des  Ausdrucks  findet  statt  in  Vergleichungen,  indem  die 
Eigenschaft,  Handlung  etc.  eines  Gegenstandes  mit  dem  andern  Gegenstand 
direkt  verglichen  wird,  z.  B.  Cic.  orat.  230  sunt  ctiam  qui  in  quoddam  genus 
abiectum  incidant  Siculorum  siniiUimum,  Man  nennt  dies  comparatio 
compendiaria.     Dieselbe  treffen  wir  auch  bei  Cic.  u.  Caes. 

77.  Eine  bemerkenswerte  Kürze  des  Ausdrucks  entsteht,  wenn  an 
Stelle  des  Urteils  über  eine  Sache  diese  selbst  gesetzt  wird,  z.  B.  ratio 
cogit  verum  esse  statt  ut  verum  esse  existimemus,  oder  adducor  ut  sit  verum 
für  adducor  ut  verum  esse  existimem,  wofür  man  auch  sagen  kann  adducor 
verum  esse.    Das  erste  Beispiel  dieser  kurzen  Ausdrucksweise  scheint  sich 


6.  Einfachheit  nnd  Kürze  des  Ansdniclui.  (§  73—82.)  5g  1 

bei  Lucr.  5,  1341  zu  finden;  oft  begegnen  wir  ihr  bei  Cicero,  namentlich 
in  den  philosophischen  Schriften,  vereinzelt  auch  bei  Golum.  und  Curtius. 

78.  Kürze  des  Ausdrucks  ist  da  zu  konstatieren,  wo  die  Adverbia 
ein  Urteil  über  die  Handlung  statt  der  Art  und  Weise  der  letztern  an- 
geben, z.  B.  Cic.  Tusc.  3.  34  tiiale  repreJiendunt  „&\e  haben  Unrecht,  wenn 
sie  tadeln **.  Diesen  Sprachgebrauch  finden  wir  in  eleganter  Weise  bei 
Cicero  und  den  aug.  Dichtern  gehandhabt;  Livius  aber  und  die  meisten 
nachklassischen  Schriftsteller  gehen  auch  hierin  weiter.  Während  der 
jüngere  Plin.  ganz  in  den  Fusstapfen  Cic.  wandelnd  melius  omnibus  quam 
singulis  crcdUur  schreibt,  lesen  wir  in  den  Quint.  decl.  6,  10  excusaiius 
aliquid  fit  ,es  ist  eher  zu  entschuldigen  **. 

Schon  im  Altlat.  ist  eine  ähnliche  Kürze  in  den  mit  qu^im  mox  und 
quam  dudum  eingeleiteten  Sätzen  bemerkbar:  dies  hat  auch  Cic.  (ad  Att. 
14,  12,  3)  namentlich  in  Briefen  und  Erstlingsreden  (ebens.  Liv.)  an- 
genommen und  analog  noch  quam  pridcm  in  denselben  Schriften  verwendet, 
z.  B.  Verr.  1,  126  quam  pridem  sibi  herediias  venisset  „wie  lange  es  her 
sei,  dass  etc.* 

79.  Gedrungen  wird  der  Ausdruck  durch  die  Zusammenstellung  zweier 
Pronomina,  von  denen  das  zweite  regelmässig  ein  Demonstrativ  ist,  z.  B. 
hie  nie,  quis  hie,  quis  iste,  quicunque  ille^  quisquis  ille  u.  ä.  Wir  finden 
dies  schon  in  klass.  Zeit,  besonders  aber  bei  Dichtern,  z.  B.  Hör.  epod. 
3,  5,  bei  Tac.  Apul.  Sulp.  Sev.  Min.  Fei.  u.  sonst  im  Sp.  L.,  vgl.  Min. 
Fei.  10,  2  cur  etenim  occullare,  quicquid  illud  colunt,  magtiopere  nituntur, 
wo  quicquid  illud  colunt  =  quicquid  illud  est,  quod  colunt;  vgl.  noch  Tac. 
ann.  1,  12  quidquid  istud  sceleris  imminet.  Diese  Ausdrucksweise  lässt 
sich  durch  Vergleich  mit  hie  unus  restitit  u.  ä.  leicht  erklären. 

80.  Ein  persönliches  oder  mindestens  substant.  Obj.,  wo  wir  eine 
präpositionale  Wendung  erwarten,  giebt  dem  Ausdrucke  den  Charakter  der 
Gedrungenheit;  z.  B.  Cic.  parad.  6,  50  ne  semper  Curios  et  Luscinos  loquamur, 
vgl.  noch  Tac.  ann.  6,  4.  So  werden  die  W.  audire,  legere,  narrare,  loqui, 
ingredi,  ificohare,  hortari  u.  a.  konstruiert,  auch  in  der  klassischen  Sprache, 
vorwiegend  aber  im  familiären  Ton,  also  in  epp.,  dann  bei  Nepos,  Tac. 
und  spätem  Historikern.  Der  Zusammenhang  mit  der  Vulgärsprache  wird 
durch  die  bei  Vitr.,  im  b.  Hisp.  und  auf  Inschr.  sich  findende  pass.  Kon- 
struktion erwiesen,  z.  B.  fons  supra  scriptus. 

81.  Auf  dem  Streben  nach  Kürze  beruht  die  Angleichung  des  Kasus 
an  den  Akkusativ  einer  vorausgegangenen  Orat.  obliq.,  wo  der  Gedanke  den 
Nominativ  verlangt,  z.  B.  Cic.  Att.  13,  45,  1  dies  feriarum  mihi  addifos 
Video,  sed  quam  multo'i  fac  sciam;  wir  erwarten  quam  midti  additi  sint; 
von  dieser  Konstruktion  finden  wir  Beispiele  bei  Ter.  Cic.  Liv. 

82.  Mit  der  Kürze  der  Darstellung  hängt  auch  das  formelhafte 
Asyndeton  zweier  Satzglieder  zusammen,  z.  B.  nitro  citro,  coniuges  liberi, 
ire  redire  u.  ä.  Dasselbe  gehört  vorzugsweise  der  Umgangssprache,  dem 
Kurialstil,  den  Formeln  der  rituellen  Sprache  und  dem  Sprichwort  an  und 
hat  sich  hier  am  längsten  erhalten.  Im  Altlatein  findet  es  sich  viel  häu- 
figer als  bei  den  klassischen  und  nachklassischen  Schriftstellern  und  dies 
vorzugsweise  bei  den  scenischen  Dichtern.     Schon  Varro  beschränkt  den 


582  B.  Lateinische  Grammatik,  e)  Lateinische  Stilistik. 

Gebrauch,  Cicero  hat  in  vielen  asyndetischen  Verbindungen  eine  Konjunktion 
angefügt,  Caesar  vollends  verschmäht  das  Asyndeton  fast  ganz;  ebenso 
sind  die  aug.  Dichter  sehr  sparsam  in  der  Verwendung  des  formelhaften 
Asyndeton.  Um  so  beliebter  ist  es  bei  Livius,  den  jedoch  der  Philosoph 
Seneca,  zu  dessen  Stil  es  vorzüglich  passt,  noch  überholt  hat;  die  beiden 
Flinius  u.  Tac.  verfahren  dagegen  um  so  vorsichtiger,  während  umgekehrt 
bei  den  Archaisten  viele  Beispiele  aus  Plaut,  u.  Ter.  wieder  zum  Vorschein 
kommen.  Im  übrigen  Spätlatein  dagegen,  z.  B.  bei  Ammian,  Gyprian, 
Min.  Fei.  u.  a.  wird  man  ausser  den  allgemein  üblichen  kaum  ein  formel- 
haftes Asyndeton  finden,  vgl.  z.  B.  Cypr.  ep.  66,  4  cum  publice  legereiur: 
si  quis  tcnct  possidct  de  honis  Cypriani, 

Man  unterscheidet  zwei  Arten  des  formelhaften  Asyndeton,  1.  wenn 
zwei  Wörter  entgegengesetzter  Bedeutung,  z.  B.  ultra  citro,  sursum  deor- 
sum^  clam  palaniy  und  2.  wenn  zwei  Wörter  verwandter  Bedeutung,  z.  B. 
victiis  vestitus^  arma  tcla,  oro  ohsccro  zusammengestellt  werden.  Zur 
ersten  Art,  welche  allein  hieher  zu  rechnen  ist  (vgl.  oben  §  61  Anm.), 
gehören  auch  die  disjunktiven  Formeln  wie  velim  nolim,  xAus  minus,  scrius 
ocius  u.  ä. 

83.  Dem  Streben  nach  Kürze  verdankt  das  Zeugma  seine  Ent- 
stehung. Unter  Zeugma  verstehen  wir  die  Beziehung  ebendesselben  Wortes 
in  verschiedener  Bedeutung  auf  zwei  Satzteile.  Solche  Konstruktionen  hat 
schon  Plautus  öfters,  sehr  selten  sind  sie  bei  den  klassischen  Schriftstellern 
(vgl.  jedoch  Cic.  Att.  10,  4,  4  fortuna  qua  Uli  florentissima,  nos  duriore 
conflicfnti  vidcmw);  häufiger  treffen  wir  sie  bei  Nepos,  den  aug.  Dichtern, 
bei  Livius,  Vell.,  verhältnismässig  selten  bei  Plinius  mai.,  zahlreicher  aber 
als  bei  allen  genannten  Autoren  bei  Tacitus;  nach  ihm  nehmen  sie  ab,  auch 
bei  den  Archaisten,  z.  B.  Apuleius  ist  nur  weniges  (und  dies  ist  grossen- 
teils  bestritten)  zu  verzeichnen.  Ein  recht  signifikantes  Beispiel  für  die 
durch  das  Zeugma  hervorgebrachte  Kürze  des  Ausdrucks  bietet  Plin.  n.  h. 
11,  58  dua^s  acies  contrarias  duosque  Impcratores  Instruunt. 

84.  Hieher  gehört  auch  die  Konstruktion  ano  xoirov.  Wir  verstehen 
darunter  die  gleichmässige  Beziehung  eines  Satzgliedes  auf  zwei  andere, 
z.  B.  Ncp.  Thras.  2,  4  ncqiie  tarnen  pro  opinionc  ThrasybuU  auctac  sunt 
opcs^  wo  Thrasyhdi  ebensogut  zu  opcs  wie  zu  opinionc  gehört;  die  Stellung 
des  gemeinschaftlichen  Satzteiles  ist  gewöhnlich  wie  hier  in  der  Mitte, 
ohne  dass  jedoch  Vor-  oder  Nachstellung  ausgeschlossen  wäre.  Diese 
Struktur  wird  wohl  bei  Cic.  u.  Caes.  nur  sehr  sporadisch  auftreten;  öfter 
schon  ist  sie  bei  Sallust  u.  Nepos,  daim  bei  Catull  und  den  aug.  Dichtern 
und  hauptsächlich  bei  Livius. 

Vgl.  Wickert,  Über  die  Ergänzung  cllipt.  Satzteile  aus  korrespondierenden,  Ciuben 
18^1  Progr. ;  Aken,  De  figurae  (ino  xoivov  usu  apud  Catulluni,  'IMbullum,  Propertium; 
hfchwerin  1884  Progr. 


Nachträge  und  Berichtigungen. 

S.  IV.)0.     Zu  Nr.  r»:  Von  Wölfflins  Archiv  ist  jetzt  auch  VT,  1  und  '2  ei-schienen. 

S.  3y0.     Die  von  Stolz  oben  S.  247  und  S.  382  verraissto  Abhandlung  von  Lotu  ist  auch 


Nachtr&ge  und  Berichügnngeii.  5g3 

mir  trotz  Ribmakns  Vermittlung  noch  nicht  zu  Gesicht  gekommen;  sie  scheint 
noch  nicht  gedruckt  zu  sein. 

S.  391.  Zu  Nr.  4:  Al.  Reichabdt,  de  Q.  Ennii  annalihus,  Neue  Jahrbh.  1889,  S.  81—122 
(untersucht,  was  in  den  Annalen  des  Knnius  hinsichtlich  des  Wortschatzes  dem 
Ennius  und  seiner  Zeit  eigentümlich  ist.  In  die  Syntax  schlägt  die  Behand- 
lung der  Adverbia  und  Prftpos.  ein,  vgl.  poste,  quianam,  noenunif  indo,  quamde), 

S.  392.  Zu  Nr.  30  und  31  fQge  bei:  Adolf  Reeck,  Beiträge  zur  Syntax  des  Catull,  Brom- 
berg 1889  (bespricht  die  koordinierenden  Partikeln,  das  Asyndeton,  die  Neben- 
sätze, Partiz.  Gerund,  und  Supinum  im  Anschluss  an  Dracger). 

S.  395.  Zu  Nr.  71  und  72  fQge  bei:  Kabl  Lessikg,  Studien  zu  den  scriptores  historiae 
Augustae,  Berlin  1889  (sehr  gediegene  Arbeit,  welche  neben  interessanten  Streif- 
lichtem auf  den  Gesamtsprachgebrauch  der  scr.  h.  Aug.  eine  zuverlässige  Kasus- 
Syntax  derselben  giebt). 

S.  396.    Zu  Nr.  85  ist  Ostern  1889  der  Schluss  erschienen. 

S.  396.  Zu  Nr.  90  vgl.  Pbtschenio  Z.  f.  ö.  G.  1889  S.  474,  wonach  Hygin  ins  IV— V  saec. 
nach  Christus  zu  setzen  ist 

S.  396.  Auch  die  Indices  der  Ausgabe  der  scriptores  ecclesiastici  Latini,  Wien,  Gerold*s 
Sohn  sind  Fundgruben  für  die  Syntax  des  Spätlateins,  so  namentlich  von  Habtel 
zu  Cyprian,  Ennodius  und  Lucifer,  von  Zanoemeistbb  zu  Orosius,  von  Huemeb  zu 
Sedulius,  von  Engelbrecht  zu  Glaudianus  Mamertus,  von  Petschenig  zu  Cassian 
u.  Victor  Vit.  u.  a. 

S.  398.  Die  Abhandlung  von  Puls  über  das  Wesen  der  subiektlosen  Sätze  liegt  im  Progr. 
von  Flensburg  1889  vollständig  vor.  Puls  beharrt  bei  seiner  Ansicht,  ,dass  die 
subjekts(inhalt8)lo8en  Sätze  der  adäquate  (wenn  gleich  bedeutend  abgekürzte) 
Ausdruck  des  bei  der  Wahrnehmung  im  Intellekt  vorsieh  gehenden  Denkaktes  sind.*^ 

S.  404.  Zu  Anm.  2  vgl.  Petschenig  in  Z.  f.  ö.  G.  1889  S.  474,  wonach  auch  Lucif.  Juvenc. 
Vict.  Vit.  die  Umschreibung  mit  coepi  häufig  brauchen. 

S.  405.  Zu  §  29  ist  beizuziehen  0.  ühlig  im  Progr.  von  Schneeberg  1889  Fore,  foret  un«! 
forent  bei  Tacitus.  Damach  unterscheidet  sich  foret  bei  Tac.  von  esset  meist 
durch  seine  futurische  Bedeutung,  und  nur  in  verhältnismässig  wenig  Stellen  deckt 
sich  forety  namentlich  in  Verbindung  mit  Part.  Perf.  Pass.,  mit  esset. 

S.  415.  Zu  §  02  vgl.  A.  Köhleb  in  Wölfflins  Archiv  VI  S.  32  f.  Damach  steht  der 
Akk.  bei  em  (oder  en)  auch  Cic.  Verr.  1,  93  ern  memoriam,  em  metum,  Cic.  Verr. 
5,  55  efi  intei'preteSf  zweifelhaft  ist  Deiot.  17.  Bezüglich  der  Formen  em  und  en 
meint  Köhler,  es  sei  möglich,  dass  beide  Formen  in  Cic.  Zeit  sich  so  nahe  ge- 
kommen waren,  dass  man  anfing,  sie  promiscue  zu  verwenden.  Femer  sagt  er 
S.  39,  dass  sich  die  akkusativische  Fügung  bei  en  länger  als  bei  ecce  gehalten  hat. 

S.  423.  Zu  §  78  bemerke  ich  wegen  Stolz  oben  S.  340  und  in  Z.  f.  ö.  G.  1889  S.  502, 
dass  ich  die  REiFPERsciiEiD'sche  Erklärung,  wonach  mea  bei  refert  als  Dativ  an- 
zusehen wäre,  mit  Rücksicht  auf  Fb.  Sghölls  überzeugende  Darlegung  in  Wölff- 
lins Archiv  II  S.  213—218  aufgegeben  habe.  Bezüglich  interest  mag  aber  doch 
darauf  verwiesen  werden,  dass  die  Abhandlung  von  Ehm.  Hoffmann  (Studien 
S.  127—134)  mit  der  Erklärung  patris  interest  es  gehört  unter  das  den  Vater 
angehende^  mea  interest  =  inter  mea  est  es  gehört  unter  das  meinige  =  es  geht 
mich  an  auch  nach  Sohölls  andrer  Herleitung  der  Konstruktion  von  interest  volle 
Beachtung  verdient 

S.  433.  Zu  §  99  Anm.  3  füge  bei,  dass  auch  AI.  Sev.  50,  2  longae  eloquentiae  opus  non 
est  und  5G,  8  eloquentiae  opus  non  est  sagt. 

S.  439.  Zu  §  110  füge  bei,  dass  Cicero  auch  ante  mit  Partiz.  konstraiert,  vgl.  Cic.  Fam. 
13,  30,  1  erat  enim  adsaiptus  in  id  municijnum  ante  civitatem  sociis  et  La- 
Unis  datam, 

S.  440.  In  §  113  ergänze,  dass  auch  die  scr.  h  Aug.  wie  überhaupt  das  Spätlatein  die 
dativische  Wendung  bei  den  verba  composita  der  Wiederholung  der  Präpo- 
sition  vorziehen. 

S.  451.  Zu  absque  besitzen  wir  jetzt  eine  erschöpfende  Monographie  von  Pbaün  in  Wölff- 
lins Archiv  VI  S.  197—212.  Nach  seiner  Ansicht  ist  absque  bei  Cic.  Att.  1,  19,  1 
mit  Unrecht  verdächtigt  worden. 

S.  451.  Usque  wurde  in  §  144  wegen  der  Übereinstimmung  mit  der  I.  Aufl.  belassen,  trotz- 
dem es  zu  den  Präpos.  mit  Akk.  gehört.  Über  seine  Verbindung  mit  den  Präpos. 
abj  ex  und  de  vgl.  Thielmann  in  Wölfflins  Archiv  VI  S.  71  ff. 

S.  453.  In  §  151  fällt  die  Stelle  b.  Afr.  11,  4  dum  hostibus  nach  Wölfflin  im  Archiv  VI 
S.  100  weg,  da  Codex  L  hostibus  nicht  hat  und  clam  im  b.  Afr.  sonst  nur  als 
Adv.  vorkommt. 

S.  454.     Vgl.  noch  Loewe,  Über  die  Präpositionen  a,  de,  ex  bei  Ovid,  Strehlen,  1889. 


584  B,  Lateinische  Grammatik,    e)  Lateinische  Stiliatik« 

S.  475.  Zu  §  215  füge  bei,  dass  Liviua  die  in  §  159  charakterisierte  Art  von  Fragesätzen 
auch  indirekt  setzt,  z.  B.  Liv.  24,  14,  3  quaerentium,  en  umquam  Uberi  mäi- 
taiuri  essent, 

S.  491.    Füge  bei:  Adolf  Cbambb,  Der  InfiDitiv  bei  Manilius,  Strassborg  1889. 

H.  494.    Füge  bei:  Jos.  Kühl,  Die  Zeitenfolge  im  Lat.  und  Deutschen,  Jülich  1889. 

S.  498.  Durch  Miodomski  in  Wölfflins  Archiv  VI  S.  291  werde  ich  darauf  aufmerksam 
gemacht,  dass  R.  Mbngb  in  seinem  Programme  «über  das  Relativuro  in  der  Sprache 
Caesars*  Halle  1889  S.  18  ff.  auch  den  Konjunktiv  in  Hauptsätzen  der  orat.  obliqoa 
mit  relativem  Anschluss  nachgewiesen  hat.  Da  Hr.  Menge  nicht  die  Freundlich- 
keit hatte  mir  sein  Programm  zu  schicken  und  Teubner  die  Osterprogramme  noch 
nicht  versandt  hat,  muss  ich  mich  mit  diesem  Hinweis  begnügen. 

8.  499  ff.  Die  Abhandlung  von  G.  Mayen,  De  particulis  qiMd  quia  quaniam  quomodo  ui 
pro  acc.  c.  inf.  post  verba  sent.  ct.  decl.  positis,  Diss.  62  S.  Kiel,  Lipsius  und 
und  Fischer,  1889  konnte  nicht  mehr  berücksichtigt  werden. 

S.  50G.  Zu  §  261,  3  ist  nach  Wölfflin  im  Archiv  VI  S.  103  zu  bemerken,  dass  b.  Afr. 
50,  4  im  codex  L  postquam  fehlt;  damit  würde  b.  Afr.  50,  4  aus  der  Lehre  von 
postqtuim  ausgeschieden  sein. 

S.  509.  Usque  wurde  zu  dum  in  Beziehung  gesetzt,  ebenso  zu  donec,  quoad.  Ursprünglich 
schliesst  es  den  Hauptsatz  ab,  z.  B.  Priap.  82,  34  tereris  usque,  donec  .  .  .  com- 
pleas,  dann  tritt  es  in  engste  Verbindung  mit  dum  etc.  und  schliesslich  ist  es 
ohne  dum,  donec,  quoad  allein  im  stände,  konjunktionalc  Funktion  zu  Übernehmen; 
doch  gehört  dies  nur  der  spätesten  Zeit  an,  vgl.  Thielmann  in  Wölfflins  Archiv  VI 
S.  63.  £s  hat  sich  somit  ganz  spät  mit  usquc  derselbe  Prozess  vollzogen,  der 
schon  frühe  bei  simul  (vgl.  §  236),  später  bei  post  (vgl.  §  261  Anm.  2)  und  bei 
mox  (vgl.  §  262)  zutage  getreten  ist. 

S.  521.  Das  von  Cicero  nur  in  direkten  Fragen  und  nur  temporal  gebrauchte  quo  usque 
hat  der  Analogie  von  quoad  folgend  im  silb.  Latein  seinen  Gebrauch  erweitert; 
es  wird  zunächst  in  indirekten  Fragen  und  Relativsätzen  verwendet  und  übernimmt 
dann  auch  konjunktionalc  Funktionen  zur  Entlastung  von  quatenus,  Quoad  usque 
findet  sich  erst  bei  eccl.,  gewöhnlich  =  bis,  seltener  =  so  lange  als.  Näheres 
bei  TuiELM ANN  in  Wölffuks  Archiv  VI  S.  66  fif. 

S.  529.  Vgl.  zu  Fam.  2,  17,  1  noch  Cic.  Fam.  5,  20,  9  Juinc  epistulam  cur  non  scindi 
velim,  causa  ntUla  est. 

S.  531.  Zur  Litteratur  von  §  275  füge  bei:  William  Gardner  Halb,  The  cum-construc* 
tions  :  their  histor^  and  functions,  part.  I  critical,  Ithaca,  N..  Y.  1887;  part.  H  con- 
structive,  1889  (eme  deutsche  Übersetzung  dieses  von  Sittl  in  Wölflflins  Archiv  VI 
S.  285  als  anregend  empfohlenen  Werkes  wird  demnächst  erscheinen  und  dann 
auch  bei  uns  Haies  gegen  Hoffmann,  Lübbert  u.  a.  polemisierende  Auffassung  der 
Modusvcrhältnisso  zur  Diskussion  bringen). 

S.  536.  Die  Abhandlung  von  Liesenbebg  wird  im  Progr.  von  Blankcnburg  1889  abge- 
schlossen und  unterrichtet  nunmehr  vollständig  über  den  Wortschatz  bei  Ammian. 

8.  544.  Über  die  Art,  wie  Caesar  das  reziproke  Verhältnis  zum  Ausdruck  bringt,  ver- 
breitet sich  RuD.  Menge  in  Neue  Jahrbb.  1889  S.  265—274.  Vgl.  dazu  auch 
GoEBEL  in  Neue  Jahrbb.  1888  S.  271  f.  Besonders  bemerkenswert  ist,  was  Mengk 
1.  1.  S.  268  entwickelt.  Es  wäre  wünschenswert  —  was  auch  Menge  S.  274  an- 
deutet —  dass  die  Art  des  Ausdrucks  der  Reciprocität  bei  Cicero,  Sallust  und 
Livius  genau  untersucht  und  so  die  Aufstellung  fester  Regeln  ermöglicht  würde. 

S.  550.  Der  Gebrauch  der  Distributiva  für  die  Kardinalia  in  der  Prosa,  namentlich  der 
klassischen,  ist  noch  nicht  genügend  erforscht.  Vgl.  meine  Abhandlung  über  den 
Sprachgebrauch  des  Asinius  Pollio  S.  93,  Landgrafs  Untersuchungen  S.  36,  Halm 
und  Richter  zu  Cic.  Verr.  4,  32. 

S.  579.  Die  Abhandlung  von  Paul  Hellwio,  Über  den  Pleonasmus  bei  Caesar,  Berlin 
1889  Progr.  ergiebt  für  die  Entwicklung  des  cäsarianischen  Stiles  ausser  vielen 
interessanten  Details  das  wichtige  Ergebnis,  dass  Caesar  die  Vorliebe  für  pleona- 
stische  Ausdrucksweise,  z.  B.  pof^tridie  eins  diei,  später  fast  ganz  abgelegt  hat. 
Postridie  eins  diei  findet  sich  zuletzt  b.  G.  5,  10,  1,  im  b.  civ.  gar  nicTit. 

Soeben  (10.  VH.  89)  geht  mir  noch  zu:  Joannes  Benescii,  de  casuum  obliquorum 
apud  M.  Junianum  Justinum  usu,  Wien  1889,  Diss.  (gediegene  Abhandlung,  welche 
von  Hartel  angeregt  die  Kasussyntax  des  Justin  in  ihren  wichtigsten  Erschei- 
nungen unter  steter  Verglcichung  mit  dem  Sprachgebrauch  der  anderen  Autoren 
behandelt). 


c. 


Lexikographie 


der  griechischen  und  lateinischen  Sprache 


neubearbeitet  von 


Dr.  G.  Autenrieth,        und        Dr.  F.  Heerdegen, 

Rektor  am  MolaiKlithons-GyninaHliiin  zu  Nürnberg.  Prufemor  an  ilcr  Univernität  Erlangen. 


Inhalt. 

a)  Griechische  Lexikographie,  bearbeitet  von  Rektor  Dr.  CJ.  Autenrieth. 

1.  ÜCfM'liichtc  uud  Littcratur  der  griocliittchcn  Lexikographie. 
L*.  Aufgabe  der  heutigen  Lexikographie. 

b)  Lateinische  Lexikographie,  bearbeitet  von  Professor  Dr.  V.  llcerdegcn. 

1.  OcKchichte  und  Littcratur  der  latciuLsf;hen  Lexikographie. 

2.  Theorie  der  lateiuiHchen  Lexikographie. 


Griechische  Lexilcographie. 


1.  Geschichte  und  Litteratur  der  griechischen 

Lexikographie. 

1.  Kein  Volk  hat  so  frühzeitig,  so  systematisch  und  so  vielseitig  seine 
Sprache  lexikalisch  behandelt,  wie  das  griechische.  Es  ist  staunenswert, 
welche  Menge  von  Schriftstellern  auf  diesem  Gebiete  vom  fünften  Jahr- 
hundert V.  Ch.  an  thätig  gewesen  sind;  andrerseits  ist  freilich  zu  bedauern, 
dass,  zum  Teil  eben  durch  diese  vielfache  Thätigkeit,  ihre  Arbeiten  so 
verstümmelt  und  entstellt,  sehr  Vieles  gar  nicht  auf  uns  gekommen  ist. 
Denn  man  kann  sagen,  dass  eigentlich  keine  lexilogische  Schrift  des  Alter- 
tums in  echtem  Zustand  überliefert  ist;  weshalb  besonders  in  der  neuesten 
Zeit  auf  diesem  schwierigen  Gebiet  eine  Reihe  von  Forschern  ^)  allen  Scharf- 
sinn aufbietet,  um  den  Weizen  von  der  Spreu  zu  sichten.  Ihre  Arbeiten 
sind  die  Quellen  der  folgenden  Darstellungen. 

2.  Den  ersten  Anstoss  zur  Begründung  von  Glossarien  gab  das 
Studium  Homers;  die  Jugend  wurde  darinnen  unterwiesen,  die  veralteten 
oder  dialektisch  verschiedenen  oder  vom  gewöhnlichen  prosaischen  Sprach- 
gebrauch abweichenden  Wörter  oder  Ausdrücke  (yXwaaai)  zu  verstehen,  so 
entstanden  zunächst  Sammlungen  durch  yXoiaaoYQaifoi^  welche  kunstlos 
freilich  oft  auch  ungenau  in  der  Erklärung  verfuhren,  weshalb  die  späteren 
mehr  wissenschaftlichen  als  dxQtßtavsQoi  bezeichnet  wurden. 

Die  Anordnung  dieser  Glossen  war  zuerst  die  zufallige  des  gelesenen 


^)  Von  älteren  Werken  sind  zu  nennen 
J.  A.  Ebkesti,  De  glossarior.  graec.  vera 
indole,  Leipz.  1742,  4<>  =  Opusc.  1793,  p. 
01-93.  Hesycbius  ed.  Alberti,  Lugd.  Bat. 
1740.  Neuere:  M.  H.  £.  Mkieb,  Opuscula  II, 
p.  74  ff.  Photius,  Lexikon  cd.  Nabeb,  prac- 
fntio.  £in  corpus  gram mati cor.  graecor.,  von 
DiKDOBF  1823  begonnen,  ist  nach  neuem 
Plane  unter  Uhligs  Leitung  mitR.  Schneidbb, 
A.  Lentz,  A.  Hilgabd,  Egenolff,  Lp.  Cohn, 
K.  SciiÖLL  fortgesetzt  (noch  nicht  vollendet); 
auch  das  Corpus  glossariorumlatin.  L  Loewe, 
Prodromus  1876.    U.  G.  Götz  et  Gtth.  Gün- 


debmakn  1888  (noch  unvollendet)  sind  bei- 
zuziehen, ausserdem  eine  Menge  von  Mono- 
graphien, dann  die  Ausgaben  von  Scholien- 
sanimlungen  und  Schriften  wie  die  Anekdota 
von  J.  Bekker,  Gramer,  Bachmann  u.  a. 
Selbstverständlich  bietet  auch  die  Geschichte 
der  griech.  Litteratur  reichlichen  Stoff;  K. 
Nicolai,  Magdeburg  1873-78  ist  in  manchen 
Detailfragen  bereits  überholt.  Hier  wird 
öfters  auf  die  bei  aller  Bündigkeit  vortreff- 
liche Gesch.  der  griech.  Litt  von  W.  (/HBIst 
Bezug  genommen  (dieses  Handbuchs  B.  VH), 
indem  die  Seitenzahl  beigesetzt  ist. 


588 


Ca)  Griechische  Lexikographie. 


Gesanges  oder  Buches,  vergleichbar  einer  modernen  Glavis  oder  Präparation 
zu  einem  Schriftsteller.  Provinzialismen  ^evtxd,^)  Barbarismen  ßa^ßaqa  oder 
id-vixd  ovoixaxa,  lokale  vulgäre  Ausdrücke  {xvdai'au\  xvdawXoy(a)  sammelte 
man,  besonders  in  der  Alexandrinerzeit;  überhaupt  verglich  man  dann  die 
Umgangssprache,  avvr^^iafitvij  At'Jig,  mit  der  Schriftsprache,  Texvunj  i*?i$, 
und  da  die  Glossographie  von  Homer  an  die  Dichter  und  Prosaiker  be- 
gleitete, andererseits  Sophisten  und  Philosophen  durch  ihre  Studien  über 
die  Sprache  den  Orammatikem  vorarbeiteten,  wurde  allmählich  teils  Gram- 
matik, Flexion  und  Formenlehre,  Wortbildung  und  Lautafifektionen  {nd&ij\ 
Etymologie,  Syntax,  Synonymik,  Stilistik  begründet,  teils  wurde  der  reine 
Hellenismus  und  der  Attikismus  beobachtet  und  gepflegt.  Alles  dies  sind 
rein  sprachliche  Arbeiten;  aber  auch  Real-,  Fach-  und  endlich  allgemeine 
Wörterbücher  wurden  allmählich  angelegt.  —  Wie  verschieden  die  An- 
ordnung allmählich  wurde,   zeigt  Nicolai,  griech.  Literaturgesch.  VI,  325. 

3.  Die  Titel  lauteten  sehr  verschieden;  X^^ixov  ist  ein  spätes  Wort; 
Xä^ig  hat  bei  Aristot.  die  Bedeutung  vocabulum  {yXwtrtra  von  der  gewöhn- 
lichen Sprache  abweichendes  Wort),  aber  schon  bei  den  Stoikern  bezeichnet 
es  1)  jeden  artikulierten  Laut  2)  jedes  Wort  3)  Redensart;  dann  übh.  im 
klass.  Griechisch:  1)  dictio  2)  dictio  sollemnis  oder  accurata  3)  locutio. 
(Wir  verstehen  jetzt  unter  Glosse  das  seltene  der  Umgangssprache  fremde 
Wort,  unter  Xt'^ig  erklärungsbedurftige  Ausdrücke  von  Schriftstellern.)  Die 
Alten  waren  in  der  Unterscheidung  nicht  immer  genau. 

Verzeichnis  der  Hauptschriftsteller. 

4.  Demokritos  (c.  4G0— 373),  welcher  ionisch  negl  "^OnirjQov,  nfgl 
0Q(>0€ntirfi  xal  ykwaat'wv,  TitQl  Qr^/idiwv,  ^Orofnaatixor  schrieb,  ist  wohl 
einer  der  ältesten. 2)  Hieher  gehört  Neoptolemos  aus  Parium  6  yXonaco- 
YQdtfog^  auch  Dichter,  er  schrieb  rkwaam  zu  Homer  u.  a.  Dichtem,  Apol- 
lo nios  Archibiu,  vielleicht  der  Gründer  eines  aiphabet.  Homerlexikons, 
n€Qi  kt^fwv'OfiriQixwr;  Apions  yXwaaai  'Oju/^^/xm  (Christ  p.  50)  in  schlechtem 
Auszug  erhalten  in  Sturz,  Et.  Gudian.  p.  601;  vor  allem  c.  100  p.  C. 
Apollonios  Sophista,  Aristarcheer,  welcher  in  seinem  Xtl^ixor  (ed.  J. Bekker, 
Berol.  1833)  auch  Apion  benützte,  sowie  den  Zenodoros,  von  dessen  im- 
Toiir]  Twv  TTfQl  avrr^^fiag,  d.  h.  Abweichungen  Homers  von  der  gewöhnl. 
Sprache,  ein  Bruchstück  Miller,  Melanges  p.  407—411  veröffentlicht  hat 
(Christ  p.  50),  Basilides  n.  '0/ti;^ixrJg  Xt^foyg,  wovon  Kratinos  eine 
Epitome  verfasste.  Einem  Philetas  (ob  dem  Dichter  aus  Kos  ca.  300.^) 
wird  ein  lexikalisches  Werk  "AtaxTce,  oder  diaxzoi  yXwaacci,  zugeschrieben. 
—  Die  Sophisten  und  später  die  Stoiker  beachteten  die  Sprache:  Prota- 
goras  benannte  die  verbalen  Modi  zuerst;  die  Sprache  des  Plato,  wie  die 
des  Hippokrates  gab  zu  Erläuterungen  Anlass;  besonders  aber  wurde  in 
der  Zeit  der  Alexandriner  viel  gesammelt  und  glossiert. 


M  z.  B.Dorotheos  Ascalon.  (sec.  \)7ieQl 
rtSy  ^fVw^  XeyofAtyioy  Xe^etoy.  Kallimachos 
Alexandr.  ii^yixm  oyofjtaalai,  nach  Stoffen 
geordnet,  doch  nicht  ein  ganzes  Onomastikon : 
J.  ScHOEüEMANN,  De  lexicographis   antiquis 


qui  rcrum  ordin.  sec.  s.  Quaestt.  Diss.  Bonn. 
1886  cap.  II,  1. 

-)  Wo  nichts  besonderes  hier  bemerkt 
wird,  sind  die  erwähnten  Schriften  nicht 
auf  uns  gekommen. 


1«  GoBchichte  und  Litteratnr  der  griechischen  Lexikographie. 


589 


Zenodotos  Ephes.  (ca.  287,  s.  Christ  p.  446)  legte  sich  ein  homer. 
Glossar  an;  dann  Xä^eig  id^ixag^  daraus  wohl  iiatpoqä  iffovrfi^)  stammten. 
Aristophanes  Byz.  (Christ  p.  451)  Schüler  desselben,  ca.  202  f  185, 
sammelte  *AtTixdg  Xä^eig^  ^axwnxäg  yXdctsaq  und  schrieb  nsQi  ovo/naaiag 
tjXixidivj  n€Ql  avyyerdiv  ovofiarav;  ein  unbedeutendes  Fragment  aus  cod. 
Athous  ed.  Miller.^)  Artemidoros  (I.  sec.  a.  Ch.)  Xä^eig  iipaQTvxixai; 
sammelt  übh.  Vokabeln  nach  Gegenständen  geordnet.^) 

Früher  schon  Herakleides  Pontic,  Schüler  des  Piaton  und  Aristo- 
teles neql  irvfioXoymv.*)  —  Des  koischen  Arztes  Hippokrates  Schriften 
veranlassten  die  Erläuterung  von  Glossen  durch  Glaukias,  Epikles, 
Dioscorides  d.  J.,  auch  Xenokrates  von  Kos,  Herophilos  u.  Bakchios 
lieferten  solche,  auf  letzterem  beruht  wohl  des  Erotianos  (c.  100  p.  C.) 
Glossar  tüv  naq'  ^iTrTroxgdrei  lä^€(üv  awaytayri^  welcher  in  seinem  Proömium 
noch  ältere  nennt;  streng  alphabetisch  Galenos  (f  c.  271  p.  C.)  t&v  '^Inno- 
xQOTovg  yX(o(fadiv  e^ijyrjmg.^)  —  Zu  Piatons  Schriften:  Ammonius  ncQl  x&v 
vno  nXatwvog  (i€%€vrpf€ynsv(av  i^  ^OfAjjgov^  Harpokration  kä^eig  nXaravog, 
Didymos  Areios  (z.  Z.  Augusts),  des  sorgfältigen  Boethos  (2.  Jahrhdt.) 
Xt^ewv  nXaTwvixwv  avvaywyr  xatd  aroix^Xov  teilweise  auch  nach  Pamphilos; 
TheonSmyrn.;  zwei  nicht  umfangreiche  Lexika  desTimaios  (3.  Jahrhdt.) 
neql  TtSv  naqd  UXdtfüVi  Xe^ecov  xard  atoix^Tov;^)  musikalische  Glossen  zur 
Politeia  von  Dionysios  Halicarn.,  medizinische  zu  Timäos  von  Galenos, 
mathematische  von  Theodoros  aus  Soloi. 

6.  Über  Dialekte:  Demetrios  o  Jlvxrr^g:  neQl  diaXäxtov;  Philoxenos 
aus  Alexandria  (vor  August)  in  Rom  berühmter  Dialektforscher  und  Ety- 
molog.'') Apion  hat  römische  Glossen;  Tryphon  (z.  Z.  Augusts)  Dialekt- 
forscher in  Rom,  s.  Nicolai  II,  343,  auch  Verfasser  eines  Realwörterbuchs, 
sowie  ^OvofAaauxdy  ^vvixd^  neqi  ^u^iav  von  ihm  herrühren,  abgesehen  von 
vielen  grammatikalischen  Schriften.^)  Moschos  ^Podiaxal  Xä^eig;  Parmenon 
n€Qi  diaXäxToVy  Timachidas  von  Rhodos  und  Amerias  sammelte  make- 
donische Glossen,  Hermonax  yXoitrtrag  Kgri^ixag^  Apollodoros  Cyren. 
paphische,  Diodoros  yXwaaag  'ItaXixdg,  Demetrios  Ixion  negl  rf^  UXs- 
^avdgewv  dtaXextov,  Artemidoros  dorische,  Kleitarchos  phrygisehe. 
Attische  Sprachstudien  von  Aristophanes  Byz.  UzTixai  Xä^eig^  aber  auch 
achäische   und  lakonische,   Erates  Mallota  nsgl  ^AzTtxfjg  diaXtxxov  (c.  170 


*)  ed.  Studemund,  Anecd.  gr.  p.  103. 
287  ff. 

•)  vgl.  Leop.  Cohn  in  Fleckeisbn  N. 
Jbb.  SuDplmt.  12,  285  ff. 

•)  So  Nikandros  Koloph.  nBQi  XQV' 
anjQiiay  ßißX,  y\  P  h  i  1  e  m  o  n  Aexonensis  n, 
nayxo&cmtay  XQV^^VQ^^^-  Tryphon  n.  oyo- 
fittauaVf  n.  dy&Qoiniyoiy  fisXuiy;  s.  ScHOENE- 
MAVVf  De  lexicographis  cap.  11. 

*)  Dessen  Fragmente  hat  aus  £.  M., 
Ei  Orion.  Theb.,  Et.  Gud.,  Zonar.  zusammen- 
gesteUt  Leop.  Cohn  in  ^Commentationes  philo), 
in  honor.  A.  Reifferscheidii**,  Vratisl.  1844: 
De  H.  Pontico  Etymologiamm  scriptore  an- 
tiquissimo;  „von  der  Philosophie  gingen  die 
ältest.  etymolog.  Studien  aus**  p.  o9. 


^)  Ilberg,  De  Galeni  vocum  Hippocra- 
ticar.  glossario  (in  Comraentationes  philol. 
quibns  0.  Ribbeckio  congr.  disc.  Lipsienses, 
Tbübneb  1888  p.  227-355). 

«)  Ausgb.  V.  RüHNKBN,  L.  Bat  1789; 
hinter  dem  Teubner.  Text  in  der  Appendix 
Lips.  1853. 

^)  Nicolai  II 337  f.  Reste  seiner  Sehr,  und 
Excerpte  bei  Orion  u.  a.  Er  ist  jedoch  nicht 
zu  verwechseln  mit  einem  späteren  angeb- 
lichen Philoxenos,  s.  u. 

*)  Tryphonis  Frgmta.  coli.  A.  deVelsen, 
Berol.  1853.  Sein  '^ktat  nsgl  nyevfidttav 
findet  sich  in  cod.  Ambros.  d.  30  sud.  (chart. 
sec.  XVI),  fol.  51  ff.  L.  Cohn.  ap.  Eoenolff, 
Heidelbg.  Gyran.  Progr.  1888,  S.  32  ff. 


590  Cl.a)  Griechische  Lexikographie. 

in  Rom),  Demetrios  Ixion  (z.  Z.  Augusts  in  Pergamum)  A^"^«'^,  darunter 
auch  Uttixüi,  Dorotheos  Ascal.  cvraycoyt]  Xä^scov  'Arnxdivy  Theodoros 
attische;  ferner  Philemon,*)  Nikandros  von  Thyateira. 

6.   Andere  Stoffe,  sowohl  sprachliche  als  sachliche. 

Didymos  Chalkenteros  (Zeitgenosse  Ciceros;  Christ  459)  A*j6i$  r^ayi- 
xat\  xwfiixat\  ^innoxQccrovg.  Theon  Alexandrin.  verfasste  darnach  wahr- 
scheinlich ein  alphabetisches  Gesamtlexikon. 

Zu  den  attischen  zehn  Rednern  ist  als  Erklärer  zu  nennen  Caecilius 
von  Kaiakte,  Schüler  des  ApoUodoros,  z.  Z.  des  Pompeius,  er  schrieb  eine 
^ExXoyij  Xt^scov  xatd  avoixsTov,  eigentlich:  KakXiQQrifiaavvrjy  ein  Rednerlexikon, 
von  dem  sehr  verderbte  Glossen  übrig  sind.*)  Von  einem  Fragment  eines 
Lexikons  zu  Demosthenes*  Aristokratea  ist  eine  interessante  Abschrift  auf 
einem  Papyrus  in  Ägypten  (Arsinoe)  entdeckt  worden;^)  andere  a*?«i$  fistk* 
latoqmv  ix  tc3v  JtjfwaO^ivovg  Xoywv  aus  einem  cod.  Patm.  sec.  X  hat  Sak- 
kelion  ediert,  dabei  auch  einige  Glossen  zu  Aischines.*^)  Ailios  Dionysios 
(z.  Z.  Hadrians)  verfasste  'Avuxd  ovoiiata^  ein  Xe^ixuv  ^r/roQix6v,  5  Bücher 
in  zwei  Ausgaben;  ebenso  der  Zeitgenosse  des  Galenos,  Pausanias;^)  der 
letztere  hatte  eine  strengere  alphabetische  Ordnung,  beide  aber  gaben  nur 
die  attische  reine  Diktion  wieder  und  waren  Muster  für  spätere  rhetorische 
Lexika,  in  byzantinischer  Zeit  wurden  sie  vereinigt  ^)  und  dienten  so  wieder 
Eustathios  und  Photios  als  Quelle.  —  Am  wichtigsten  ist  Valer.  Harpo- 
kration  aus  Al^xandria,  vielleicht  der  Lehrer  des  Antonin.  Yerus,^)  seine 
Xs^eig  xmv  dtxa  ^r^oquav  waren  nach  streng  alphabetischer  Ordnung  an- 
gelegt,^) in  einer  längeren  und  kürzeren  Gestalt  überliefert,  aber  beide  sehr 
entstellt;^)  Harpokration  sammelte  zuerst  die  Glossen  der  zehn  Redner  und 
attische  Benennungen,  sucht  dann  die  Erklärungen  dazu  in  den  rhetorischen 
Lexicis  und  dann  aus  verschiedenen  Quellen,  Zeugnisse  von  Autoren  und 
gelehrte  Notizen  aus  Antiquaren.*^)  Hauptquellen  waren  ihm  Ailios  Dio- 
nysios, Pausanias  und  indirekt  Didymos  Chalkenteros.*')  Ein  ähnliches 
Rednerlexikon,  At^eig  ^r^TOQtxat\  ist  Quelle  des  erhaltenen  Lex.  Bekker. 
VI**).  Ein  Kollege  des  Harp.,  Telephos  aus  Pergamon,  Lehrer  des 
Kaisers  Marcus,  Anhänger  des  Krates,  studierte  gleichfalls  eifrigst  die  atti- 
schen Redner,  unter  seinen  zahlreichen  grammatikalischen  Schriften  nennt 
Suidas  auch  nfQi  avvra^ewg  Xoyov  ^Attixov  5  Bände  und  nsQi  xqi]a€(ag  i'^To^ 
ovondrwv  iaO'rJTog  xal  twv  aXkwr  oig  xQwiieO^a  {iati  St  xard  aroixfi'ov).    Seine 


')  Weber,  De  Philemone  Atheniensi 
glossographo  (in  Comtnentationcs  philol.  quib. 
O.  Ribbcckio . .  congraiul.  discipuli  Lipsiens. 
Teubn.  1888  p.  441—51.) 

'^)  Im  Lex.  Seguerian.  IV;  s.  Carnüth 
in  Buisians  JB.  187G  p.  133. 

3)  S.  BLASS  in  Hermes  Bd.  XVII,  148  ff. 

*)  Nach  Leop.  Cohn  (Fleckeisen,  N. 
Jbb.  Supplm.  13  p.  828)  aus  gleicher  Quelle 
geflossen,  wie  Lex.  Bekkeri  V"*". 

^)  Rindfleisch,  De  Pausaniae  et  Aelii 
Dionysii  lexicis  rhetoricis  Regiom.  18GG  und 
dazu  Schoenemann,  De  Lexicographis,  cap.  II. 

^)  Lex  Seguerian.  V*""  gibt  Glossen, 
welche  am  Anfang  Pausanias  (auch  Caecilius), 


in  der  Mitte  Diogenian  und  Ail.  Dionysios, 
am  Plnde  Caecilius  als  Quelle  verraten. 
Carnutii  in  Bursians  JB.  187()  p.  135.  Vgl. 
p]oK>'OLFP  ib.  VII,  100  ff. 

')  Vgl.  Christ  p.  507  f.  Ausg.  v.  I. 
Bekker,  Berol.  1833,  v.  G.  Dindorf,  Oxon. 
1853. 

^)  C.  BoYSEN,  De  Harp.  lexici  fontibus  etc. 
Kiliae  1870  §  2. 

»)  Vgl.  BLASS,  Hermes  17,  100. 

'^')  Rindfleisch,  Carkuth,  (Bursian  JB. 
a.  0.  138);  vgl.  Leop.  Cohn  in  Fleckeis. 
N.  Jbb.  Suppl.  13,  820. 

^»)  Rindfleisch,  Carnuth  ib.  132. 

'2)  Leop.  Cohn,  N.  Jbb.  Suppl.  13,  827. 


1.  Qeschichte  nnd  Litteratnr  der  griechischen  Lexikographie. 


591 


Wörterbücher  bewiesen  genaue  Lektüre  der  attischen  Musterschriftsteller; 
sein  (oxvToxiov  (iati  dh  cvvaYoyyrj  smO^tTwv  etg  to  avTo  nqayiia  dg/io^ovTwv 
TtQog  hToifiov  fVTioQtav  (pgdafMg  ßißh'a  dtxa)  ist  ein  lexikalisches  Nach- 
schlagebuch für  Redefertigkeit.  Im  allgemeinen  gilt  von  den  Rednerlexika, 
dass  dieselben  „durchaus  getrennt  und  unabhängig  von  der  übrigen  lexiko- 
graphischen Literatur  entstanden  sind.  Die  Ähnlichkeit  beruht  nur  darauf, 
dass  sie  auf  denselben  Arbeiten  der  Alexandriner  beruhen  wie  die  Spezial- 
Schriften  zu  anderen  Schriftstellern  und  die  grammatisch-lexikalischen  Werke 
allgemeineren  Inhalts**  (Leop.  Cohn,  N.  Jbb.  Suppl.  13,  826). 

7.  Attikisten  ^)  nannte  man  zuerst  die  Bearbeiter  des  attischen  Dialekts, 
welche  glossatorisch  verfuhren  (vgl.  oben  N.  5  a.  E.),  aber  dann  die  Be- 
obachter des  rein  attischen  Sprachgebrauchs  und  Stils,  welche  also  schieden 
1)  was  altattisch,  2)  was  im  Attischen  selten,  3)  was  nach  Zeiten  oder 
Autoren  die  Bedeutung  wechselte,  4)  wo  die  attische  Bedeutung  weiter, 
5)  wo  sie  genauer  geschieden  war  als  in  der  xoivij,  6)  was  in  letzterer 
gut,  aber  im  Attischen  unbelegt  war.  —  Hiezu  gehören  ausser  den  unter 
N.  5  oben  genannten  (aus  N.  C)  Caecilius  Kalaktin.,  Ailios  Dionysios,  Pau- 
sanias,  Telephos,  Harpokration,  insbesondere  noch  Philemon  aus  Athen^) 
Julius  Vestinus,  Geheimschreiber  Yespasians,  exkayf]  ovo/xdtwv  aus  Demo- 
sthenes,  Thukydides,  Isaios,  Isokrates,  Thrasymachos;  Eirenaios^)  aus 
Alexandria,  lat.  Minucius  Pacatus  (nach  Hadrian)  Schüler  des  Heliodoros; 
Valerius  Pollio,  avvaywyr^  'Avttxdv  kb^ewr,  und  sein  Sohn  Val.  Diodoros, 
Verfasser  eines  Lexikons,  wie  auch  Philostratos  o  TvQiog;  auch  ein  ge- 
wisser Julianos;  ein  Epitherses  (=  Thersis?)  schrieb  (ca.  70  p.  C.)  tisqI 
Xt^soav  UvTtxMv  xai  xwfuxdv  xai  TQayixiav  ein  Wörterbuch.  Gegen  Ende 
des  zweiten  Jahrh.  p.  C.  schrieb  Ailios  Moiris  UtuxiaTj^g  nicht  streng 
alphabetisch  A*?«g  ^Axtixai\  immer  in  Parallele  mit  den  zu  seiner  Zeit  üb- 
lichen (iXXrivixmg^  xoivwg)  unter  genauer  Hervorhebung  der  Unterschiede 
in  Wort,  Form,  Genus,  Accent  und  Bedeutung,  also  vorwiegend  eine  sprach- 
liche Studie,  welche  freilich  in  einem  alterierten  Zustand  überliefert  ist,*) 
indem  wohl  manches  aus  Diogeneianos  herüberfloss.^)  Phrynichos,  6  Agd- 
ßtogy  in  Bithynien,  schrieb  mit  einer  an  Kaiser  Commodus  gerichteten  Wid- 
mungsepistel ein  grosses  Werk  2o(fiavixr]  Ttaqaaxevrj,  37  Bände,  wovon  aber 
nur  zwei  dürftige  Auszüge  auf  uns  gekommen  sind:  ix  täv  ^qvvixov  tov 
^ÄQaßiov  rr^g  ao(ftaTixi]g  Tragaaxevrjg  und  'Exkoyrj  ^rj/idTfüv  xai  ovoiidzünv  !4r- 
r/xwi'.«)  Als  Gegner  des  Phrynichos  schrieb  Oros  unter  Belegung  mancher 
von  jenem  verpönter  Ausdrücke  aus  guten  Autoren.     Ob  der  noch  über- 


')  Vgl.  auch  unedierte  Fragmente  aus 
der  attikistischen  Litteratur  von  Leop.  Cohn 
(Rhein.  Mus.  43  p.  405-18):  Pseudo-HERO- 
dian:  itsQL  i^fAttQTtjfieytoy  Xe^stoy  und  Ps.- 
Philetatros  (aus  d.  späten  Kaiserzeit)  viel- 
leicht vom  Krateteer  Cornelius  Alexander.  — 
Von  Leop.  Cohn  und  R.  Scholl  wird  eine 
Neubearbeitung  der  Attikisten  erscheinen. 

2)  Weber,  Rhein.  Mus.  43,  441-51. 

')  Zu  diesem  u.  d.  folgdn.  s.  Christ 
p.  5t>7. 

**)  Ausgb.  V.  Hudson,  Oxon.  1712.  Ruhn- 


ken-Fischer  Lips.  175G,  beide  gegen  die 
H9ss.  streng  alphab.;  getreuer  Pierson,  L. 
Bat.  1759.  Jacobitz  Lps.  1830,  31 ;  A.  Koch, 
Lips.  1830—31;  J.  Bekker,  Berol.  1883  (mit 
Harpokration). 

^)  R.  Rbitzbnstein,  Rhein.  Mus.  43  p. 
447,  3. 

^)  Gesamtausgabe  mit  reichem  litterav- 
histor.  Kommentar  von  Lobeck,  Lips.  1820; 
die  ixXoyij  The  new  Phrynichos  .  .  with 
Introductions  and  Commentary  by  W.  Gunion 
Rutherford,  London,  Macmillan  1881. 


592 


Ca)  Griechische  Lexikographie. 


lieferte  ^ArratTixiaTr^g  jene  Schrift  ist,  bleibt  zweifelhaft.  Julius  Pollux 
{UoXvdsvxrfi)  aus  Naukratis,  Schüler  des  Rhetors  Adrianos,  Professor  der 
Sophistik  in  Athen,  ca.  180  p.  C,  verfasste  ein  ^Ovofiaanxov  in  zehn  übri- 
gens unglcichmässig  1)  gearbeiteten  Büchern,  nach  Kategorien  sachlich  ge- 
ordnet (s.  Christ  p.  568).  Er  erklärt  übrigens  ausdrücklich,  dass  er  nur 
den  Rednern  und  Deklamationen  habe  dienen  wollen,  nicht  der  Exegese 
der  Alten,  auch  nicht  einen  thesaurus  graecus  zu  schaffen,  war  seine  Ab- 
sicht,^) sondern  zu  lehren,  wie  ein  Gegenstand  zu  loben  oder  zu  tadeln  sei, 
ob  ein  Ausdruck  hart,  gewaltsam,  keck  oder  doxiiiov^  tixsltg^  asfgvoteQov 
u.  s.  f.  sei.  Gleichwohl  ist  sein  sprachlicher  und  sachlicher  Inhalt  für  uns 
von  hohem  Werte. 

8.  Allgemeine  Wörterbücher  gab  es  von  den  Aristarcheem  an,  und 
selbst  unter  den  bisher  genannten  sind  manche  nicht  rein  sprachliche.  Das 
bedeutendste  der  römischen  Kaiserzeit  ist  von  Pamphilos  aus  Alexandria 
(I.  Jahrhdt.  p.  C),  betitelt  ^eijuoiv  oder  negi  ykioaciav  i'itot  kt^emv.  Dieser 
letzte  aristarchische  Grammatiker^)  fasst  die  Leistungen  desDidymos,  Apion, 
Aristoph.  Byz.,  Diodoros^  ApoUodoros  Kyren.,  Epainetos,  Herakleon,  Hippo- 
nax,  Artemidoros  zusammen. **)  Im  ersten  Teile  nsqi  ylfoaaoiv  waren  die 
Spezialglossare  zu  einzelnen  Autoren,  zu  Tragödie  und  Komödie,  aus  Mund- 
arten, zusammengefasst;  im  zweiten  neqi  ovofiarcav  andere  sachliche  Glossaro 
z.  B.  über  Koch-,  Schiffbaukunst  u.  s.  f.  überall  mit  reichen  Gitaten,  deren 
Reste  im  Athenaios^)  noch  vorliegen.  Der  Plan  rührte  aber  von  dem 
gleichzeitigen  Grammatiker  Zopyrion  her,  welcher  auch  A—J  vei-fasste. 
—  Vestinus  (ca.  100  p.  C.)  ordnete  sein  Exzerpt  daraus  in  4  Büchern 
nach  den  Gegenständen.^)  Dagegen  der  etwas  jüngere  Diogeneianos  zog 
das  Werk  aus  in  5  Büchern,  welche  er  streng  alphabetisch  ordnete  unter 
Weglassung  von  Citaten  und  sonst  entbehrlich  scheinenden  Notizen.  Ob 
dies  die  TifQieQyoTttrr^ztg  sind,  welche  Hesychios  benützte,  ist  nicht  sicher;') 
von  seinem  echten  Auszug  finden  sich  noch  Exzerpte  vor.*) 

9.  Noch  sind  zu  nennen:  Herennios  Philon  (Egevriog)  aus  Byblos 
(ca.  200  p.  C.)  Ttegl  diaqoQwv  ai]iiaivoiibY(üi\  Hauptquelle  für  Eustathios, 
wo  er  von  iia^ogal  ovo/naTcov  spricht;^)  negt  dtaifoqäg  atj/iaaiag  waren  die 
dem  Eustathios  vorliegenden  Exzerpte  betitelt;  daraus  hat  auch  Ammonios 
mit  Lücken*^)  abgeschrieben.  Das  Werk  war  äraxtov,  wurde  jedoch  von 
Kompilatoren  und  Epitomatoren  hernach  in  alphabetische  Ordnung  gebracht. 


^)  Althaus,  Quaestionum  de  Jul.  Pol- 
liicis  fontibus  Spec.  Diss.  Beiol.  1874. 

*)  Jul.  Scüoenemann,  De  lexicograpbis 
etc.  Diss.  Bonnae  1886  p.  (30. 

^)  Das  folgende  hauptsächlich  nach 
Reitzenstein  im  Rhein.  Museum  43  (1888) 
S.  455  ff.  Vgl.  J.  ScHOENEMANN,  De  loxico- 
graphis  antiquis  qui  rerum  ordinem  secuti 
sunt  quaestionos,  Diss.  Bonnae  1886  c.  III. 
A.  Blau,  de  Aristarchi  discipulis.  Diss.  .Tenae. 
1883. 

**)  Vgl.  Leop.  Cohn  in  Fleckeisen  N. 
Jbb.  Suppl.  12,  343. 

^)  Aus  diesem  lässt  sich  teilweise  man- 
ches   herstellen;    auch    in    den   griechisch- 


lateinischen Glossaren  sind  dürftige  Reste 
aus  Pamphilos  cntlialten.  Vgl.  Schoenemann 
a.  0.  cap.  V. 

^)   SCHOENKMANN,   a.    0.    p.    69  f. 

')  Vgl.  Christ  p.  618. 

^)  In  der  vierten  Sammlung  der  Papier- 
handsohr, vom  Athos,  welche  Em.  Milleb 
in  M Klanges  grecs  p.  376  ff.  veröffentlicht 
hat.  Lp.  Cohn  in  Fleckeis.  N.  Jb.  Supplm. 
13  p.  839  nota.  Ka  war  noch  benützt  von 
einem  Scholiasten  zu  Piaton:  Lp.  Cohn  ib. 
p.  783  f. 

®)  Leop.  Cohn,  De  Heraclide  Milesio 
p.  11. 

^.^)  S.  Lp.  Cohn,  De  Heraclide  Miles.  p.  12. 


1.  Oesohichie  nnd  Litieratnr  der  grieclÜBchen  Lezikocpraphie. 


^93 


-  Aus  dem  Anfang  des  3.  Jahrhunderts  Interpretamenta  —  Pseudo-Do- 
sithei  Magistri*)  —  Montepessulana  vel  Leidensia'),  zuerst  ediert  durch 
H.  Stephanus,  Paris  1573  Glossaria  duo  etc.  p.  237—281.  Ähnliche  führt 
LoEWE  an.*)  —  Eudemos  (unbest.  Zeit),  Verfasser  der  avvaywyi]  Xt^etov 
XQfjfTififov,  hatte  das  sog.  Lex.  Bachmanni  =:  Goislin.  345  (wie  schon  Metho- 
dios)  benützt  und  Glossen  von  Tiroaios  dazu ;  so  wurde  er  später  von  Suidas 
benützt.  —  Zenobios  schrieb  einen  Kommentar  zu  dem  ^rjfiatixov  des 
Apollonios  Dyskolos;  er  hat  aber  ausser  diesem  und  einer  in^zoiir]  ix  rm* 
TaQqaiov  xai  Jiivfiov  nagoifiuiv  noch  nccqsxßoXal  slg  to  ^ijficc  u.  a.  ge- 
schrieben.^) Die  drei  ersten  Sammlungen  in  Miller,  M^langes  p.  349—375 
stellen  die  echte  ursprüngliche  Form  des  Zenob.  Werkes  dar.*)  —  Theo- 
doretus,  OsoiiOQitov  (sie)  neql  nveufidrwv^  ein  Lexikon  über  die  Spiritus, 
das  bis  auf  Moschopulos  viel  im  Unterricht  gebraucht  wurde.  Dieses  Lexikon 
ersetzt  uns  den  zweiten  Teil  des  zwanzigsten  Buches  von  Herodians  xaO^o- 
lixr^  und  ist^)  in  9  Hdss.  überliefert  (meist  sec.  XV);  dasselbe  20.  Buch 
ist  aber  auch  in  einer  anderen  Form  auf  uns  gekommen,  nämlich  unter 
Benützung  und  Abänderung  des  Theodoret  in  dem  sog.  Mischlexikon, ^) 
und  endlich  das  Lexikon  des  Georgios  Zegabenos  de  septem  vocalibus  et 
reliquis  litteris  consonantibus,  über  welches,  wie  über  das  des  Theodoros 
Ptochoprodromos  (sec.  XII)  ebenfalls  Egenolff  handelt.^)  Letzteres  ist 
aus  einem  cod.  Smymaeus  veröffentlicht  von  Papadopulos  und  Miller.  — 
Unter  dem  Namen  des  Ammonios  (Ende  des  IV.  sec.)  ist  überliefert  ein 
synonym.  Lexikon  negi  oixoiwv  xai  iia^oqtav  Xt^enDv;^)  dies  ist  aber  mit 
Lücken  abgeschrieben  —  aus  nsQl  Staffoqag  atjixaafagy  Exzerpt  aus  Herennios 
Philon  —  und  zwar  von  einem  christlichen  Byzantiner.*®) 

10.  Vom  fünften  Jahrhundert  an  sind  lediglich  Sammelarbeiten  zu 
nennen.  Helladios  aus  Alexandria  (Anfang  d.  5.  Jahrb.)  grosses  Lexikon 
^t^swg  navToiag  x^r^crig,  von  Photios  und  Suidas  benützt;  Timotheos  von 
Gaza,  Schüler  des  HorapoUon:  at  xavd  axoixeXov  ddfd^oyyoi^  ein  Teil  des 
allgemeinen  Werkes  neqi  oQi^oyqafpiag^^^)  zugleich  Quelle  für  das  avxiaioi- 
XUQiov  Tiüv  xd"  atoix^ioiv  (sec.  XII),  welches  auch  eine  ältere  Etymologien- 
sammlung benützte.  Orion  von  Theben  (ca.  450),  in  Konstantinopel  und 
in  Cäsarea,  dessen  Hauptlexikon  nsqi  hvfioXoyiwv  auf  Älteren,*  2)  besonders 
Herakleides  Pont.,  Philoxenos,  Soranus,  Herodianos  und  Oros  Miles.   ruht 


*)  Von  dem  Herausgeber  (Böcking  1832, 
BoDD.)  fälschlich  Dos.  gcDannt. 

*)  Vgl.  Kbumbachbr,  De  coüicibus  quibus 
Interpretamenta  Pseudo-Dositheana  nobis  tra- 
dita  sunt.  Progr.  d.  Ludwigsgymn.  Mtinchen 
1883. 

*)  Prodromus  Corporis  glossar.  Lat.  p. 
203-8. 

*)  G.  ScHOEMANV,  De  Etymologi  Magni 
fontib.  II.  De  Zenobii  scriptis  verisimm. 
Progr.  d.  Stfidt.  Gymn.  Danzig.  1887. 

^)  Warnkboss,  De  paroemiographis  ca- 
pita  duo.  Gryphisw.  1881,  vgl.  Leop.  Cohn, 
Fleckeisen  N.  Jbb.  Suppl.  13,  839. 

*)  Aus  Barocc.  08  abgeschr.  in  cod.  447 
zu  Caen  (chart.  sec.  XVII)  nach  Koenolff, 
Heidelbg.  Gymn.  Progr.  1888  S.  32  zu  11  und 


14.  Überhaupt  ist  dessen  Mannheimer  Progr. 
1887  S.  10  ff.  und  Uhlio  in  Fleckeisens  N. 
Jbb.  121,  789  ff.  über  Theodoret  u.  a.  zu 
v^rffi  eichen 

')  Egenolff  1887  S.  17  ff.  und  Nachtrag 
(1888)  zu  S.  19.  20.  Zwölf  Hdss.  XIV.-XVI. 
sec.  Zuerst  von  Valckenaer  hinter  dem  Am- 
monios p.  207  ff.  ediert  (L.  B.  1739)  aus  cod. 
Voss.  20. 

8)  Mannheimer  Progr.  1887  S.  22  f.  u. 
Nachtrag  im  Heidelbgr.  Progr.  1888.  Vgl. 
Bursian  JB.  46,  156. 

«)  Christ  §  568. 

***)  Leop.  Cohn,  De  Ileraclide  Milcsio 
gramm.  Berol.  1884  p.  10. 

>•)  S.  Egenolff.  1888  Progr.  S.  34. 

")  Lp.  Cohn,  de  Heraclide  Pontico  p.  84. 


Handbuch  der  klam.  AlterttimMWimeuBcbait.  II.    2.  Aufl. 


38 


594  ^»f^)  Chrieohische  Lexikographie. 

und  selbst  wieder  Quelle  für  die  sog.  Etymologica  (nachher  §  11)  wurde. 
—  Das  sog.  Lexikon  des  Kyrillos  (wohl  nicht  des  alexandrin.  Patriarchen, 
431  Concil  von  Ephesos)  ist  im  Et.  Magn.  zum  Teil  erhalten,  aber  entstellt 
und  erweitert,  in  vielen  Hdss.  >)  verbreitet  und  grösserenteils  auch  gedruckt 
Darein  waren  auch  Notizen  eines  Stephanos- Glossars')  verarbeitet  und 
beide  hinwieder  sind  von  Hesychios  von  Alexandria  (V.  Jahrh.)  benutzt 
worden.  Dieser  wollte  eigentlich  nur  eine  neue  Auflage  der  ne^fQyoTiävtjTig 
des  Diogeneianos  ^)  geben,  hat  aber  noch  insbesondere  das  Homerlexikon 
des  Apion,  des  Apollonios  und  Didymos  hineinverarbeitet.  So  entstand  das 
reichhaltigste  der  uns  erhaltenen  Glossare,  welches  auch  für  die  Kritik 
gute  Dienste  gethan  hat,  ausserdem  Lokaldialekte  vielfach  berücksichtigt. 
Dagegen  Hesychios  Milesius  Ulustrius  (VI.  sec.)  hat  hauptsächlich  nach 
Ailios  Dionysios  und  Herennios  Philon  sein  wichtiges  litterarhistorisches 
Wörterbuch  ^OvoixaxoXoyog  i;  niva^  twv  iv  naiisltf  ovo^iaatiav  zusammen- 
gestellt. Des  Grammatikers  Romanos  Schüler  Joannes  grammaticus 
^iXonovoq  aus  Alexandria  wird  als  Verfasser  einer  avvaywyrj  t£v  nQog 
diaifoqov  aij/iaatav  Jia^oQwg  Tovov^bvvov  kk^enav  von  Eustathios  zitiert.'*)  — 
Eudemos  aus  Augustopolis  in  Phrygien  gründete  ein  rhetorisches  Lexikon, 
welches  Photios  benützte,  wie  Suidas  seine  Sprichwörtersammlung.*)  — 
Nachdem  Kleitarchos  aus  Aegina  (schon  vor  Nero)  ein  geographisches 
Lexikon  angelegt  hatte,  war  ein  grösseres  von  Stephanus  Byz.  iun.  (nach 
400  p.  C.)  unter  dem  Titel  'Ex^rixä  verfasst,  ein  sehr  reichhaltiges  auch  an 
historischen  Notizen  reiches  Werk,  uns  nur  in  dem  dürftigen  Auszug  des 
Hermolaos  (z.  Z.  Justinians)  erhalten.^)  —  Georg.  Choiroboskos  ist  hier 
wegen  seines  Wörterbuches  tisqI  nvevfjrcnwv  zu  nennen.'') 

11.  Photios,  Patriarch  von  Konstantinopel  857—879,  verfasste  das 
sprachliche  Lexikon  At^emv  awayiayr^,^)  in  welchem  die  Sammlung  des 
Diogeneianos  unter  Zuziehung  von  Speziallexika  zu  Plato,  den  attischen 
liednern  (bes.  das  des  Julianus),  Homer  u.  a.  verwertet  wurde;  Eudemos 
und  das  sog.  lex.  Bachmanni^)  ist  nicht  von  ihm  benützt,  sondern  ein 
anderes  vollständigeres  (C.  Boysen,  Carnuth  Bursian  JB.  1876).  —  Dieses 
sog.  Lexic.  Bachmanni  (in  cod.  Coislin.  345  u.  347,  sec.  X,  XI)  avvaywyi] 


•)  S.  Nicolai,  Gr.  Litt.  Gesch.  III,  182   |   Vgl.  übrigens  auch  Reitzenstrin,  die  Über 


und  EoENOLFF,  Progr.  Heidelbg.  1888  S.  33. 
I/OKWE,  Trodromus  §  12,  Goetz,  Corp.  Gloss. 
Lat.  II  praef.  p.  XX  ff.  Das  Cyrill-Glossar 
ist  auch  von  Photios  und  Suidas  als  Quelle 


arbeitung  des  Lex.  des  Hesychios,  im  Rhein. 
Mus.  43,  443-4(50. 

*)  Zu  Od.  X  227,   1880    von    Eoenolff 
herausgeg.  u.  d.  T.  negl   nav   dia^oQta^  lo- 


benützt;    selbst    aber    teilweise    durch   Um-    I    yovfAivutv  xtti  duitpoga  atj^myoyttoy. 
kehrung  aus   Philoxenos  geflossen:  Loewe,   ,  *)  Nach  Ritschl  Opusc.  I,  GÜ9  schon  ins 

Prodrom  US  p.  193.  3.  Jahrhdt.  zu  setzen. 


2)  R.  Reitzenstein  im  Rhein.  Mus.  43, 
443 -ÜO. 

3}  Ob  dessen  eigenes  Werk  oder  den 
Auszug  aus  Pamphilos,  ist  noch  nicht  aus- 
gemacht. Weber,  De  Hesychii  ad  Eulogium 
Epistola,  Weimar  1805  und  Fleckeisen  N. 
Jbb.  Suppl.  111  449-625.  Hauptausgabe  v. 
Maur.  ScDMiDT,  4  voll.  Jena,  Mauke,  1858 — 
04,  4*^  mit  ausf.  Quaestiones,  ein  Werk  deut- 
schen Fleissos;  in  der  Editio  minor  1804. 
4^  sind  die  Diogeneianos-Glossen  geschieden. 


«)  S.  weiteres  b.  Christ  §  540. 

')  Egenolff,  Mannheimer  Progr.  1887, 
S.  20,  im  Heidelberger  1888  S.  32  f. 

**)  Hauptausgabe  von  Naber  L.  B.  1800, 
zwei  Bde.  mit  ausf.  Prolegomena. 

•)  Über  das  Verhältnis  der  üwayotyi] 
zu  anderen  derartigen  Sammlungen  s.  Lp. 
CoHN  inFlcckeisen  N.  Jbb.  Suppl.  13,  813  f, 
827  und  dagegen  Brachmann,  ib.  Supplmtb. 
14,  395. 


1.  Qeschichte  und  Liiteratnr  der  griechisclieii  Lezikocpraphie. 


595 


Xs^siov  x^i;(r//i(i)i'  ix  iiatfOQtov  aoipwv  ts  xal  ^tjtoqwv  noXlciv  (dessen  Anfang 
lit.  a  in  Bekkers  Lex.  VI  sich  befindet)  von  lit.  ß — w  findet  sieh  in  Photios 
und  Suidas  wieder,  aber  letzterer  hat  nicht  den  Photios  benützt.  Es  ist 
Grundlage  für  Methodios,')  welcher  nur  andre  Glossen  aus  Harpokration, 
Timaios,  Ail.  Dionysios,  Pausan.  damit  versetzte;  dann  für  Eudemos  und 
Photios.*)  —  Das  umfangreichste  encyklopädische  Wörterbuch  hat  Suidas 
(sec.  X)  verfasst,  s.  Christ  §  572,  ein  gründliches  sprachliches  und  sach- 
liches Lexikon.  Dass  Eudokia's  Vcoria,  Violarium,  dann  des  Philoxenos') 
und  Gyrillus^)  sog.  Lexika  Fälschungen  sind:  vgl.  Loewe,  Prodrom.  §  11, 1, 
Christ  p.  620  f.  Etwa  ein  Fünftel  der  Cyrillusglossen  ist  im  Hesych.  er- 
halten ;  die  Codices  bieten  griechisch-lateinische  Glossen,  die  eigentlich  mehr 
Wert  für  das  Vulgärlatein  haben;  vieles  dazu  aus  Charisius  entlehnt.  — 
Des  Philemon  li^ixov  TsxvoXoyixov  ist  nun  gleichfalls  als  Fälschung  (des 
16.  sec.)  erkannt.'^)  Wie  Glossare  entstanden,  zeigt  anschaulich  ein  im 
9.  Jahrhundert  angelegtes  homerisches,  in  welcliem  wahrscheinlich  aus 
einem  alten  Homercodex  —  ähnlich  wie  in  Venet.  A  —  nur  Lemmata  und 
Randscholien  bes.  in  Kolumnen  neben  einander  ausgeschrieben  wurden.  Der 
von  Sittl^)  besprochene  cod.  graec.  6  der  röm.  Nationalbibl.  (sec.  IX)  ist 
eine  Kopie  davon. 

12.    Im  tieferen  Mittelalter  sind   zu  nennen  einzelne  anonyme  oder 
Pseudonyme  Lexika,  welche  von  Bekker  (Anecd.  gr.),  Gramer  (Anecd.  Paris, 
und  Oxoniens.),  Bachmann  (A.  gr.),   Matthiae  (Gloss.  graeca  min.),   Loewe 
und  Götz  (Prodrom,  u.  Corpus  glossarior.  latinor.),  Nauck  Lex.  Vindobonense 
(cod.  Vind.  169)  u.  a.  veröffentlicht  sind.    Liber  glossarum,^)   der  den 
apokryphen  Namen  Ansileubi  führt,  liegt  zu  gründe  dem  1)  Glossar.  Salo- 
monis  (f  919),   2)  Papias   und   Vincentius  Bellovac,  3)  Osberni  Panormia 
(sec.  XII),   4)  Hugutionis  lib.  derivationum   (c.  1192),  5)  loannis  de  Janua 
summa  s.   catholicon    (1286).  —  Neben   dem  grossen   sog.   Philoxenos*) 
und  Cyrillus,^)  gab  es  auch  kleine  Lexika,  z.  B. 
I.  Idiomata  codicis  Harleiani  5792.**^) 
II.  Servii  gramm.  gloss. 
III.  Idiomata  nominativa,   quae  per  genera  asseruntur.  >  i) 


^)  VoD  dessen  sog.  JlfAODifiTy-Lexik.  einen 
Auszug  publizierte  Sturtz  hinter  dem  Et. 
(iud.  p.  617  £f.;  cf.  Bachmanni  Anekd.  gr.  1, 
1-422. 

*)  CiRHXJTH  in  Burs.  Jb.  187G. 

^)  Die  Lexika  des  Philoxenos:  Carntith 
in  Bursians  JB.  1876  p.  345;  Loewe,  Pro- 
dromus  §  11  p.  180  ff.  210  ff.  Das  Pseu- 
donyme aber  weitaus  beste,  m.  9652  Glossen, 
Ed.  pr.  H.  Stephan!  1573.  Vgl.  Jos.  Klein 
im  Rhein.  Mus.  24,  299-302. 

*)  Götz,  Corp.  gloss.  lat.  II,  praef.  p.  XX 
sqq.  (übrigens  s.  oben  §  10,  G).  Der  gricch- 
lat.  Cjrill  bei  H.  Stephanus  p.  303  ff.  hat 
ca.  15,800  Glossen. 

*)  Christ  S.  621 ;  vgl.  auch  Weber,  De 
Philemone  Atheniensi  glossographo. 

^)  Sitzungsber.  der  k.  b.  Ak.  d.  Wiss. 
Phil.  Cl.  1888.  II  p.  255  ff. 

^)  Von  Usener   eingeführter  Titel;  vgl. 


übh.  LoEWE,  Prodrom,  p.  222  §  13  und  dazu 
Bursians  JB.  1876  p.  348. 

*)  CGI.  Lat.  vol.  II  praef.  p.  VII;  beginnt: 
j4,  ano  .  anoTov  '  vnegrov  .vnegtf]g  .  |  ab  «no. 
TtttQa  xtti  vTfo  I  abalieno  anaXXorgno.  und 
schliesst :  Uxorius  *  yvyaixofiayrjg  .  yvyaixo- 
xgttTovfAsyog  \  uxoriosus  *  o  Tfjy  '  idlay  .  yv- 
yaixtt  (piXüiy  .  Expliciunt  glosae  perelementü. 

®)  CGI.  Lat.  vol.  II.  praef.  p.  XX.;  be- 
ginnt: JßaxxovTog  inbauchatus  |  ^^«1 '  aba- 
gus  I  ttßaQTjg  nongravis  |  und  endet  toxQorrjg 
palliditas  |  (nxvQtafiByog  uallatus.  —  Von  H. 
Stephanus  Ausgb.  1573  hängt  Vulcanius  und 
Labbaeus  ab. 

^")  In  Corpus  gloss.  ed.  Labbaeus  p.  199 
bis  205.  Anf. :  suntquedam  *  iiaiy  jtya  \  no- 
minaque  oyofiara  aiiya  \ 

^  ^)  e  cod.  Neapol.  Charisii.  Anf. :  hie  ad- 
ventus  rj  naQovaia. 


38 


596 


Ca)  Chriechische  Lexiko§praphie, 


IV.  Idiomata  codicis  Paris.  7530.*) 

V.  Glossae  cod.  Laudun.  444. 

VI.  Fragmenta  papyracea  antiquissiroa. 
Die  Beziehungen  dieser  verschiedenen  Sammlungen  unter  sich  und  zu 
bekannteren  sind  noch  nicht  hinreichend  erforscht,  da  man  immer  noch 
auf  neues  Material  ausgeht.  —  Von  Joannes  Zonaras  (XII.  Jahrh.)  trägt 
ein  reichhaltiges  Glossar  avvaYooyr-  Xä^ewv  den  Namen,  welches  alphabetisch 
kurze  Notizen,  auch  aus  alt-  und  neutestamentlicher  Litteratur,  aufführt.^) 
Vom  Etymologicum  Magnum  oder  'EvvfioXoyog  iityaq  (XI.  Jahrh.)  einer 
guten  anonymen  Kompilation,  dessen  Hdss.  sehr  abweichen,  hat  man  all- 
mählich einige  Quellen  gefunden. 3)  Das  mit  demselben  verbunden  (von 
Sturz)  herausgegebene  Etymologicum  Gudianum^)  ist  eine  Umarbeitung 
davon,  bald  erweitert,  bald  gekürzt  unter  Zuziehung  von  Ammonios  u.  a. 
synonymischen  Sammlungen.  Et.  Angelicum  (sec.  XV)  in  Rom^)  und 
Et.  Parvum^')  sind  mehr  dem  Gudianum  als  dem  E.M.  ähnlich;  Lex.  Yindo^ 
bonens.  (sec.  XIII  extr.)  gibt  spärliche  Glossen.^)  „Die  späteren  Ge- 
schlechter von  Grammatikern  und  Rhetoren  fanden  sich  durch  die  Gelehr- 
samkeit und  Umfänglichkeit  der  alten  Leistungen  beschwert  und  gehemmt 
und  das  in  immer  steigendem  Masse,  so  dass  jedes  neufabrizierte  Handbuch 
einen  Teil  Ballast  weniger  hatte.**®) 

13.  Ebenso  wurde  auch  der  Kreis  der  Lektüre  immer  enger;  man 
half  sich  auch  da  mit  Chrestomathien  und  Auszügen.  So  feierte  in  der 
Byzantinerzeit  das  Griechentum  wenigstens  eine  Nachblüte,  im  Occident 
aber  ging  es  in  einer  überraschenden  Weise  unter;  wenn  auch  einige 
wenige  Ausnahmen^)  zu  bemerken  sind,  so  herrschte  doch  als  Regel  eine 
tiefe  Unwissenheit,^^)  bis,    nach    dem  Wiederaufleben   des    Humanismus 


')  Verwandt  mit  dem  vorigen  cf.  H.  Keil, 
Gramm.  Lat.  IV  503  [hie  accentus]  17  ngoa- 
(Office  \  hie   adventus    [t;  nagovaia]  \  arcus   17 

2)  Zonarac  lexicon  ex  tribus  codd.  mss. 
nunc  pnm.  ed.  H.  Tittmann,  2  Tomi  Lips. 
1808  (auch  Photios  enthaltend). 

*)  BüYSKN,  Rindfleisch,  Carnüth  in 
Dursian  JB.  187(>,  137.  Die  rhetor.  Glossen 
sind  nicht  aus  Dionys.  oder  Pamphilos,  son- 
dern aus  Photios,  Diogeneianos,  Lexic.  Se- 
guerian.  V  (aber  einem  vollständigeren 
Explr.)  und  Scholien  zu  Homer  und  Aristo- 
phanes.  —  Ilauptausgabo  v.  Stübz  Lips. 
1816 — 20;  eine  neue  wird  von  Carnuth  er- 
hofft. Wichtig  ScHOENEMANN  Dc  K.  M.  fon- 
tibus  I  De  Zcnobii  comm.  Frgmenta  Zenobii. 
Danzig  stödt.  Gymn.  Progr.  1881.  H  De  Ze- 
nobii .  .  scriptis  verisim.  ib.  1887.  Vgl. 
Heitzenstein,  Bericht  üb.  d.  von  ihm  in 
Paris  f.  d.  K.  M.  gemachten  Studien,  in  d. 
Sitzung  der  k.  pr.  Ak.  d.  Wiss.  Berlin  15.  Nov. 
1888. 

*)  Carnuth,  Quellenstudien  zum  Et  Gud. 
Danzig  1880.  Die  Wolfenbüttler  Hds.  ge- 
hörte ehemals  Gude. 

'^)  RiTSciiL  Opusc.  T,  074-  92. 


^)  Ed.  E.  Miller,  M^Ianges  de  litt^ra- 
ture  grecque,  Paris  1868. 

^)  Meist  aus  Harpokr.,  dann  aus  Aristid., 
Libanios,  Synesios  etc.  Ed.  A.  Naück,  Petrop. 
1801.  8. 

*•)  BLASS  im  Hermes  17,  100. 

®)  Theodorus  v.  Tarsus,  Erzbiscb.  v.  Can- 
terbury  ca.  670;  712  Erzb.  Egbert  v.  York. 
Gründer  der  Schule  Alcuins,  der  dann  weit- 
reichenden Einfiuss  übt;  ca.  80O  am  Hofe 
Karls  des  Kahlen  Mannen  u.  Jo.  Scotas  Eri- 
gena,  Übersetzer  des  Pseudo-Dionys.  Areop.; 
ca.  950  Dunstan  in  England;  1050  Lanfranc 
in  der  Normandie.  Vgl.  auch  Hodius,  Dc 
Graecis  illustrib. 

'")  Selbst  Gregor  d.  Gr.,  der  viele  Jahre 
päpstl.  Apokrisarius  in  Constantinopel  war, 
verstand  das  Griechische  nicht  (Gramer,  De 
graecis  medii  aevi  studiis  I,  24);  auch  die 
Beziehungen  der  Ottonen  zu  Byzanz  batton 
keine  tiefere  Wirkung  (Eckstein,  Analekten 
z.  Gesch.  der  Pädagogik,  1805).  Seit  der 
Kirchentrennung  1054  hörte  die  Einwirkuni^ 
von  Osten  auf.  Auch  die  grössten  Schola- 
stiker verstanden  Aristoteles  und  Plato  nicht 
im  Original  zu  losen.  Anf.  13.  saec.  des 
„Gräciata*    f]berhard   v.   Bcthuno    , Graecis- 


1.  Qeschichte  und  Littoratnr  der  grieohischen  Lexikographie. 


597 


in  Italien,  in  Deutschland  zunächst  durch  die  Brüder  des  gemeinsamen 
Lebens  das  griechische  Studium  wieder  erwachte.  ,,In  dieser  Zeit  bot  die 
Einführung  des  griechischen  Unterrichts  grosse  Schwierigkeiten ;  man  hatte 
nur  griechisch  geschriebene  Grammatiken  und  die  Texte  der  Autoren  waren 
so  selten,  dass  z.  B.  Melanchthon  in  Wittenberg  seinen  Zuhörern  Homer 
und  Demosthenes  diktieren  musste,  um  darüber  lesen  zu  können.  Darum 
ist  auch  in  dem  sächsischen  Schulplan  1528  das  Griechische  ausgeschlossen, 
sicher  auch  deshalb,  weil  man  keine  Lehrer  hatte,  die  diesen  Unterricht 
hätten  geben  können.  .  .  Auf  den  weiter  ausgebildeten  Anstalten  wie 
Nürnberg  fand  er  natürlich  seine  Stelle.''^)  Man  hatte  die  alten  Glossare 
und  Lexika  durch  Abschriften  fortgepflanzt;  seit  der  Einwanderung  von 
Griechen  hatte  man  ein  grösseres  Bedürfnis  nach  praktischen  Elementar- 
grammatiken;  ^)  indes  hatte  allerdings  der  florent.  Staatskanzler  Salutato 
(saec.  XV  med.)  gut  gefunden,  dem  Giacomo  de  Scarparia,  der  griech. 
Handss.  von  Byzanz  bringen  sollte,  einzuschärfen,  er  solle  Vokabularien 
nicht  vergessen.*) 

14.   Lexika  der  Inkunabeln-  und  Reformationszeit. 

1478.  Dictionarium  gr.  Milani. 

1480.   J.  Cbabtomus  L.  gr.-lat.  Milani. 

1483.  *EXXr]vixoQü}fiatoy  Xe^ixov  ed.  Joa.  Ereston   (oder  Kraston,   Carm eliter)  in   denselben 

Lettern  zu  Mailand  gedr.  wie  der  Homerus  Florentinus  1484.^) 
1486.    Melancbthomis  Yocabularius  breviloquiis  triplex  alphabetus.  Coloniae. 
1496.   *Ex  Tijjy   Evara^iov   xai  icXXoDy   iydo^toy  yQafifiattxaiy  Baqiyov   Ka/urjQtog^)  ixXoyai 

xard  ajoixetoy,  270  foliierte   Blätter,   Venetiis   in  domo   Aldi    Romani  summa    cura 


mus*  ist  nur  eine  latein.  versifiziert« 
Gramm.»  welche  die  aus  dem  Griech.  stam- 
menden Wörter  berücksichtigt.  Um  1360 
weiss  Petbarca  in  ganz  Italien  nur  c.  8  grie- 
chisch Verstehende  aufzuzählen  (Voigt  II, 
107),  in  Rom  keinen ;  Lionardo  Bruni  ( 1370  — 
1443)  bemerkt:  seit  700  Jahren  hat  niemand 
in  Italien  griechisch  verstanden  (Leon.  Are- 
tini  Comment.  ap.  Muratori  Script.  XIX  920); 
noch  um  1423/27,  wo  Aurispa  u.  Francesco 
Filelfo  von  Byzanz  viele  Hdss.  mitbrachten, 
verstanden  nur  sehr  wenige  Glückliche  grie- 
chisch (Voigt,  Wiederbeleb,  p.  143).  Vollends 
in  Deutschland  konnte  Wimpheling  in  s. 
Isidoneus  (a.  1496)  c.  25  nur  fünf  des  Grie- 
chischen kundige  Gelehrte  nennen. 

')  So  Ecksteim-Heyden,  Griech.  Unterr. 
S.  381.  In  Nürnberg  durch  die  Ratio  scholae 
1526  eingeführt;  s.  Heerwagen  im  Programm 
Nürnberg  1860  p.  27.  29. 

')  Der  erste  griechische  Druck  waren 
des  Laskaris  auf  Gaza  basierte  Gramm, 
und  Erotemata  1476  Milani;  darauf  folgte 
cbdas.  1478  Dictionar.  graec,  1484  Ero- 
temata des  Cbrysoloras,  1493  des  Chal- 
KONDiLAS,  1495  des  Theodoros  Gaza;  1496 
Theod.  Gaza  ygafifiatixt}  eiaaytoytj  4  Bd. 
mit  Apollon.  Dysk.  und  Herodian  ap.  Aldum : 
1496  Aldus  Manutius  Cornu  cojpiae  s.  Horti 
Adonidis,  fol.  204  nagaytoyai  dvaxXirwy 
^rjficcTijy  aus  Heraclides  Miles.;  1501  wurden 
die  des  Guariki  (t  1460)  in  Rhegium  ge- 
druckt;   1501    der    erste  griech.    Druck   in 


Deutschland  v.  Wolfg.  Schenk  in  Erfurt: 
eiaaytoyij  Tigog  ttoy  ygafifiartoy  'EXXfjyaty, 
1512  Sihleri,  Isagogicon  in  literas  graecas 
(Lehrer  und  Muster  Melanchthons).  1516 
des  Engländers  Rioh  Crocus,  Tabulae  graecae 
u.  Theodori  Gazae  lib.  IV  latine.  1516  Fro- 
BENii  (Basil.),  Alphabetum  graecum  d.  i  Lese- 
fibel  mit  Vokabular;  1518  Melanchtbonis, 
Institutiones  gr.  gramm.  (bis  1622  vierund- 
vierzig Neudrucke;  Corpus  Reform.  XX, 
15—179);  1521  Oekolampadii  (1482—1531). 
Dragmata  graecar.  litterar.  [Grammatisches: 
1532  JoA.  Varenvius  (Mechliniensis)  Syn- 
taris linguae  graecae.  Louanii;  1536  Joa. 
Vareknius  id.  c.  annot.  Camerarii  Basil.  8^; 
1549  Akt.  Vessodi  Rutheni  grammaticar. 
Institutionum  libri  V  graeci  et  latini.  Ad 
Petr.  Ramuh  Veromaudunum  praelorum 
yvfiyaaittQXV^'  Paris,  ap.  Lod.  Begatium  sub 
Phoenicc.  8^  76  pp.;  1554  Th.  Bezab  (1519 
bis  1603)  Alphabetum  gr.;  1555  Cominii  Hel- 
lenismus; 1562  Petr.  Rami  (1515  —72)  Gramm, 
et  Syntax.]. 

*)  F.  Mebus,  Vita  Ambros.  Traversarii 
p.  356,  358. 

^)  Neue  Aufl.  1483  in  Vicenza;  Auszug 
V.  Accursius,  Milani  1480.    4^. 

^)  GuARiNus  aus  Favera  bei  Camerino 
in  Umbrien,  Schüler  des  Jo.  Laskaris  und 
Angelo  Politiano.  Benediktiner,  Lehrer  des 
P.  Leo  X.,  1514  Bisch,  v.  Nocera,  t  1537 
in  Spoleto.  Sein  Lexikon  wurde  noch  1712 
in  Venedig  neu  aufgelegt. 


598 


Ca)  Qriechische  Lexikographie. 


1497. 

1497. 
1499. 
1 502. 
1505. 


1512. 


1516. 
(1517. 

1519. 
1524. 


1530. 
1532. 
1533. 
1530. 

1537. 
1537. 
1537. 
1 539. 
1539. 


laboreq.  praemagno  MIIIID.   —   Weiterhin  (VariDi-)  Phavorini  Thesaur.  comucopiae 
et  horti  Adonidis.    Yenet.    Aid.  1504   fol.  u.  Mäya  xai   nayrtiHp^hfioy  Xe^ueoy  om^ 
FttQivog  ^(tßoiQiyog   Kttfiijgg^    6    NovxMQLag   iniaxonog  .  .  .   avyM^ato   imprees.   per 
Zach.  Kaliergi  Cretensem  Romae  1523;  repet.  1525  foL,  1538  Basil.  fol. 
Das  Hauptwerk  Dictionarium  graec.  copiosissim.  ordino  alphabeti  com  interpretalione 
latina.  —  Venetiis  in  aedib.  Aldi  Manutii  Komani  Decembri  mense  MIIID.') 
ViKCEMTii,  vocabular.  Regii. 
Berthorii  Dictionarium  Norimbergae  fol. 

Calepini  (f  1510)  Dictionarium  Xf  Hnguarum,  oft  aufgelegt  bis  1778. 
Primogeniae    voces   s.    Radices    linguae    gr.    separat,    excus.    Coloniae    ap.    Wal- 
ther. 8^^)  dahinter  Paedomachia  graecanica  d.  i.   gramm.  Fragen  und  Antworten, 
unter  bes.  Tit.  1620.  8^ 

Hieron.  Alsandri')  Mottensis  Lex.  graeco-Iat  multis  et  praeclaris  additionibas 
complet.  ap.  Matth.  Bolsenum  in  vico  decretor.  Lutet.  Paris.  1512.  Daraus  wurde 
später  durch  Schüler  desselben  Ae^ixoy  TjXXrjyoQtofÄaixoy  op.  Budaei,  Tusani^  Gesneri, 
IL  Juni.  Basil.  1568  u.  A.  'EXX.  ray  intti*)  Basil.  1572,  zu  denen  in  der  Ausgabe  Basil. 
Henric  petri  1584  noch  drei  weitere  Namen  ^)  auf  dem  Titel  genannt  sind. 
Dictionar.  gr.  a.  Thbod.  Gaza,  Basil.  Proben. 

Colloquiorum  familiär,   incerto  auctore    libellus  ed.  Beatus  Rhenanus.  Lovanii,   Th. 
Martin,  4»). 

Diction.  gr.  ultra  Ferrariensem  edit.  locupletatum  locis  infinitis.  Basil.  Cartandri  offic. 
Dictionarius  graecus   praeter  omnes  superiores  accessiones  ingenti   vocabulor.  nnm. 
locuplet.  p.  JoA.  Ceratinum^).     Basil.  Proben,  mit  Praef.  Desideri  Erasmi,  der  einen 
Vorläufer  Gurmuntius  erwähnt. 
Seb.  Münsteri,  Dict.  trilingue  1.  gr.  hebr.  Basil. 
Petri  Gillii')  Albiens.    Lex.  gr.  lat.  Basil.  offic.  Val.  Curionis 
Gybert  Lonoolius  Ubricensis  Lexic.  gr.  lat.  Colon.  Prael.  8^. 

Thesaur.  linguae  utriusque   mit    onomasticon    vocum   latino-graecar.  v.  Bonaven- 
tura Vulcanius  Argentor.") 
Lex.  gr.  lat.  Basil.  officin.  Jac.  Walderi. 
Gelenii  (t  1555)  Lex.  quadrilingue. 
CoNR.  Gesneri,  Lex.  gr.  lat.  Basil.,  iter.  1545. 
Simon.  Grynaei^)  lex.  gr.  Basil.  ap.  Joa.  Walder. 
Lex.  gr.  lat.  opera  Petri  Dasypodii  ^°)  Argentor.  Wendelin  Richel. 


')  Inhalt:  fol.  P  Cyrilli  opusculum  de 
dieiionibus  quae  variato  accentii  mutant 
significationom,  fol.  181  Ammonius  de  diff. 
dictionum  per  literar.  ord.;  f.  198  Vetus  in- 
structio  et  donominationes  praefcctorum  mi- 
litum:  fol.  200  Significata  rov  rf^  signif.  rov 
lo;  fol.  201  Index  oppidoquam  copiosus  do- 
cens  latinas  dictiones  fere  omnes  graece 
dicere.  (1  pjxemplar  dieses  W^erkes  besitzt 
die  Erlanger  Universitätsbibliothek;  auf  der 
Mtinchcner  Staatsbibl.  habe  ich  keines  ge- 
funden). —  Bemerkenswert  ist  Conr.  Gesners 
pracfatio  zu  s.  Lex.  Basil.  1543:  Lexicon 
gracco-latinum,  ut  vocant,  niescio  a  quo  primo 
inceptum  paulatim  per  diverses  a  minimis 
initiis  auctum  ad  hoc  fastigii  pervenit,  in 
quo  nunc  conspicitur.  Plerique  autem  qui 
hanc  provinciam  susceperunt,  non  tam  eru- 
diti  quam  laboriosi  et  diligentes  fuerc.  Qui 
morcedc  typographorum  conducti  ex  com- 
mentariis  doctorum  et  collatione  Latinorum 
quac  ex  graecis  traducta  fuerant  vocabula 
et  interpretationes  collegerunt  atque  isti  ob 
inipeiitiam  linguae  cum  alios  errores  ad- 
miscrunt  tum  per  absurdas  interpretationes, 
orthographiam  corruptam,  themata  verborum 
inepta  et  ordinem  confusum  Lexicon  con- 
taminarunt.  Hi  vero  vel  ipsi  conscii  inscitiae 
suae  nomina  non  addidere  vel  per  typo- 
graphos  eis  addere  non  licuit,  ne  inerudita 


nomina  emptores  arcerent.  -  Gesner  selbet 
hat  übrigens  unter  anderen  besonders  aus 
Varinus  Camers  u.  Hieron.  Guntius  geschöpft. 

-)  Ks  ist  ein  alphabetisches  Vocabular: 
«,  (IdCo),  dßdXc  utinam,  «i?«l,  aßag  ek. 
Spätere  Ausgaben  Paris  1612.  Col.  Agripp. 
op.  Walther  1620,  8;  ob  von  Scapüla?  wie 
Biographie  universelle  s.  v.  meint. 

^)  Hieron.  Aleander  sen.,  Cardinal  aus 
Motta  in  der  Tarviser  Mark,  1508  nach  Paris 
berufen;  als  päpstl.  Nuntius  in  Deutschland 
geg.  d.  Reform.;  15^38  Cardinal,  f  1542. 

*)  GuiL.  Büdaeüs  t  1540,  J.  TüSANUs 
t  1546,  CoNR.  Gesner  f  1565,  Henr.  Jünius 
1 1575,  RoB.  CoNSTANTiNus  f  1605,  Joa.  Här- 
tung t  1576,  Max.  Hopper  t  1565. 

*)  GuiL.  Xylander  t  1576,  Jac.  Cbl- 
LARius  t  1542?  et  Nie.  Höniger  f  1596. 

®)  Eigentl.  Teyno  aus  Hoom,  Prof.  in 
Leipz.  u.  Löwen  f  1530. 

')  Dictionaiium  gr.  1.  Septem  virorum. 
Pierre  Gilles  v.  Albi  1490,  t  in  Ronen 
1555.    Dasselbe  Lex.    Basil.   Valder.    1541. 

®)  Bonav.  Vulcanius  aus  Brügge  1538 
bis  1614.  Prof.  in  Leyden. 

^)  T«  uoy  Xi^etov  iXktjyixtov  arj/uayrutd 
x«T«  axotxiloy,   ist  ein  Glossar  ohne  Index. 

'^)  Kigentl.  auch  nur  Glossar,  Pbt.  Dasy- 
P0DIU8,  Rauchfuss,  aus  Frauenfeld,  Prof.  in 
Strassburg.     1554  griech.-lat.-deutsches  WU. 


1.  Qeachiohte  nad  Litteratnr  der  grieohisohen  Lexikographie. 


599 


1540.   JoA.  Habtumoi,  Lex.  gr.  lat.  Antverp. 

1543.  Lex.  gr.  lai  a  Conr.  Gesnebo/)  Basil.  HieroD.  Curio;  wiederh.  Basil.  1545  fol.; 
Tiguri  Helv.  1545;  Jo.  Hartuo^,  Basil.  1560  fol. 

1548.  L.  gr.  1.  jp.  Hadr.  Junium,  Noviss.  anctum  BasU.  4^  —  Id.  denuo  impressum  nuper 
p.  CoDr.  Gesnemm  et  Arnold  Arleninm  auct  noviss.  per  Adrian.  Junium,  in  graecis 
secund.  Budaeum  locopletatum  et  absolutum  Basil.  —  Id.  postrerao  nunc  non 
mediocriter  auctum  p.  Jo.  Joa.  Hartungum,  Basil.  Henrich  Petri  1550. 

1554.  C.  Stephanus,  Dict.  1.  gr.  Paris.  4^  —  Lex.  gr.  1.  ex  ipsius  denuo  G.  Budaei 
mannscripto  lexico  auctum  apud  Joa.  Crispinum  et  Nicof.  Barbirium.  fol.  Vgl. 
Basil.  1565.  1568  fol. 

1562.   RoB.  Comstantini,  L.  gr.  lat.  Genevae  (s.  u.  1592). 

1568.    Calepivi,  Diction.  hexaglottum  c.  C.  Gesneri  onomastico.  Basil.  fol.^). 

1571.  Mart.  RuLAivDi  Synonyma.  Copia  gr.  verhör.  Aug.  Vind.  1571.  8  (ein  lai-griech. 
Vocahular). 

1573.    Glossaria  duo   e  situ  vetustatis  eruta  ad  utriusque  Hnguae   cognitionera  et  locu- 
pletationem   perutilia.    Henr.   Stephavus.  Paris.   (Philoxenus) ,   d.   i.   1)  Lex.   xttttt 
a%oix^toy  compos.,  2)  in  capita  digestum,  3)  cotidiana  conversatio.') 
Nach  H.  Stephani  Thesaurus  erschien  noch: 

1583.  Lex.  gr.  lat.  recens  constructum  (m.  Anhang  de  dialectis,  themata  obscuror.  etc.). 
Genevae  ap.  Guillielm.  Leimarium.'*) 

1584.  AB^ixoy  iMrjyoQ(üfÄaix6y  (s.  oben  1497.  Aleandri)  Basil.  Sehast.  Heoricpetri. 

1592.  RoB.  CoKSTANTiNi,  Lex.  gr.  lat.  sec.  edition.  partim  Francisci  Porti  additionibus 
auctum.    Vignon  et  Stoer.  1592. 

15.  Die  früheren  Lexika  s.  Dictionaria  beschränkten  sieh  im  ganzen 
darauf,  ihre  Vorgänger  mit  einzelnen  Zusätzen  zu  wiederholen;  wenn  auch 
ein  Index  auctorum  nach  dem  Muster  der  Aldiner  hinter  dem  Titel  prangt, 
waren  es  doch  eigentlich  nur  kritiklose  Glossare,  welche  eine  oder  einige 
lateinische  Bedeutungen  dem  Lemma  beifügten.  Original  waren  dagegen 
die  Arbeiten  der  beiden  Stephanus.*)  Heinrich  (1528—98)  hatte  als  Erbe 
und  Fortsetzer  des  väterlichen  Geschäfts  viele  Autoren  ediert,  auch  ein 
Lex.  Ciceronianum  graeco-lat.,  und  bis  1571  immer  fort  an  dem  Thesaurus 
gearbeitet;  er  hatte  keine  Beihilfe  ausser  von  L.  Budaeus  und  vereinigte 
nun  über  100,000  griechische  Wörter  mit  ötellennachweisungen  in  den  5  voll. 
Dieselben  waren  nach  etymologischen  Klassen  geordnet,  dahinter  aber  war  ein 
Index  alphabeticus  und  zahlreiche  opuscula  zur  Rechtfertigung  der  kriti- 
schen Arbeit,  dazu  alte  Glossare  und  ein  tractatus  de  dialecto  Attica.  Dieser 
Thesaurus  (1572)  war  bahnbrechend  und  massgebend  bis  vor  sechzig  Jahren; 
leider  sollte  der  Verfasser  nicht  einmal  die  Frucht  seines  Riesenfleisses 
ernten,^)  sondern   wurde   durch    die   Unehrlichkeit   seines  Korrektors  Joa. 


^)  CoivR.  Gesüer  aus  ZQrich,  Prof.  litt, 
gr.  in  Lausanne,  1541  Prof.  Ethices  et  pbys. 
in  Zürich  f  1565. 

2)  Calbpinüs  Dict.  XI  linguar.  Ed.  VII 
Basil.  1627.  Calkp.  Dict.  VII  linguarum.  ed. 
J.  Facciolatti  Ed.  VIII.  2  voll.  Patavi  1758  fol. 

*)  Ursprttngl.  ca.  Anf.  des  III.  Jahrb. 
p.  Ch.  zusammengestellt  und  dann  ein  Arche- 
typus der  S.  Galler  (Q/AtjyevfjKtra,  mit  dem 
Pseudo-Dositheos  ediert.  Dies  wiederholte 
verschlechtert  Bonaventura  Vulcaniüs  in  s. 
Thesaurus  utr.  lingu.  Lugd.  Batav.  1600  fol. 
dann  mit  Bon.  Vulcanii  Brugensis  Notae 
et  Castigationes  (welche  vielm.  v.  Scaliger 
stammen).  Dritte  Ausgb.  v.  C.  lisbbaeus 
durch  Du  Cangius.  Paris  1679. 

*)  Dass.  ad  formam  ab  H.  Stephane  et 
post    hunc  a  Jo.  Scapula  observatam   etc. 


ibid.  1593. 

^)  Vgl.  Auguste  Bernard,  Les  Estienne 
et  les  Types  grecs  de  Fran^ois  I.  Paris  1856. 
Der  Thesaurus  Lat.  des  Robert  Stephanus 
war  1581  erschienen;  über  die  Studien  des 
Henr.  St.  vgl.  auch  E.  Egoer,  L'Hell^nismo 
en  France.  Paris.  Didier  u.  Co.  1^69,  I, 
S.  203-12. 

^)  At  Thesaurus  me  hie  de  divite  reddit 
egenum  Et  facit  ut  iuvenem  ruga  senilis 
aret,  klagt  er  in  der  2.  Aufl.  1580;  diese 
ist  wenig  verändert,  nur  vol.  I  bis  p.  1825 
(s.  Passow  in  Raumers  Hist.  Taschenb.  1831 
p.  598);  öfters  ist  die  Appendix  in  vol.  V, 
dann  die  Glossaria  vett.  in  IV  enthalten. 
Er  starb  in  höchster  Armut,  70  J.  alt,  in 
Lyon  1598. 


600 


Ca)  Griechische  Lexikographie. 


Scapula  darum  betrogen  und  finanziell  ruiniert:  dieser  hatte  heimlich  die 
DruckabzUge  benützt  und  sein  Lex.  Or.  lat.  Basel  1579,  4^,  einen  prakti- 
scher angelegten  Auszug  davon,  ediert,  in  welchem  besonders  der  Index 
alph.  dem  Werke  selbst  einverleibt  war.  Das  Störende  der  etymologischeD 
Anordnung  hatte  St.  selbst  nachher  eingesehen;  andere  Übelstände  (vom 
modernen  Standpunkt  aus)  macht  G.  Hermann  bemerklich. i) 

16.  Scapula's  Lex.  wurde  noch  oft  aufgelegt;^)  andere,  ausgenommen 
einzelne  Spezial Wörterbücher,^)  fussten  ganz  auf  Stephanus,  und  ein  Fort- 
schritt ist  bis  auf  die  Zeit  J.  G.  Schneiders  und  Passows  eigentlich  nicht 
gemacht  worden.^)     Handlich  eingerichtet  nach  Scapula  ist  das  Nov.  lex. 


*)  In  der  Rezension  der  engl.  AoBgabo 
Ed.  nova  Londini  1815 — 28  —  tom.  I  —  X  Lon- 
dini  in  acdib.  Yalpianis;  dazu  tom.  XI  mit 
G.  Hermann,  De  partic.  rcV  und  Index.  Zu- 
gleich C.  Labbaei  Glossaria,  ib.  1810—26  u. 
noch  ein  Band  1815  Isagogica.  bes.  über 
Dialekte.  —  Die  Rezension  G.  Hermanns  findet 
sich  im  Classical  Journal  1818  N.85  =  opusc. 
H,  22^^:  ErgSnzung  der  Artikel,  bessere  for- 
male Darstellung,  Fachdisziplinen,  auch  der 
Grammatik  angeböriges,  genaue  Quantitäts- 
bezeicbnung,  Beifügung  der  Eigennamen,  An- 
gabe der  im  einzelnen  benutzten  Gelehrten, 
praktische  An-  und  Einordnung  der  Nach- 
träge, fremden  Dialektwörter  und  vieler 
Stammwörter  vemiisst  er.  —  Osann,  F.  Auc- 
t^irium  Loxicor.  gr.,  praes.  thesauri  1.  gr.  ab 
11.  Stephane  conditi.    Darmstadt  1824.  4. 

2)  Basil.  1580.  89.  94.  IGOO.  5.  28.  fol. 
Cum  Mcursii  gloBsario  aliisquo  opusculis  s. 
1.  1593.  1598.  40  Lond.  1037  fol.  Amst. 
LB.  1(152,  Basil.  1GG5  fol.  mit  Index,  voca- 
bul.  graec,  dictiomim  latt.,  Jag.  Zuingeri 
(1«)I»4-  9<i)  Hypotyposis  gr.  dialoctorum, 
Appendix  für  Excurse,  Ammonii,  de  sim.  et 
difT.  vucc.  Verhör,  themata,  Hadb.  Amero- 
TI18  (t  15(»0)  de  Graec.  notis  arithm.,  de 
veteri  et  recta  linguae  gr.  pronuntiatione. 
Jo.  Harmari  (t  1<)70)  Lex.  etymol.  gr.,  Jo. 
Meuksii  (1579  —  1041)  Gloss.  gr.  barbar. 
abbrcv.  —  Eiu  Auszug  aus  Scapula:  Greg. 
Blech,  Lex.gr.  I.  Francofurti.Cubach  1G57. 551 
S.  8.  Ebenso  Gg.  Constantinus  Joanninensis 
mit  lat.  u.  Italien.  Erklärungen  Venet.  1754. 
4  '  \\,  o.  -  Ed.  nova  acc.  mit  Dorvillii  ani- 
madv.,  D.  Scotti  append.  Askewina  cura 
.1.  Bailay,  op.  .T.  R.  Major,  Lond.  1820.  4^ 

3)  Z.  B.  1(303  Aem.  Porti  (1550-1014) 
Dict.  ionicum  gr.-Iat.  in  Herodotum,  Frkf.; 
Lond.  1825;  1003  eiusd.  Dict.  doricum  gr.- 
lat.  in  Theocritum,  Mosch.  Bion.  et  Sim- 
miani,  Frcof. ;  1000  eiusd.  Lex.  Pindaricum, 
llanov.;  1004  Wolfg.  Seberi  (1573  1034), 
Index  vocabulorum  in  Homer.  Heidelb.  1004, 
blosc  Titelausgabe  dav.  m.  Vorw.  v.  G.  A. 
Richter:  Argus  Homeric.  Amsteld.  1049; 
Oxonii  1780.  —  1705  u.  74  Dammii,  Nov. 
Lex.  gr.  otymol.  et  reale:  dann  als  Lex. 
Ilomeiico-Pindaricum,  neu  v.  Düncan,  Lond.   | 


1827.  4«;  von  Rost,  Lips.  1831-38.  4«.  - 
1705  J.  J.  Reiskb,  Theocriti  rell.  c.  indi- 
cib.  verhör.  4*^;  1746  C.  C.  Rsizii,  Index 
verb.  Luciani  Ultraj.  4**;  1835  Wtitbrbacb, 
Ind.  Graecitatis  in  Plutarchi  opera  (in  s. 
Moralia,  Oxf.  1795—1830  Bd.  XV)  als  Lexic. 
PJuUrch.  1843  Oxon.;  1801—4  Stubz,  Lex. 
Xenonhonteum ;  1824  Schwbiguavseb,  Lex. 
Herodot.  Argentor.  8^  u.  a. 

*)  Die  wichtigsten  Erscheinungen  bis 
1820:  1589  Dictionar.  1.  gr.  s.  Synonymomm 
copia  olim  a  D.  M.  Rulando  congeri  coepta 
op.  Dav.  HoESCHBLii  Augustani.  Aug.  Vindel. 
M.  Manger.  p.  I  bis  Kalendae.  1596  Jac. 
Gbetsebus  S.  J.  Nomenciator  latino  rz=  graecus 
in  gratiam  tironum  coli.  Ingolst.  Sariorius 
S^  bis  S.  206  in  30  +  6  Kapiteln  ein  sach- 
lich geordn.  Vocabular;  dazu  ein  reicher  lat 
Wort-Index.  1015  Jo.  Crispiki,  Lex.  gr.-lat, 
ein  aipbab.  Auszug  aus  H.  Stephanus  mit  In- 
dex der  Derivata  u.  lat.  Index;  1580  Fbiscb- 
LiNi  (1547  —  90)  Nomenciator  trilinguis,  Fran- 
cof.;  1592  RoB.  Constantini  (1502—1605), 
Dict.  1.  gr.  ed.  2.  Vign.  (später  öfters  auf- 
gel.);  CoRN.  ScHREVELii  (1615—64  oder  07) 
Lex.  man.  gr.-lat.  LB.  1055.  ed  V»  1070.  8^ 
Lips.  et  Budissae  1673.  Lond.  1676,  Amster- 
dam. 1082,  Dresd.  et  Lips.  1714.  Durch 
.los.  Hill  um  8000  Wörter  verm.  Lond.  1781; 
Aug.  Vind.  1790;  ed.  XVII.  aucta.  (Es  war 
1082  ein  alphab.  u.  sachl.  geordn.  Vocabnl. 
mit  lat.-gr.  Index.)  Ed.  XVII  aucia  a.  Jos. 
Hill,  J.  Entiek  et  G.  Bowyer,  Glasg.  1797. 
Ed.  locupletior  cur.  J.  P.  Jannet,  Par.  1806; 
Löcluse,  Paris  1820.  Von  Schrevel.  auch  Ed. 
des  Scapula  1064;  des  Hesychios  1008.  --  1670 
Robertsoni,  Thes.  1.  gr.  in  epitomen  redactus 
Cantabr.  —  1083  Jo.  Casp.  Sciceri  (1020  ff.), 
Lex.  gr.-lat.  et  lat.-gr.  Tigur.  4.  Thesaur. 
ecclesiast.  1082  aus  der  Patristik.  —  1088 
Ch.  du  Fbesne,  sieur  Du-Cange  (1010—88). 
Gloss.  ad.  scHptores  mediae  et  infimae  grae- 
citatis. 2  voll.,  ein  ausgezeichnetes  und  selb- 
ständiges Werk ;  gegenw.  Neudruck  in  Breslau. 
—  1718  Blanoard,  Lex.  medic.  gr.  lat.-gerni. 
Halael718  und48;  1750  eiusd.  L.  med.  renov. 
Lugd.  Bat.  ed.  nov.  cur.  Isenflamm,  Lips.  1777 
3  partt.  —  1771  Chr.  Zimmermann,  Nov.  Lex. 
man.  gr.-lat.   et  lat.-gr.  Stuttg.  —  Lbnnepii, 


1.  Qeschichte  und  Litteratnr  der  griechischen  Lexikographie. 


601 


man.'gr.  1.  et  1.  gr.  von  Benjamin  Hederich  (1675 — 1748),')  welches  bis 
in  unser  Jahrhundert  hereinreicht.  Hederich  hatte  nebenbei  auch  ein  Real- 
wörterbuch und  ein  mythologisches  ediert,  beides  suchte  für  Homer  und 
Pindar  Damm  zu  vereinigen  (S.  600  not.  3)  und  Ernesti  gab  1795  ein 
Lexic.  technolog.  Graecor.  rhetoricae  heraus. 

17.  Ohngefahr  mit  dem  10.  Jahrhundert  erwacht  ein  neuer  £ifer  für 
Lexikographie;^)  bisher  hatte  man  so  ziemlich  auf  dem  alten  Standpunkt 
seit  Stephanus  verharrt,  so  dass  Joa.  Franz,  De  lexicis  latino-graecis 
dissert.^)  eine  Reihe  von  Ausstellungen  veröffentlichte;  erst  Jo.  Go.  Schneider 
Saxo  macht  „einen  bedeutenden  Fortschritt  bezüglich  Kritik,  Stpffreichtum 
und  Methode;  sein  Wörterbuch  ist  überhaupt  die  erste  umfassende  selbst- 
ständige Arbeit  auf  diesem  Gebiete  seit  H.  Stephanus;  besonders  verdienst- 
lich war  die  Sammlung  und  Erklärung  der  bisher  sehr  vernachlässigten 
technischen  und  naturwissenschaftlichen  Ausdrücke".  Aber  Franz  Passow 
(1786—1833),  „der  durch  feinen  Sinn  für  das  Schöne  in  Poesie  und  Kunst, 
durch  gründliche  Sprachkenntnis  und  methodischen  Sammelfleiss  gleich  aus- 
gezeichnet war"",  fasste  die  Aufgabe  einer  wissenschaftlichen  Lexikographie 
höher. ^)    In   der  4.  Auflage   des    Schneiderschen  Handwörterbuches,    die 


Etymol.  l.-gr.  in  Deaer  Aufl.  v.  £v.  Scheid, 
Traj.  a./Rh.  1790;  ed.  alt.  1808  ibid.  —  1784 
J.  C.  Vollbeding,  Gr.  dtech.  WB.  Lpzg.,  mit 
Supplement  1788.  —  1798  Bobnii,  Nomen- 
clator  8.  Lex.  man.  1.  gr.  Ups.  2  partt. 

')  Erschien  Lips.  1722;  dann  cura  Eb- 
wESTi,  2  voll.  1767.  Lips.  1788;  ed.  Wendlbb, 
Lips.  et  Lond.  1796;  ed.  auct.  T.  Mobell, 
Lond.  1778.  1790.  Ed.  auct.  M.  Taylob, 
ib.  1803;  endlich  Nov.  L.  man.  gr.-lat.  et 
lat.-gr.  post  curas  Patricii  J.  A.  Ebnesti, 
C.  C.  Wevdlebi,  T.  Mobellii,  P.  H.  Lab- 
chebi,  f.  J.  Bastit,  C.  J.  Blomfildii,  denuo 
cast.  cm.  aux.  Gust.  Pinzgeb  recogn.  F. 
Passovio,  Ed.  V»Tom.  I    IIL  Lips.  1825—27. 

^)  Vorher  noch  Dillenius  griech.-dtsch. 
WB.  f.  die  Jugend  1784.  92.  1807  in  I^ip- 
zig;  nach  Schellerschem  Plane,  in  der  Ein- 
teilung strenge  nach  Scapula,  aber  zu  viele 
Belege  und  zu  wenig  Scheidung.  Reichen- 
BACH,  Allg.  gr.-dtsch.Hand-Wb.  Lpz.  1801—2. 
2  Bde ,  dtsch-gr.  HandWb.  Lpz.  1818.  — 
Stubz,  s.  8. 600  not  3.  —  Jo.  Gottlob  Schivbi- 
deb,  Saxo  (1570-1822)  Kritisches  gr.-dtscb. 
Wb.  Züllichau  1797—98,  2  Bde.  8«;  2.  Aufl. 
Jena  1805/6.  2  Bde.  4";  3.  Aufl.  Lpzg.  1819; 
Supplemt.  1821;  einen  willkürlich  veränderten 
Auszug  davon  lieferte  F.  W.  Riemeb,  (1774 
bis  1845),  im  Jahre  1802— 5.  II.  Ausg.  eigenes 
Werk  gr.-dtscb.  Hd.-WB.  Jena  und  Leipz. 
1814-  15;  HL  1819-20;  IV.  1823-25.  — 
1808  Niz,  Kl.  gr.  "Wb.  in  etym.  Ordnung. 
Berl.  u.  Strals.  1808.  verbess.  v.  Imm.  Bekkeb, 
Berl.  1821.  -  1817  J.  R.  J.  Beckii  Lex. 
l.-gr.  man.  Acc.  index  prosodicus.  Lips.  1817. 
8.  —  C.  Labbaei,  Glossaria  gr.  1.  et  l.-gr. 
Ed.  nov.  auct.  Lond.  1817  f. 

^)  Acta  philologorum  Monacens.  ed. 
Fb.   Thibbsch   tom.   IV   fasc.  1    1829.  N.  II 


p.  53—  80,  bes.  dass  die  Zeiten  und  Dialekte 
nicht  unterschieden  wurden ;  vgl.  Beck,  Lex. 
l.-gr.  manuale.  Lips.  1817;  id.  Auctarium 
lexici  l.-gr.  ex  optimis  scriptoribus.  Lips. 
1828;  Hederici  Lex.  sei  wenig  besser  z.  B. 
«animus:  ^fÄog  Demosth.,  tffvxrj  Isoer.,  (p^fjy 
id.,  (pQoytjaifid.ffpQoyrjfiaid.,  yovgid.*  Sosmd 
die  Autoren  oft  ganz  lächerlich  angeführt 
z.  B.  ^amnis:  norafiog  Demosth.*,  poetischer 
u.  prosaischer  Sprachschatz  durcheinander  ge- 
worfen. Während  das  Attische  als  Norm  zu 
gelten  habe,  seien  Dramatiker  vorsichtig  nur 
im  Notfall  beizuziehen  neben  att.  Histori- 
kern und  Rednern;  nicht  gerade  Plato  zu 
bevorzugen  u.  s.  f. 

*)  In  dem  zweiten  Programm  des  Con- 
radinum,  Berlin  1812,  Über  Zweck,  Anlage 
u.  Ergänzung  gr.  Wörterbücher,  scheidet  er 
S.  5  zunächst  sehr  richtig  die  Aufgabe  des 
Lexikons  und  der  Grammatik  hinsichtlich 
Irregularitäten  der  Formen  (im  Interesse  der 
Schule  thut  dasselbe  neuerdings  sehr  gut 
A.  Kaeoi  im  Vorwort  zu  u.  in  seiner  treff- 
lichen gr.  Schulgr.  Berlin  Weidmann  1884), 
behandelt  die  Beiziehung  von  Dialektformen, 
vom  besondem  Sprachgebrauch  der  Autoren ; 
er  fordert  dann  insbes.  vollständige  Auf- 
führung der  vorhandenen  Wörter  nebst  geogr. 
u.  menschl.  Eigennamen ;  etymologische  An- 
ordnung des  gesamten  Wortvorrats,  durch- 
gängige Anführung  der  Gewährsmänner  für 
die  aufgenommenen  Wörter  in  chronolog. 
Reihenfolge;  Ausscheidung  aller  falschen  u. 
ungriechischen  Wortformen.  Dazu  übt  er 
eine  eingehende  Kritik  an  einzelnen  Bei- 
spielen und  liefert  ein  Verzeichnis  von  fälsch- 
lich angezweifelten  Wörtern  nebst  Fundori, 
sowie  eine  reiche  Nachlese  aus  Oppianos 
S.  75—116 ;  endlich  vergessene  Adjj.  auf -et'cfi^? 


602  C.a)  QriechiBohe  Lezikocpraphie. 

Passows  Namen  trug,  ist  der  Sprachgebrauch  Homers  und  Hesiods,'  Ety- 
mologie, Quantität  u.  s.  f.  in  hervorragendem  Masse  berücksichtigt,  die 
übrige  Gräcität  ausser  N.  T.  freilich  zu  kurz  gekommen.  Beigaben  über 
die  Chronologie  von  Ideler  und  über  die  Quantität  etc.  von  F.  Schultze 
erhöhten  die  Brauchbarkeit  des  Wörterbuchs. 

18.  Indes  war  nun  eine  neue  Ausgabe  des  Thesaurus  von  H.  Stephanus 
durch  englische  Gelehrte:  Ed.  nova  auctior  et  emendatior,  Londin.  I— VII. 
1818 --20  erschienen,  welche '  jedoch  in  manchfacher  Beziehung  nicht  ge- 
nügen konnte,  trotz  vieler  Mehrungen  und  Besserungen,^)  insbesondere 
wegen  der  etymologischen  Anordnung  und  der  Abhandlungen  innerhalb  der 
Artikel.  —  Ohngefähr  zu  gleicher  Zeit  erschien  Joh.  Franz,  Deutsch- 
griech.  WB.  zunächst  zum  Schulgebrauch  ^)  und  die  ersten  Ausgaben  der 
griech.  Lexika  von  Val.  Chr.  Frdr.  Rost  (1790—1862),  welche  in  einer 
gleichmässigeren  Durcharbeitung  des  beschränkteren  Materials  mehr  dem 
Schulzweck  dienten.^) 

19.  Eine  neue  Ausgabe  des  Thesaurus  von  H.  Stephanus  war  durch 
Firmin  Didot  in  Paris  von  1831  an  unternommen  imd  unter  vielseitiger 
Unterstützung  namentlich  von  deutschen  Gelehrten  weitergeführt  und  voll- 
endet worden.^)  Sie  unterscheidet  sich  von  der  alten  natürlich  vielfach 
vorteilhaft  durch  Vollständigkeit,  alphabetische  Ordnung,  Ziffemcitate,  Auf- 
nahme von  Eigennamen  (nur  massig),  Beachtung  der  Bedeutungsentwick- 
lung und  syntaktischen  Eigentümlichkeiten,  Prosodie;  reicht  jedoch  nicht  bis 
auf  die  Byzantiner  herab;  auch  sonst  ist  sie  durchaus  nicht  so  vollständig 
in  ihren  Angaben  (z.  B.  Herodot),  als  viele  meinen. 


und  -wtfj;^  S.  117-132.   —   Passow  suchte      Rochette,  Thurot  über  die  1 .  Lieferung.  Die 
dann   diesem   Ideale,   doch  unter   Aufgeben      Univers.  Oxford,  stellte  D.  Cramrr's  Auszüge 


der  etymol.  Anordnung,  näher  zu  kommen; 
er  bearbeitete  •!.  G.  Schneideb's  Hand-Wb. 
nach  der  3.  Ausg.  des  grösseren  griech. - 
deutschen  Wb.  mit  besonderer  Berücksich- 
tigung des  Homerischen  und  Hcsiodeischen 
Sprachgebrauchs  und  mit  genauer  Angabe 
der  Silbenlängen  2  Bde.  Lpzg.  1819-23; 
2.   Aufl.    1825;     3.    Aufl.    1827;   4.  Aufl.   v. 


aus  Valpy's  Thesaur.  zur  Verfügung;  Passow, 
Hase,  0.  Müller,  Weber,  Loewb  u.  Fran- 
zosen u.  Engländer  lieferten  Beiträge;  Tafel, 
Rost  u.  Passow  arbeiten  am  A,  L.  u.  W. 
DiNDORF  am  B  mit.  Der  Titel  lautet  auf 
vol.  I  1831:  Thes.  gr.  1.  ab  H.  Stephano 
construcius.  Post  editionem  anglicam  novis 
additam.   auctum  ordineque  aiphabet    dige- 


Iland-Wb.  der  griech.  Spr.  von  Fr.  Passow,  ;  stum  tertio  edidcrunt  C.  B.  Hase,  L.  de  Sinneb, 

2  Bde.  Lpz.  1831.  '  Th.  Fix;  von  vol.  1,.  (1831-56)  an:  C.  B. 

')  Vergl.  hierüber  Hermann,  Opusc.  II,  |  Hase,  Guil.   Dindorfius    et  L.  Dimdorfiub, 

219  flF.   und    die   Vorrede  zur   Pariser  Aus-  i  Secundum  conspectum  ab  Acad.  regia  Inscr. 

gäbe  S.  8  ff.    u.    d.   Avis   v.  Didot  iun.    v.  et  human,  litt,  die  29.  Maii  1829  approbatum. 

1().  März.  1865  p.  IV  f. ;  auch  oben  S.  600  not.  1.  l  Paris.  Firm.  Didot  fratres  1831 ;  voll.  II     VIII 

'^)  Möglichst  vollständig  nach  den  besten  i  erschienen  bis  1865;  Firm.  Didot  pfere  war  in- 
Quellen bearbeitet  u.  mit  klass.  Beispielen  des  gestorben,  wie  auch  Hase  u.  a.  Förderer 
att.  Redeweise  ausgestattet.  Manches  war  i  des  Werks.  Weiteres  lese  man  in  der  Vor- 
aus der  neugriech.  Sprache  ergänzt;  das  Werk,  rede  p.  12  ff.  u.  bes.  den  Avis  des  jüngeren 
seit  1834  fertig,  durch  Dr.  G.  Aen.  Koch  ^  Didot  vom  16.  März  1865  p.  VI  f.  m  vol.  I 
herausgegeben  Leipz.  Hahn  1838.  2  Bde.  P.  2.  —  Anz.  der  1.  Lieferung  von  Passow, 
Lex.  8.  Berlin.  Jbb.  f.  wiss.  Krit.  1831  Nr.  89-91; 

3)  Deutsch-gr.  Wb.    Götting.    1818,   bis  '  spätere  v.  Ch.  Jahn,  N.  Jbb.  XH  (1829)  215  ff. 

1874  zehnmal  aufgel.,  u.  gr.-dtsch.  Schul-Wb.  i  J.  A.  E.  Schmidt  in  der  Z.  f.  d.  G.W.   1852, 

Gotha  1820  bis  1871  sieben  Abdrücke.  ,  X  593  ff.;    gelegentl.   F.   IIultsch,    Zur  gr. 

*)  Am  7.  Okt.  1831  las  in  der  Acad.  d.  |  Lexikogr.   N.   Jbb.    1873.  223  f.     J.   E.   B. 

bell,  lettr.  ihren  Rapport  la  Commission  com-  Mayor  on  Greek   Lexicogr.  I  -  III  im  Jour- 

posöe  de  M.  M.  BoissoNADE,  Letronne.  Raoul-  \  nal  of  Philol.  VI  88  ff.,  VII  20  ff.,  177  ff. 


1.  Gesohichie  und  Litteratnr  der  griechischen  Lexikographie.  603 

20.  Der  Zeit  nach  sind  sodann  die  Arbeiten  von  W.  Pape,')  dann 
von  Jacobitz  und  Seiler^)  zu  erwähnen,  welche  sich  grosse  Verdienste  um 
den  Handgebrauch  erwarben  hauptsächlich  durch  konsequentere  Verfolgung 
des  Sprachgebrauchs  bis  auf  die  Kirchenschriftsteller  und  Byzantiner,  durch 
Beisetzung  der  Schriftsteller  (auch  mit  Zahlenzitat)  oder  der  Litteraturgattung 
und  Zeit,  durch  Rücksicht  auf  Etymologie,  Quantität,  Bedeutungsent- 
wicklung. 

Eine  neue  Bearbeitung  des  Passowschen  Handwörterbuchs  übernahm 
nach  dem  Wunsch  des  t  Verf.  Rost;  er  fand  es  aber  wegen  des  Umfangs 
der  Aufgabe,  die  sehr  viel  neue  eigene  Studien  erheischte,  nötig,  sich  an 
Fr.  Palm,  0.  Ereussler,  K.  Keil,  Ferd.  Peter,  G.  E.  Benseler  tüchtige 
Mitarbeiter  zu  verschaffen  und  so  wurde  das  Werk  von  1841—57  in  2  Bdn. 
4  Abt.  vollendet.  Hier  ist  der  Sprachschatz  bis  zu  den  Byzantinern  3)  voll- 
ständig dargelegt,  die  Forschungen  anderer  Gelehrten  sind  gut  verwertet; 
besonders  gut  (besser  als  irgendwo  sonst)  sind  die  Partikeln  und  Präpo- 
sitionen (meist  von  Rost  selbst)  behandelt;  im  ganzen  ist  hier  ein  Werk 
geschaffen,  welches  für  die  allermeisten  Fälle  den  Thesaurus  überflüssig 
macht;  nur  in  der  Etymologie  steht  es  auf  veraltetem  Standpunkte.  Die 
Gegenwart  hat  jedoch  noch  nichts  Besseres  als  den  neuen  Passow,  obwohl 
nach  dem  Fortschritt  der  Wissenschaften  etwas  Besseres  nunmehr  wün- 
schenswert ist. 

21.  Die  neueste  Erscheinung  ist  das  übersichtliche  gr.-dtsche  Hand- 
Wb.  f.  d.  ganze  griech.  Litteratur  von  B.  Suhle  und  M.  Schneidewin  Lpz. 
1875.  Hier  ist  der  Thesaurus  1.  gr.  Stephani  und  Passows  Ed.  Va  mit 
einer  fast  raffinierten  Weise  der  Abkürzung  und  Raumersparnis  auf  60  V2 
Bogen  zusammengedrängt,  in  der  Absicht,  Vollständigkeit,  Zuverlässigkeit, 
gründliche  Erklärung,  richtige  Ordnung  und  Übersicht  mit  präziser  Kürze 
zu  vereinigen.  Durch  die  vielen  Zeichen  und  Kürzungen  wird  das  sehr 
verdienstliche  Werk  etwas  schwer  benutzbar. 

22.  Anhangsweise  mag  hier  noch  erwähnt  werden  a)  bezüglich  No- 
mina propr.   OpoRiNi   (1507 — 68)   Onomasticon   ca.    1540;   Conr.   Gesneri 


^  •)  W.  Pape,  Etymol  Wb.  der  gr.  Spr. 
z.  Gbersicht  der  Wortbild,  nach  den  End- 
eilben geordn.  Berlin  1SS6.  8«;  1842-45 
Handbuch  der  griech.  Spr.,  1859.  72,  3.  Aufl. 
V.  Max  Senokbusch.  (t  1881)  Braunschweig 
1880.  2.  Bde.  Deutlichkeit,  Korrektheit  und 
eine  lange  Reihe  von  Artikeln,  wie  sie  kein 
anderes  WB.,  auch  H.  Stephanus  nicht,  auf- 
weist, zeichnen  diese  Arbeit  aus;  auch  ist 
dessen  3.  Teil,  WB.  der  griech  Eigennamen, 
Berl.  1842  sehr  verdienstlich;  aber  erst  recht 
brauchbar  und  vervollständigt  durch  G.  E. 
Beksbler  (1806-68),  3  Aufl.  2.  Bde.  Braun- 
schw.  1875,  „ein  Werk,  um  welches  Deutsch- 
land von  allen  Kulturvölkern  beneidet  werden 
kann*  (Richter),  freilich  aus  den  Inscriptiones 
nun    vielfacher    Nachträge   bedürftig.     Den 


*)  K.  Jacobitz  und  E.  E.  Seiler,  Hand- 
Wb.  der  gr.  Spr.  2  Bde.  in  4  Abt.  Loipz. 
1839—46,  eigentl.  an  Stelle  und  als  Fort- 
setzung eines  von  Pihzobr  (bis  A  extr.)  be- 
gonnenen Schul-Wb.  Wegen  der  Erweiterung 
des  Planes  gaben  dann  die  Verf.  seit  1850 
(3.  Aufl.  2.  Abdr.  1880  Leipz.)  ein  vorzüg- 
liches gr.-dtsch.  Wb.  zum  Schul-  und  Privat- 
gebrauch heraus  (leider  f  Seiler  1875),  wel- 
ches in  knapper  Form  in  wohlbemessener 
Proportion  ein  verlässiges  und  bequemes  Wb. 
für  die  ganze  Gräcität,  selbst  Kirchenschr., 
LXX,  Grammatiker  u.  Scholiasten,  darstellt, 
das  in  seiner  Art  unerreicht  ist. 

')  Neuerdings  erschien :  Kumanudbs  hw- 
aytjytj  Xf^Sfoy  a&fjaavgiar(oy  iy  toTg  iXXrj- 
yixoTg  Xe^txoTgy  Athen  1883.  8®  u.  Sophocles, 


deutsch-griech.  Teil  hat  in  neuer  Aufl.  Max       E.  A.,   A  glossary   of  later    and   Byzantine 
Senoebusch   besorgt   1859    u.   demselben  s.   |   Greek.    Cambridge  n.  Boston  1860.    4^. 
Polemik  gegen  Rost  beiheften  lassen.  , 


604  Cl.a)  Qriechische  Lexikocpraphie. 

Onom.  proprior.  nomin.  1514  (auch  Anh.  zu  Calepini  Lex.  VII  lingaarum, 
Basil.  1579).  Vollbedino,  Geogr.  Zusätze  u.  Erläut.  zum  gr.  Wb.  Leipz. 
1787.  —  Pape-Benseler  s.  vor.  S.  b)  Bezügl.  Prosodie:  Anhang  in  Passow, 
Wb.  4.  Aufl.;  Indices  attici  oder  Anl.  z.  Messung  u.  Ausspr.  der  griech. 
Paenultima,  nach  d.  Engl.,  v.  A.  Baumstark,  Freiburg  1833;  Bbassh,  Gradus 
ad  Parnassum  ed.  2,  Londin.  1832,  in  Germania  ed.  et  emend.  C.  F.  W. 
SifiDHOF,  Gotting.  1839—40,  2  voll.  —  c)  Bezügl.  Synonyma:  Dav.  Hoe- 
scHELii,  Dict.  1.  gr.  synonymer,  copia,  2  voll.,  Augsbg.  1590.  8.  —  J.  Th. 
VoEMEL,  Synonym.  Wb.  d.  gr.  Spr.  Frkft.  1819  (==  Hess  und  Voemel, 
Übungsb.  3  T.).  —  J.  H.  Heinr.  Schmidt,  Synonymik  der  gr.  Spr.  Leipz. 
1—4.  1876—88.  —  d)  Bezügl.  Barbarismen:  J.  Meursh,  Gloss.  graec. 
barb.  Lugd.  B.  1614  (s.  S.  600).  Sim.  Portii,  Dict.  lat.  graeco-barb.  et 
litterale,  Lutet.  Par.  1635.  4.  (Du  Fresne  S.  600  f.).  —  e)  Bezüglich  des 
Nov.  Testam.:  Go.  Pasor  (1570—1637),  Lexicon  gr.  1.  in  N.  T.  1636, 
1648  ed.  V»,  ed.  J.  F.Fischer,  Lips.  1767;  dess.  Manuale  voc.  gr.  N.T.; 
Gualtherii  (t  1624)  Syllabus  vocum  exoticarum  N.  T.;  Pasoris,  Sy Ilabus 
gr.  1.  omnium  N.  T.  vocum,  Amstelod.  1632  mit  Anhang  über  Dialekte. 
Jo.  Casp.  Süicerus,  Thesaur.  gr.  1.  eccles.  Amstelod.  1682  u.  ö.  Chr.  A. 
Wahl,  Clavis  N.  T.  philol.  1819.  Lpz.  1853.  J.  Ch.  Schirlitz,  Gr.  dtscfa. 
Wb.  zum  N.  T.  1851;  1858.  Erasm.  Schmidii,  rafiuTov  ttav  rrjg  K,  J, 
Ihl^Biüv,  ed.  V«.  H.  Bruder,  Lips.  Bredt  1880.  Wilke,  Clavis  N.  T.  philol. 
ed.  W.  Grimm,  Lips.  Arnold  1868,  77—79.  H.  Cremer,  Bibl.-theol.  Wb. 
der  nt.  Gräcität.  Gotha,  Perthes,  3.  Aufl.  1881—83.  —  Endlich  ^  bezügl. 
einzelner  Autoren  Speziallexika  neuester  Zeit:  zu  Homer:  E.E.Seiler, 
Vollst,  gr.  dtsch.  Wb.  über  die  Ged.  des  Homeros  u.  der  Homeriden  Lpz. 
1850,  9.  Aufl.  v.  C.  Capelle  1889;  dann  das  treffliche  Lex.  Homer,  comp. 
C.  Capelle,  H.  Ebeling  etc.  Lpz.  1871  ff.;  zu  Sophokles:  Ebelino  Lpz. 
1869  mehr  ein  Glossar,  wie  auch  W.  Dindorf  Lpz.  1870  f.  besser,  F.  El- 
LENDT,  1834,  Ed.  II  em.  H.  Genthe,  Berol.  1872;  Pindar:  Concordantia  v. 
Bindseil  1875;  Thukydides:  v.  Betant,  2  voll.  Genev.  1843.  47.  Plato: 
Ast,  3  voll.  Lips.  1835—38;  Aristoteles:  Index  v.  Bonitz  Bcrol.  1870; 
Theokrit:  Kumpel,  Lips.  1879.  —  g)  Neugriechen.  Lampros  Photiades 
aus  Joannina  iv  BovxaQeazioig  (nach  1800)  legte  sich  zuerst  die  Frage  vor: 
Wie  muss  ein  Lex.  für  Griechen  geschrieben  werden?  "Avv^t/nog  6  Fa^i^g 
Xt^ixov  iXXtjvtxov  nach  Schneider  gearbeitet.  1804,  Venet.  1809 — 12.  16. 
3  Bde.  gross  4*^  enthält  nur  A—Jl,  Ein  Manuskript  von  'Iwdmjg  o  e^ 
'AyQciff  0)1'  iv  laaiM  war  nur  ein  Xf^ixov  Tcwr  ^ij/ioTon'  fit  Ixart^v  extaaiv  ff- 
r^yi]lxkvo%f^  dies  wurde  benützt  zu  dem  sonst  nach  H.  Stephanus  gearbeiteten 
Ktßu)Tog  (tu  xovQoviaecr/nf-Tov  fitycc  Xf^ixdr)  von  BXaarog,  Arzt  aus  Kreta 
L  {A—J)  1819,  IL  1821;  dann  Unterbrechung  durch  den  Krieg;  Georgios 
und  Fa^ijg  und  Spyridon  BXavirjg,  Venet.  1821  arbeiteten  weiter.  — 
KovaiaviTvog  MtxctrjX  Kovfiag^)  kf^ixov  Sid  tovg  fieXfimrag  r«  twr  na- 
kaiMv  "^EXXr^royv  (rvyyQccfiinccra,  sv  Biivvi]  rtfi  AvazQiccg  (A.  v.  Haykul)  182G. 
I.    II.   —    ^.    fXL    xaice    To    lov    Ilaaaoßiov    vno    IltiQov    X,    Btqov   xai 

^)  rjymnasialrektor  in  Smyrna,  studiert«   I   dem  Rieher  3.  Aufl.,  Schneider  3.  Aufl.  u. 
in  Deutschland,  auf  den  Hat  F.  A.  Wolfs      Passow.;    1820   in   Smyrna,    im  Krieg   nach 


auch 

nahm    er    nicht  Dillenius  zum  Muster,  son- 


Triest  geflüchtet. 


2.  Aufgabe  der  heutigen  Lexikographie  der  griechischen  Sprache. 


605 


*Ifoavvov  M,  ^lavvovXtj  iv  MovdxV  "^^^  Bavaqiaq,  KaqoX.  BoX(p.  1828.  8. 
I  (bis  S.  671  7«y;  ob  mehr  erschien?)  —  Von  2xaQXatog  J.  6  Bv^avTiog 
verfasst:  1)  neu-  und  altgriech.  u.  französ.  Lex.  Athen  1835  mit  alten 
und  neuen  geogr.  Namen.,  3.  Aufl.  Athen,  Eoromela  1874.  2)  griechisch- 
franz.  Wb.,  Kg.  Louis  Philippe  gewidm.  Athen,  Eoromela  1846.  3)  griech. 
Wb.  bes.  nach  H.  Stephanus  Thesaur.,  Kg.  Otto  v.  Griechenld.  gewidmet. 
Athen,  Koromela  1852.  Lex.-8®.  1882  S.  und  Anhänge  mit  Eigennamen 
197  S.  Griech.-franz.  nach  Schneider:  Planche  1809.  17.  23  und  Beche- 
relle u.  PoiTEViN  ins  Griech.  übersetzt  -^«f.  y^^^^^^W^^'^'i  *''^^  2xiva  xal 
AeßttSäwq.  Athen,  Koromela  1861.  Femer  KovtonovXog,  vtov  Xe^.  «A- 
Xrivoayyhxw  {ixS.  3)  und  äfyXosXXrjfvixov  {sxS.  2).    Athen  1880.   82.   8^*. 


2.  Aufgabe  der  heutigen  Lexikographie  der  griechischen 

Sprache. 

23.  Um  Wiederholungen  zu  vermeiden,  sei  an  dieser  Stelle  zunächst 
auf  den  2.  Teil  des  nächsten  Artikels  von  Prof.  Dr.  Heerdegen  hingewiesen, 
von  dem  das  meiste  mutatis  mutandis  auch  auf  die  griechische  Lexiko- 
graphie Anwendung  leidet.  Wir  lassen  daher  die  (durch  die  früher  aus- 
bedungene Kürze  veranlassten)  kurzen  Andeutungen  fortbestehen.  —  Wenn 
es  sich  nun  darum  handelt,  einen  Thesaurus  graecitatis  nach  den  An- 
forderungen der  heutigen  Wissenschaft  herzustellen  (von  Schullexika  und 
Handwörterbüchern  sehen  wir  hier  ab  aus  Mangel  an  Raum),  so  würden 
bei  bedeutender  Arbeitsteilung  folgende  Punkte  zu  erwägen  sein:  1)  welche 
Wörter  wären  aufzunehmen?  2)  nach  welcher  Anordnung?  3)  mit 
welchen  Nebenangaben?    4)  mit  welchen  Belegen? 

24.  Was  aufzunehmen?  a)  nicht  Barbarismen,  welche  nicht  in  der 
Litteratur  bis  ca.  1453  vorkommen;*)  b)  nicht  das  Mittel-  oder  Neu- 
griechische; *)  c)  wohl  aber  alle  Wörter,  die  sich  in  der  Litteratur  oder 
anderen  Denkmälern  vorfinden;  also  alle  technologischen  Ausdrücke  der 
Rhetorik,  der  Grammatik,  der  Scholiasten,  der  Septuaginta,  der  Gewerbe  etc. 
ebenso  das  gesamte  Inschriftenmaterial  inclusive  das  der  Vasenbilder  etc.^) 
Daraus  ergibt  sich  von  selbst  d)  dialektologisch-es  so  vollständig  als 
möglich ;  ^)  e)  die  ana^  Xsyofxeva  wären  mit  Stellenangabe  besonders  zu  be- 
zeichnen. 


^)  Hieffir  wäre  Du  Fresne  Du  Gange 
vorhanden  oder  andere  Speziallexika.  Da- 
gegen dürften  solche  des  N.  T.  nicht  fehlen 
wie  z.  B.  yeeyya,  das  im  franz.  göne,  g^ner 
bis  heute  fortlebt,  wenn  auch  die  etymolo- 
gisch-sachliche Erklärung  durch  Hinweis  auf 
WiLKE,  SoHiBLiTz  etc.  crspart  werden  müsste. 

'^)  Es  ist  zwar  wunderbar,  wie  zähe  ein- 
zelnes in  Dialekten  der  Tzakonen  und  Insel- 
griechen, aber  auch  anderwärts,  selbst  von 
Homerischer  Zeit  an,  sich  erhalten  hat;  hier- 
über ist  lehrreich  K.  KoyronovXog,  'A&tt- 
raaitt  tijg  'EXXfjyixijg  yXuiaarjg  rj  tiyevQcaig 
Tfjg  'OfÄTjQixf'jg  yXviaarjg  iy  raig  drjfitoifeai  dt«- 
Xixioig    TTJg    avy)[Q6yov    'EXXyytxijg.     txdoatg 


devriga,  iy  'j&ijyaig,  ix  tov  TvnoyQatpeiov 
trjg  iyi6ae(og  1884.  Dergleichen  könnte  mit 
Vorsicht  in  der  Bedeutungsentwicklung  be- 
nützt werden. 

^)  Hiefür  ist  in  den  neuen  Bearbeitungen 
der  Grammatiker  z.  B.  Herodian  von  Lentz, 
in  denen  von  Uhlio  u.  a.,  in  Blümners  Tech- 
nologie, Helbio  das  Homer.  Epos  u.  a.,  in 
den  Sammlungen  von  Inschriften,  anfangend 
vom  CIA,  in  den  dialektischen  Monographien, 
LoEWT,  Inschriften  griechischer  Bildhauer 
u.  a.  neuerdings  reiches  Material  geboten, 
das  der  Aufnahme  würdig  wäre. 

*)  Dabei  müssten  natürlich  ausser  den 
Monographien    auch    die   Abhandlungen    in 


606 


Ca)  Ghrieohische  Lexikographie. 


25.  In  welcher  Anordnung,  folgt  hieraus  von  selbst.  Es  könnte 
nur  eine  etymologische  nach  Stämmen,  Derivaten  und  Gompositen  sein, 
wenngleich  diese  ihre  nicht  bloss  praktischen,  sondern  auch  theoretisebeD 
Schwierigkeiten  hat.') 

26.  Nebenangaben  sind  zu  den  Hauptbedeutungen :  die  über  Quantität,  *) 


Zeitachrilten ,  wie  der  fQr  vergleichende 
Sprachwissenschaft,  Cvrtius'  Studien,  Bezzen- 
BEROBRS  Beiträgen,  sowie  die  Schriften  von 
G.  CuKTius,  G.  Mayeb,  Jo.  Schmidt.  Kaibrl, 
Meistekhans,  Brugmann  u.  V.  a.  heigezogen 
werden;  vor  allem  auch,  mit  Ergänzungen, 
Veitch,  Greek  Verhs  irregulär  and  defective. 
New.  edition.  (Titelausgabe)  Oxford  Clarendon 
Press  Series.  1887  (denn  aus  Appian  u.  a.  Au- 
toren ist  noch  manches  nachzutragen  und  dass 
er  in  Beurteilung  rein  attischer  Formen  öfters 
irrt,  weist  Rutherford  [und  Funk]  nach  in  N. 
Jhh.  Supplementb.  13  p.  385  -  396);  ausserdem 
müssen  Konkordanzen  u.  SpezialwörterbQcher 
wie  Bonitz  zu  Aristoteles,  Dindoif  zu  Aeschyl. 
Sophokl.,  Kumpel  zu  Pindar,  Ast  zu  Plato, 
Betaut  zu  Thukyd.,  Wilke  zum  N.  T.  beige- 
zogen werden.  Das  I^exikon  über  die  For- 
men der  gr.  Verba  von  Traut,  Giessen  1867, 
ist  sehr  unzureichend  für  diesen  Zweck. 

')  Dass  für  Handlexika,  welche  mehr 
einem  augenblicklichen  Bedürfnis  dienen,  die 
alphabetische  Reihenfolge  und  somit  Zer- 
reissung  der  Wortfamilien  sich  empfiehlt, 
ist  kein  Zweifel.  Die  Ableitungen  am  Ende 
des  Stammworts  aufzuführen,  geht  in  be- 
schränkterem Kreise  wie  auf  dem  Homeri- 
schen Gebiet  (bei  Ebeling,  Capelle,  Eber- 
hard) wohl  an,  bei  einem  Thesaurus  totius 
Graecitatis,  welcher  auf  die  übersichtliche 
Erkenntnis  einer  ganzen  Wortfamilie  ge- 
richtet sein  muss,  würde  ein  solches  Ver- 
weisen a  Pontio  ad  Pilatuni  sehr  unpraktisch 
sein,  abgesehen  von  dadurch  nötigen  Wieder- 
holungen. Oder  sollte  man  z.  B.  sämtliche 
Formen  von  (hl  (vgl.  Volkmann,  Quaest.  d. 
dial.  aeolica  capita  II.  Diss.  Halis.  Sax.  1879 
p.  22  ff.  und  Gramer  An.  Ox.  II,  2, 32.  An.  Par. 
111,  381,1».  Epimerism.  Hom.  in  An.  Ox  I, 
71,  19.  Et.  Gud.  9.  45.  Bast  ad  Gregor.  Cor. 
p.  347)  auseinander  reissen,  um  bei  jeder 
wieder  auf  die  anderen  zu  verweisen  und 
vielleicht  dann  bei  der  letzten  oder  bei  allen 
auf  aittiy  und  bei  diesem  auf  die  Derivata 
und  Dekomposita?  Dies  geht  selbst  in  einem 
Hand-Wb.  nicht  an.  Man  wird  vielmehr, 
um  bei  diesem  Beispiel  zu  verweilen,  im 
(iriech.  bis  zu  einer  W^urzel  ^IF  zurück- 
gehen dürfen ;  höchstens  noch  andeuten,  dass 
wahrscheinlich  die  Urwurzel  I  oder  Ja  ist; 
auf  indogermanische  und  Ursprach wurzeln 
allerdings  muss  man  schon  der  Sicherheit 
wegen  verzichten. 

Man  wird  nur  griechische  Wurzeln,  Ähn- 
lich wie  G.  CuRTiüs  in  seinen  Giiindzügen 
der  gr.  Etymologie,  ansetzen  dürfen;  also 
z.  B.  JIF,  eigentl.  Gang,  in  der  Stammfonn 


a)  auf  -i:  aiwi,  vgl.  goth.  aivs,  Gen.  aivis, 
lat.  ae(vi)ta8,  b)  auf  -es,  -ob:  ai^ef,  ttifos. 
Zu  a)  gehört  1.  der  Lokativ  aiij  (tarenün.i, 
2.  der  Akk.  ntr.  ah  (lesbisch,  inschr.  at), 
böot.  j;/?  Zu  b)  3.  Lok.  {m/sai)  aifi^,  lakon. 
ttiig,  txUy  dor.  tUi,  «/,  dann  4.  mit  y  iipeXx. 
homer.  (tiiyi  ftol.  auy,  au,  aty,  äl,  böot 
argiv.  t;(?  «5.  aifeai  Tiokat.  homer.  ttiffif 
att  aei,  ^  _  [diy  ist  Schreibfehler].  De- 
nominativa  zur  Form  a:  afi-diog  ewig,  zur 
Fonn  b :  in-rj^e-tayog  auf  die  Dauer  reichend : 
subst.  aifog  Acc.  ätii;  Nom.  wieder  aüiy 
pl.  N.  T.  ßÄJw  die  Welt  (vgl.  f.  d.  Be- 
deutung w^rolt  d.  i.  Menschenalter,  engl. 
World)  Compos.  adj.  dtj&-,  «fwr-,  «ii-,  fiax^ 
aiiay;  deriv.  adäy^o^y  ngoauSyiog;  deriv.  Vb. 
di-aifoyiCto.     Nominalform  AXpm,  aytoq. 

Aber  manche  Forscher  werden  mit  obiger 
Kasusdeutung  nicht  einverstanden  sein;  ist 
man  ja  heute  noch  über  die  Genesis  der 
Deklination  von  nohq  nicht  einig  (vgl.  z.  B. 
Jo.  Schmidt  in  Kuhn's  Zeitschr.  27,  290, 
300  f.);  aus  diesem  Grund  muss  im  Bedarüs- 
fall  die  Autorität  angeführt  werden,  der  man 
folgte.  Dies  wird  freilich  bei  dem  viel- 
fachen Dissens  der  Junggrammatiker  sein 
Missliches  haben  und  noch  schwieriger  wird 
die  Sache  dadurch,  dass  man  von  gar  vielen 
Vokabeln  keine  W^urzel  aufstellen  kann.  Sog. 
Heische-(DoEDERLEiN)  oder  fingierte  Formen 
wie  4»EySi  und  dergl.  sind  unstatthaft  als 
Stammwörter;  hier  stelle  man  getrost  Wur- 
zeln auf  wie  /?«*,  ߀y&,  ya.  ycy,  ^«,  /niy, 
7i€c&j  Tiey^,  rd,  rcy  {recy).  (pa,  ffcy,  /«,  /«*'• 
Aber  im  Ernste  wird  man  doch  nicht  zu- 
warten wollen,  dum  deiiuat  amnis  —  bis  eine 
Einheit  der  Anschauung  erzielt  ist?  Hier 
werden  nun  auch  die  verschiedenen  Gestalten 
der  Wurzeln  in  eine  Familie  vereint  und 
besonders  die  konsonantische  Weiterbildung 
(FicK,  W^örterb.  IV^  44  ff.,  vgl.  G.  CuRTiirs. 
G.Z.^  59  ff.  und  die  Forschungen  von  Pott) 
wird  dabei  beachtet  werden  müssen.  So  wird 
z.  B.  <3P«,  (ftcf,  (fay,  (fteX]  axa,  axaf,  atu'A 
(arsXy  ajyfky  <m>A),  ornQ  etc.  dann  die  Ab- 
lautsreihcn  und  Affektionen  der  Liquidae  u. 
Spiranten  nebst  Derivaten  u.  Compositis  ein 
helles  Licht  auf  die  Bedeutungsentwicklung 
werfen:  freilich  eine  Semasiologie,  wie 
sie  Heerdegen  für  das  Lateinische  begründet 
und  nach  dem  Grundsatz  der  Analogie  Zrbet- 
MAYR  in  seinem  stoff-  und  gedankenreichen 
Analog,  vgl.  Wh.  Lpzg.  1879  für  das  Ind«>- 
germ.  durchgeführt  hat,  ist  trotz  G.  Curtu  s, 
G.Z.,  Vanicek  und  Hecht  noch  nicht  für  das 
griechische  vorhanden. 

^)  Es  bedarf  also  jedenfalls  eines  etymo- 


1.  Geschichte  nnd  Litieratnr  der  griechischen  Lexikographie. 


607 


Synonymik,  0  besonderen  Sprachgebrauch,  sei  es  einzelner  Schriftsteller 
oder  Stilgattungen  oder  wirkliche  Besonderheiten  in  Konstruktion,  Phra- 
seologie, Terminologie  u.  s.  f. 

27.  Belege  sind  natürlich  nicht  in  voller  Zahl  möglich,  was  Sache 
der  Konkordanzen  ist;  aber  es  dürfen  die  der  S/raJ  Xsyifieva^)  nicht  fehlen 
und  die  der  eben  erwähnten  Besonderheiten;  bei  den  regelmässigen  Er- 
scheinungen sind  sie  wo  möglich  so  zu  geben,  dass  die  älteste  Belegstelle 
und  die  späteste,  dazwischen  zur  Verfolgung  des  Worts  durch  verschiedene 
Litteraturgattungen  und  Zeiten  die  signifikantesten  erscheinen. 

Wird  die  etymologische  Anordnung  gewählt,  so  muss  ein  alphabetischer 
Index  der  Wörter,  wo  möglich  mit  Seiten-  oder  Kolumnenzahl,  natürlich 
den  Schluss  bilden.  Das  Oanze,  wie  man  sieht,  periculosae  plenum  opus 
aleae,  ist  nur  mit  vereinten  Anstrengungen  zu  lösen. 


logischen  Planes,  welcher  der  Arbeit  zu  gründe 
zu  legen  ist.  Daran  reiht  sich  bei  Erwäh- 
nung der  Foim  zugleich  die  Bezeichnung 
oder  Besprechung  der  Quantität,  welche 
nicht  ohne  linguistisch-phonetische  Kenntnis 
nach  alter  Weise  zu  behandeln  ist,  z.  B.  die 
Verkürzung  der  Diphthonge  oi  in  roTog  noua 
etc.  bei  Titigikem  ist  ein  Unding  (anstatt 
Konsonantierung  des  iota  töjos),  die  Ver- 
längerung der  Silbe  t  in  TeXevrayiog  So.  Ai. 
210  beruht  auf  der  Natur  der  liquida  X, 
welche  ja  länger  tönen  kann,  daher  als  Not- 
behelf die  Schreibung  Bbktley's  TeXXevt, 
zwar  nicht  unrationell,  aber  eben  so  über- 
flOssig  ist,  als  wollten  wir  schreiben  Ein 
feeste  Burg  ist  unser  Gott. 

Aber  der  Raumersparnis  halber  wird 
auch  die  Entwicklung  der  Bedeutungen 
sich  an  die  Formerwähnung  anschliessen 
müssen.  Ist  vorhin  Linguistik,  Phonetik, 
Metrik  vereint,  so  muss  hier  die  fbcegese 
die  Phonetik  und  Etymologie  benützen.  Ohne 
Kenntnis  der  NasaJierung  würde  man  die 
Formen  mit  a  neben  crv,  ey  (fdu  neben  fday, 
8.  zu  Nägclsb.  Anm.  z.  Ilias  3  S.  45  f.)  nicht 
verstehen,  vgl.  Joe.  Schmidt,  Z.  Gesch.  des 
indogerm.  Vokalismus  I  116  f.;  aber  ebenso, 
wenn  mau  bloss  am  hergebrachten  haftet, 
manches  andere  verkennen;  z.  B.  tptoQau} 
von  fpioQ  abgeleitet,  bieten  alle  Lexika;  nie- 
mand aber  denkt  daran,  dass  nach  der  Ana- 
logie von  yifAia:  ytofitiu},  r^e/co:  XQiaj^aia, 
TQtTHo:  TQiandia  (Leo  Meter,  Vgl.  Gr.  II  20), 
auch  fpiogätM  in  dem  schönen  Gleichnis 
Demosth.  Ol.  2.  10  vorliegt:  Die  Blätter  u. 
Blüten  verflattern  im  Winde  und  fallen 
rings  ab.  Was  soll  hier:  auf  frischer  That 
ertappt  oder  entlarvt  werden? 

Die  Subordinierung  der  Einzelstämme 
unter  die  Wurzel  und  der  Worte  unter  die 


Stämme  müsste  im  allgemeinen  nach  dem 
Prinzip  der  primären  und  sekundären  Bil- 
dungen stattfinden;  von  den  Bedeutungen 
dagegen  in  der  Regel  die  älteste  oder  im 
Zweifelsfalle  die  konkreteste  als  Grund- 
bedeutung voranstehen.  Bei  Feststellung 
der  Bedeutungen  aber  wäre  auch  sorgfältig 
rücksicht  darauf  zu  nehmen,  wo  die  Alten 
selbst  stichhaltige  Angaben  liefern;  dies  gilt 
natürlich  vor  allem  bei  technischen  Aus- 
drücken wie  vXtjy  eldog,  iy^eXi^Bia;  ebenso 
bei  denen  der  Rhetorik  z.  B.  unter  angenig 
würde  auf  Zenodot  und  Aristarch  abweisend 
bezug  zu  nehmen  sein. 

0  Hieran  reiht  sich  ganz  von  selbst, 
gegebenen  Falls,  die  Synonymik.  Z.  B. 
Hir  Homer  ist  bei  qwijy  eidogy  oifiag  Gelegen- 
heit gegeben  auf  Nagelsbach,  Dobdeblbin, 
Ph.  Mayer,  sonst  auch  auf  J.  H.  Heine. 
Schmidt  zu  verweisen  (Wuchs,  Aussehen, 
Körperbau).  Bei  voog,  yavg  ist  ausser  Homer 
(Naoelsbach,  Fulda,  Schrader)  insbesondere 
an  die  Geschichte  der  gr.  Psychologie  zu 
denken  (Anaxagoras,  Aristoteles,  Ttoitjnxog, 
na&fjxixog;  unter  diesen  Wörtern  ^auf  yovg 
zu  verweisen).  —  Er  sagte  heisst  eine,  sagt' 
er  e<ptj,  eXe^e  {loidde)  er  hielt  (folgende) 
Ansprache  oder  Rede. 

-')  Die  «7r«|  Xeyofjteya  oder  seltene  For- 
men erfordern  natürlich  die  Fundstätte  und 
dazu  die  Stelle,  wo  dieselben  wissenschaft- 
lich behandelt  sind.  Z.  B.  unter  W.  III  lat. 
icere,  lAII  iactare,  ji-iän-t(o,  ianto)  .... 
3.  s.  Aor.  Pass.  i€(<p9fj  Hom.  S  543.  5419 
in  ttvto)  (Ebel  in  Kuhns  Ztschr.  4,  1C7; 
dagegen  v.  W.  fan  Fröhde  in  Bbzzbnb. 
Beitr!  3,  24,  vergl.  G.  Curtiüs,  Verb.  II  3G4; 
andere  v.  inofiat  oder  tinxia)  ^fiel  ihm  nach 
oder  mit  ihm*. 


Lateinische  Lexiicographie. 


1.  Geschichte  und  Litteratur  der  lateinischen 

Lexikographie. 

1 .  Wie  in  der  Sprachforschung  überhaupt,  so  stehen  auch  in  der  Lexiko- 
graphie die  Leistungen  der  Römer  hinter  denen  der  Griechen  an  Umfang, 
Wissenschaftlichkeit  und  Selbständigkeit  der  Forschung  weit  zurück.  ^)  Wie 
weit  sich  die  lexikalischen  Studien  des  Begründers  der  römischen  Philologie, 
L.  Aelius  Praeconinus  Stilo,  erstreckten,  lässt  sich  aus  den  uns  über- 
lieferten geringen  Resten  seiner  litterarischen  Thätigkeit  nicht  entnehmen; 
dasselbe  gilt  von  seinem  jüngeren  Zeitgenossen  Aurelius  Opilius.  Dass 
es  der  -eifrige  Schüler  und  Fortsetzer  des  Aelius,  M.  Terentius  Varro, 
neben  seinen  etymologisch-grammatischen  auch  nicht  an  semasiologisch- 
lexikalischen  Studien  fehlen  Hess,  davon  geben  die  uns  erhaltenen  Teile 
seines  Werkes  De  lingtia  Laiina  Zeugnis;  ob  sich  unter  seinen  verlorenen 
Werken  auch  ein  solches  rein  lexilogischen  Inhalts  befunden  habe,  lässt 
sich  nicht  entscheiden.  Aus  der  augusteischen  Litteratur  ragt  der  Name 
des  Grammatikers  M.  Verrius  Flaccus  hervor,  des  Verfassers  eines 
Werkes  De  uerhorum  signißcatu,  in  welchem  übrigens  nicht  bloss  rein 
lexikalische,  sondern  auch  realencyklopädische  Erklärungen  in  alphabetischer 
Reihenfolge  vereinigt  waren.  Eine  nur  sehr  abgeschwächte  Vorstellung 
von  dem  Werte  dieses  Werkes  gewähren  die  beiden  auf  uns  gekommenen 
Auszüge:  der  des  vielleicht  der  Mitte  des  2.  christlichen  Jahrhunderts  an- 
gehörigen  Sex.  Pompeius  Festus,  wovon  jedoch  gleichfalls  ein  Teil  (bis 
zur  Mitte  des  M)  verloren  ist,   und   der  aus  diesem  Auszuge  abermals  ex- 


')  Bezüglich  der  hier  gegebenen  Notizen 
über  die  Lexikographie  des  Altertums,  wel- 
chen ebenso  wenig,  wie  denen  über  die  Glos- 
Bographen  des  früheren  Mittelalters  eigene 
Untersuchungen  zu  Grunde  liegen,  genügt  es 
für  den  Zweck  dieses  Abrisses,  auf  die  bo- 
treffenden Abschnitte  der  gangbaren  römi- 
schen Litteraturgeschichten  zu  verweisen, 
sowie  auf  A.  Kbeut  s  Allgemeine  Geschichte 


der  Litteratur  des  Mittelalters  im  Abend- 
lande,  Bd.  I.  II.  Leipz.  1874.  1880.  Nur 
mit  grösster  Vorsicht  ist  noch  zu  gebrauchen 
A.  Gbäfenhan,  Geschichte  der  klassiscften 
Philologie  im  Alterthum,  wovon  der  II.  Bd. 
(Bonn  1844)  S.  819  ff.  und  der  IV.  Bd. 
(Bonn  1850)  S.  205  ff.  die  Jiexilogie-  der 
Römer  enthält. 


1.  Geschichte  und  Litieratur  der  lateiniBohen  Lexikographie.  (§  1  -8.)     QQQ 


zerpierte  Auszug  des  Paulus  (wahrscheinlich  Paulus  Diaconus)   aus  der 
Zeit  Karls  des  Grossen.*) 

2.  Im  Vorbeigehen  zu  erwähnen  ist  der  Allerweltsammler  A.  Oellius 
(2.  Jahrb.),  dessen  zwanzig  Bücher  Noctes  Atticae  zwischen  vielem  andern 
für  uns  wichtigen  Material  auch  zahlreiche  lexikalische  Bemerkungen  ein- 
gestreut enthalten.  Ein  Afrikaner  von  Oeburt  und,  wie  es  scheint,  dem 
Ende  des  3.  oder  dem  Anfange  des  4.  Jahrhunderts  angehörig  ist  Nonius 
Mar  cell  US.  Sein  auf  uns  gekommenes  lexikalisches  Werk  führt  den  Titel 
De  compendiosa  doctrina  und  ist  ebenso  wertvoll  für  uns  durch  den  darin 
erhaltenen,  aus  guten  älteren  Grammatikern  geschöpften  Stoff,  als  in  der 
Verarbeitung  und  Durchfuhrung  desselben  geist-  und  verständnislos.  Auch 
hier  geht  der  realencyklopädische  Gesichtspunkt  Hand  in  Hand  mit  dem 
lexikalischen,  was  sich  schon  äusserlich  in  der  gewählten  Kapiteleinteilung 
kundgibt.^)  In  noch  höherem  Masse  gilt  diese  herkömmliche  Verbindung 
von  dem  rein  sachlich  geordneten,  unvollendet  gebliebenen  Werke  des 
Isidorus  (um  570—636),  Bischofs  von  Sevilla:  Etymohgiarum  lihri  XX, 
worin  ebenfalls  alte,  uns  jetzt  zum  Teil  verlorene  Quellen  benützt  sind;^) 
auch  das  ganze  spätere  Mittelalter  hindurch  blieb  diese  (uns  höchstens 
noch  bei  Eigennamen  geläufige)  kombinierte  Wort-  und  Sacherklärung  im 
Schwange. 

3.  Das  Mittelalter  schuf  dem  Altertum  gegenüber  auf  dem  lexi- 
kalisch-glossographischen  Gebiete  wenig  Neues.  So  zahlreich  die  uns  er- 
haltenen mittelalterlichen  Glossare  und  Vokabularien  sind,  so  schöpfen 
sie  doch  alle  mehr  oder  weniger  aus  der  seit  dem  7.  Jahrhundert  nach- 
weisbaren Tradition.^)  Die  Hauptrepräsentanten  dieser  Periode  sind:  der 
Lombarde  Papias,  genannt  Vocabulista,  mit  seinem  um  1063  vollendeten 
Elementarium  doctrinae  erudimentum^^)  einer  Schulencyklopädie,  in  welcher 
zweierlei  Quellen  verarbeitet  sind:   einerseits  die  traditionellen  Glossarien, 


1)  Ausgabe  von  C.  0.  Müller,  Lips.  1839 
(wovon  neuer  Abdruck  ebd.  1880). 

^)  Neueste  Ausg.  von  Lucian  MÜllbb, 
Pars.  I.  II.  Lipsiae  1888;  zitiert  wird  ge- 
wöhnlich nach  der  Ausg.  von  J.  Mbbcieb, 
zuletzt  nach  der  Pariser  Ausgabe  von  IG  14 
abgedruckt  Lips.  1825. 

^)  Hauptausgabe  (des  ganzen  Isidor)noch 
immer  die  von  F.  Arbvalo,  Rom.  1797—1803, 
in  7  ßdn.;  daraus  der  Abdruck  bei  Migne, 
Bd.  81-84. 

^)  Entlehnt  sind  diese  Angaben  teils  der 
inhaltreichen  Schrift  Fb.  Haasens,  De  medii 
aeui  studiis  philologicis  dispuiatio,  Ind.  lect. 
Vratisl.  1856,  p.  31  sqq.,  teils  dem  für  die 
wissenschaftliche  Bearbeitung  der  Glossen 
bahnbrechenden  Werke  von  G.  Löwe,  Pro- 
dromus  cwporis  glossariorum  Latinorum, 
Lips.  1876,  wo  besonders  das  genealogische 
Verhältnis  der  einzelnen  Glossarien  zu  ein- 
ander ins  Licht  gestellt  ist;  vom  Corpus 
selbst  ist  einstweilen  der  II.  Band:  Glossaie 
Latinograecae  et  Graecolatinae,  ediderunt 
Georgius  Goetz  et  Gottholdus  Guudermann, 

Ilaudbucb  der  kliu».  AltertumswlBsenflcbaft.  ü.    3. 


Lips.  1888,  erschienen.  Eine  Sammlung  von 
Vorarbeiten  Löwb*8  enthalten  die  ^Glossae 
nominum*,  nach  dessen  Tode  herausg.  von 
G.  Goetz,  Lips.  1884.  Benützt  habe  ich 
femer  den  Artikel  Fr.  Aüg.  Eckstein'», 
Lateinischer  Unterricht^  in  Schmid's  Encykl. 
des  gesamten  Erziehungs-  und  Unterrichts- 
wesens, 2.  Aufl.  Bd.  IV,  Gotha  1880  (Separat- 
abdr.  S.  32),  sowie  F.  A.  Specht,  Geschichte 
des  Unterrichtswesens  in  Deutschland  von 
den  ältesten  Zeiten  bis  zur  Mitte  des  drei- 
zehnten Jahrhunderts,  Stuttg.  1885,  S.  104. 
Die  Schrift  Schbler's,  Ijexicogruphie  Latine 
du  XII.  et  du  XIII.  siede,  Lpz.  1867,  enthält 
kommentierte  Abdrücke  des  ^Dictionarius"  des 
Johannes  de  Garlandia  nebst  zwei  an- 
dern Vocabularien ;  Proben  aus  mittelalter- 
lichen Glossatoren  überhaupt  gibt  Baebler. 
Beiträge  zu  einer  Geschichte  der  lateinischen 
Grammatik  im  Mittelalter,  Halle  1885,  S.  170  ff. 
')  So  {erudimentumf  nicht  rudimentuni) 
-gibt  den  Tit«l  die  Vorrede  der  mir  vor- 
liegenden Papias-Ausgabe,  Venedig  1491; 
vgl.  auch  Löwe  a.  a.  0.  p.  235. 
Aun.  39 


610 


C.b)  Lateinische  Lexikographie. 


welche  aber  für  sich  allein  schon  deshalb  nicht  genügen  konnten,  weil  sie 
ihr  Hauptaugenmerk  mehr  auf  seltene,  zweifelhafte  oder  dunkle  Wörter 
gerichtet  hatten,  nicht  auf  den  lat.  Sprachschatz  überhaupt,  andererseits 
das  Nötigste  aus  den  damaligen  Kompendien  der  sieben  freien  Künste;  — 
ferner  um  etwa  hundert  Jahre  später  Osbern,  ein  Mönch  von  Qlocester, 
mit  der  Panormia,  einem  für  seine  Zeit  achtungswerten  Versuche  genea- 
logisch-etymologischer Worterklärung;  ^)  —  wieder  etwas  jünger  Hugutio, 
ein  Pisaner,  Bischof  von  Ferrara  bis  1210,  Verfasser  eines  Über  denua- 
tionum  (ungedruckt),  ebenfalls  vorzugsweise  etymologischen  Inhalte, *)  und 
viele  andere. 

4»  Ein  für  jene  Zeit  verdienstliches  Sammelwerk,  welches  sich  haupt- 
sächlich auf  Papias  und  Hugutio  stützte,  daneben  aber  doch  auch  eigene 
Zuthaten  aufwies,  war  das  CathoUcon  des  Dominikanermönches  Oiovanni 
de  Balbi  aus  Genua  (Joannes  Januensis).^)  Vollendet  wurde  es,  wie 
die  Subskription  des  Verfassers  lehrt,  im  Jahre  1286;  es  blieb  dann  die 
beiden  folgenden  Jahrhunderte  hindurch  in  Gebrauch  und  war  eines  der 
ersten  Werke  in  lateinischer  Sprache,  welches  gedruckt  wurde,  nämlich  zu 
Mainz  im  Jahre  1460.^)  Der  Inhalt  des  Werkes  ist  nicht  das  Lexikon 
allein,  sondern  es  geht  demselben  noch  ein  Abriss  der  Grammatik,  Stilistik 
und  Rhetorik  vorher,  welcher  zu  jenem  gleichsam  die  systematische  Ein- 
leitung bildet;  als  Aufgabe  des  Vokabulars  selbst  wird  dann  bezeichnet  die 
„orthographia,  prosodia,  significacio,  ofigo,  ethymologia  quarundam  diccionumj 
que  frequenter  inueniuntur  in  hihlia  et  in  dictis  sanctorum  etpoetarum'^;  die 


*)  Gedruckt  (unter  willkürlichem  Titel) 
in  A.  Mai*8  Classicorum  auctorum  tom, 
Vlll,  Romae  1836.  Ausführlicheres  bei 
Löwe  a.  a.  O.  p.  240  sqq.;  über  Mai's  Aus- 
gabe W.  Meyer  im  Rhein.  Mus.  29  (1874) 
S.  179  ff. 

2)  Als  Probe  für  die  halsbrecbendc  Art, 
wie  man  im  Mittelalter  etymologisierte,  teilen 
wir  aus  dem  sogleich  zu  nennenden  Catho- 
licon  s.  V.  bellum  folgenden  aus  älteren 
Quellen  entlehnten  Versuch  mit:  Bellum  di- 
citur  a  honum  per  antifrasim.  Dazu  fügt 
der  spätere  Vocabularius  Breviloquus  unter 
demselben  Artikel  einige  Analoga  in  ver- 
siiicierter  Fassung:  Ista  per  antifrasim  dt- 
cuntur  nomina  quinque:  Lucus  et  officium 
bellum  libitinaque  mundus  (nämlich  hwus 
^pei'  contrarium  a  lucendo'^  u.  s.  w.);  auch 
der  berüchtigte  canis  a  non  canendOf  der 
in  diesem  Verse  vergessen  scheint,  fehlt 
doch  an  seinem  Platze  nicht:  canis  y^dicitur 
a  cano,  canis,  rel  canor,  canoris*.  Wie  weit 
dergleichen  Versuche  lateinischer  Wortab- 
leitung zurückgehen,  beweisen  Beispiele  wie 
Paul.  p.  122  M:  Müitem  Aelius  a  mollüia 
xttTte  €(yji(pQ€taiy  dictum  putat,  eo,  quod 
nihil  molle,  sed  potius  asperum  quid  gerat; 
sie  ludum  dicimus,  in  qiio  minime  luditur. 

*)  Die  u  berschrift  lautet  in  der  Ed.  princ. : 
Incipit  summa  que  uocatur  catholicon^  edita 
a  fratre  iohanne  de  ianua^  ordinis  fratrum 
predicatorum ;  etwas  genauere  Auskunft  über 


seine  Person  gibt  der  Verfasser  in  dem  lexi- 
kalischen Teile  seines  Werkes  selbst  unter 
dem  Artikel  Janua:  Item  a  ianua  porta 
dicta  est  quedam  ciuitas  potens  nobilis  pul- 
chra  et  diues,  iuxta  mare  sita.  ICt  est  quasi 
introitus  et  porta  lombardie,  tuscie  prouincie. 
Huius  ciuitatis  onundus  fuit  conpilator  pre- 
sentis  libelli  qui  dicitur  prosodia  uel  catho- 
lico7i.  Conpilatoi'  siquidem  istius  operis 
dictus  est  frater  iofiannes  ianuensis  de  bal- 
bis  de  ordine  fratrum  predicaiorum  modicus, 
worauf  dann  die  übrigen  von  ihm  verfassten 
Werke  aufgezählt  werden.  Über  die  Be- 
zeichnung des  Werkes  sagt  der  Verfasser  in 
der  Vorrede:  Unde  tractatus  iste  tanquam 
a  jyrincipaliori  intento  si  placet  prosodia 
nuncupetur,  uel  si  magis  placet  Über  iste 
uocetur  catholicon  eo  quod  sit  communis  et 
uniuersaliSt  ualet  siquidem  ad  omnes  ferme 
scientias. 

*)  Wie  es  in  der  Subskription  des  Druckers 
heisst:  Alma  in  urbe  maguntina  nacionis 
inclite  germanice.  Von  den  späteren  Aus- 
gaben liegt  mir  noch  die  Nürnberger  vom 
Jahr  1483  vor:  Impensis  anthonij  koburger 
Nurenberge.  (Über  Umfang,  Ausstattung  und 
tynographische  Eigentümlichkeiten  jenes  wert- 
vollen ersten  Druckes  sehe  man  z.  B.  die 
Notizen  in  Jacobs'  und  Ukert's  Beiträgen  zur 
altern  Litteratur  oder  Merkwürdigkeiten  der 
Uerzogl.  öffentlichen  Bibliothek  zu  Gotha, 
Bd.  I.  Leipzig  1835,  S.  331  f.) 


1.  Geschichte  und  Litteratnr  der  lateinischen  Lexikographie.  (§4-6.)     61 1 


Berücksichtigung  der  klassisch-römischen  Litteratur  ist  neben  der  späteren 
christlichen  noch  sehr  dürftig. 

5.  Dass  die  italienischen  Humanisten  des  14.  und  15.  Jahrhunderts 
sich  mit  der  lexikalischen  Registrierung  des  lateinischen  Wortschatzes  in 
ausgiebigerem  Masse  beschäftigt  hätten,  lässt  sich  nicht  beobachten.  Die 
Fülle  des  neuen  Stoffes,  der  auf  sie  eindrang,  die  schwärmerische  Be- 
geisterung, mit  der  sie  ihn  aufnahmen,  das  oft  übereifrige  Bestreben,  selbst 
Meister  in  der  Handhabung  lateinischen  Stils  und  lateinischer  Redekunst 
zu  werden,  das  alles  waren  für  die  mühsame,  nüchterne,  kritische  Aufgabe 
der  Lexikographie  keine  förderlichen  Umstände.  Doch  fehlte  es  nicht  ganz 
an  solchen,  welche  wenigstens  über  einzelne  Wörter  und  Ausdrücke  nach 
Bedeutung  und  Gebrauch  synonymisch-stilistische  Forschungen  anstellten, 
wie  namentlich  Lorenzo  Valla  (1407—1457)  in  seinen  Eleganüarum  lin- 
guae  Latinae  ühri  VL^) 

6.  Ebensowenig  wie  der  italienische  hat  auch  der  deutsche  Humanismus 
des  15.  Jahrhunderts  eine  selbständige  zusammenhängende  Leistung  auf 
dem  Gebiete  der  lateinischen  Lexikographie  aufzuweisen.  Der  eine  Zeitlang 
vielgebrauchte  Vocabulanus  Bremloquus,  eine  Jugendarbeit  Johann  Reuch- 
lins  (zuerst  erschienen  1475  oder  1476  in  der  Amorbach'schen  Druckerei 
in  Basel,  und  zwar  hier  wie  in  allen  folgenden  Ausgaben  anonym)  ist  trotz 
der  neuen  Einteilung  —  es  werden  in  drei  Abteilungen  zuerst  die  Nomina, 
dann  die  Verba,  zuletzt  die  Adverbia  und  Partikeln  alphabetisch  behandelt 
—  doch  nur  zu  einem  verhältnissmässig  geringen  Teile  des  Herausgebers 
eigenes  Werk  und  fusst,  wie  eine  Vergleichung  ausgewählter  Stichproben 
lehrt,  zunächst  und  hauptsächlich  auf  dem  Catholicon.^)  Erwähnung 
verdient  auch  die  von  Erasmus  veranstaltete  Epitome  in  Elegantmrum 
Ubros  Laurenüi  Vallae  in  alphabetischer  Ordnung. 


')  Im  Vorbeigehen  darf  auch  ein  Werk 
nicht  ungenannt  bleiben,  welches,  obwohl 
an  sich  nicht  lexikograpbischer  Natur,  doch 
seinem  Hauptinhalte  nach  sehr  viel  lexika- 
lisches Material  enthält:  dies  ist  der  Kom- 
mentar des  NiccoloPebotti  (f  1480),  Bischofs 
von  Siponto,  zum  I.  Buche  des  Martial,  nach 
seinem  Tode  von  seinem  Neffen  Pntvo  Febotti 
unterdem Titel  Cornucopiae  siue  linguae 
latinae  commentarii  herausgegeben;  die 
mir  zu  Gebote  stehende  Ausgabe  ist  die  Ve- 
netianer  vom  Jahr  1489.  Zu  jedem  Worte 
des  Dichters  wird  alles  Erdenkliche  an 
sprachlichem  Material  beigebracht,  was  sich 
nur  irgendwie  anknüpfen  lässt:  Etymologien, 
Derivata,  Composita  u.  s.  w.,  so  dass  z.  B. 
die  Erklärung  des  aus  10  Worten  bestehen- 
den ersten  Distichons  allein  sechs  und  eine 
halbe  Seite  in  folio  einnimmt.  Ein  voraus- 
geschickter alphabetischer  Index  ermöglicht 
den  lexikalischen  Gebrauch  des  um  die 
Förderung  und  Verbreitung  einer  reineren 
Latinität  für  seineZeit  wohlverdienten  Werkes. 

^)  L.  Geiger,  Johann  Reuchlin,  sein 
Leben  und  seine  Werke,  Leipzig  1871,  S. 
68  ff.  und  ihm  folgend  Bubsian,  Geschichte 


der  class.  Philol.  I  S.  121  f.,  hat  das  selb- 
ständige Verdienst  Reuchlins  um  den  Voca- 
bularius  Breviloquus  doch  wohl  zu  hoch  an- 
geschlagen, und  zwar  infolge  davon,  dass 
dort  zwar  eine  Vergleichung  des  Vocabularius 
mit  Papias,  nicht  aber  auch  mit  dem  Catho- 
licon  vorgenommen  ist.  (Als  Stichproben 
habe  ich  hier,  wie  auch  bei  allen  folgenden 
Vergleichungen,  aus  dem  ersten  und  dritten 
Drittel  des  Alphabets  sieben  gebräuchliche 
Wörter  von  Qbersichtlichem  lexikalischem 
Umfang  gewählt:  acies,  bellum,  capuf,  do- 
mus,  orare,  rogare,  itteri.)  ähnlich  wie  wir 
urteilt  über  die  direkte  Abhängigkeit  des  Bre- 
viloquus vom  Catholicon  auch  schon  Haase 
a.  a.  0.  p.  35.  Wie  gross  übrigens  das  lexi- 
kalische Bedürfnis  damals  in  Deutschland 
war,  ergibt  sich  aus  der  (von  Geiger  a.  a.  0. 
mitgeteilten)  Thatsache,  dass  der  Breviloquus 
bis  zum  Jahre  1504  nicht  weniger  als  25 
Auflagen  erlebte  (die  von  mir  benutzte  Aus- 
gabe ist  eine  Strassburger  vom  Jahre  1489) ; 
man  begreift  heutzutage  freilich  kaum  mehr, 
wie  man  damals  mit  einem  so  bescheidenen 
Wörterbuche  auskommen  konnte. 


39' 


612 


Cb)  Lateinische  Lexikographie. 


7.  Überschreiten  wir  die  Schwelle  des  16.  Jahrhunderts,  so  tritt  uns 
wiederum  auf  italienischem  Boden  ein  neues  reichhaltiges  Werk  entgegen, 
das  Dictionarium  des  Augustinereremiten  Ambrogio  da  Calepio,  Ambrosius 
Calepinus  (oder  auch  Calepinas)  Bergomas,  f  1511;  erste  Ausgabe:  R^ggio 
in  Oberitalien  1502.')  Was  dieses  Werk  vor  dem  Catholicon  auf  den 
ersten  Blick  auszeichnet,  ist  eine  bedeutend  grössere  Zahl  von  Belegstellen 
aus  der  klassischen  römischen  Litteratur;  freilich  aber  scheint  der  Ver- 
fasser nur  sehr  wenig  von  diesem  Reichtum  an  den  originalen  Quellen 
geschöpft  zu  haben:  er  selbst  erklärt  wenigstens  in  der  Vorrede,  dass 
er  sich  seit  Jahren  damit  beschäftigt  habe,  uel  a  prqphanis  tum  ueteribus 
tum  recentibus  uel  a  catholicis  et  iis  sane  doctissimis  sanctissimisque  uiris 
complurimcts  dictianum  interpretationes  excerpere  atque  in  unum  cogere,  was 
man  doch  wohl  nicht  von  eigener  Interpretation,  sondern  nur  von  der 
Kompilation  fremder,  ihm  schon  vorliegender  wird  verstehen  müssen. 

8.  Einen  wirklichen  Anfangt)  wissenschaftlicher,  auf  eigener  Quellen- 
forschung beruhender  Lexikographie  bezeichnet  der  Thesaurus  Unguae  La- 
thiae  des  gelehrten  französischen  Buchdruckers  und  Philologen  Robert 
EsTiENNE  (t  1559),  latinisiert  Robertus  Stephanus,  des  „princeps  lexico- 
graphorum".^)  In  den  zwanziger  Jahren  des  16.  Jahrhunderts  hatte  man 
ihn  aufgefordert,  den  Calepinus  neu  herauszugeben;  er  lehnte  dies  jedoch 
aus    verschiedenen   Gründen   ab  und   legte  vielmehr   seitdem   eigene  lexi- 

Icalische  Sammlungen  an,  die  er  auch  nach  dem  Erscheinen  der  ersten 
Ausgabe  seines  Thesaurus  (Paris  1531  in  Einem  Bande)  mit  unge- 
schwächtem Eifer  fortsetzte.*)     Was  er  hier  in  der  Vorrede  über  die  Art, 


')  Die  Untei Schrift  des  Druckers  lautet: 
Impressum  Rhegii  lingohardiae  [so!]  in- 
dusiria  preshytei'i  Dionysii  Berthochi  im- 
pressoris.  MUH.  Die  zweite  Ausgabe,  Ve- 
nedig 1509,  scheint  ein  blosser  Abdruck  der 
ersten;  dann  folgten  im  Laufe  des  16.  17.  u. 
18.  Jahrb.  eine  Menge  (zum  Teil  vermehrte) 
Ausgaben,  namentlich  in  Basel,  sowie  auch 
1573  ein  „Sujypleynentum  Unguae  Latinae 
seu  J>i'ciinnarinm  abshiisorum  vocahulorum 
a  Mob.  Constantino  coUectum*,  wie  es  auf 
dem  Titel,  und  y,ad  Amhrosii  Calepini  Dic- 
tionarium postremo  editum*^,  wie  es  in  der 
Überschrift  des  Textes  heisst. 

'^)  Als  ältere  Darstellungen  der  Geschichte 
der  lateinischen  Lexikographie  vom  Ausgange 
des  Mittelalters  bis  ins  18.  Jahrhundert 
nennen  wir:  Jo.  Georoii  Walcdii  Historia 
critica  latinae  linguae,  (zuerst  Lipsiae 
1710),  Caput  V.:  De  lexicis  latinis  eorun- 
demque  usu ;  D.  G.  Mobhofii  Polyhistor, 
wovon  mir  die  8.  Ausgabe,  Lubecae  1732, 
mit  einer  Praefatio  des  Jo.  Albertus  Fabri- 
cius  vorliegt,  Tom.  I.  Lib.  IV.  Cap.  IX.:  De 
Latina  Lingua :  besonders  aber  die  aus- 
führliche Praefatio  der  Londoner  Ausgabe 
von  R.  Stephani  Thesaurus  linguae  Latinae 
vom  Jahr  1734:  De  praecipnis  Lexicis  La- 
tinis eorumque  Auetoribus.  \ 
^)  In  der  Familie  dieses   neben  seinem   | 


berühmteren  Sohne  Henii  nicht  immer  nach 
Gebühr  geschätzten  Gelehrten  war  die  Be- 
schäftigung mit  den  alten  Sprachen  von  mehr 
als  Einer  Seite  her  traditionell :  er  selbst  war 
der  Sohn  jenes  Henri,  welcher  die  Pariser 
Druckerei  gegründet  hatte,  und  der  Schwieger- 
sohn des  (von  Lyon  nach  Paris  fibergesie 
delten)  Druckers  Jodocus  Badius  Ascensius. 
dessen  Tochter  das  Latein  fast  wie  ihre 
Muttersprache  gebrauchte;  in  Roberts  Hau^e 
arbeiteten  femer  nicht  weniger  als  10  Ge- 
lehrte aus  allen  Ländern,  für  welche  das  La- 
teinische das  Verkehrsmittel  bildete,  und  so 
gewöhnte  sich  sogar  das  Gesinde,  das  Ii;i- 
teinische  das  es  fortwährend  hörte,  zu  ver- 
stehen, auch  wohl  selbst  zu  gebrauchen.  Es 
war  ein  förmlicher  kleiner  lateinischer  Frei- 
staat: gewiss  der  beste  Boden,  auf  welchem 
ein  Thesaurus  linguaeLatinae  gedeihen  konnte ! 
Vgl.  Franz  Passow  in  Fr.  v.  Raumer*s  Hi- 
stor.  Taschenbuch,  II.  Jhrg.  1831,  S.  553  f.. 
sowie  die  der  Londoner  Ausgabe  des  The- 
saurus vorausgeschickte  Vita. 

**)  Vollständiger  Titel  der  ersten  Aus- 
gabe: Dictionarium^  seu  Latinae  linguae 
Thesaurus,  Kon  singulas  modo  dictiones 
continefis,  sed  integras  quoque  Latine  et 
loquendi,  et  scribendi  formulas  ex  optimis 
quibusque  authoribus  accuratissime  collectas. 
Cum  Gallica  fere  interpretatitme,    Parisiis 


1  Geschichte  nnd  Litteratur  der  lateinischen  Lexikographie.  (§7—9.)     613 

wie  er  seine  Sammlungen  begann,  bemerkt,  enthält  einen  wahrhaft  metho- 
dischen Grundgedanken:  er  habe,  sagt  er,  unter  den  lateinischen  Autoren 
zunächst  die  zwei  ältesten,  Plautus  und  Terenz,  als  et  copia  et  elegantia  et 
verborum  proprietate  praestantissnmi  herausgegriffen:  in  quibus  etiam  minur- 
tissima  quaeque  adeo  scrupuhse  annotaui,  ut  nullum  fere  vcrbum  praeter- 
miserim,  qtwd  ad  Latine  tum  hquendum  tum  scribendum  eommodum  esse 
existimarcm;  diese  annotationes,  alphabetisch  geordnet,  hätten  ihm  dann 
den  feststehenden  Rahmen,  gleichsam  die  Cadres,  gebildet,  in  welche  er  die 
ex  omni  scriptaruni  genere  gesammelten  dictiones  cum  suis  interpretametitis 
eintrug.  0  Aber  nicht  nur  dem  Stoffe  nach  bezeichnet  Stephanus'  Werk  einen 
wahrhaft  wissenschaftlichen  Fortschritt,  sondern  ganz  besonders  auch  in  der 
Darstellung  und  Behandlung.  Denn  Stephanus  macht  zum  erstenmale  die 
Bedeutung  und  ihre  auf  syntaktische  und  phraseologische  Verbindungen 
gestiitzte  Interpretation  zum  Mittelpunkte  seiner  Darstellung,  wogegen  jene 
etymologischen  Versuche  bei  ihm  völlig  in  den  Hintergrund  treten  und 
die  Derivata  und  Composita,  welche  man  bisher  dem  Grundwort  unterzu- 
ordnen liebte,  bei  ihm,  wie  sich's  gebührt,  als  selbständige  lexikalische 
Individuen  behandelt  werden  und  als  eigene  Artikel  erscheinen.  Bei  der 
Interpretation  selbst,  welche  in  der  ersten  Ausgabe  in  französischer  Sprache 
gegeben  ist,  verfahrt  er  mit  ausserordentlicher  Sorgfalt;  nur  die  Bezifferung 
der  Citate  lässt  bisweilen  noch  zu  wünschen  übrig,  insofern  er  sich  hie 
und  da  mit  blosser  Angabe  des  Autors  (z.  B.  Virg.)  oder  des  Autors  und 
seiner  Schrift  (Virg.  Georg.)  begnügt,  vermutlich  weil  er  solche  Stellen 
aus  älteren  Quellen  nahm,  welche  auch  nichts  weiter  angaben. 

9.  Einen  wesentlichen  weiteren  Fortschritt  bezeichnet  die  im  Jahre 
1543  erschienene,  ebenfalls  noch  von  R.  Stephanus  selbst  bearbeitete  Aus- 
gabe des  Thesaurus  in  3  starken  Foliobänden,  welche  auf  dem  Titel  als 
Editio  secunda  bezeichnet  wird.^)  Dem  Stoffe  nach  ist  diese  Ausgabe, 
gering  angeschlagen,  um  das  Fünf-  bis  Sechsfache  vermehrt;  besondere 
Sorgfalt  ist  den  Ci taten  gewidmet,  unter  welchen  jetzt  fast  nirgends  mehr 
ein  unbeziffertes,  selten  ein  mangelhaft  beziffertes  vorkommt;  viele  Artikel 
sind  neu  hinzugekommen;  noch  grösser  aber  ist  der  Fortschritt  in  der  Be- 
handlung. Mit  sichtlicher  Liebe  ist  jeder  etwas  grössere  Artikel  in  ver- 
schiedene einzelne  Unterabteilungen  (Paragraphen),  doch  ohne  Zählung  zerlegt. 


Ex  officina  Roberti  Stephani.  3IDXXXI, 
Von  den  zunächst  folgenden  Ausgaben  habe 
ich  gesehen  eine  kleinere  (ohne  Citate)  unter 
dem  Titel  Dictionanum  Latinogallicumt  Pn- 
risiift  MDXXXVIU,  und  die  grosse  drei- 
bändige PaHsiis  MDXLIIL 

*)  Der  Verfasser  selbst  bezeichnet  in 
dieser  Vorrede  sein  Werk,  namentlich  dem 
Calepinus  gegenüber,  mit  Recht  als  ein 
omnino  recetis  oj)iis,  ohne  doch  die  von  ihm 
benutzten  alten  und  neuen  Vorgänger  zu 
verschweigen ;  als  solche  nennt  er  in  alpha- 
betischer Reihenfolge:  Acro,  Asconius  Pae- 
dianus[so!],    Aulus    Gellius,    Budaeus,  Cale 


Marcellus,  Pandectae  iuris  ciuilis,  Perottus, 
Plinius  maior,  Porphyrie,  Priscianus,  Probus, 
Quintilianus,  Seruius,  Varro,  Vegetius.  ^Ex 
ipso  autem  Budaeo  —  heisstes  dann  noch  -- 
quem  nostra  aetate  praecipuum  omnis  eru- 
ditionis  lunien  optimus  quisqite  iudicat,  tarn 
muita  ad  verbum  transcripsimus,  ut  pene 
omnia  ei  rara  et  exquisita  Uli  in  hoc  apere 
debeantur'^ :  Guillaume  Bud^  (Budaeus)  1 1540. 
'^)  Der  Titel  dieser  Ausgabe  stimmt  mit 
dem  der  ersten  überein,  jedoch  mit  dem  viel- 
sagenden Zusätze:  ea  quidem  nunc  acces- 
sione,  ut  nihil  propemodum  obseruatu  dig- 
num  sit  apud  Oratores,  Historicos,  Poetas, 


pinus,  Caper,  Cato,  Cicero,  Columella,  Dio-  j  omnis  denique  generis  scriptores,  quod  hie  (sc, 
medes,  Donatus,  Erasmus,  Festus  Pompeius,  I  ThesAuruB) nonpromptumparatumqueliabeat, 
Laurentius  Valla,  Linacer,  Macrobius,  Nonius   | 


6U 


C.b)  Lateinisohe  Lexikographie. 


unter  welchen  die  dazu  gehörenden  phraseologischen  Verbindungen  n.  dgl. 
wiederum  je  in  alphabetischer  Reihenfolge  vorgeführt  werden,  so  z.  B.  der 
Artikel  acies  in  10,  der  Artikel  bellum  in  7,  der  Artikel  caput  in  19  Ab- 
teilungen u.  s.  f.  Die  Interpretation  ist  knapper  gefasst  und  in  dieser  Aus- 
gabe —  auch  dies  ein  Fortschritt  —  nicht  mehr  in  französischer,  senden) 
in  lateinischer  Sprache  gegeben.  Hervorzuheben  ist  endlich  noch  die  Hin- 
zufiigung  zahlreicher  Eigennamen,  worauf  die  Vorrede  ausdrücklich  hinweist 

10.  Auf  dieses  grundlegende  Werk,  ein  seinen  Namen  mit  Recht 
führendes  „ Schatzhaus ^  der  lateinischen  Sprache,  geht  eine  Reihe  lexiko- 
graphischer Erscheinungen  des  16.  wie  auch  der  beiden  folgenden  Jahr- 
hunderte teils  direkt  teils  indirekt  zurück.  ^)  Wir  nennen  1)  des  Theodosius 
Trebelliüs  Foroiuliensis  Tjaüfiae  lingtuie  uniuersae  Pramptuarium,  2  Teile, 
Basel  1545,  der  in  seiner  vorausgeschickten  „Epistola  nuncupatoria'  den 
Thesaurus  des  Hob.  Stephanus  zwar  nicht  als  einzige,  aber  doch  als  Haupt- 
quelle rühmt;  —  2)  des  Caelius  Secündus  Curio  zuerst  1561  ebenfalls 
in  Basel  erschienenen  Thesaurus  linguae  Latinae  sive  Forum  Romanum, 
3  Bände,  der  als  seine  beiden  Oewährsmänner  nur  Stephanus  und  den 
weiter  unten  noch  zu  nennenden  Marius  Nizolius  angibt;  eine  zweite  Auf- 
lage erschien  1576 — 78  unter  dem  Namen  des  Albertus  Burerus;  —  endlich 
3)  den  Thesaurus  erudltionis  scholasticae  des  Erfurter  Rektors  Basilivs 
Faber  Soranus  (d.  i.  aus  Sorau):  wie  schon  der  Titel  angibt,  ein  Schul- 
wörterbuch, und  insofern  eigentlich  ausserhalb  unserer  Darstellung  liegend, 
aber  beachtenswert  wegen  der  darin  zusammengestellten  Phraseologie;  als 
seinen  hauptsächlichsten  Gewährsmann  nennt  Faber  in  der  Vorrede  der 
ersten  (einzigen  von  ihm  selbst  besorgten)  Ausgabe,  Leipz.  1571,*)  den 
Caelius  Secündus  Curio,  d.  h.  indirekt  wieder  Stephanus. 

11.  Auffallend  arm  an  neuen  Erscheinungen  auf  dem  Gebiete  der 
lat.  Lexikographie  ist  das  17.  Jahrhundert.  Die  letzten  Jahrzehnte  des 
vorigen  und  die  ersten  dieses  Jahrhunderts  sind  die  Zeit,  in  welcher  die 
mehrsprachigen  Wörterbücher  üblich  werden;  so  z.  B.  der  sechs  Sprachen 
(Lateinisch,  Griechisch,  Hebräisch,  Französisch,  Italienisch  und  Deutsch) 
umfassende  Thesaurus  Imguarum  des  gelehrten  Pastors  Henricus  Deci- 
mator,  Lips.  1606.  Schulmässig  und  wieder  mit  besonderer  Rücksicht 
auf  Phraseologie  abgefasst  ist  Andreae  Reyheri  Theatrum  Romano- Ten- 
ionicum,  als  Erweiterung  eines  ähnlichen  kleineren  Werkes  desselben  Ver- 
fassers (des  Thesaurus  sermonis  Ijatini  elegantioris)  zuerst  Gotha  1668  und 
dann  wiederholt  herausgegeben.  Einen  vorwiegend  stilistischen  Zweck  ver- 
folgte auch  Philipp  Pareus  mit  seinem  Leancoii  criticum,  Nürnberg  1645, 
r\ehsi  Mantissa,  ebd.  1646.    Eine  selbständige  und  bahnbrechende,  den  spät- 


')  Über  die  Art,  wie  manche  „Neu- 
bearbeiter* des  Stephanus  bei  der  Einreihung 
neuer  Artikel  in  dessen  Wörterbuch  bisweilen 
zu  Werke  gingen,  erzählt  eine  hübsche  Ge- 
schichte Henri,  der  Sohn,  die  man  abgedruckt 
lesen  kann  bei  Morhof  a.  a.  0.  p.  822  sq.  (es 
ist  wohl  Nizolius'  Ausg.  gemeint,  Ven.  1551). 

"^)  Die  zweite  Ausgabe  dieses  vielge- 
brauchten Buches  wurde  von  des  Verfassers 
beiden  Söhnen,   Philipp   und   Christoph, 


besorgt  1587.  Eine  (nicht  ganz  vollständige) 
Übersicht  tiber  die  vielfach  vermehrten  Aus- 
gaben aus  dem  17.  und  dem  Anfange  des 
18.  Jahrh.  mit  Bezeichnung  ihrer  Bearbeiter 
gibt  BuRsiAN,  Gesch.  d.  class.  Philologie,  I 
S.  215  Anm.  2:  eine  vermehrte  und  verbes- 
serte Ausgabe  besorgte  zuletzt  J.  M.  Gesner 
1726  ff.,  bevor  er  seinen  eigenen  Novus 
Thesaurus  herausgab  (1749). 


1«  Geschichte  und  Litteratur  der  lateinischen  Lexikographie.  (§  10—12.)    615 

lateinischen  Sprachschatz  zusammenfassende  Leistung  ist  das  Glossarium 
ad  Scriptores  mediae  et  infimae  Latinitatis,  auctore  Carolo  du  Fresne, 
Domino  du  Gange  (1610-1688),  Paris  1678  in  3  Bänden  (verbreitetste  mo- 
derne Ausgabe  die  von  Q.  A.  L.  Henschel,   7  Bände,   Paris   1840—50).*) 

12.  Aber  auch  noch  die  ganze  erste  Hälfte  des  18.  Jabrh.  beherrschte 
der  Thesaurus  des  Stephanus.  Es  ist  eine  ganze  Gruppe  unmittelbarer 
Neubearbeitungen  dieses  Werkes,  welche  uns  hier  kurz  nach  einander  ent- 
gegentreten; wir  führen  sie  mit  genauer  Bezeichnung  ihrer  Titel  an: 
1)  Roberti  Stephani  Thesaurus  linguae  Latinae,  editio  nova  priorihus  multo 
auctior  et  emendatior,  Tom.  I— IV,  Londini  1734—35;  als  Herausgeber 
nennen  sich  unter  der  vorausgeschickten  Widmung  vier  Gelehrte:  Edmun- 
dus  Law,  Joannes  Taylor,  Thomas  Johnson,  Sandys  Hutchinson, 
Cantabrigiae.  —  2)  Diese  Ausgabe  wurde  sehr  bald  überholt  durch  die 
1740 — 43  erschienene  Baseler  des  Antonius  Birrius,  ebenfalls  IV  Tomi; 
der  Titel  hat  den  Zusatz:  Accesserunt  nunc  primum  Henrici  Stephani  Bob, 
F.  annotationes  autographae  ex  codice  biblioth.  p,  civit,  Genev.;  als  einen 
Haupt  Vorzug  seiner  Ausgabe  vor  der  der  englischen  Gelehrten  bezeichnet 
ausserdem  Birrius,  dass  er  die  letzte  von  Stephanus  selbst  herrührende 
Ausgabe  (von  1543)  zugezogen  habe,  während  sich  jene  nur  an  die  unzu- 
verlässige Leidener  (1573)  gehalten  hätten.  —  3)  Aber  auch  des  Birrius 
verdienstliche  Ausgabe  wurde  bald  aus  dem  Felde  geschlagen  durch  Johann 
Matthias  Gesnbr*s:  Novus  linguae  et  eruditionis  Ronianae  Thesaurus  post 
Ro.  Stejyhani  et  aliorum  nuper  etiam  in  Anglia  eruditissimorum  hominum 
curas  digestus,  locupletatus,  emendatus,  4  Bände,  Lips.  1749.  Die  vortreff- 
liche Vorrede  dieses  Werkes  wird  man  noch  heute  nicht  ohne  Nutzen 
lesen;  sie  lehrt,  dass  Gesner  zwar  die  Londoner  Ausgabe  zur  Grundlage 
genommen,  jedoch  auch  die  Baseler  Ausgabe  dazu  benützt  hat;  die  Haupt- 
sache jedoch  hat  er  selbst  gethan,  indem  er  den  lexikalischen  Stoff  nach 
festen  Grundsätzen  teils  kürzte,  teils  berichtigte,  teils  ergänzte.  Seine 
Kürzungen  bestanden  darin,  dass  er  eine  strenge  Sichtung  der  dem  römi- 
schen Altertum  nicht  unmittelbar  angehörigen  Artikel  vornahm,  innerhalb 
der  grösseren  Artikel  selbst  aber  die  Bedeutungsentwickelung  vereinfachte ; 
die  Zitate  ferner  berichtigte  er  durch  sorgfältige  Kontrole  derselben  nach 
den  besten  Ausgaben;  die  Interpretation  ergänzte  er  durch  Zuziehung  einer 
Menge  von  erklärenden  Ausgaben,  wie  er  es  denn  als  ein  Ideal  der  Lexiko- 
graphie bezeichnet,  dass  sie  die  Ergebnisse  der  Schriftstellererklärung  so 
viel  als  möglich  zu  konzentrieren  habe.  In  demselben  Sinne  legt  er  auch 
grossen  Wert  auf  die  sachliche  Seite  der  Worterklärung;  für  die  Zwecke 
der  Etymologie  endlich  ist  am  Schlüsse  ein  eigener  292  Spalten  umfassender 

^)  Als  SupplemeDto  zu  dieser  Ausgabe   |  (siehe    die     Bemerkungen    Wölfflin*s    im 

dienen  das  Glossarium  Latin o-Gemianicum   .  Arch.  f.  lat.  Lex  I  128  ff.,  II  619,  III  304). 

mediae  et  infimae  aetatis,  Frankfurt  a.  M.   {  Einen    modernen  handlichen,    aber    freilich 

1857,  und  Novum  glossarium  Latino-Ger-  \  auch  dürftigen  Auszug  aus  Ducange  gibt 


manicHm  mediae  et  infimae  aetatis,  ebd.  1867, 
beide  von  L.  Diefenbach;  ein  etwas  ver- 
mehrter Abdruck  des  Ducange  aus  neuester 
Zeit  ist  der   von   L.  Favbe,  Niort   1883  ff. 


es  u.  d.  T.:  Lexicon  manuale  ad  scriptores 
mediae  et  infimae  Latinitatis,  par  Maigne 
d'Arnis,  publii  par  Mionb,  Paris  1866. 


616 


C.b)  Lateinische  Lexikographie. 


Ijah'nitatis  index  etymologicus  hinzugefügt.     Das  Gaoz^  bezeichnet  Gesner 
als  eine  Frucht  zwölfjähriger  Arbeit.') 

13.  Unsere  Berichterstattung  wendet  sich  nun  der  neuesten  Periode 
zu,^)  innerhalb  welcher  das  Lebenswerk  Eoidio  Forcellini's  (1688 — 1768) 
eine  ähnliche  massgebende  Rolle  spielt,  wie  bisher  das  des  Stephanus. 
Schon  in  jungen  Jahren  widmete  sich  dieser  Zögling  des  Seminars  zu  Padua 
unter  Anleitung  seines  Lehrers  J.  Facciolati  der  lateinischen  Lexikographie 
und  blieb  bis  zu  seinem  Tode  mit  kui*zer  Unterbrechung  etwa  40  Jahre 
lang  dieser  Thätigkeit  treu.  Als  Ergebnis  seiner  Lebensarbeit  erschien 
1771  zu  Padua  ^)  das  Totius  Latinitatis  Lexicon,  consüio  et  cura  JacoU 
Facciolati^  qpera  et  studio  Aegidii  ForcelUni^  alumni  seminarii  PcUavinif 
lucubratum.  Das  Werk  beruht  seinem  Stoffe  nach  auf  eigenen  Forschungen, 
nicht  nur  aus  den  Autoren  selbst,  sondern  auch  aus  Kommentaren  und 
Hilfswerken;  von  besonderer  Bedeutung  ist  das  aus  Inschriftensammlungen 
geschöpfte  neue  epigraphische  Material.  Die  Bedeutungsentwickeluug  lässt 
noch  zu  wünschen  übrig;  immerhin  ist  auch  in  diesem  Punkte  ein  Fort- 
schritt unbestreitbar;  in  der  Unterscheidung  der  Bedeutungen  von  einander 
hat  der  Verfasser  jedenfalls  selten  zu  wenig,  in  der  Regel  zu  viel  gethan« 
Die  gewählte  Interpretationssprache  ist  die  italienische;  auf  die  Phraseologie 
erklärt  der  Verfasser  besonders  behufs  praktischer  Sprachübungen  der 
Studierenden  des  Paduaner  Seminars  Gewicht  gelegt  zu  haben.  —  Mit 
Recht  ist  denn  auch  dieses  Seminar  auf  das  Werk  seines  früheren  Zöglings 
von  jeher  stolz  gewesen  und  hat  es  nicht  unterlassen,  für  dessen  weitere 
Vervollkommnung  Sorge   zu   tragen.     Drei   spätere    Zöglinge  und   Lehrer 


')  Auf  Gesneb's  Thesaurus  stützte  sich 
dann  wieder  (der  Vorrede  zufolge)  das,  wie 
es  scheint,  nur  zu  geringer  Verbreitung  ge- 
langte y,  Lexicon  catholicon  Latinae  linguae, 
coninncta  quorundam  doctorum  hominum 
opera  adornaium* ,  2  Tomi,  Lips.  1784;  die 
Namen  der  Bearbeiter  sind  nirgends  ge- 
nannt. Kurz  vor  seiner  Vollendung  war 
Scheller's  Ausführliches  Lexikon  (s.  unten) 
erschienen,  mit  welchem  das  namenlose  Werk 
die  Konkurrenz  offenbar  nicht  zu  besteben 
vermochte. 

■-)  über  die  neuere  Litt^ratur  vom  Ende 
des  18.  bis  gegen  die  Mitte  des  19.  Jahrh. 
ist  noch  immer  lesenswert  der  Abschnitt 
Lexikologie  in  F.  A.  Wolf's  Vorlesungen 
über  die  Encyklopädie  der  Altertumswissen- 
schaft, hrsg.  V.  GüBTLER,  Leipz.  1839,  S. 
229  ff. ;  desgleichen  für  die  ersten  Jahrzehnte 
unseres  Jahrhunderts  die  beiden  Artikel  von 
K.  E.  Geokoes,  Lateinische  Lexiko- 
graphie, in  der  Neuen  Jenaischen  All- 
gemeinen Litteratur-Zeitung,  III.  Jhrg. 
(Leipz.  1844)  S.  955  ff.  und  IV.  Jahrg.  (Leipz. 
1845)  S.  493  ff,  woran  sich  aus  der  neuesten 
Zeit  die  reichhaltigen,  auch  durch  viele  Nach- 
träge zu  den  recensierten  Schriften  wert- 
vollen Jahresberichte  des  nämlichen  Ver- 
fassers in  Bursian-Müller's  Jb.  flb.  d.  Fort- 
schritte der  class.  Altertumsw.  seit  dem  Jahre 


1873  anschliessen.  Endlich  sind  die  biblio- 
graphischen Zusammenstellungen  beachtens- 
wert, welche  E.  Hübneb  in  seinem  Grund- 
riss  zu  Vorlesungen  tlber  die  latei- 
nische Grammatik,  2.  verm.  Aufl.  Ber- 
lin 1880  S.  19  ff.,  gibt,  wo  nicht  nur  die 
Gesamtwörterbücher  bis  auf  die  neueste  Zeit 
herab  genannt  werden,  sondern  auch  zahl- 
reiche Spezial  Wörterbücher  zu  einzelnen  Schrift- 
stellern, sowie  monographische  Darstellungen 
einzelner  Wörter  und  Wortbedeutungen  (8. 
19  ff..  36  f.,  69  f.). 

^)  Leider  habe  ich  nicht  diese,  sondern 
nur  die  vermehrte  zweite,  1805  in  4  Bänden 
zu  Padua  erschienene  Ausgabe  benützen 
können;  eine  umfängliche  Appendix  dazu 
von  J.  FüRLANETTO  erbchicu  ebd.  1816.  Über 
die  in  Deutschland  vielgebrauchte  Schnee- 
berger  Ausgabe  (1831  ff.,  in  4  Bdn.),  welche 
von  mehreren  sächsischen  Schulmännern 
nach  der  dritten  italienischen  (s.  u.)  neu 
bearbeitet  wurde,  jedoch  nicht  mit  gleicher 
Solidität  bis  zum  Schlüsse  durchgeführt  werden 
konnte,  siehe  Näheres  bei  Georoes,  Neue  Je- 
naische Allgemeine  Litteratur-Zeitung,  III. 
Jahrg.  S.  956.  Eine  englische  Ausgabe  von 
J.  Bailey,  London  1827,  2  Bände,  deren 
Herausgeber  manches  eigene  hinzugeJPügt  ha- 
ben soll,  ist  mir  bis  jetzt  noch  nicht  näher 
bekannt  geworden. 


1.  Geschichte  nnd  Litteratnr  der  lateinischen  Lexikographie.  (§  13—14.)    617 

haben  ihre  Kraft  dieser  Aufgabe  gewidmet:  J.  Furlanetto,  der  die  III. 
vermehrte  und  verbesserte  Auflage  herausgab  (Padua  1827  ff.,  4  Bände, 
nebst  Appendix,  ebd.  1841);  —  ferner  Franc.  Corradini,  welcher  seit  1858 
an  einer  Ergänzung  des  Werkes  aus  den  lexikalischen  Arbeiten  von  Klotz, 
Freund,  Doederlein  u.  a.  arbeitet  (Tom.  I.  Patavii  1864;  bis  jetzt  sind 
3  Bände  nebst  Fase.  I.  des  4.  Bandes  bis  zum  Artikel  retnoueo  erschienen);  — 
endlich  liegt  vollständig  die  vermehrte  Bearbeitung  von  Vinc.  de- Vit  vor 
(Prato  1858  ff.  in  6  Bänden;  nur  das  den  zweiten  Teil  bildende  Onomasticon 
ist  noch  nicht  ganz  erschienen),  welch  letzterer  Bearbeiter  es  aber  leider 
versäumt  hat,  durch  erschöpfende  kritische  Vergleichung  der  Zitate  mit 
den  neuen  massgebenden  Autorenausgaben  seine  Bearbeitung  auf  die  Höhe 
der  philologischen  Forschung  zu  bringen. 

14.  Mit  Immanuel  Johann  Gerhard  Scheller's  Ausführlichem  und 
möglichst  vollständigem  latcinisch^deutsclien  Lexikon  (zuerst  Leipz.  1783  in 
2  Bänden)  beginnt  eine  zusammenhängende  Reihe  höchst  verdienstlicher 
und  in  ihrem  letzten  Ausläufer,  Georges,  noch  jetzt  den  Markt  beherrschender 
Handwörterbücher.  Scheller  selbst  gab  einen  mit  eigenen  Zuthaten 
versehenen  und  neu  geordneten  Auszug^)  aus  Forcellini;  von  Auflage  zu 
Auflage  verbesserte  und  vermehrte  sich  dann  derselbe;  zuerst  noch  unter 
den  Händen  Scheller's,  dann  (auszugsweise)  unter  denen  seines  Nachfolgers 
6.  H.  Lünemann,^)  endlich  ganz  besonders  durch  die  fortgesetzte  hin- 
gebende Thätigkeit  des  dritten  Bearbeiters  K.  £.  Georges,  welcher  das- 
selbe zuletzt  mit  Recht  ausschliesslich  unter  seinem  Namen  erscheinen 
liess.  Auch  dieses  Ausführliche  lateinisch-deutsche  Handwörterbuch  Georges*, 
von  welchem  die  7.  neubearbeitete  und  sehr  vermehrte  Auflage  (Leipzig 
1879  f.)  in  2  Bänden  erschienen  ist,  muss  in  seiner  Art  als  ein  Lebenswerk 
bezeichnet  werden,  in  welchem  an  Reichhaltigkeit,  Handlichkeit  und  Genauig- 
keit alles  geleistet  ist,  was  von  der  Kraft  eines  Einzelnen  überhaupt  ge- 
leistet werden  kann. 


^)  £in  wesentlich  auf  Forcellini  beruh- 
ender Auszug  ist  auch  W.  Freukd  s  Wörter- 
buch der  Lateinischen  Sprache  nach 
historisch-genetischen  Prinzipien  u. 
8.  w.,  4  Bände,  Leipz.  1834  fif.,  auf  dessen 
ausführliche  und  in  methodischer  Hinsicht 
wichtige  Vorrede  wir  weiter  unten  zu  sprechen 
kommen  werden ;  von  demselben  Gelehrten  er- 
schien kurz  darauf  ein  ^  Gesamtwörterbuch 
der  lateinischen  Sprache,  zum  Schul-  und  Pri- 
vatgebrauch*, Breslau  1844  f.,  worin  auch 
auf  das  «Mittel-  und  Neulatein "  besondere 
Kücksicht  genommen  ist.  —  Fretnd's  Wörter- 
buch bildete  wieder  die  erste  Grundlage  fQr 
ein  inzwischen  neu  bearbeitetes  amerikani- 
sches Werk,  bekannt  unter  dem  Namen  Har- 
per's  Latin  Dictionary,  ed.  by  E.  A.  An- 
drews (s.  über  dieses  wie  überhaupt  über 
die  Erscheinungen  der  ausser  deutschen  Lit- 
teratnr Georges  in   seinen  Jahresberichten). 

^)  Das  Verhältnis  der  Bearbeitungen 
Scheller'Sy  Lünemann's  und  Georges*  (vgl. 
Georges'  eigene  Bemerkungen,  Jbb.  f.  klass. 


Philol.  1882  S.  593  f.)  ist  folgendes:  auf  die 
dreibändige  zweite  Auflage  seines  Ausführ- 
lichen und  möglichst  vollständigen  Lexikons 
(1788)  liess  Scheller  1804  noch  eine  dritte 
,von  neuem  verbesserte  und  sehr  vermehrte 
Auflage*  in  fünf  Bänden  folgen;  zwischen 
beide  hinein  fällt  sein  aus  der  zweiten  Aufl. 
verkürztes  «Handlexikon**  1792,  und  dieses 
war  es,  welches  Lünemann  zuerst  180G  und 
dann  in  mehreren  weiteren  Auflagen  be- 
arbeitete; für  dessen  7.  Aufl.  (1831  er- 
schienen) trat  im  Herbste  1828  Georges  zum 
erstenmale  als  Mitarbeiter  ein.  —  Was  wir 
an  Lünemann 's  und  Georges'  Bearbeitungen 
ungern  vermissen,  ist  eine  durchgängige 
ziffermässige  Citierweise  (meist  wird  nur  der 
Name  des  Autors  genannt),  wodurch  freilich 
der  Umfang  des  Werkes  erheblich  vermehrt 
worden  wäre;  ein  wissenschaftliches  Hand- 
wörterbuch der  Zukunft  wird  sich  der  Er- 
füllung dieser  zur  Kontrole  der  Zitate  un- 
erlässlichen  Forderung  aber  gleichwohl  nicht 
entziehen  dürfen. 


618 


C.b)  Lateinische  Lexikographie. 


15.  Als  ausserhalb  dieser  Reihe  liegend  und  zum  Teil  auf  selbst- 
ständigen Sammlungen  beruhend  sind  schliesslich  folgende  zwei  Werke 
hinzuzufügen:  Thesaurus  der  classischcfi  Latinität,  ein  ,, Schulwörterbuch,  mit 
besonderer  Berücksichtigung  der  lateinischen  Stilübungen*,  begründet  von 
K.  E.  Georges,  vom  Buchstaben  D  an  fortgesetzt  von  G.  Mühlmann, 
Leipzig  1854 — ü8,  auf  2  Bände  berechnet,  aber  nur  bis  zum  Buchstaben  K 
(=  Zweiten  Bandes  erste  Abteilung)  durchgeführt;  —  und  Keikhold  Klotz, 
Handwörterbuch  der  lateinischen  Sprache,  2  Bände,  Braunschweig  1853—57 
und  seitdem  öfter,  ein  Werk,  welches  der  Herausgeber  freilich  auch  nicht 
in  der  von  ihm  anfangs  beabsichtigten  Weise  durchzuführen  vermochte, 
sondern  unter  dem  Drucke  äusserer  Verhältnisse  mit  Hilfe  zweier  Mit- 
arbeiter, Fr.  Lübker  und  E.  E.  Hudemann,  zu  Ende  bringen  musste,») 
worunter  der  einheitliche  und  selbständige  Charakter  der  späteren  Teile 
gelitten  hat. 

16.  Anhangsweise  seien  neben  den  Gesamtwörterbüchern  aus  der 
übrigen  lexikographischen  Litteratur«)  noch  einige  hervorragende  Erschei- 
nungen genannt,  und  zwar 

a)  unter  den  Spezialwörterbüchern  zu  einzelnen  Schriftstellern  die 
Ohscrvationes  in  Ciceronem  ordine  litterarum  digcstac  des  Mario  Nizzoli 
(NizoLius)  (t  1566),  zuerst  erschienen,  wie  es  scheint,  1535,  dann  zu  einem 
vollständigen  Thesaurus  Ciceronianus  erweitert  und  oft  herausgegeben, 
zuletzt  von  Facciolati,  Padua  1734  (die  dreibändige  Londoner  Ausgabe 
V.  J.  1820  ist  davon  ein  Abdi*uck);  auf  demselben  Gebiete  H.  Merouet's 
Lcxikmi  zu  den  Beden  des  Cicero,  4  Bände,  Jena  1873  (1877)— 1884;  femer 
E.  BoNNELLs  Lexicon  Quintilianeuni,  als  Vol.  VI.  der  Spalding'schen  Quin- 
tilianausgabe,  Lips.  1834,  u.  s.  w.;  —  andere  (zu  Tac.  Caes.  Cicero *s  philos. 
Schriften  u.  s.  w.)  sind  im  Erscheinen  begriffen. 

b)  Unter  den  ein  bestimmtes  Gebiet  der  lateinischen  Sprache  um- 
fassenden Wörterbüchern:  Ferdinandi  Handii  Tursellinus  seu  de  particulis 
Latinls  comnmitarii,  Vol.  I— IV.  (reicht  bis  zum  Ende  des  Buchstaben  P), 
Lips.  1829 — 45,  ein  trotz  aller  Mängel  noch  immer  unentbehrliches  Nach- 


')  Das  Werk  sollte  (nach  der  Vorrede 
zur  ersten  Auflage)  die  Mitte  halten  zwischen 
den  grösseren  Thesauren  und  den  kleineren 
Hand-  oder  Schulwörterhüchein  der  lateini- 
schen Sprache.  Eine  vorübergehende  Unter- 
stützung wurde,  nachdem  die  drei  ersten 
Lieferungen  schon  im  Jahre  1847  rasch  hinter 
einander  erschienen  waren,  die  weitere  Aus- 
gabe aber  ins  Stocken  geriet,  dem  Heraus- 
geber durch  die  Doktoren  Geier  und  H User 
zu  Halle  zu  Teil,  von  denen  die  mit  ihren 
Namenschi flfren  (if.,  bezw.  G.)  bezeichneten 
Artikel  concedo-conclamo  und  constitutio- 
consuefacio  herrühren;  in  nachhaltigerer 
Weise  trugen  dann  die  beiden  oben  ge- 
nannten Gelehrten,  deren  Namenschiffren  L.y 
bezw.  Hn.  sich  von  den  Artikeln  contendo, 
bezw.  credibilis  an,  mit  Artikeln  des  Heraus- 
gebers untermischt,  vorfinden,  zur  Vollendung 
de8  Werkes  bei.  Von  den  folgenden  Auf- 
lagen unterzog  der  Herausgeber  die  dritte 


(nach  dem  Vorwort  i.  J.  1861  erschienene) 
einer  eingreifenden  Revision;  die  vierte  und 
(1874)  fünfte  sind  unveränderte  Abdrücke 
der  dritten. 

-)  Zur  etymologischen  Litt-eratur  ge- 
hört Seb.  Zeuetmatr^s  Analogisch- verglei- 
chendes Wörterbuch  Über  das  Geg amtgebiet 
der  indogermanischen  Sprachen,  Lpz.  1871», 
worin  das  Lateinische  voransteht;  —  zur  sti- 
listisch en  die  Antibarbari,  von  denen  der 
„Antibarbarus  der  Lateinischen  Sprache*^  von 
Krebs  und  Alloater  der  bekannteste  und 
durch  die  durchjjreifende  Neubearbeitung  von 
J.  H.  Schmalz,  2  Bände.  Basel  188(5-88. 
besonders  wertvoll  geworden  ist;  —  zur 
Litteratur  der  wissenschaftlichen  Flexi ons - 
lehre  das  im  Erscheinen  begriffene  «Lexi- 
kon der  lateinischen  Wortformen*  von  K. 
E.  Georges,  Lpz.  1888  f.,  welches  den  un- 
zulänglichen früheren  Versuch  von  G.  Koff- 
MA5E  (Göttingen  1874)  ersetzen  wird. 


2.  Theorie  der  lateinischen  Lexikographie.  (§  15—17.)  619 

schlagebuch;  L.  Quicherat\s  Thesaurus  poeticus  Unguae  Latifiae,  Paris, 
zweite  verbesserte  Ausg.  1875;  für  die  juristische  Sprache  bis  jetzt  noch 
das  Manuale  Latinitatis  fontium  iuris  cimlis  Ronmnarum,  auctore  Henrico 
Eduardo  Dirksen,  Berlin  1837,  und  das  Ilandlexicon  zu  den  Quellen  des 
römischen  Rechts  von  H.  G.  Heumann  in  verschiedenen  Auflagen  (5.  von 
Ch.  A.  Hesse,  Jena  1879);  endlich  für  das  Bibellatein  die  Concordantiae 
Bibliorum  (Konkordanzen),  sowie  die  betreflfenden  Abschnitte  des  Werkes 
von  H.  RöNSOH,  Itala  und  Vulgata,  2.  Ausg.  Marburg  1875.  (Ein  „namen- 
loses, nicht  unnützes ""  Glossarium  eroticum,  Paris  1826,  erwähnt  Bücheier 
im  Arch.  f.  lat.  Lex.  II  S.  117,  womit  zusammenzustellen  ist  C.  Rambach, 
Thesaurus  eroticus  linguae  Latinae,  Stuttgart  1833.) 

c)  Unter  den  Arbeiten  über  die  Fremdwörter  im  Lateinischen  die  vor- 
treflniche  lexikographisch-kulturhistorische  Preisschrift  F.  0.  Weise's,  Die 
(jriechisclhen  Wörter  im  Latein,  Leipz.  1882,  und  der  umfassende,  aber  zu 
wenig  selbständige  und  im  einzelnen  nicht  genug  durchgearbeitete  „Ten- 
saurus'*  Italograecus  von  Q.  A.  Saalfeld,  Wien  1884. 

d)  Auf  synonymischem  Gebiete:  L.  Döderlein's  lateinische  Synonyme 
und  Etymologien,  6  Teile,  Leipzig  1826  ff.,  in  etymologischer  Beziehung 
veraltet,  in  semasiologischer  aber  von  unverwüstlicher  Frische;  L.  Kams- 
horn's  gründliche  Lateinische  Synonymik,  2  Teile,  Leipz.  1831—33;  die  gute 
Schulsynonymik  von  Ferd.  Schultz,  Paderborn,  seit  1841  in  vielen  Auf- 
lagen; und  vieles  andere. 

e)  Unter  den  lexikographischen  Einzelbeiträgen  grösseren  Umfangs 
die  Addenda  lexicis  Latin is,  inuestigauit  collect  digessit  L.  Qüicherat, 
Parisiis  1862,  der  in  der  Praefatio  beklagt,  dass  namentlich  die  Kirchen- 
väter von  den  Lexikographen  bis  dahin  so  sehr  vernachlässigt  worden 
seien,  und  hiezu,  wie  überhaupt  zum  späteren  Latein  allerlei  Nachträge 
liefert;  dann  die  umfangreichen,  aber  unkritischen  Materialsammlungen  auf 
demselben  Gebiete  von  C.  Paucker,  darunter  besonders  das  Supplementum 
lexicorum  Latinorum,  Vol.  I.  Berol.  1883 — 85,  und  die  Vorarbeiteti  zur 
lat.  Sprachgeschichte,  herausg.  von  H.  Rönsch,  3  Teile,  Berl.  1884,  u.  v.  a. 
Dazu  eine  Menge  kleinerer  wertvoller  Beiträge  vieler  Gelehrter  in  Zeit- 
schriften, Programmabhandlungen  und  Rezensionen,  auf  deren  Aufzählung 
wir  hier  verzichten  müssen;  über  die  Arbeiten  in  Wölfflin's  Archiv  f,  lut. 
Lexikographie  wird  unten   in  anderem  Zusammenhange  zu   berichten  sein. 

2.  Theorie  der  lateinischen  Lexikographie. 

17.  Indem  wir  nach  dem  vorstehenden  litterarhistorischen  Überblick 
dazu  übergehen,  die  theoretischen  Ziele  und  Grundsätze  der  lateinischen 
Lexikographie  darzustellen,  wird  man  es  bei  dem  Interesse,  welches  sich 
gerade  in  den  letzten  Jahrzehnten  diesem  Zweige  der  lateinischen  Sprach- 
wissenschaft zugewendet  hat,  nicht  unangemessen  finden,  wenn  wir  uns 
darüber  etwas  ausführlicher  verbreiten.  Und  zwar  gedenken  wir  zur  Orien- 
tierung zuerst  die  Gesichtspunkte  vorauszuschicken,  welche  auf  diesem 
Gebiete  überhaupt  in  Betracht  kommen,  und  alsdann  diejenigen  lexiko- 
logischen  Untersuchungen  und  Vorarbeiten  in  geschichtlichem  Zusammen- 
hange zu  verfolgen,  welche  im  Laufe  unseres  Jahrhunderts  namentlich  im 


620  ^M  Lateinische  Lexikographie. 

Hinblick  auf  das  Ideal  eines  allen  wissenschaftlichen  Anforderungen  ent- 
sprechenden Thesaurus  linguae  Latinae  in  die  Öffentlichkeit  ge- 
treten sind. 

Die  Aufgabe  der  Lexikographie  kann  im  allgemeinen  unmöglich  eine 
andere  sein  als  die,  jedes  einzelne  Wort  einer  Sprache  als  eine  für  sich 
bestehende  Einheit,  als  ein  sprachliches  Individuum  ins  Auge  zu  fassen 
und  dasselbe  io  monographischer  Weise  darzustellen.  Daraus  ergibt  sich  die 
Frage,  welches  denn  die  verschiedenen  Seiten  oder  Gesichtspunkte  sind,  die 
ein  solches  Wortindividuum  je  nach  seiner  Beschaffenheit  fUr  die  lexiko- 
graphische Darstellung  überhaupt  darbietet,  und  wir  glauben  im  ganzen 
sieben  solche  Seiten  oder  Gesichtspunkte  unterscheiden  zu  dürfen:  den 
historischen,  den  etymologischen,  den  ilexivischen,  den  semasiologischen, 
den  syntaktischen,  den  phraseologischen  und  den  stilistischen.  Mit  diesen 
Gesichtspunkten  haben  wir  uns  nunmehr  im  einzelnen  zu  beschäftigen. 

18.  1)  Weitaus  der  erste  und  wichtigste,  weil  für  alle  übrigen 
grundlegende  Gesichtspunkt  ist  der  historische.  Wie  die  Sprache  als 
Ganzes  genommen,  so  hat  auch  jedes  einzelne  einigermassen  bedeutungs- 
volle Wort  seine  bestimmte  historische  Entwickelung,  und  diese  gilt  es 
nach  dem  Masse  der  uns  zu  Gebote  stehenden  Mittel  von  Anfang  an  zu 
verfolgen.  Nach  dem  Masse  der  uns  zu  Gebote  stehenden  Mittel:  denn 
allerdings  sind  wir  ja  bei  einer  sogenannten  toten  Sprache  nie  im  stände, 
die  Individualität  eines  Wortes,  geschweige  denn  seine  gesamte  historische 
Entwickelung  unmittelbar  aus  dem  Leben  der  Sprache  selbst  kennen  zu 
lernen,  sondern  wir  sind  angewiesen  auf  die  Ausbeutung  der  oft  sehr  un- 
gleich fliessenden,  uns  zufallig  zugänglichen  Quellen.  Der  Jlinblick,  welchen 
die  auf  uns  gekommenen  litterarischen  Urkunden  in  die  Geschichte  eines 
Wortes  gestatten,  wird,  wie  in  allen  historischen  Dingen,  oft  ein  mehr 
oder  weniger  lückenhafter  sein,  und  der  wissenschaftliche  Lexikograph 
wird  sich  stets  bewusst  bleiben,  welche  Schranken  seiner  Thätigkeit  ge- 
setzt sind.  Was  nun  aber  wirklich  überliefert  ist,  das  muss  eben  darum 
auch  um  so  sorgfaltiger  registriert  und  verwertet  werden.  Nicht  als  ob 
es  nötig  wäre,  jede  Stelle,  wo  das  Wort  überhaupt  vorkommt,  in  den 
Thesaurus  aufzunehmen  (das  würde,  zumal  bei  sehr  gebräuchlichen  Wörtern, 
gerade  das  Gegenteil  einer  klaren  Anschauung  ihres  individuellen  Lebens 
hervorrufen),  sondern  nur  die  charakteristischen  Stellen,  d.  h.  diejenigen, 
welche  nach  irgend  einer  Seite  hin  zur  Kennzeichnung  seiner  historischen 
Entwickelung  beitragen.  Um  diese  charakteristischen  Stellen  ausfindig  zu 
machen,  ist  es  aber  nötig,  dass  irgend  jemand  in  der  lexikographisclien 
Welt,  so  zu  sagen,  als  jeweiliger  Vertrauensmann  aufgestellt  werde  und 
als  solcher  einmal  wenigstens  alle  Stellen,  an  welchen  das  Wort  vorkommt, 
im  Zusammenhange  zu  überblicken  im  stände  sei;  denn  anders  ist  es  nicht 
möglich,  in  jedem  Falle  endgiltig  zu  entscheiden,  welche  Bedeutung  einer 
einzelnen,  an  sich  oft  gleichgiltig  scheinenden  Stelle  für  die  divinatorischc 
Erkenntnis  der  historischen  Gesammtentwickelung  des  Wortes  beiwohnt 
und  welche  Schlussfolgerungen  daraus  gezogen  werden  können. 

Von  besonderem  Interesse  sind,  innerhalb  dieses  allgemeinen  histo- 
rischen   Rahmens,    noch    folgende    Einzelmomente.      Eine    hervorragende 


2.  Theorie  der  laieiniBchen  Lexikographie.  (§  18.) 


621 


Wichtigkeit  hat  unter  allen  Umständen  zunächst  diejenige  Stelle,  an  welcher 
das  Wort  in  der  Litteratur  zum  ersten  male  vorkommt.  Man  wird  sieh 
zwar  auch  hier  vor  übereilten  Schlüssen  hüten  müssen:  es  kann  ein  Wort 
oder  eine  Wortbedeutung  schon  längere  Zeit  im  Munde  der  Nation  gelebt 
haben,  ehe  sich  Gelegenheit  dazu  fand,  es  in  einem  der  uns  gerade  über- 
lieferten Litteraturwerke  schriftlich  anzuwenden.  Aber  in  vielen  Fällen 
ist  doch  ein  sicherer  Schluss  ex  silentio  möglich.  Wenn  an  Stellen 
älterer  Werke,  an  welchen  man  gerade  dieses  Wort  unbedingt  gebraucht 
zu  sehen  erwarten  darf,  z.  B.  im  Gegensatze  oder  in  der  Ableitung, 
eben  nicht  dieses,  sondern  ein  anderes  von  naheverwandter  Bedeutung 
vorkommt,  so  ist  dies  immerhin  ein  Indicium,  dass  man  das  Wort  noch 
nicht  gebrauchte,  weil  man  es  noch  nicht  gebrauchen  konnte;  und  wenn 
sich  solche  Indicien  häufen,  so  gewinnt  der  daraus  zu  ziehende  Schluss 
oft  die  grösste  Wahrscheinlichkeit.  Um  ein  Beispiel  anzuführen,  so  scheint 
es,  dass  das  Wort  adorare  (als  Kompositum)  dem  älteren  Latein  noch 
völlig  fremd  war.  Denn  die  ältesten  Stellen,  wo  es  mit  Sicherheit  nach- 
zuweisen ist,  finden  sich  erst  bei  Vergil  und  Livius;  und  doch  hätten 
Plautus,  Lucrez,  Yarro  und  vor  allem  Cicero  sehr  oft  Anlass  dazu  gehabt, 
es  zu  gebrauchen,  wenn  sie  es  eben  gehabt  hätten.^)  Solche  Schlüsse  ex 
silentio  nach  rückwärts  sind  also,  wenn  sie  mit  Vorsicht  gezogen  werden, 
für  die  Wortgeschichte  von  der  grössten  Wichtigkeit. 

Ahnliche  Schlüsse  ex  silentio  gibt  es  aber  auch  nach  vorwärts, 
in  der  absteigenden  Richtung  der  Wortgeschichte.  Gerade  im  Bereich  der 
lateinischen  Sprache  nämlich  lässt  sich  bei  vielen  Wörtern,  wie  vorhin  der 
Anfang,  so  hier  das  Ende  beobachten,  d.  h.  das  bald  frühere  bald  spätere 
Absterben  eines  Wortes  oder  einer  Wortbedeutung  und,  was  damit  eng 
zusammenhängt,  seine  Ersetzung  durch  ein  Synonymen.  Wenn  beispiels- 
weise weinen  im  Französischen  pleurer  {plorare)  heisst  und  ein  dem  lat. 
flere  entsprechendes  Wort  nicht  mehr  vorkommt,  so  scheint  letzteres  Wort 
in  der  That  schon  vor  der  Entwickelung  der  romanischen  Sprachen  aus  der 
lateinischen  Volkssprache  verschwunden  zu  sein  und  piarare  schon  hier  seine 
Stelle  vertreten  zu  haben.  Oder  wenn  fille  im  Franz.  nicht  nur  die  Tochter, 
sondern  auch  das  Mädchen  heisst,  so  liegt  auf  der  Hand,  dass  nach  dem 
Untergange  des  lat.  puella  das  Wort  filia  dessen  Funktion  mitübernahm. 
In  diesen  Beispielen  sind  es  die  Wörter  selbst,  welche  verloren  gingen; 
um  einen  Bedeutungswandel  handelt  es  sich  z.  B.  im  Italienischen  bei  dem 
Worte  cctsa  (Haus)  gegenüber  lat.  domus^  welch  letzteres  auf  ital.  Sprach- 
gebiet nur  noch  in  einer  sehr  eingeschränkten  (determinierten)  Bedeutung: 
duomo  (Dom)  erhalten  blieb.  Ich  habe  für  diese  ganze  Erscheinung,  die  sich 
bereits  im  klassischen  Latein  im  Verhältnis  zum  archaischen  an  zahlreichen 
Beispielen  erweisen  lässt,  den  Namen  Stellvertretung  oder  Substitution 
vorgeschlagen^)   und   glaube   z.  B.  gezeigt  zu  haben,    wie  orare  seine  alte 


')  Siebe  das  Nähere  in  meinen  Unter- 
suchungen zur  lat.  Semasiologie,  Heft  III. 
Erlangen  1881,  S.  101. 

^)  S.  das  Nähere  in  meinen  Untersuchun- 
gen zur  lat.  Semasiologie,  Heft  11.  Erlangen 
1878,  S.  28  (und  vgl.  100);  ich  halte  jetzt  den 


Ausdruck  »Substitution*,  welchen  ich  eben- 
daselbst (Zeile  3  v.  u.)  neben  dem  Ausdruck 
,  Ersatz"  (Z.  7  und  13  v.  u.)  bereits  gebraucht 
hatte,  für  den  bezeichnendsten.  Hiedurch 
erledigt  sich  der  Einwand  Wölpplik's,  Arch. 
f.  lat.  Lex.  II  S.  484  (wo  ausserdem  auf  den 


C22 


C.b)  Lateinische  Lexikographie. 


Bedeutung  reden^  die  noch  im  ältesten  Latein  lebendig  war,  in  der  klassi- 
schen Periode  mit  unerheblichen  formelhaften  Ausnahmen  aufgab  und  sich 
auf  die  Bedeutung  biUm  einschränkte,  wogegen  dicere,  absolut  gebraucht, 
seine  Stelle  einnahm.  Wird  in  einer  späteren  archaisierenden  Periode  oder 
zu  technischen  Zwecken  (Terminologie)  ein  solches  veraltetes  Wort  oder 
eine  Wortbedeutung  wieder  aufgenommen  (Quint.:  ars  orandi  =  ars  dicendi 
u.  dgl.),  so  ist  dies  natürlich  wieder  eine  Sache  für  sich  und  thut  unserer 
obigen  Behauptung  keinen  Eintrag. 

Aber  noch  ein  weiterer  Gesichtspunkt  ist  dem  historischen  unter- 
zuordnen: der  geographische.  Seit  der  Ausbreitung  der  römischen  Herr- 
schaft über  so  viele  Provinzen  nahm  die  Entwickelung  des  Lateinischen 
natürlich  nicht  überall  den  gleichen  Oang,  und  die  einzelnen  Wörter  und 
Wortbedeutungen  hatten  nicht  überall  die  gleichen  Schicksale.  Ist  dies  in 
erster  Linie  ein  Gesichtspunkt,  welcher  den  Romanisten  interessiert,  so  darf 
doch  auch  der  Latinist  gegen  die  hier  sich  darbietenden  Erscheinungen 
(Provinzialismen)  nicht  gleichgiltig  bleiben,  ja  schon  in  der  klassischen  Lit- 
teraturperiode  entgingen  derlei  Unterschiede  der  Aufmerksamkeit  feinhöriger 
Römer  nicht,  wie  die  bekannte  Erzählung  Cicero*s  Brut.  171  andeutet. 
Hier  ist  die  Litteraturgeschichte  die  Bundesgenossin  der  Lexikographie,  wie 
sonst  die  Grammatik,  und  es  spiegelt  sich  hier  in  der  Sprach-  und 
Wortgeschichte  der  Gang  der  politischen  und  Kulturgeschichte  wider, 
welcher  die  Entwickelung  und  den  Verfall  der  römischen  Litteratur  be- 
dingt hat. 

Fragt  man  endlich  noch  nach  der  Art,  wie  denn  in  einem  wissen- 
schaftlichen Thesaurus  alle  diese  Momente  des  historischen  Gesichtspunktes 
darzustellen  seien,  so  ist  es  freilich  schon  aus  äusseren  Gründen  eine  Un- 
möglichkeit, von  jedem  einigermassen  bedeutungsvollen  Wort  eine  zusammen- 
hängende historische  Monographie  zu  geben.  Der  Lexikograph  ist  vielmehr 
gezwungen,  ein  abgekürztes  Verfahren  einzuschlagen,  indem  er  in  herkömm- 
licher Weise  nach  chronologischer  Reihenfolge  diejenigen  Stellen  in  wohl- 
berechneter (auch  die  wichtigeren  Lesarten  berücksichtigender)  Fassung 
ausschreibt,  in  welchen  sich  ihm  der  historische  Entwickelungsgang  am 
deutlichsten  zu  kennzeichnen  scheint.  Aber  ein  solches  abgekürztes  Ver- 
fahren setzt  freilich  Leser  voraus,  welche  nicht  nur  auf,  sondern  auch 
zwischen  den  Zeilen  zu  lesen  verstehen,  und  welche  im  stände  sind, 
diejenigen  historischen  Kombinationen  selbständig  zu  vollziehen,  für  welche 
ihnen  der  Lexikograph  das  gesichtete  Material  darbietet,  —  Leser  endlich, 
welche  bereits  geübt  sind,  nicht  nur  aus  dem  vorhandenen,  sondern  auch 
aus  dem  nichtvorhandenen  Material  ihre  Schlüsse  zu  ziehen,  d.  h.  aus  dem 
Fehlen  eines  Wortes  zu  einer  Zeit  und  an  einem  Orte,  wo  man  mit  Be- 
stimmtheit erwarten  durfte,  dasselbe  gebraucht  zu  sehen.  Die  Zusammen- 
fassung bestimmter  Zeiträume  seitens   des  Lexikographen   und  kurze  Bc- 


Fall  hingewiesen  wird,  dass  auch  mehrere 
Wörter  um  die  Erbschaft  eines  sterbenden 
, konkurrieren**  können);  --  ich  meine,  dass 
man  auf  diesen  Ausdruck  sich  recht  wohl 


vereinigen  könnte,  da  derselbe  das  Miss* 
Verständnis,  als  ob  dabei  nur  an  etwas  vorüber- 
gehendes zu  denken  wäre,  wohl  nicht  mehr 
aufkommen  Ifisst. 


2.  Theorie  d|(r  läteinisclieii  Lexikographie.  (§  19-21.)  62*^ 

Zeichnung  derselben  durch  übliche  Schlagwörter  (arch.  klass.  silb.  Lat.  u. 
8.  w.)  ist  aber  hiebei  unstreitig  ein  nützliches  orientierendes  Hilfsmittel. 

19.  2)  Der  etymologische  Gesichtspunkt  (mit  Inbegriflf  der  Wort- 
bildung) beschäftigt  sich  zunächst  mit  der  Frage  nach  der  genealogischen 
Herkunft  des  Wortes  seiner  lautlichen  Form  nach.  Eng  verbunden  damit 
sind  die  Fragen  nach  der  Orthographie  und  nach  der  Prosodie  des 
Wortes;  allerdings  sind  aber  Schreibung  und  Aussprache  keineswegs  durch- 
aus durch  die  Etymologie  bedingt:  gewisse  Anomalien  des  Usus  (vgl.  schon 
Gic.  Or.  159  f.)  sind  oft  mächtiger  als  die  etymologische  Regel.  Für  die 
Etymologie  selbst  ist  natürlich  Vertrautheit  des  Lexikographen  mit  den  Er- 
gebnissen der  vergleichenden  indogermanischen  Sprachforschung  unerläss- 
lich;  kein  klassischer  Philologe  wird  heutzutage  noch  die  früheren  Vorurteile 
gegen  die  Verwertung  derselben  fUr  die  griechische  und  lateinische  Gram- 
matik hegen.  Aber  auch  die  vergleichende  romanische  Sprachforschung 
ist  dem  Latinisten  bis  zu  einem  gewissen  Orade  unentbehrlich,  besonders 
dann,  wenn  es  sich  um  den  Nachweis  von  Wörtern  oder  Wortbedeutungen 
handelt,  welche  die  uns  erhaltenen  lat.  Sprachquellen  nur  mangelhaft  oder 
gar  nicht  überliefern.  In  solchen  Fällen  ist  nicht  selten  eine  Rekonstruktion 
der  verlorenen  lat.  Grundform  oder  Grundbedeutung  nach  derselben  Methode 
möglich,  wie  in  der  ig.  Sprachvergleichung  die  Rekonstruktion  einer  Grund- 
form oder  Grundbedeutung  der  ig.  Ursprache. 

20.  3)  Der  flexivische  Gesichtspunkt  enthält  die  Bestimmung  der 
gi-ammatischen  Wortgattung,  welcher  das  Wort  vermöge  seines  Formen- 
wandels im  Satze  (Deklination,  Konjugation  u.  s.  w.)  angehört.  Ist  dieser 
Formen wandel  ein  regelmässiger,  so  genügt  nach  der  bekannten  Sitte 
unserer  Lexika  ein  einfacher  grammatischer  Hinweis  (Angabo  des  Genetivs, 
des  Genus,  des  Perfektstammes,  der  Konjugationsklasse  u.  s.  w.) ;  ist  er  aber 
unregelmässig,  so  sind  hiefür  genauere  Angaben  nötig.  Zweierlei  Momente 
verdienen  hiebei  besondere  Beachtung.  Einerseits  das  Vorkommen  von 
Doppelbildungen  in  Bezug  auf  Kasusbildung,  Genus,  Pluralbildung, 
Tempusstammbildung  u.  s.  w.,  also  ipcinoris  neben  iecoris;  loci  neben 
loca;  pepigiy  pegi,  panxi;  lauatum,  lautum,  lotum  u.  dgl.;  bisweilen,  aber 
nicht  immer  ist  auch  eine  Differenzierung  der  Wortbedeutung  damit  ver- 
bunden. Dass  solche  Doppelformen  durchaus  nicht  immer  als  gleichzeitig 
und  gleichwertig,  sondern  stets  unter  dem  Gesichtspunkt  historischer  und 
geographischer  Verschiedenheit  zu  beurteilen  sind,  versteht  sich  nach  dem 
oben  Gesagten  von  selbst.  Das  andere  Moment  ist  das  Ausbleiben,  das 
Fehlen  gewisser  Flexionsformen,  deren  Gebrauch  man  aller  Analogie  zufolge 
erwarten  sollte.  So  z.  B.  wenn,  um  ein  klassisches  Vorbild  zu  gebrauchen, 
bei  Cic.  Top.  30  die  Formen  von  species:  specierum  und  speciehus  aus- 
drücklich vermieden  und  durch  die  entsprechenden  Kasus  von  forma:  foi'- 
niarum  und  formis  vertreten  sind;  —  eine  Erscheinung,  welche  wir  nach 
dem,  was  wir  oben  über  den  Begriff  der  Substitution  sagten,  wohl  mit 
dem  Ausdruck  flexivische  Substitution  bezeichnen  dürfen. 

21.  4)  Der  semasiologische  Gesichtspunkt  betrifft  die  Feststellung 
der  Bedeutung  oder  der  Bedeutungen  eines  Wortes  und,  falls  es  sich  um 
mehrere   Bedeutungen    handelt,    den   Nachweis    der    gesetzmässigen   Ent- 


624  C.b)  Lateinisohe  Lexikograptde. 

Wickelung  der  jüngeren  Bedeutungen  aus  der  älteren.  Hieher  gehört  also  z.B. 
die  gesamte  Lehre  von  den  Übertragungen  (Metaphern  und  Metonymien)  im 
Lateinischen,  deren  Gebrauch  bekanntlich  von  dem  deutschen  in  sehr  vielen 
Fällen  abweicht;  hieher  ferner  die  Fälle  der  Determination,  d.  h.  der  Ver- 
engerung oder  Spezialisierung  einer  Wortbedeutung,  wie  z.  B.  von  hasVs: 
Fremder  —  Feind,  u.  dgl.  Ein  sehr  wichtiges  semasiologisch-lexikalisches 
Hilfsmittel  ist  die  Synonymik,  welche  den  Bedeutungsumfang  und  den  Be- 
deutungsinhalt mehrerer  sinnverwandter  Wörter  mit  einander  vergleicht, 
dabei  aber  selbstverständlich  wiederum  den  historischen  Gesichtspunkt  nicht 
ausser  Acht  lassen  darf.  Denn  wie  wir  oben  bei  der  Substitution  sahen, 
findet  im  Laufe  der  Sprachgeschichte  sehr  häufig  eine  förmliche  Ver- 
schiebung der  zuerst  scharf  von  einander  getrennten  Synonyma  unter 
einander  statt:  rogare  z.  B.  (in  der  Bedeutung  bitten)  schiebt  sich  schon 
im  silbernen  Latein  allmählich  an  die  Stelle  des  jetzt  auch  in  dieser  Be- 
deutung veraltenden  orare  u.  dgl.  Eine  notwendige  Ergänzung  zur  Syno- 
nymik ist  endlich  die  Angabe  der  Gegensätze  (Antitheta),  wo  solche  vor- 
handen sind,  wie  sie  z.  B.  Georges  in  seinem  Handwörterbuche  in  dankens- 
wertester Weise  angibt. 

32.  5)  Der  syntaktische  Gesichtspunkt  betrifft  die  Feststellung 
derjenigen  Verbiudungsweisen  eines  Wortes,  auf  welchen  das  GefQge  des 
Satzes  (und  der  Periode)  beruht,  wozu  wir  auch  die  Lehre  von  der  Wort- 
stellung, soweit  sie  am  einzelnen  Worte  haftet,  und  mit  derselben  Ein- 
schränkung auch  wohl  die  Ellipse  rechnen  dürfen.  Hier  handelt  es  sich 
also  um  Fragen  wie:  wann  und  wo  tritt  diese  oder  jene  Konstruktion  des 
Wortes  zum  ersten-  (oder  letzten-)male  auf?  ist  der  absolute  Gebrauch 
gestattet,  ist  das  Verbum  ein  transitives,  ist  das  Adjektivum  ein  relatives 
oder  nicht?  u.  dgl.  Dass  solche  Fragen  oft  in  erster  Linie  von  der  Wort- 
bedeutung abhängen,  liegt  ohne  weiteres  auf  der  Hand,  wird  aber  besonders 
deutlich  an  Erscheinungen  wie  der  sog.  constructio  xavd  avvsaiv:  capita  cm- 
iurationis  caesi  sunt,  insofern  in  solchen  Fällen  durch  Assoziation  der  Vor- 
stellungen eine  andere  Bedeutung  die  gewöhnliche  syntaktische  Regel  durch- 
kreuzt, als  nach  welcher  das  Wort  ursprünglich  behandelt  ist  (capHa  übtr. 
=  principeSy  duces,  und  darnach  wie  ein  Masculinum  behandelt). 

a*i,  6)  Der  phraseologische  Gesichtspunkt  hat  es  zu  thun  mit  den- 
jenigen Verbindungen  eines  Wortes,  welche  (im  Unterschiede  von  den  bloss 
momentanen  syntaktischen)  als  dem  Sprachgebrauche  ständig  angehörend 
empfunden  werden:  Formeln  und  Wendungen,  welche  der  nationale  Sprach- 
geist sich  (meist  in  bestimmter  Stellung)  ein  für  allemal  zurecht  gelegt  hat, 
sei  es  aus  rhetorischen  oder  ästhetischen  Gründen  (Gleichklang,  Allitteration), 
sei  es  aus  Gründen  des  in  den  Wortbedeutungen  selbst  liegenden  korre- 
spondierenden Gegensatzes  oder  der  Bedeutungsverwandtschaft.  Ersterer 
Art  sind  z.  B.  Verbindungen  wie  Caput  et  ceruices^  oro  atque  obsecro,  letz- 
terer Art  z.  B.  domi  bellique,  tueri  ac  defendcre.  Aber  auch  Verbindungen 
verschiedener  Redeteile  gehören  hieher,  welche  in  dem  Verhältnis  syn- 
taktischer Unterordnung  zu  einander  stehen  und  als  besonders  bequem 
oder  als  besonders  präzis  und  schlagend  beliebt  und  unabänderlich  (formel- 
haft) waren,  wie  bellum  gerere,  se^üentiam  rogare  u.  s.  w. 


2.  Theorie  der  latemisclieii  Lexikographie.  (§22-25.)  625 

24.  7)  Als  stilistischen  Gesichtspunkt  bezeichnen  wir  schliesslich 
denjenigen,  der  die  Sphäre  feststellt,  welcher  der  Gebrauch  eines  Wortes, 
einer  Wortbedeutung  oder  einer  Konstruktion  ganz  oder  doch  vorzugsweise 
angehört,  selbstverständlich  wiederum  mit  Berücksichtigung  der  historischen 
Entwickelungen  oder  Wandlungen,  welche  sich  in  dieser  Hinsicht  mit  einem 
Worte  oder  einer  Wortbedeutung  vollzogen  haben.  Diese  Sphäre  kann 
entweder  eine  allgemeine  sein:  poetischer  oder  prosaischer  Stil,  Schrift- 
sprache oder  Volkssprache  (Vul^rlatein),  rhetorische,  historische,  philo- 
sophische, technische  Redeweise  u.  s.  f.,  oder  aber  eine  rein  persönliche, 
insofern  ein  bestimmter  Autor  ein  bestimmtes  Wort  oder  eine  Wortver- 
bindung liebt,  die  bei  anderen  wenig  oder  gar  nicht  vorkommt,  oder  auch 
insofern  bisweilen  ein  und  derselbe  Autor  in  seinen  Jugendschriften  einer 
andersartigen  Stilrichtung  ergeben  war  als  in  seiner  späteren  Zeit,  wie 
z.  B.  Cicero  in  seinen  Jugendreden,  Tacitus  u.  a.  Ein  wichtiges  Stilmoment 
eines  Autors  oder  einer  ganzen  Litteraturperiode  ist  die  Nachahmung  von 
Vorgängern,  insbesondere  das  Archaisieren,  worauf  bereits  oben  gelegentlich 
hingedeutet  wurde;  bekannt  sind  die  Andeutungen,  welche  schon  Quintilian 
im  Vm.  Buche  seiner  Institutio  oratoria  darüber  gibt.  Insofern  ist  der 
stilistische  Gesichtspunkt  derjenige,  der  sich  ganz  besonders  eng  mit 
dem  von  uns  an  erster  Stelle  betrachteten  historischen  durchdringt  oder 
berührt:  wie  denn  überhaupt  die  hier  von  uns  unterschiedenen  Gesichtspunkte 
auch  sonst  zwar  der  Theorie  nach  sich  deutlich  gegen  einander  abgrenzen, 
in  der  Praxis  der  lebendigen  Sprachentwickelung  aber  natürlich  stets  in 
engster  Verbindung  mit  einander  stehen  und  eine  fortwährende  Wechsel- 
wirkung auf  einander  ausüben.  — 

25.  Nach  dieser  orientierenden  Übersicht  wenden  wir  uns  nun  zu 
der  Besprechung  derjenigen  lexikologischen  Vorarbeiten,  Untersuchungen 
und  Vorschläge,  welche  zur  Herstellung  eines  wissenschaftlichen  Thesaurus 
linguae  Latinae  in  neuerer  Zeit  gemacht  worden  sind. 

I.  Wir  beginnen*)  mit  dem  Begründer  der  modernen  klassischen 
Philologie,  mit  Friedrich  August  Wolf.  Dieser  auf  fast  allen  Gebieten 
schöpferische  Geist  hat  nicht  verfehlt,  auch  der  lateinischen  Lexikographie 
sein  Augenmerk  zuzuwenden:  Zeugnis  hievon  gibt  ein  Plan,  welchen  er 
auf  der  Höhe  seines  Ruhmes  stehend  fasste,  später  freilich  wie  so  manches 
andere  nach  vielversprechendem  Anlauf  wieder  fallen  Hess.  ,yDer  Haupt- 
gedanke —  so  äussert  er  sich  darüber  an  dem  sogleich  näher  zu  be- 
zeichnenden Orte  —  ging  dahin,  teils  in  Deutschland  teils  in  Holland, 
Frankreich,  Italien  und  England,  eine  Zahl  von  zehn  oder  mehreren  Ge- 
lehrten zu  vereinigen,  die  sich  in  die  sämtlichen  Schriftsteller  bis  auf  die 
Zeit,  wo  das  Latein  als  lebende  Sprache  verschwindet,  nach  Neigung  und 
Vorkenntnissen  teilen  und  dann  ihre  Vorräte  zweien  selbstgewählten  Re- 
daktoren überlassen  sollten.    Der  Plan  gefiel  etlichen  verbundenen  Freunden, 


')  Eine  kleine  Schrift  G.  H.  Lünek ai919*8, 
welche  unter  dem  wunderlichen  Titel:  Pri- 
mae lineae  theoriam  lexicographiae  latinae 
sistentes  im  Jahre  1807  in  Qöttingen  erschie- 
nen sein  soll,  habe  ich  noch  nicht  gesehen;  sie 


handelt,  wie  es  scheint»  besonders  von  der 
BerOcksichtigung  der  Etymologie  im  Ijexikon 
(vgl.  Lünemann*s  Vorrede  zu  seiner  ersten 
Bearbeitung  des  Scheller^schen  Handlexikons 
I  Anm.  b). 


Handbuch  der  klass.  Alter luma Wissenschaft.  II.    2.  Aufl.  40 


626 


C.b)  Lateüiisohe  Lexikographie. 


und  besonders  dem  damals  mit  der  Holländischen  Redaktion  des  Scheller- 
schen  Wörterbuches  beschäftigten  Ruhnkenius  so  wohl,  dass  er  noch  etliche 
Jahre  hindurch  gepflegt  und  in  Gesprächen  und  Briefen  besprochen  wurde, 
bis  zu  dem  Zeitpunkte,  wo  nur  Jüngern  und  Begünstigtem  vergönnt  war, 
ein  litterarisches  Leben  wie  von  vom  anzufangen."  Der  Ort,  an  welchem 
Wolf  diese  Mitteilung  von  seinem  „vor  20  Jahren'  gehegten  ProjdLte 
macht,  ist  die  Schlussnote  zu  einem  grossen  Aufsatze  üeber  die  Einrich- 
tung eines  Thesaums  der  Lateinischen  Sprache  in  den  IMterarisehen  Ana- 
lekten^  vorzüglich  für  alte  Litteratur  und  Kunst,  deren  Geschichte  und  Me- 
thodik, herausgog.  von  Friedr.  Aug.  Wolf,  IV.  Heft  Berlin  1820  S.  307  ff. 
(Kleine  Schrr.  II.  S.  1192  f.).  Der  Verfasser  dieses  interessanten  und 
früher  öfter  zitierten  Aufsatzes  ist  zwar  nicht  Wolf  selbst,  sondern,  wie 
in  einer  einleitenden  Note  von  diesem  bemerkt  wird,  „ein  im  vorigen  Jahre 
verstorbener  gelehrter  Schulmann  Westphalens**,  unterzeichnet  als  0.  D.  E. 
in  D.  (d.  i.  Georg  David  Koeler,  Rektor  in  Detmold);  ünmerhin  aber  be- 
kennt sich  Wolf  ausdrücklich  und  wiederholt  dazu,  diesen  Aufsatz  „redigiert" 
zu  haben,  und  wir  dürfen  denselben  daher  durchaus  als  aus  seinem  Sinn 
und  Geist  geschrieben  ansehen.  Es  verlohnt  sich,  auf  die  darin  ausge- 
sprochenen Gmndgedanken ,  nach  welchen  ein  künftiger  Thesaurus  der 
lateinischen  Sprache  „seiner  würdigt  behandelt  werden  müsse,  hier  etwas 
näher  einzugehen. 

Der  Verfasser  beginnt  seine  „Betrachtungen  über  bessere  Einrichtung 
der  Wörterbücher  der  alten  Sprachen *"  S.  311  damit,  die  „Hauptmängel 
der  Behandlung  eines  Thes.  L.  Lat.  im  einzelnen  darzulegen^,  um  alsdann 
„summarisch  zu  zeigen,  was  geschehen  müsse,  um  jene  zu  heben  und  die 
letztere  einer  wenigstens  verhältnismässigen  Vollkommenheit  näher  zu 
bringen".  Seine  Kritik  wendet  sich  in  erster  Linie  gegen  Gesner  und 
Forcellini;  die  summarische  Zusammenfassung  erfolgt  S.  359  ff.  Jeder 
Artikel,  heisst  es  hier,  solle,  mit  Ausnahme  nur  weniger,  in  drei  Haupt- 
teile zerfallen,  von  denen  der  erste  die  Formenlehre,  der  andere  die  Be- 
deutungslehre oder  Hermeneutik,  der  dritte  die  Verbindungslehre  oder 
Syntaxis  betrifft.  In  der  Formenlehre  ist  das  erste  das  Wort  selbst  iö 
seiner  Hauptform  nebst  den  übrigen  Formen  und  Schreibarten  in  genea- 
logischer Folge  mit  Bemerkung  der  Zeitalter  und  mit  grammatisch-kritischer 
Würdigung  in  orthographischer  Hinsicht;  darauf  sollen  die  Formen  folgen, 
in  denen  es  „in  den  besseren  Handschriften"  vorkommt,  in  „artistisch- 
mechanischer" Hinsicht  0  »nebst  den  Zeichen,  Abkürzungen,  Monogrammen 
und  der  Anzeige  der  übrigen  Wörter,  mit  denen  es  der  Ähnlichkeit  wegen 
leicht  verwechselt  wird ;  endlich  die  nötigen  Angaben  in  prosodischer  Hin- 
sicht. Daran  reihen  sich  die  wichtigsten  Flexionen;  bei  den  bekannten 
und  vollständigen  Wörtern  wäre  es  aber  unnütz,  alle  Biegungsformen  mit 
Beispielen  zu  belegen;  bei  diesen  wird  es  nur  da  der  Belege  bedürfen,  wo 
einzelne  zweifelhaft  sind;  alle  selteneren  Abweichungen  von  der  gewöhn- 
lichen  Form   dagegen   müssen   nicht  allein   mit  Beispielen,  sondern  sogar 


^)  Es    köiiDen    hier  wohl    nur    paläo- 
graphische  Verschiedenheiten  gemeint  sein, 


welche   heutzutage    freilich    Niemand  mehr 
dem  Lexikon  aufbürden  wird. 


2.  Theorie  der  lateinischen  Lexikographie.  (§  25.)  627 

mit  allen  vorhandenen  Beispielen  begründet  werden,  um  den  Wert  und 
die  Giltigkeit  des  Wortes  richtig  zu  schätzen. 

Im  zweiten  Hauptteil,  der  Bedeutungslehre,  solle  sorgfältig  darauf 
geachtet  werden,  dass  die  Bedeutungen  gehörig  gestellt  und  aus  ein- 
ander entwickelt  werden  (S.  361).  Es  müsse  daher  das  Allgemeine 
vorausgehen  vor  dem  Besondern,  das  Eigentliche  vor  dem  Uneigentlichen, 
das  Sinnliche  und  Konkrete  vor  dem  Intellektuellen  und  Abstrakten,  dem 
Entwickelungsgange  des  menschlichen  Geistes  gemäss.  Alle  Bedeutungen 
sollen  so  richtig,  bestimmt  und  deutlich  als  möglich  dargestellt  werden; 
hiezu  sei  notwendig,  dass  die  Bedeutungen  nicht  bloss  absolut,  sondern 
auch  relativ,  d.  i.  ihre  Unterschiede  von  gleichbedeutenden  oder  von  ver- 
meinten Synonymen  genau  angegeben  werden,  zu  welchem  Ende  alle 
diese  Wörter  hie  und  da  unter  Einen  Artikel  zusammenzufassen  seien. 
Dazu  müssten  den  Weg  bahnen  1)  die  Etymologien,  die  als  die  Orund- 
lagen  des  Bedeutungssystems  von  keinem  Artikel  wegbleiben  dürften;  hie- 
rauf müssten  2)  die  Bedeutungen  selbst  folgen  in  folgerichtiger  Ableitung 
aus  einander,  mit  Beifügung  der  treffendsten  Stellen,  und  zwar  sowohl 
derjenigen,  durch  welche  oder  in  welchen  die  Alten  die  Bedeutung  selbst 
erklären  oder  bestimmen,  als  auch  solcher,  in  welchen  dies  indirekt  durch 
Vergleichung,  Entgegenstellung^  Verbindung  und  Beziehung  geschieht.  Diese 
Stellen  müssten  möglichst  chronologisch  gestellt  und  die  Belege  durch 
ganze  Zeitstrecken  durchgeführt  werden,  um  daraus  entweder  auf  die 
Festigkeit  und  Häufigkeit  oder  auf  die  Vergänglichkeit  und  Seltenheit 
einer  Bedeutung  zu  schliessen.  Endlich  nennt  der  Verfasser  3)  die  Be- 
stimmung des  Geschlechts  und  der  darauf  bezüglichen  Besonderheiten, 
als  schicklichen  Übergang  zum  dritten  Hauptteil,  zur  Syntaxis. 

Der  syntaktische  Hauptteil  (S.  363)  legt  es  darauf  an,  alle  wesent- 
licheren Verbindungen,  in  welche  ein  Wort  mit  anderen  treten  kann,  zu- 
sammenzustellen. Hiebei  soll  1)  die  Stelle,  welche  ein  Wort  in  Sätzen 
oder  mit  anderen  Wörtern  verbunden  einnehme,  und  bei  einem  Pronomen 
die  Fälle,  wann  es  sich  einem  mit  einem  Adjektiv  verbundenen  Substantiv 
zugeselle,  beachtet  werden;  sodann  2)  mit  was  für  anderen  Wörtern  ein 
Wort  verbunden  vorzukommen  pflege,  wobei  die  Natur  der  Wörter  (Sub- 
stantiv, Adjektiv  u.  s.  w.)  mancherlei  feine  Unterschiede  mache;  3)  das 
Verhältnis  der  Rektion  zu  anderen  Wörtern  oder  Sätzen;  4)  alle  be- 
sonderen, seltsamen,  sprichwörtlichen  Redensarten;  zuletzt  5)  der  ellip- 
tische, und  auch  wohl  der  pleonastische  Gebrauch,  bezw.  Nichtgebrauch 
eines  Wortes.  Der  Verfasser  schliesst  diese  Auseinandersetzung  (S.  365)  mit 
den  Worten:  „Überall  muss  das  chronologische  Prinzip  in  dem  ganzen 
Thesaurus  und  in  jedem  Teile  jedes  Artikels  durchherrschen,  weil  dadurch 
die  Charakterisierung  der  Stil  arten  jedes  Zeitalters  so  sehr  gefördert  wird." 

Die  ganze  Darlegung,  die  wir  hier  im  Auszuge  wiedergegeben  haben, 
wird  man  noch  heutigen  Tages  nicht  ohne  Interesse  lesen.  Den  skizzierten 
neuen  Bau  selbst  aufzuführen,  lehnt  der  Verfasser  freilich  aus  triftigen 
Gründen  ab;  er  richtet  vielmehr  in  den  Schlussworten  an  Wolf  die  Auf- 
forderung, in  Verbindung  mit  Männern  wie  Schneider,  Hermann,  Jacobs 
der  Idee  näher  zu  treten,  worauf  dann  Wolf  in  der  oben  von  uns  wieder- 

A{\* 


628  C.b)  Lateinische 

gegebenen  Schlussnote  ablehnend  antwortet.  Indessen,  fährt  Wolf  fort, 
was  sich  nicht  auf  einmal  zustande  bringen  lasse,  möchte  sich  wohl  all* 
gemach,  auch  bloss  in  Deutschland,  bewirken  lassen.  »So  drängt  sich  der 
Gedanke  auf,  welche  schöne  Vor  Sammlungen  zusammenkommen  müsstra, 
wenn  nur  in  einem  und  anderm  Teile  unseres  Vaterlandes  die  gelehrtesten 
Schulmänner  von  einsichtigen  Aufsehern  aufgefordert  ¥rürden,  zu  ihren 
Programmen  den  Stoff  aus  der  Lexikographie  beider  Sprachen  planmässig 
zu  wählen.  Leicht  Hessen  sich  so  alljährlich  ein  paar  Dutzend  solcher 
Schriften  erwarten,  worin  bald  ganze  kürzere  Autoren  ffir  den  Thesanrus 
erschöpft,  bald  einzelne  schwierige  Artikel  nach  einem  hohem  Ideal  als 
bisher  behandelt,  bald  die  Lücken,  die  O(esner)  und  F(orcellini)  gelassen 
haben,  ausgefüllt  werden  könnten.'  ^) 

26.  IL  Eine  vorübergehende  Erwähnung  verdient  die  im  Jahre  1826 
erschienene  kleine  Schrift  E.  Kärcheb's:  De  optima  Latini  lexid  eandendi 
ratione,  Carohruhae,  in  welcher  vor  allem  einer  sorgfältigeren  Berück- 
sichtigung der  Etymologie  das  Wort  geredet  wird,  sowie  auch  einer  Ab- 
leitung und  Oliederung  der  Bedeutungen  nach  festen  Grundsätzen,  so  dass 
namentlich  jedesmal  dem  Verbum  die  Priorität  vor  dem  Nomen  eingeräumt 
werde  und  bei  dem  Nebeneinanderstehen  zweier  Bedeutungen,  einer  allge- 
meinen und  einer  besonderen,  immer  die  erstere  als  die  ältere  und  ur- 
sprüngliche, die  zweite  als  die  jüngere  und  abgeleitete  anzusehen  sei,  — 
Grundsätze,  welche  schon  in  der  erwähnten  Schrift  selbst,  noch  eingehender 
aber  in  der  Vorrede  zu  dem  Stuttgart  1842  erschienenen  Handwörterbuch 
desselben  Verfassers  an  zahlreichen  Beispielen  erläutert  werden.  Leider 
sind  die  etymologischen  Anschauungen  des  mit  der  indogermanischen  Sprach- 
vergleichung noch  unbekannten  Verfassers  an  beiden  Orten  so  durchaus 
willkürlich  und  dilettantisch  (so  sollen  z.  B.  die  Wörter  sol,  r^hoq  und 
GtXr^vri  mit  dem  deutschen  hell  zusammengehören!),  dass  auch  der  gesunde 
Kern  seiner  semasiologischen  Anschauungen  ihn  fast  immer  nur  zu  miss- 
glückten Versuchen  führt  und  bei  der  Unsicherheit  der  etymologischen 
Grundlagen  bleibende  Ergebnisse  nur  selten  erzielt  werden. 

27.  III.  In  der  ausführlichen  Vorrede  zu  seinem  Wörterbuch  der  Latei- 
nischen Sprache  S.  I— XXXIV,  geschrieben  1834,  spricht  W.  Freund  in 
sechs  Abschnitten  L  Von  dem  Begriffe  und  den  Elementen  der  lateinischeti 
Lexikographie.  IL  Von  dem  Umfange  vorliegenden  Wörterbuches,  LLL,  Von 
der  Darstellung  der  einzelnen  Artikel.  IV.  Von  der  Ordnung  der  Artikel. 
V  Von  der  im  Werke  herrschenden  Technik.  VL  Von  den  Hilfsmitteln. 
Die  Grundgedanken,  welche  hier  entwickelt  werden,  waren  zu  ihrer  Zeit 
zum  Teil  neu  und  fanden  ausserordentlichen  Beifall,  ja  sie  waren  die  Ur- 
sache, dass  das  Wörterbuch  selbst  beim  Erscheinen  des  ersten  Bandes  an- 
fangs mit  einer  seinen  originalen  Wert  weit  übersteigenden  Anerkennung 
begrüsst  wurde.  ^)  Wir  deuten  im  folgenden  das  Wesentlichste  dieser 
Grundsätze  in  Kürze  an. 


')  Ganz  ähnliche  Vorschläge  macht  für 
das  griechische  Lexikon  bereits  Passow  in 
der  Schrift:    Üba'  ^tceck,   Anlage  und  Er- 


1812,  S.  64  ff. 

^)  S.  darüber  u.  a.  Georges   in  seinem 
Jahresbericht  über  lateinische  Lexikographie 


(fänzung   Griechischer   Wörterbücher,  Berlin   |   für  1879  und  1880,  S.  393  f. 


2.  Theorie  der  lateinisohen  Lexikographie.  (§  26—27.)  629 

Im  I.  Abschnitte  definiert  der  Verfasser  die  Lexikographie  als  „die- 
jenige Wissenschaft,  welche  die  Darstellung  des  Wesens  eihes  jeden  ein- 
zelnen Wortes  einer  Sprache  durch  alle  Perioden  der  Existenz  desselben 
zur  Aufgabe  hat'  und  bezeichnet  demnach  als  Objekt  der  lateinischen 
Lexikographie  „die  Geschichte  eines  jeden  einzelnen  Wortes  der  lateinischen 
Sprache/  Diese  Geschichte  eines  Wortes  setze  sich  zusammen  aus  folgenden 
sieben  einzelnen  ,»Elementen  der  Lexikographie'':  aus  dem  gramma- 
tischen hinsichtlich  der  Formenbildung  und  syntaktischen  Konstruktion; 
aus  dem  etymologischen  hinsichtlich  der  Abstammung  (Oenealogie);  aus 
dem  exegetischen  hinsichtlich  der  Bedeutung;  aus  dem  synonymischen 
hinsichtlich  der  Unterschiede  der  Bedeutung;  aus  dem  speziell-histori- 
schen oder  chronologischen  hinsichtlich  der  Dauer  des  Bestehens  der 
Wörter,  Wortformen  und  Wortbedeutungen;  aus  dem  rhetorischen  [so!] 
hinsichtlich  des  Oebrauches  der  Wörter,  Wortformen  und  Wortbedeutungen 
in  den  einzelnen  Redegattungen ;  endlich  aus  dem  statistischen  Element 
hinsichtlich  des  häufigen  oder  seltenen  Vorkommens  der  Wörter  (Lieblings- 
wörter einer  Sprache  u.  dgl.). 

Im  IL  Abschnitte  wird  der  Umfang  des  Wörterbuches  dahin  bestimmt, 
dass  darin  die  „  Geschichte  aller  derjenigen  Wörter  geliefert  werden  solle, 
welches  sich  in  den  schriftlichen  Überresten  der  Römer  von  der  ältesten 
Zeit  bis  zum  Untergange  des  weströmischen  Reiches  vorfinden^,  sowie 
dass  auch  die  ihrem  nationalen  Ursprünge  nach  fremden,  ihrem  Gebrauche 
nach  aber  im  Lateinischen  eingebürgerten  Wörter  darin  aufzunehmen  seien. 

Im  III.  Abschnitte  wird  gezeigt,  wie  die  Darstellung  der  einzelnen 
Artikel  in  vorliegendem  Wörterbuche  bemüht  gewesen  sei,  der  Idee  einer 
9 Monographie*  der  einzelnen  Wörter  mit  Berücksichtigung  der  zuvor  auf- 
gestellten sieben  Elemente  zu  entsprechen.  Hier  verdient,  wie  uns  scheint, 
noch  heute  ganz  besondere  Beachtung,  was  S.  XV  ff.  über  das  von  Freund 
so  genannte  exegetische  Element,  d.  h.  über  die  Darstellung  der  Be- 
deutungen eines  Wortes  hervorgehoben  wird.  Als  „Leitpunkte*  werden 
festgestellt:  1)  es  sei  unter  mehreren  Bedeutungen  eines  Wortes  immer 
die  durch  die  Etymologie  gewonnene  als  die  erste  anzunehmen ;  2)  es  müsse 
in  der  Reihe  der  Bedeutungen  die  eigentliche,  als  die  ursprüngliche,  der 
tropischen,  als  der  erst  abgeleiteten,  vorangehen;  übrigens  sei  es  notwendig, 
den  Begriff  des  Tropischen,  der  in  seiner  Allgemeinheit  die  Sphäre  der 
Bedeutung  zu  unklar  bezeichnet,  in  Unterabteilungen  zu  zerlegen,  wozu 
dann  die  ausführliche  Entwickelung  der  verschiedenen  Bedeutungen  des 
Wortes  ,,arena*'  (Sand,  Kampfplatz  des  Amphitheaters,  Tummelplatz  für 
irgend  eine  Thätigkeit)  als  Musterbeispiel  vorgeführt  wird;  endlich  müssten 
3)  die  Nebenbegriffe  angegeben  werden,  durch  deren  Hinzutritt  zu  den 
ursprünglichen  Bedeutungen  die  abgeleiteten  entstanden  sind,  z.  B.  „die 
Sphären  des  Subjektiven  und  Objektiven,  des  Allgemeinen  und  Besonderen, 
des  Raumes,  der  Zeit  und  der  Zahl,  der  Absicht,  des  bestimmten  Zweckes, 
des  Prägnanten,  des  Feindlichen  u.  dgl.**  Ausser  diesen  auf  das  semasiologische 
Element  bezüglichen  Leitpunkten  ist  von  besonderem  Interesse  für  uns 
noch  S.  XXII  die  auf  die  Synonymik  bezügliche  Bemerkung,  dass  der  Unter- 
schied zwischen  mehreren  sinnverwandten  Wörtern  oft  ein  rein  histori- 


630  Cl.b)  Lateinische  Lexikographie. 

scher  sei,  insofern  das  eine  Wort  ausschliesslich  in  dieser,  das  andere  in 
jener  Periode  zur  Bezeichnung  eines  und  desselben  Begriffes  gedient  habe. 

Im  IV. — VI.  Abschnitt  endlich  werden  die  verschiedenen  Anord- 
nungsweisen der  Artikel:  die  alphabetisch-genealogische,  die  alphabetisch- 
etymologische und  die  rein  alphabetische  gegen  einander  abgewogen  und 
die  letztere  als  die  bequemste  und  zweckmässigste  anerkannt;  femer  werden 
gewisse,  in  der  äusseren  Einrichtung  des  Wörterbuches  getroffene 
Massregeln  und  angewandte  Zeichen  erklärt  und  hervorgehoben;  schliess- 
lich werden  die  Hilfsmittel  namhaft  gemacht,  wobei  der  Verfasser,  bevor 
er  zur  Ausarbeitung  des  Wörterbuches  schritt,  den  Stoff  der  ältesten  (vor- 
ciceronischen)  Latinität  in  sechs  einzelnen  Speziallexika  (Vorplautinisches, 
Plautus,  Terenz,  Lucrez,  poetische  Fragmente,  Prosa)  sich  zurechtgelegt 
zu  haben  versichert,  aus  welchen  er  dann  die  wichtigsten  und  kritisch 
sichersten  Stellen  in  sein  Wörterbuch  übergetragen  habe;  fQr  die  klassische 
und  nachklassische  Latinität  habe  er  nur  die  Ausbeute  mehrjähriger  Lektüre 
zusammengestellt,  überall  unter  Zugrundelegung  der  besten  kritischen 
Ausgaben. 

Man  wird  den  von  Freund  aufgestellten  Gesichtspunkten,  nament- 
lich den  in  Abschnitt  I— III  vorgetragenen,  die  Anerkennung  nicht  versageo, 
dass  sie  viele  Momente  enthalten,  welchen  eine  bleibende  Bedeutung  zu- 
kommt, so  dass  das  Aufsehen,  welches  dieser  Teil  seines  Wörterbuches 
machte,  durchaus  gerechtfertigt  war.  Ob  und  wie  weit  diese  theoretischen 
Grundsätze  in  der  Praxis  wirklich  durchgeführt  und  auf  die  Lexikographie 
der  nächstfolgenden  Jahrzehnte  von  förderlichem  Einfluss  gewesen  sind,  lässt 
sich  ohne  eingehende  Untersuchungen  und  Vergleichungen  nicht  feststellen. 

28.  IV.  Einen  „schlichten  Bericht"  über  eine  in  den  fünfziger  Jahren 
in  Aussicht  genommene  Begründung  eines  wissenschaftlichen  Thesaurus 
linguae  Latinae  erstattete  Karl  Halm  in  seinem  Vortrage  auf  der  18.  Philo- 
logenversammlung zu  Wien  im  Jahre  1858  (s.  die  Verhandlungen  dieser 
Versammlung,  Wien  1859,  S.  G  flf.).  Er  teilte  mit,  dass  sich  zur  Ent- 
werfung des  Planes,  zur  Bestimmung  der  nötigen  Spezialarbeiten,  zur  Wahl 
der  Mitarbeiter,  sowie  für  die  zahlreichen  übrigen  Anordnungen  ein  Komitee 
gebildet  habe,  bestehend  aus  Ritschi,  Fleckeisen,  Bücheier  (als  dem  künftigen 
Hauptredakteur  des  Unternehmens)  und  dem  Vortragenden.  Seinem  Um- 
fange nach  solle  das  Werk  den  ganzen  lateinischen  Sprachschatz  umfassen 
mit  Inbegriff  der  Lehn-  und  Fremdwörter;  der  Anfangspunkt  sei  durch  die 
uns  überkommenen  Sprachdenkmale  von  selbst  bestimmt;  als  Endpunkt  solle 
im  allgemeinen  die  zweite  Hälfte  des  6.  Jahrhunderts  festgehalten  werden. 
Für  den  Kern  der  Latinität,  d.  h.  für  die  Litteratur  bis  zum  zweiten  Jahr- 
hundert n.  Chr.  bedürfe  man  fast  durchweg  genauer  Speziallexika  der 
einzelnen  Schriftsteller  als  Grundlagen  des  Thesaurus;*)   für  die 


')  Siehe  auch  Boeckh,  Encykl.  u.  Metho-  '  Spezialforechung  ermitteln  lässt."  Vgl.  F.  A. 
(lol.  der  philol.  Wissensch.'^  Lpz.  1886,  S.  |  Wolf  S.  625.  Referent  ist  der  Ansicht,  dass 
790:  „Die  Lexikographie  muss  immer  gute  diese  von  Halm-Bücheleb  und  Boeckh  mit 
Glossare  und  Speziallexika  zur  Grund-  ;  gleichem  Nachdruck  empfohlene  Zwischen- 
lage hahen,  da  sich  der  allgemeine  Sprach-  1  stufe  sich  auch  in  Zukunft  nicht  wohl  un- 
gebrauch  nur  historisch  durch  die  genaueste  ;  gestraft  wird  überspringen  lassen. 


2.  Theorie  der  lateiniBchen  Lexikographie.  (§  28—29.) 


631 


spätere  Kaiserzeit  kämen  zum  Teil  mehr  die  einzelnen  Gattungen  (Gram- 
matiker, christliche  Dichter,  Rechtsquellen  u.  s.  w.)  als  Ganze  in  Betracht. 
Zur  Bearbeitung  dieser  einzelnen  Autoren  und  Gebiete  seien  zahlreiche, 
aber  mit  Strenge  ausgewählte  Kräfte  nötig,  welche  nach  festem  Plane  und 
mit  Ausschluss  alles  eklektischen  Verfahrens  je  ihren  Spezialbezirk 
zu  erschöpfen  hätten.  Ein  eigenes  Onomastiken  solle  schliesslich  einen 
besonderen  Teil  des  Thesaurus  bilden. 

In  der  Behandlung  der  einzelnen  Wortartikel  wurde  dem  Redakteur 
eine  möglichst  vollständige  Geschichte  jedes  Wortes  nach  Form  wie  Begriff 
zur  Aufgabe  gestellt:  ^)  zu  diesem  Zwecke  müssten  einerseits  die  verwandten 
Sprachen  beigezogen  werden,  vor  allem  das  Altitalische,  sodann  das  Grie- 
chische und  Sanskrit,  wobei  jedoch  alle  etymologischen  Kontroversen  grund- 
sätzlich auszuschliessen  seien;  andererseits  sei  ausser  dem  Ursprung  und 
der  Geschichte  auch  das  Fortbestehen  in  den  Töchtersprachen  nachzuweisen, 
weshalb  alle  Umwandlungen,  welche  lateinische  Wörter  in  den  verschie- 
denen romanischen  Sprachen  erfahren  haben,  aufzunehmen  seien.  Einige 
praktische  Mitteilungen,  sowie  Andeutungen  über  die  beabsichtigte  äussere 
Organisation  des  Unternehmens  im  einzelnen  bildeten  den  Schluss  dieses 
von  der  Versammlung  mit  lautem  Beifall  aufgenommenen  und  auch  jetzt 
noch  höchst  lesenswerten  Vortrages.  Eine  Erfüllung  fanden  die  damals 
an  dieses  Unternehmen  geknüpften  Hoffnungen  freilich  nicht;  über  die 
äusseren  Umstände,  welche  die  Ausführung  des  Planes  verhinderten,  sehe 
man  die  Mitteilungen  Wölfflin's  in  seinem  Archiv  fUr  lateinische  Lexiko- 
graphie, Bd.  I  Vorwort  S.  2  f.;  eine  weitere  Notiz  ebendaselbst  Bd.  II 
S.  485. 

29.  V.  Im  Jahre  1882  Hess  Eduard  Wölfflin  im  Rhein.  Mus.  Bd.  37 
S.  83 — 123  einen  Aufsatz  erscheinen,  welcher  den  Titel  führt:  Ueber  die 
Aufgaben  der  lateinischen  Lexikographie,  Nach  einer  Einleitung,  welche 
darauf  hinweist,  dass  der  Ausbau  der  Lexikographie  und  Grammatik  eine 
gerade  jetzt  zeitgemässe  Aufgabe  der  klassischen  Philologie  sei,  werden  von 
S.  86  an  die  einzelnen  Forderungen  formuliert,  welche  ein  auf  geschicht- 
liche Prinzipien  gegründeter  Thesaurus  der  Latinität  zu  erfüllen  habe. 
Eine  kurze  Vorbemerkung  gilt  der  Orthographie;  hierauf  wird 

1)  als  eine  notwendige  Ergänzung  der  Grammatik  durch  die  Lexiko- 
graphie bezeichnet,  dass  letztere  genau  anzugeben  habe,  ob  alle  Formen 
eines  Wortes  gleichmässig  im  Gebrauche  seien,  ob  alle  Kasus  {satias,  satie- 
tatis),  ob  Komparativ  und  Superlativ  (ferus,  ferocior,  ferocissimus)^  ob  alle 
Verbalformen  {incipio^  coept).  So  sei  z.  B.  das  Part.  Präs.  von  nolo  zu- 
erst nur  in  den  casus  obliqui  gebildet  oder  gebraucht  worden,  zuletzt  im 


<)  Vgl.  die  Bemerkungen  Büchblebs  in 
seiner  zwanzig  Jahre  später  (Bonn  1878)  ver- 
öffentlichten Schrift  .Philologische  Kritik« 
S.  16:  »Sehr  im  Rückstand  sind  wir,  was 
beide  Sprachen  betrifft,  in  lexikalischer  und 
syntaktischer  Kenntnis  derselben;  wir  brau- 
chen die  Geschichte  jedes  Wortes, 
durch  deren  Mangel  auch  die  linguistische 
Forschung  sehr  beeinträchtigt  wird,  da  aus 
falschen  Prämissen  Qber  Grundform  und  Be- 


deutung kein  richtiger  Schluss  auf  das  Ety- 
mon eines  Wortes  gezogen  werden  kann; 
wir  brauchen  eine  genaue  Statistik  und  Ge- 
schichte aller  Eons&uktionsyerhältnisse  und 
stilistischen  Erscheinungen,  welche  uns  be- 
fähigt, im  Sprachgebrauch  und  in  der  Phra- 
seologie jedes  Schriftstellers  Ererbtes  und 
Eigenes,  Gemeinübliches  und  Freierfundenes, 
Notwendiges  und  Beliebiges  strengstens  zu 
unterscheiden." 


Q32  Cl.b)  Lateinische  Lexikographie. 

Nomin.  Sing,  fwle^is  (=  inuitus),  was  dann  an  der  modernen  Redensart 
fwlens  uolens  in  ihrem  Verhalten  zum  Sprachgebrauche  der  guten  und  der 
spätem  Latinität  näher  erwiesen  wird;  im  gleichen  Sinne  wird  (S.  89  f.) 
die  Frage  behandelt,  ob  gesta  =  res  gestae  in  gutem  Latein  gesagt  worden 
sei  oder  nicht. 

2)  Über  den  wichtigen  Gesichtspunkt  der  Wortbedeutung,  welcher 
von  S.  90  an  besprochen  wird,  erwartet  man,  dem  Zwecke  des  Aufsatzes 
entsprechend,  etwas  ausführlicheres  gesagt  zu  sehen;  der  Verfasser  be- 
schränkt sich  jedoch  auf  einige  wenige  Bemerkungen:  »Wir  haben  darüber 
nichts  neues  von  allgemeiner  Bedeutung  zu  sagen  und  glauben,  dass  nach 
dieser  Seite  mit  Ausnahme  des  Spätlateins,  verhältnismässig  wenig  zu  thun 
sein  werde,  so  leicht  es  auch  wäre,  Berichtigungen  im  einzelnen  zu  machen.*  >) 
Doch  werden  dann  immerhin  einige  interessante  Fälle  von  Bedeutungs- 
wandel beigebracht:  situs  =  Geographie  oder  Topographie;  üUeratura  im 
modernen  Sinne  =  Litteratur;  Ersatzwörter  wie  uitium  und  infirmitas  für 
das  absterbende  morbus^  nintius  für  magnus,  auricula  für  auris. 

3)  Es  folgt  nun  (S.  92  flf.)  der  Nachweis,  wie  wichtig  es  für  den 
Lexikographen  in  historischer  Hinsicht  sei,  überall  vor  allem  die  älteste 
Belegstelle  zu  geben  (Beispiele:  in/osu^;  persaepe,  idcirco,  modernus,  Cyprius 
=  cupreus)  und  andererseits  die  Symptome  des  Kränkeins  und  Absterbens 
solcher  Wörter  schon  im  Lateinischen  festzustellen,  welche  den  romanischen 
Sprachen  abhanden  gekommen  sind  {actutum,  prosapia),  oder  aber  die  Er- 
scheinungen solcher  Wörter  zu  verfolgen,  welche  im  klassischen  Latein 
zwar  zurückgedrängt,  im  Spätlatein  aber  wieder  aufgenommen  worden  sind 
und  auf  diese  Weise  sich  ins  Romanische  irgendwie  hinübergerettet  haben 
{absque).     Hieran  schliesst  sich 

4)  die  nicht  minder  wichtige  Aufgabe  (S.  100  flf.),  das  Fehlen  solcher 
Wörter  bei  bestimmten  Autoren  sorgfältig  zu  beobachten,  welche  von  an- 
deren gleichzeitigen  unbedenklich  gebraucht  worden  seien.  So  wird  z.  B. 
gezeigt,  wie  eist,  necopinans  bei  gewissen  Autoren  der  klassischen  Zeit 
nicht  zu  finden  und  welche  Ersatzmittel  von  diesen  dafür  angewendet  sind: 
allseitig  durchgeführt  biete  dieser  Gesichtspunkt  gar  oft  sichere  Anhalts- 
punkte dar  für  die  Kritik  der  Echtheit  oder  Unechtheit,  bezw.  für  die  Be- 
stimmung des  Verfassers  einer  Schrift,  was  dann  in  Bezug  auf  den  ver- 
schiedenen Charakter  gewisser  Teile  der  Vulgata  an  zahlreichen  Beispielen 
nachgewiesen  wird.  Aber  auch  geographische  Unterschiede  seien  hier  oft 
von  Belang;  gewisse  Wörter  treten  in  bestimmten  Ländern  zurück,  wie 
z.  B.  ioti  statt  omnes  in  Gallien  ausschliesslich  die  Oberhand  gewann,  wo- 
gegen in  Italien  wenigstens  der  Singular  omnis  in  ogm\  ognuno  neben  dem 
Plural    tuiti   stehen    blieb;    bisweilen   hätten    in   solchen  Fällen  auch  noch 


M  Die  stiefmütterliche  Behandlung,  wel-  |  schienenen  Bänden  des  Archivs  (s.  unten)  zu 
che  dieser  wesentlichen  Seite  der  lat.  i  teil  geworden  ist,  müssen  wir  wiederholt  be- 
Lexikographie   von    Seiten    Wölfflik's    so-   I    dauern  :  auch  der  nachträglich  auf  der  Philo 


wohl  in  seinem  oben  besprochenen  Aufsatze 
(wofür  die  im  Arch.  II  S.  485  Z.  10  ff.  v.  u. 
ausgesprochene  Entschuldigung  doch  wohl 
nicht  genügt)   als  auch  in  den   bisher   er- 


logenversammlung  zu  Zürich  1887  gehaltene 
Vortrag  ^über  Bedeutungswandel*'  (Ver- 
hdlgn.  S.  61-70)  kann  dafür  nicht  als  aus- 
reichender Ersatz  gelten. 


2.  Theorie  der  lateinischen  Lexikographie.  (§  30.) 


633 


andere  Synonyma  (cuncti)  eine  Zeitlang  um  den  Vorrang  konkurriert. 
Schliesslich  kommen 

5)  der  syntaktische  und  der  phraseologische  Gesichtspunkt,  wie 
wir  uns  kurz  ausdrücken  dürfen,  zur  Sprache:  zunächst  der  letztere  (S. 
110  flf.),  wozu  einige  Verbindungen  präpositionaler  und  adverbieller  Art  als 
Beispiele  vorgeführt  werden  {praeter,  supra^  ultra  modum  u.  s.  w.,  recens 
als  Adv.  beim  Part.  Perf.  Paas.);  sodann  probeweise  einige  syntaktische 
Konstruktionen  (S.  114  ff.),  wie  die  von  diflnas  mit  Gen.  und  Dat.,  persuor 
dere  mit  Acc,  nieder i  mit  Acc.,  ebenso  bene  und  male  dicere.  Zum  Schlüsse 
des  Ganzen  (S.  119  ff.)  wird  endlich  noch  die  Stellung  erörtert,  welche 
die  regelmässig  verbundenen  Wörter  zu  einander  einzunehmen  pflegen; 
hiebei  werden  einige  Andeutungen  gemacht  über  die  Wortverbindungen 
recta  uia,  uersa  uice,  dare  operam  und  operam  dare,  senatus  populusque 
Uotnanus  u.  dgl. 

Fassen  wir  unser  Urteil  über  das,  was  in  diesem  Aufsatze  geleistet 
ist,  kurz  zusammen,  so  können  wir  eine  erschöpfende  Darstellung  dessen, 
was  zu  den  Aufgaben  der  lateinischen  Lexikographie  gehört,  darin  aller- 
dings nicht  erkennen.  Auch  hinsichtlich  der  einzelnen  Gesichtspunkte, 
welche  darin  behandelt  sind,  sowie  hinsichtlich  der  historischen  Beispiele, 
welche  dazu  beigebracht  werden,  hätten  wir  gewünscht,  dieselben  in  einer 
weniger  skizzenhaften  Weise  dargestellt  zu  sehen,  als  dies  meist  der  Fall 
ist.  Für  den  Zweck  aber,  welchen  der  Verfasser  offenbar  zunächst  im 
Auge  hatte,  nämlich  in  weiteren  philologischen  Kreisen  Propaganda  zu 
machen  und  sein  sogleich  näher  zu  bezeichnendes  periodisches  Unternehmen 
dadurch  vorzubereiten,  mit  Einem  Worte:  gewisse  lexikographische  Ideen 
zu  popularisieren,  ist  der  Aufsatz  unstreitig  vortrefflich  und  verdient  un- 
geteilte Anerkennung. 

30.  VI.  Schon  ein  Jahr  später  nämlich,  im  Herbste  des  Jahres  1883, 
Hess  WöLFFLiN  das  erste  Heft  eines  vielversprechenden  Unternehmens  folgen, 
dessen  Titel  lautet:  Archiv  für  lateinische  Lexikographie  und  Grammatik 
mit  Einschluss  des  älteren  Mittellaieins ,  als  Vorarbeit  zu  einem  Thesaurus 
linguae  Latinae  mit  Unterstützung  der  k.  bayerischen  Akademie  der  Wissefi- 
schuften  herausgegeben,  Erster  Jahrgang,  Leipzig  1884.  Von  dieser  Zeit- 
schrift, welche  ihren  Wert  behält,  auch  wenn  man  von  ihrer  ursprüng- 
lichen Bestimmung  als  Vorarbeit  zu  einem  Thesaurus  linguae  Latinae  zu 
dienen  absieht,  liegen  bis  jetzt  fünf  vollständige  Jahrgänge  (1884 — 1888) 
vor,i)  worin  eine  wahre  Fülle  lexikalischen,  grammatischen  und  stilistischen 
Materials  in  Abhandlungen,  Miszellen  und  Rezensionen  verarbeitet  ist; 
einen  Begriff  von  diesem  Reichtum  bekommt  man,  wenn  man  die  von  dem 
Herausgeber  den  „Sammlern"  nach  und  nach  vorgelegten  „Fragezettel *" 
überblickt,  aus  denen  wir  nachstehend  diejenigen  Fragen  herausheben, 
welche  rein  lexikalischer  Natur  sind  und  somit  in  unsem  Bereich  fallen. 
Sind  diese  Fragen  auch  noch  nicht  alle  in  den  vorliegenden  Jahrgängen 
bearbeitet  (in  dem  folgenden  Verzeichnis  sind  diejenigen,  bei  welchen  dies 


')  Nach  AbächJuss  obigen  Referates 
kommt  UD8  noch  das  Doppelheft  1—2  des 
Jahrganges   VI  (=  1889)    zu,    welches  die 


Verarbeitung  des  aufgespeicherten  Zettel- 
materials wieder  in  einigen  wichtigen  Punkten 
weiterführt. 


634  O.b)  Lateinische  Lexikographie. 

der  Fall  ist,  durch  einen  *  hervorgehoben),  so  treten  dafür  noch  eine  Reibe 
weiterer  höchst  wertvoller  Einzelbeiträge  hinzu,  deren  Thema  von  den 
betreifenden  Verfassern  selbständig  gewählt  ist,  auf  deren  Aufzählung  im 
einzelnen  wir  hier  jedoch  verzichten  müssen.  Bemerkt  sei  nur  noch,  dass 
die  Ergebnisse  dieser  Arbeiten,  der  Tendenz  des  ganzen  Unternehmens 
entsprechend,  meist  in  gleichem  oder  in  noch  höherem  Grade  der  Geschichte 
der  romanischen  Sprachen  als  der  der  lateinischen  zu  gute  kommen; 
besonders  ist  in  dieser  Beziehung  auf  die  wichtigen  und  interessanten  Bei- 
träge G.  Gröberes:  Sprachquellen  und  Wortquellen  des  lateinischen  Wörter- 
buchs  (I  35  flf.)  und  Vulgärlateinische  Substrate  romanischer  Wörter  (durch 
die  fünf  Jahrgänge  in  alphabetischer  Anordnung  sich  hindurchziehend  und 
jetzt  bis  zum  S  reichend)  hinzuweisen. 

Frage  1-10.  41-50.  80-109.  120-150.  160-198.  201-360:  sämtliche  Stellen  flBr 
die  Wörter  cibacus  —  adhcLereo  und  adfuieresco  (nebst  Ableitungen).*)  —  11.  12.  •Sub- 
stantivs auf  Of  onis,  welche  Personen  bezeichnen,  wie  cUeo,  huccOy  fahtdo,  ganeo  u.  s.  w.  — 
13.  *Alle  Substantivs  und  Adjektiva  auf  aster  {astrum,  asteüus).  —  14.  ♦Alle  Verba 
auf  urio,  —  15.  Die  mit  satura  gebildeten  Redensarten»  saturam  agere,  per  saturam 
u.  ä.  —    16.  *Medieta8  a)  in  der  Bedeutung  Mitte,   b)  in  der  Bedeutung  Hälfte.  — 
17.  *Facere  mit  Inf.  Praes.  Pass.   =  iubere.  —   18.  *  Pandas  und    Wortfamilie.  — 
19.  *Curuu8  und  zusanmiengesetzte  Adjektiva.  —  20.  *üncii8  und  Composita.  —  21. 
*  Trans,  —  22.  *  Ultra  (als  Präposition).  —  23.  *Fine  (fini)  mit  Gen.  und  mit  Abi.  — 
24.  *Tenus.  —  25—29.  ^Usque  (alleinstehend  und    mit  Präpositionen  verbunden  oder 
zusammengesetzt).    —    30.   31.   *Alle  Doppelpräpositionen   (in   der  Funktion  von   Prä- 
positionen, bezw.  von  Adverbien).  —  32.  *Die  Verba  inchoativa.  —  (Die  Fragen  33—40 
sind  grammatischer,  stilistischer  oder  sonst  sprachlicher  Natur.)  —   51.  *Deminutiva 
mit  verändertem  Genus.  —  52.  *  Die  mit  in  privativum  zusammengesetzten  Substantiva, 
von  denen  das  vorauszusetzende  Adjektiv  nicht  vorkommt.  —  53.  *Die  von  Superlativen 
abgeleiteten  Verba  und  ihre  Composita  und  Derivata,  z.  B.  infimare,  intimare  u.  s.  w.  — 
54.  Adjektiva   auf  bilis  mit  aktiver   Bedeutung.  —   55.  Was   heisst  das  Pferd?  — 
50.  Was  heisst  die  Kinder?  —  57.  Was  heisst  die  Leute?  —  58.  Was  heisst  rot?  — 
59.  *Was  heisst  umsonst?  —  60.  *Was  heisst  hold  .  .  .  bald?  -   61.  *Alle  Stellen  von 
litteratura   nebst   Angabe  der  Bedeutung.  --  62.  *Alle  Stellen  von  instar   und  Com- 
posita. —  70.  *A]le  Beispiele  von  quatenus.  —  71.  *Die  Beispiele  von  prorsus  ut  im 
Konsekutivsatze  und  ftrorsus  quasi.  —  73.  Alle  Ausdrücke,  welche  von  dem  Autor  als 
vulgär  oder  volkstümlich  bezeichnet  werden.  ~   74.  Alle  Wörter,  deren  £t3nnologien 
von    dem   Autor   angegeben   oder   angedeutet   werden,  mit  Ausnahme  von  Varro   und 
Isidor.  —  75.  76.  Alle  Bemerkungen  über  Synonymik.    -  77—79.  Wörter,   welche   in 
dem  Lexikon  von  Georges,  7.  Auflage,  *  fehlen,   bezw.  als  in  den  neuesten  Texten  be- 
seitigt zu  streichen  sind.  —  110.  *  Sämtliche  Stellen  des  Adjektivs  satur,  des  Vorbums 
saturare  nebst  Familie  (Ergänzung  zu  Fr.  15  K        111.  Präpositionen,  welche  im  Sinn  von 
Irans  gebraucht  werden  können  (Ergänzung  zu  21.  22).  —  112.  113.  *  Sämtliche  Adjektiva 
auf  icius  (itius),  —  114.  *  Präposition  |)encÄ.  —  115.  *  Die  Verba  auf  mar«  und  trar«.  — 
151-153.  Die  Adverbia  aufm.  -  154.  *Die  Verba  auf  illare.  —  199.  Sämtliche  Stellen 
von  en  und  *ecce.  —  200.  Wie  wird  der  Reziprozitätsbegriff  ausgedrückt? 

So  reich  und  mannigfaltig  dieser  Inhalt  ist,  so  möge  es  doch  ge- 
stattet sein,  für  den  höchst  wünschenswerten  Fortgang  des  Unternehmens 
im  Hinblick  auf  das  Ideal  eines  künftigen  Thesaurus  linguae  Latinae  folgenden 
speziellen  Wunsch  zu  äussern.  Im  Mittelpunkte  aller  lexikographischen 
Thätigkeit  steht  doch  immer  die  Bedeutung  eines  Wortes  und  ihre 
erschöpfende  Interpretation.  Wo  bei  einem  umfangreicheren  Artikel  mehrere 
Bedeutungen  vorliegen,  da  erstreckt  sich  diese  Interpretation  notwendig 
auch  darauf,  die  richtige  Anordnung  und  Ableitung  (Genealogie) 
dieser  Bedeutungen  von  einander  festzustellen.     In  dieser  Beziehung  Klar- 

')  Von  diesen  Wörtern  sind  bis  jetzt  im       dieser,  sowie   der  übrigen  Artikel    der  Zeit- 
Archiv  lexikalisch  bearbeitet  *ahacus  (nebst      schrift  rührt  vom  Herausgeber  selbst  her. 
Ableitungen)  —  *ahsoluo.     Ein  grosser  Teil   j 


2.  Theorie  der  lateinischen  Lexikographie.  (§  30.)  (335 

heit  zu  schafifen,  halten  wir  für  eine  wesentliche  Aufgabe  eines  künftigen 
Thesaurus.  Denn  wie  der  Augenschein  lehrt,  gehen  gerade  in  dieser  Be- 
ziehung die  bisherigen  Lexika  oft  in  der  auffallendsten  Weise  auseinander, 
und  doch  kann,  wie  bei  aller  Interpretation,  so  auch  hier  naturgemäss 
immer  nur  Eine  die  historisch  richtige  und  logisch  notwendige  sein.  Frei- 
lich wird  hiebei  derjenige  Zweig  der  wissenschaftlichen  lateinischen  Gram- 
matik, welcher  von  den  Analogien  der  Bedeutungsentwickelung  handelt: 
die  Bedeutungslehre  oder  Semasiologie,  zu  Rate  gezogen  werden  müssen. 
Es  gibt  einen  gewissen  Naturalismus  der  Lexikographie,  welcher  darin  be- 
steht, dass  man  sich  begnügt,  bei  jedem  Wortartikel  die  Gliederung  der 
Bedeutungen  willkürlich  und  nach  augenblicklichem  Gutdünken  oder  höchstens 
nach  einem  hergebrachten  konventiotiellen  Schema  vorzunehmen.  Diesem 
naturalistischen  Verfahren  von  Fall  zu  Fall  steht  gegenüber  das  metho- 
dische, welches  darin  besteht,  dass  man  allgemeine  und  durchgreifende 
Analogien  oder  Prinzipien  des  historischen  Bedeutungswandels  aufsucht 
und  diesen  gemäss  bei  jedem  einzelnen  Worte  die  Bedeutungsgliederung 
vornimmt.  Solche  Prinzipien  also  für  das  Lateinische  festzustellen  ist  die 
Aufgabe  der  lateinischen  Semasiologie,  und  die  Berücksichtigung  dieser 
Disziplin  halten  wir  deshalb  von  Seite  einer  wissenschaftlichen  Lexiko- 
graphie für  ganz  unerlässlich.  Dass  dergleichen  Untersuchungen,  wie  man 
bemerkt  hat,  viele  Mühe  und  Raum  in  Anspruch  nehmen,  ist  allerdings 
wahr;  aber  folgt  daraus,  dass  man  um  so  länger  von  diesem  Teile  sich 
»möglichst  fernzuhalten"  habe?  Wir  denken,  im  Gegenteil:  es  folgt  viel- 
mehr, dass  man  nur  um  so  energischer,  um  so  nachhaltiger  und  um  so 
vielseitiger  diese  so  lange  vernachlässigte  Seite  der  wissenschaftlichen  Lexiko- 
graphie nun  endlich  in  Angriff  nehme!  In  diesem  Sinne  gemeint  ist  es  auch^ 
wenn  bereits  K.  Reisig,  der  Begründer  jener  Disziplin,  in  seinen  Vorlesungen 
über  lateinische  Sprachtmssenschaß,  herausgegeben  von  Fr.  Haase,  Leipzig 
1839,  S.  286,  sich  über  wissenschaftliche  Bedeutungsgliederung  der  Lexika 
folgendermassen  ausspricht:  „Die  Entfaltung  der  Gedankenreihe  in  betreff 
der  Bedeutung  der  Wörter  ist  ein  anziehendes,  anmutiges  Geschäft  für  einen 
jeden,  der  rein  menschliches  Interesse  besitzt.  Die  Lexika  aber  sind  hierin 
sehr  mangelhaft  und  unvollkommen,  indem  bei  ihnen  an  systematische  An- 
ordnung und  richtige  Ableitung  der  Bedeutungen  von  einander  selten  zu 
denken  ist;  eine  Herleitung  der  übrigen  Bedeutungen  von  der  ersten,  lo- 
gisch und  historisch  geordnet,  ist  vielen  ganz  fremd;  denn  wer  da  glaubt, 
eine  richtige  Ordnung  getroffen  zu  haben,  wofern  er  10  oder  12  Bedeu- 
tungen hinstellt  nach  1,  2,  3,  4  u.  s.  w.,  der  ist  in  grossem  Irrtum.  Denn 
die  arithmetische  Anordnung  nach  Zahlen  ist  bloss  etwas  Äusserliches  und 
kommt  gar  nicht  in  Betracht,  wenn  nicht  auch  eine  innere  Ordnung  herrscht." 
Es  ist  in  der  That  an  der  Zeit,  diese  vor  fünfzig  Jahren  ergangene,  wohl- 
begründete Mahnung  in  zusammenhängender  Weise  zu  berücksichtigen 
und  damit  eine  Schuld  der  klassischen  Philologie  endlich  einzulösen. 


D. 


Rhetorik 


der  Griechen  und  R5mer 


neubearbeitet  von 


Dr.  Richard  Volkmann, 

Oymnaslal-Direktor  lu  Jauer. 


Inhalt. 

Rhetorik,  bearbeitet  von  Gymnasial-Direktor  Dr.  Richard  Volk  mann. 

1.  Geschichte  und  EiDtcilung  der  Rhetorik. 

2.  Die  Lehre  von  der  AuMnclung  des  rcdnerlHcheu  Stoffes. 

3.  Die  Lehre  von  der  Ordnung  und  Dlspoeition  de«  Btoff«^. 

4.  Die  Lehre  vom  rednerischen  Ausdruck. 

5.  Die  Lehre  vom  Oedichtnis  und  dem  Vortrag. 


1.  Geschichte  und  Einteilung  der  Rhetorik. 

1.  Zur  Geschichte  und  Quellenkunde.  Unter  Rhetorik  verstehen 
die  Alten  die  Anleitung  zur  Abfassung  geschriebener  und  gesprochener 
Reden,  somit  die  Theorie  der  Beredsamkeit,  richtiger  der  Kunst  zu  über- 
reden. Denn  fast  alle  Definitionen  der  Rhetorik,  welche  im  Laufe  der 
Zeit  aufgestellt  sind,  geben  sämtlich  mehr  oder  weniger  eine  Umschreibung  der 
alten  auf  Oorgias  und  seine  Schüler  zurückgehenden  ^ijroQiKrj  iau  nsid^ovg 
drj^iovQyoq  >)  und  gingen  eigentlich  nur  darin  auseinander,  ob  man  sie  selbst 
als  Feiiigkeit,  Kunst  oder  Wissenschaft  zu  betrachten  habe.  Thatsächlich 
wurde  sie  immer  als  das  betrachtet,  was  wir  unter  einer  Kunstlehre 
verstehen.  Im  Kulturleben  der  alten  Welt  hat  die  Rhetorik  eine  ausser- 
ordentlich wichtige  Stellung  eingenommen.  Kaum  dass  sie  in  den  Anfangen 
des  Peloponnesischen  Kriegs  aus  ihrem  Heimatlande  Sizilien  nach  Athen 
verpflanzt  war,  so  kam  ihr  die  allgemeine  Ounst  der  Oebildeten  entgegen, 
aus  welcher  die  zeitweiligen  Angriffe  Plato's  sie  nicht  zu  verdrängen  ver- 
mochten. Schon  in  der  Attischen  Zeit  beherrschte  sie  die  gesamte  Litteratur. 
Seit  dem  Anfang  des  zweiten  Jahrhunderts  v.  Chr.  aber  wurde  sie  als  un- 
erlässliches  Unterrichtsmittel  für  alle,  die  auf  eine  höhere  Bildung  Anspruch 
machten,  betrachtet  und  als  solches  galt  sie  noch  in  den  letzten  Zeiten  des 
untergehenden  Hellenismus.  Zahlreiche  technische  Schriften  rhetorischen 
Inhalts  sind  auf  uns  gekommen,  trotzdem  aber  ist  unsere  Kunde  von  der 
geschichtlichen  Entwicklung  der  Rhetorik  im  Altertum  ausserordentlich 
lückenhaft  und  unvollständig,  und  es  wird  noch  zahlreicher  Detailforschungen 
bedürfen,  ehe  es  möglich  sein  wird,  eine  pragmatische  Oeschichte  der 
Griechisch-Römischen  Rhetorik  zu  schreiben  und  die  allgemeinen  Angaben, 
die  wir  über  diese  Geschichte  in  der  älteren  Zeit  haben,*)  mit  positivem 
Inhalt  sachgemäss  und  in  allen  Punkten  richtig  auszufüllen. 

Als  Erfinder  der  Rhetorik  galt  dem  Aristoteles  der  Philosoph  Em- 
pedokles,  der  in  den  politischen  Wirren  seiner  Vaterstadt  Agrigent  sich 
durch  ungewöhnliche  Beredsamkeit  hervorgethan  hatte.  Als  die  ersten 
Techniker  oder  Verfasser  von  Lehrbüchern  werden  bald  nach  Empedokles 
die  Syrakusaner  Tisias  und  Korax  genannt.  Gorgias,  der  als  Schüler 
des  Empedokles  bezeichnet  wird,  verpflanzte  die  Rhetorik  nach  Athen,  und 


0  Sext.  Empir.  adv.  rhet.  61  p.  687. 

2)  Hauptstellen  Cic.  de  inv.  II,  2,  6  ff.  Quintil.  III,  1,  8  ff. 


640 


D.  Rhetorik. 


bald  hören  wir,  dass  auch  Athener,  wie  Antiphon,  Lysias,  Isokrates  und 
seine  Schüler  rhetorische  Lehrbücher,  sogenannte  T*^ra*,  verfassten.  Von 
ihnen  hat  sich  bis  auf  geringfügige  Fragmente  nichts  erhalten,  doch  können 
wir  uns  einen  Begriff  von  ihrem  lediglich  auf  praktische  Routine  abzielenden 
Inhalt  aus  der  Rhetorik  an  Alexander  machen,  welche  im  Corpus  der  Ari- 
stotelischen Schriften  schon  seit  alter  Zeit  mit  Unrecht  einen  Platz  ge- 
funden hat.  Man  pflegt  dieselbe  nach  einer  auf  Grund  von  Quintilian  III,  4 
zuerst  von  P.  Victorius  ausgesprochenen,  neuerdings  von  L.  Spengel 
nachdrücklich  vertretenen,  freilich  auch  nicht  ohne  Widerspruch  gebliebenen 
Vermutung  gegenwärtig  fast  allgemein  dem  Anaximenes  aus  Lampsacus, 
aus  der  Zeit  Philipps  und  Alexanders,  beizulegen.  Doch  muss  die  Frage 
nach  dem  Verfasser  dieser  Schrift  zur  Zeit  als  eine  noch  offene  betrachtet 
werden,  und  wenn  derselbe  auch  zweifellos  im  ganzen  und  grossen  auf 
dem  Standpunkt  der  sophistisch-isokrateischen  Rhetorik  steht^  so  ist  doch 
auch  bei  ihm  eine  Beeinflussung  durch  die  fortgeschrittneren  Ansichten  des 
Aristoteles  keineswegs  ausgeschlossen. 

Plato  hat  bekanntlich  die  Rhetorik  seiner  sophistischen  Zeitgenossen, 
sowohl  nach  ihrer  theoretischen  wie  praktischen  Seite,  im  Phaedrus  und 
Gorgias  einer  herben  Kritik  unterzogen,  zu  einer  Zeit,  als  er  noch  hoffte, 
den  Isokrates  vielleicht  ganz  für  die  Philosophie  gewinnen  zu  können.  Er 
verlangt  vor  allen  Dingen  eine  philosophische,  auf  psychologischer  Erkenntnis 
beruhende  Vertiefung  der  Rhetorik,  wenn  sie  darauf  Anspruch  machen 
wolle,  in  Wahrheit  eine  Kunst  und  nicht  bloss  eine  rein  empirische  Fertig- 
keit, eine  blosse  Karikatur  der  Staatskunst  zu  sein.  Einen  Versuch  nun, 
diesem  Platonischen  Verlangen  gerecht  zu  werden,  machte  Aristoteles 
in  seiner  in  durchaus  philosophischem  Geiste  geschriebenen  Rhetorik  in  zwei 
Büchern.  Ihm  ist  die  Rhetorik  lediglich  die  Fertigkeit,  an  jedem  Dinge 
das,  was  Glauben  erwecken  kann^  wahrzunehmen  i),  ihr  eigentlicher  Inhalt 
sind  die  Überzeugungsmittel,  ihre  Aufgabe  ist  nicht  zu  überreden,  sondern 
zu  erkennen,  was  an  jeder  Sache  zur  Gewinnung  des  Glaubens  tauglich 
und  vorhanden  sei.  Sehr  genau  geht  Aristoteles  auf  die  Affekte  sowie 
die  Mittel  ein,  sie  zu  erregen  und  zu  beschwichtigen,  auch  gibt  er  eine 
psychologische  Charakteristik  der  verschiedenen  Altersstufen  und  Lebens- 
stellungen. In  einem  dritten  Buche,  einer  ursprünglich  selbständigen  Schrift 
ntQi  Xt^eo)g  xai  jd^scog,^)  die  mit  der  Rhetorik  bloss  äusserlich  zusammen- 
hängt, wird  die  Lehre  vom  sprachlichen  Ausdruck  und  den  Teilen  der  Rede 
in  mehr  empirischer  Weise  behandelt.  Dieser  Rhetorik  zur  Seite  ging  eine 
leider  verloren  gegangene  tex^'^'^'  (Jvvayoayii]^  eine  Zusammenstellung  alles 
dessen,  was  in  den  bisherigen  rhetorischen  Lehrbüchern  Wissenswertes  ent- 
halten war.  Gerade  dieses  Werk  hat  wohl  mit  den  frühzeitigen  Untergang 
der  in  ihm  berücksichtigten  Originalschriften  veranlasst. 

Von  den  älteren  Peripatetikem  haben  sich  namentlich  Theophrast 
und  Demetrius  der  Phalereer  mit  Rhetorik  beschäftigt  und  zwar  behandelte 


')  Rhet.  I,  2:  dvya/Aig  nsgi  exacroy  tov 
(^etoQtjaai  to  iyde/oineyoy  7ii9ay6y. 

'^)  Dies  ist  die  Ansiclit  von  11.  Dikls. 
Nach  11.  Sauppr,   dem  nächst  anderen  auch 


J.  Bernays  zustimmte,  ist  das  dritte  Buch 
ein  von  einem  älteren  Peripatetiker  nach 
einer  Aristotelischen  Vorlage  gearbeiteter 
Zusatz. 


1.  Gesohiohte  und  Einteilung  der  Rhetorik.  (§1.) 


641 


ersterer  in  seiner  Schrift  tisqI  Xt^ecog  die  Lehre  vom  rednerischen  Ausdruck 
in  sehr  eingehender  Weise.  Namentlich  wurde  die  bereits  von  Antisthenes 
aufgestellte  Lehre  von  den  drei  Stilarten  {x^QaxrrJQtg  tov  Aoyor),  der  erhabenen, 
mittleren  und  niederen,  aufs  neue  behandelt  und  weitergeführt.  Auf  Aristoteles 
und  Theophrast  geht  auch  das  Wertvollste  und  Wichtigste  in  der  Schrift  des 
Demetrius  nsgl  eQfjirjveiag  zurück,  die  wohl  von  einem  sonst  unbekannten 
Rhetor  oder  Philosophen  dieses  Namens   etwa  um  150  v.  Chr.  verfasst  ist. 

Sonst  hat  Aristoteles  auf  die  Rhetorik  der  Folgezeit  einen  geringeren 
Einfluss  ausgeübt  als  man  dies  bei  der  Gediegenheit  seines  Werkes  an- 
nehmen sollte,  das  freilich  den  praktischen  Bedürfnissen  der  Rhetoren- 
schulen,  wie  sie  nach  dem  Untergange  der  Attischen  Beredsamkeit  an  ver- 
schiedenen Punkten  der  Griechischen  Welt  in  Aufnahme  kamen,  nur  wenig 
dienen  konntet)  Desto  grösser  war  der  Einfluss  der  Stoiker,  die  sich 
seit  dem  Vorgange  Zeno's  eifrig  mit  Rhetorik  befassten.  Sie  betrachteten 
dieselbe  neben  der  Dialektik  als  Unterteil  der  Wissenschaft  der  Logik. 
Alle  diejenigen  Teile  der  Rhetorik  nun,  die  irgendwie  die  Einzwängung 
in  einen  allgemeinen  logischen  Schematismus  vertrugen,  namentlich  also 
die  allgemeine  Einleitung,  ferner  die  Invention  und  Disposition,  tragen 
denn  auch  bei  den  Späteren  durch  und  durch  den  Stempel  ihres  Einflusses. 
Weniger  ist  dies  in  der  Lehre  vom  Ausdruck  der  Fall,  obschon  auch  hier 
diese  Spuren  nicht  fehlen.  Über  Rhythmus  und  Komposition  allerdings 
scheinen  sie  nichts  gelehrt  zu  haben.  Leider  sind  wir  aber  über  die  Einzel- 
heiten der  Stoischen  Rhetorik  sehr  wenig  unterrichtet,  und  über  ihr  Ab- 
hängigkeitsverhältnis zu  den  Aristotelikern  und  den  Isokrateern  andrerseits 
wissen  wir  gar  nichts.  Unter  solchen  Umständen  ist  es  für  uns  ein  grosses 
Glück,  dass  sich  unter  den  Lehrbüchern  der  späteren  Lateinischen  Rhetoren 
zwei  erhalten  haben,  von  denen  das  eine  ganz,  das  andere  wenigstens  zum 
Teil,  unzweifelhaft  aus  einer  älteren  Stoischen  Quelle  geschöpft  sind,  die 
Lehrbücher  des  Chirius  Fortunatianus  und  des  Sulpitius  Victor, 
aus  denen  wir  uns  wenigstens  von  dem  zwar  scharfen  und  klaren,  aber 
auch  erstaunlich  dürren  Formalismus  Stoischer  Schriften  über  Rhetorik 
einen  annähernden  Begriff  machen  können.  Was  sich  aus  Griechischen 
Rhetoren  als  Stoisches  Eigentum  ausscheiden  lässt,  ist  nicht  bedeutend. 

Einfluss  auf  die  Litteratur  haben  die  Stoiker  bekanntlich  erst  in  Per- 
gamum  gewonnen.  Hier  haben  sie  die.  Verbindung  der  grammatischen 
und  rhetorischen  Studien  zu  Wege  gebracht,  welche  die  Pergamenischen 
Gelehrten   vor  den  Alexandrinischen  voraus   hatten.     Als  Blüte   gramma- 


')  Charakteristisch  für  die  Ansicht  des 
Aristoteles  von  der  Aufgabe  des  rhetorischen 
Unterrichts  ist  der  Umstand,  dass  er  seine 
Schüler  lediglich  in  der  Bearbeitung  von 
Thesen  übte  und  sie  mit  einer  für  die  da- 
bei nötig  werdende  disputatio  in  utramque 
partem  erforderlichen  Topik  versah.  Cic. 
or.  14, 4G:  quaesiio  a  propriis  personis  et  tem- 
poribus  ad  universi  generis  orationetn  tra- 
ducta  appellatur  &iaig.  in  hac  Aristoteles 
adulescentes  non  ad  philosophorum  morem 
tenuiter  disputandi,  sed  ad  copiam  rhetorum, 
in  utramque  partem  ut  omatius  et  uberius  dici  \ 


posset,  exercuit:  idemque  locos,  sie  enim  ap' 
pellat,  quem  argumefitwum  notas  iradidit^ 
unde  omnis  in  utramque  partem  traheretur 
oratio,  Tn  den  Rhetorenschulen  wurden  die 
Schüler  nur  in  der  Bearbeitung  von  Hypo- 
thesen geübt.  Sie  erhielten  Themata  über 
fingierte  Fälle,  wie  sie  aber  im  wirklichen 
Leben  immerhin  hfitten  vorkommen  können, 
teils  vom  genus  deliberativum  {suasorias), 
teils  vom  genus  iudiciale  (controversuie).  Die 
Thesen  wurden  nur  noch  als  nQO)*vfjiyaafji(t, 
d.  h.  als   rhetorische  Vorübung,    bearbeitet. 


Bandbuch  der  Uass.  Altertumawlsaenachaft  II.    2.  Aufl. 


41 


642  !>•  Rhetorik. 

tischer  Thätigkeit   wurde  in   Pergamum   die  litterarisch-ästhetische  Kritik 
der  Autoren  und  die  Würdigung  ihrer  stilistischen  Eigentümlichkeiten   be- 
trachtet.    In  Pergamum  ist  die  Zehnzahl  der  Attischen  Redner  aufgestellt 
worden  und  die  rednerische  Überlegenheit  des  Demosthenes  zur  unbedingten 
Anerkennung  gekommen.    Auf  die  Pergamenischen  Grammatiker  geht  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  der  Kursus  der  rhetorischen  Progymnasmata  zurück. '} 
Die  Pergamener  endlich,   und  nicht  die  Alexandriner,  haben  die  Bekannt- 
schaft der  Römer  mit  grammatischen  und  rhetorischen  Studien  vermittelt. 
Es  ist  wahrscheinlich,   wenn  auch  für  jetzt  noch  nicht  zu  erweisen, 
dass  auch  Hermagoras  von   Temnos  (um  150  v.  Chr.)  zu  dem   Perga- 
menischen Gelehrtenkreis  in  Beziehung  gestanden  hat.    Er  war  nach  langer 
Zeit  wieder  der  erste  namhafte  Techniker  aus  dem  Kreise  der  berufsmässigen 
Rhetoren,  in  denen  wir  wohl  die  letzten  Ausläufer  der  Isokrateischen  Schule 
zu  erkennen  haben,  und  zwar  derjenige,   welcher  die  empirische  Richtung 
mit  der  philosophischen  in  eklektischer  Weise  geschickt  zu  verbinden  wusste 
und  damit  den  praktischen  Interessen  der  Schule  in  gleicher  Weise  wie 
den  höheren  Anforderungen  der  Wissenschaft  entgegen   kam.     In   seiner 
Techne  stellte  er  ein  vollständiges  rhetorisches  System  auf,  wenn  auch  die 
Ausführung  desselben  sich  vielleicht  nur  auf  Invention  und  Disposition  be- 
schränkte, dessen  Abhängigkeit  von  den  Stoikern  auf  das  bestimmteste  zu 
Tage  tritt.     Das  Charakteristische  dieses  Systems  liegt  in  der  sorgfältigen 
Behandlung  der  sogenannten  Statuslehre   und  ihrer  ins  einzelne  gehenden 
Diärese,   d.  h.  ihrer  Zerlegung  in  besondere  stehende  Topen,   die   von  den 
allgemeinen  Topen  für  beweisende  Enthymeme  wohl  zu  unterscheiden  sind. 
Dieses  System,   welches  seinem  Urheber  zu   grosser  Berühmtheit  bei  den 
Zeitgenossen   verhalf,  ist  fortan  bei  Griechen  und  Römern   die  eigentliche 
Grundlage  für  alle  fernere  Rhetorik  geblieben.    Auch  ist  man  in  der  Haupt- 
sache über  dasselbe  nicht  weiter  hinausgegangen,  wenn  sich  auch  manche 
Rhetoren  auf  ihre  Selbständigkeit  in  untergeordneten  Nebenpunkten  etwas 
zu   gute   thaten,   oder  durch   monographische   Behandlung   einzelner  Teile 
sich   verdient  machten.     Wir  finden   nun   dieses  System  zunächst  bei  den 
Lateinischen  Rhetoren,   beim  auctor  ad  Ilerefiniuw,   als   welcher  jetzt  all- 
gemein   Cornificius   betrachtet   wird,    bei   Cicero    in    seiner   wertvollen 
Jugendschrift  rfe  invcntiotie,^)  dem  späteren  ora^örund  den  partiiiones  oratoriae, 
sowie   seinen   übrigen   rhetorischen   Schriften,    soweit   sie   das   Technische 
berühren    und  nicht,    wie   die  Bücher  de  oratorc,   die  Encyklopaedie   und 
Methodologie   des  rhetorischen  Studiums   zum  eigentlichen  Gegenstand   der 
Behandlung  genommen  haben,  oder,   wie  der  Bndus^   mehr  die  Geschichte 
der  Beredsamkeit  ins  Auge  fassen.     Wir  finden  es  ferner  im  technischen 
Teil   der   institatio  oratoria  des   Quintilian,   bei   den  späteren  Römischen 
Rhetoren,  endlich  bei  den  Griechischen  Rhetoren  der  sophistischen  Periode, 


^)  In  der  sophistisclien  Zeit  wurden  die  !   sich  noch  deutlich  aus  Theon  erkennen. 

Prog}'muasnien  in  folgender  stehenden  Reihe  j            ^)  Beachtenswert   ist    die   Ansicht  von 

behandelt:   fiih'^oi,   dijj)%u€ey    XQ^^^\   ;'»;w>v>  R.  Philippson  in  den  N.  Jahrb.  1886  S.  417  ff. 

uruaxevt],  xttritaxevtj,  xotyog  röno^,  iyxta/Aioy,  \   dass  Cicero  in  der  Vorrede  zu  de  inv.  I  dem 

%p6yog,  avyxQiatg,  ij^oTioiUc,   tx(fQ€(nigj   &tatg,  Posidoniua  gefolgt  sei,    wohl  auch  in  seiner 

rofiov   (tarfoQit.     Dass   dies    aber   nicht   die  Polemik  gegen  Hermagoras. 

ursprüngliche  Zahl  und  Reihenfolge  ist,  lässt  ' 


1.  Geschichte  und  Einteiliing  der  Rhetorik.  (§  1.)  643 

vor  allen  bei  Hermogenes,  der  die  Statuslehre  auf  der  von  Hermagoras 
geschaffenen  Grundlage  einer  Revision  unterwarf  und  zum  endlichen  Ab- 
schluss  brachte.  Redet  man  daher  im  allgemeinen  von  der  Rhetorik  der 
Griechen  und  Römer,  so  kann  man  eigentlich  nichts  anderes  als  diese 
Stoisch-Hermagoreische  Rhetorik  meinen. 

Bald  nach  Hermagoras  nahmen  Pergamenische  Rhetoren  ihren  blei- 
benden Wohnsitz  in  Rom.  Die  bedeutendsten  unter  ihnan  waren  weiterhin 
ApoUodorus,  der  Lehrer  des  Augustus,  und  der  etwas  jüngere  Theo- 
dorus,  der  Lehrer  des  Tiberius.  Sie  bauten  das  System  des  Hermagoras 
im  einzelnen  weiter  aus  und  erweiterten  es  nach  der  litterarisch-ästhetischen 
Seite  der  Betrachtung  hin,  mit  besonderer  Betonung  des  Attizismus  und 
einer  auf  eingehender  Kritik  der  bedeutendsten  Redner  beruhenden  Ver- 
vollständigung resp.  Umbildung  der  überlieferten  Lehre  von  den  drei  Stil- 
arten. Für  uns  sind  die  ersten  Vertreter  des  ausgesprochenen  Attizismus 
in  der  Litteratur  Dionys  von  Halikarnass  und  sein  jüngerer  Freund  und 
Zeitgenosse  Caecilius  von  Kaieakte.  Von  ersterem  sind  uns  wertvolle 
Schriften  erhalten  teils  technischen  Inhalts  (verschiedene,  allerdings  mit 
unechten  gemischte  kleinere  Abhandlungen  in  der  rtxvrj  ^ijtoQixt]^  sowie 
7T€Qi  avvO^hcewg  ovoficcTcov),  teils  eingehende  Charakteristiken  der  Attischen 
Redner  (namentlich  des  Lysias,  Isokrates,  ferner  nsQi  rrg  XexTixf^g  dHVüvrirog  Jtj^ 
/iioc^bvovg)  und  der  stilistischen  Eigentümlichkeiten  des  Plato  und  Thucydides. 
Über  eine  Schrift  des  Caecilius  vom  Erhabenen  erfahren  wir  einiges  in 
der  wahrscheinlich  von  einem  Theodoreer  herrührenden  vortrefflichen,  leider 
sehr  lückenhaft  überlieferten  Abhandlung  ne^l  vipovg  aus  den  Anfängen 
der  Kaiserzeit,  die  man  eine  Zeitlang  fälschlich  dem  Longin us  beigelegt 
hat.     In  ihr  wird  die  Schrift  des  Caecilius  teils  berichtigt  teils  ergänzt. 

Den  Höhepunkt  der  rhetorischen  Leistungen  in  sophistischer  Zeit  be- 
zeichnet der  bereits  genannte  Hermogenes  unter  Kaiser  Marcus  in  seinen 
Schriften  nsgi  zdov  ardaecov  (s.  oben),  ncQi  evQi-aeoog  in  vier  Büchern,  in 
deren  viertes  aber  manches  aufgenommen  ist,  was  nicht  sowohl  in  die  Lehre 
von  der  Auffindung  des  Stoffes,  als  vom  sprachlichen  Ausdruck  gehört  — 
7i€Qi  Idawv  in  vier  Büchern,  von  den  verschiedenen  stilistischen  Grundformen 
der  rednerischen  Darstellung,  eine  bedeutende  Verbesserung  der  dem  gleichen 
Gegenstande  gewidmeten  Abhandlung  des  Aristides  negl  noXntxov  xal 
uifkXovg  Xoyov  —  endlich  der  an  Wert  bedeutend  geringeren  Schrift  negi 
lied^odov  dcivoTTjTog,  über  die  Art  und  Weise,  in  welcher  der  Redner«  um 
öeivoTTjc,  d.  h.  möglichste  Wirksamkeit  durch  vollendete  rednerische  Dar- 
stellung zu  erreichen,  den  enthyniematischen  Stoff  namentlich  durch  An- 
wendung und  geschickte  Behandlung  der  Sinnfiguren  zu  gestalten  hat. 
Die  Figuren  waren  bereits  vom  jüngeren  Gorgias,  in  der  Zeit  Cicero's, 
einer  monographischen  Behandlung  unterzogen  worden.  Von  einer  Über- 
setzung dieses  Werkes  durch  Rutilius  Lupus  aus  den  Anfangen  der 
Kaiserzeit  sind  uns  zwei  Bücher  über  die  Wortfiguren  erhalten.  Auch 
Dionys  von  Halikarnass  und  Caecilius  hatten  über  Figuren  geschrieben  und 
aus  der  bezüglichen  Schrift  des  letzteren  findet  sich  einiges  bei  dem  späteren 
Rhetor  Tiberius.  Mit  Benutzung  des  Caecilius  und  der  sonst  vorhandenen 
alteren   Litteratur  behandelte  unter  Hadrian  Alexander,   der  Sohn   des. 

41* 


644  !>•  Hhetorik. 

Numenius,  die  Figuren.  Die  seinen  Namen  fahrende  Schrift  rregl  {fxrjfÄdrmv 
ist  aber,  wie  die  Vergleichung  mit  der  Lateinischen  Bearbeitung  des  Aquila 
Romanus  ergibt,  nur  ein  Auszug  aus  dem  Original.  Derartige  Auszüge 
wurden  auch  von  andern  Rhetoren  und  Grammatikern  angefertigt,  wie 
solche  unter  den  Namen  des  Herodian,  Apsines,  Phoebammon,  Tiberius,') 
Zonaeus  auf  uns  gekommen  sind.  Über  die  Tropen  besitzen  wir  eine  Ab- 
handlung unter  detp  Namen  des  Grammatikers  Tryphon. 

Mit  Hermogenes  war  die  Produktivität  der  Alten  auf  dem  Gebiete 
der  Rhetorik  erschöpft.  Hatte  doch  dieser  selbst  seiner  Kunst  keine  neuen 
Bahnen  eröffnet,  sondern  nur  das  bereits  Vorhandene  teils  mit  praktischem 
Blick  gesichtet,  teils  anders  gruppiert  und  in  neue  Formen  gebracht.  Von 
den  Rhetoren  des  dritten  Jahrhundei*ts  geht  keiner  über  Hermogenes  hinaus. 
So  bietet  die  erhaltene  Techne  des  Apsines  von  Gadara,  sowie  die  Trümmer 
einer  Abhandlung  neQi  iaxr^natiaiiävvav  nQoßh^fKxvfov  nicht  gerade  Neues. 
Dasselbe  gilt  im  Grunde  von  der  Abhandlung  des  Genethlius  iuciQsatq 
T(üv  emdHXTixdiv^  die  nur  darum  für  uns  von  Wert  ist,  weil  keine  ältere 
Schrift  von  gleicher  Ausführlichkeit  über  diesen  Gegenstand  auf  uns  ge- 
kommen ist.  Noch  wertvoller  und  nicht  ohne  Geist  geschrieben  ist  die 
Abhandlung  des  Rhetor  Men ander  ntQi  imdeixTixm»,  die  uns  einen  er- 
wünschten Einblick  in  die  Thätigkeit  der  mit  Vorliebe  auf  dem  Gebiet 
epideiktischer  Gelegenheitsreden  sich  bewegenden  späteren  Sophisten  ge- 
stattet. Derselbe  Menander  hat  auch  Diaeresen,  d.  h.  rhetorische  Analysen 
auf  Grund  der  Statuslehre,  von  den  Reden  des  Demosthenes  geliefert, 
welche  den  Grundstock  zu  den  uns  erhaltenen  Demosthenesscholien  gegeben 
haben.  Bruchstücke  aus  einer  Techne  des  Longinus  sind  ohne  Belang. 
Dagegen  machen  gute  Kommentare  zu  den  Schriften  des  Hermogenes  von 
Sopater,  von  Porphyrius,  Marcellinus  und  Syrianus,  die  letzteren 
nur  noch  im  Auszug  vorhanden,  einen  würdigen  Beschluss  der  Jahrhunderte 
langen  Thätigkeit  der  Alten  auf  dem  Gebiete  der  Rhetorik.  Byzanz  hat 
sich  mit  Anfertigung  dürrer,  geistloser  Kompendien,  oder  durch  ihre  Weit- 
schweifigkeit ermüdender  Paraphrasen  und  Kommentare  älterer  Werke  be- 
gnügt. Nur  der  gelehrte  Polyhistor  Maxinius  Planudes  aus  der  zweiten 
Hälfte  des  XHI.  Jahrhunderts  verdient  als  verständiger  Excerptor  der  vor- 
handenen Kommentare  zu  Hermogenes  ehrenvolle  Erwähnung. 

Über  die  praktische  Thätigkeit  der  Rhetoren  beim  Unterricht  geben 
uns  teils  die  Progymnasmatiker,  teils  die  Suasorien  und  Kontroversien  des 
Seneca  und  die  Deklamationen  Quintilians  einigen  Aufschluss.^)   Unter  den 

')  Er    ist  jünger  als  Aristides,    dessen  |   and  damit  den  Grand   zu  den  Obangen  der 

Tt'xytj  er  bereits  benutzt  hat.  Deklamatoren  und  zur  zweiten  Sophistik  legte: 

^)  Die    Deklamationen    gehen    auf    die  rovg  nertjKtg  vnBXvniaaaxo  xai  rovg  nXovalovg 

Zeit,  wenn  auch  nicht,  wie  einige  glaubten,  '    xnl  lovg  itQiariag  xat  rovg  rvQtiyyovg  xai  riig 

auf    die     Person     des   Demetrius    Phalereus  i    eig  ovoua  vno&iaBigy  i(p  lig  rj  hioQiaayei. -- 


zurück.  Quintil.  II,  4,  41,  vgl.  F.  Blass, 
Die  griech.  Hereds.,  Berl.  18()5,  S.  57  iF. 
Vielmehr  war  es  nach  einem  Zeugnis  des 
Philostr.   vit.  soph.   I,  5,   das   zu  bezweifeln 


Über  die  Themata  der  Deklamationen  wäre 
eine  monographische  Untersuchung  erwünscht. 
Mehrere  der  bei  Seneca  und  Quintilian  be- 
handelten kommen  auch  bei  Philostratus  und 


wir    nicht    berechtigt  sind,    Aeschines,    der  i  den  Griechischen  Rhetoren  gelegentlich  vor. 

nach  seiner  Verbannung  aus  Athen,  in  Karien  |  Dies   lässt  das  Vorhandensein   einer  Samro- 

und   auf  Hhodus   fingierte   Reden    typischer  :  lung    derartiger    Themen    vermuten,    deren 

und  historischer  Persönlichkeiten  aufbrachte  ;  Alter  und  Ursprung  noch  zu  ermitteln  wäre. 


1.  CtoBchichte  und  Einteilung  der  Rhetorik.  (§  1.)  645 

Progymnasmatikern  ist  Theo  unter  Tiberius  der  bedeutendste,  aus  späterer 
Zeit  Nikolaus,  ein  Schüler  des  Plutarch  und  Proklus.  Dazwischen  liegen 
zwei  kleine  Kompendien,  von  Hermogenes,  lateinisch  übersetzt  von  Pri- 
scian,   und   Aphthonius.     Für   die   Theorie   der   Rhetorik   geben   diese 

Schriften  nur  geringe  Ausbeute. 

QnellenBchriften  und  Monographien:  Rhetores  Graeci  ed.  Chr.  Walz,  Stuttg. 
1832— 3B.  Vol.  I — IX  (in  kritischer  Hinsicht  ungenügend.  Über  die  Pariser  Haupt- 
handschriften griechischer  Rhetoren  W.  Stuobmund  in  Jahrb.  f.  kl  Phil.  1885,  S.  757  ft.) 
Auswahl  der  wichtigsten:  Rhetores  Graeci  ex  recx)gn.  L.  Spbnobl.  I — III.  Lips.  1853— 56. 
Rhetores  latini  minores  emend.  C.  Halm.  Lips.  1863.  —  AnAxiroenis  ars  rhetonca  quae 
vulgo  fertur  Aristotelis  ad  Alexandrum  rec.  et  ill.  L.  Spenoel.  Turic.  1844.  vgl.  Finckh, 
comment.  de  auct.  rhet.  quae  dicitur  ad  Alexandrum.  Heilbr.  1849.  H.  Usbneb,  quaesti- 
ones  Anaximeneae.  Gottg.  1856.  —  L.  Spenoel.  <rvyayioyrj  rexytoy  s.  artium  scriptores  ab 
initiis  usque  ad  editos  Aristotelis  de  rhetorica  libros.  Stuttg.  1828.  Ober  Korax  u.  Tisias 
Usener  im  Rhein.  Mus.  1873  S.  434.  Spenoel,  Über  Definition  und  £intheilung  der  Rhetorik 
im  Rh.  Mus.  XVIII  S.  482  if.  J.  V.  Noyak,  Piaton  und  die  Rhetorik,  Leipz.  1883.  M.  Lechner, 
de  rhetorico  usu  Sophocleo,  Berol.  1877.  De  Euripide  rhetorum  discipulo.  Onold.  1874.  Th. 
Milleb,  FiUripides  rnetoricus  dissert  Gotting.  1887.  —  Aristotelis  ars  rhetorica  c.  adnot.  L. 
Spekgel.  Lips.  1867.  Engl.  Kommentar  von  Cope  und  Sandys.  III.  Cambridge  1877.  revi- 
dierter Text  von  Roemeb.  Ders.  Zur  Kritik  der  Aristot.  Rhet.  Rh.  Mus.  1884,  S.  491  ff. 
L.  Spenoel,  Über  d.  Rhetorik  des  Aristoteles,  Münch.  1851.  Über  das  dritte  Buch: 
H.  Sauppe,  Dionysius  und  Aristoteles,  Gott.  1863.  —  M.  Schmidt,  Commentatio  de 
Theophrasto  rhetore,  Hai.  1839.  —  H.  Liebs,  De  aet.  et  Script,  libri,  qui  fertur  Dc- 
metrii  Phalerei  negl  iQfitjyela^,  Bresl.  1880.  C.  Hanmeb,  Demetrius  n,  ig/A.  Landshut 
1883.  Bbzoska,  De  canone  decem  oratorum,  Vratisl.  1883.  J.  Stbillbb,  de  Stoicorura 
studiis  rhetoricis,  Bresl.  1886  (Bresl.  phil.  Abhandl.  I,  2,  vgl.  Wochenschr.  f.  klass.  Phil. 
1887,  S.  747).  W.  Piderit,  De  Hermagora  rhetore,  Hersf.  1839.  De  Apollodoro  Perga- 
meno  et  Theodoro  Gadarensi  rhetoribus,  Marb.  1842.  L.  Mabtens,  De  libello  ttcqI  vipovg, 
Bonn  1877.  F.  Blass  De  Dionys.  Hai.  scriptis  rhetoricis,  Bonn.  1863.  Roessleb,  Dionys. 
Halic.  scr.  rhet.  Lips.  1873.  G.  Mestwerdt,  De  Dion.  Hai.  in  libro  de  comp.  verb.  studiis, 
Gott.  1868.  De  Dion  Hai.  et  Hermogenis  in  aest.  vet.  Script,  inter  se  ratione,  Cleve  1872. 
H.  Usener,  De  Dionys.  Halic.  libris  manuscriptis.  Bonn  1878.  Dionys.  Halic.  ad  Am- 
macum  epistula.  Bonn  1889.  Dionys.  Halic.  do  imitatione  librorum  reliquiae.  Bonn 
1889.  Th.  Burckhardt,  Caecilii  Cafactini  fragmenta.  Basil.  1863.  R.  Weise,  Quaestt. 
Caecilianae.  Berol.  1888  (sehr  beachtenswert).  —  C.  Bürsian,  Der  Rhetor  Menandros 
und  seine  Schriften,  MQnch.  1882.  W.  Nitsche,  Der  Rhetor  Menandros  und  die 
h)cholien  zu  Demosthenes,  Berl.  1883.  F.  Altinoer,  de  rhetoricis  in  orationes  Thucydideas 
scholiis,  Progr.  MOnchen  1885.  —  Comificii  rhet.  ad  C.  Herennium  rec  et  interpr.  est  C. 
L.  Katser,  Lips.  1854,  verbesserter  Text  von  W.  Friedrich,  Leipz.  1884.  Wert- 
volle Schulausgaben  von  Cicero  de  oratore  und  partitiones  oratoriae  von  W.  Piderit 
(de  orat.  in  sechster  Auflage  von  0.  Harneckkr  I.  II.  Leipz.  1886—89).  —  Rutilii  Lupi 
de  figuris  sententiarum  et  elocutionis  rec.  et  annot.  adi.  D.  Ruhnken.  Lugd.  1768.  G. 
Dzialas,  quaestioncs  Rutilianae  Vratisl.  1860.  B.  Steusloff,  quibus  de  causis  Alexandri 
Num.  liber-putandus  sit  spurius  Vratisl.  1861.  H.  Krupp,  De  carm.  ine.  auct.  de  figuris, 
Jen.  1874.  C.  Mueller,  De  figg.  quaestt.  crit.  Gryph.  1880.  —  Annaei  Senecae  orator. 
et  rhetor.  sententiae  divisiones  colores  rec.  C.  Bürsian,  Lips.  1857.  rec.  A.  Kiesslino,  Lips. 
1872.  ed.  II.  J.  Müller,  Lips.  1887.  —  Quintiliani  institutionis  oratoriae  1.  XII.  rec.  et 
cxpl.  Spaldino.  l— VI.  Lips.  1798-1834.  rec.  C.  Halm,  Lips.  1868.  rec.  F.  Meister,  Lips. 
1886.  C.  Ritter.  Die  Quintilian-Declamationen,  Freib.  1881.  Quintiliani  declamationes  rec. 
C.  Ritter,  Lips.  1884.  A.  Reuter,  Zu  dem  Augustin.  Fragmt.  de  arte  rhetor  Leipz.  1888 
(Abdr.  aus  den  Kirchengcsch.  Studien;.  Ders.  Der  Cod.  Bern.  363  und  sein  Wert  für  die 
Kritik  des  Chir.  Fortunatian.  Hermes  1889  S.    161  flF. 

Allgemeine  Hilfsmittel:  G.  J.  Vossius,  Coromentariorum  rhetoricorum  1.  VI.  ed. 
quart.  Lugd.  1643.  J.  Ch.  Th.  P]rnesti.  Lexicon  technologiae  Graecorum  rhetoricae,  Lips. 
1795.  Lexicon  technologiae  Romanorum  rhetoricae,  Lips.  1797.  R.  Volk  mann,  Hermagoras 
od.  Elemente  der  Rhet,  Stett.  1865.  Die  Rhetorik  d.  Griechen  u.  Römer  in  System.  Über- 
sicht dargestellt.  Berl.  1872.  2.  Aufl.  Leipz.  1885.  — -  J.  E.  Nixon,  a  few  notes  on  latin 
rhetoric  with  tables  and  illustr.  Lond.  1876  (diese  kleine  Schrift  bezeugt  das  auch  in  Eng- 
land erwachte  Interesse  für  das  System  der  Rhetorik).  A.  E.  Chaionet  la  rhötorioue  et 
son  histoire,  Par.  1888  (nicht  von  Belang).  H.  Ortlofp,  Die  gerichtl.  Redekunst  Th.  1, 
Anwendung  der  Regeln  der  Rhetorik  auf  die  gerichtl.  Redekunst,  Berl.  1887  (der  Jurist. 
Verf.  kennt  bloss  Cicero  und  Quintilian  und  hat  von  den  philolog.  Arbeiten  Qber  seinen 
Gegenstand  keine  Ahnung). 


646 


D.  Rhetorik. 


2.  Einteilung:  der  Rhetorik.  Die  Rhetorik  unterscheidet  zunächst 
verschiedene  Gattungen  oder  Arten  der  Beredsamkeit,  die  sie  in  den  Kreis 
ihrer  Betrachtung  zieht.  Am  einfachsten  und  richtigsten  wäre  es  gewesen, 
von  der  praktischen  Beredsamkeit,  die  im  öffentlichen  Leben  vor  Ge- 
richt und  in  den  Volksversammlungen  zur  Anwendung  kömmt,  die  Eunst- 
beredsamkeit,  die  auf  Festversammlungen  oder  kleinere  Kreise  von 
Kunstverständigen,  auch  wohl  auf  blosse  Lektüre  berechnet  ist,  zu  unter- 
scheiden, und  demnach  zwei  Gattungen  der  Beredsamkeit  aufzustellen:  ein 
yh'rog  TiQaxrixov,  in  negotiis^  und  ein  y«ro$  enidsixtixov^  in  ostentationeposiiunf, 
gerade  so,  wie  Aristoteles  Rhet.  III,  1  hinsichtlich  des  rednerischen  Aus- 
drucks die  yQccffixri  Xe^ig  von  der  aytaviarixt]  unterscheidet.  Doch  finden 
sich  von  dieser  sachgemässen  Einteilung  bei  den  Alten  nur  vereinzelte 
Spuren^)  und  sie  war  keineswegs  allgemein  giltig.  Auch  ist  dies  leicht 
erklärlich.  Denn  wenn  auch  thatsächlich  die  epideiktische  Beredsamkeit  in 
der  Litteratur  die  ältere  war  —  schon  längst  hatten  Gorgias  und  seine  Schüler 
Lob-  und  Tadelreden  veröffentlicht,  ehe  Antiphon  daran  dachte,  gerichtliche 
Reden  als  Studienmuster  einem  grösseren  Kreise  zugänglich  zu  machen  — , 
so  hat  sich  doch  die  rhetorische  Theorie  anfangs  nur  mit  der  politischen 
Beredsamkeit  und  zwar  der  gerichtlichen  Art  beschäftigt.  Die  ältesten 
Lehrbücher  gaben  bloss  Anleitung,  wie  man  sich  vor  Gericht  zu  verhalten 
habe.  Isokrates,  dem  wir  diese  Nachricht  verdanken,^)  tadelt  dies  als  ein- 
seitig, da  die  Rhetorik,  soweit  sie  lehrbar  sei,  nicht  bloss  auf  Gerichts- 
reden, sondern  auf  alle  Arten  von  Reden  sich  anwenden  lasse,  doch  werden 
diese  Arten  selbst  von  ihm  nicht  weiter  angegeben.  Bekanntlich  bewegt 
sich  seine  eigene  Kunstberedsamkeit  mit  Vorliebe  auf  dem  beratenden 
Gebiete.  Noch  Anaximenes  berücksichtigt  in  seiner  Techne  bloss  Xöyoi 
noXttixot,  also  Reden  des  öffentlichen  politischen  Lebens.  Er  teilt  sie  in 
ein  ytvog  dr^juiijyoQtxov  und  dtxavtxöv  und  beide  wieder  in  sieben  Unterarten, 
darunter  auch  ein  et  Sog  eyxwfiiaaiixov  und  ipsxiixov.  Erst  Aristoteles  zog 
auch  die  Kunstberedsamkeit  in  den  Kreis  der  technischen  Betrachtung  und 
fügte  demnach  zu  dem  ytvog  avjußovkevtixovj  wie  er  es  nannte,  und  ^Ma- 
vixov  noch  das  yerog  sniäeixxtxov  hinzu.  Diese  Einteilung,  oder  richtiger 
Nebeneinanderstellung,  erhob  sich  zur  herrschenden,  und  sowohl  Stoiker, 
als  Hermagoreer  und  Hermogenianer  hielten  an  derselben  fest.^)  Aristoteles 
gewinnt  seine  drei  Arten  von  Xoyoi  ^tjtoQixot  zunächst  aus  der  Verschieden- 
heit der  Zuhörer,  vor  denen  gesprochen  wird.  Der  Zuhörer  ist  entweder 
kunstliebender  (tl/fw^o?)  oder  beurteilender  Zuhörer  {xQiri^g),  und  zwar 
letzteres  über  Geschehenes  oder  Zukünftiges.  Über  Zukünftiges  urteilt  er 
als  Mitglied   der  Volksversammlung,   über   Vergangenes   als   Richter,    als 


')  Syrianus  Rh.  Gr.  IV,  60.  Plat  So- 
phist, p.  222  C. 

2)  Isocr.  adv.  soph.  19. 

3)  Arist  Rhet.  1,  3.  für  die  Stoiker  Diog. 
Laert  V[I,  42.  für  Hermagoras  Rh.  Gr.  IV, 
63.  ferner  Cornif.  I,  2,  2.  Cic.  de  inv.  l, 
5,  7  Dionys.  de  Lys.  iud.  16  p.  253.  Ale- 
xander Rh.  (ir.  111,  1  Sp.  Sopater  Prolegg. 
Arist  p.  757.  Den  verunglückten  Versuch 
einer  logischen  Korrektur  dieser  Einteilung 


macht  der  in  manchen  Punkten  den  Stoikern 
sich  anschliessende  anonyme  Verfasser  der 
TiQoXeyofjieya  rtoy  atäaetoy  Rh.  Gr.  VII,  1 
p.  2.  Kr  geht  aus  vom  Xoyog.  Derselbe  ist 
ivSid&BTog  oder  nqotpoQtxog.  Der  letztere  ist 
wieder  entweder  &۟}Qt]Ttx6g  oder  7tQaxztx6<;. 
Ersterer  umfasst  die  S^^atg;  sie  zerfällt  in 
iyx(afjtioy  und  \p6yo<;.  Letzterer  umfasst  die 
vnoy^eaig.  Sie  zerfällt  in  den  Xöyog  ffv/ußov- 
Xevnxog  und  dixayixog. 


1.  Qeschichte  und  Einteilung  der  Rhetorik.  (§  2.) 


647 


bloss  kuDstliebender  Zuhörer  urteilt  er  über  die  Kunstfertigkeit  des  Redners. 
So  kommen  also  drei  Arten  von  Reden  zu  stände.  Die  beratende  Rede 
zerfällt  in  nQovQonij  und  aTroTQOTrtjy  sie  will  zu  etwas  zureden,  oder  von 
etwas  abreden,  die  gerichtliche  in  xairjogia  und  dnoXoyia^  die  epideiktische 
in  Lob  und  Tadel.  Der  beratende  Redner  hat  es  mit  der  Zukunft  zu  thun, 
der  gerichtliche  mit  der  Vergangenheit,  der  epideiktische  überwiegend  mit 
der  Gegenwart,  doch  erinnert  er  auch  an  Vergangenes  und  deutet  er  im 
voraus  auf  Zukünftiges  hin.  Ziel  und  Zweck  (ttkog)  ist  für  den  beratenden 
Redner  das  Nützliche  und  Schädliche,  für  den  gerichtlichen  das  Gerechte 
und  Ungerechte,  für  den  epideiktischen  das  Schöne  und  Hässliche,  doch 
nehmen  sämtliche  Redner  in  zweiter  Linie  auch  die  übrigen  TcXtj  zur  Hilfe, 
der  beratende  also  auch  das  Gerechte  und  Ungerechte,  das  Schöne  und 
Hässliche,  und  in  entsprechender  Weise  die  beiden  anderen.  Statt  em- 
dfixTixov  sagte  man  später  auch  iyxfaiiiaarixov  (so  die  Stoiker)  oder  navrj" 
yvQixov  ytvoq^  daher  denn  auch  die  Lateiner  neben  dem  getius  deliberativum 
und  iudkiak  bald  von  einem  laudativum,  bald  demonsirativum  genm  sprachen. 
Widersprüche  gegen  die  Richtigkeit  der  Aristotelischen  Einteilung  blieben 
nicht  aus,i)  denn  dass  die  epideiktische  Beredsamkeit  als  Kunstberedsam- 
keit sich  keineswegs  auf  Lob  und  Tadel  beschränkte,  sondern  auch  be- 
ratende und  gerichtliche  Themen  behandeln  konnte,  blieb  nicht  verborgen 
—  doch  blieben  sie  ohne  Folgen.  Aristoteles  hatte  die  beratende  Bered- 
samkeit als  die  wichtigste  vorangestellt,  die  Stoisch-Hermagoreische  Rhetorik 
dagegen  wies  der  gerichtlichen  Beredsamkeit  den  ersten  Platz  an. 

Die  Rhetorik  gibt  nun  Mittel  und  Wege  an  die  Hand,  diese  drei 
Arten  der  Beredsamkeit  kunstgerecht  zu  behandeln.  Wie  aber  jede  Rede 
aus  Inhalt  und  Form  besteht,  so  zerfällt  demgemäss  auch  die  Rhetorik  in 
zwei  Teile.  Der  eine  beschäftigt  sich  mit  der  Auffindung  des  redneri- 
schen Stoffes,  der  andere  mit  der  künstlerischen  Gestaltung  seines 
sprachlichen  Ausdrucks.  Diese  alte  ursprüngliche  Einteilung^)  finden 
wir  noch  bei  Dionysius  von  Halikamass,^)  welcher  einen  TiQayfiaTixdg  xonoq 
vom  XsxTixoq  Tonog  unterscheidet,  und  den  ersteren  wieder  in  die  evQcaig 
oder  naqaaxBvi]  und  die  XQ^fCig  tdv  naQ^axavaaubvoav^  die  sogenannte  olxo^ 
vofiia,  den  letzteren  in  die  ixXoyi]  tdv  ovoficcTtov  und  die  avvO'saig  tSv 
fxXey€VT(ov  einteilt.  Es  lag  aber  nahe  neben  die  Auffindung  des  Stoffes 
als  Nebenteil  die  Anordnung  desselben  zu  stellen.  So  behandeln  auch 
Anaximenes  und  Aristoteles,  die  zwar  von  Teilen  der  Rhetorik  nicht 
sprechen,  doch  den  Stoff  derselben  in  der  Reihenfolge  von  eigecig^  Xä^^g^ 
id^ig.  Letzterer  kenntauch  bereits  die  v7t6xQi(ngy  den  Vortrag,  als  vierten 
Teil,  bemerkt  aber  ausdrücklich,  dass  sie  zu  seiner  Zeit  noch  kein  Gegen- 
stand der  rhetorischen  Technik  gewesen  sei.  Eingehend  wurde  sie  in  einer 
besonderen  Abhandlung  erst  von  Theophrast  behandelt.  Liess  man  die 
vTiöxQiaig  etwa  als  vierten  Teil  oder  als  Anhang  auf  die  Xä^ig  folgen,  so 
musste  man  noch  einen  besonderen  Teil  als  iiivi]/jirj  oder  Lehre  von  der 
Mnemonik  voraufgehen  lassen.  Man  konnte  aber  auch  von  der  Auffindung 
des  Stoffes  noch  die  vorherige  Betrachtung  und  Prüfung  des  Themas  trennen. 


0  Philodem.  rhet.  38,  7.  Quintil,  1.  1. 
2)  Thucyd.  II,  60.  VIII,  G8.  laocr.  IV,  9. 


V,  94. 

^)  JDionys.  de  Isocrate  iudiciuro. 


648  ^-  Rhetorik. 

Und  so  betrachteten  denn  ein  Teil  der  Stoiker  vorhat g,  evgeaig,  iia&€<ng 
{rd^ig,  oixovofjiia)  als  Hauptteile  der  Rhetorik,  oder  als  Aufgaben  {^Qyo) 
des  Redners,  und  befassten  Xt^ig  und  vnoxQiaig  mit  unter  der  Sid&eaigJ) 
Andere  fügten  zu  diesen  dreien  die  vTroxgiatg  als  viertes  igyov  hinzu,  wieder 
andere  begnügten  sich  mit  evQstng^  to^ig,  (pQMig,  vnoxQia^g.  Die  Ansicht 
des  Hermagoras  über  die  Teile  der  Rhetorik  ist  nicht  direkt  überliefert. 
Wir  wissen  bloss,  dass  er  iudicium^  partitio^  ordo^  elocutiOy  also  xgifng, 
dtaigeaig,  rd^ig^  It^ig  unter  die  oixorojuiia  befasste.  Unter  dem  iudicium 
ist  die  kritische  Prüfung  und  Sichtung  des  durch  die  inventio  zusammen- 
gebrachten Stoffes  je  nach* Bedarf  der  gerade  vorliegenden  Hypothesis  zu 
verstehen.  Ob  er  die  vorflig  von  der  evqeaig  abgezweigt,  oder  mit  ihr  ver- 
bunden hat,  ist  nicht  recht  ersichtlich.  Dass  er  neben  evqeaig  und  omo- 
ro/im  auch  firilfurj  und  vTioxQiaig  als  Teile  gelten  Hess,  ist  höchst  wahr- 
scheinlich. Sonst  hielten  die  römischen  Rhetoren  Gomificius,  Cicero,  Quin- 
tilian,  auch  Fortunatian  und  die  griechischen  Rhetoren  der  sophistischen 
Zeit  an  den  fünf  Teilen  inventio,  dispositio,  clocuüo,  memoria,  actio^  also 
fVQftfig,  ra^tg  oder  olxovofua^  ^^'^tg^  f^^'^if^^t  vnoxqimg  fest. 

Wie  alle  Bildung,  so  wird  auch  die  rednerische  Fertigkeit  und  somit 
die  Beherrschung  der  fünf  Teile  der  Rhetorik  durch  dreierlei  bedingt., 
durch  natürliche  Anlage  ((fvaig^  natura),  theoretische  Anleitung 
{TiXvr^^  jmdO'r^cig  oder  iniarr^ßii^  doctrifia),  Übung  {aaxr^tng,  fieXetrj,  exerci- 
fatio).  Einige  fügten  als  viertes  Erfordernis  die  fiifutjaig  oder  imikUio 
hinzu.2)  Die  Aufgabe  des  Redners  aber  ist  eine  dreifache,  er  soll  be- 
lehren, ergreifen,  ergötzen  {docere,  movere,  delectare).^)  Wahrschein- 
lich geht  auch  die  Aufstellung  dieser  drei  Punkte  auf  die  Stoiker  zurück. 

2.  Die  Lehre  von  der  Auffindung  des  rednerischen  Stoffes. 

a.  Die  gerichtliche  Beredsamkeit. 

Intrllectio  (ror^aig),     Quacstio^  causa  {^trrtg,  vnoO^faig), 

3.  Die  Lehre  von  der  Auffindung  des  rednerischen  Stoffes  gliedert 
sich  in  drei  Abschnitten  nach  den  drei  Arten  der  Beredsamkeit  und  inner- 
halb dieser  Abschnitte  wieder  nach  den  Teilen  der  Rede.  Voraufgeschickt 
werden  aber  einige  allgemeine  Erörterungen  über  die  rednerischen  Themen 
selbst,  welche  den  Inhalt  der  sogenannten  vöi,(Sig  oder  intellectio  ausmachen.^) 
Jedes  Thema,  welches  dem  Redner  vorliegt,  ist  entweder  in  Form  einer 
Frage  gegeben,  oder  lässt  sich  doch  leicht  in  Form  einer  oder  mehrerer 
Fragen  bringen.  Diese  Fragen,  als  matcria  artis,  und  somit  als  Ausgangs- 
punkt der  gesamten  Rhetorik,  nannte  Hermagoras  nach  dem  Vorgang  der 

»)  Vgl.  Spenoel,   Rh.  Mus.  XVIIT,  503.  !   de  orat.  IT,  27,  115.     Quint.  1.  1. 

Rh.    Gr.    V,  a  217.    VI,  35.   VII,   15.     Für  ;            -•)  Sulp.  Victor  p.  315:  causa  proposita 

Hermagoras  Quint.  III,  3,  9,  vgl.  Strillkr,  primum  inteVegei'c  debemus,  adusmodi  causn 

do  Stoic.  stud.  rhet.  p.  39.  sit.        wtellegendum  primo  loco  est,  thesis 

'^)  riat.  Phaedr.  p.  269  D.  Isoer.  or.  XIII.  sit  an  hypothesis.  cum   hypothesin   esse   in- 

14—17.  XV,  187.    Rh.  Gr.  IV,  41.     Aristid.  tellexerimxis,  id  est  controversiamj  inteUegeft' 

XLV,  114.   Quint.  III,  5,  1.     Cornif.  I,  2,  3  .   dum  erit,  an  consistat,   tum  ex   qua  speeie 

nennt  auffallenderweisc   ars,  imitatio,   exer-  sit,  deinde  ex  quo  modo,  deinde  euma  tkihut, 

citatio.  ,   postremo  ctiius  figurae,  V^  Rh.  Qr.  V,  217. 

^)  Cic.  de  opt.  gen.  1,  3.  orat.  29.  101.  ,    VI,  34.  VII,  15. 


2:  Die  Lelure  von  der  Auffindung  des  rednerischen  StolfeB.  (§  8.)  649 

Stoiker  ^r^rrjiJiaTa  TioXirtxd  und  zwar  noXiuxd  deshalb,  weil  zu  ihrer  Be- 
antwortung die  allgemeine  Bildung  jedes  Staatsbürgers  ausreicht,  z.  B.  ob 
etwas  gerecht  oder  ungerecht,  sittlich,  löblich,  nützlich,  strafwürdig  sei 
oder  nicht,  und  deren  Beantwortung  unter  Umständen  von  jedem  im  poli- 
tischen Leben  vor  Gericht  oder  in  der  Volksversammlung  verlangt  werden 
kann,  im  Unterschied  von  solchen  Fragen,  zu  deren  Beantwortung  besondere 
Fachkenntnisse  erforderlich  sind;  mit  denen  der  Redner  nichts  zu  thun  hatJ) 
Diese  ^rjrjfiata  nohnxd  zerfallen  nun  weiter  in  xhtaic^  qunestio  und  v/ro- 
d^saiq^  catisay  je  nachdem  die  Fragen  ganz  allgemeiner  oder  spezieller  Art 
sind,  d.  h.  sich  auf  eine  bestimmte  Person,  Zeit,  Ort  u.  dgl.  beziehen. 
Es  ist  für  uns  nicht  recht  klar,  was  die  Philosophen,  denen  sich  späterhin 
auch  Cicero  eine  Zeitlang  und  diesem  folgend  Quintilian  anschlössen,  ver- 
anlasst hat,  den  Hermagoras  anzugreifen,  dass  er  ganz  allgemein  die  Thesen 
dem  Redner  überwiesen  und  damit  dessen  Kompetenz  ungebührlich  er- 
weitert habe,  da  es  doch  nach  dem  Zusammenhang  seines  Systems  ersicht- 
lich war,  dass  er  bloss  politische  Thesen,  in  dem  angegebenen  Sinne  des 
Wortes,  meinte.  Jedenfalls  aber  veranlasste  dies  seine  Anhänger  aus- 
drücklich ihrem  Inhalt  nach  theoretische  Thesen  {qtiaestiones  cognitionis), 
allgemeine  wissenschaftliche  Fragen  —  ihre  Behandlung  ist  Sache  der 
Philosophen  und  nicht  der  Redner  —  von  den  praktischen  Thesen 
{quaestiones  actionis)^  auch  O^tasiq  noXirixai  genannt,  zu  unterscheiden, 
deren  Behandlung  aber  auch  wieder  nur  insoweit  Sache  des  Redners  ist, 
als  jeder  Hypothesis  allemal  eine  Thesis  zu  Grunde  liegen  muss,  daher 
schon  Athenaeus,  der  Zeitgenosse  und  Nebenbuhler  des  Hermagoras,  die 
^kmg  geradezu  als  iitqoq  vfiox^taeatg  bezeichnet  hatte.*)  Denn  Thesis  und 
Hypothesis  unterscheiden  sich  im  Grunde  nur  durch  einen  Komplex  be- 
stimmter Umstände,  der  dort  fehlt,  hier  vorhanden  ist.  Diese  Umstände 
heissen  mit  einem  der  Stoischen  Philosophie  entlehnten  Ausdruck  ntQi- 
atdaetg  oder  TteQiarauxd^  circumstantiae,  auch  wohl  CTOixtTa  xov  TtQdyfJiccTog 
oder  d(fOQjnai.  Hermagoras  nahm  deren  sieben  an:  TtQoaumov^  ngd^ig^  XQovog^ 
lonog,  ahia^  TQOTiog,  difoQiial  iQywv.  Die  späteren  setzten  diesen  oder 
jenen  hinzu,  Hessen  auch  wohl  den  einen  oder  anderen  aus.**)  Wichtiger  war  es, 
dass  man  später,  in  sophistischer  Zeit,  die  f  i/rij/iar«  noXinxd  mit  Ausschluss 
der  Thesen  auf  Hypothesen  vom  genus  iudiciale  und  deliberativum  beschränkte.*) 
Nach  ihrem  Inhalt  teilte  Hermagoras  ferner  die  noXiTixd  ^r^xri^iara 
in  ein  ytvog  Xoytxov  und  ein  ytvog  ro/iixcn',  je  nachdem  sie  es  mit  einer 
Sache  oder  That  zu  thun  haben,  über  die  mittelst  logischer  Operationen 
zu  urteilen  ist,  oder  ieine  schriftliche  Urkunde,  ein  ^r/iov^  meist  eine  gesetz- 
liche Bestimmung,  ihren  Ausgangspunkt  bildet.  Diese  Unterscheidung  eines 
genus  rationale  und  legale  wurde  allgemein  beibehalten,   nur   dass  man  sie 


*)  Aug.  c.  4:  sunt  autem  civiles  quae- 
stioneSf  quarutn  perspectio  in  comtntmem 
animiconceptionem  potestcadere,quod  Graeci 
xoiyrjy  tvvoiav  rocant.  —  omnia  quaecunque 
eiusmodi  sunt^  ut  ea  nesdre  pudori  sit,  et 
quae  vel  ignorantes,  quasi  sciamuSf  tarnen 
cum  iimükUiane  prae  nobis  ferimus,  quoties- 
cunque  in  dubüatiofiein  rocantur,  efficiunt 
ckmtm  q^aestionem. 


^)  8.  Stbilleb,  de  Stoic.  stud.  rhet.  p. 
20-26. 

»)  August,  p.  141.  Rh.  Gr.  IV.  150,  164. 
288.  VI,  48.  165.  316.  Plut  de  vit.  et  poesi 
Homeri  c.  74.  QuintiJ.  111,  5,  17  ff.  MitteJ- 
alterlicher  Memorialvere:  quiSy  quid,  uhi, 
quihus  auxiliis,  cur,  quomodo,  quando. 

♦)  Hermog.  U,  133  Sp. 


650  !>•  Rhetorik. 

späterhin  mit  Ausschluss  der  Thesen   und   sonstigen  Hypothesen   lediglich 
auf  das  genus  iudiciale  beschränkte.^) 

Status  {avaatg)  oder  aythstitutio  causae, 

4.  Der  Redner  hat  nun  im  weiteren  zuzusehen,  ob  die  ihm  vor- 
liegende Frage  in  sich  Bestand  hat,  oder  nicht.  Nur  im  ersteren  Falle  ist 
sie  überhaupt  zu  einer  rhetorischen  Behandlung  geeignet.  Da  nun  die 
^rftt-pLaxa  noXiTixd  immer  streitige  Fragen  sind,  bei  denen  einer  bejahenden 
Antwort  immer  auch  eine  verneinende  Antwort  wenigstens  der  Möglichkeit 
nach  gegenübersteht,  so  dass  der  Redner,  wenn  er  sich  selbst  für  die  eine 
Alternative  entscheidet,  immer  auf  entgegengesetzte  gegnerische  Einwen- 
dungen gefasst  sein  muss,  so  sind  xaxdffaaig^  affirmatio,  Bejahung  und 
n7T6(famg,  negatio,  Verneinung  nächst  den  Peristasen  die  eigentlich  kon- 
stitutiven Elemente  einer  Hypothesis,  aus  deren  Betrachtung  sich  die  atäaig^ 
Status,  der  eigentliche  Bestand  der  Frage,  und  somit  dasjenige,  was  der 
Redner  zu  beweisen  hat,  ergibt.  Nur  wenn  die  Peristasen  in  ausreichender 
Anzahl  vorhanden  sind,  und  xataipaaig  und  änwpaaig  nichts  Widersinniges 
enthalten,  ist  das  C^jrtjfxa  ein  aweatog^  andernfalls  ein  daiazarov  und  zur 
weiteren  rednerischen  Behandlung  ungeeignet.  Demnach  definierte  Herma- 
goras  den  Status  einer  rednerischen  Aufgabe  als  dasjenige,  wodurch  die- 
selbe klargestellt  wird  und  worauf  die  Beweise  in  den  Teilen  der  Rede 
zurückgehen,  also  den  eigentlichen  zu  beweisenden  Kernpunkt  der  Frage. ^) 

Ilermagoras  fand  den  Begriff  des  status  bereits  vor.  Er  hat  ihn  von 
den  Stoikern  entlehnt  und  diese  haben  ihn  wieder  von  den  Isokrateern 
überkommen.  Die  ältesten  technischen  Lehrbücher  einschliesslich  der 
Techne  des  Isokrates  kannten  ihn  nicht. •'^)  Auch  dem  Anaximenes  und 
Aristoteles  ist  er  fremd.  Er  sollte  zuerst  von  Naukrates,  einem  Schüler 
des  Isokrates,  oder  von  Zopyrus  von  Klazomenä,  einem  Rhetor  des  dritten 
Jahrhunderts,  aus  der  Zeit  des  Dichters  Arat  und  des  Timon  von  Phlius, 
also  der  älteren  Stoiker,  aufgestellt  sein.^)  Im  zweiten  Jahrhundert  findeu 
wir  ihn  bei  dem  Stoiker  Archedemos  von  Tarsos,'^)  wohl  einem  älteren 
Zeitgenossen  des  Hermagoras.  Wenn  nun  aber  Anaximenes  c.  4  von  drei 
Methoden  der  Verteidigung  handelt,  die  genau  drei  späteren  Status  ent- 
sprechen, und  Aristoteles  an  einer  Stelle  seiner  Rhetorik  von  einer  Art 
der  Verteidigung  spricht,  die  im  sogenannten  Status  definitivus  sich 
wiederfindet,  so  ergiebt  sich,  dass  die  Statuslehre  ursprünglich  von  den  ver- 
schiedenen Fällen  der  Verteidigung  im  genus  iudiciale  ausgegangen  ist, 
durch  welche  auch  dem  Kläger  erst  der  eigentlich  springende  Punkt  seines 
Beweisverfahrens  gegeben  wurde,  und  dass  sie  erst  späterhin  auch  auf  die 

')  Quint.  III.  5,  4.  Cic.  de  inv.  I,  12,  17.       Ähnlich  Syrianus  IV,  200:  üidmg  i<ni  tiqö- 


orat.  34.  121.     Hermog.  p.  139. 

-)  Quint.  III,  6,  21 :  Hermagoras  statum 
rocutf  per  quem  subiecta  res  intellegitiir  et 
ad  quem  probationes  etiam  partium  refe- 
runtur.     Rh.  Gr.  V,  78   wird   als  Definition 


Taaig  artkij  ^t]TOQixrj  ngog  anodet^iy  xotii- 
^ofAiVT}  fÄueg  fpiiaetog  rtüy  iy  no  TroAirixro  C^r 
TijfÄaxi  xet/ueytor.  xa&'  rjy  rj  diaiQ^aig  ylyfrni 
rtav  XEffaXttlüjy  ttuy  ngog  nlariy  xoftil^o/^eytoy. 
3)  Sopater  Rh.  Gr.  V,  7. 


des   Hermagoras   angeführt:   (pdatg  jioXiit^xtj  \  *)  Quint.  III,  6,  3.  über  Naukrates  vgl. 

TiQog    (cnodet^iy    (psgofAtyjj    rov     ^r^ttjuarog.  i  Dionys.    de    Isaeo   19.    über   Zopyrus   Diog. 

Vielleicht  lautete  sie  vollständig:  aiaaig  iail  \  Laert.  IX,  114. 

(fdatg  noXiTixtj  [xa&'  rjy  (tynXufAßctyöfAel^a  rov  •')  Quint    III,  6,  31. 

vnoxeifieyov    Ti^ayfiatog]    nQog     (inoX.     xtX.  | 


2.  Die  Lehre  von  der  Auffindung  des  rednerischen  Stoffes.  (§  4.) 


651 


Gesetzesfragen  des  genus  iudiciale,  dann  auf  andere  genera  und  schliesslich 
selbst  auf  die  Thesen  übertragen  ist,  was  aber  nur  dadurch  möglich  wurde, 
dass  man  eine  wesentliche  Verschiedenheit  der  einzelnen  Hypothesen  und 
eine  Homonymie  im  Begrifl  der  ardaig  übersah.  Lediglich  bei  den  That- 
fragen  vom  genus  iudiciale  tritt  an  die  Stelle  von  xata(faaig  und  dnotfaaig 
der  Widerstreit  zwischen  der  Behauptung  des  Klägers  und  der  Entgeg- 
nung des  Verklagten  und  erst  aus  diesem  Widerstreit  ergiebt  sich,  unter 
der  weiteren  Voraussetzung,  dass  Kläger  und  Verklagte  ihre  Behauptungen 
begründen  können,  der  eigentliche  Gegenstand  der  Frage  und  der  richter- 
lichen Entscheidung,  das  xQivofxevov  oder  die  iudicaiio.  Wenn  nun  die 
meisten  späteren  Rhetoren  den  status  nicht  wie  Hermagoras  aus  xardtpaaiq 
und  dnoifaaiq  schlechthin,  sondern  aus  dem  Konflikt  zwischen  accmatoris 
intentio  und  dcfensoris  depulsio  herleiteten  >)  und  dann  die  hierbei  sich  er- 
gebenden Fälle  in  Arten  und  Unterarten  zerlegten,  so  durften  sie  nicht 
behaupten,  dass  diese  Status  auch  für  Hypothesen  vom  genus  deliberativum 
und  demonstrativum  ihre  Gültigkeit  hätten,  bei  denen  es  ja  accusator  und 
defensor  nicht  giebt.  Andererseits  ist  klar,  dass  die  verwaschene  Defini- 
tion und  Herleitung  des  Status,  wie  sie  Hermagoras  giebt,  zwar  auf  alle 
^rjT'fxaTa  nolirixä  Anwendung  findet,  aber  die  charakteristische  Eigentüm- 
lichkeit der  Thatfragen  vom  genus  iudiciale  und  die  praktische  Wichtig- 
keit des  Status  gerade  bei  diesen  Fragen  nicht  zur  Geltung  kommen  lässt. 
Denn  nur  bei  ihnen  ist  die  Auffindung  des  rednerischen  Stoffes  vom  Status 
abhängig,  keineswegs  bei  den  übrigen  Hypotliesen.  Man  musste  eben  den 
allgemeinen  Status  sämtlicher  Hypothesen  von  dem  besonderen  Status  ein- 
zelner unterscheiden.  Sämtliche  Hypothesen  sind  entweder  ^iiTr'maTa  dav- 
arccra  oder  avvfatmxa^  unter  den  avvfarwta  sind  wieder  die  einen  axaaia- 
^ofifvay  die  andern  dagegen  dataaiaaxa. 

Erst  mit  dieser  Unterscheidung  kömmt  Klarheit  in  eine  Lehre,  die 
weniger  in  ihrer  Anwendung  auf  konkrete  Fälle,  als  in  ihrer  allgemeinen 
Herleitung  und  Entwicklung  in  den  Schriften  der  Rhetoren  mit  mannich- 
fachen  Widersprüchen  und  Unklarheiten  behaftet  ist  und  über  welche  un- 
endlicher Streit  geherrscht  hat.  Am  übersichtlichsten  ist  sie  verhältnis- 
mässig bei  Hermogenes.  Bei  ihm  beschränken  sich  die  Status  auf  das 
genus  iudiciale  und  einen  Teil  der  Fälle  vom  genus  deliberativum.  Die 
paränetischen  Suasoiien  und  das  ganze  genus  demonstrativum  sowie  die 
Thesen  sind  dataaiccara,^)  Im  übrigen  ist  die  Terminologie  des  Herma- 
goras im  ganzen  beibehalten.  Wir  haben  zunächst  vier  Grundstatus:  1.  cto- 
Xccai^iog,  Status  coniecturaUs,  2.  oQog^  Status  finitivus^  3.  noiozrjgy  Status  qua- 
lifatis  oder  iuridicialis,  4.  [nerdkr^ipig^  translatio.  Im  ersten  Falle  leugnet 
der  Angeklagte  die  ihm  vom  Kläger  schuldgegebene  That,  der  Kläger  hat 


')  So  Cornif.  I,  11,  8.  Cic.  de  inv.  I,  8, 
10.  Top.  25,  93.  Quint.  III,  6.  7.  August, 
p.  143.  Dasselbe  thun  auch  alle  diejenigen 
griechischen  Rhetoren,  welche  den  Status  aus 
dem  Konflikt  von  aXiioy  und  avvixoy  her- 
leiten, aitioy  ist  nämlich  dasjenige,  womit 
der  Kläger  seine  Aussage  begründet,  das 
causatioum  lüia   cvyixoy  dagegen  oder  fir- 


mamentum  dasjenige,  worauf  der  Verklagte 
sich  stützt.  Fortunat.  p.  82.  August.  1.  1. 
*)  Darauf  weisen  die  Kommentatoren  des 
Hermogenes  mehrfach  ausdrücklich  hin.  Rh. 
Gr.  III,  480.  IV,  35.  226.  704.  721,  V,  226. 
398.  VI,  32.  40.  Sopater  proleg.  Arist.  de 
quattuörviris  p.  753. 


652  D.  Rhetorik. 

infolgedessen   den  Konjekturalbe  weis  zu  liefern,   dass  der  Angeklagte   die 
That  wirklich  verübt  hat;   es  wird  gefragt  nach  dem  an  sit  {negl  ovaiag). 
Im    zweiten   Falle    gibt  der  Angeklagte    die  That   zu,  bestreitet  aber  die 
vom  Kläger  gewählte  Bezeichnung  derselben  als  richtig;  es  wird  nach  dem 
quid  Sit  {7r€Qi  trjg  iSi6vi/iog^  negi  tov  avrov  xai  xJ-aregov)  gefragt.     Im  dritten 
Falle    gibt   der  Verklagte    die  That,   auch  die   vom  Kläger  gewählte  Be- 
zeichnung derselben  zu,  behauptet  aber  ihre  Rechtmässigkeit,   oder  bringt 
Milderungsgründe  vor;   es  wird   nach   dem   quäle  sit  gefragt.     Im  vierten 
Falle   bestreitet  der  Verklagte   dem  Kläger  das  Recht  zur  Erhebung  der 
Klage  an  diesem  Orte,  zu  dieser  Zeit  oder  aus  sonst  einem  Grunde  und  sucht 
damit  um  die  Verteidigung  herumzukommen.     Der  statte  qucHitatis  wird  nun 
weiter  eingeteilt.  Hermogenes  unterscheidet  zunächst  eine  noimr^g  Xoyixrj  und 
voiiuxt'i.    Erstere  fragt  auf  Grund  einer  That,  letztere  auf  Grund  eines  ^r/Tor, 
einer  Urkunde   oder   gesetzlichen  Bestimmung.     Ist   die  That,   um   die   es 
sich   handelt,   zukünftig,    so    gibt  dies  die  Ttoiorrjg  ngayiiiauxi]^  meist  bei 
Aufgaben  des  genus  deliberativum,  aber  auch  bei  den  gerichtlichen  ygatf^i 
nagaroficov.     Die   bereits  geschehene   That  gibt  die  Stxaiokoyia^  constitutio 
iundiciaUs,   den    eigentlichen   Qualitätsstatus.     Gibt  der  Angeklagte  seine 
That  als  kein  Vergehen  zu,  sondern  erklärt  er  sie  für  eine  erlaubte  Hand- 
lung,  so  gibt  dies  die  avTiXrjxpig^  die  constitutio  iuridicialis  absoluta.     Gibt 
er  sie  als   ein  Vergehen  zu,   das  er  aber  durch  Herbeiziehen  von  Neben- 
umständen  zu   rechtfertigen   sucht,   so   gibt  dies  die  ärriO-fatg^  die  consti^ 
tutio  iuridicialis  assumptiva.     Behauptet  er,   dass   der  anderweitige  Nutzen 
der  That  das  Gesetzwidrige  und  Strafbare   derselben   überwiegt,   so   gibt 
dies  die  arriaraaig^  comparatio  oder  compensatio.     Behauptet  er,  zu  seiner 
That  durch  den,  zu  dessen  Gunsten  der  Rechtshandel    eingeleitet  ist,   ver- 
anlasst oder  gezwungen  zu  sein,   so   entsteht   chrtyxXr^fict^   relatio  criminis. 
Überträgt  er  die  Schuld  auf  andere  Personen   als  den  Beeinträchtigten,  so 
entsteht  in^Tdaraaig^  remotio  criminis.     Entschuldigt  er  endlich  die  That  mit 
Zufall,   Unwissenheit  oder   notwendigen  Umständen,   so   gibt  dies  die  (fvy- 
yvo')jnr^^  purgatio  oder  deprecatio.     Auch  bei  der  ttoioti^c  rofiixt^  werden  vier 
Fälle  unterschieden,  die  aber  in  der  Beschaffenheit  des  zu  gründe  liegenden 
Gesetzes  u.  s.  w.  selbst  ihren  Grund  haben.     Scheinen  sich  Buchstabe  und 
beabsichtigter   Sinn    der  schriftlichen   Urkunde   entgegenzustehen,   so   gibt 
dies  die  aidaig  xard  ^ijor  xai  vTif^aigaaiv  (oder  dutvoiav)^  constitutio  scripti 
et   voluntatis.     Soll   sich   aus   einer   positiven  Bestimmung  der  schriftlichen 
Urkunde  eine  andere  nicht  ausdrücklich  vermerkte  als  Konsequenz  ergeben, 
so  erhalten  wir  den  avXXoyiafiog,  constitutio  ratiocinativa.     Enthält  die  Ur- 
kunde eine  Zweideutigkeit  im  Ausdruck,  so  führt  dies  zur  d^iifißoh'a^  am- 
biguitas.     Findet  endlich  zwischen  zwei  oder  mehreren  Gesetzesstellen   ein 
Widerspruch  statt,  so  gibt  dies  die  avnvoiAia^  Jeges  contrariae,^) 

zu.  Die  Zerteilung  der  dixaioXoyifc  ist  die- 
selbe wie  bei  Hermogenes:  wenn  bei  letz- 
terem die  n^fcyfiartxij  fehlte,  so  wäre  alles 
Unterarten  des  genus  legale  eigentlich  mit  i  in  schönster  Ordnung.  Cornificius,  Cicero, 
dem  Status  gar  nichts  zu  thun  haben.  Die  j  Quintilian  erkannten  das  Fehlerhafte  in  der 
-noiÖTtjc:  teilte  er  dann  weiter  ein  in  n.  cru-  Einteilung  des  Ilermagoras,  nicht  aber  den 
^ovXfvKxtj,  inideixTix^.  dtxntoXoyU(  und  Tiquy-  eigentlichen  Sitz  des  Fehlers. 
uuTixtj.     Letztere  kömmt  allein  den  Thesen 


*)  Hermagoras  stellte  von  vornherein  das 
yt'yog  vofAixüv  dem  Xoytxoy  zur  Seite,  wäh- 
rend schon  Cicero  richtig  erkannte,  dass  die 


2.  Die  Lehre  von  der  Auffindung  des  rednerischen  Stoffes.  (§  5.)  653 

Der  scholastische  Scharfsinn  der  späteren  Rhetoren  gefiel  sich  in  einer 
Spaltung  dieser  dreizehn  Status  in  eine  Menge  von  Unterarten,  die  hier 
nicht  weiter  aufzuzählen  sind.  Praktisch  verwertet  aber  wurde  die  Status- 
lehre nicht  bloss  bei  der  Anfertigung  von  Kontroversien  in  den  Rhetoren- 
schulen/)  sondern  auch  bei  der  Interpretation  der  klassischen  Redner  (sowie 
der  Reden  des  Thucydides),  und  hier  mit  Recht.  Denn  es  unterliegt  keinem 
Zweifel,  dass  die  Theorie  von  der  längst  geübten  Praxis  der  Redner  ab- 
strahiert ist.  2)  Die  meisten  der  aus  dem  Altertum  überlieferten  Gerichts- 
reden gehören  dem  status  coniecturalis  an.  So  Antiph.  I.  VI.  Isae.  III--IX. 
Lys.  III.  XX.  Demosth.  de  falsa  leg.  Cic.  pro  Rose,  pro  Sulla,  pro  Plancio, 
pro  Cluent.,  pro  rege  Deiot.,  pro  Archia.  Definitionsstatus  hat  Demosth.  in 
Mid.  Isae.  de  Cleon.  hered.  Lycurg.  adv.  Leoer.  Qualitätsstatus,  und  zwar  relatio 
criminis  Cic.  pro  Mil.  Antiph.  Tetr.  III,  relatio  und  compen  satio  Cic.  pro  Sestio. 
Remotio  Lys.  or.  XII.  Reine  iuridicialis  absoluta  Lys.  or.  I.  Isae.  or.  IL  Trans- 
lationsstatus endlich,  in  der  Regel  mit  Konjekturalbeweis  verbunden,  Lys.  or. 
XXIII.  Isoer.  or.  XVIII.  Demosth.  or.  XXXII-  XXXVIII.  XLV. 

Vgl.  Volkmann,  Rhet.  S.  38  ff.  Netzkrr.  Hermagoras  Cicero  Cornificius  quae  do- 
cuerint  de  statibus.  Eil.  1879.  Dero,  über  die  constitutio  legitima  des  Cornificius  in 
Jahn's  Jahrb.  1886  S.  411  ff. 

Asystata,  Genera  und  figurae  catisarum, 

5.  Asystata  sind,  wie  bereits  bemerkt,  alle  diejenigen  Aufgaben,  die 
an  einer  Widersinnigkeit  leiden  und  demgemäss  zu  einer  rhetorischen  Be- 
handlung ungeeignet  sind.  Bei  ihnen  fehlt  entweder  etwas  an  den  not- 
wendigen Bestandteilen  jeder  Hypothese,  also  irgend  eine  unerlässliche 
Peristase,  oder  es  machen  bei  Themen  vom  genus  iudiciale  Kläger  und 
Verklagter  dasselbe  für  sich  geltend,  so  dass  cutiov  und  avvtxov  (oben  S.  651 
Anm.  1)  identisch  sind,  oder  es  fehlt  das  avvtxov^  so  dass  keine  Verteidigung 
möglich  ist,  oder  es  fehlt  an  ahiov  und  avvtxov  und  somit  an  einem  eigent- 
lichen xQivo/^uvov.^)  Für  die  Praxis  war  die  Beachtung  der  Asystata  insofern 
von  Wert,  als  sich  ohne  Beachtung  der  hiehergehörigen  Punkte  angehende 
Deklamatoren  leicht  zur  vergeblichen  Bearbeitung  eines  widersinnigen,  oder 
doch  unfruchtbaren  Themas  konnten  verführen  lassen. 

Hat  sich  der  meditierende  Redner  überzeugt,  dass  er  es  mit  einer 
avv8<TTwaa  vno&eatg^  und  falls  sie  nicht  aaxaaiaaxog  ist,  mit  welcher  Art  des 
Status  er  es  zu  thun  hat  (die  etwaige  Einrede  des  Gegners  ist  ihm  aus  der 
Voruntersuchung  bekannt),  so  hat  er  im  weiteren  das  genus  und  die  figura 
causae  in  Erwägung  zu  ziehen.  Ersteres  ist  zunächst  für  die  Anlage  des 
Prooemiums  von  Wichtigkeit.  Je  nach  dem  Inhalt  der  Hypothese  unter- 
scheidet man  ein  ytvog  svSo^ov,  genus  honestum,  wenn  der  Gegenstand  all- 

')  Quint.  declam.  320  (p.  255).  Parteien   dasselbe   für  sich  geltend  machen, 

'^)  iSopater  Rh.  Gr.  IV,  446.    Planud.  p.  die  bekannte  Geschichte  von  Protagoras  und 

225.   Aoon.   VII,  44.     Von   besonderem   In-  '  seinem  Schüler  Euathlus  bei  Gell.  V,  10  u.  a. 

teresse  ist  Lys.  or.  Xlli,  51  ff.  Cornificius,  Cicero,  Quintilian  erwähnen  die 

^)  Die  verschiedenen  Arten  der  davararit  davatattt  nicht  und  behandeln  infolgedessen 


behandeln  Fortunat.  p.  82.  August,  p.  144 
(nach  Hermagoras,  der  vier  Arten  unter- 
schied). Hermog.  d.  135  ff.  ed.  Sp.  Stehen- 
des Beispiel  des  aavaT(troy  und  zwar  des 
ixyxiaj^i(foyj    bei  welchem    die   streitenden 


die  Begriffe  des  attioy,  avyexoy  und  xgiyo^ 
fxByoy  nach  Absolvierung  der  Statuslehre  in 
sehr  vei^worrener  Weise.  Vgl.  Volkmann, 
Rhet.  S.  100  ff*. 


654  I>*  Blietorik. 

gemein  der  Bekämpfung  oder  Verteidigung  wert  scheint;  ein  yävog  aio^ov 
oder  huniile,  wenn  die  Personen,  die  wir  anklagen  oder  verteidigen,  gemeine, 
niedrige  Leute  sind,  die  wie  der  Gegenstand  ihres  Streites  kaum  der  Be- 
achtung wert  erscheinen;  ein  y^'^'<*^  dfi(p{So^ov  oder  ambiguum,  anceps,  wenn 
der  Gegenstand  gemischter  Art  ist,  anständige  Person  und  unanständige 
Sache  oder  umgekehrt;  ein  ytrog  naqdSo^ov  oder  admirahih,  wenn  der 
Gegenstand  derartig  ist,  dass  man  sich  überhaupt  wundert,  wie  jemand  es 
wagt,  ihn  verteidigen  zu  wollen ;  endlich  ein  yevoq  SvanaQaxoXovi^ijtov  oder 
obseurum,  wenn  der  Gegenstand  sehr  komplizierter  Art  und  deshalb  schwer 
verständlich  ist.  Diese  genera  causarum  kommen  bei  Hypothesen  aller 
drei  Arten  von  Beredsamkeit  vor,  so  dass  also  auch  der  epideiktische  Lob- 
redner einen  paradoxen,  ja  adoxen  Gegenstand  behandeln  kann.  Von  an- 
deren Gesichtspunkten  aus,  z.  B.  ob  das  Thema  eine  Kontroverse  über  einen 
oder  mehrere  Punkte  enthält,  ob  Ethos  oder  Pathos  bei  ihm  zur  Anwen- 
dung kömmt,  werden  noch  andere  genera  causarum  aufgestellt,  die  aber 
von  geringerem  Belang  sind.  Die  figura  causae,  der  axrjfxuTKTfiogy  oder 
dudus  einer  Rede  ist  die  ganze  Art  und  Weise  der  Behandlung  des  Themas, 
welche  der  Redner  in  seiner  Rede  von  Anfang  bis  zu  Ende  in  Anwendung 
bringt.  Gehört  das  Thema  der  Vergangenheit  an,  so  ist  die  Absicht  des 
Redners  von  seinen  Worten  nicht  verschieden,  er  spricht  seine  wahre  Mei- 
nung geradezu  aus  und  redet  im  ductus  Simplex.  Gehört  das  Thema  da- 
gegen der  Gegenwart  oder  Zukunft  an,  so  ist  die  wahre  Absicht  des 
Redenden  von  seinen  Worten  nicht  selten  verschieden,  er  spricht  alsdann 
im  sermo  ßgtiratus  und  behandelt  sein  Thema  als  TtQoßktj/xa  iaxr^^cniaiAhvo%\ 
Beim  axr^luiccTiafiog  ivavxiog^  dem  ductus  suhtilis,  beabsichtigt  der  Redner 
gerade  das  Gegenteil  von  dem,  was  er  sagt,  lässt  aber  in  der  Art  wie  er 
sein  Thema  behandelt,  seine  wahre  Meinung  deutlich  genug  durchblicken. 
Beim  axiinaxianog  nkdytog^  dem  ductus  obliquus,  bringt  der  Redner  ausser 
der  Durchführung  des  Gegenteils  von  dem,  was  er  sagt,  in  seiner  Rede 
noch  etwas  anderes  zu  stände,  daher  man  in  diesem  Falle  auch  von  einer 
Verflechtung  verschiedener  Hypothesen  sprechen  kann.  Beim  «r^V/^^^'^i"*'^ 
xar'  ^/lyacii',  dem  eigentlichen  ductus  figuratuSy  wird  der  Redner  durch 
irgend  einen,  meist  sittlichen  Grund  verhindert,  seine  Meinung  geradeheraus 
zu  sagen,  lässt  sie  aber  im  Verlauf  der  Rede  durch  allerlei  Zweideutig- 
keiten des  Ausdrucks  für  den  Zuhörer  verständlich  genug  durchblicken. 
Wird  die  figurierte  Redeweise  nicht  in  einer  ganzen  Hypothese,  sondern 
nur  in  dem  einen  oder  andern  Teile  einer  Rede  angewandt,  so  redet  man 
in  diesem  Falle  nur  von  Xoy^g  taxi^^aziankvog  oder  XQ^^l^^^  color.  Ein 
merkwürdiges  Beispiel  von  sermo  figuratus  giebt  die  Rede  des  Herodes 
Atticus  neQl  nohrsiag.  Aber  auch  die  Pseudo-Demosthenische  Rede  über 
die  Verträge  mit  Alexander  ist  figuriert,  und  dass  wenigstens  der  Begriff" 
des  sermo  figuratus  dem  Isokrates  nicht  fremd  war,  beweist  der  Panathe- 
naicus  §  239 — 2G5.  Der  Ausdruck  cx^/,«««  aber  für  eine  derartige  Dar- 
stellung scheint  auf  Zoilus,  den  Schüler  des  Polykrates,  zurückzugehen.*) 

^)  Über    sermo    figuratus    vgl.    Dionys.       ed.  Sp.  Anon.  p.  118.  Fortunat.  p.  84.  Mart. 
Rhet.  c.  8.  9.  Ileruiog.    de   iriv.    IV   p.  258.       Cap.  p.  401). 


2.  Die  Lehre  von  der  Anf&ndnng  des  redneriflohen  fttotfes.  (g  6.) 


65S 


Die  Teile  der  Gerichtsrede, 

i>.  Soweit  die  vorjaigy  oder  die  Betrachtung  des  Themas.  Die  Rede 
selbst  zerfällt  nun  naturgemäss  in  zwei  Teile,  nQod^eaig^  Darlegung  des 
Gegenstandes,  und  niartg^  Beweis.  Doch  sagt  Aristoteles,  der  dies  des 
weiteren  auseinandersetzt,  dass  man  gewöhnlich  ein  ngooifiiov  voraufschickte 
und  einen  Epilog  folgen  liess.^  Zum  Beweis  gehört  natürlich  auch  die 
Widerlegung  des  Gegners  {kvaig,  tä  jiQog  dvTiStxov).  Weiter  trennte  man 
die  nqoxhsaig  als  propositio  oder  Ankündigung  des  zu  behandelnden  Gegen- 
standes, meist  mit  zugefügter  Dispositionsübersicht,  partitio,  von  der  eigent- 
lichen Sn^yi^aig^  der  Erzählung,  und  so  galten  in  der  Stoisch-Hermagoreischen 
Rhetorik  prooemium,  narratio,  traciatio  oder  probatio,  refutatio,  epilogtis 
als  die  stehenden  fünf  Teile  der  Rede.  Propositio  und  partitio  sind  nicht 
Teile,  sondern  nur  Bestandteile  derselben.  An  beliebiger  Stelle  lassen  sich 
noch  eine  oder  mehrere  egressiones,  naQexßdasig  anbringen.  Da  nun  der 
Redner  nicht  bloss  beweisen,  sondern  auch  überzeugen  will,  so  fasste  man 
die  Teile  der  Rede  wieder  in  ein  TtQayfxaTixov  elSog  —  Erzählung  und  Be- 
weis —  und  ein  na&7^rix6v  €?Sog  —  Prooemium  und  Epilog  —  zusammen.*) 

Die  Einleitung,  ngooifiior^  principium  oder  exordium,  will  die  Zuhörer 
auf  die  zu  behandelnde  Sache  vorbereiten.  Zu  diesem  Zwecke  ist  es  ihre 
Aufgabe,  den  Zuhörer  wohlwollend,  aufmerksam  und  gelehrig  zu 
machen. 3)  Sie  nimmt  ihren  Ausgang  entweder  von  der  Person  (Redner, 
Kläger,  Gegner,  Richter),  oder  von  der  Sache,  oder  von  beiden.  Beim 
ytvog  dfitfiSo^ov  muss  sie  den  Richter  hauptsächlich  wohlwollend,  beim 
6vanaQaxoXov&f]Tov  gelehrig,  beim  ado^ov  aufmerksam  machen.  Das  ivdo^ov 
genügt  schon  an  sich,  den  Redner  zu  gewinnen,  oft  ist  daher  bei  ihm  ein 
ausführliches  exordium  gar  nicht  nötig.  Beim  y^Vo^  nagado^ov  muss  der 
Redner  sich  das  Wohlwollen  der  Richter  vorsichtig  und  wie  auf  einem 
Umwege  zu  verschaffen  suchen.  Hier  redet  man  daher  nicht  von  einem 
TTQooi/iior^  sondern  einer  i(poSogy  insinuatio.  Der  Umfang  der  Einleitung 
richtet  sich  nach  der  Wichtigkeit  und  Schwierigkeit  der  Sache.  Ihren 
Schluss  bildet  immer  dasjenige,  woraus  sich  ein  ungezwungener  Übergang 
zum  folgenden  ergiebt.  In  der  späteren  Rhetorik  (Hermogenes,  Apsines, 
Menander)  teilte  man  das  Gesamtprooemium  der  Rede  in  mehrere  Spezial- 
prooemia,  die  jedes  für  sich  der  Reihe  nach  die  Punkte  behandeln,  auf  die 
es  bei  der  Einleitung  ankömmt.^) 

Die  Erzählung,  Sirjyrflig^  narratio,  teilt  dem  Richter,  nachdem  er 
durch  die  Einleitung  hinlänglich  vorbereitet  ist,  die  Sache,  über  die  er  sein 
Urteil  fällen  soll,  im  Zusammenhang  mit.  Handelt  es  sich  lediglich  um 
eine  Rechtsfrage,  so  kann  sie  wegfallen,  desgleichen,  wenn  dem  Richter 
bereits  alles  hinreichend  bekannt,  vielleicht  schon  in  einer  früheren  Rede 
richtig  auseinandergesetzt  ist.  Im  Anschluss  an  Isokrates  verlangten  die 
meisten  Rhetoren   von   der  Erzählung,   dass  sie  deutlich  (aaffijg^  hicida, 


')  Arist.  Rhet.  ITI,  18. 

2)  Apsin.  c.  12  p.  304  ed.  Sp. 

^)  Anon.  T.  I  p.  321:  sgyoy  ngooi/Aitoy 
evyot((  TiQoüe^tg  svfÄadeia.  An  Seg.  p.  428. 
Dionys.  de  Tas.  c.  17.  Cornif.  I,  4,  6.  Cic. 
de   inv.   J,    15,  20.  Top.  26,  97.   Quint.  IV, 


1,  5:  id  fieri  tribus  maxime  rebus  inier 
auctores  plurimos  constat,  si  henivolum, 
attentum,  docilem  fecei^nius. 

*)  Quint.  IV.  1.  Cornif.  I,  4-7.  Cic. 
de  inv.  I.  15—18.  Hermog.  de  inv.  I.  Aps. 
1-3.  An.  Seg.  p.  427  ff. 


656 


D.  Rhetorik. 


perspicud),  kurz  {avvTofiog,  brevis),  wahrscheinlich  (ni^ainf]^  verisimilis, 
prohabilis)  sei.  Deutlich  wird  die  Erzählung  durch  sorgfältige  Beachtung 
der  neQiatavtxd^  hinsichtlich  der  Form  durch  Significanz  und  Proprietät  des 
Ausdrucks.  Kurz,  wenn  wir  sie  von  dem  Punkte  aus  beginnen,  von  wo 
an  sie  für  den  Richter  von  Belang  ist,  wenn  der  Redner  nichts  sagt,  was 
nicht  zur  Sache  gehört,  wenn  er  alles  weglässt,  was  unbeschadet  des  Ver- 
ständnisses und  seines  Nutzens  fortbleiben  kann.  Wahrscheinlich  wird  sie, 
wenn  sie  innerlich  zusammenstimmt,  keine  Widersprüche,  überhaupt  nichts 
enthält,  was  gegen  die  Natur  der  Sache  verstösst.^ 

Der  Beweis,  argumentatio,  prohatio^  tractoHo^  Griechisch  gewöhnlich 
niateig  oder  äydveg,  seltener  anodsi^ig^  bei  Hermogenes  auch  xcczaciuvi] 
x€(paka{(ov  genannt,  ist  der  wichtigste  Teil  der  Rede,  der  natürlich  nie 
fehlen  darf.  Seit  Aristoteles  teilte  man  die  Beweise  allgemein  in  maretg 
attxvoi^  den  unkünstlichen  Beweis,  und  maretg  ivtexvoty  den  künst- 
lichen Beweis.  Die  ersteren  liegen  dem  Redner  bereits  vor,  er  hat  sie 
bloss  zu  gestalten  und  anzuwenden,  die  letzteren  hat  er  selbst  aufzufinden. 
Zu  ersteren  gehören  nach  Aristoteles  Gesetze,  Zeugen,  Verträge,  Folter- 
geständnisse, Eidschwüre.  Dazu  fügte  man  später  Provokationen,  Prae- 
iudicien,  Gerüchte,  Urkunden.  Die  künstlichen  Beweise  dagegen  beruhen 
auf  logischen  Operationen,  die  mittelst  des  Gewissen  oder  Wahrscheinlichen 
dem  Ungewissen  eine  nicht  leicht  zu  bezweifelnde  Glaubwürdigkeit  zu  ver- 
schaffen suchen.  Wie  nun  in  der  Logik  alle  Beweise,  die  subjektive  Ober- 
zeugung hervorbringen,  auf  Induktion  oder  Syllogismus  beruhen,  so  auch 
in  der  Rhetorik,  nur  dass  hier  an  die  Stelle  der  Induktion  das  Beispiel, 
TtaQudHyfia^  an  die  Stelle  des  Syllogismus  das  Enthymem,  iv&vfAijfxa,  tritt. 
Wie  das  Beispiel  abgekürzte  Induktion,  so  ist  das  Enthymem  ein  abgekürzter 
Syllogismus,  meist  bloss  ein  behauptender  Satz  mit  seiner  Begründung.  Ist 
der  rhetorische  Schluss  aber  vollständig,  aus  drei,  oder  gar,  wenn  Ober-  und 
Untersatz  erweitert  sind,  aus  fünf  Sätzen  bestehend,  so  heisst  er  in  der 
späteren  Rhetorik  Epicheirem,  inixeiQt^na,  Doch  wurde  dieser  letztere 
Ausdruck  auch  wohl  synonym  mit  niatig  tvitxvog  gebraucht.  Gebildet 
werden  die  Enthymeme  aus  Wahrscheinlichem  und  aus  Indicien  oder  Merk- 
malen —  ^J  tlx(n(av  xul  (r>//tfi'cor.^)  Sind  letztere  zwingend,  so  dass  aus 
ihnen  apodiktisch  Wahres  zu  folgern  ist,  so  heissen  sie  %ax^t]Qia  oder  ukviu 
aijfuTa,  Die  späteren  Rhetoren  halten  den  Unterschied  zwischen  tlxoia 
und  Ttxfit'jQia  nicht  recht  inne. 

An  dieser  Stelle  gibt  die  Rhetorik  eine  Topik  der  Beweise,  d.  li. 
sie  gibt  die  allgemeinen  Fundörter  {tonoi,  loci)  an,  von  denen  aus  Be- 
weise gewonnen  werden,  und  erteilt  dem  künftigen  Redner  den  Rat,  sich 
dieses  ganze  Gebiet  durch  fortgesetzte  Übung  vollkommen  zu  eigen  zu 
machen,  um  es  in  jedem  einzelnen  Falle  sofort  in  Anwendung  bringen  zu 
können.  Eine  solche  Topik  finden  wir  bereits  bei  Aristoteles, 3)  doch  fehlt 
es  ihr  an  Übersichtlichkeit.  Sie  wurde  vereinfacht  und  verbessert  durch 
des  Aristoteles   Schüler  Eudemus.     Auf  Aristoteles   und   Eudemus  beruht 


0  guint.  IV,  2.  Cornif.  I,  8.  9.  Cic. 
de  inv.  I,  19—21.  Herinog.  de  inv.  II,  1.  7. 
Aps.  5.  An.  Seg.  p.  433  ff. 


2)  Arist.  Rhet.  1,2.  vgl.  Analyt.  pr.  11,  27. 

3)  Arist.  Rhet.  II,  23  ff. 


2.  Die  Lehre  von  der  Auffindung  des  rednerischen  Stoffes.  (§  6.) 


657 


die  Topenreihe  des  Neokles,  vermutlich  dem  zweiten  Jahrhundert  angehörig, 
die  wir  in  der  auch  sonst  höchst  wertvollen  Rhetorik  des  Anonymus  Segueri  ^j 
finden.  Aus  demselben  Neokles  schöpfte  auch  Maximus  Planudes  und  der 
anonyme  Scholiast  zu  Hermogenes  de  inventione.^)  Die  Stoiker  haben 
nach  dem  ausdrücklichen  Zeugnis  Cicero's  die  Topik  nicht  behandelt.^) 
Wohl  aber  Hermagoras.^)  Die  Vermutung  liegt  nahe,  dass  die  Topik,  wie 
sie  Cicero  in  seiner  Jugendschrift  de  inventione  und  weiterhin  Quintilian^) 
aufstellen,  auf  Hermagoras  zurückgeht.  Danach  werden  unterschieden 
Topen  der  Person  und  Topen  der  Sache.  Die  letzteren  zerfallen  wieder 
in  Topen,  welche  den  Peristasen  der  Sache,  also  der  vTi6y>€aig^  und  Topen, 
welche  der  Sache  an  sich,  wie  sie  sich  in  der  der  v/roO-saig  zu  gründe 
liegenden  d-saig  darstellt,  entlehnt  sind.^)  Am  übersichtlichsten  ist  die 
Topik  bei  Portunatian  und  Julius  Victor.  Die  Topen  werden  eingeteilt  in 
loci  ante  reni,  in  rc,  circa  rem,  post  rem.  Davon  befassen  sich  die  Toci 
ante  reni  mit  den  Peristasen  (a  persona,  a  rc,  a  causa,  a  tempore,  a  loco, 
a  modo,  a  materia;  der  locus  a  re  fehlt  bei  Julius  Victor),  die  übrigen 
gehen  auf  die  jeder  Hypothese  zu  gründe  liegende  These  zurück  und  sind 
daher  mehr  abstrakt  logischer  Art.  Hierher  gehört  also  der  Schluss  vom 
Ganzen  auf  die  Teile  und  umgekehrt,  Beweise  aus  der  Definition  und  Ety- 
mologie eines  Begriffs,  Beweise  aus  Ähnlichem  und  Unähnlichem,  aus 
Gleichem  und  Ungleichem  oder  Widersprechendem,  aus  Grösserem  oder 
Kleinerem,  aus  dem  was  einer  Sache  vorhergeht,  was  auf  sie  folgt,  oder 
irgendwie  mit  ihr  zusammenhängt,  ferner  Beweise  aus  dem  Erfolg  einer 
Sache  und  den  über  sie  bereits  gefällten  Urteilen.  Endlich  giebt  es  auch 
Beweise  von  einem  bloss  angenommenen  Falle  aus.  Jedenfalls  haben  wir 
es  hier  mit  einer  späteren  Umbildung  der  Hermagoreischen  Topik  zu  thun, 
denn  sie  für  die  ursprüngliche  zu  halten,  geht  bei  dem  sonst  unerklärlichen 
Schweigen  Cicero's  und  Quintilians  über  dieselbe  nicht  an.')  Übrigens 
gehen  die  Rhetoren  hinsichtlich  der  Verteilung,  der  Reihenfolge  und  Auf- 
zählung der  Topen,  auch  wo  sich  eine  gemeinsame  Grundlage  ihrer  Über- 
lieferung erkennen  lässt,  im  einzelnen  sehr  auseinander.  Auch  Cicero  stellt 
in  seinen  späteren  rhetorischen  Schriften  eine  von  der  früheren  durchaus 
abweichende  Topik  auf. 

Ist  der  Beweis  der  wichtigste,  so  ist  die  Widerlegung  des  Gegners, 
mag  sie  vom  Beweise  getrennt  sein,  oder  nicht,  der  schwierigste  Teil  der 


')  Rhet.  Gr.  Sp.  1,  448. 

■-)  Rh.  Gr.  W.  V,  404.  VII.  761  ff. 

')  Cic.  de  fin.  IV,  10.  cf.  de  orat.  II, 
159.  Top.  0. 

')  Tac.  dial.  19. 

^)  Cic.  de  inv.  I.  24.  Quint.  V,  10  flf. 

^)  Quint.  V,  8:  neque  esse  argumen- 
iorum  loci  possiint,  nisi  in  eis,  quae  rebus 
(tut  personis  accidunt.  -  argumenta  vero  re- 
periunfnr  aut  in  quaestionibus,  quae  etiam 
separat ae  a  complexu  verum  personarumque 
spectari  per  se  2>ossint,  aut  in  ipsa  causa, 
cum  inrenittir  aliquid  t>i  ea  non  ex  com" 
muni  ratione  ductum,  sed  eins  iudicii,  de 
quo  cognoscitur,  proprium. 

Uaudbuch  der  klaas.  AltcriurnnwlBseDBcbAft.  IL    2. 


^)  Strillbr,  De  Stoic.  stud.  rbet.  p.  45. 
Die  Kategorien  ro  jiQfeyiua  xttl  rd  ngo  rov 
7iQ€ty/4aTog  xai  td  fiBtd  16  nQnyfA«  sind 
übrigens  bereits  von  Isokrates  bei  der  xard^ 
araaiSy  der  schlichten  Art  der  Erzählung, 
angewandt,  Rh.  Gr  IV,  712.  Ebenso  unter- 
scheidet Anax.  c.  12  atjfzsTa  tiq6  tov  Ttgtc^ 
y/Atttog,  lifÄtt  Ttü  nQr'ty/4ttn,  fi$tit  to  ngayfia, 
cf.  Cic.  de  inv.  I,  48.  Bei  Theon  Rh.  Gr. 
Sp.  II,  122  bilden  diese  Kategorien  die  Ein- 
teilung der  TteQioxij.  In  der  Topik  des  Anon. 
Seg.  endlich  die  drei  Arten  des  nftgenofjeyoy, 
cf.  Cic.  Top.  51.  Quint.  V,  8,  5.  Aber  die 
Kategorie  circa  rem  finden  wir  sonst  nirgends, 
Strilleb  1.  1. 

Aufl.  42 


658  I>*  RHetorik. 

Rede.  Alles,  was  der  Gegner  gegen  uns  aufstellt,  oder  doch  aufstellen 
könnte,  heisst  ävTixß^eaig.  Sie' bedarf  der  kvatg^  die  entweder  das  ofiateiiale, 
oder  das  formale  der  Aufstellung,  oder  beides  zugleich  angreift,  und  ent- 
weder mit  einem  Gegenschluss  {avuavkXoytajAog)  oder  mit  Vorbringung  von 
Instanzen  {ivt^iMeig)  operiert.  Die  Topik  ist  ganz  dieselbe  wie  bei  der 
Beweisführung,  nur  dass  sie  immer  zu  umgekehrtem  Zwecke  verwandt 
wird.  Die  späteren  Rhetoren  unterscheiden  die  direkte  Widerlegung  {Itatg 
xai*  h'avaaiv  oder  xav*  dvatQonrjv),  die  in  der  Hauptsache  auf  Konjektur 
und  Definition  hinausläuft,  von  der  indirekten  {kvatg  xavd  fuO^odoi')^  die 
es  mit  Qualität  und  Translation  zu  thun  hat,  und  bei  letzterer  wieder  ver- 
schiedene Arten,  z.  B.  die  latO^odog  xard  neQiTQonijVy  bei  der  man  das  Haupt- 
argument des  Gegners  gegen  diesen  selbst  kehrt,  die  [tuthoSog  xard  avy- 
xQovaiVy  bei  der  man  die  gegnerischen  Behauptungen,  ohne  sie  einzeln  zu 
widerlegen,  zusammenstellt  und  als  widerspruchsvoll  nachweist,  die  fiä^odog 
xaxd  fisicoaiv^  bei  der  man  die  gegnerische  Behauptung  zu  verkleinem 
sucht,  die  fitd^oSog  xat*  av^tjatv^  bei  der  man  die  Sache,  die  der  Gegner  in 
seinem  Interesse  als  geringfügig  dargestellt  hat,  vergrössert,  endlich  die 
[tu'&odog  xard  dvrmaqdaTaaiv^  bei  der  man  der  gegnerischen  Behauptung 
eine  andere  sie  wesentlich  entkräftende  gegenüberstellt.  Lässt  sich  aber 
gegen  die  gegnerische  Antithesis  weder  direkt,  noch  indirekt  ankommen, 
so  muss  der  Redner  sich  zu  helfen  suchen,  so  gut  es  eben  geht,  und  zur 
List  und  allerlei  Sophismen  seine  Zuflucht  nehmen,  wie  dies  ja  auch  Demo- 
sthenes  zu  seiner  Zeit  vielfach  gethan  hatte,  i) 

Der  Epilog,  iniXoyog^  peroraUo  oder  coficlusio,  wiederholt  zunächst 
in  einer  dvaxtifaXaicoaig  oder  endvoSog^  verum  repetliio,  mumeratio,  nochmals 
die  Hauptpunkte  des  voraufgegangenen  Beweises  und  der  Widerlegung, 
um  dem  Gedächtnis  der  Richter  zu  Hilfe  zu  kommen.  Dies  galt  zu  allen 
Zeiten  als  seine  Hauptaufgabe.  Demnächst  aber  hat  er  die  That,  oder 
den  eigentlichen  Gegenstand  der  Verhandlung  mittelst  eines  Gemeinplatzes 
(xonog  loTTog,  locus  cmmmmis)  zu  amplifizicren,  d.  h.  alles  das  anzubringen, 
was  sich  gegen  dieselbe,  so  oft  sie  vorkömmt,  sagen  lässt,  vor  allem  aber 
die  Affekte  der  Zuhörer  für  oder  gegen  den  Ankläger  zu  erregen.  In  der 
Hauptsache  also  handelt  es  sich  dabei  um  tXkov  eiaßoXt]  und  ixßoXt], 
In  der  Erregung  und  Beschwichtigung  der  Affekte  zeigt  sich  die  eigent- 
liche Kraft  der  Beredsamkeit.  Gilt  es  das  Mitleid  zu  beseitigen,  so  ist  die 
Kunst  durch  Scherz  und  Witz  die  Richter  vom  Ernst  zum  Lachen  zu 
bringen,  von  grosser  Bedeutung.^) 

Propos itio  und  partitio ,  Thema  und  Einteilung  der  Rede,  meist  im  An- 
schluss  an  die  Erzählung,  bisweilen  aber  auch  derselben  voraufgeschickt,  fasst 
Hermogenes  unter  dem  Namen  der  nQoxavaaxtvi]  zusammen.  Die  Einteilung 
beschränkt  sich  meist  auf  drei  Punkte.  Eine  zur  rechten  Zeit  angewandte  Ein- 
teilung wirkt  für  die  Rede  lichtvoll  und  angenehm,  doch  ist  sie  entbehrlich. 
Wird  sie  aber  angewandt,  dann  muss  sie  auch  genau  durchgeführt  werden. 

')  Quint.  V,  13.   Apsin.  c.  6  ff.    Gewöhn-  I   ncQi  «Av'rwr  (tyn&eaetüy  Uh.   Gr.    V,  577  flf. 

lieh    werden    Beweis   und   Widerlegung   zu-  *)  Arist  Rhet.  III.  19.  Cornif.  II,  30.  Cic. 

sumniengenoniinen.     So  bei  Aristoteles,  Cor-  de  inv.  I.  52.  Quint.  VI,  1  ff.  Ober  Ijacben  und 

nificius.  Cicero,  auch  An.  Seg.  p.  451.   Her-  Witz  Arist  bei  Cramkb,  Anecd.  Paria  I  p.  403. 

mog.    de   inv.    III.  p.  201  ff.        Maximus  Cic.  de  orat.  II,  58     71.     Quint  VI,  3. 


2.  Die  Lehre  von  der  Auffindang  des  rednerieohen  Stoffes.  (§  7.)         659 

b.  Die  beratende  und  epideiktische  Beredsamkeit. 

7.  Die  meisten  der  im  bisherigen  über  die  Invention  der  Gerichts- 
reden gegebenen  Regeln  und  Vorschriften  haben  auch  für  die  beiden  andern 
Arten  der  Beredsamkeit  ihre  Giltigkeit,  so  dass  nur  wenig  besonderes  für 
dieselben  hinzuzufügen  ist.  Die  beratende  Rede,  dtj/xrjyoQia,  stuisoria, 
handelt  von  Religionsangelegenheiten,  von  Gesetzen  und  der  inneren  Staats- 
einrichtung, über  Krieg  und  Frieden,  Bündnisse  und  Staatsverträge,  Landes- 
verteidigung, Staatseinkünfte,  Ein-  und  Ausfuhr  u.  dgl.  Im  ganzen  und 
grossen  hat  sie  dieselbe  Einteilung  wie  die  Gerichtsrede,  doch  liegt  es  in 
der  Natur  der  Sache,  dass  die  Einleitung  viel  kürzer  gehalten  ist.  Die 
Sache,  um  die  es  sich  handelt,  ist  ja  den  Zuhörern  bekannt,  und  noch 
besonders  ihr  Wohlwollen  zu  erwerben,  ist  kaum  nötig.  Ebenso  wird  die 
Erzählung  meist  in  Wegfall  kommen.  Der  Epilog  wird  nur  selten  Gelegen- 
heit haben,  das  Mitleid  zu  erregen  und  kann  sich  meist  mit  einer  Rekapi- 
tulation begnügen.  Eine  Aufforderung  an  die  Anwesenden  im  Sinne  des 
Antragstellers  zu  stimmen,  oder  das  von  ihm  gesagte  wohl  zu  erwägen, 
im  übrigen  aber  so  zu  stimmen,  wie  es  nach  ihrer  Überzeugung  dem 
wahren  Nutzen  des  Staates,  oder  ihrem  wohlvei*standenen  Interesse  ent- 
spreche, macht  für  gewöhnlich  den  Beschluss. 

Den  Stoff  für  die  beratende  Rede,  die  partes  sundendi,  geben  die  so- 
genannten Tskixd  x€(pdXaia,  capitulu  finalia,  d.  h.  diejenigen  Gesichtspunkte, 
welche  von  den  von  Aristoteles  für  die  drei  Arten  der  Beredsamkeit  auf- 
gestellten Tthj  entlehnt  sind.  Will  der  Redner  einen  Gegenstand  empfehlen, 
so  zeigt  er,  dass  er  gerecht,  nützlich,  ehrenhaft  ist,  will  er  von  etwas 
abraten,  so  zeigt  er,  dass  es  ungerecht,  schädlich,  unehrenhaft  ist. 
Auf  die  Hervorhebung  des  Nützlichen  und  Schädlichen  kömmt  es  vor  allem 
an.^)  Diese  drei  Hauptgesichtspunkte  wurden  nun  wieder  in  verschiedene 
Unterarten  zerlegt.  Das  Gerechte  also  in  das  Gesetzmässige,  Billige,  das  der 
Sitte  und  dem  Herkommen  Entsprechende.  Das  Nützliche  in  das  Em- 
pfehlenswerte, Notwendige,  Mögliche,  Leichte,  Erfolgreiche.  Das  Ehren- 
hafte in  das  Schickliche  und  Rühmliche.*)  Dass  die  rednerische  Praxis 
sich  in  der  That  dieser  Gesichtspunkte  bedient  hat,  das  zeigen  ebensowohl 
die  Suasorien  des  Isokrates,  als  die  Divisionen  der  römischen  Deklamatoren 
bei  Seneca. 

Die  epideiktische  Rede,  die  es  als  solche  mit  Lob  oder  Tadel  zu 
tliun  hat,  kann  sich  auf  die  verschiedensten  Gegenstände  erstrecken,  denn 
loben  oder  tadeln  lässt  sich  schliesslich  alles  mögliche,  lebende  Wesen, 
wie  Götter,  Heroen,  Menschen,  Tiere,  und  leblose,  wie  Pflanzen,  Berge, 
Flüsse,  Länder  und  Städte,  demnächst  auch  Berufsarten  und  Künste,  ein- 
zelne Tugenden,  grössere  und  kleinere  Zeitabschnitte  u.  s.  w.  Überwiegend 
bleibt  das  Lob  von  Göttern  und  Menschen,  demnächst  von  Ländern  und 
Städten.  Reine  Tadel  reden  sind  nur  von  sehr  bedingter  Zulässigkeit,  meist 
aber  wird  Tadel  des  gegenteiligen  mit  dem  Lobe   eines  Gegenstandes  ver- 


')  Arist.  Rhet.  I,  3. 

^)  Cornif.  III,  4.  Cic.  de  inv.  II,  51. 
de  orat.  II,  82.  Quint.  III.  7.  Hermog.  T. 
11  p.  104.  Planud.  Rh.  Gr.  V,  335.    £inpor.  |  eile,  poaaibile,  neceaaarium, 

42* 


p.  571  giebt  zwölf  Topen  oder  elementa: 
legitimum,  iustutn,  aequum,  cont^eniefis,  ho^ 
nestum,  utile,  religiosum,  pium,  civile,  fa- 


660  ^*  l^etorik. 

bunden.  Es  kömmt  nun  darauf  an,  mit  Hilfe  der  allgemeinen  peristatischen 
Topen  so  viel  als  möglich  Gesichtspunkte  zu  gewinnen,  von  denen  aus  der 
betreifende  Gegenstand  sich  loben  lässt,  mag  man  nun  wirklich  lobenswerte 
Eigenschaften  nennen,  oder  solche,  die  dafür  gehalten  werden,  oder  wenig- 
stens dafür  ausgegeben  werden  können,  die  einzelnen  Gesichtspunkte  zu 
amplifizieren  und  auszuschmücken,  am  ausführlichsten  aber  gerade  den 
Punkt  zu  behandeln,  welcher  der  Natur  der  jedesmaligen  Aufgabe  nach 
der  eigentümlichste  und  wichtigste  ist.  Eine  spezielle  Topik  lässt  sich  für 
die  epideiktische  Beredsamkeit  nicht  geben.  Das  Prooemium  kann  sich  viel 
freier  bewegen  als  bei  der  Gerichtsrede,  daher  sagt  Aristoteles  ^)  geradezu, 
man  könne  in  ihm  ohne  weiteres  anbringen,  was  einem  gerade  in  den  Sinn 
komme,  und  es  dann  durch  irgend  eine  Wendung  mit  dem  eigentlichen 
Gegenstande  in  Verbindung  bringen.  Eine  Erzählung  ist  von  der  epi- 
deiktischen  Rede  selbstverständlich  ausgeschlossen.  Ebenso  eine  Wider- 
legung, es  sei  denn,  dass  man  das  ado^ov  oder  u/x^fdo^ov  durch  seine 
Beschönigung  in  Lob  verwandelt.  Für  den  Epilog  ist  eine  eigentliche 
ävax€(faXa((ü(Siq  ungeeignet.^) 

3.  Die  Lehre  von  der  Ordnung  und  Disposition  des  Stoffes. 

8.  Da  mit  der  konstanten  Reihenfolge  der  Teile  der  Rede  die  all- 
gemeine Disposition  derselben  schon  gegeben  ist,  so  bleibt  für  die  Dispo- 
sition im  eigentlichen  Sinne  nur  noch  wenig  übrig.  Zunächst  kann  der 
Redner  aus  irgend  einem  Grunde  unter  Umständen  von  der  konstanten 
Reihenfolge  der  Teile  abweichen.  Er  kann  seine  Rede  ohne  Prooemium 
gleich  mit  der  Erzählung  eröffnen,  er  kann  die  Erzählung  erst  nach  dem 
Beweis  folgen  lassen,  er  kann  die  Widerlegung  der  Gegner  seinem  eigenen 
Beweise  voranschicken.  In  diesen  Fällen  tritt  an  die  Stelle  des  ordo  natu- 
ralis ein  ordo  artlficiosus.  Darüber  aber,  wenn  letzterer  einzutreten  hat, 
lassen  sich  bestimmte  Regeln  nicht  geben. ^)  Hinsichtlich  der  Materialien 
für  den  eigentlichen  Beweis  wird  allgemein  empfohlen,  die  stärksten  Be- 
weismittel an  den  Anfang  und  ans  Ende  zu  nehmen,  die  unbedeutenderen 
dagegen,  die  nur  im  Verein  mit  anderen  einigermassen  von  Bedeutung 
werden  können,  in  die  Mitte  zu  setzen.  Mit  Bezug  auf  Hom.  II.  J  291» 
nannte  man  diese  Stellung  den  ordo  Ilomcricus,  Bei  der  W^iderlegung  des 
Gegners  soll  man  das  leicht  zu  Widerlegende  vorwegnehmen  und  zu  dem 
Schwierigeren  aufsteigen.^)  Unkünstliche  Beweismittel  müssen  immer  den 
künstlichen  voraufgehen.  Im  einzelnen  niuss  immer  dasjenige  ans  Ende 
gesetzt  werden,  wodurch  der  folgende  Beweisgrund  vorbereitet  wird,  so 
dass  die  Kontinuität  der  Beweisführung  nicht  unterbrochen  wird.'») 

')  Arist.  Rhet.  III,  14.  ■   genheitsrcdonCKonigsreden^Begrüssungs-und 

^)  Lobreden  auf  Menschen  Anax.  c.  3. 35.  I   Abschiedsreden,  Reden  auf  Vorkommnisse  des 

Arist.   Rhet.   I,   9,     Comif.   111,   0.     Cic.  de  Famih'enlebens)  Menander  negl  enideixrtxait' 

inv.  II,  59.     Quint.  III,  7.  auf  Götter  Quint.  T.   III.    p.   308  ff.     Vgl.    Volkmann,   Rhet. 

1.  1.  Alexander  Rh.  Gr.  T.  III.  p.  4  ed.  Sp.  S.  314  -3()1. 


Genethl.  T.  III.  p.  333  ff.  Lob  eines  Landes 
ib.  p.  344  ff.,  einer  Stadt  p.  340  ff.  Lob  von 
Tieren  und  Pflanzen  Ileimog.  progymn.  p.  13. 
Pionys.   Rhet.   c.   0.  —  Epideiktische  Gele- 


3)  Quint.  VII,  10,  10  ff.     Comif.  III,  9, 
10.     Dionys.  rhet.  10,  0. 
^)  Apsin.  p.  371. 
'-)  Hermog.  de  inv.  IIL  13,  p.  228. 


8.  Die  Lehre  von  der  Ordnong  und  Disposition  des  StoiTes.  (§  8.)         66 1 

Als  ohovoiua  aber,  d.  h.  als  Lehre  von  der  Verwendung  und  kunst- 
mässigen  Behandlung  des  durch  Invention  zusammengebrachten  Stoffes,  hat 
es  der  zweite  Teil  der  Rhetorik  nicht  bloss  mit  der  eigentlichen  rfff/c, 
sondern  auch  mit  e^fgyaai'a  und  diaiqeaig  zu  thunJ)  Die  e^egyaafa  be- 
handelt die  Ausführung  der  Gedanken  nach  denjenigen  Gesichtspunkten, 
welche  aus  Aphthonius  als  expolUio  der  Chrie  bekannt  sind.  Man  fügt  zu 
einem  Gedanken  seine  Begründung.  Man  spricht  ihn  mit  oder  ohne  Be- 
gründung nochmals  mit  anderen  Worten  aus.  Man  erläutert  ihn  durch 
das  Gegenteil,  durch  ein  Gleichnis,  ein  Beispiel,  und  giebt  endlich  der  Aus- 
führung noch  einen  besonderen  Abschluss.*)  TeXixd  xeifdXaia^  die  zum 
Beweise  verwandt  werden,  lassen  sich  durch  Eingehen  auf  die  Peristasen 
ausführen.  Sagt  man  also,  es  müsse  etwas  geschehen,  weil  es  ehrenhaft 
sei,  so  wird  weiter  gezeigt,  dass  es  ehrenhaft  sei  für  die  betreffende  Person, 
den  Ort,  die  Zeit,  die  Art  und  Weise,  die  Sache  selbst.  Jedes  dieser  ein- 
zelnen Epicheireme  kann  nun  wieder  durch  Expolitionstopen  erweitert 
werden.  Eine  andere  Art  der  Ausführung  gewinnt  man  durch  Zerteilung 
und  Spaltung  der  einzelnen  bei  einer  Sache  in  ihrem  ganzen  Verlaufe  vor- 
kommenden Wörter  und  Begriffe  [vnodiaiqeaiq  twv  an*  dgxfjg  axQi  reXovg). 
Es  handle  sich  beispielsweise  um  jemand,  der,  um  sich  einen  unrecht- 
mässigen Vorteil  zu  verschaffen,  seine  drei  Söhne  ohne  Urteil  und  Recht 
getötet  hat.  An  dem  Punkte  der  Rede,  wo  auf  die  Sache  selbst  in  ihrem 
Verlaufe  eingegangen  wird,  ist  zu  teilen:  er  hat  seine  Söhne  getötet;  wenn 
er  sie  doch  Verstössen  hätte:  er  hat  drei  Söhne  getötet;  wenn  es  einer 
gewesen  wäre:  er  hat  seine  Söhne  getötet;  wenn  es  fremde  Kinder  gewesen 
wären  u.  s.  w.  Auf  diese  Weise  gewinnt  man  Stoff  zu  mannigfachen  Epi- 
cheiremen,  die  wieder  ihrerseits  durch  Eingehen  auf  die  Peristasen  und 
Zuhilfenahme  von  Expolitionstopen  sich  beliebig  ausführen  lassen.^)  Gerade 
die  stärkeren  Beweismittel,  die  man  einzeln  aufzuzählen  hat,  verlangen  zur 
Erhöhung  ihrer  Wirksamkeit  noch  einer  besonderen  Ausführung,  weniger 
die  schwächeren,  die  man  zusammenhäufen  muss,  damit  sie  sich  gegen- 
seitig stützen  und  durch  ihre  Menge  ins  Gewicht  fallen.*) 

Die  diaigeaig  erfolgt  im  engsten  Anschluss  an  die  Statuslehre  und 
zerlegt  die  Status  in  eine  bestimmte  Reihe  von  Topen,  richtiger  Beweis- 
abschnitten {x€(fdXaia)^  welche  Kläger  und  Verklagter  nach  einander  zu 
behandeln  haben,  um  ihr  Thema  erschöpfend  zu  erledigen.  Sie  ist  von  der 
wirklichen  Praxis  der  Redner  abstrahiert,  durch  die  Praxis  der  Deklama- 
torenschulen erweitert  und  für  die  Ökonomie  der  Beweisführung  ausser- 
ordentlich lehrreich  und  wertvoll,  nimmt  aber  in  der  Stoisch-Hermagorei- 
schen  Rhetorik,  noch  mehr  bei  Hermogenes  und  seinen  Kommentatoren, 
einen  un verhältnismässig  breiten  Raum  ein.^) 


^)  Dionys.  de 
')  Cornif.  IV, 


Thuc.  iud.  c.  8. 

42,  54:  de  eadem  re  cum 
dicemuSj  jduribus  utemur  commutationibus ; 
Harn  ciiin  rem  simpUciter  jyronuntiaverimus, 
rutionem  jwterimus  subicere;  deinde  dupli- 
citer  rel  sine  ratwnihus  vel  cum  rationibus 
pronuntutre;  deinde  aff'erre  contraHum,  de- 


inde simile  et  exemj)lum, deinde  conclusionem.       bei  der  diaigetn^  einzuschlagende  Verfahren 
Bekannter   Memorialvers:    quis,    quid,  cur,      beschreiben   und  aus  der  Natur  der  jedes- 


contra,  simüe  et  paradigmata,  testes. 

*)  Uermog.  de  inv.  p.  219  ff. 

')  Quint.  V.  12,  4. 

')  Cornif.  II,  2-18.  Cic.  de  inv.  II, 
5-59.  QuiniVII,  2,  27-9.  VV^ährend  diese 
Rhetoren,  ohne  sich  ängstlich  um  eine  be- 
stimmte Terminologie  zu  kümmern,  mehr  das 


662  D.  Rhetorik. 


4.  Die  Lehre  vom  rednerischen  Ausdruck. 

Die  Grunderfordernisse  der  rednerischen  DarsteUungr« 

9.  Die  Lückenhaftigkeit  unserer  historischen  Überlieferung  macht 
sich  bei  diesem  dritten  Teile  der  Rhetorik  besonders  fühlbar.  Am  voll- 
ständigsten und  lehrreichsten  wird  derselbe  von  Quintilian  behandelt,  doch 
ist  die  Anordnung  des  Stoffes  bei  ihm  keine  glückliche.  Eine  bessere 
wenigstens  als  die  von  ihm  befolgte  giebt  Dionysius  und  diese  geht  in  der 
Hauptsache  auf  Theophrast  zurück.  *)  Theophrast  ist  natürlich  von  Aristo- 
teles abhängig.  Wie  weit  aber  diesem  bereits  Isokrates  vorgearbeitet  hatte, 
wissen  wir  nicht.  Noch  weniger  freilich,  wie  weit  die  späteren  Isokrateer 
von  Aristoteles,  und  von  ersteren  wieder  die  Stoiker  beeinflusst  sind,  deren 
Eigentum  überhaupt  auf  diesem  Gebiete  am  schwierigsten  auszuscheiden 
geht.  Theophrast  hatte  seine  Schrift  negl  kä^soog  mit  einer  Besprechung 
der  Redeteile  eröffnet,  und  darauf  eine  Behandlung  der  Grunderfordernisse 
einer  guten  Darstellung  [ägetal  rrjg  Xt^fcog)  im  allgemeinen  folgen  lassen. 
Nach  Stoisch-Hermagoreischer  Rhetorik  ist  das  erste  Erfordernis  derselben 
völlige  grammatische  Korrektheit,  die  Abwesenheit  aller  Barbarismen 
und  Soloecismen,  aller  Vertösse  also  gegen  Formenlehre  und  Syntax,  weiter- 
hin eine  reine  Diktion,  deren  Grundlage  die  Sprache  des  gewöhnlichen  Lebens 
sein  muss.  Das  zweite  ist  Deutlichkeit  des  Ausdrucks,  welche  vor 
allem  auf  seiner  Proprietät,  d.  h.  möglichsten  Significanz  beruht.  Alle 
Dunkelheit  des  Ausdrucks,  mag  sie  durch  den  Gebrauch  veralteter  Wörter 
und  Wendungen,  durch  Provinzialismen,  durch  entlegene  Kunstausdrücke, 
durch  unübersichtliche  Länge  der  Rede,  durch  allzu  verschränkte  Wort- 
stellung, durch  grammatische  Zweideutigkeit,  weitschweifige  Umschreibungen, 
affektierte  Kürze  oder  sonst  wie  veranlasst  sein,  ist  fehlerhaft.  Der  Redner, 
sagt  Quintilian,*)  muss  nicht  bloss  so  sprechen,  dass  man  ihn  verstehen 
kann,  sondern  dass  man  ihn  schlechterdings  verstehen  muss.  Das  dritte 
ist  Angemessenheit  des  Ausdrucks,  bei  welcher  alles  Anstössige,  allzu 
niedrige  wie  allzu  hochtrabende  Wörter,  Tautologie,  Monotonie,  Pleonasmen, 
vor  allem  alles  Manirierte  und  Frostige  {xaxo^r^koi)  sorgfältig  zu  vermeiden 
ist.  Meist  ist  die  Angemessenheit  des  Ausdrucks  durch  die  Angemessen- 
heit des  zu  gründe  liegenden  Gedankens  bedingt,  und  dieser  wieder  durch 
die  verschiedenen  Arten  der  Beredsamkeit. 

Erst  wenn  der  Redner  diesen  Grunderfordernissen  genügt  hat,  und 
seine  Rede  demnach  cmendafu  und  prohabilis  '^)  ist,  kann  und  muss  er  daran 

maligcn  Aufgabe  herleiten,   ist  es  den  spä-  ,   Thuc.  iud.  c.  22. 

teren,  vor  allen  dem  Hermogenes  und  seinen  '^)  Quint.  VIII,  2,  24:  quare  noft^  nt  in- 

Konimentatoren  vielmehr  um  eine  bestimmte,  1    tellegere  possity  sed,  ne  omnino  possit  nofi 

ein  für  allemal  feststehende  Topik  und  deren  i   intellegcref  curandum. 

möglichst  präcisc  Erläuterung  zu  thun.  For-  ^)  Quint.  VIII,  3,  42:  iyitur  ante  omnin 

tunat.  p.  105—108.  Sulpic.  Vict.  p.  325 — 352.  ,    ne  speremtis  ornatam  orationem  fore,   quae 

Jul.  Vict.  p.  386     394.     Bei  Hermogenes  be-  prohabilis  non  erü,  probahile  autem  Cicero 

handelt  die  ganze  Schrift  negi  ardaetoy  von  id  gemis  dicit,  quod  nnti  plus  minusre  est, 

c.  2  an    lediglich    die   tfinlgfatg.     Dazu   die  i    quam    decet.     Vgl.   Cic.   part.    orat.    6,    19. 

Kommentatoren  Rh.  Gr.  V.  VIII.  ,    Arist.  Rhet.  III,  2. 
')  Dionys.  de  Isoer.   iud.   c.  3.   vgl.  de 


4.  Die  Lehre  Tom  rednerischen  Aasdmck.  (§  9  - 10.)  663 

denken,  dieselbe  zu  schmücken.  Er  wird  sich  zunächst  bemühen  in  an- 
genehmer Weise  Abwechslung  und  Mannigfaltigkeit  in  die  Darstellung  zu 
bringen.  Durch  vorsichtige  Anwendung  altertümlicher  Formen  und  Aus- 
drücke lässt  sich  der  Rede  ein  gewisser  Anstrich  von  Würde  verleihen. 
Bisweilen  können  sprachliche  Neubildungen  die  Sprache  originell  erscheinen 
lassen.  Anstössige  Dinge  sind  in  geschickter  Weise  unbeschadet  der  Deut- 
lichkeit durch  Xoyov  asfirorrfi »)  zu  verhüllen.  Erzählende  und  beschrei- 
bende Partien  müssen  sich  zur  lebendigen  Schilderung  erheben,  und  es 
muss  ihnen  der  Reiz  der  fi'a^yfm,^)  der  malerischen  Anschaulichkeit,  ver- 
liehen werden.  Ein  vorzügliches  Mittel,  um  den  Gegenständen  Licht  und 
Klarheit  zu  verschaffen,  sind  Bilder  und  Gleichnisse.  Die  Rede  kann  ferner 
unter  Umständen  durch  nachdrückliche  Kürze,  durch  natürliche  Anmut  und 
Einfachheit,  durch  geschickte  Amplifikation  und  Steigerung  des  Ausdrucks, 
endlich  durch  nachdrückliche  Sentenzen  gewinnen.  Ganz  besondere  Kunst- 
mittel aber  zum  Schmuck  der  Darstellung  sind  Tropen  und  Figuren. 

Tropen  und  Figuren. 

10.  Ein  von  dem  Begriff,  den  er  eigentlich  bezeichnet,  auf  Grund 
einer  gewissen  Ähnlichkeit  im  uneigentlichen  Sinne  auf  einen  andern  Begriff 
übertragener  Ausdruck  ist  ein  Tropus.^)  Man  unterscheidet  verschiedene 
Arten  und  Unterarten  derselben,  und  die  Rhetoren  stimmen  in  ihrer  Be- 
nennung, Aufzählung  und  Einteilung  keineswegs  überein. ^)  Der  häufigste 
und  schönste,  dabei  allgemeinste  Tropus,  so  dass  sich  die  meisten  übrigen 
im  Grunde  genommen  als  seine  Unterarten  betrachten  lassen,  ist  die  Me- 
tapher, im  allgemeinen  ein  kürzeres  Gleichnis,  bei  welchem  der  zur  Er- 
läuterung eines  Begriffs  herbeigeholte  Ausdruck  für  diesen  selbst  gesetzt 
wird.  Die  schönsten  Metaphern  sind  diejenigen,  durch  welche  empfindungs- 
losen Dingen  Leben  und  Bewusstsein  beigelegt  wird.  In  ihrer  Anwendung 
ist  Homer,  wie  für  die  übrigen  Dichter,  so  auch  für  die  Redner  unüber- 
troffenes Muster.^)  —  Bei  der  Synekdoche  wird  der  Teil  durch  das  Ganze, 
oder  umgekehrt,  durch  die  Art  die  Gattung,  durch  das  Vorhergehende  das 
Folgende  bezeichnet.  Man  redet  beispielsweise  von  Gold  und  Silber,  wo 
goldne  und  silberne  Gefasse  gemeint  sind.  Eine  Erweiterung  der  Synek- 
doche ist  die  Metonymie  oder  Hypallage,  bei  der  die  erfundenen  Dinge 
nach  ihren  Erfindern,  die  unterworfenen  nach  ihren  Beherrschern,  das  Be- 
wirkende aus  dem  was  bewirkt  wird,  bezeichnet  werden,  im  allgemeinen 
also  ein  Hauptwort  für  ein  anderes  gesetzt  wird.  Hierher  gehört  es,  wenn 
etwa  Homerische  Helden  als  typische  Repräsentanten  für  ihre  Fertigkeiten, 


')  Herniog.  p.  255. 


Scbultradition  seiner  Zeit  und  zählt  nur  die 


'^)  Quint.  Vlil,  3,  61  ff.    Dionys.  deLys.  wichtigsten  auf.     Die  griechischen  Rhetoren 

iud.  c.  7.  gehen  auf  Trypho  zurück. 

")  Trypho  bei  Sp.  Rh.  III,  191:   Toonog  \           *)  Dies  bemerkt  schon  Arist.  Rhet  III, 

itjil  Xoyog  xara  jtaQttTgontjy  zov  xvgiov  Xeyo-  11,  der  folgende  Beispiele  anführt:  avti^  int 

fifyog    xard    xtvit     dijXüHJiy    xoCfAiiaxigay    rj  dttnedoyde  xvXiydeto  Xaag  äyatdijgj  Od.  X  598. 

xard  t6  ayayxaToy.    Vgl.  Greg.  Cor.  ib.  p.  215.  tnxat    oiaiog,  II.  A' 588.  ininxea^ai  /Aeyeai- 

Charis.  p.  272:  tropus  est  dictio  translataa  ytuy,  J  126.  iyyain  tütayto  XiXaiofieya  XQoog 

propHa  significatione  ad  nan  propriam  [per]  \   uaai,  A  574.  a^//w»J  ^^  ütigyoio  miaavro  fim- 

simüitudinem  necessitatis  aut  cuUu$  gratia.  fiaitoaa,  0  542.  vgl.  Demetr.  81  ff.  Die  Chrys. 

*)  Quintilian  giebt  über  die  Tropen  die  or.  XII,  409. 


664 


D.  Rhetorik. 


Tugenden  oder  Fehler  genannt  werden,  oder  wenn  man  einem  Feldherm 
das  beilegt,  was  sein  Heer  gethan  hat,  wenn  man  den  Dichter,  wie  das 
ganz  gewöhnlich  ist,  statt  seiner  Gedichte  nennt.  Bei  der  Antonomasie, 
die  aber  in  der  Prosa  sehr  selten  ist,  wird  statt  eines  Eigennamens  ein 
ihn  kennzeichnendes  Epitheton,  oder  eine  ihn  nach  seinen  Thaten  oder  be- 
sonderen Eigenschaften  bezeichnende  Umschreibung  gesetzt,  wenn  also  statt 
Cicero  Romanae  cloquentiae  pHnceps  gesagt  wird.  Fast  nur  dichterisch  ist 
die  Metalepsis,  Irmissumptio,  derjenige  Tropus,  bei  welchem  für  ein  Wort 
ein  mit  seinem  Homonymon  synonymes  anderes  gesetzt  wird,  wenn  also 
Hom.  II.  0  164  iQQ€  xaxr]  ylrjvrj  für  igge  xaxr]  xoqi]  sagt,  denn  xoqy  Mäd- 
chen und  xoQti  Augapfel  sind  homonym,  synonym  aber  mit  xoqr^  Augapfel 
ist  y^r^vY^.  An  die  Stelle  eines  synonymen  kann  auch  ein  metonymes  Wort 
treten,  so  dass  die  Metalepsis  sich  schliesslich  als  Doppel metapher  ent- 
puppt.^) Wenn  hinter  dem  wirklichen  Sinn  eines  Ausdrucks  ein  anderer 
tieferer  Sinn  verborgen  ist,  so  giebt  dies  den  Tropus  der  Allegorie,  die 
hiversio.  Sie  zeigt  sich  in  allen  bildlichen,  sprichwörtlichen  Redensarten, 
auch  wohl  in  historischen  Beispielen,  die  zu  sprichwörtlicher  Bedeutung 
gelangt  sind,  z.  B.  Dionysium  Corinihi  esse^  aliqucm  suo  gladio  iugülarc. 
Fehlerhaft  ist  die  Allegorie,  die  zum  dunkeln  Rätsel  wird.  Bedeuten  aber 
die  Worte  gerade  das  Gegenteil  von  dem,  was  sie  zu  besagen  scheinen,  so 
haben  wir  es  mit  der  Ironie,  iUusio  zu  thun.  Besonders  häufig  ist  bei 
den  Rednern  die  ironische  Anwendung  von  Lob  und  Tadel.  Die  mit  Bitter- 
keit und  Hohn  getränkte  Ironie  giebt  den  Sarkasmus.  Die  Bezeichnung 
eines  Begriffs  durch  die  Negierung  seines  Gegenteils  heisst  Antiphrasis, 
auch  wohl  Litotes,  wie  non  mediocris  für  insignis.  haud  2^atici  für  plurimu 
Zur  Antiphrasis  gehört  auch  die  Verbindung  eines  Subjekts  mit  einem 
sein  Wesen  negierenden  Prädikat,  wie  bei  Dichtern  vnvoq  avnvog^  ^X^Q'< 
Xa^ic,  oder  in  Prosa  ni'aitg  amarwraiti  bei  Andoc.  I,  67,  insepultu  sepuU 
iura  Cic.  Phil.  I,  2,  5,  von  späteren  Scholiasten  auch  Oxymoron  genannt, 
worunter  man  im  weiteren  Sinne  jede  witzige  Verbindung  disparater  Be- 
griffe versteht,  z.  B.  ^x  Yr^q  ivaviidxovv^  anö  vfwv  fTts^ofnixovv  Thuc.  IV, 
143,  cum  taccnt,  clamant  Cic.  Cat.  I,  8,  21.  Verwandt  mit  der  Antiphrasis 
ist  ferner  der  Euphemismus,  die  Vermeidung  eines  anstössigen  Begriffs 
durch  eine  beschönigende  minder  anstössige  Bezeichnung,  wie  fvrjO^i^g  statt 
fKOQog,  bisweilen  geradezu  durch  Nennung  seines  Gegenteils  wie  noitoc 
fv^fivog  statt  fi^eirog,  Evjueviöeg  statt  'Egirveg.  Die  blosse  Umschreibung 
eines  Ausdrucks  durch  mehrere  Worte,  sei  es  zum  Schmuck  oder  zur  Am- 
plifikation,  heisst  periphrasis,  circumlocutio,  so  wenn  Cicero,  statt 
einfach  den  Cethegus  zu  nennen,  von  Ceihegi  furiosa  tcmcritas  spricht,  oder 
wenn  Horaz  c.  I,  12,  49  den  Juppiter  als  geniis  hiimanne  pater  atquc 
cnstos  orte  Satiirno  anredet.  Eine  zierliche  und  dabei  ein  gewisses  Mass 
nicht  übei-steigende  Übertreibung  der  Wahrheit,  um  eine  Sache  zu  ver- 
grössern  oder  zu  verkleinern,  heisst  Hyperbel.  Sie  sucht  sich  gern  noch 
durch   andere  Tropen   wie  Metaphern,  Synekdoche,  Antiphrasis   und  Ironie 


')  Ein  modernes  Beispiel  würde  folgendes 
sein:  Böhmische  Musikanten  für  Bettel- 
musikanten.     Denn  Böhmische  M.  wird,  me- 


tonymisch für  Prager  Musikanten  gesagt. 
Letzteres  aber  (M.  aus  Prag)  ist  homonym 
mit  Prager  M.  =  Bettelmusikanten. 


4.  Die  Lehre  tohl  redneritchen  Aasdnick.  (§  10.) 


665 


zu  verstärken  und  ist  namentlich  dann  verstattet,  wenn  die  Sache,  von  der 
wir  sprechen,  wirklich  das  gewöhnliche  Mass  überschreitet.  Man  redet 
von  „bimmelhochragenden''  Felsen.  Verg.  Aen.  I,  162:  geminique  minantur 
in  coebim  scopuli,  Horaz  sagt  carm.  I,  1.  26,  um  einen  hohen  Grad  seiner 
Freude  auszudrücken,  sublimi  fcriam  sidera  vertlce. 

Manches  wurde  zu  den  Tropen  gerechnet,  was,  da  dadurch  nichts  am 
Sinne  geändert,  auch  kein  Wort  an  die  Stelle  eines  anderen  gesetzt  wurde, 
eigentlich  nicht  darunter  gehörte.  So  das  Hyperbaton,  eine  freiere  Wort- 
stellung, in  der  Kegel  also  die  Hervorhebung  eines  bedeutsamen  Begriffs 
durch  seine  Stellung  zu  Anfang  oder  am  Schluss  des  Satzes,  z.  B.  Cic.  pro 
Mil.  4:  silent  leges  intar  arma.  De  off.  HI,  11:  est  hominum  naturne,  qimm 
sequi  debemus,  maxime  inimica  crudelitas,  Anastrophe,  Tmesis,  Paren- 
thesis  sind  lediglich  grammatische  Begriffe.  £benso  die  Synchysis, 
d.  h.  ein  Hyperbaton,  unter  welchem  die  Deutlichkeit  des  Sinnes  leidet.  In 
der  Prosa  ist  sie  als  fehlerhaft  zu  vermeiden.  Auch  die  Hysterologie, 
oder  das  nQmO-vaxeQov^  der  sensuum  ordo  praeposterus,  z.  B.  Verg.  Aen.  II, 
353:  nioriamur  et  in  media  arma  ruamus,  oder  Hom.  II.  ^  251:  afjia 
TQccfffv  i)6*  iyivovzo^  ist  kein  eigentlicher  Tropus.  Ebensowenig  die  Ono- 
matopoeie,  mag  man  darunter  die  Neubildung  eines  Wortes,  oder  die  An- 
wendung eines  in  der  Sprache  bereits  vorhandenen  verstehen,  durch  welches 
ein  gewisser  natürlicher  Laut  veranschaulicht  werden  soll,  wie  die  Worte 
zur  Bezeichnung  der  Stimmen  verschiedener  Tiere.  Oder  die  Katachrese, 
bei  der  man  durch  ein  vorhandenes  Wort  ein  nicht  vorhandenes  ersetzt, 
also  eine  sprachliche  Lücke  ausfüllt,  wenn  man  also  lapidare  auch  in  den 
Fällen  sagt,  wo  nicht  mit  Steinen,  sondern  mit  Erdschollen  geworfen  wird, 
oder  wenn  parricidmm  nicht  bloss  den  Vatermord,  sondern  auch  den  Mutter- 
niord  bezeichnet,  weil  matricidium  ungebräuchlich  ist. 

Wie  sich  unter  den  Fehlern  der  Soloecismus  zum  Barbarismus  ver- 
hält, so  verhält  sich  auf  dem  Gebiete  der  exomationes  das  (rxwcc,  die 
Figur,  zum  Tropus.  Letzterer  hat  es  mit  einzelnen  Wörtern  zu  thun, 
erstere  dagegen  mit  der  inneren  Verbindung  mehrerer  Wörter  im  Satze. 
Man  teilt  die  Figuren  ein  in  axT^fiara  Xoyov  und  axiqixaia  Siavotaq,  in  Wort- 
und  Sinnfiguren.  Erstere  lassen  sich  verändern  und  beseitigen,  ohne 
dass  der  Sinn  des  Ausdrucks  dadurch  geändert  oder  beeinträchtigt  würde, 
letztere  nicht. ^)  Die  Wortfiguren  zerfallen  wieder  in  grammatische  und 
rhetorische.  Erstere  sind  nichts  weiter  als  durch  den  usus  gerecht- 
fertigte Soloecismen,  allerlei  Abweichungen  vom  herkömmlichen  Gebrauch 
der  Kasus,  Tempora,  Personen  und  Modi,  Wendungen  also  wie  gladio  jni- 
(fimcissima  gens  Uomani,  saueius  pectus,  nuda  genu,  lüus  mfis  statt  plus 
quam  safis  u.  dgl.  Auch  diese  rein  grammatischen  Figuren  können  massig 
an  dem  gehörigen  Orte  angewandt  eine  angenehme  Abwechslung  in  das 
regelrechte  Einerlei  des  Ausdrucks  bringen  und  somit  in  der  That  zu  seinem 


')  Alex.  p.  10:  ro  dt  fijg  Xe^eotg  <r/^/ua 
ToO  jijg  diayoing  dtatpegei^  oii  t6  fiiy  xiyij- 
%^eiaf]g  rijg  Af^eco^  rijg  avaj^ovcrjg  xo  aj^ijfia 
uTiäXXvTcti,  jov  de  irjq  diayoiag  ayrjfiajog, 
xiiy  TU  oyofÄUTu  xiyj  rtf,  xtiy  ktiqoig  oyofiaaiy 


i^eyeyxn,  i(  avro  ngüyfia  fjtiyBi,  ofioitog  de 
xay  ij  avyrtt^is  xiyf]&j  rj  TtQoaTe&g  xai  ntpai- 
ge^j  Ti,  Xverai  to  <r/i7/un  i^c  Xe^ewg.  Vgl. 
Aq.  Rom.  p.  28.  Fortuoat.  p.  126.  Kh.  Gr. 
V,  456. 


666  !>•  Rhetorik. 

Schmucke  beitragen.     Bei  den  rhetorischen  Wortfiguren  handelt  es  sich  aber 
nicht  mehr  um  die  grammatische  ratio  hquendi,  sondern  um  eine  absicht- 
lich  gewählte  Gestaltung   des  Ausdrucks.     Sie  entstehen  zunächst  durch 
Hinzufügung  oder  Wiederholung.     Man  setzt  also  dasselbe  Wort  zwei- 
mal hintereinander,  um  dem  Ausdruck  einen   pathetischen  oder  amplifizie- 
renden  Anstrich  zu  verleihen,  die  sogenannte  ävaiinXcoaig  oder  naXiXXoyia^ 
canduplicatiOf  iteratio,   z.  B.   Sapph.   fr.  109:   nagO^cvia,  naqO^evia^    not  fu 
Xinoia*   anoi'xfi;  Horat.   carm.   II,   14,   1:  eheu  fugaces  Postume,  Postume, 
labuntur  anni.    Erhöht  wird  die  Wirksamkeit  dieser  Figur  durch  das  Da- 
zwischentreten eines  Wortes,  wie  eixri  ydq^  tlaiv  Dem.  Ol.  IV,  18.  suscepi 
causam,  Torquato,  suscepi  et  feci  libenter  Cic.  pro  Süll.  6,  20.     Die  Wieder- 
holung desselben  Wortes  am  Anfang  mehrerer  aufeinander  folgender  Satz- 
glieder {xwXa),  eine  Figur,  deren  sich  namentlich  Demosthenes  und  Cicero 
sehr  häufig  bedienen,   giebt  der  Rede   den  Charakter  nachdrücklicher,  ja 
heftiger   Lebendigkeit.     Dies  ist  die  Anaphora  oder  Epanaphora,    repc" 
titio.     Cic.  Phil.  XII,  12,  29:   credunt  improbis,  credunt  turbulentis,  credutU 
suis.    Doppelte  Anaphora  Dem.  Mid.    72.  Cic.   pro   Süll.   5,  14.     Seltener 
findet  sich  die  Umkehrung  der  Anaphora,  die  Antistrophe,   die  Wieder- 
kehr desselben  Wortes  am  Schlüsse  mehrerer  auf  einander  folgender  Glie- 
der.    Cic.  Phil.  I,  10.  24:  de  exilio  reducti  a  mortuo,  civitas  datu  a  mortuo, 
sublata   vcctigalia  a  mortuo.     Die    Vereinigung   von   Anaphora  und   Anti- 
strophe giebt  die   Symploke,   complexio.     Aesch.   Ctes.   202:   inl  aavtov 
xaXeTg^  inl   tovg   vofiovg  xaXsTg^  ini   tijV   StjfioxQartav  xaXfTg,     Cic.  de  leg. 
agr.  II,  9,  22.     Eine    Wiederholung    desselben    Wortes    in    verschiedenen 
Kasus,  wie  Isoer.  XVI,  41:  ex  navxog  tqottov  xivSvvfvwv  r«  /i*r  v(p'  vfion^ 
1«    dt   /i6i>'    r/iftii',   r«    dl  6i'  vfiag^   rd   6*   vntQ  r/ioTr  heisst  Polyptoton. 
Werden  zur  deutlicheren  Bezeichnung  einer  Handlung  oder  eines  Zustandes 
verwandte  Begriffe  aneinandergereiht,  so  ist  darauf  zu  sehen,  dass  die  Be- 
deutung  der  einzelnen   sich  womöglich  steigert,  wie  Cic.  Cat.  II,  4:  abiity 
excessit^  evasit,  erupit     Phil.  II,  32:  nihil  qucror  de  Dolabclla,  qui  tum  Cf^f 
imptilsHS,  inductus^  clusus.     Man  spricht  in  diesem  Falle  von  (TtnaO^QOKrinoc, 
congerieSy  incrcmcnium,   ohne   dass   damit  eine  eigentliche  Figur  bezeichnet 
wird.     An  Kraft  und  Eindringlichkeit  gewinnt  die  Reihenfolge  der  Begriffe 
durch  die  Weglassung  der  Koniunktionen,  das  davrSttov^  während    dessen 
Gegenteil,  das  noXvavvöeTov^  die  Rede  würdiger  und  grossartiger  erscheinen 
lässt.     Zur  wirklichen  Wortfigur  wird  die  Steigerung   erst  bei  der  xXTfxa^, 
gradatioy  bei  welcher  der  vorangehende  Begriff  immer  erst  wiederholt  wird, 
bevor  der  nächste  sich  anschliesst,  eine  Figur,  die  wegen  ihrer  zu  grossen 
Künstlichkeit  nur  selten  zur  Anwendung  kommen  kann.     Das  berühmtest« 
Beispiel  Dem.  de  cor.  179:  ovx  tlnov  fitv  ravta,  ovx  eyQaipa  St,  ov6'  eyQa^ta 
/tfc'i',  ovx  inQsaßevaa  6t\  ovd*  inqtaßsvaa  /u'r,  ovx  ^n&iaa  6t  Oiißafovgy  dXX* 
lino  xT^g  dq^f^g  6id  Tidvrwv  ItxQi  trfi  reXsvTifi  äu^ijXO^ov. 

Wie  durch  Hinzufügung  und  Wiederholung,  so  lassen  sich  Wort- 
figuren auch  durch  Weglassung  bilden,  doch  sind  dieselben,  wie  die 
Ellipsen,  desgleichen  das  ebengenannte  Asyndeton,  eigentlich  mehr  grammati- 
scher Art.  Als  rhetorische  Figur  lässt  sich  eigentlich  nur  das  Zeugma  oder 
avyt^evyf^it'vov,  die  admnctio  betrachten,  bei  welcher  ein  Begriff,  der  genau 


4.  Die  Lehre  tohl  redneriBchen  Aasdraok.  (§10.)  667 

genommen  nur  zu  einem  dabei  stehenden  Wort  oder  Satzteil  passt,  in  der 
Weise  einmal  gesetzt  wird,  dass  für  die  übrigen  Wörter  oder  Satzteile  ver- 
wandte oder  modifizierte  Begriffe  daraus  zu  ergänzen  sind,  z.  B.  Hes.  Theog. 
640:  vhxxaQ  t*  ci/ißQoaitjv  te,  tansq  0-eoi  avroi  edovai.  Soph.  Oed.  tyr.  371: 
TVffXoq  td  x'  oira,  xov  x€  vovv^  xd  x'  ofifiax*  si.  In  rednerischer  Prosa  sind 
derartige  Beispiele  jedoch  selten,  Cic.  pro  Rose.  com.  10,  28:  nemo  illum 
ex  frunco  corporis  spectabat^  sed  ex  artißcio  comico  aestimahat,  wo  aus 
nemo  im  zweiten  Gliede  quisque  zu  ergänzen  ist.  Häufiger  sind  Fälle,  in 
denen  ein  Verbum  oder  anderes  Wort  mit  einem  dazugehörigen  Substan- 
tivum  im  eigentlichen,  mit  einem  andern  im  übertragenen  Sinne  zu  verbin- 
den ist,  wie  Cic.  pro  SuU.  11,  33:  erigite  mentes  auresque  vestras.  Jedes 
derartige  avvt^tvyntvov  lässt  sich  natürlich  in  ein  iie^evyixbvov  auflösen. 
Eine  dritte  Klasse  von  Wortfiguren  entsteht  durch  eine  kunstvolle 
Gegenüberstellung  teils  gleicher,  teils  ähnlicher,  teils  auch  entgegengesetzter 
Wörter,  wodurch  allerlei  Klanggebilde  und  Wortspiele  zustande  kommen. 
Hierhin  gehört  zunächst  die  Paronomasie  mit  ihren  Unterarten.  Die  ein- 
fachsten Arten  sind  die  absichtliche  Gegenüberstellung  aktiver  und  passiver 
Formen  desselben  Verbi,  wie  fx^j  ^^^  ^oiiai  im  bekannten  Ausspruch  des 
Aristipp,  die  absichtliche  Einführung  eines  compositi  nach  seinem  simplex  — 
Aesch.  Ctes.  83:  od*  dirrjyoQevs  firj  Xafißdveiv,  ei  SiSvaatv^  dXXd  iit]  diiodiöwai^ 
der  Wechsel  der  Praepositionen  in  Kompositis  —  Cic.  Cat.  I,  1 1 :  ut  als  te 
non  emisstis  e-x  urhe,  sed  immissus  in  urbem  esse  videatur,  ib.  10:  ut  cxul 
potiiis  temptare,  quam  consul  vexare  rem  publicam  jwsses.  Ferner  das  so- 
genannte (fx^ificc  hvfiaXoyixov,  die  Verbindung  eines  Verbi  mit  einem  von 
demselben  Stamme  abgeleiteten  Substantivum,  häufig  im  Griechischen,  ver- 
hältnismässig selten  im  Lateinischen.  Endlich  die  dvxavdxXamg  oder  diti- 
furdO^f^fTtg^  die  Wiederholung  desselben  Wortes  mit  verschiedener  Bedeutung, 
z.  B.  Isoer.  IV,  119:  d/ia  ydg  iifieTq  xd  xijg  dgx^^  dn€(fx€Qovfifx^a  xai  toTg 
"EXh^aiv  aQXf]  ^«'^''  xaxwv  syiyvtxo.  —  Eine  weitere  Gruppe  hierhergehöriger 
Figuren  sind  diejenigen,  bei  denen  ein  Gleichklang,  oder  wenigstens  eine 
Konformität  ganzer  Satzglieder  beabsichtigt  wird.  Bestehen  zwei  Glieder 
einer  Periode  im  ganzen  und  grossen  aus  gleich  viel  Silben,  so  giebt  dies 
die  Figur  des  iaoxoiXov  oder  ndqiaov.  Enthalten  die  gleichen  Glieder  auch 
noch  ähnliche  Wörter,  besonders  am  Anfang  oder  Ende,  so  wird  das 
TidQiaov  zum  nagoiioiov.  Isoer.  Hei.  17:  xal  xov  fuv  imnovov  xal  im- 
xd'dvvor  xov  ßiov  irtoirfls^  xijg  dh  neqißXsnxov  xal  nsQifidxt^xov  xi]v  (pvtnv 
xctxiaxrflev,  or.  IV,  65:  ext  i*  dywvag  idetv  firj  iiovov  xd%ovg  xal  ^wfxrfi^  dXXd 
xfd  XoycDv  xal  yi'oifit^g.  Unterarten  des  nagofioiov  sind  das  ofjioioxäXevxoVy 
die  Wiederkehr  gleicher  Wortlormen  am  Ende  der  Kola,  z.  B.  Cic.  pro 
Quint.  23,  75:  ut  si  veritatem  volent  retinere,  gravitafem  possint  obtinere, 
und  das  ofxoioTxxMxov^  die  Wiederkehr  gleicher  Kasus  am  Ende  der  Kola 
oder  innerhalb  einer  Periode.  Die  ofioioxeXevxa^  also  eine  Art  Reim,  finden 
sich  in  der  Poesie  ziemlich  häufig,  sind  jedoch  in  der  Prosa  nur  selten,  wie 
denn  überhaupt  alle  diese  Figuren,  die  man  unter  dem  gemeinschaftlichen 
Namen  der  Paronomasie  befasst,  und  welche  eine  charakteristische  Eigen- 
tümlichkeit der  unter  dem  Einfluss  des  Gorgias  stehenden  älteren  sophistischen 
Prosa  ausmachen,  in  der  dywviaxixfj  Xe^ig  von  sehr  beschränkter  Zulässigkeit  sind. 


668  D.  Rhetorik. 

Die  letzte  Klasse  der  Wortfiguren  endlich  sind  die  sogenannten  Anti- 
thesen, welche  durch  die  kunstvolle  Gegenüberstellung  entgegenstehender 
Wörter,  mit  denen  zugleich  ein  Gegensatz  im  Gedanken  verbunden  ist, 
gebildet  werden.  Sie  bilden  den  Übergang  zu  den  Sinnfiguren.  Cic.  de 
am.  1,  5:  sed  ut  tum  ad  senem  senex  de  senectute,  sie  hoe  libro  ad  amicum 
amieissimus  serlpsi  de  amieitiu.  Dem.  de  cor.  265:  ididaaxsg  YQdfifuna, 
eyto  Sh  €(foh(i)V  •  itbXfig^  eyvi  Ü  ereXovfiijv  •  itQirayioviateig^  eyoi  i^  iO-eiiqovv  ' 
fygafifidtfvfgy  iyw  dk  exxXrjaia^ov  •  H^ämmeg^  iyd  i^  iavQnrov.  Über  die 
Unterarten  der  Antithesen  herrscht  bei  den  Rhetoren  keine  Übereinstimmung. 

Noch  wirksamer  aber  als  die  Wortfiguren  sind  die  Sinnfiguren,  deren 
geniale  Behandlung  mit  zu  den  charakteristischen  Eigentümlichkeiten  der 
Demosthenischen  Beredsamkeit  gehört.  Zuerst  ist  hier  die  rhetorische 
Frage  zu  nennen,  welche  angewandt  wird,  um  den  Gegner  zu  drängen, 
um  Unwillen  oder  Verwunderung  auszudrücken,  um  Gehässigkeit  oder  Mit- 
leid zu  erregen.  Bisweilen  folgen  ganze  Reihen  von  Fragen  ununterbrochen 
auf  einander.  Gibt  der  Redner  auf  eine  aufgeworfene  Frage  gleich  die 
Antwort  —  auch  diese  kann  wieder  in  Frageform  gekleidet  seiif  —  oder 
schiebt  er  einer  an  den  Gegner  gerichteten  Frage  seinerseits  eine  Antwort 
unter,  so  gibt  dies  die  Figur  der  Hypophora  oder  Anthypophora. 
Sucht  er  einem  etwaigen  Einwurf  des  Gegners  zuvorzukommen  und  ihn  im 
voraus  zu  entkräften,  so  gibt  dies  die  Figur  der  Prokatalepsis,  prae- 
sunipüo.  Eine  entschuldigende  Wendung,  mit  der  man  dem  etwaigen  niiss- 
liebigen  Eindruck  einer  nachfolgenden  gegen  den  Gegner  gerichteten  Be- 
merkung vorbeugen  will,  wird  als  ngoSiogO^coaig  oder  nqod^sqaneia  bezeichnet. 
Ihr  Gegenteil,  also  die  nachfolgende  Verbesserung  oder  Einschränkung 
einer  voraufgegangenen  Behauptung,  heisst  emSwQiJ^ioaic.  Beide  zusammen 
geben  die  diKfiöioQO^maig^  durch  die  man  einen  doppelten  Anstoss  zu  be- 
seitigen sucht.  Macht  man  einen  etwaigen  Einwurf  des  Gegners  dadurch 
unwirksam,  dass  man  die  Sache,  um  die  es  sich  handelt,  wenn  auch  in  be- 
schönigender Weise  selbst  zugesteht,  so  giebt  dies  die  Figur  der  (Tvyx(OQr^^tc^ 
confessio.  —  Den  Eindruck  der  Glaubwürdigkeit  gewinnt  unsere  Rede 
durch  die  Figur  des  Zweifels,  der  Sianoqriaig^  bei  der  wir  scheinbar  in 
Ungewissheit  sind,  von  wo  wir  anfangen,  wo  wir  aufhören,  was  wir  über- 
haupt sagen  sollen.  Fragt  man  scheinbar  die  Richter,  oder  wohl  selbst 
den  Gegner  um  Rat,  was  man  thun  soll,  so  wird  dies  als  dvaxoivfaaig^ 
xoironia,  communicatio,  bezeichnet.  Sehr  geeignet,  um  Mitleid  zu  erregen, 
ist  es,  wenn  man  eine  Sache  völlig  dem  Ermessen  der  Richter,  auch  wohl 
der  Gegner,  anheimstellt,  die  inixQOTit]^  permissio,  —  Andere  Figuren  geben 
der  Rede  den  Anstrich  des  Leidenschaftlichen.  So  die  Ausrufungen,  Be- 
teuerungen, Schwüre.  Oder  sie  erhöhen  das  ijO^og  des  Redenden  durch  frei- 
mütige Äusserungen,  wie  denn  die  naggt^ata,  liccnfia,  als  besondere  Figur 
genannt  wird.  Wendet  man  sich  im  Verlauf  der  Rede  von  den  Richtern 
plötzlich  an  die  Gegner,  oder  andere  Personen,  so  wird  dies  als  dnoarQOffi]^ 
aversus  a  ludice  sermOf  bezeichnet.  Unterbricht  man  plötzlich  seine  Rede, 
im  Zorn,  oder  aus  Furcht  und  Scheu  etwas  Anstössiges,  Verletzendes  zu 
sagen,  auch  wohl  zum  Ausdruck  des  Unwillens  und  der  Entrüstung,  so 
gibt   dies  die  Figur  der  Aposiopese.     Dem.  de  cor.  12:  «A/'  inol  iluv  —  ov 


4.  Die  Lehre  tohl  rednerischen  Ansdrnck.  (§11.)  669 

ßovXofiai  6t  Svax^Qtg  flneTv  ovShv,  ib.  22:  eh*  co  —  xi  av  htcojv  at  tig 
oQx>(t}q  TtQoaeinoi;  nennt  man  etwas,  unter  dem  Schein  es  zu  verschweigen, 
so  wird  dies  als  nagccXenlug  oder  naQaaifaTviflig^  occultatio,  omissio,  bezeichnet. 
Es  ist  klar,  dass  sich  die  Anzahl  derartiger  Figuren  noch  beträchtlich  ver- 
mehren lässt. 

Über  Tropen  und  Figuren  sind  eine  Menge  Dissertationen  und  kleinere  Abhandlungen 
vorhanden.  Hervorzuheben  sind :  J.  Straub,  De  tropis  et  figuris  quae  inveniuntur  in  oratt. 
Demosth.  et  Ciceronis,  Aschaffenb.  1883.  6.  Radtke,  De  tropis  apud  tragg.  Gr.  Berl.  1865, 
HoppB,  De  tragg.  Gr.  translationibus,  Berl.  1859.  -  Über  Gleichnisse  und  Sentenzen  bei 
Demosthenes  J.  Lunak,  Observv.  rhett,  in  Demosthenem,  Petersb.  1878.  —  0.  Ph.  G. 
Willmann,  De  üguris  grammaticis,  Berl.  1852.  G.  Dzialas,  rhetor.  antiquor.  de  figuris 
doctrina,  Bresl.  1869.  E.  Wölfflin,  Die  geminatio  im  lateinischen,  Sitzungsb.  der  Bayr. 
Akad.  der  Wissensch.  1882,  S.  420-491.  Das  Wortspiel  im  Lateinischen,  ebend.  1887,  II,  2 
S.  187-  208.  L.  Buchhold,  De  paromoeoseos  ap.  vett.  Romanor.  poetas  usu,  Leipz.  1884. 
H.  MoNSE,  Vetenim  rhett.  de  sententiarum  figuris  doctrina,  Bresl.  1869.  Waldenb.  1874. 
R.  Kühnlein,  De  vi  et  usu  precandi  et  iurandi  formul.  apud  dec.  oratt.  Att,  Neustadt  a.  H. 
1882.  G.  Gebauer,  De  praeteritionis  formis  apud.  oratt.  Att.,  Zwickau  1874.  R.  Majbwski, 
De  subiectionis  et  occupationis  formis  —  apud  Demosthenem,  Königsberg  1887.  C.  Wey- 
MAN,  Studien  Ober  die  Figur  der  Litotes,  Leipz.  1886.  L.  Eggeb,  Die  Parenthese  bei  den 
Attischen  Rednern,  Wien  1887.  R.  Schulze,  De  fig.  etym.  apud  oratt.  Att.  usu,  in  Com- 
meutatt.  Ribbeck.  Lips.  1888  S.  153-171. 

Komposition  und  Rhythmus  der  Rede. 

11.  Frühzeitig  wurde  von  den  Stilisten  der  älteren  sophistischen  Zeit 
—  Thrasymachus,  Isokrates  —  erkannt,  dass  auch  der  prosaischen  Rede 
ein  gewisses  musikalisches  Element  innewohne,  dass  dieselbe  zwar  nicht, 
wie  die  poetische  A*?«^,  ein  sprachliches  ^vO^fii^ofiivov  sei,  aber  doch  keines- 
wegs gänzlich  des  Rhythmus  entbehre,  und  dass  durch  gehörige  Berück- 
sichtigung dieses  musikalisch-rhythmischen  Elements  eine  kunstmässige 
Durchbildung  der  prosaischen  Rede  möglich  sei,  durch  welche  dieselbe, 
auch  abgesehen  von  dem  Schmuck  durch  Tropen  und  Wortfiguren,  auf 
das  Ohr  einen  in  seiner  Art  nicht  minder  befriedigenden  Eindruck  mache, 
als  die  Sprache  der  Dichtkunst.  Diese  Erkenntnis  und  mit  ihr  das  Streben 
nach  Wohlklang,  symmetrischem  Bau  und  rhythmischer  Färbung  der  Prosa 
ist  nun  das  ganze  Altertum  hindurch  von  der  rhetorischen  Theorie  fest- 
gehalten und  von  der  rednerischen  Praxis  in  bewundernswerter  Weise 
bethätigt  worden.  Uns  kommen  die  darauf  bezüglichen  Vorschriften,  die 
ja  alle  nur  auf  eine  gewisse  Analogie  zwischen  der  prosaischen  und 
poetischen  Rede  hinauslaufen,  freilich  etwas  vag  und  unbestimmt  vor,  weil 
wir  gewohnt  sind,  bei  der  Betrachtung  der  Prosa  vom  grammatischen  Be- 
griff des  Satzes  auszugehen  und  in  der  geschickten  Verknüpfung  ver- 
schiedener Arten  von  Sätzen  zu  einem  grösseren,  wohlgefügten  Ganzen  die 
Kunst  der  prosaischen  Rede  zu  erblicken,  ein  Gesichtspunkt,  welcher  der 
alten  Rhetorik  völlig  fremd  ist. 

Die  prosaische  Rede  ergeht  sich  entweder  in  fortlaufenden  Reihen, 
deren  Ruhepunkte  ohne  bestimmte  Begrenzung  durch  die  Sache  selbst,  über 
die  geredet  wird,  zustande  kommen,  oder  aber  sie  ist  in  sich  abgerundet 
und  periodisch.  Man  unterscheidet  demnach  eine  Xt^ig  HQOfitvrj  und  eine 
kt^ig  xaveaxqanntvt]^  er  TrsQioioig.^)     Eine  Periode  zerf&llt,  wie  in  der  Metrik 


>)  Arisfc.  Rhet.  III,  9. 


670  !>•  Rhetorik. 

das  System,  in  xdiXa^  membra,  und  diese  wieder  in  xofifxaTa  oder  incisa. 
Genaue  Definitionen  dieser  Begriffe  werden  von  den  Rhetoren  nicht  ge- 
geben. Ein  Kolon  hat  die  ungefähre  Länge  eines  epischen  Hexameters. 
Werden  drei  oder  vier  Kola  durch  den  Sinn  zur  Einheit  einer  Periode  ver- 
bunden, so  übertrifft  gewöhnlich  das  letzte  die  voraufgegangenen  an  Länge 
und  hat  noch  eine  besondere  Abrundung  am  Schlüsse,  eine  xa/i/r?;,  voraus. 
Mehr  als  viergliedrige  Perioden  waren  selten.  DafDr  gab  es  auch  ein- 
fache, oder  eingliederige  Perioden,  neqiodoi  fiovoxcoXot,  änXat,  d^sXeTg^ 
in  denen  natürlich  das  eine  Kolon  in  Kommata  zerfallen  muss,  während 
dies  bei  der  zweigliedrigen  Periode  nicht  nötig  ist.  Als  Beispiel  einer  ein- 
gliedrigen Periode  mag  der  Satz  des  Annius  Florus  gelten:  staUm  par 
Iwrrore,  par  vertice,  par  ille  nivibus  Aljnnis  Pyrenaeus  excepü.  Als  Beispiel 
einer  zweigliedrigen  Periode  bei  Demetrius  —  ov  yaQ  ro  elneXv  xakwg 
xaXoY^  aXXd  %d  dnivra  igdaat  %d  eiQrj^uva.  Viergliedrig  Dem.  Ol.  IT,  3: 
o  ju^i'  Y^Q  o(f(ii  nXciova  vnlq  ti]v  d^iav  nsnohixe  rrjv  avTOV^  tocovrfjt  xP^av- 
liaavovfQoq  nagd  ndai  vofit^etaiy  vfieXg  S'  ocr»)  x^^Q^^'  ^  nQocijxe  xtxQifiO-B 
%oTq  ngdfiiaai^  TotfovKi)  nXeiova  alaxvYYiV  (Oiß>XrjxaxB, 

Die  Xb^ig  dycovianxt]^  also  die  wirkliche  Beredsamkeit,  verlangt  nun 
eine  Mischung  der  Xä^ig  eiQoinbvrj  und  xccTeargafiiibvr]^  denn  die  rein  perio- 
dische Ausdrucksweise  ermüdet  durch  ihre  Künstlichkeit.  Innerhalb  der 
periodischen  Reihen  sind  aber  die  Wörter  kunstmässig  zusammenzustellen, 
und  zwar  ist  dabei  auf  ihre  Ordnung,  ihre  Verbindung  und  den  Rhythmus 
zu  achten.  Die  Ordnung  anlangend,  so  ist  überall  auf  Steigerung  der 
Rede  Bedacht  zu  nehmen,  auf  das  weniger  Deutliche  muss  immer  das 
Deutlichere,  auf  das  Kleinere  das  Grössere  folgen.*)  Soweit  es  irgend  an- 
geht, muss  der  Satz  immer  mit  einem  Verbum  schliessen,  weil  in  den 
Verben  die  eigentliche  Kraft  der  Rede  liegt.  An  die  Stelle  des  Verbi  kann 
aber  auch  ein  anderes  Wort  treten,  dem  der  Sinn  einen  besonderen  Nach- 
druck oder  Wert  verleiht.  Die  Verbindung  anlangend,  so  dürfen  zu- 
nächst die  Schlusssilben  eines  Wortes  mit  den  Anfangssilben  des  darauf 
folgenden  nie  ein  unschickliches,  obscönes  Wort  bilden.  Zweitens  ist  nach 
Möglichkeit  der  Hiatus  zu  vermeiden,  um  nicht  bei  der  Aussprache  eine 
Pause  eintreten  zu  lassen,  wo  dieselbe  sinnstörend  wirken  könnte,  nament- 
lich also  der  Zusammenstoss  von  Vokalen,  die  mit  verschiedener  Mund- 
stellung hervorgebracht  werden.  Ebenso  ist  der  Zusammenstoss  harter 
Konsonanten  zu  vermeiden,  also  s  vor  nochmaligem  s  oder  x,  ferner  alle 
sogenannten  frcni  (xakivoi)  und  dvanQoifOQu^  also  eine  Reihe  Wörter,  die  mit 
demselben  Buchstaben  anfangen,  oder  gleiche  Flexionsendungen  aufweisen. 
Ebenso  fehlerhaft  ist  die  Wiederholung  ein  und  desselben  Wortes  rasch 
hintereinander,  ausser  wenn  eine  bestimmte  Wortfigur  damit  beabsichtigt 
wird.  Noch  weniger  dürfen  die  Schlusssilben  eines  Wortes  als  Anfangs- 
silben des  nächsten  Wortes  wiederkehren.  Sorgfältig  hat  man  ferner  eine 
längere   Reihe  einsilbiger  Wörter  zu  vermeiden.-)  —  Den  Rhythmus  an- 

')  Demctr.  de  eloc.  50.  und  unschöne  findet,  ist  nicht  zu  verwundern. 

'^)  Dass   sich   trotz  sorgfältiger  Berück-  Hierüber   ein   interessanter  Aufsatz   von    11. 

siehtigung  der  rhetorischen  Regeln  über  den  I    Kraffert,    Kakophonie  im   Lateinischen,  iu 

Wohlklang  der  Rede,   selbst   bei  guten  Au-  Zeitachr.  f.  Gymnasialw.  1887  S.  713  fF. 
toren    hier   und    da   einzelnes  übelklingende 


4.  Die  Lehre  Tom  rednerischen  Ansdmck.  (§12.)  .  (>71 

langend,  so  ist  darauf  zu  achten,  dass  der  Anfang  und  der  Schluss  einer 
Periode  einen  oder  auch  mehrere,  dann  aber  nicht  gleiche  Versfüsse  deut- 
lich zu  erkennen  giebt  und  dass  damit  auch  der  Schluss  der  Kola,  also 
die  Mitte  der  Periode,  in  gewisser  Übereinstimmung  steht.  Im  allgemeinen 
sind  die  volleren  aus  langen  Silben  bestehenden  Füsse  nachdrucksvoll,  die 
kurzen  rasch  und  beweglich.  Es  ist  daher  fehlerhaft,  wenn  man  langsame 
Füsse  nimmt,  wo  die  Rede  den  Charakter  der  Schnelligkeit  verlangt,  und 
umgekehrt.  Als  besonders  geeignet  für  Anfang  und  Schluss  empfiehlt 
Aristoteles  den  Päonischen  Rythmus,  *)  und  zwar  für  den  Anfang  —  ^  ^  ^ 
für  den  Schluss  ^  ^  ^  — .  Aber  auch  Dichorei,  Molossi,  Cretici,  Palimbacchien 
sind  für  den  Schluss  geeignet.  Nie  aber  dürfen  deutlich  erkennbare  Vers- 
teile oder  gar  ganze  Verse  die  Rede  verunzieren.  Eine  Hauptregel  für  gute 
Komposition  ist  es  dabei,  allen  Anstrich  des  Gemachten  sorgfältig  zu  ver- 
meiden, daher  darf  man  sich  zu  Gunsten  des  Rhythmus  auch  keine  zu  langen 
und  auffälligen  Hyperbata  erlauben,  noch  weniger  die  Rede  mit  unnützen 
Flickwörtern  überladen.*) 

C.  Steinkb,  De  numero  oratorio,  Pos.  1850.  Devocismotu  oratorio  sonorumque  con- 
sonantiis  a  Graecis  in  die.  adhibitis,  Pos.  1864.  A.  Schmidt,  Zur  Lehre  vom  orat.  numerus, 
Mannheim  1858.  G.  Amsel,  De  vi  atque  indole  rhvthmorum  quid  veieres  iudicaverint, 
Bresl.  1887.  J.  V.  Fbitzsche,  De  numero  pedestri  (Lucian.  III,  2  p.  LXXXII  sqq.).  Für 
Isokrates:  K.  Peters,  De  Isocratis  studio  numerorum,  Gratulationsschr.  Parchim  1883. 
Für  Demosthenes:  Blass,  Att.  Bereds.  III,  1.  S.  114  IF.  (Demosthenes  hat  die  Anhäufung 
von  mehr  als  zwei  Kürzen  möglichst  vermieden).  Demosth.  Studien  im  Rhein.  Mus.  1888 
S.  268—290.  C.  JosEPHY,  der  orat.  numerus  hei  Isokrates  und  Demosthenes  mit  Berück- 
sichtigung der  Lehren  der  alt.  Rhetoren,  Zürich  1887  (behandelt  vornehmlich  die  Perioden- 
schlüsse). Für  Cicero :  G.  Wuest,  De  claus.  rhet.  quae  praecepit  Cicero  quatenus  in  oratt. 
secutus  sit  (Dissert.  philol.  Argentorat.  sei.  V  p.  227  sqq.)  Argentor.  1882.  (mit  dem  inte- 
ressanten Ergebnis,  dass  Theorie  und  Praxis  bei  Cicero  so  ziemlich  übereinstimmt).  E. 
Müller,  de  numero  Ciceroniano  (Kieler  Dissert.)  Berol.  1886.  —  Ober  die  griechische 
Periode  im  allgemeinen:  Bernhardt,  Begriff  und  Grundform  der  Griech.  Periode,  Wiesb. 
1854.  L.  DissEN  in  der  Einleitung  zu  Dem.  de  cor.  Götting.  1837.  —  Iliat.:  G.  E.  Bek- 
HELER,  De  hiatu  in  orator.  Atticis  et  historicis  Graecis,  Friberg.  1841. 

Die  Stilarten. 

12.  Die  Anwendung  dessen,  was  über  den  Schmuck  und  die  Kom- 
position der  Rede  gesagt  ist,  wird  nun  aber,  wie  dies  schon  Aristoteles 
gelehrt  hat, 3)  nach  den  verschiedenen  Arten  der  Beredsamkeit  eine  ver- 
schiedene sein.  Er  selbst  unterscheidet  dabei  die  yQatpixjj  Xe^ig  der  epideik- 
tischen  Beredsamkeit,  von  der  äyioviarixrj  Afc?ig,  der  Beredsamkeit  vor  Ge- 
richt und  vor  der  Volksversammlung.  Erstere  ist  ihm  die  äxQißeavaTij, 
Bei  ihr  hat  man  nun  wieder  verschiedene  x^Q^^'^^jQ^^  oder  Stilarten  unter- 
schieden und  zwar  ist  das  zuerst,  so  viel  wir  wissen,  durch  Antisthenes 
geschehen.'*)  Ausführlicher  behandelt  wurden  sie  dann  von  Theophrast  in 
der  Schrift  Tragi  Xt^swg,  welcher  eine  erhabene,  mittlere  und  niedrige 


')  Arist.  Rhet.  III,  8. 

2)  Cic.  orat.  69,  231.    Fortunat.  p.l28. 

3)  Arist.  Rhet.  III,  12 :  M  d^  fitj  XeXfj- 
&tyfa,  ort  ukXt]  ixaaxM  yiyn  uqfAoxxBt  Xe^i^. 
ov  )'((Q  ij  «i'TiJ  ygafpixij  xai  aytjyiarixfj,  ovdi 
dr]/A7]yoQtxt]  xnt  dixayixy.  afi(f(o  di  ayayxtj 
ei&t'ycd.  Tu  uiy  ydg  iatiy  eXXfjyiieiy  iniatayai, 
10  (fe  tit]    uyKyxd^eaSai    xuTaananäy,  «V  Ji   j 


ßovXtjTttt  uSTudovyai  roTs  ciXXoigj  oTieg  tt«- 
d^ovaiy  ol  fitj  inicjttfieyoi  ygatpeiy.  ean  cT^ 
Xi^ii  ygnfpixij  fjiky  t)  axQißeaiiat},  ayotyiaiixi} 
6k  ij  vnoxQinxonürrj.  ravrtjg  ifk  dvo  sidtj' 
y  fiiy  yaQ  ^Oix^,  ij  di  Tta^tjrixij. 

■*)  Seine  Schrift  negl  Xik^tag  tj  negi  /«- 
QaxxrJQiay  erwähnt  Diog.  Laert.  VI,  16. 


672  !>•  Bhetorik. 

Stilart  unterschied,  für  welche  bei  den  Späteren  —  und  wohl  schon  bei 
ihm  —  gewöhnlich  die  Bezeichnungen  digov^  luaov,  hxrov  (nämlich  y^vog), 
bei  den  Lateinern  giande  oder  sublime,  medium,  tenue  üblich  waren.') 
Wenn  wir  bei  Dionysius  von  Halikarnass  lesen,  dass  nach  Theophrast  die 
erhabene  Stilart  durch  dreierlei  zu  stände  kömmt,  durch  die  Wahl  der 
Worte,  die  aus  ihr  sich  ergebende  Harmonie  und  die  sie  umfassenden 
Figuren,-)  so  dürfen  wir  wohl  annehmen,  dass  er  auch  bei  den  anderen 
Stilarten  dieselben  Elemente  ins  Auge  gefasst  hat.  Ebenso  ist  es  wahrschein- 
lich, dass  bereits  er,  wie  dies  nach  ihm  Varro  bei  öellius  thut,*)  den  drei 
Stilarten  drei  fehlerhafte  Ausartungen,  gleichsam  Parekbasen,  zur  Seite  ge- 
stellt hat,  dem  grande  das  inflatum  ac  tumidum,  dem  tenue  das  aridum  ei 
siecum,  dem  medium  das  dissolutum,  guod  est  sine  nervis  et  articults.  Es 
hatte  nicht  viel  auf  sich,  dass  man  die  ursprünglichen  Bezeichnungen  der 
drei  Stilarten  hie  und  da  durch  andere,  scheinbar  oder  auch  wirklich  zweck- 
mässigere  ersetzte.  So  finden  wir,  dass  man  statt  aSgov  auch  vipr^kov, 
asi^ivov,  ntQiTiov,  avan^Qov,  ßaqv^  fieyaXonQeTTtg,  statt  Itfx^ov  auch  a^eXtc 
oder  XiTov  sagte.  Wichtiger  war  es,  dass  man  den  unbestimmten  Begriff 
des  lühaov  durch  ävO^r^gov  und  yXaifVQov,  also  eine  bestimmtere  Bezeichnung 
ersetzte.^)  Noch  wichtiger,  dass  man  innerhalb  jeder  Stilart  eine  doppelte 
Schattierung,  so  zu  sagen,  unterschied,  je  nachdem  die  charakteristische 
Eigentümlichkeit  derselben  stärker  oder  schwächer  hervortrat.^)  Das  aller- 
wichtigste  aber  war,  dass  man  sich  allmählich  dazu  entschloss,  die  Lehre 
von  den  Stilarten  auch  auf  die  äycovKfTixrj  Xi^ig  anzuwenden.  Dazu  wirkte 
einerseits  der  Umstand,  dass  die  Anleitung  zur  praktischen  und  nicht  zur 
Kunstberedsamkeit  den  eigentlichen  Unterrichtsgegenstand  der  Rhetoren- 
schulen  in  den  Zeiten  der  Asianischen  Beredsamkeit  ausmachte,  anderer- 
seits die  seit  Kleochares  allgemein  werdende  Anerkennung  des  Demosthenes 
als  des  eigentlichen  vollendeten  Meisters  der  wirklichen  Redekunst.  Der 
praktische  Redner  hat  aber  vor  allen  Dingen  praktische  Zwecke  zu  ver- 
folgen. Je  nach  seiner  Individualität  wird  ihm  die  eine  Stilart  mehr,  die 
andere  weniger  zusagen,  aber  er  kann  sich  an  keine  ausschliesslich  binden, 
sondern  er  wird  immer  sein  Augenmerk  darauf  richten,  durch  Anwendung 
aller  verfügbaren  Mittel  der  Kunst,  vor  allen  von  ij^og  und  naO^og^  seine 
Zuhörer  zu  überzeugen,  ja  zu  überreden,  und  in  der  Erreichung  dieses 
einen  Zieles  feiert  er  den  Triumph  seiner  rednerischen  Gewalt,  seiner  denoii^^. 
Ohne  dttroii^g  giebt  es  im  i^oyog  noXiTixog^  d.  h.  der  agonistischen  Rede, 
keinen  Erfolg.  Wir  wissen  nicht,  wann  und  durch  wen  dieser  Begriff  zu- 
erst   in  der  Rhetorik  Eingang  gefunden    hat.     Mit   der   vorhandenen  StiN 


')  BLASS,  die  Griech.  Bereds.  S.  81.  |  Jul.  Vict.  p.  4:^8. 

'')  Dionys.  de  Isokr.  iud.  8:   x€t»6Xov  6h  \  *)  Quintil.  XII,  10,  58:   altera  est  diri- 

TQitoy   oyTüty,    wV   q>f]ai    SeotpQttaTog,    ic   <ov  '  sio,  quae  in  tres  partes  et  ipsa  discedit,  ijua 

yiyertd    t6  ^tya  xal  aefAvoy  x(u  TieQijtoy  fV  I  discerm   posse  etiam    recte   dicendi  gmera 


Xe^€tf  Tfjg  r*  ixXoyrjg  riöy  oyo/naTtoy  xal  rijg 
ex  Tovtwy  uQfÄoylag  xal  rtüy  nsQiXa^ßayoyrtoy 
iivT(<  a/tjf4((T(oy, 

5)  Gell.  VI,  14.  vgl.   Cornif.   IV,  8,  11. 


inter  ne  ridentur,  namque  unum  subtile, 
quod  iaxyoy  vocant,  alterum  gründe  atque 
robustum,  quod  d^Qoy  dicunt,  cotistituutit : 
tertium  alii  medium  ex  duobuSf  alii  floridum 


Cic.  orat.  21,  (19.  de  orat.  III,   52,   199.  55,   '   {namque  id  dyt^goy  appellant)  addiderunt. 
212.     Quiut.  XII,  10,  58.     Fortunat.  p.  125.   j  ^)  Cic.  or.  5,  20.  Fortunat.  p.  125. 


4.  Die  Lehre  vom  rednerischeu  Aasdrnok.  (§  12.)  673 

lehre  Hess  er  sich  aber  in  doppelter  Weise  verbinden.  Entweder  man 
setzte  die  ieivotrjg  als  gleichberechtigte  vierte  Stilgattung  neben  die  drei 
älteren,  oder  aber,  und  das  war  das  richtige,  man  ordnete  die  Seivvnjg  den 
älteren  Stilgattungen  über  und  betrachtete  als  ihre  charakteristische  Eigen- 
tümlichkeit die  gleichmässige  Beherrschung  sämtlicher  Stilarten  und  ihre 
durch  das  jeweilige  Bedürfnis  der  Rede  bedingte  Verwendung.  Das  erstere 
hat  Demetrius  in  der  Schrift  nsgl  iQfirjveiag  gethan,  das  letztere  Dionysius 
von  Halikarnass,  besonders  in  der  Abhandlung  über  die  Xexuxi]  deiv&irjg 
des  Demosthenes.  Die  von  ihm  vorgetragenen  Ansichten  sind  wohl  als  die 
Summe  dessen  zu  betrachten,  was  in  der  Stoisch-Pergamenischen  Rhetorik 
über  die  Stilarten  giltig  war,  daher  wir  sie  in  der  Hauptsache,  d.  h.  in 
der  Hervorhebung  einer  Notwendigkeit,  die  verschiedenen  Stilarten  in  der 
Rede  abwechseln  zu  lassen  und  mit  einander  zu  vermischen,  bereits  bei 
Cornificius  und  Cicero  antreffen. 

Sobald  die  rednerische  Superiorität  des  Demosthenes  zur  allgemeinen  An- 
erkennung gekommen  war,  und  es  als  Aufgabe  einer  vollkommenen  redneri-' 
sehen  Darstellung  betrachtet  wurde,  es  nicht  zur  Virtuosität  in  Handhabung  einer 
einzelnen  Stilart  zu  bringen,  sondern  je  nach  dem  rednerischen  Objekt  und 
seiner  Behandlung  in  den  einzelnen  Teilen  der  Rede  (Cic.  orat.  21,  69)  die 
jedesmal  angemessene  Abstufung  und  Spielart  des  Ausdrucks  zu  finden, 
wurde  die  Behandlung  und  Charakteristik  der  Stilarten  an  sich  für  die 
Rhetorik  überflüssig.  So  tritt  denn  in  der  sophistischen  Zeit  an  ihre  Stelle 
eine  eingehende  Betrachtung  der  ihnen  zu  gründe  liegenden  tiäai  xov  Xoyov, 
d.  h.  der  stehenden  Grundformen  des  rednerischen  Ausdrucks.  Schon 
bei  Theophrast  sind  ISäa^  toi  Xoyov  gleichbedeutend  mit  dgcTai  und  x^Q^' 
xTTjQeg.^)  Die  dgetai  zerfallen  in  dvayxccTaiy  d.  h.  solche  Eigenschaften, 
welche  keine  rednerische  Darstellung  entbehren  kann,  und  im&exoiy  acces- 
sorische,  welche  eben  durch  ihre  A^iwendung  der  Darstellung  ein  bestimmtes 
Gepräge,  einen  besonderen  xaqaiar^Q  verleihen.  Auch  Dionysius  weiss  neben 
den  Stilarten  und  Harmonien  des  Ausdrucks  von  den  aQexal  und  litai  tov 
Xoyov  mancherlei  zu  berichten.  Diese  bereits  vorhandene  Lehre  wurde  also 
jetzt  wieder  aufgenommen  und  weitergebildet.  Der  erste,  der  unter  den 
erhaltenen  Rhetoren  die  Ideen  systematisch  behandelt, .  ist  Aristides. 
Bei  ihrer  Ordnung  und  Aufzählung  hält  er  sich  an  die  Stilarten.  Denn 
wenn  er  in  seinen  rtxva^  ^rjvoQixal  neql  nohttxQV  Xoyov  folgende  zwölf 
Ideen  aufstellt:  (fsfivotrfi,  ßccqvxrig^  neqißoXrjy  ä^iontaua,  affodqinrfiy  ifi(fa(fig, 
deivofrjg^  cTTifiäXeiay  yXvxvvijg^  aaiptjvsia  xal  xa^aQorrjg,  ßQCcxvvrjg  xal  avvTOf^uay 
THiXaaig  — ,  so  ist  unschwer  zu  erkennen,  dass  die  ersten  sechs  dem  ytvog 
uSqov^  enifAeXeia  und  yXvxvxrfi  dem  y^vog  dv&ijQoVy  ßQCcxvxrjg  xal  avttofua 
und  xoXaaig  dem  yt'vog  Itrxvov  zukommen,  aa^rjvcia  xal  xux^aq^rfi  aber  ala 
dQaxal  dvayxaXai  allen  yhvr^  gemeinsam  sind.  Die  ieivoxrjg  wird  den  übrigen 
Ideen  einfach  koordiniert,  gerade  so  wie  sie  Demetrius  neben  die  drei  Stilarten 
als  vierte  stellte.  Sie  besteht  bei  Aristides  nur  im  Gedanken,  und  er  po- 
lemisiert ausdrücklich  gegen  diejenigen,  die  sie  noch  in  etwas  anderem 
suchen. 2)     Sie   tritt   hervor  in   der   klugen  und  sorgfältigen  Vorbereitung 


0  Simplic.  in  Aristot.  categ.  p.  3. 

^)  Anstid.  p.  497:    deiyotfjg    ai   yivBXM 

Huidbucb  der  kUaa.  Altertumawiuenachaft.  II.    2.  Aufl.  43 


xtttd  yytifirjy   [Aoyax*»i£y  bI  di  rig  xat    aXXo 
Ti  oSrrai,  nXetatoy  diafjia^jdyBi,  ^ 


674 


B.  Rhetorik. 


dessen,  was  der  Redner  zu  zeigen  sich  vorgenommen  hat,  ebenso   in   der 
vorhergängigen  Vermeidung  dessen,  was  man  ihm  etwa  als  Einwand  ent- 
gegenhalten könnte.     Auch  bei  Hermogenes,  dessen  Schrift  ne^  iSswv  viel 
sorgfältiger  und  gründlicher  als  die  des  Aristides  ist,  ist  die  ieivarr^g  eine 
Idee  wie  alle  anderen,  >)  aber  sie  besteht,  wie  bei  Dionysius,  im  richtigen 
Gebrauch  aller  übrigen  Ideen,  überhaupt  aller  Mittel  der  rednerischen  Dar- 
stellung.    Solche  Ideen  giebt  es  ausser  der  Seivotr^g  bloss  sechs:  (fagnjvetaj 
fuye&og,  xdXXog^  yoQyottfi^   r-&og^  aXtid-tia.     Aber   die  (fa(prjvfia   kömmt   zu 
stände  durch  evxQiveia  und  xaS'aQorrjg^  das  iitysO^oq  zerfällt  in   die  Unter- 
arten   der   (fefivotrfiy   7i€Qißoi,ijy   TQaxvrijg^   Xa^nqinrfi^   äxfiij  und  (f^odQovi^. 
Die  Ideen  beruhen  auf  acht  verschieden  zu  behandelnden  Elementen:  i\n*ota^ 
fu&o6og  (d.  h.  die  Ausführung  des  Gedankens,  im  Grunde  die  Sinnfigur), 
Afcfi^,  crx^yjua,  xtoXov^  avv&rjxrj^  ^vO-fiog^  avanavaig.    Die  letzteren  fünf  bilden 
zusammen  die  xaxanXoxfi  xrfi  aQfiovtag.^)     Sie  sind  übrigens  die  Grundformen 
aller  prosaischen,  ja  selbst  der  poetischen  Darstellung  (wobei  freilich  über- 
sehen wird,  dass  doch  dem  ^v^fnog  in  der  Poesie  eine  ganz  andere  Bedeutung 
als  in  der  Prosa  zukömmt).     Durch  die  konkrete  Anwendung  der  iaviTr^c 
aber   auf  das  Gebiet   der  rednerischen  Prosa,   d.  h.   also  durch    die    Ver- 
mischung sämtlicher  Ideen  (natürlich  nicht  aller  zu  gleicher  Zeit)  entsteht 
der  Xoyog  noXitixog,  die  vollkommen  kunstmässige  Beredsamkeit,   wie  sie 
im  öffentlichen  Leben  in  den  drei  Gattungen  der  gerichtlichen,  beratenden 
und  epideiktischen   Rede  zur  Geltung  kömmt.     Bei  der  beratenden   Bede 
überwiegt  die  Idee  der  Grösse,  das  Ethos  tritt  zurück.    In  der  eigentlichen 
Gerichtsrede  überwiegt  das  Ethos,  ätpeXeia  und  imeixtm:  die  ßaQvrtjg  tritt 
zurück;  die  Grösse  liegt  in  der  Ausführlichkeit  der  Gedanken.     Im  eigent- 
lichen Panegyrikus   tritt   die  Grösse  mit   Ausschluss   der  Schroffheit    und 
Heftigkeit  in  den  Vordergrund,  überall  durchwebt  mit  Naivität  und  Lieb- 
lichkeit.    Er  ist  fast  ganz  Erzählung,  daher  fällt  die  Lebhaftigkeit  der  Dar- 
stellung fast  ganz  weg.  —  Auf  die  späteren  Römischen  Rhetoren   ist  die 
Idcenlehre  ohne  Einfluss  geblieben. 

Vgl.  Volkmann,  Rhetorik  S.  532 — 562.  Gegen  den  Zusammenhang  der  Ideenlehre 
mit  der  Lehre  von  den  Stilarten  polemisiert  H.  Liers,  Zur  Geschichte  der  rhetorischen  Ideen- 
lehre in  Jahn's  Jahrh.  1885  S.  577     589.  Doch  s.  C.  Josephy,  der  orat.  Numerus  S.  1—28. 


5.  Die  Lehre  vom  Gedächtnis  und  dem  Vortrag. 

13.  Mit  den  Vorschriften  über  Invention,  Disposition  und  rednerischen 
Ausdruck  hat  die  Rhetorik  im  wesentlichen  ihre  Aufgabe  erschöpft.  Was  als 
vierter  und  fünfter  Teil  sich  anschliesst,  ist  nichts  als  ein  Anhang  praktischer 
Bemerkungen.  Zunächst  für  das  Memorieren  der  Rede,  worunter  das  wört- 
liche Auswendiglernen  einer  vollständig  fertiggestellten  schriftlichen  Aus- 
arbeitung zu  verstehen  ist.  Die  Einführung  der  Mnemonik  in  den  Bereich 
der  Technik  ist  nacharistotelisch.     Es  wird  bei  Cornificius  und  Quintilian  -) 


')  Hermog.  p.  268.  274.  So  auch  bei 
den  Kommentatoren,  vgl.  Rh.  Gr.  V,  4()0. 
Es  ist  durchaus  irrig,  wenn  Baumoart,  Ari- 
stid.  S.  224  behauptet,  dass  der  Begriff  der 
deiyoTt]^  bei  Hermogenes  eine  MittelsteUung 


zwischen  den  Ideen  und  dem  Xoyog  noXtnx6<: 
einnimmt.  Es  sollte  dies  der  Fall  sein,  ist 
aber  nicht  wirklich  der  Fall. 

2)  Rh.  Gr.  V,  440. 

^)  Comif.  111,    16—24    (auch    in    einer 


5.  Die  Lehre  vom  Gedächtnie  und  dem  Vortrag.  (§  13.)  675 

die  Verwendung  von  öedächtnisörtern,  die  man  sich  zu  jeder  beliebigen 
Zeit  vergegenwärtigen  kann,  und  die  Verbindung  des  zu  lernenden  Stoffes 
mit  den  Örtern  durch  Gedächtnisbilder  empfohlen,  dasjenige  Verfahren 
also,  dessen  sich  die  Mnemonik  noch  gegenwärtig  bedient.  Für  solche, 
die  sich  dieses  Verfahrens  als  eines  zu  umständlichen  nicht  bedienen  wollen, 
giebt  Quintilian  noch  allerlei  sonstige  Ratschläge,  die  sich  freilich  im  Grunde 
alle  von  selbst  verstehen.  Man  soll  eine  längere  Rede  nach  kleineren  Teilen 
lernen,  immer  nach  dem  Konzept,  sich  dabei  womöglich  Seiten  und  Zeilen 
merken,  auf  denen  das  einzelne  steht,  um  dann  beim  Hersagen  das  Ganze 
gleichsam  abzulesen;  man  soll  femer  mit  halblauter  Stimme  memorieren. 
Je  besser  die  Rede  disponiert,  je  sorgfältiger  sie  ausgearbeitet  und  kom- 
poniert ist,  desto  leichter  lernt  sie  sich  auswendig.  Dem  frischen  Ge- 
dächtnis soll  man  nicht  allzuviel  trauen.  Viel  besser  sitzt  das,  was  man 
abends  zuvor,  als  was  man  erst  im  Laufe  des  Tages  gelernt  hat. 

Auch  der  Vortrag,  vnoxqiai^^  actio,  ist  erst  spät,  d.  h.  seit  den 
Zeiten  der  Stoiker,  von  der  Technik  berücksichtigt  worden,  und  auch  hier 
sind  es  wieder  Cornificius  und  Quintilian,  welche  einigermassen  ins  einzelne 
gehen.  *)  Der  Vortrag  ist  die  äussere  Beredsamkeit,  die  auf  Ohr  und  Auge 
der  Zuhörer  wirkt  und  nicht  minder  als  die  innere,  durch  kunstmässige 
Gestaltung  den  Zuhörer  gewinnen,  überzeugen  und  belehren  will,  und  des- 
halb von  grosser  Wichtigkeit.  Ein  guter  Vortrag  verlangt  zunächst  eine 
vollkommen  deutliche,  fehlerfreie  Aussprache,  unterstützt  durch  ein  klang- 
reiches Organ  und  richtige  Verteilung  des  Atems,  ferner  durch  passende 
Minen  und  Gesten,  die  nichts  affektiertes  haben  dürfen,  und  eine  richtige 
Körperhaltung.  Schon  Chrysippus  teilte  die  vnoxQiaiq  ein  in  ndi^ri  {tdaatq) 
T/yc:  (fonn^g  und  axtif-iura  xov  tfüifiarog.  In  der  That  sind  vox,  vultus,  gestus 
und  corporis  hahitus  die  wesentlichen  Stücke,  auf  welche  beim  Vortrage 
zu  achten  ist. 

Morgenstern,  commentat.  de  arte  veterum  mnemonica  Dorp.  1835.  —  P.  Franzius, 
Eloquent,  exter.  spec.  ad  orat.  Cic.  pro  Archia  accommodat.  (ed.  Levezow,  BerJ.  1823).  -- 
Volkmann,  Rhetonk  S.  567-  580. 


Die  Leistungen  der  Alten  auf  dem  Gebiete  der  Rhetorik  verdienen 
im  ganzen  und  grossen  unsere  volle  Anerkennung.  Sie  geben  uns  ein  gut 
gegliedertes,  übersichtliches  System  von  Kegeln  und  Vorschriften,  welches 
auf  einer  klaren  Einsicht  in  Mittel  und  Zweck  der  Beredsamkeit  beruht 
und  von  dem  Bewusstsein  durchdrungen  ist,  „dass  die  Beredsamkeit  eine 
Kunst,  der  Redner  ein  Künstler,  jede  gute  Rede  endlich  ein  Kunstwerk 
sei,  und  als  solches  von  uns  müsse  betrachtet  und  gewürdigt  werden^. 
Die  wissenschaftliche  Behandlung  des  technischen  Materials  der  alten  Rhe- 
torik, der  Nachweis  ihrer  allmählichen  Entwicklung,  ihres  Einflusses  auf 
einzelne  Autoren  wie  ganze  Litteraturgattungen,   die  Analyse  rhetorischer 


Griechischen  Obersetzung  des  Maximus  P)a- 
nudes  vorhanden).  Quint.  XI,  2  17—22. 
27    49.     Vgl.  Cic.  de  or.  II,  86.    Aus  Quin- 


tilian scbdpften    Fortunat.    p.  128  ß.  Mart. 
Cap.  p.  483. 

>)  Cornif.III,  11  flF.  Quint.  XI,  3  ff. 

43* 


676 


D.  Rhetorik. 


Kunstwerke  mittelst  des  von  der  Technik  gebotenen  Massstabes,  i)  ifare 
Verwertung  für  die  Exegese  der  Schriftsteller,  namentlicfa  der  Historiker 
und  Dichter,  die  Verifizierung  ihrer  Regeln  durch  monographische  Einzel- 
untersuchungen, vor  allem  über  die  rhythmischen  Kompositionsgesetze  an- 
erkannter Stilisten,  bieten  der  philologischen  Forschung  noch  gegenwärtig 
ein  weites,  ergiebiges  Arbeitsfeld. 


*)  In  dieser  Hinsicht  sind  als  lehrreich 
zu  empfehlen  die  betreffenden  Abschnitte 
aus  E.  W.  Wkbeb's  Kommentar  zu  Demosth. 


in  Aristocr.  Jen.  1845,   sowie  W.  Fox,   Die 
Kranzrede  des  Demosthenes,  Leipz.  1880. 


E. 


Metrik  der  Griechen  und  Römer 


mit  einem  Anhang  über  die  Mnsik  der  Grieclien 


neubearbeitet  von 


Hugo  Gleditsch, 

ProfeKor  uud  Oberlehrer  am  Wllhelms-Oymnasiimi  zw  Berlin. 


Inhalt. 

a)  Einleitung  in  die  Metrik. 

1.  Begriff  nnd  Einteilung. 

2.  BhjthmiBche  und  metrische  Theorie  der  Alten. 

3.  BearbGltungen  durch  die  Neueren. 

b)  Rhythmisohe  Fnndamentaltheorie. 

1.  Bbythmus  und  Bhythmlzomcnon. 

2.  Cbronoi  und  Silben. 

3.  Die  Füne. 

4.  Die  Kola. 

5.  Die  Perloden. 

6.  Bysteme  und  Strophen. 

7.  Poetische  Kompoeitionaform. 

c)  Metrik  der  Griechen. 

1.  EntWickel  ung  der  metrischen  Kunst  bei  den  Oriechcn. 

2.  Die  Metra  der  Griechen. 

I.  Die  einfachen  Metra. 
II.  Die  zusammengesetzten  Metra. 
IIL  Die  gemischten  Metra  (Logaoeden). 
IV.  Die  Dochmicn. 

3.  Metrischer  Bau  und  Vortrag  der  griechischen  Dichtungen 

d)  Metrik  der  Bömer. 

1.  Entwlckolung  der  metrischen  Kunst  bei  den  Römern. 

2.  Die  Metra  der  Römer. 

I.  Die  uaiiouale  Form  der  italischen  Dichtung. 
II.  Die  freiere  Nachahmung  der  griechischen  Metra, 
nr.  Die  strengere  Nachbildung  der  griechischen  Metra. 

e)  Anhang.    Mnsik  der  Griechen. 


Einleitung  in  die  IMetril(. 


1.  Begriff  und  Einteilung. 

1.  Metrik  als  Kunst  hat  die  rhythmische  Gestaltung  des  poetischen 
Kunstwerks  zu  ihrer  Aufgabe,  sie  ist  also  ein  Teil  der  Dichtkunst.  Gleich- 
zeitig ist  sie  aber  auch  ein  Zweig  der  rhythmischen  Kunst,  nämlich  der- 
jenige, welcher  den  Rhythmus  in  der  menschlichen  Rede  {^t'^tg)  zum  Ausdruck 
bringt,  und  ist  als  solcher  der  Harmonik  und  der  Orchestik  koordiniert, 
von  denen  die  erstere  die  Darstellung  des  Rhythmus  in  den  Klängen  der 
Musik  {jieXog),  die  letztere  in  den  Bewegungen  des  menschlichen  Körpers 
{xivrflig  awiictvixrj)  zum  Gegenstande  hat. 

Metrik  als  Wissenschaft  ist  die  Lehre  von  den  rhythmischen 
Formen  der  Poesie.  Sie  zerfällt  in  einen  allgemeinen  Teil,  welcher  die 
Prinzipien  aufstellt,  nach  denen  diese  Formen  gebildet  sind,  und  in  einen 
speziellen,  worin  sie  einzeln  vorgeführt  und  in  ihrer  historischen  Entwicke- 
lung  betrachtet  werden. 

Die  Quellen  für  eine  Darstellung  der  antiken  Metrik  sind  teils  die 
theoretischen  Schriften  der  Alten  über  Rhythmik  und  Metrik,  teils  die 
Dichtwerke  selbst,  welche  aus  dem  Altertume  erhalten  sind. 

Die  vorliegende  Darstellung  der  Metrik  der  Griechen  und  Römer 
giebt  zunächst  einen  kurzen  Überblick  über  die  theoretische  Behandlung  dieser 
Disziplin  bei  den  Alten  und  Neueren;  dann  eine  allgemeine  rhythmisch- 
metrische Fundamentaltheorie  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  griechi- 
schen Dichtung.  Die  nachfolgende  spezielle  Behandlung  der  Metra  sondert 
sich  nach  den  beiden  Völkern  in  zwei  Hauptteile,  da  die  Entwickelung  der 
römischen  Metrik  eine  besondere  Betrachtung  erfordert,  weil  sie  teils  ganz 
unabhängig  von  der  griechischen,  teils  abhängig  von  ihr  —  anfangs  in  ge- 
ringerem, später  in  höherem  Grade  —  erfolgt  ist. 

Jedem  dieser  beiden  Hauptteile  geht  eine  gedrängte  Übersicht  über 
den  Entwicklungsgang  voraus,  den  die  metrische  Kunst  einerseits  bei  den 
Griechen,  andrerseits  bei  den  Römern  genommen  hat. 

Die  spezielle  Metrik  der  Griechen  ordnet  sich  in  der  Weise^  dass 
zuerst  die  einfachen  Metra  nach  den  verschiedenen  Rythmengeschlechtern, 
dann  die  zusammengesetzten  und  gemischten,  endlich  die  Dochmien  behandelt 


680 


E.  Metrik,    a)  Eiideitimg  in  die  Metrik. 


werden  und  jedesmal  von  den  einfacheren  Formen  zu  den  kunstvolleren 
Bildungen  aufgestiegen  wird.  Daran  schliesst  sich  eine  kurze  Darstellung 
des  metrischen  Baues  und  des  Vortrags  der  epischen,  lyrischen  und  drama- 
tischen Dichtungen  der  Griechen. 

Die  spezielle  Metrik  der  Römer  zerfallt,  dem  Verbältnisse  der  römi- 
schen Dichtung  zu  der  griechischen  entsprechend,  in  drei  Abschnitte:  die 
nationale  Entwickelung  der  italischen  Dichtungsform,  die  freiere  Nach- 
ahmung der  griechischen  Metra,  die  strengere  Nachbildung  der  griechischen 
Kunstformen. 


2.  Rhythmische  und  metrische  Theorie  der  Alten. 

3.  In  der  Blütezeit  der  musischen  Kunst  ging  die  Theorie  derselben 
mit  der  Praxis  Hand  in  Hand,  und  die  älteren  Meister  unterwiesen  durch 
Anleitung  und  Vorbild  die  jüngeren  Männer  in  den  Regeln  der  Kunst. 
Entsprechend  der  Weise  des  künstlerischen  Schaffens  wurde  in  dieser  Zeit 
die  Metrik  im  engsten  Anschlüsse  an  die  anderen  musischen  Künste,  die 
Harmonik  und  Orchestik,  behandelt:  sie  war  eine  auf  die  Sprache  ange- 
wandte Rhythmik.  0 

Schon  in  früher  Zeit,  nicht  lange  nach  den  Perserkriegen,  traten 
Techniker  ^)  auf,  welche  sich  nicht  sowohl  als  schöpferische  Künstler  als  viel- 
mehr als  Lehrer  der  Kunst  Ansehen  erwarben,  wie  Lasos,  Lamprokles, 
Dämon.  In  diesen  Kunstschulen,  als  deren  Mittelpunkt  Athen  erscheint, 
bildete  sich  allmählich  eine  Theorie  der  Te'xvrj  ixovaixrj  aus,  und  einzelne 
von  diesen  Kunstlehrern  schrieben  für  ihre  Schüler  als  Grundlage  des 
Unterrichts  praktische  Kompendien.^) 

Der  erste'  Theoretiker,  welcher  eine  wissenschaftliche  Darstellung  der 
rhythmischen  Theorie  gab,  war  Aristoxenos  aus  Tai-ent,  der  in  seiner  Ter- 
minologie und  Systematik  oflfenbar  auf  den  mündlichen  Lehren  der  älteren 
Meister  fusst  und  selbst  für  die  nachfolgenden  Theoretiker  die  wichtigste 
Quelle  geworden  ist.  Aus  einer  Musikerfamilie  stammend  und  in  Athen, 
Theben,  dem  Peloponnes  gebildet,  einer  der  ausgezeichnetsten  Schüler  des 
Aristoteles,  war  er  im  Besitze  aller  der  praktischen  und  theoretischen  Kennt- 
nisse, welche  die  Darstellung  der  musikalischen  und  rhythmischen  Gesetze 
erforderte.  Von  seinen  zahlreichen  Schriften  kommen  für  die  Metrik  am 
meisten  seine  „Rhythmischen  Grundzüge"  (Pvd^nixd  axoix^Ta)  in  Betracht, 
von  welchen  leider  nur  Bruchstücke  erhalten  sind,  zum  teil  in  byzantini- 
schen Excerpten  (bei  Michael  Psellos). 

Als  in  der  Zeit  nach  Alexander  d.  Gr.  das  innige  Band  sich  löste, 
welches  früher  die  drei  musischen  Schwesterkünste  verknüpft  hatte,  und 
man  anfing  bloss  für  Lektüre  und  Rezitation  zu  dichten,  trennte  sich  auch 
die  Metrik  als  selbständige  Disziplin  von  der  Rhythmik  und  Harmonik. 
Während  die  musikalische  Theorie  die  Mathematiker  übernahmen,  fiel  die 
Metrik  den  Grammatikern  anheim,   die  sie  für  die  Behandlung  der  alten 


0  Vgl.  Plato  Reip.  III.  p.  398  D.  E.  Legg. 
II,  p.  655. 

2)  PJato  Cratyl.  p.  424  C. 


^)  Suid.    V.    Atiaog,   -n^torog  ovrog    ne^i 
fÄOvaixijg  Xoyoy  eyQatpe. 


2.  BhythmiBohe  tind  metrisohe  Theorie  der  Alten.  (§  2.) 


681 


Dichter  brauchten.  Diese  stellten  ein  metrisches  System  auf,  welches 
zwar  in  seinen  Grundlagen  auf  die  rhythmische  Tradition  der  klassischen 
Zeit  zurückgeht,  aber  nicht  mehr  auf  einer  gründlichen  Kenntnis  der 
Rhythmik  im  einzelnen  beruht.  Denn  sie  vernachlässigten  das  Studium 
der  alten  Rhythmiker  und  Musiker  und  kümmerten  sich  nicht  um  das  Melos 
der  lyrischen  und  dramatischen  Dichtungen,  sondern  begnügten  sich  mit 
einer  allgemeinen  Kenntnis  der  überlieferten  metrisch-rhythmischen  Nomen- 
klatur, hielten  sich  aber  im  übrigen  an  den  überlieferten  Text  der  Dichter. 
Je  mehr  ihnen  im  Laufe  der  Zeit  das  klare  Bewusstsein  von  der  eigentlichen 
Bedeutung  der  alten  Termini  schwand,  desto  mehr  gerieten  sie  in  Missver- 
ständnisse des  Überlieferten  und  Verkehrtheiten,  wo  sie  Neues  selbständig 
hinzufugten.  Wer  dieses  metrische  System  aufgestellt  hat,  ist  nicht  bekannt. 
Aristophaues  von  Byzanz  und  Aristarch  beschäftigten  sich  zwar  auch  mit 
Metrik  und  Kolometrie  (Dionys.  de  comp.  22.  26),  aber  von  besonderen 
Schriften  derselben  über  Metrik  erfahren  wir  nichts. 

Die  erste  Darstellung  der  Metrik,  von  der  wir  hören,  ist  die  des 
Römers  M.  Terentius  Varro  (geb.  116  v.  Chr.),  welcher  im  vierten  Buch 
seines  Werks  De  sernione  latino  die  Theorie  der  Metrik  behandelte. 

Unter  den  Metrikern  der  römischen  Kaiserzeit  treten  drei  Männer  in 
den  Vordergrund,  deren  Schriften  vor  andern  von  den  späteren  vielfach 
benutzt  und  ausgeschrieben  wurden,  der  Römer  Gaesius  Bassus  und  die 
beiden  Griechen  Heliodoros  und  Hephaestion.  —  Caesius,  der  zur  Zeit 
Neros  lebte,  ein  Freund  des  Persius,  galt  für  einen  vir  doctus  atque  eruditus 
und  war  selbst  Dichter;  von  seinem  wertvollen  Werke  „De  metris**  sind 
umfangreiche  und  wertvolle  Bruchstücke  vorbanden  (Gramm.  Lat.  VI, 
p.  255 — 71  K).  —  Heliodor,  ein  alexandrinischer  Grammatiker  im  Zeit- 
alter Hadrians,  6  fxcTQixog  genannt,^)  schrieb  ein  Werk  Ttegi  luxqoav  und 
veranstaltete  eine  metrische  ixdoaig  des  Aristopbanes  mit  Kommentar.  — 
Hephaestio,  gleichfalls  alexandrinischer  Grammatiker,  Zeitgenosse  des 
Antoninus  Pius,  verfasste  ein  umfangreiches  Werk  über  die  Metrik  in  48 
Büchern,  woraus  sein  'Eyx^iQfSiov  negi  fiärgcov  xal  negi  noirjiiaTog  ein 
von  ihm  selbst  angefertigter  Auszug  ist.  Es  ist  das  vollständigste  Handbuch 
der  Metrik,  welches  uns  aus  dem  Altertum  erhalten  ist,  und  eine  der  wich- 
tigsten Quellen  der  Metrik. 

Varro  und  Caesius  sind  Vertreter  der  sogenannten  Derivations- 
theorie, welche  alle  Metra  aus  dem  daktylischen  Hexameter  und  iambischen 
Trimeter  durch  adiectio,  detractio,  condnnatio,  pennutatio  Meitet.^)  Dieses 
metrische  System,  welches  man  als  „das  ältere'*  zu  bezeichnen  pflegt, 
hatte  wesentlich  praktische  Zwecke,  es  war  für  die  imitatio  bestimmt  und 
sollte  zu  eigener  Produktion  befähigen.  Offenbar  geht  diese  Theorie  auf 
einen  griechischen  Grammatiker  zurück,  dies  zeigen  namentlich  auch  die 
überlieferten   griechischen   Termini    iiäxqa    naqaywyd^    ^QX^^Y^va^  xofifiaTa, 


')  Mar.  Victor,  in  Gr.  L.  VI,  p.  94  K. 
inter  Graecos  huiusce  ttrtis  aniistes  aut  pri- 
mu8  aut  8olu8. 

^)  Varro  bei  Caesius  in  Gramm.  Lat.  VI, 


p.  271  E.:  amnia  metra  varianiur  aut  ad- 
iectione  aut  detractione  aut  eoncmnatione 
ßut  permuttttione. 


682  B-  Metrik,    a)  Einleitang  in  die  Metrik. 

aQXTfxd,  teXtxa;  wer  dies  gewesen,  ist  unbekannt.    Fr.  Leo  (Hermes  XXIV, 
S.  286  if.)  denkt  an  den  Pergamener  Krates  von  Mallos. 

Heliodor  und  Hephaestion  sind  die  Vertreter  eines  anderen  (des 
sog.  jüngeren)  Systems,  welches  unzweifelhaft  alexandrinischen  Ursprungs 
ist.  Es  ist  das  System  der  fie'tQa  nqwxotvna  und  wird  charakterisiert 
durch  die  Antispastentheorie,  welche  nicht  auf  alter  rhythmischer  Tradition, 
sondern  auf  grammatischer  Reflexion  beruht  und  viel  Verwirrung  in  der 
Behandlung  der  Metrik  erzeugt  hat.  Ihr  Urheber  ist  wahrscheinlich  Heliodor. 

Die  späteren  lateinischen  Metriker  schlössen  sich  in  ihren  Kom- 
pendien vorwiegend  an  Caesius  und  an  Heliodor  an.  Es  sind  unter  ihnen 
hervorzuheben:  Juba  (im  3.  Jahrb.),  der  Verfasser  eines  umfassenden 
metrischen  Handbuchs,  das  von  den  Späteren  viel  benützt  wurde,  ^  uns 
aber  nicht  mehr  erhalten  ist,  ein  Anhänger  des  Heliodor  {insistetis  Heliodari 
vesHgiis) ;  er  führte  die  8  metra  principalia  bei  den  Römern  ein,  hat  aber  auch 
Caesius'  Werk  benützt;  Terentianus  Maurus  (im  3.  Jahrb.),  von  dem 
ein  versifiziertes  Lehrbuch  der  Metrik  unter  dem  Titel  „De  lUteris  de  syU 
lahis  de  metris  lihri  III''  auf  uns  gekommen  ist,  worin  sich  Abhängigkeit 
von  Caesius  zeigt;  der  Rhetor  C.  Marius  Victorinus  (4.  Jahrb.),  der 
in  seiner  „Ars  grammatica  de  orthographia  et  de  metrica  raihne*'  den 
Aphthonius,  einen  jüngeren  Zeitgenossen  des  Juba,  ausgeschrieben  hat. 
Bei  ihm  und  ebenso  bei  Diomedes  (4.  Jahrb.)  im  3.  Buche  seiner  „Ars 
grammatiea*'  zeigt  sich  eine  Vereinigung  der  beiden  Systeme,  indem  sowohl 
die  Theorie  der  nQwxinvna  als  die  der  derivata  vorgetragen .  wird.  —  Die 
Schriften  der  lateinischen  Grammatiker,  welche  sich  auf  die  Metrik  beziehen, 
sind  gesammelt  in  H.  Keils  Grammatici  latini,  s.  S.  686. 

Die  griechischen  Metriker  der  römischen  und  der  byzantinischen 
Zeit  stehen  fast  alle  im  Abhängigkeitsverhältnisse  zu  Hephaestio.  Unab- 
hängig und  in  einzelnen  Punkten  abweichend  von  ihm  ist  der  Abriss 
der  Metrik  in  der  encyklopädischen  Schrift  negl  ^lovatxr^g  des  Aristides 
Quintilianus,^)  welcher  manches  Eigentümliche  enthält  und  für  uns  die 
ausführlichste  Quelle  über  die  Caesuren  ist.  Dagegen  ist  der  Grammatiker 
Oros  ein  Kommentator  des  Encheiridions,  ebenso  der  neuplatonische  Philo- 
soph Longinos  (3.  Jahrb.),  von  dem  in  den  Schollen  zu  Hephaestio 
die  Prolegomena  und  andere  Bestandteile  herrühren.  Diese  Scholien- 
sammlung^)  ist  eine  der  wichtigten  Quellen  für  die  metrische  Forschung, 
weil  sie  vielfach  auf  die  grösseren  Werke  des  Hephaestio  und  ältere  Me- 
triker zurückgeht.  —  Die  byzantinischen  Kompilationen  und  Machwerke 
eines  Tricha,  Isaak  Monachos,  Manuel  Moschopulos  (Pseudo-Drako)  und  der 
Gebrüder  Tzetzes  sind  für  die  metrische  Forschung  von   geringem  Werte. 

Neben  der  mehr  äusserlichen  Behandlung  der  Metrik  durch  die  Gram- 

')  Mar.  Victor,  in  Gramm.  Lat.  VI,  p.  94  K.  1  ^)  Sie  zerlegt  sich   nach  W.  Hörschkl- 

qni  inter  metricos  auctoritatem  primae  em-  I  kann  in   folgende  Bestandteile:    1)  Longins 

ditionis  obtinuit.  I  Kommentar  (Schol.  B.  1),  2)  Schol.  A.  (nach 

0  Freigelassener  des  Fabius  Quintilianus  '  Longin);  3.  Orus' Kommentar  (Schol.  B.  IV); 

nach  A.  Jahn  p.  XXIX  sq.;  nach   J.    Caesar,  4)  Chobroboscus'  Exegesis;  5)  Schol.  B.  II: 

De  Aristidis   aetate.    Marburg   1882    dem  3.  ,  (>)  "E/reroM?;  tcüi/ ii'>'6a  ^e'r^w»' (Schol.  B.  III); 

.lahrh.    angehörig.      Wg].    Fr.    Blass,     Über  7)  Ein  byzantin.  Kompendium   (Schol.  B.  V.) 

die  Aussprache  des  Griech.  Berlin  1888.  S.  67.  , 


8.  Bearbeitungen  dnroh  die  Neueren.  (§  3.)  683 

matiker  ging  die  rhythmische  Theorie  der  Musiker  einher,  welche  in  Ale- 
xandria und  Rom  gelehrte  Vertreter  fand.  Insbesondere  machte  der  jüngere 
Dionysios  von  Halikarnass  (unter  Hadrian),  o  fiovaixog  genannt,  auch 
die  Rhythmik  zum  Gegenstände  eines  eifrigen  Studiums.  —  Erhalten  ist 
uns  eine  Darstellung  der  Rhythmik  als  Teil  eines  grösseren  Werks  über 
Musik  von  dem  oben  erwähnten  Aristides  Quintilianus,  welche,  obgleich 
sie  selbst  nur  als  Kompilation  gelten  kann,  doch  von  grosser  Wichtigkeit 
für  unsere  Kenntnis  der  Rhythmik  ist,  wertvoll  insbesondere  auch  durch 
die  im  2.  Buche  enthaltenen  Notizen  über  das  rjx^og  der  verschiedenen 
Rhythmen.  Eine  Übersetzung  von  Aristides'  erstem  Buch  bietet  Mar- 
tianus  Capeila  lib.  IX.  —  Ausserdem  liegt  eine  kurze  Darstellung  der 
Rhythmik  vor  in  der  Eiaaywytj  re'xvrjg  fiovtnxijg  von  Bakcheios  und  ein 
rhythmischer  Abschnitt  in  der  von  Bellermann  edierten  Schrift  eines 
Anonymus  negl  ^ovcrrx^^;  ferner  Exzerpte  aus  Aristoxenos  in  den  JlgoXaii* 
ßav6^i€va  des  Byzantiners  Michael  Psellos  und  ein  rhythmisches  Fragment 
in  einem  Pariser  Kodex  3027.  —  Alles  dies  ist  zusammen  herausgegeben 
von  R.  Westphal  (18C1  und  1867). 

3.  Die  Bearbeitungen  der  Metrik  durch  die  Neueren. 

3.  Zu  einem  gründlicheren  Verständnis  der  antiken  Metra  und  einer 
klareren  Einsicht  in  ihren  Bau,  soweit  es  sich  nicht  um  die  allergewöhn- 
lichsten  Versarten  handelte,  hat  sich  die  philologische  Forschung  der  Neueren 
erst  verhältnissmässig  spät  erhoben.  Richard  Bentley  (f  1742)  war  der 
erste,  welcher  die  Kunstform  der  antiken  Dichtung  wieder  in  ihrem  wahren 
Wesen  zu  erkennen  begann.  Er  hat  zwar  seine  Erkenntnis  derselben  nicht 
in  ausführlicher  Weise  dargestellt,  aber  doch  in  seinen  kritischen  Ausgaben 
und  vielen  metrischen  Bemerkungen  zu  lateinischen  und  griechischen  Dichtem 
bekundet  und  besonders  in  seinem  „Schedidsma  de  metris  Terentianis''  (zu- 
erst Cambridge  1726)  die  Gesetzmässigkeit  des  Versbaues  auch  in  der 
römischen  Komödie  nachgewiesen.  Nach  ihm  stellte  der  Engländer  R.  Per- 
son (f  1808)  für  die  einfacheren  Versmasse  des  dramatischen  Dialogs  die 
metrischen  Grundregeln  mit  feiner  Beobachtung  im  einzelnen  fest  in  der 
Vorrede  zu  seiner  Ausgabe  von  Euripides'  Hecuba,  ohne  sich  indes  um  die 
lyrischen  Masse  zu  kümmern. 

Gleichzeitig  hatte  sich  in  Deutschland  unter  Anregung  von  J.  W. 
Reiz,  einem  Verehrer  Bentleys,  Gottfried  Hermann  zum  Metriker  heran- 
gebildet. Ausgerüstet  mit  feinem  Gefühle  für  Rhythmus  wurde  dieser, 
indem  er  von  den  Lehren  der  alten  Metriker,  besonders  des  Hephaestion, 
ausging  und  sie  stets  an  den  Werken  der  antiken  Dichter  selbst  mit 
kritischem  Scharfblick  prüfte,  der  Neubegründer  einer  wissenschaftlichen 
Metrik,  die  er  am  reifsten  und  vollkommensten  in  seinen  epochemachenden 
y.Elementa  doctrinac  mctrica&^  (1816),  einem  noch  heute  höchst  wertvollen 
Werke,  in  systematischer  Form  zur  Darstellung  brachte. 

J.  A.  Apel  und  J.  H.  Voss  erwarben  sich  das  Verdienst,  dass  sie 
auf  die  Mängel  des  Hermannschen  Systems  hinwiesen  und  rhythmische 
Prinzipien  auch  für  die  antiken  Metra  geltend  zu  machen  versuchten,  wo- 


684  B>  Metrik,    a)  Einleitung  in  die  Metrik 

bei  sie  allerdings  nicht  auf  die  alten  Rhythmiker  zurückgingen,  sondern 
die  Lehren  der  modernen  Musik  im  Auge  hatten. 

Einen  weiten  Schritt  über  G.  Hermann  hinaus  in  der  Förderung  der 
metrischen  Wissenschaft  that  August  Boeckh,  der,  durch  seine  pindari- 
sehen  Studien  zu  eindringender  Beschäftigung  mit  den  griechischen  Musi- 
kern und  Rhythmikern  geführt,  die  Metrik  wieder  in  ihrem  Zusammenhange 
mit  den  anderen  musischen  Künsten  auffassen  lehrte.  Er  war  der  erste, 
welcher  auf  die  grosse  Bedeutung  des  Aristoxenos  und  der  Rhythmiker  für 
die  metrische  Forschung  hinwies  und  damit  die  sichere  und  bleibende 
Grundlage  dieser  philologischen  Disziplin  legte.  Sein  Werk  „De  metris 
Pindari'^  (1811)  wurde  gleichfalls  epochemachend. 

Auf  Boeckh's  Forschungen  fussend,  lieferte  August  Rossbach  in 
selbständiger  Durcharbeitung  der  Quellen  eine  Rekonstruktion  der  antiken 
Rhythmik  in  ihrem  ganzen  Umfange  nach  Aristoxenos  (1854),  und  an 
dieses  grundlegende  Werk  schlössen  sich  die  teils  von  ihm  in  Gemeinschaft 
mit  Rudolf  Westphal,  teils  von  letzterem  allein  bearbeiteten  Darstellungen 
der  griechischen  Harmonik,  Rhythmik  und  Metrik  nach  den  Quellen  und 
eine  Reihe  verwandter  Arbeiten  an,  insbesondere  eine  Sammlung  und 
Erläuterung  der  Fragmente  des  Aristoxenos  und  der  anderen  Rhythmiker 
von  Westphal.^)  Die  glänzenden  Leistungen  dieser  beiden  Männer  sind 
für  alle  metrischen  Studien  die  unentbehrlichsten  Hilfsmittel. 

Von  den  Ergebnissen  der  Rossbach- WestphaFschen  Forschung  aus- 
gehend, unternahm  es  J.  H.  H.  Schmidt  in  einem  voluminösen  Werke 
von  vier  Bänden  (1868 — 1872)  „die  Kunstformen  der  griechischen  Poesie 
und  ihre  Bedeutung'^  ohne  Berücksichtigung  der  antiken  Theorie  «aus  den 
Meisterwerken  der  griechischen  Dichtkunst  selbst"  zu  erschliessen.  Er  er- 
strebte anfangs  nur  eine  Fortführung  und  Berichtigung  der  Annahmen 
seiner  beiden  Vorgänger,  fühlte  sich  aber  unter  K.  Lehrs*  einflussreicher 
Empfehlung  und  Förderung  später  dazu  berufen,  als  Eröflfner  neuer  Bahnen 
aufzutreten.  Er  stellte  die  „Eurhythmie*  d.  h.  die  Gliederung  der  Strophe 
nach  den  Gesichtspunkten  einer  rein  äusserlichen  Symmetrie,  welche  von 
Rossbach  und  Westphal  früher  angenommen,  später  aber  von  dem  letzteren 
wieder  aufgegeben  worden  war,  in  den  Mittelpunkt  seines  Systems  und 
schematisierte  die  Pindarischen  Oden  und  die  Ivrischen  Partien  der  drei 
Tragiker  und  des  Aristophanes  nach  diesem  Prinzipe.  Es  ist  unleugbar, 
dass  er  mit  feinem  und  entwickeltem  Sinne  für  rhythmische  Dinge  manches 
Beachtenswerte  geleistet  und  in  weiteren  Kreisen  anregend  gewirkt  hat; 
aber  infolge  der  Unwissenschaftlichkeit  und  Willkürlichkeit  seines  Ver- 
fahrens hat  er  unter  den  Philologen  nur  einen  beschränkten  Anhänger- 
kreis gefunden. 

Um  die  Erforschung  der  metrischen  Technik  der  römischen  Dichter 
erwarben  sich  nach  Gottfr.  Hermanns  grundlegenden  Arbeiten  besondere 
Verdienste  C.  Lachmann,  M.  Haupt  und  Fr.  Ritschi.     Die   Thätigkeit 


^)  Westphal  hat  sich  auch  das  Verdienst  f  sammeDhaDg   des  griech.  u.    ital.   Versbaus 

erworben,  in  seinem  Aufsatz:  Zur  vergleich.  mit    dem    alten     Erbgut    der    indogerman. 

Metrik  d.  indogerm.  Völker  in  Kühn's  Ztschr.,  [  Völkerfamilie  nachzuweisen, 
für  vergl.  Sprachf.  IX  (1860)  p.  437  ff.  den  Zu-  ,' 


8.  Bearbeitongeii  durch  die  Neueren.  (§  3.)  685 

der  beiden  ersten  war  vornehmlich  den  daktylischen  Dichtem  zugewendet, 
deren  metrische  Observanzen  bezüglich  der  Caesuren,  Elisionen,  Synizesen 
und  dergl.  durch  gewissenhafteste  Beobachtung  festzustellen  sie  bemüht 
waren.  Ritschi  hingegen  erforschte  in  kritischer  Arbeit  am  Plautus  die 
Regeln  des  Versbaues  der  lateinischen  Komiker  und  suchte  die  Quan- 
titätsverhältnisse der  scenischen  Dichtung  in  methodischer  Weise  zu  be- 
stimmen. 

An  Lachmanns  und  Haupts  Forschungen  anknüpfend  lieferte  Lucian 
Müller  in  seinem  bedeutenden  Werke  De  re  metrica  poetarum  Lati- 
norum  praeter  Plautum  et  Terentium  libri  Fi/ (1866)  die  erste  selbständige 
Darstellung  einer  Metrik  der  Römer,  worin  er  das  ganze  Gebiet  der  latei- 
nischen Dichtung  bis  in  die  spätesten  Zeiten  —  mit  Ausnahme  der  älteren 
Sceniker  —  umspannte  und,  der  Richtung  seiner  Vorbilder  getreu,  die  me- 
trischen Erscheinungen  vom  grammatischen  Standpunkte  aus  betrachtete. 
An  dieses  Werk  schlössen  sich  zahlreiche  Spezialarbeiten  desselben  Ge- 
lehrten über  den  metrischen  Gebrauch  einzelner  Dichter  in  den  von  ihm 
besorgten  Ausgaben  derselben  und  andere  wertvolle  Beiträge  zur  lateinischen 
Metrik,  unter  welchen  die  als  „Einleitung  in  das  Studium  der  römischen 
Poesie"  bezeichnete  Schrift  über  Quintus  Ennius  hervorzuheben  ist;  auch 
kompendiarische  Darstellungen  der  Metrik  und  Prosodik  in  lateinischer  und 
deutscher  Sprache. 

Eine  das  bisher  Geleistete  zusammenfassende  und  zwischen  den  ver- 
schiedenen Richtungen  vermittelnde,  aber  auf  ausgebreiteter  selbständiger 
Forschung  ruhende  übersichtliche  Bearbeitung  der  metrischen  Disziplin  bot 
in  seiner  „Metrik  der  Griechen  und  Römer**  (1874,  2.  A.  1879)  Wilhelm 
Christ  dar,  welcher  sich  auch  durch  eine  grosse  Anzahl  von  Einzelunter- 
suchungen auf  metrischem  Gebiete  verdient  gemacht  hat. 

In  den  letzten  Jahren  haben  die  metrischen  Studien  —  auch  ausser- 
halb Deutschlands  —  einen  lebhaften  Aufschwung  genommen  und  sich  den 
verschiedenen  Gebieten  der  Forschung  mit  regem  Eifer  zugewendet.  Unter- 
suchungen über  die  antike  Theorie  und  ihre  Vertreter,  namentlich  durch 
W.  Studemund  und  seine  Schüler,  über  verschiedene  rhythmische  Probleme 
und  prosodische  Fragen,  über  den  Einfluss  des  Wortaccents  resp.  der  Be- 
tonung auf  den  Versbau,  über  die  Entstehung  und  Technik  des  epischen 
Verses  der  Griechen,  über  den  Strophenbau  bei  Pindar  und  den  Drama- 
tikern, über  den  altgriechischen  und  den  altitalischen  Versbau,  über  die 
Versbildung  bei  den  lateinischen  Komikern  und  die  Komposition  ihrer 
Cantica  und  mancherlei  andere  Gegenstände  zeugen  von  dem  Interesse  und 
der  Ausdehnung  dieses  Studiums. 

Die  Gesichtspunkte,  von  denen  die  nachfolgende  Darstellung  der  Metrik 
ausgeht  und  die  sie  als  wesentlich  für  ein  erfolgreiches  Betreiben  dieser 
Disziplin  ansieht,  sind  folgende: 

1 .  Die  metrische  Forschung  hat  nicht  nur  auf  die  aus  dem  Altertume 
überlieferten  Dichterwerke  zurückzugehen,  sondern  ebenso  sehr  auf  die 
Lehren  der  alten  Theoretiker,  soweit  diese  aus  guter  Quelle,  insbesondere 
aus  Aristoxenos,  geschöpft  sind,  und  hat  diesen  gegenüber  alle  individuellen, 
auf  modernem   Taktgefühl  beruhenden   Ansichten    und  Meinungen   unter-^ 


6g6  fi.  Metrik,    a)  Einleitung  in  die  Metrik. 

zuordnen;  doch  wird  einer  blinden  Überschätzung  des  Aristoxenos   damit 
nicht  das  Wort  geredet. 

2.  Da  die  griechischen  Metra  fast  ausnahmslos  in  engster  Verbiiidung 
mit  dem  Qesange  entstanden  sind,  so  ist  zu  ihrem  vollen  Verständnis  die 
Kenntnis  der  rhythmischen  Gesetze  unentbehrlich;  insbesondere  gilt  dies 
von  den  Massen  der  ausdrücklich  fQr  den  Gesang  bestimmten  Dichtungen. 

3.  Diejenigen  Metra  der  Griechen,  welche  aus  ihrer  Verbindung  mit 
dem  Gesänge  sich  gelöst  hatten  und  der  blossen  Deklamation  dienten,  und 
ebenso  die  sämtlichen  Versmasse  der  Römer,  welche  sie  von  den  Oriechen 
übernommen  hatten,  haben  es  allerdings  nur  mit  dem  Gegensatze  von  metri- 
scher Länge  und  Kürze  zu  thun,  aber  bei  ihnen  kommt  ausserdem  die  fSr 
den  Vortrag  unerlässliche  Rücksicht  auf  die  Wortbetonung  in  Betracht,  da  die 
Versbetonung  zwar  gewisse  Abweichungen  von  der  gewöhnlichen  Aussprache 
sich  gestatten,  aber  nicht  in  einen  grellen  Widerspruch  mit  ihr  treten 
durfte.  In  besonderem  Grade  gilt  dies  von  den  Versmassen  der  lateinischen 
Sceniker,  in  denen  die  unleugbare  Übereinstimmung  von  Wortbetonung  und 
Versiktus  auf  ein  naturgemässes  Bestreben  der  Dichter  zurückzuführen  ist. 

4.  Auch  eine  typisch  gewordene  Vers-  oder  Strophenform  ist  darum 
noch  keine  völlig  erstarrte  und  durchaus  unabänderliche,  sondern  unterliegt 
immer  noch  der  Weiterbildung  und  dem  Wechsel,  welchen  Zeiten  und  Per- 
sonen herbeiführen.  Es  ist  die  Aufgabe  der  metrischen  Forschung,  diese 
Entwickelung  in  ihrem  Verlaufe  zu  verfolgen,  den  wechselnden  Gebrauch 
der  verschiedenen  Zeiten  und  Dichter  festzustellen  und  die  Gründe  dieser 
Wandelungen  aufzusuchen. 

Griechische  Rhythmiker  und  Metriker:  Die  Fragmente  und  die  Lehrs&tze  der 
griech.  Rhythmiker  von  R.  Westphal.  Suppl.  z.  griecb.  Rhythmik  von  Auo.  Rossbach. 
Leipz.  1861.  —  Die  Fragmente  der  Rhythmiker  und  die  Musikreste  der  Gr.  von  R. 
Wesphal.  Suppl.  zum  1.  Bd.  der  Metrik  von  Rossbach  und  Westphal.  2.  A.  Leipz.  18C7. 
~  Scriptores  metrici  Graeci  ed.  R.  Westphal.  vol.  I.  Hephaestionis  de  metns  enchi- 
ridion  et  de  poemate  libellus  cum  scholiis  et  Trichae  cpitomis.  Adiecta  est  Prodi  chresto- 
mathia  grammatica.  Lips.  1866.  —  Anecdota  varia  graeca  et  latina  edd.  R.  Schoell  et  i». 
»Studemund,  vol.  I.  Anecd.  gr.  musica  metrica  gramm.  Berol.  1886.  —  Abistoxbnus*  Har- 
monische Fragmente.  Griech.  u.  deutsch  mit  krit.  u.  oxeget.  Commentar  u.  einem 
Anh.  die  rhythm.  Fragm.  d.  A.  enthaltend.  Hgg.  von  V.  Mabquard.  Berlin  1868.  Abi- 
stoxenus  von  Tarent  Melik  und  Rhythmik  des  class.  Hellenentums,  ühers.  u.  erl.  von  R. 
Westphal.  Leipz.  1883.  —  Abistidis  Quintiliani  de  metris  commentarius  emendatus  et  anuot, 
crit.  instr.  a  J.  Caksabe.  Marburg.  1862.  Ind.  lect.  J.  Caesar,  Die  Grundzöge  der  giiech. 
Rhythmik  im  Anschluss  an  Arist.  Q.  (Text.  p.  39—61).  Marb.  1861,  —  Abistidis  Quin- 
tiliani de  musica  libri  III  ed  A.  Jahmus  Berol.  1882.  —  Heliodobi  Colometriae  Aristo- 
phaneae  quantum  superest  ed.  Cabol.  Thiemakn.  Halle  1869.  —  Hephaestionis  Alex.  En- 
chiridion  nsQi  /jtxQtoy  xtd  noirj/iAcaejy  iterum  ed.  Th.  Gaisfobd.  Accedunt  Tebbktiakis 
Maurus  de  syllabis  et  metris  et  Pbocli  chrestom.  gramm.  2  voll,  Oxon.  1855.  Scholia 
H  cphaestionea altera  ed.  W.  Höbschelmann.  Dorpat.  (Ind.  lect.)  u.  Lips.  1882.  —  Scholia 
Hephaest.  Ambrosiana  ed  Studemund,  Anecd.  Var.  I.  p.  118-152.  —  G.  Choebobosci 
Exegesis  in  Hephaest.  enchiridion  ed.  W.  Hörschelmann,  in  Studemund.  Anecd.  varia  I,  p.  31 
bis  96.  -  Tractatus  Harleianusqui  dicitur  de  metris.  ed.  G.  Studemund,  Vratisl.  1887  Ind. 
lect.  —  Michael  Psellos  Prolambanomena  hg.  v.  J.  Caesar.  Rh.  Mus.  N.  F.  I,  S.  620  ff. 

Lateinische  Metriker:  Scriptores  Latini  rei  mctricae  ed.  Th.  Gaisfobd. 
Oxonii  1837.  —  Scriptores  artis  metricae.  Marius  Victorinus.  Maximus Victorinus.  Caesius 
Bassus.  Atilius  Fortunatianus.  Terentianus  Maurus.  Marius  Plotius  Sacerdos.  Rufinus. 
Mallius  Theodorus.  Fragm.  et  excerpta  metr.  ex  rec.  Henb.  Keilii  (Grammatici  Lat.  ex. 
rec.  H.  Kejlii  vol.  VI).  Lips.  1874.  —  Tebentianus  Maubus  e  rec.  L.  Santenii  ed.  v. 
Lennep.  Trai.  ad  Rh.  1825.  —  rec.  C.  Lachmann.  Berol.  183().  —  Diomedis  Artis  gramma- 
ticae  libri  III  in  Keil.  Grammat.  Lat.  I,  298  ff.  —  Sebvii  Marii  Honorati  De  centum  metris 
in  Keil.  Gramm.  Lat.  IV,  p.  456. 


8.  Bearbeitnngen  durch  die  Neueren.  (§  3.)  687 

Vgl.  im  AUg.  R.  Westphal,  Die  Tradition  d.  alten  Metriker.  Philol.  XX  (1863) 
p.  76  flf.  p.  238  ff.  Ders.  in  Rossbach-Wbstphal,  Gr.  Metrik  II,  2  (1865)  p.  4-172:  ,Dio 
Quellen  d.  Metrik"  und  in:  Gr.  Metrik  I,  2.  A.  1867  p.  24—232.  —  Fr.  Leo,  Die  beiden  metr. 
Systeme  des  Altertums  in:  Hermes  XXIV  S.  380  ff. 

Über  die  griechischen  Rhythmiker  und  Metriker  handeln:  A.  Rossbach,  De  He- 
phaestionis  Alex,  libris  et  de  reliquiis,  quae  aetatem  tulerunt,  metr.  Graecorum  scriptis 
disputatio.  p.  I.  Vratisl.  1857  (Progr.  acad.).  De  metricis  Graecis  disp.  II.  ib.  1858  (Ind. 
lect.).  —  H.  Keil,  Quaestiones  gramm.  Hai.  1860.  —  Fb.  Susbmibl,  De  fontibus  rhythmicae 
Aristidis  Qnintiliani  doctrinae  commentatio.  Gryph.  1866.  Ind.  lect.  —  0.  Hensb,  Helio- 
dorische  Untersuchungen.  Leipz.  1870.  —  J.  Cabsab,  De  Aristidis  Quintiliani  aetate.  Mar 
bürg.  Ind.  1882.  —  W.  Höbschelmakn,  Untersuchungen  z.  Gesch.  d.  griech.  Metriker. 
Die  Komposition  der  Hephaestio-Scholien,  Rh.  Mus.  36.  Bd.,  p.  260 ff.  1882.  Ders.,  Ein  griech. 
Lehrbuch  der  Metrik.  Dorpat  1888.  —  L.  Voltz,  De  nelia  Monacho,  Isaaco  Monacho, 
Pseudo-Dracone,  scriptoribus  metr.  Byzantinis.  Argent.  1866.  (Diss.  phil.  Argent.  XI.)  — 
G.  Rauscheb,  De  scholiis  Homericis  ad  rem.  metr.  pertinentibus.  Argent.  1886.  (ibid.) 
H.  Gbossmasn,  De   doctrinae  metr.  reliquiis  ab  Eustathio  servatis.    Argent.  1887. 

Über  die  latein.  Metriker:  H.  Keil,  Quaestiones  grammaticae,  Hai.  1860.  1871. 
1873  (Ind.  lect).  —  A.  Wilmanks,  De  M.  Terentii  Varronis  libris  ^mm.  Berol.  1864.  — 
H.  Wentzel,  Symbolae  criticae  ad  historiam  scriptorum  rei  metr.  latm.  Vratisl.  1858  (diss.). 
—  J.  Caesab,  De  nonnullis  metric.  lat.  locis.  Marburg  1874.  —  0.  Hbkse,  De  Juba  arti- 
grapho  adjectis  Artis  reliquiis  in  Acta  soc.  phil.  Lips.  IV.  (1875).  —  H.  Wentzel,  De  Juba 
metrico  p.  I.  Oppeln  1881.  Progr.  —  Gebe.  Schultz,  Quibus  auctoribus  Aelius  Festus 
Aphthonius  de  re  metr.  usus  sit.  Vratisl.  1885.  Ders.  Das  Kapitel  de  versuum  generibus 
bei  Diomedes  in :  Hermes  XXII,  S.  260  ff. 

Die  neueren  Darstellungen  der  Metrik:  G.  Hebmann,  De  metris  poetarum  Grae- 
corum et  Romanomm,  Lips.  1796;  Handbuch  der  Metrik^  Leipz.  1799;  Elementa  doctrinae 
metr.  Lips.  1816;  Epitome  doctrinae  metr.,  Lips.  1818.  4.  A.  1869.  —  J.  H.  Voss,  Zeit- 
messung d.  deutschen  Sprache.  Königsberg  1802.  —  J.  A.  Apel.  Metrik,  Leipzig.  2  Bde. 
1814.  1816.  2.  A.  1834.  -- A.  Boeckh,  Über  die  Versmaasse  des  Pindar^s,  Heidelberg  1809 
und  in  Wolf  und  Büttmann's  Museum  f.  AW.  II.;  De  metris  Pindari  libri  III.  Lips.  1811 
in  d.  Pindarausg.  vol.  I.  —  £.  Munk,  Die  Metrik  der  Griechen  u.  Römer.  Glogau  1834 
(nach  Boeckh's  Ansichten).  —  E.  v.  Leutsch,  Grundriss  z.  Vorlesungen  über  d.  griech.  Metrik. 
Göttingen  1841.  (Quellen-  und  Beispielsammlung.)  —  A.  Rossbach  und  R.  Westphal,  Me- 
trik d.  griech.  Dramatiker  und  Lyriker  nebst  d.  begleitenden  musischen  Künsten.  I.  Griech. 
Rhythmik,  v.  A.  R.  Leipz.  1854.    II.   1.  Harmonik  u.  Melopöie  d.  Gr.  von   R.    W.    1863. 

II.  2.  Allgem.  griech.  Metrik  v.  R.  W.  1865.  III.  Griecn.  Metrik  nach  den  einzelnen 
Strophengattungen  u.  metr.  Stilarten  von  A.  R.  u.  R.  W.  1856.  Supnlement  z.  griech. 
Rhythmik:  Die  Fragm.  u.  die  Lehrsfitze  d.  griech.  Rhythmiker  v.  R.  W.  1861.  —  Zweite 
Aufl.  besorgt  von  R.  Westphal  in  2  Bdn.  Leipz.  1867.  68.  I.  Rhythmik  u.  Harmonik  nebst 
d.  Geschichte  d.  musischen  Disciplinen.  II.  Die  allg.  und  spec.  Metrik.  —  Dritte  Aufl.  u. 
d.  T. :  Theorie  der  musischen  Künste  der  Hellenen  von  A.  R.  und  R.  W.  I.  Griech.  Rhyth- 
mik v.  R.  Westphal.   Leipz.  1885.   II.  Griech.  Harmonik  u.  Melopöie  v.  R.  W.  Leipz.  1886. 

III.  1.  Allg.  Theorie  d.  gnech.  Metrik  v.  R.  Westphal  u.  H.  Gleditsch.  L.  If^Sl.  IIL  2.  Spe- 
zielle griech.  Metrik  v.  A.  Rossbach  ist  demnächst  zu  erwarten.  —  L.  Mülleb,  De  re 
metrica  poetarum  latinorum  praeter  Plautum  et  Terentium  libri  VII.,  Lips.  1861.  Rei 
metricae  poetarum  latinorum  summarium.  Petropoli  (Lips.)  1878;  Metiik  d.  Griechen  u. 
Römer  (f.  Gymnasien)  mit  einem  Anhang:  EntwicKlungsgang  d.  antiken  Metrik.  Leipz.  1880 
(2.  A.  1884).  —  J.  H.  H.  Schmidt,  Die  Kunstformen  d.  griech.  Poesie  und  ihre  Bedeutung. 
4  Bde.  I.  Die  Eurhythmie  in  den  Chorgesängen  der  Gr.  Leipzig  1868.  II.  Die  antike 
Kompositionslehre  1869.    III.  Die  Monodien  und  Wechselgesänge  der  att.  Tragödie.  1871. 

IV.  Griech.  Metrik.  1872.  Leitfaden  in  d.  Rhythmik  und  Metrik.  Leipz.  1869.  —  W. 
Chbist,  Metrik  der  Griechen  und  Römer.  Leipz.  1874.  2.  A.  1879.  —  A.  M.  Alexandeb- 
soN,  Grckisk  Metrik.  Stockholm  1877  (mit  Chbist  meist  übereinkommend).  —  Fb.  Zav- 
BALDi,  Metrica  greca  e  latina.  Torino  1882.  —  L.  Havet  et  L.  Düvau,  Cours  ^l^mentaire  de 
metrique  grecque  et  lat.  Paris  1886.  —  A.  Ed.  Chaignet,  Essai  de  m^trique  grecqnc. 
Paris  1887. 

Über  die  neueren  Erscheinungen  auf  d.  Gebiete  d.  gr.  u.  röm.  Metrik,  handelt  ein- 
gehend Rich.  Klotz  im  14.  Jahrg.  d.  Iw.  MüLLEBSchen  Jahresber.  über  die  Fortschr.  d. 
klass.  Altertumswissensch.  1886.  S.  55—160. 


Rhythmische  Fundamentaltheorie  der  Metrik. 


1.  Rhythmus  und  Rhythmizomenon. 

L  Rhythmische  Gliederung. 

4.  Das  Wesen  des  Rhythmus  besteht  in  der  wahrnehmbaren  Gliederung 
der  Zeit,  in  welcher  eine  Bewegung  zur  Erscheinung  kommt.  Der  Gegen- 
stand, an  welchem  er  zur  Darstellung  gebracht  wird,  ist  das  Rhythmi- 
zomenon. 

Die  der  rhythmischen  Gliederung  zu  gründe  liegende  Zeiteinheit  heisst 
Grundzeit,  XQ^'^9  TiqmTog^  Aristox.  Rh.  §  10  flf.  W.  Aristid.  p.  32.  Das 
Zeichen  dafür  ist  ^ .  Sie  hat  nicht  eine  absolute  Dauer,  sondern  einen 
nach  der  grösseren  oder  geringeren  Schnelligkeit  der  Bewegung  (dem  Tempo, 
der  ctyuiyii)  wechselnden,  nur  im  Verhältnis  zu  den  anderen  Bewegungs- 
momenten  festbestimmten  Zeitwert.     (Porphyr,  ad  Ptol.  p.  255). 

Wahrnehmbar  wird  die  Gliederung  der  Zeit  erst  dadurch,  dass  in 
einer  Reihe  von  Zeiteinheiten  in  regelmässiger  Folge  eine  vor  den  anderen 
stärker  hervorgehoben  wird.  Diese  Hervorhebung  geschieht  durch  orry/iacn'«, 
percussio,  ictus. 

Der  dadurch  kenntlich  gemachte  Zeitteil  wird  o  xcnw  x^o^'o^?  ^^  xarw, 
ßaaig^  x^taig^  posüio,  die  anderen  im  Gegensatze  zu  diesem  6  avoa  xqovoc^ 
To  aiw,  aQ(ng,  sublatio^  levatio,  genannt,')  indem  man  bei  O-taig  und  ligaig  an 
das  Niedersetzen  und  Auflieben  des  Fusses^)  denkt  oder  an  den  Nieder- 
und  Aufschlag  der  Hand  des  Taktschlagenden. 3) 

Die  kleine  Gruppe  von  Grundzeiten,  welche  durch  eine  or/y/mcria  zur 
Einheit  verbunden  werden,  bildet  einen  Fuss,  norg,  j>cs.  Jeder  Fuss  be- 
steht also  aus  der  Thesis,  dem  schweren  Taktteile,  der  „Hebung**,  und  der 
Arsis,  dem  leichten  Taktteile,  der  „Senkung".'*)  Aristox.  §  IG.   Aristid.  p.  34. 


')  Aristox.  Rh.  §  12.  17.    Aristid.  p.  31  |  »)  Hör.   c.  IV,   0,  31   Lesbium  servatd 

M.  uQGig  fiky  ovy  iari  (poQct  fifgovg  awfjiuxog  \  pedem    meique   pollicis  ictum.     Terent.  M. 

im  10    uyu),   &eaig   ef^  im   to   xdrut   raviov  \  v,  2254  pollicis  sonore  vel  plausu  pedis  dis- 

fieQovg.  Psell.  Prolarab.  §  8.  12.  1  criminare,  qui  docent  artem,  solent  cf.  Quint. 

2)  Mar.   Vict    p.  44   K.   in  percussione  |  instit.  IX,  4,  51. 

metrica  pedis  pulsus  ponitur  tolliturque.  i  *)  In  diesem  Sinne  werden  die  Ausdrücke 


1.  BbythmuB  und  Bythmizomenon.  (§  4—5.)  689 

Durch  Vereinigung  mehrerer  Füsse  zu  einer  höheren  rhythmischen 
Einheit  entsteht  die  rhythmische  Reihe,  xdlov,  membrunt,  ordo,  indem 
eine  der  Hebungen  ißäaeig)  durch  stärkere  aijfiaaia  vor  den  anderen  kennt- 
lich gemacht  wird. 

Werden  zwei  oder  mehrere  Kola  nach  rhythmischen  Gesichtspunkten 
zu  einer  Gruppe  verbunden,  so  entsteht  eine  rhythmische  Periode,  Tie- 
Qi'oiog,  Diese  ist  nach  der  Zahl  ihrer  Glieder  zweigliedrig,  iUwkog^  drei- 
gliedrig, TQix(aXog,  viergliedrig,  reTQaxwkoc;  u.  s.  w. 

Die  Vereinigung  von  zwei  oder  mehreren  Perioden  zu  einem  grösseren 
Ganzen  heisst  System  {(fvaTi^ fia).  Doch  wird  dieser  Name  auch  schon  für 
eine  einzige  Periode  von  grösserem  Umfange  gebraucht. 

Die  rhythmische  Gliederung  erfolgt  also  in  der  Weise,  dass  sich 
mehrere  Grundzeiten  zu  der  höheren  Einheit  des  Fusses,  zwei  oder  mehrere 
Füsse  zu  der  des  Kolon,  zwei  oder  mehrere  Kola  zu  der  der  Periode,  end- 
lich zwei  oder  mehrere  Perioden  zum  Systeme  verbinden. 

IL  Die  Sprache  als  Rhythmizomenon. 

5.  Das  Rhythmizomenon  in  der  Poesie  ist  die  menschliche  Rede 
{Xt^ig) ;  die  Gliederung  dieser  nach  rhythmischen  Prinzipien  ist  die  Aufgabe 
der  metrischen  Kunst.  Die  Darstellung  des  Rhythmus  in  der  Xt^ig  heisst 
Metrum. 

Die  menschliche  Rede,  als  Stoff  für  den  Rhythmus  betrachtet,  bietet 
einerseits  eine  der  eben  besprochenen  rhythmischen  Gliederung  ähnliche 
dar  in  den  Silben,  Wörtern,  Sätzen  und  Satzgefügen,  andererseits  ein  der 
(Ti^fiaata  entsprechendes  Mittel  der  Gliederung  in  der  Wort-  und  Satz- 
betonung. 

Die  Gliederung  der  Rede  nach  Sätzen  und  Satzgefügen  ist  bei 
Griechen  und  Römern  in  dem  rhythmischen  Bau  der  poetischen  Kunst- 
werke wenig  zur  Geltung  gekommen :  die  Dichter  beider  Völker  haben  sich 
vor  einem  Widerstreit  zwischen  der  Satzgliederung  der  Rede  und  der 
rhythmischen  Gliederung  nach  Kola  und  Perioden  —  mit  wenigen  Aus- 
nahmen —  nicht  gescheut.  Auch  die  Übereinstimmung  von  „Wort*  und 
„Fuss"  wurde  nicht  gesucht,  sondern  im  Gegenteil  ein  Widerstreit  von 
Wortende  und  Fussende  in  gewissen  Fällen  angestrebt. 

Dagegen  hielt  sich  die  griechische  Metrik  an  die  in  der  Sprache  ge- 
gebene Unterscheidung  längerer  und  kürzerer  Silben,  an  die  Zeitdauer 
oder  Quantität  der  Silben,  und  benützte  das  nach  Länge  und  Kürze 
gesonderte  Silbenmaterial  für  den  Bau  der  metrischen  Gebilde.  Die  latei* 
nische  Dichtung  ist  ihr,  soweit  sie  unter  griechischem  Einflüsse  stand,  hierin 
im  wesentlichen  nachgefolgt.  Die  griechische  und  —  in  dieser  Beschrän- 
kung —  auch  die  lateinische  Metrik  heissen  darum  quantitierend. 


Arsis  und  Thesis   im   Folgenden  immer  ge-  |  Hermann  üblich  geworden  ist,  lässt  sich  nur 

braucht    werden,    da    der    technische   Aus-  bei  Priscian  de  accent.  p.  1289  und  bei  Mar. 

druck  der  Griechen  in  sein  altes  Recht  ein-  |    Victor,  in  dem  Kapitel  d«  ar«i  e^  thesi'pAOK. 

gesetzt  werden  muss.   Der  leider  immer  noch  '   nachweisen.  —  Bei    den  deutschen  Termini 

vielfach    festgehaltene  Gebrauch    Arsis    fQr  i    ^Hebung*  und  f,Senkung*  ist  an  die  Stimme 

den  schweren,  Thesis  für  den  leichten  Takt-  gedacht:  Hebung  entspricht  also  dem  grie- 

teil    anzuwenden,  der   seit   Bentley  und  6.  chischen  ^eatg,  Senkung  dem  griech.  ä^ig, 

Handbuch  der  klam.  AltertumswlsRenscliatt.  IL    2.  Aafl.                                                            44 


690  E.  Metrik,    b)  Rhythmische  Fnndamentaltheone. 

Auf  die  Wortbetonung  hat  die  griechische  Dichtung,  soweit  sie  ßr 
den  Oesang  bestimmt  war,  keine  Rücksicht  genommen,  wohl  aber  in  ge- 
wissem Grade,  soweit  sie  eine  bloss  recitierende  war.  Erst  in  der  byzan- 
tinischen Zeit,  als  die  quantitierende  Verskunst  unterging,  trat  die  Rück- 
sicht auf  die  Wortbetonung  in  den  Vordergrund. 

Die  lateinische  Dichtung  hat,  als  sie  vom  griechischen  Einflüsse  noch 
unberührt  war,  wahrscheinlich  die  Rücksicht  auf  Wortbetonung  zum  Prin- 
zipe  des  Versbaues  gemacht.  Als  sie  die  griechischen  Metra  in  freierer 
Weise  nachbildete,  erstrebte  sie  eine  Vermittelung  zwischen  dem  accen- 
tuierenden  und  quantitierenden  Prinzipe  unter  Bevorzugung  des  letzteren; 
so  lange  sie  sich  einer  strengen  Nachbildung  der  griechischen  Versmasse 
befleissigte,  war  sie  quantitierend  wie  die  griechische,  konnte  aber,  da 
sie  fast  ausschliesslich  der  Recitation,  nicht  dem  Gesänge  diente,  die  Rück- 
sicht auf  die  Wortbetonung  nie  völlig  aus  den  Augen  verlieren. 

2.  Chronoi  und  Sprachsilben. 

L  Die  rhythmischen  Chronoi. 

6.  Xqovoi  ^tjtoi.  Der  einzelne  x^oro^  ngdrog  erscheint  nicht  immer 
als  aavvd^sTog  d.  h.  in  seiner  Sonderung  von  anderen,  sondern  oft  sind 
zwei  oder  mehrere  x^o^'o*  ngStoi  miteinander  eng  zu  einer  Einheit  verbunden. 
Eine  solche  Verbindung  heisst  arvO^etog  XQovog  (Aristox.  §  10  u.  14  W. 
Aristid.  p.  33),  und  man  unterscheidet  Si'tffjioi^  tQiaijiiioi,  Tergdar^inot,  ncvtu- 
(ft^fioi  xpo^'O'j  je  nachdem  die  betreflfende  Zeitgrösse  zwei,  drei,  vier  oder 
fünf  XQ^^'^^  TtQWTot  umfasst.  Für  diese  zusammengesetzten  Zeiten  dienen 
die  Zeichen :  *) 

-    6i(n^fiog.  «-J    TSTQaarjiaog, 

I—    TQiatjfiog.  "-^   TtevTacfrjiiiog, 

7.  Xqovoi  uXoyot,^)  In  der  Praxis  der  Rhythniopöie  giebt  es  aber 
auch  Chronoi,  welche  nicht  ein  genaues  Multiplum  der  Grundzeit  bilden. 
Diese  durch  den  XQ^^'^^  nQanog  nicht  messbaren  Chronoi  heissen  irratio- 
nale, (ikoyoi,  und  stehen  als  solche  den  vorher  besprochenen  rationalen 
i^tjot)  gegenüber.  Es  giebt  nämlich  Chronoi,  die  das  Mass  des  cJ/Vi^/ioc 
nicht  erreichen  und  doch  über  das  des  novoa^^iiog  (ttqou og)  hinausgehen 
(l'/2-  und  l*3zeitigo),  aloyoi  schlechthin  genannt.  Es  giebt  ferner  solche, 
welche  unter  das  Mass  des  einzeitigen  Chronos  hinabsteigen,  ßQctxi:'og  ßgu- 
XvitQoi  (=  =*  4  x^öro/).  Es  giebt  endlich  auch  Chronoi,  die  über  das  Mass 
des  zweizeitigen  Chronos  hinausgehen,  ohne  das  des  dreizeitigen  völlig  zu 
erreichen  (2* '3 zeitige): 

/icexQov  jiiaxQoitQog      2-, azeitig 

pQuxtog  iiitxQVfieQog  J  ° 

ßquxiog  ßQaxvTf(jog       ^ü zeitig. 

8.  Xqovoi  xtvoi.     Zuweilen    wird   in  der  Metropöie  gerade    wie   in 


*)  Anonym,   de  nms.  §  83  sq.,    wo  die   i   werden.     Schol.  Ileph.  p.  98. 
Ausdrücke  tfixQoyoc,  jQixQoyoc,  rer QaxQoyog,   j  '^)  Bacoli.  p.  23  M.    Mar.  Victor,  p.  39  K. 

7iiyi((XQoyog    für   die  lange   Silbe  gebi-aucht 


2.  Chronoi  und  Spraohsilben.  (§  G    9.)  601 

der  Melopöie  ein  Chronos  {avvd^exog  oder  dtrvvO-sTog),  den  der  Rhythmus 
erfordert,  nicht  durch  einen  Teil  des  Ilhythniizoraenon  zur  Darstellung  ge- 
bracht, besonders  am  Schlüsse  eines  grösseren  oder  kleineren  rhythmischen 
Abschnitts.  Diese  Chronoi  heissen  xavot  {inania  tempora),  weil  sie  zwar 
für  den  Rhythmus  vorhanden,  aber  nicht  mit  Xil^ig  oder  iiti.oq  ausgefüllt 
sind.  Entsprechend  dem  verschiedenen  Umfange  der  Chronoi  selbst  giebt 
es  folgende  XQ^^'^''  xsvoi  (Pausen):') 

XQovog  xevog  jiioviarjixog,  XsTfiititt,  a 

—  3iat]fiogf  TiQoffd-eaig         ^ 

—  TQi(frjg.iog  ^ 

—        T€TQaCfljfJLOg  ^ 

Wenn  man  den  Chronos  protos  dem  Achtel  unserer  Musik  gleichsetzt,  so 
entsprechen  diese  Chronoi  xavoi  der  Reihe  nach  der  Achtel-,  Viertel-,  Drei- 
achtel- und  halben  Pause. 

IL  Die  Sprachsilben  als  Chrono!.^) 

9.  1.  Lange,  kurze,  mittelzeitige  Silben.  Der  in  der  Sprache 
selbst  gegebene  Unterschied  zwischen  langen  und  kurzen  Vokalen, 
welcher  im  Griechischen  sogar  teilweise  in  der  Schrift  seinen  Ausdruck 
gefunden  hat,  liegt  in  erster  Linie  der  Quantitätsbestimmung  der  Silben  zu 
gründe.  Die  mit  kurzem  Vokale  auslautende  Silbe,  z,  B.  ro,  r*,  gilt  als 
Kürze  {ßQuxticcy  hrevis);  die  Silbe  mit  langem  Vokale,  gleichviel  ob  kein 
oder  ein  Konsonant  oder  mehrere  auf  diesen  folgen,  z.  B.  r},  Ti]g,  xrcrf*,  gilt  als 
Länge  (jiaxQct,  Io}iga)und  zwar  als  Naturlänge  {(fvtrei i^iaxQa, natura  longa). 

In  zweiter  Linie  kommen  die  konsonantischen  Elemente  der 
Silben  in  Betracht.  Eine  kurzvokalische  Silbe  wird,  wenn  ein  einfacher 
Konsonant  sie  schliesst,  gewöhnlich,  wenn  er  nachfolgt,  immer  als  Kürze 
gerechnet.  Eine  kurzvokalische  Silbe,  welche  mit  zwei  Konsonanten 
oder  einem  Doppelkonsonanten  schliesst,  gilt  immer  als  Länge;  wenn 
ihr  aber  diese  beiden  Konsonanten  folgen,  nach  Beschaffenheit  derselben 
teils  als  Länge  (Positionslänge,  vß^t'aei  [naxgccy  posifione  longa),  teils  als 
Kürze.  —  Eine  kurzvokalische  Silbe  wird,  wenn  drei  oder  mehr  als 
drei  Konsonanten  dem  Vokale  nachfolgen,  regelmässig  als  Länge  (gleich- 
falls als  Positionslänge)  betrachtet. 

Tritt  bei  einer  und  deraelben  Silbe  ein  Schwanken  in  der  Quantitäts- 
messung ein,  so  dass  sie  bald  als  Kürze,  bald  als  Länge  gerechnet  wird, 
so  heisst  sie  xoivji]^  communis. 

Nähere  Erörterungen  über  die  Quantitätsunterschiede  der  Silben,  ins- 
besondere über  die  im  Laufe  der  Zeit  in  der  griechischen  wie  in  der  latei- 
nischen Sprache  hervortretenden  Wandelungen  in  der  Bestimmung  der  Po- 
sitionslängen  gehören  in  die  Quantitätslehre  oder  Prosodik. 

2.  Die  kurze  Silbe  wird  in  der  Metropöie  im  allgemeinen  dem  Chronos 
protos  an  Wert  gleichgestellt  und  gilt  also  als  fiovoatßiog.  Die  lange 
Silbe  wird  zunächst  und  bei  weitem  am  häufigsten  als  zweizeitig  gerechnet, 
gilt   also   als   /mx^«  öixQovog  oder   3t(frjinog;   aber   sie    muss    auch  für  die 

')  Anonym,   de  mus.  §  83   sq.   Aristid.  ^)  Hepfa.  p.  4  sq.    Scfaoi.  Hepb.  p.  95  ff. 

p.  41  M.  p.  114  sq. 

44* 


692  B.  Metrik,    b)  Bythmische  Fandamentaltheorie. 

gi*össeren  Zeitwerte,  für  den  TQtffrjfiog,  veiQÜarifiog  und  neviaai^ixog  x^'*^? 
eintreten  und  gilt  dann  entsprechend  als  fiaxQa  TQi'xQovog^  rtTgaxQovog, 
nerTaxQovog.  Diese  Verwendung  der  langen  Silbe  wird  ermöglicht  durch 
Dehnung,  tovij.  —  Von  den  §  7  aufgezählten  rhythmischen  aXoyoi  wird 
der  2^/3zeitige  durch  sprachliche  Längen,  der  ^'4zeitige  durch  sprachliche 
Kürzen,  der  P/» zeitige  bald  durch  Längen,  bald  durch  Kürzen  gebildet. 

Der  Ersatz  einer  rhythmischen  Länge  durch  eine  metrische  Kürze 
beschränkt  sich  auf  gewisse  Ausnahmefalle.  Insbesondere  kommen  hierbei 
der  Anlaut  und  der  Schluss  der  rhythmischen  Periode  (§  19)  in  Betracht:  regel- 
mässig gestattet  ist  es  nur  am  Periodenschluss,  für  den  mehrzeitigen  Chronos 
eine  kurze  Silbe  eintreten  zu  lassen  {ädtdg^oQog  (rvXXaßi^^  syllaha  anceps), 

Anmerkung.  Die  streng  rhythmische  Silbenmessung  kam  nur  fQr  die  meliscben 
Metra  in  Anwendung,  nicht  aber  auch  für  die  bloss  gesprochenen  Verse;  die  Länge 
in  letzteren  liess  sich  nicht  mit  dem  Masse  des  xQ^^^^  nQvÜxo^  messen,  sondern  entzog  sich 
der  rhythmischen  Massbestimmung;  vgl.  Westphal  IIF,  1  p.  8  ff. 

10.  Hiatus  und  Vokalverschleifung.^)  Von  grosser  Bedeutung 
für  die  Silbenmessung  ist  der  Zusammenstoss  auslautender  und  anlautender 
Vokale,  xaaiKiiiia^  hiatiis^  der  in  der  gebundenen  Rede  nach  Möglichkeit 
gemieden  und  nur  unter  gewissen  Bedingungen  zugelassen  wurde.  Ausser 
den  beweglichen  Endkonsonanten  diente  als  Mittel  gegen  denselben  die 
Verflüchtigung  des  einen  der  beiden  Vokale,  zumeist  des  auslautenden, 
(TvvaXoi^rj,  ^xt^Xitf'tg^  elmo,  seltener  des  anlautenden,  aifaiQ^aig^  elisio  inversa; 
doch  beschränkte  sich  dieses  Mittel  bei  den  griechischen  Dichtern  fast  aus- 
schliesslich auf  die  kurzen  Vokale.  In  den  meisten  Fällen  trat  eine  Ver- 
schmelzung der  beiden  Vokale  ein,  welche  man  mit  verschiedenen  Nameu 
bezeichnet:  Synizesis,  Synecphonesis,  Krasis.  Eine  Form  der  Vokal- 
verschmelzung besteht  darin,  dass  der  auslautende  lange  Vokal  oder  Diph- 
thong zum  Werte  eines  kurzen  herabsinkt  (TrXayx^^h  ^^*'?  ^^g.  schwacher 
Hiatus);  in  anderen  Fällen  aber  werden  beide  so  eng  verbunden,  dass  sie 
metrisch  als  einer  gezählt  werden,  z.  B.  i]  ov.  —  In  der  lateinischen  Dich- 
tung unterlagen  die  mit  m  auslautenden  Silben  einer  ganz  entsprechenden 
Behandlung,  wie  die  vokalisch  auslautenden. 

Hiatus  ohne  Vokalkürzung  oder  Verschmelzung  wird  in  der  Regel 
nur  am  Schlüsse  der  metrischen  Periode  (s.  §  19)  zugelassen;  doch  tritt 
er  ausnahmsweise  auch  zuweilen  am  Ende  eines  metrischen  Kolons  (vor  der 
Caesur,  s.  §  24)  ein;  ebenso  bei  einer  Redepause  (Interpunktion)  oder  beim 
Wechsel  der  Sprechenden;  auch  Interjektionen  gestatten  eine  grössere  Freiheit. 

Die  Regeln  über  Vokalausstossung  resp.  Verschmelzung  und  Hiatus 
waren  bei  Griechen  und  Römern  verschiedene  und  nicht  zu  allen  Zeiten 
die  nämlichen  und  wurden  besonders  von  den  lateinischen  Dichtern  der 
Kaiserzeit  mit  grosser  Strenge  gehandhabt. 

3.  Die  Füsse.^) 

I.  Die  rationalen  Füsse  (rroJtc  ^\to(), 

11.  1.    Die  gebräuchlichen  einfachen  Füsse  sind  aus  drei,   vier,  fünf 

')  Heph.   p.  10  f.  Schol.  Heph.  p.  118  ff.   |   Füsse  vgl.   ausser   Gaisford   z.   Ileph.  ,UDd 
'^)  über    die    Namen    der    metrischen   \   Boeckh.   M.  P.  p.  21  Studemund,   Anecd.  I 


2.  Chronoi  und  Silben.  (§  10)  —  8.  Die  Füsse.  (§  11.) 


693 


oder  sechs  Grundzeiten  {xQovoi  nQWTot,  morae)  gebildet,  also  dreizeitige 
(xQiar^Hoi)^  vierzeitige  {TciQaarj/ioi),  fünfzeitige  {TtevTcem^fioi)  und  sechs- 
zeitige (fJaoTy/toi).') 

I.  Dreizeitige: 
^  Kj  \y      TQißgaxvg, 

II.  Vierzeitige: 

TtQOXfXs  vcfiarixog. 
iaxTvXog. 

III.  Ftinfzeitige: 


'^  w  \^  w 


_         w    *^ 


_    w 


TQOXCClOg 


w    v-'    _ 


^  -      lafißog, 

anovdeiog, 
dvanaiCTog. 


\^     "^      ^      \J     KJ 


V^      _      — 


—  KJ 


N.>S-> 


^^>^-• 


\J  _ 


—      _     V^ 


Ky      —   W^^ 


ßaxx^Tog, 
Ttakifißdxxfiog, 


_        w        _ 


—    w    w 


_     -     -     fioXoaaog. 


Ttsvrdßgaxvg. 
naiMV  TTQ&Tog. 

Tiaiwv   T€TaQTOg. 
XQTjTlXOg. 

IV.  Sechszeitige: 

w  ^^  _     _      Iwvixog  an*  iXdacovog, 

-  w  v^     l(ovix6g  an 6  juiet^ovog. 

EineuTToiV  rf/'crr;juoggiebt  es  nicht.  Der  Pyrrhichios  (^  ^)i8t,  wo  er  vorkommt, 

ein  tQt(n-fiog,  welcher  durch  zwei  sprachliche  Kürzen  ausgedrückt  erscheint. 

2.  Bei  den  dreizeitigen  Füssen  gelten  die  Formen  des  Jambos  und 
Trochaios  als  Grundformen  (xvqivi  noSeg),  der  Tribrachys  als  aufgelöste 
Nebenform.  Der  Iktus  ruht  beim  Trochaios  auf  der  ersten,  beim  Jambos 
auf  der  zweiten  Silbe,  indem  er  sich  naturgemäss  mit  der  Länge  verbindet; 
im  Tribrachys,  je  nachdem  er  dem  Trochaios  oder  dem  Jambos  entspricht, 
auf  der  ersten  oder  zweiten: 


W  J. 


_  V-A^ 


Das  Verhältnis  der  beiden  Teile  des  Fusses  (der  Xoyog  noSixoc)  ist  das 
von  2  : 1  resp.  1  :  2  (Xoyog  Stnkdmog),  die  Thesis  beträgt  das  Doppelte  der  Arsis. 
Unt^r  den  vierzeitigen  Füssen  gelten  der  Daktylos  und  der  Ana- 
paest  als  Grundformen,  der  Prokeleusmatikos  als  aufgelöste,  der  Spondeios 
als  zusammengezogene  Nebenform.  Der  Iktus  ruht  auch  hier  in  beiden 
Grundformen  auf  der  Länge 


J.     ^     KJ 


V^     W      _1 


und  dementsprechend  in  den  Nebenformen: 


(yL^^  \y    Ky  \ 


KJ    \-/  '--v^. 


_  v>^ 


Das  Verhältnis  der  Thesis  zur  Arsis  ist  das  von  2  :  2,  der  Xoyog  laog. 

Die  fünfzeitigen  Füsse  werden  in  der  Weise  in  Thesis  und  Arsis 
zerlegt  gedacht,  dass  jene  aus  "drei,  diese  aus  zwei  Chronoi  besteht,  also 
beide  in  dem  Verhältnis  von  3  :  2  zu  einander  stehen: 


±  o 


^ki^^ 


ww 


w    ± 


w    ^     _ 


Dieses  Verhältnis  heisst  Xoyog  i^gxtoXwg. 


p.  57  sq.  (Choeroboscus),  p.  128  sq.  (Schol. 
Ambros.),  p.  161  (Dionys.  de  ped.),  p.  222 
(Anon.  Ambros.),  p.  293(Anoii.  BeroL);  ferner 
Schol.  B.  ed.  Hörscbelm.  p.  27  u.  Tract.  Harl. 
ed.  StuDEM.  p.  9  sq.  uud  die  Lateiner  Diomed. 


p.475,  Mar.  Vict  p.  44,  Terent.  M.  v.  1335  ff. 
^)  Aristox.  §31  sq.  W.,  Aristid.  p.  36  M., 
Hephaestio  und  die  Metriker  sagen  r^ixQoyot, 
retQaxQoyoi,  nevxttXQovoi, 


694 


E.  Metrik,    b)  Bhythniisohe  Fondamentaltheorie. 


Die  sechszeitigen  Füsse  werden  den  dreizeitigen  entsprechend  so 
zerlegt,  dass  die  Thesis  das  Doppelte  der  Arsis  umfasst  (4  :  2  resp.  2  : 4, 
Xoyog  6i7iXa(fiog): 


J.      —    Mw/     V^ 


KJ     *^   \    J.     ^ 


3.  Aus  dem  verschiedenen  Verhältnisse,  in  welchem  Thesis  und  Arsis 
zu  einander  stehen,  ergeben  sich  drei  Rhythmengeschlechter  {^v&fuxtt 
yt'vr^^  genera  rhythmica):^) 

das  yävog  taov^  gmus  par,  wozu  Daktylen  und  Anapaeste, 

das  yävoq  SiTtldaioVj  genus  duplum,  wozu  Trochäen,  Jamben  und 

Joniker, 
das  yävoq  rjfxioXiov,  genus  sescuplum,   wozu  die  Paeonen,  Kretiker 

und  Bakchien  gehören. 

Anmerkung.  Ausser  diesen  drei  primären  Rhythmengeschlechtern  giebt  es  noch 
zwei  seeundäre,  das  y^yog  TQiTtXaaioy  und  das  ye'yos  inlrgiroy,  in  denen  der  Xoyoi 
Tiodixog  1  :  3  und  3  :  4  ist, 

w  —  w  —  w  _  _    oder    —  —  w  _ 

aber  diese  eignen  sich  nicht  zur  avyexrjg  ^v&fionoUa.^) 

4.  Nach  der  Stellung  der  Arsis  nach  oder  vor  der  Thesis  zerfallen 
die  Füsse  in  solche  mit  fallendem  Rhythmus  {noSeg  ano  d-ecstog)  und 
solche  mit  steigendem  Rhythmus  {nodeg  an*  agcfewg): 

I.      ^  -  IL 


Z    v^    w 

Z    _    ^-/    w 

z   _  w 


W     J. 


'o'     W      _1 


KJ     KJ      J.      ^ 


i>Ki«f  W      J. 


\J      J.      ^ 


Die  Füsse  mit  fallendem  Rhythmus  haben  einen  ruhigeren,  die  mit  stei- 
gendem einen  erregteren  Charakter.  Die  Zusammenziehung  der  zweisilbigen 
Arsis  in  eine  Länge  steigert  die  Ruhe,  die  Auflösung  der  Länge  erhöht 
die  Erregtheit. 

5.  Die  verschiedenen  Formen  {axii^iata),  welche  die  einfachen  Füsse 
durch  Zusammenzieliung  zweier  nebeneinander  stehenden  kurzen  Silben 
(IvwaiQ^  avva(Qe(Sig^  contractio),  durch  Auflösung  einer  langen  Silbe  (Aikric, 
diaiQffjic,  soliäio),  durch  Dehnung  einer  Länge  über  das  Mass  der  Zwei- 
zeitigkeit  hinaus  {rovr^,  nccQtxTaaic)  erhalten  können,  sind  folgende: 


vierzeitige: 

J.    ^'    \y  \J    Kj    JL 


(- 


'v^'      V^      I  \J      K^   V_*^ 


_    ^-»^ 


dreizeitige: 


I 


\y 


v»^   '^-A^ 


fünfzeitige : 


_L    w     _ 


±    w 


K.A^    \J       _ 


V->^    V>    V>*s> 


w     Z     _ 


sechszeitige: 


j.  —  ^.^  <y 


'<.^^  _     v^     v^ 


\^^   K^      V-/ 


v.^^    _      _. 


_£^       _ 


IL  Die  irrationalen  Füsse  {noifg  aXoyot), 

12.  Es  giebt  aber  auch  Füsse,  in  denen  Arsis  und  Thesis  in  einem 
irrationalen  Verhältnis  stehen.  Hierher  gehört  der  irrationale  Trochäus, 
{xoQfTog  ciXoyog)  und  der  irrationale  Jambus  {lajußog  akoyog)^  welche 
eine   zweizeitige   Thesis,   aber    eine    1  */2zeitige  Arsis    (§  7)   haben.     Beide 


')  Aristox.  §  30  W.  p.  300  M.    Aristid. 
p.  35  M. 


PtoJ 


-)  Psell.   §  9.     Dionys.   ap.    Porph.    ad 
.  p.  219.    Aristid.  p.  35  M. 


8.  Die  Fttsse.  (§  12.)    4.  Die  Kola.  (§  13.)  695 

sind  der  metrischen  Form  nach  Spondeen:  -i  .1  «  -  .     Vgl.  Bacch. 

p.  25  M.  Wird  die  zweizeitige  Thesis  durch  zwei  Kürzen  ausgedrückt,  so 
erhalten  sie  folgende  Formen:  ^E  x^Q^^^^  aXoyog  xQoxaioeidifi  und  sl^ 
XOQ^f'og  aXoyog  iaf.ißo€idr]g.^)  —  Hierher  gehören  ferner  der  irrationale 
Baccheios,  der  die  Form  SL  jl  -  hat,  und  die  beiden  irrationalen  loni- 
ker  üw  z  -  und  ±  -  ^  «_, 

4.  Die  Kola. 

I.  Umfang  und  Gliederung  der  Kola.^) 

13.  1.  Eine  Gruppe  von  zwei  oder  mehreren  durch  einen  Haupt- 
iktus  zur  rhythmischen  Einheit  verbundenen  Füssen  bildet  eine  rhythmische 
Reihe  (novq  avvO^etog  nach  Aristoxenos)  oder  ein  xwkov.  Sie  heisst  nach 
der  Zahl  der  in  ihr  verbundenen  Füsse  Di podie,  Tripodie,  Tetrapodie, 
Pentapodie,  Hexapodie.  Mehr  als  sechs  Versfüsse  können  nicht  zu 
einem  einheitlichen  xuiXov  verbunden  sein;  alle  grösseren  rhythmischen 
IxsytO^i^  müssen  in  mehrere  xwAa  zerlegt  werden. 

Von  dreizeitigen  Füssen  werden  Kola  bis  zum  Umfang  von  sechs 
Einzelfüssen  oder  achtzehn  Chronoi  gebildet,  also  dipodische,  tripodische, 
tetrapodische,  pentapodische  und  hexapodische. 

Von  vierzeitigen  Füssen  werden  Kola  bis  zur  Grösse  der  Penta- 
podie oder  dem  zwanzigzeitigen  Megethos  gebildet;  hexapodische  (vierund- 
zwanzigzeitige)  sind  ausgeschlossen. 

Von  fünfzeitigen  Füssen  werden  Dipodien,  Tripodien  und  Penta- 
podien,  also  zehn-,  fünfzehn-  und  fünfundzwanzigzeitige  Gliedformen  gebildet. 

Von  sechszeitigen  Füssen  werden  nur  dipodische  und  tripodische 
Reihen,  also  nur  zwölfzeitige  und  achtzehnzeitige,  gebildet. 

2.  Die  antike  Metrik  zerlegt  und  benennt  das  Kolon,  gleichviel  ob 
es  steigenden  oder  fallenden  Rhythmus  hat,  nach  den  Füssen,  aus  denen 
CS  gebildet  ist.  Die  modernen  Metriker  hingegen  sind  seit  Bentley's  Vor- 
gang geneigt,  wenn  der  Rhythmus  steigend  ist,  die  erste  Arsis  als  Auftakt 
oder  „Anakrusis""^)  abzusondern  und  z.  B.  ein  iambisches  Kolon  als  tro- 
chäisches mit  Anakrusis  darzustellen. 

3.  Rhythmisch  gliedert  sich  das  Kolon  gerade  wie  der  Einzelfuss  nach 
Thesis  und  Arsis  und  heisst  darum  auch  geradezu  wie  dieser  noig  (avvO^exog), 
Nach  dem  Verhältnisse,  in  welchem  die  Teile  der  Kola  zu  einander  stehen, 
sind'  sie  gradteilige,  dreiteilige  und  fünfteilige,  und  zwar  sind  die 
Dipodien  und  Tetrapodien  gradteilige  Reihen,  die  Tripodien  und  Hexapodien 
dreiteilige,  die  Pentapodien  fünfteilige. 

A.  Kola  aus  dreizeitigen  Füssen: 
I.  gradteilige: 
a)  t^Mtjfia  (Dipodien)  b)  dwdexdatjfxa  (Tetrapodien) 

troch.  -v^l-y  _v^_w|_vy_w 

iamb.  w_;w_  w_w_|w_w« 

' )  Aristid.  p.  39  M.  lafißoeidfjg,  ög  avyia-  *)  Aristox.  p.  302  M.  §  31  sq.  W.     Psell. 

rt}X(y  ix  fxaxQug  agaetog  xal  &vo  &(ac(oy  xai       Prol.  §  12.     Aristid.  p.  35  M. 

Toy  ^v&fnoy  loi^xB  ^ttxxvXM,  ...  6  ^k  TQoxaio-  \  ^)  Der  Ausdruck  rührt  von  G.  Hermann 

eirdr]g  ix  dvo  uqaetüy  xtd  ftiax^iig  &eae(os.  \  her.    Eiern.  D.  M.  p.  11. 


696 


E. 


ik.    b)  Rhythmische  Fandamentaltheorie. 


I  I 


II.  dreiteilige: 
a)  ewedar^fta  (Tripodien) 
troch. 
iamb. 

III.  fünfteilige: 
nevTsxaiSsxaarjiia  (Pentapodien) 
troch.  -  ^ 

iamb.  ^  - 


b)  oxTwxaidexdatjfia  (Hexapodien) 


—    <^    _    w 

V^      _     v^      _ 


_      V^      _     W 


_      Vy      —      V^ 


_V>'__W_^s>'—     W 


W—'V^—'v-/—  ^^_ 


daktyl. 
anap. 

daktyl. 
anap. 

daktyl. 
anap. 


B.  Kola  aus  vierzeitigen  Füssen: 

I.  gradteilige: 
a)  oxtdar^fta  (Dipodien)  b)  exxmdexdarnia  (Tetrapodien) 


II.  dreiteilige:     diaSexdar^fia  (Tripodien). 


I  I 

I  i 


III.  fünfteilige:     elxoadarjfia  (Pentapodien). 


C.  Kola  aus  fünfzeitigen  Füssen: 
I.  gradteilig:     dexdarjfiov  (Dipodie). 


paeon. 
paeon. 
paeon. 


w  _ 


II.  dreiteilig:     TxsvxsxaidBxdarmov  (Tripodie). 

I  I 

III.  fünfteilig:     nsvrsxaieixoadar^iiov  (Pentapodie). 


^ 


\j 


Ky 


ionisch. 


I 
t 


D.  Kola  aus  sechszeitigen  Füssen: 
I.  gradteilige:     dmdfxaorjiia  (Dipodien). 

1 

I       _  v>*^ 


II.  dreiteilige:  oxtojxmdsxdarjfia  (Tripodien). 


ionisch. 


N-.«>^    _        _ 


«^>\^ 


V>«^    —      _  VyN^    _ 


^^>^>y 


Gradteilige  oder  ev  laoj  Aoyq)  gegliederte  iifytd^r^  giebt  es  also'  elf, 
nämlich  zwei  i^daijfia^  zwei  oxidatjixay  ein  dexdaijfxov^  vier  SwSexdtXfjfia 
und  zwei  exxaidsxdatjfia.  Dreiteilige  oder  €v  SiTiXatrio)  Xoyo)  gegliederte 
giebt  es  neun,  nämlich  zwei  ivvedarjfxay  zwei  dwdsxdtrijjuia,  ein  7r*iTf- 
xccifixocrdarjiiiov  und  vier  dxKaxaiSexdatjfxa.  Fünfteilige  oder  ev  rjixioXui} 
Xoyff}  gegliederte  giebt  es  fünf,  nämlich  zwei  nevTexauixotrdtrrjfia,  zwei  eixo- 
adaiiim  und  ein  nsvtexaieixoadarjixov.     Vgl.  Aristid.  p.  35. 

4.  Zu  den  nodsg  avvO^etoi  gehören  auch  die  vier  als  /ifiXovfg  TioSeg 
bezeichneten  rhythmischen  ixsyäx^rj 

anoväeiog  f^iet^wv  oder  dmXoig  :    lJj    lj, 
welcher  (Aristid.  p.  37)  aus  einer  vierzeitigen  Thesis  und  einer  vierzeitigen 
Arsis  sich  zusammensetzt,  also  oxrdarjfiog  ist. 


4.  Die  Kola.  (§  U-15.)  697 

Ferner  der  tQoxccTog  ar^fiuvrog  und  der  oQx^iog^  von  denen  der 
erstere  aus  einer  achtzeitigen  Thesis  und  einer  vierzeitigen  Arsis,  der  zweite 
umgekehrt  aus  einer  vierzeitigen  Arsis  und  einer  achtzeitigen  Thesis  be- 
steht.    Beide  sind  also  Sojdexaarjfxa. 

1)  lIj        l_J        LJ  2)  '-'        l-^        *-^ 

Endlich  der  naiwv  inißaxog  (Aristid.  p.  38  f.),  der  ein  dexaarjfiov 
^€y€&og  ist  und  aus  vier  Teilen  besteht,  einer  zweizeitigen  Thesis,  einer 
zweizeitigen  Arsis,  einer  vierzeitigen  Thesis  und  einer  zweizeitigen  Arsis: 


&,    a.      x^.       a. 


IL    K(oka  Ttax^ccqd  und  fiixtd. 

14.  Nicht  immer  setzen  sich  die  Kola  aus  Füssen  desselben  y^vug 
zusammen,  sondern  es  tritt  auch  der  Fall  ein,  dass  in  demselben  Kolon 
Füsse  verschiedener  yevtj  vereint  sind,  besonders  ist  dies  der  Fall  mit 
Füssen  des  dreiteiligen  und  des  geraden  Geschlechts,  z.  B. 

_i  »^-«^  JL  ^  s  ^  —  <^  oder  j.  '^  j.  v>^^  JL  ^  j.  \j 

Solche  Kola  heissen  gemischte,  ftixtd^  während  die  aus  gleichartigen 
Füssen  gebildeten  Kola  xaO^aqd  oder  fiovo€i6^  heissen.  Die  aus  dakty- 
lischen und  trochäischen  Füssen  gemischten  Reihen  heissen  im  allgemeinen 
logaödische. ')  Man  unterscheidet  fxixTti  mit  einem  oder  mehreren  Dak- 
tylen (resp.  Anapaesten),  ixovodaxxvXixd  (resp.  fxovavanaianxd)  und  koya- 
oidixd  TiQog  dvolv,  nqog  xqiaiv  u.  s.  w.  Die  Einheit  des  Rhythmus  ist  auch 
in  solchen  xwXa  insofern  gewahrt,  als  die  Füsse  des  geraden  Geschlechts 
den  dreiteiligen  durch  das  Tempo  (dytüyr])  zeitlich  gleichgestellt  werden, 
während  sie  allerdings  in  der  Gliederung  verschieden  von  ihnen  sind. 

III.  Eatalektlsche  Kola.«) 

15.  1.  Zuweilen  sind  in  der  metrischen  Form  des  Kolon  nicht  sämtliche 
Chronoi,  welche  der  Rhythmus  erfordert,  durch  Silben  ausgedrückt;  am 
häufigsten  fehlt  bei  den  mit  der  Thesis  beginnenden  Kola  für  die  letzte 
Arsis  eine  besondere  Silbe  in  der  i^^ig^  z.  B. 

Solche  Kola  heissen  katalektische  (xaraAijxinxa,  imperfecta).^)  Sie  wären 
arrhythmisch,  wenn  die  in  der  Xi^ig  fehlende  Silbe  nicht  im  Rhythmus 
ersetzt  würde.  Der  Ersatz  erfolgt  durch  Pause  oder  durch  Dehnung  der 
vorausgehenden  Länge.  Bei  Kola  aus  dreizeitigen  Füssen  ist  die  Pause 
einzeitig  {kaififia)^  in  vierzeitigen  Füssen  ist  sie  zweizeitig.  (Tr^ocr^^cre^); 
die  gedehnte  Länge  ist  im  ersten  Falle  eine  dreizeitige  i—  (tQiarjfAog),  im 
zweiten  eine  vierzeitige  ^  {tetQdarjfxog)  s.  §  8  u.  6. 

—  >^_w_w_A  —    wv-/    —    v/v^—     TT 

—  W      —     W     —     Wl _v^W«.V^v^UJ 

Im  Innern  eines  Wortes  ist  nie  Pause,  sondern  nur  Dehnung  zulässig. 

')  Schol.  Heph.  p.  163,is  W.  »)  Hephaest.  p.  14  W.     Aristid.   p.  50. 

^)  Heph.   p.  14  f.   W.    Schol.  Heph.  p.      £in  katalektisches  xtoXov  heisst  auch  xofAfAu 
141  f.,  Choerob.  in  Anecd.  Yar.  \,  p.  63.  oder  (nach  Aristides  p.  56)  ro^i;. 


d98 


E.  Xetrik.    b)  Rhythmische  Fundamentaltheorie. 


Ist  hingegen  der  letzte  Versfuss  eines  Kolon  seinem  Zeitumfange 
nach  vollständig  durch  Sprachsilben  ausgedrückt,  so  wird  es  als  akata- 
lektisch  {axaxdhjxvov^  perfectum)  bezeichnet.  0 

Die  mit  der  Arsis  (Anakrusis)  beginnenden  iambischen  und  ana- 
paestischen  Kola  bilden  die  Katalexis,  indem  sie  die  fehlende  Arsissilbe 
durch  Dehnung  der  vorletzten  Thesissilbe  zum  rgiar^ftog  oder  TeTQoxrrjfio^ 
ersetzen,  z.  B. 


w    ^    w    /.    v^   LL        J. 


\.As^    J.   V>N-/    J.   V>^  l_fj 


Die  gedehnte  Länge  umfasst  hier  Thesis   des    vorletzten   und  Arsis   des 
letzten  Fusses  zugleich. 

Die  aus  sechszeitigen  Füssen  bestehenden  (ionischen)  Kola  erhalten 
folgende  Formen  durch  Katalexis  (a.  durch  Pause,  b.  durch  Dehnung): 


S    -  <^  J.    -     Ä 


b.     v>^^  J.    _  w^lIj 


J.     —  v>^^  J. 


Bei  den  aus  den  fünfzeitigen  Füssen   gebildeten   (päonischen,  bat 
cheischen)  Reihen  ergiebt  die  Katalexis  eine  zweisilbige  Schlussform: 


^  w  _ 


Z    w    _       Z    w    A 


\y     S      —  W    Lii 

W      Z      _  KJ      J.       7^ 


2.  Wenn  nicht  bloss  die  letzte,  sondern  auch  die  vorletzte  Arsis 
eines  Kolon  in  der  le^ig  nicht  durch  eine  besondere  Silbe  zum  Ausdruck 
gebracht,  sondern  durch  Dehnung  resp.  Pause  ersetzt  ist,  so  dass  dem  Kolon 
ein  ganzer  Fuss  zu  fehlen  scheint,  so  heisst  dasselbe  brachykatalektisch:^) 


iL      J.    A 


J.    ^    J. 


\J    1.       w 


Beide  Formen  der  Katalexis  sind  auch  bei  den   gemischten   Kola  (§  14) 
anwendbar,  z.  B.  a.  katalektisch,  b.  brachykatalektisch : 


a.    ±  <^^  ±  ^  ± 

b.     —  ^-^  J.   \j  vL 


±     A 
±     A 


a.    w  _i  vw-A-/  ±  \y  lL     ± 
b. 


■^     _1   »^^^^  L_- 


\}i.  Die  Katalexis  kann  nicht  nur  am  Schlüsse  des  Kolon  eintreten, 
sondern  auch  im  Inlaute  oder  Anlaute  desselben,  und  zwar  sowohl  in  Ver- 
bindung mit  der  Schlusskatalexis,  als  auch  ohne  diese,  z.  B. 


w 

/ 

W     Li 

/ 

^U 

1 

J_ 

w  i_L 

/ 

\J 

t 

w 

»^>s_/ 

1 

\y^  i_ii 

/ 

>^>^-/ 

/ 

t 

V>A^  >Jj 

/ 

^^y^~j 

/ 

^v>^^ 

v_'     \-L  ±      KJ 


J-      W 


w^lL        ± 


L    \j    ^        A 


±        7{ 


Die  Glieder  mit  Katalexis  im  Inlaut  heissen  prokatalektisch,  diejenigen 
mit  Katalexis  im  In-  und  Auslaut  heissen  dikatalektisch.'')  Prokata- 
lektisch ist  ein  Glied  auch  dann,  wenn  seine  anlautende  Arsis  fehlt,  was 
in  der  Regel  nur,  wenn  ihm  ein  anderes  Glied  in  derselben  Periode  voran- 
geht, vorzukommen  pflegt. 


w  _  w 


— :      / 


v_/     __ 


A     ^v^_v>_v^_ 


Durch  noch  weitergehende  Ausdehnung  der  Katalexis  entstehen  Glied- 
formen, in  welchen  drei  oder  mehr  Arsen  unterdrückt  sind,  z.  B. 


l'_        Li 


_'-     A 


*)  Hephaest.  p.  14  W.  {txaraXtjxTtt  x«- 
Xeiiffi,  oVt«  Toy  ifXevTdcioy  Trdcf«  oXöxXr^Qoy 
tj^si.   Aristid.  p.  50.  ocn  xaTg  ivovaais  ovkXa- 


ßatg  avyccTiaQTiCfi'  tovg  rrodag. 

2)  Hephaest.  p.  15,9  W.   Aristid.  p.  50. 
^)  Vgl.  Hephaest.  p.  5G,is. 


5.  Die  Perioden.  (§  16—17.) 


699 


4.  Hyperkatalektisch*)  heisst  ein  metrisches  Kolon,  wenn  es  die 
dem  folgenden  Gliede  fehlende  erste  Arsis  ( 1  a)  oder  die  dem  vorhergehenden 
Gliede  fehlende  Schlussarsis  (2b)  mit  sich  vereint  hat: 


1,     \y    J.    \y    J.    Kj    ±    \j    ±     \^ 


±    ^    ±    \j    ±    ^    ± 


O 


S.  <^<y  J.  v.-«w»  s 


v>^>     S  v>N^  S  v>^>  JL  <^-^^  -1  *>-'*>-', 


Die  anlautende  Arsis  des  zweiten  Kolon  wird  (in  1)  durch  die  überzählige 
Silbe  des  ersten  und  die  auslautende  Arsis  des  ersten  (in  2)  durch  die  Ana- 
krusis  des  zweiten  ersetzt.*) 


5«  Die  Perioden. 

I.  Die  rhythmische  Periode. 

16.  Begriff.  Die  Vereinigung  zweier  oder  mehrerer  Kola  zur 
Periode  (§4)  wird  nicht  wie  die  mehrerer  Füsse  zum  Kolon  durch 
stärkeres  Hervorheben  eines  Iktus  zu  stände  gebracht,  sondern  sämtliche 
Hauptikten  der  in  ihr  verbundenen  Kola  sind  in  Bezug  auf  ihre  Stärke 
koordiniert.  Das  Band,  welches  die  Kola  zu  der  Einheit  der  Periode  ver- 
knüpft, ist  —  abgesehen  von  einer  scharfen  Absonderung  von  den  der 
folgenden  oder  vorhergehenden  Periode  angehörigen  Gliedern  —  eine  Modu- 
lation der  rhythmischen  Bewegung,  wodurch  die  nebeneinander  gestellten 
Glieder  als  Anfang,  Mitte  und  Ende  eines  Ganzen  sich  gegenseitig  be- 
dingend und  erfordernd  erscheinen.  Beim  Vortrage  einer  Periode  erfordert 
das  erste  Kolon  eine  Steigerung,  das  zweite  oder  die  mittleren  eine  gleich- 
mässigo  Weiterbewegung,  das  letzte  eine  Abnahme  des  Sprechtons  der 
Stimme  (vgl.  Arist.  Rhet.  111,9). 

17.  Der  Umfang  der  rhythmischen  Periode  beschränkt  sich  meist 
auf  zwei  bis  vier  Glieder  und  geht  nur  in  seltneren  Fällen  über  diese  Zahl 
hinaus.^) 

Die  einfachste  und  häufigste  Periode  ist  die  zweigliedrige  (Sixwkog), 
welche  aus  Vordersatz  {dQtateQov  xwAor,  Tr^oTaeri^)  und  Nachsatz  (Ss^iov 
xoUor,  aTioSoaig)  besteht  und  in  den  gebräuchlichsten  Versformen,  z.  B. 
dem  heroischen  Hexameter,  dem  elegischen  Verse  (sog.  Pentameter),  dem 
iambischen,  trochäischen  und  anapaestischen  Tetrameter,  dem  kleineren 
asklcpiadeischen  Verse  und  sonst  erscheint.  Bei  diesen  sind  zwei  rhythmisch 
gleich  grosse  Kola,  entweder  zwei  tripodische  oder  zwei  tetrapodische, 
periodisch  verbunden.  Es  gibt  aber  auch  dikolische  Perioden  aus  ungleich 
grossen  Gliedern,  insbesondere  folgt  zuweilen  ein  kürzeres  Glied  einem 
längeren  nach  (epodische  Periode),  z.  B.  im  bukolischen  Hexameter: 
ctQxeie  ßovxokixäg^  Moiaai  g)ilai,  \  ccqx^t  äoiSag,  wo  sich  mit  einem  tetra- 
podischen  Gliede  ein  dipodisches  epodisch  verbindet,  oder  in  dem  Verse  des 
Eupolis,  wo  Tetrapodie  und  Tripodie  vereint  sind: 

eJ  xaXXiattj  TioXi  naawv^  \  oüag  KXäwv  €(pOQ$. 

Dreigliedrige  Perioden  bestehen  aus  Vordersatz,  Mittelsatz  (fxäaov 


^)  Hephaest.  p.  15,i4. 

^)  Die  Hyperkatalexis  ist  also  kein  «Un- 
geheuer**,  wie  noch  jüngst  (Hermes  XXIII, 
609)  versichert  wurde. 


')  Bei  Mar.  Vict.  p.  54  K.  maximum  rero  us- 
que  ad  periodum  decametrum  parrigetur  ist 
diese  Grenzbestimmting  von  Hör.  carm.  III, 
12  entnonunen. 


700  E«  Xetrik.    b)  RhythnÜBche  Fondamentaltlieorie. 

xoiXor)  und  Nachsatz.  Die  drei  Glieder  sind  auch  hier  meist  von  gleicher 
rhythmischer  Ausdehnung,  z.  B.  sämtlich  Tetrapodien  (a)  oder  sämtlich 
Tripodien  (b);  zuweilen  aber  auch  von  verschiedener  Grösse,  indem  zu  zwei 
gleich  grossen  Gliedern  ein  drittes  als  fieafpSixov  (c)  oder  ino^dixov^  seltener 
als  nQ0((tdix6v  hinzutritt: 

a)  'AxT)g    äektoiOy    xdX\haTOV    imanvXff»    tfavhv  \  Orjßtf    xtav    TtQOTäqmv 

ifdoq  (4+4+4); 

b)  oiQa  viv  cteXXddwv  \  inntav  aO-evaQcireQOV  \  (fvy^  noda  ra)fxd%\  (3+3+3). 

c)  juijrf*!'    aXXo    (pvi€v\aijg  nqovsqov  \  dtvdqiov  dfiTit'Xa).     (3+2+3). 

Mehrgliedrige  Perioden  aus  gleich  grossen  Gliedern  stellen  am 
häufigsten  eine  längere  Zeit  anhaltende  gleichförmige  rhythmische  Bewegung 
dar,  z.  B.  in  Marschliedern;  aber  auch  in  der  melischen  Poesie  sind  sie 
nicht  selten,  z.  B.  bei  Anakreon  fr.  1.,  wo  die  zweite  Periode  der  Strophe 
aus  fünf  Tetrapodien  bestoht: 

1^  xov  vvv  inl  Arid-aiov  \  äivrfii,  t^Qaavxagdiwv  \  dvögciv  iaxaxoQ^q  noXiv 
XccfQOva  •  oif  ydq  dvt^/aeQovg  \  Troiftaiveig  noXirjtag, 

18.  Fügung.  Die  Verbindung  der  Kola  zur  Periode  ist  eine 
dreifache:  erstens  die  einzelnen  Glieder  werden  scharf  von  einander  ge- 
sondert, metrisch  durch  Zusammentreffen  eines  Wortendes  mit  dem  Schlüsse 
des  vorderen  Kolon,  das  entweder  katalektisch  ausgeht,  wie  im  elegischen 
und  kleineren  asklepiadeischen  Verse,  oder  akatalektisch,  wie  im  iambischen, 
trochäischen  und  anapaestischen  Tetrameter;  zweitens  die  Kommissur 
zweier  Kola  wird  in  das  Innere  eines  Wortes  gelogt  und  so  die  Glieder 
auf  das  engste  zusammengeschlossen;  drittens  endlich  die  Kommissur 
der  rhythmischen  Reihen  fällt  zwar  in  das  Innere  eines  Wortes,  aber 
metrisch  zerlegt  sich  die  Periode  durch  einen  Einschnitt  an  anderer  Stelle, 
wie  im  heroischen  Hexameter: 

1)  x«/ifi>«  Toig  xf/Vwr  j   ^i]ixaai  nsiO^oiievoi, 

2)  7iu>g  TTOTfj  7i(og  rnn    d/Ji(f^i7rXtj\xio)i'  ^o^twr  fiovog  xXviav; 

3)  f.ii]rn'   cisiSe^    K^edyinijXrjiddtu)  *AxiXijog, 

Die  zweite  Art  der  Fügung  ist  besonders  bei  Katalexis  des  ersten  Gliedes 
und  Tovij  der  auslautenden  Silbe  beliebt. 

Der  enge  Zusammenhang,  in  dem  die  Glieder  einer  Periode  miteinander 
stehen,  heisst  avvdifein  (continuatio),^)  —  Perioden,  in  denen  die  Con- 
tinuität  am  Schlüsse  des  einen  Kolon  fehlt,  nennen  nach  Bentley  (zu  Horat. 
epod.  11)  neuere  Metriker  asynartetische. 

19.  Der  Schluss  (aTroO^faig)^)  der  Periode  hat  sowohl  bei  stei- 
gendem, als  bei  fallendem  Rhythmus  eine  besondere  Vorliebe  für  kata- 
lektischen  Auslaut.  Katalektische  Schlussglieder  haben z.  B.  der  iambische, 
trochäische  und  anapaestische  Tetrameter  und  fast  die  sämtlichen  hyper- 
metrischen Perioden,  die  sogenannten  Systeme;  brachykatalektischen  Schluss 
hat  das  grössere  mctnim  Sapphicum  und  zahlreiche  Perioden  in  den  Strophen 
der  Dramatiker. 


')  Terent.  Maur.  v.  151H  f.  u.  2071  mit   i  '^)  Hephaest.  p.  15,24.  —  Ein  moderner 

Bezug  auf  Joniker  und  Anapaestc.  |   Ausdruck  dafür  ist  Fermate. 


6.  Die  Perioden.  (§  18-21.) 


701 


II.  Die  metrische  Periode. 

Metron.     Stichos.     Hypermetron  (System). 

20.  Die  metrische  Periode  muss  stets  mit  einem  vollen  Worte 
{xtXeia  It'^ig)  *)  schliessen,  und  das  Übergreifen  eines  Wortes  aus  einer 
Periode  in  die  andere  wird  streng  gemieden.  Vom  Inlaut  der  Periode 
ist  Hiatus  und  Syllaba  anceps  mit  seltenen  Ausnahmen  ausgeschlossen,  der 
Schi u SS  derselben  gestattet  beide  Freiheiten.*)  Sie  ist  bei  weitem  am 
häufigsten  eine  zweigliedrige;  aber  auch  die  einzelne  rhythmische  Reihe, 
wenn  sie  nicht  als  Glied  einer  Periode,  sondern  selbständig  auftritt,  unter- 
liegt denselben  Regeln  bezüglich  des  Schlusses  wie  die  Periode.  Selbständig 
erscheinen  indes  in  der  Regel  nur  die  längeren  Reihen,  z.  B.  das  iambischo 
dxro)xaid€xdar^liiov  (der  Trimeter).  Der  gemeinsame  Name  für  diese  selbständig 
auftretenden  monokolischen  Reihen  und  die  zwei-  und  mehrgliedrigen  metri- 
schen Perioden  ist  utrqov. 

Da  sowohl  die  fiovoxwka  als  die  dtxwXa  fierga  in  der  Schrift  den 
Raum  einer  Zeile  einnehmen,  so  wird  für  sie  die  Bezeichnung  auxog^)  ge- 
braucht, womit  das  lateinische  versus^)  im  wesentlichen  dasselbe  bezeichnet. 
Doch  wird  gelegentlich  auch  eine  dreigliedrige  Periode,  wie  das  grössere 
Asklepiadeion,  als  Vers  aufgefasst,  und  andererseits  nannte  man  nrixog 
auch  ein  einzelnes  xmXov  oder  zwei  in  eine  Zeile  geschriebene  xwXa  einer 
grösseren  Periode.  Die  Forderung  der  teXtia  Xt^ig  und  die  Freiheiten  des 
Schlusses  gelten    aber  nur  für  atixog  resp.  versus  als   selbständige  Metra. 

Die  Beschränkung  der  Bezeichnung  furgov  auf  den  Umfang  von  30 
resp.  82  Chronoi  (Heph.  p.  43,i,  Schol.  Heph.  p.  182,22.  199,i3  W.)  und  auf 
die  iioroxwXu  und  6ixo)Xa  ist  von  den  gewöhnlichsten  Versformen  entnommen 
und  beruht  auf  einer  Verwechselung  mit  dem  Begriffe  atixog. 

Die  den  Umfang  der  zweigliedrigen  Periode  überschreitenden  perio- 
dischen Verbindungen^)  nennt  man  (nach  Westphal)  zweckmässig  Hyper- 
nietra  (Heph.  p.  20,2i  und  Schol.  Heph.  p.  157,22)^),  andere  ziehen  (nach 
Hermann)  den  weniger  zweckmässigen  (s.  §  4  u.  25)  Namen  Systeme 
(im  Gegensatze  zu  axixoi)  vor.  Für  das  der  komischen  Parabase  folgende 
Hypermetron  sind  die  stehenden  Ausdrücke  fxaxQov  (Heph.  p.  74)  und  nvTyog, 

Einteilung  der  Metra. 

21.  Ein  Metron  kann  seiner  Zusammensetzung  {avvra^ig)  nach  ent- 
weder aus  gleichartigen  oder  aus  verschiedenartigen  Füssen  bestehen  und 
zwar  sind  entweder  alle  Füsse  des  Metrums  —  von  stellvertretenden  Füssen 
wird  hier  abgesehen  —  gleichartig,  z.  B.  sämtliche  Daktylen  (resp.  Spon- 
deen),   oder  sie  sind  innerhalb  jedes  Kolon  gleichartig,   übrigens  aber  ver- 


')  Heph.  p.  10,8  W.  77«*'  fiixQoy  eig 
TBXeiay  nBQttrovxai  Xihv. 

'^)  ibid.  p.  10,1  W.  -JiayTog  fiirqov  itdia- 
(fOQog  iany  i)  jeXevrain  avXXaßij  xtX. 

^)  Heph.  p.  64  nimmt  auf  die  Zahl  der 
vereinigten  Küsse  Rücksicht:  ovre  iXatTov 
jQiüjy  ov^vyiuiy  ovre  fi€iCoy  reaauQtoy, 

*)  Mar.  Victor,   p.  55  K.  omnis   versus 


xattt  ro  nXeiatoy  in  duo  cola  dividitur. 

*)  Schol.  Heph.  p.  182,2o  u.  Mar.  Victor, 
p.  5«'3  u.  77  K.  gebrauchen  für  sie  die  allge- 
meine Berechnung  neglodog,  wie  Heliodor 
(Schol.  Arist.  Equit.  821). 

^)  Vgl.  Tzetzes  n.  Uiyd.  fAirg.  p.  03  Cr. : 
€ial  ii  fAijxiatoi  tiyeg  xal  vnig  fjLixgoy 
axixoi. 


702 


£.  Metrik,    b)  Rhythmische  Fandamentaltheorie. 


schiedenartig,  z.  B.  in  dem  einen  Kolon  daktylisch,  in  dem  anderen 
trocbäisch,  oder  endlich  sogar  innerhalb  der  Kola  selbst  verschiedenartig, 
z.  B.  t^ils  iambisch,  teils  anapaestisch.  Die  erste  Klasse  der  Metra  heisst 
fiovoeiSfj  oder  xax>aqd^  einfache;  die  zweite  imaivd-sta^  canipositay  zu- 
samnriengesetzte;  die  dritte  /«xrd,  mixta^  gemischte.    Vgl.  §  14. 

imavv&evov    - 


'^>^^      ^       v>^^       J. 


V.>w» 


/ÄlXTOV 


^        -,         JL       ^>^ 


J.       w 


J.        "U^J 


±        w 


^    W    JL    w     ^ 


^     w     -L 


Die  einfachen  Metra  werden  nach  der  Form  (dem  eldog)  der  Füsse, 
aus  denen  sie  besteben,  eingeteilt  in:  daktylische,  anapaestische,  tro- 
cbäische,  iambische,  ionische,  choriambische,  paeonische. 

Monopodische  und  dipodische  Messung. 

22.  Die  Metra  werden  teils  nach  Einzelfüssen,  teils  nach  Doppel- 
fQssen  (Dipodien,  av^vy{m,  Heph.  p.  71,5  W)  gemessen,  und  zwar  gilt  im 
allgemeinen  die  dipodische  Messung  für  die  iambischen,  trochäischen  und 
anapaestischen  Metra,  die  monopodische  für  die  daktylischen,  ionischen, 
choriambischen  und  paeonischen  als  Regel  (Mar.  Vict.  p.  53  K).  Doch 
giebt  es  mancherlei  Ausnahmen  (Schol.  Heph.  p.  141,  p.  174  f.  W.  Mar. 
Vict.  p.  75.  Aristid.  p.  52). 

Diese  verschiedene  Messung  hängt  mit  der  verschiedenen  Praxis  des 
Taktschiagens  zusammen.  Der  Abschnitt  eines  Metrums,  auf  den  ein  Takt- 
schlag kam,  hiess  ßdatg ;  i)  eine  ßdaig  umfasste  entweder  einen  Fuss  (mono- 
podische ßdaig)  oder  zwei  (dipodische  ßdaig  Schol.  Heph.  p.  124  W.  Mar. 
Vict.  p.  47  K).  Nach  der  Zahl  der  ßdaeig  hiess  das  Metrum  Dimetron, 
Trimetron,  Tetrametron,  Hexametron.  Der  daktylische  Hexameter  ist  z.  B. 
xazu  novü7To6iav  gemessen  (Schol.  Heph.  p.  163,23  W.),  also  hat  er  sechs 
ßdcffrig,  der  iambische  Trimeter  xard  dinodiavy  also  hat  er  nur  drei  ßdaeic 
(Mar.  Vict.  p.  53,2o  K.). 

Eine  dritte  Art  der  Messung  ist  die  nach  ntQiodot,  bei  welcher  wie 
dort  ein  Fuss  oder  zwei  Füsse,  so  hier  drei  oder  mehr  den  Einzeltakt  bilden.-) 

Katalektische  Metra. 

23.  Ein  Metrum  heisst  akatalektisch  («xaraAiyxror,  okoxhjQoi), 
wenn  der  letzte  Fuss  vollständig  d.  h.  seine  Arsis  durch  Sprachsilben  aus- 
gedrückt ist,  wie  im  heroischen  Hexameter  und  iambischen  Trimeter.  Ist 
hingegen  der  letzte  Fuss  unvollständig,  d.  h.  ist  seine  Arsis  durch  Pause 
oder  Dehnung  ersetzt,  wie  z.  B.  im  iambischen,  trocliäischen  und  anapästi- 
schen  Tetrameter,  so  heisst  das  Metrum  katalektisch.  Ist  ausser  der  letzten 
Arsis  auch  die  vorletzte  unterdrückt,  so  dass  dem  Metrum  ein  ganzer  Fuss 
zu  fehlen  scheint,  so  heisst  es  brachykatalektisch.  Ist  ausser  der  letzten 
Arsis  auch  eine  inlautende,  insbesondere  in  zweigliedrigen  Metren  die 
Schlussarsis  des  ersten  oder  die  erste  des  zweiten  Gliedes  nicht  durch  eine 
besondere  Silbe  ausgedrückt,   so  heisst  das  Metrum  dikatalektisch  (vgl. 


^)  Heph.  p.  47,  Schol.  Heph.  p.  201,ii  W. 
Mar.  Vict.  p.  103,i3.  105,'.u.  K. 

2)  Aristid.  p.  35  u.  37  M.  Schol.  Heph.  p. 
218,1.2.  Tüiy  ^ttQU)v  T(<fAiy  vno  no^og,  tu  d^i  vnu 


arC'T'«^, Tftds  vtio  n  SQiotfov  xatafjerQeTtat. 
71  SQloöog  tft  iariy  i)  ix  dtafpogioy  noduiy  fV 
Tol  ^Ti^M  avyf^eaig.  und  Z.  IG  f.  Tieglodos 
ian  no^ixi)  iy  T(Jtol  noai   xaT«(>i^^iAr^atg  xrX, 


5.  Die  Perioden.  (§  22  -24.)    6.  Systeme  und  Strophen.  (§  25.)  70P> 

Heph.  p.  56,  14),  wie  z.  B.  der  elegische  Vers  und  das  kleinere  Askle- 
piadeum.  Ist  nur  im  Inlaute,  nicht  aber  am  Schlüsse  eine  Arsis  unter- 
drückt, so  wird  es  prokatalektisch  genannt  (vgl.  Heph.  p.  54).  Metra 
mit  inlautender  Katalexis  heissen  asynartetisch.     Vgl.  §  15  u.  18.) 

Cäsur  und  Diairesis  der  Metra. 

24.  Für  die  Gliederung  einer  grossen  Zahl  der  gebräuchlichsten 
Metra  ist  die  Zerfällung  derselben  durch  regelmässiges  Eintreten  eines 
Wortschlusses  an  bestimmter  Stelle  von  grosser  Bedeutung,  weil  sie  eine 
kleine,  rhythjnisch  unmerkliche  Pause  für  den  Vortrag  bietet  und  in  vielen 
Fällen  die  Einförmigkeit  völlig  gleich  grosser  Versglieder  beseitigt,  oft 
auch  durch  den  Wechsel  von  Gliedern  mit  steigendem  und  fallendem 
Rhythmus  und  verschiedenartigem  Auslaut  eine  grössere  Mannigfaltigkeit 
hervorruft. 

In  manchen  Metris  fallt  die  metrische  Gliederung  mit  der  rhythmischen 
zusammen,  z.  B.  in  den  anapästischen,  iambischen  und  trochäischen  Tetra- 
metern und  Hypermetem.  Diese  Art  der  Zerfällung,  bei  welcher  das 
Wortende  mit  dem  Schlüsse  des  rhythmischen  Kolon  zusammentrifft,  heisst 
Diairesis.^)  Sie  ist  besonders  nachdrucksvoll,  wenn  das  Vorderglied 
katalektisch  auslautet,  wie  im  elegischen  Pentameter  und  den  asklepia- 
deischen  Versen. 

In  andern  Fällen  tritt  die  metrische  Gliederung  in  absichtlichen 
Widerspruch  mit  der  rhythmischen,  indem  das  Wortende  in  das  Innere  des 
rhythmischen  Kolon  fällt  und  so  einen  Fuss  zerschneidet,  wie  z.  B.  im 
daktylischen  Hexameter  der  Einschnitt  nach  der  Thesis  des  dritten  Fusses 
(7rfri>^/ii/«f^rJ$): 

Mfjriv  ixeide,  &€d,  |   Ilrjhjiddew  ^Ax^^^og 
und  in  dem  zwar  nur  ein  Kolon  bildenden,  aber  rhythmisch  nach  Dipodien 
gegliederten  iambischen  Trimeter  der  Einschnitt  nach  der  Arsis  des  3.  Fusses: 


crZv^—.     \r  \  JL    "^    —.  ,     Z7    JL    y^    ^ 


Diese  Art  der  Zerfällung  heisst  Caesur,  rofiij  schlechthin. 

6.  Systeme  und  Strophen. 

25.  1.  Jede  Periode,  welche  den  Umfang  eines  (fTixog,  also  in  der 
Kegel  zweier,  ausnahmsweise  dreier  Kola  überschreitet  (§  20),  bildet  ein 
System  (<ri;<rrt;/i«).  Dieser  Name  gilt  also  zunächst  für  alle  Perioden, 
welche  nicht  in  dem  Räume  einer  Zeile  untergebracht  werden  können. 

Er  wird  aber  auch  für  eine  Gruppe  von  zwei  oder  mehreren  Perioden 
gebraucht,  wenn  sie  zu  einer  rhythmischen  (melodischen)  Einheit  ver- 
bunden sind. 

2.  Ein  System  wird  als  Strophe  bezeichnet,  mag  es  nun  aus  einer 
oder  aus  mehreren  Perioden  bestehen,  wenn  es  in  völlig  gleicher  Form  ein 
zweites  Mal  oder  öfter  wiederholt  wird.  Diese  Wiederholung  heisst  aiTa- 
nodoaic  oder  ävaxvxh^atg  (Heph.  p.  66,9  W.).     Von  zwei  gleichen  Systemen, 

')  Aristid.  p.  52  M. 


704  £•  Metrik,    b)  Bhythmische  Fundamentaltheorie. 

welche  einander  gegenüberstehen,  heisst  das  erste  die  Strophe,   das  zweite 
die  Gegenstrophe.    Aesch.  Pers.  685  f.a)691  f. 

atßofiai  6*  ävTia  Xä^at  diefiai  d*  avviu  g^aa^i 

Die  für  die  Periode  geltende  Forderung  der  tsvvdipeia  (§  18)  gilt  för 
das  System  (resp.  die  Strophe)  nur,  wenn  es  aus  einer  Periode  besteht; 
der  Periodenschluss  gestattet  auch  innerhalb  des  Systems  die  Freiheiten 
des  Hiatus  und  der  Syllaba  anceps. 

Ein  aus  zwei  Perioden  zusammengesetztes  System  erscheint  im  Ele- 
geion  (§  38),  welches  aus  zwei  zweigliedrigen  Perioden  von  rhythmisch 
gleichem  Umfange  besteht  (Form:  3+3,  3+3).  Dagegen  sind  die  beiden 
Perioden  ungleich  ihrem  Umfange  nach  in  der  kleinen  Strophe  Ant 
853  f. —872  f.  (Form:  I.  4+4+4.  II.  6): 

I.  TiQoßäa'  in*  faxaxov  O-Qaaovg 
vil)i]X6v  ig  Jixaq  ßäO'QOV 
nQoaineaeq^  w  taxi'oi',  ndXiw 
IL  naTQ(i}av  d*  ixthsig  tiv*  avav. 

3.  Dem  dreigliedrigen  Bau  der  Periode  (§  17)  entsprechend  giebt  es 
auch  Systeme  aus  drei  Perioden.  Für  diese  ist  die  beliebteste  Form  die- 
jenige, bei  welcher  die  beiden  ersten  einander  ähnlich  gestaltet  sind,  die 
abschliessende  dritte  aber  eine  abweichende  Bauart  hat  (vgl.  Stollen  und 
Abgesang  der  deutschen  Lyrik),  z.  B.  Soph.  Antig.  100  ff.,  wo  auf  zwei 
trikolische  Perioden  aus  tetrapodischen  Gliedern  eine  dritte  tetrakolische 
folgt.  Zuweilen  folgen  aber  auch  umgekehrt  zwei  rhythmisch  ähnlich  oder 
gleich  gestaltete  Perioden  der  ungleichen  nach,  z.  B.  Soph.  Trach.  112  ff. 
(I.  4  Tripodien,  IL  3  Tetrapodien,  III.  3  Tetrapodien).  In  anderen  Fällen 
sind  alle  drei  Perioden  verschiedenartig,  z.  B.  Soph.  Ant.  134  ff.  (I.  6  6, 
n.4  4,  III.  4  4  4  4).    Vgl.  d.  Verf.  Cantica  d.  Soph.  Trag.  p.  100, 141  f.,  101. 

Doch  hat  sich  die  griechische  Dichtung  nicht  auf  diese  einfacheren 
Formen  der  Strophenbildung  beschränkt,  sondern  eine  unerschöpfliche  Fülle 
der  verschiedensten  Gebilde  geschaffen,  deren  kunstvollen  Bau  im  einzelnen 
zu  erkennen  zum  Teil  noch  eine  ungelöste  Aufgabe  der  metrischen  For- 
schung ist. 

4.  Innerhalb  des  Systems  resp.  der  Strophe  wird  meist  eine  rhyth- 
mische Grundform  festgehalten  und  alloiometrische  Elemente  in  der  Regel 
nur  im  Anfange  und  Schlüsse  zugelassen;  manchmal  aber  stehen  sich  die 
verschiedenen  Rhythmen  dem  Umfange  nach  gleichberechtigt  gegenüber,  so 
dass  man  z.  B.  von  iambisch-logaödischen,  iambisch-dochmischen,  trochäisch- 
päonischen  Strophen  spricht. 

In  einzelnen  Fällen  zerlegt  sich  die  Strophe  in  zwei  oder  mehrere 
durch  ihren  rhythmischen  Charakter  scharf  gesonderte  Abschnitt«  (zwei- 
teilige, dreiteilige  Strophen).  Vgl.  Aesehyl.  Sept.  270cio287.  328  f.cc340  f.  K. 
Dies  ist  namentlich  dann  der  Fall,  wenn  ein  den  Abschluss  der 
Strophe  bildendes  alloiometrisches  Ephymnion  grösseren  Umfang  annimmt 
(vgl.  Heph.  p.  73  W.),  wie  Aesch.  Choeph.  770  f.  ex  780  f.  Eum.  343  f.x354  f., 
363  f.  X  372  f. 


7.  Poetische  2ompoBition8form.  (§  26—28.)  705 

5.  Die  Anfauge  der  Strophenbildung  liegen  bei  Archilochos  vor,  der 
sich  auf  zwei  oder  drei  Glieder  beschränkte.  Freilich  ist  wohl  richtiger 
anzunehmen,  dass  sich  je  zwei  der  archilochischen  Distichen  zu  einer  Strophe 
gruppierten.*)  Das  Elegeion  erreichte  den  Umfang  von  vier  Gliedern;  auch 
die  äolischen  Lyriker  und  Anakreon  beschränkten  sich  noch  auf  kleinere 
Strophen  von  wenig  Reihen  (Dionys.  de  comp.  c.  19),  wie  sie  dem  Einzel- 
liede  entsprachen.  Umfangreichere  Strophengebäude  schuf  erst  die  chorische 
Lyrik,  insbesondere  zuerst  Stesichoros  (Dionys.  1.  c),  und  das  Drama;  doch 
liebte  die  Komödie,  ausser  wo  sie  die  Lyrik  und  die  Tragödie  parodiert, 
die  einfacheren,  an  die  Volksweise  anstreifenden  Formen. 

7.  Die  poetische  Kompositionsformr) 

26.  Die  Komposition  eines  Gedichtes  ist  entweder  stichisch  {xani 
aiixov)  oder  systematisch  {xccrd  avCTtjfia)^^)  je  nachdem  ein  und  derselbe 
Vers  {au'xog)  beständig  wiederkehrt,  ohne  durch  andere  Versformen  unter- 
brochen zu  werden,  wie  im  Epos  der  Hexameter  (Heph.  p.  59,i8  ff.),  oder 
die  Dichtung  sich  aus  Systemen  resp.  Strophen  zusammensetzt,  wie  in  der 
lyrischen  Poesie. 

Die  Dichtungen  xard  avatijj^ia  {({ySai,  ^cr/iarcr)  gliedern  sich  teils  so, 
dass  gleiche  Systeme  wiederkehren  (antistrophisch,  xara  <rx*ö'n'),  teils 
so,  dass  sämtliche  Systeme  verschieden  sind  {aTiokekvfitva,  freie  Kompo- 
sitionen) (Heph.  p.  CO,is.  66,8  ff.). 

27.  Die  miteinander  in  Kesponsion  stehenden  Systeme  sind  ent- 
weder sämtlich  einander  gleich,  dann  ist  das  Gedicht  monostrophisch 
gegliedert  (Form:  a  a  a"  d"  u.  s.  w.)  oder  teilweise  gleich,  teilweise  ver- 
schieden, dann  ist  das  Gedicht  nach  Gruppen  von  je  zwei  oder  mehreren 
Systemen,  sogenannten  Perikopen,  gegliedert  (Form  a  a  ß  ß'  oder  a  ß  a  ß') 
(Heph.  p.  61,18.  68). 

Innerhalb  jeder  einzelnen  Perikope  können  die  Systeme  durchweg 
gleich  («  a)  oder  durchweg  verschieden  (a  ß  y)  oder  teils  gleich,  teils  ver- 
schieden (a  a  ß,  a  ß  ß')  sein.  Die  Dichtungen  der  ersten  und  dritten  Art 
werden  xaxd  ntqixonriv  ojtioiofisQtjy  die  der  zweiten  xata  negixoTirjv  dvo^oio- 
iitQt^  genannt. 

Zu  jenen  gehören  die  Formen  a  a\  ß  ß';  a  a  ß  (epodische  Form),  cc  ß  ß 
(proodische  Form),  a  ß  a  (mesodische  Form),  a  ß  ß>  a  (palinodische), 
^  ß  ß   y  (periodische  Form)  s.  Heph.  p.  61,24.  68,9  ff. 

Die  dvof.ioioin€Qij  (Heph.  p.  62,i2.  69,6  ff.)  sind  gegliedert  nach  den 
Formen  aß  aß'  (dvaSixd)  oder  a  ß  y  d  ß'  y    (rgiadixa)  u.  s.  w. 

28.  Die  der  antistrophischen  Responsion  entbehrenden  Cautica  {aTro- 
ktXvjiura  (Heph.  p.  70,io  ff.),  freie  Kompositionen)  sind  entweder  aus 
gleichartigen  Gliedern  aufgebaut,  wie  die  anapästischen  Systeme,  und  heissen 
dann   ovatijinaTa  €^  ofioim'  (Heph.    p.  60,2i.  71,2  ff.),  oder  aus  ungleichen 


*)  Gevaert.  Hist.  et  thäorie  de  la  mu- 
sique  II,  387. 

'^)  Hephaest.  n.  noirjfA.  p.  59  ff.  W.  Schol. 
Heph.  p.  216  ff.  W.    Arisbd.  p.  58  M.    Mar. 

Handbuch  der  klass.  AlterlumswlaseDSchaft.  II.    2.  Aull.  45 


Vict.  p.  58  ff.  K. 

')  Heliodor  und  seine  Nachfolger  sagen 


70G  £•  Metrik,    b)  Rhythmisohe  Fnndamentaltheorie. 

(e^  ürofnoiwv)  zusammengesetzt.  Bildet  das  ganze  Ganticum  ein  einziges 
aiHTirjfia  €^  ofioicov^  so  heisst  es  aTieQioQiaTov;  sind  mehrere  Systeme  darin 
vorhanden,  so  ist  es  xard  TteQtoQtafnovg  äviaovg  gegliedert.  —  Die  asioJa- 
Xvfiuva  i^  ärofiotwv  sind  ietfiyTa,  wenn  sie  aus  einem  einzigen  System 
bestehen;  uvoiioi6avqo(fa^  wenn  aus  zwei  oder  mehreren  verschiedeneo 
Systemen,  und  die  letzteren  im  ersten  Falle  heqoatqoipa^  im  zweiten 
dkXoiwXTQo^a  (Heph.  p.  70,i6  flF.). 

Anmerkung.  Als  xoivd  werden  diejenigen  ^afAaxa  bezeichnet,  welche  zwar  aie 
lauter  gleichen  Gliedern  bestehen,  aber  doch  eine  antistrophische  Komposition  haben,  also 
xntd  aTL^oy  komponiert  scheinen,  aber  x«ra  avaTrjfia  resp.  xaxd  ax^^i'^  komponiert  sind, 
wie  die  Gedichte  im  2.  und  3.  Buche  der  Sappho  (Heph.  p.  60,8  ff.);  als  xo^yd  xmü 
<r/£<T<r  diejenigen,  welche  zwar  aus  lauter  gleichen  Strophen  bestehen,  aber  doch  xatu 
TtBqi^xonrjy  sich  gliedern,  z.  B.  xaxii  xQidda  (Heph.  p.  63,8).  So  besteht  Hör.  carm.  I,  12 
aus  5  Perikopen  von  je  3  gleichen  Strophen.  Mixtd  sind  die  Dichtungen,  in  denen  die 
stichische  und  die  systematische  Kompositionsform  neben  und  nacheinander  zur  Anwenduoe 
kommen,  wie  im  Drama. 

29.  Die  stichische  Kompositionsform  ist  eigentümlich  der  epischen 
Dichtung  und  dem  dramatischen  Dialog;  die  systematische  der  Lyrik 
und  den  Gesängen  des  Dramas.  Die  monostrophische  Form  findet  ihre 
Anwendung  in  der  monodischen  Lyrik  der  Äolier  und  lonier  und  bei  ihren 
Nachahmern  in  alexandrinischer  und  römischer  Zeit,  die  Perikopenkompo- 
sition  in  der  chorischen  Lyrik  und  im  Drama.  Die  epodische  Anordnung 
(flf  a  ß)  ist  in  Pindars  Epinikien  die  weitaus  vorwiegende,  aber  auch  im 
Drama,  besonders  in  der  Parodos,  oft  zu  finden;  sonst  herrscht  in  diesem  die 
Anordnung  a  a  ß'  ß'  (y  /).  Die  anoX^Xv^iäva  fanden  ihre  besondere  Pflege 
in  dem  Nomos  und  Dithyrambos,  sowie  in  den  Bühnengesängen  der  spä- 
teren Tragödie. 

A.  BoECKH,  De  metris  Pindari  lib.  I.  —  A.  Rossbach,  Griech.  Rhythmik.   Leipz.  1854. 

—  R.  Westphal.  System  d.  antiken  Rhythmik.  Bresl.  1865.  Ders.  Allg.  Theorie  der  musikal. 
Rhythmik  seit  S.  Bach  auf  Grundlage  aer  antiken  Leipz.  1880.  Ders.  Aristoxenus  (Leipzig 
188:5)  p.  3—104  Aristoxenus'  Theorie  des  Rhythmus.  Ders.  Griech.  Rhythmik.  3.  A. 
Leipz.  1885.  —  J.  Caksar,  Die  Grundzüge  der  griech.  Rhythmik  im  Anschlüsse  an  Aristides 
Quintil.  Marburg  18G1.  —  Fr.  A.  Gevaert,  Histoire  et  theorie  de  la  musique  de  Tantiquite. 
Gand  1875.  81.  vol.  H. 

Einzelne  Punkte  behandeln:  H.  Weil,  Über  Zahl    und  Anordnung  der  Arsen  und 

Thesen  in  d.  yeischiedenen  Rhythmengeschlechtern,   in    Jahrb.   f.  Phil.    1855  p.  396  ff.   — 

K.  F.  Baumoart,  Über  d.  Betonung  d.  rhythm.  Reihe  b.  d.  Griechen.    Breslau  l8t)9  (Progr.). 

-   R.  Westphal,  Die  stichische  u.  systemat.  Komposition  der  Metra  in  Griech.  Metrik  11  ^ 

p  253-82:i     -   IIP,  1  p.  190     207;  Prolegomena  zu  Aeschylus'  Tragocdien,    Leipzig   18l»9. 

—  B  Brill,  Aristoxenus'  rhythm.  u.  metr.  Messungen,  mit  einem  Vorworte  von  K.  Leurs. 
Leipz.  1870.  W.  Brambach,  Metrische  Studien  z.  Sophokles  Leipz.  18r>9  p.  I  XL  und 
1  -  liii;  Rhythmische  u.  metr.  Untersuchungen.  Leipz.  1870.  —  J.  Caesar,  De  verb. 
arsis  et  thesis  ap.  scriptores  artis  metr.  lat.  significatione.  Marburg.  1885.  Ind.  lect.  — G. 
Amsel,  De  yi  atque  iudole  rliythmorum  quid  veteres  iudicaverint.  Vratisl.  1887  (Bresl.  pbil. 
Abhd.  1,  W). 


Metrik  der  Griechen. 


1.  Die  EntWickelung  der  metrischen  Kunst  bei  den  Griechen. 

30.  1.  Dem  glücklichen  Genius  des  hellenischen  Volkes  war  es  be- 
schieden, auch  auf  dem  Gebiete  der  musischen  Kunst  die  seinem  idealen  Schön- 
heitssinne entsprechenden  Formen  in  freier  und  naturgemässer  Entwickelung, 
wenn  auch  nicht  völlig  ohne  Einfiuss  von  aussen,  so  doch  in  voller  Selbst- 
ständigkeit und  frei  von  jedem  Zwange  zu  finden  und  allmählich  zu  immer 
grösserer  Fülle  und  Schönheit  auszugestalten;  und  trotz  der  grossen  Ver- 
luste, welche  namentlich  die  lyrische  Litteratur  der  Griechen  betroffen 
haben,  ist  es  uns  auch  heute  noch  möglich,  den  Verlauf  dieser  Entwicke- 
lung fast  vollständig  zu  überschauen  und  in  einem  abgerundeten  Bilde  uns 
vor  Augen  zu  führen  von  den  ersten  eigentlich  künstlerischen  Anfangen 
im  homerischen  Epos  an  durch  die  Zeit  des  kräftigen  Aufblühens  der  ele- 
gischen, iambischen  und  melischen  Poesie  hindurch  bis  hinein  in  die  reiche 
und  herrliche  Blüte  während  und  unmittelbar  nach  den  Perserkriegen,  wo 
im  Drama  wie  in  der  chorischen  Lyrik  das  Höchste  und  Vollkommenste  er- 
reicht wurde;  dann  den  allmählichen  Niedergang,  anfangs  noch  in  langsam 
absteigender  Richtung,  indem  die  schöpferische  Kraft  und  der  feine  Sinn 
für  die  Bedeutung  der  rhythmischen  Formen  abzunehmen  begannen;  später 
aber  in  grösserer  Schnelligkeit,  als  Masslosigkeit  überhand  nahm  und 
durch  Aufwand  äusserlicher  Mittel  der  Beifall  erstrebt  wurde;  dann  die  künst- 
liche Nachblüte  während  der  alexandrinischen  Zeit,  wo  äussere  Korrektheit 
und  Formenglätte  den  Mangel  originaler  Kraft  und  richtigen  Empfindens 
ersetzen  sollte;  endlich  die  römische  und  byzantinische  Periode,  wo  das  alte 
hellenische  Wesen  erstorben  war  und  an  Stelle  der  lebensvollen  Mannig- 
faltigkeit und  Fülle  Einförmigkeit  und  Starrheit  oder  geistlose  Spielerei 
trat  und  schliesslich  durch  Einführung  eines  wesentlich  anderen  Prinzips 
eine  völlige  Umgestaltung  der  metrischen  Kunst  herbeigeführt  wurde. 

2.  Auf  die  metrischen  Formen,  deren  sich  die  griechische  Dichtung 
der  vor  homerischen  Zeit  bediente,^)   ist  nur  ein  Rückschluss  aus  den 

')  Den  geschicfatHchen  Zusammenhang  Inder,  Germanen,  Italiker)  hat  zuerst  nach- 
der  griechischen  Verskunst  mit  den  Formen  gewiesen  R.  Westphal,  Zur  vergleichenden 
der  Dichtung  der  verwandten  Volker  (Iranier,   j   Metrik    der   indogerman.    Völker   (1860)  in 

45* 


708  £•  Metrik,    c)  Metrik  der  QriecheiL 

rhythmischen  Gebilden  der  späteren  Zeiten  möglich.  Wenn  wir  auch  in 
der  frühesten  Periode,  in  die  unsere  Kenntnis  zurückreicht,  nur  ein  ein- 
ziges Metrum,  den  daktylischen  Hexameter,  in  Anwendung  finden,  so  ist 
es  doch  unzweifelhaft,  dass  er  nicht  das  Urmass  der  griechischen  Poesie 
gewesen  ist,  da  er  in  seinem  feinen  und  künstlichen  Bau  die  Spuren  einer 
langen  Entwickelung  an  sich  trägt  und  auf  vorangehende  einfachere  Bil- 
dungen zurückweist;  dass  vielmehr  vor  ihm  und  neben  ihm  noch  andere 
rhythmische  Formen  im  volksmässigen  Gebrauche  0  waren,  welche  erst 
später  in  der  kunstmässigen  Dichtung  Eingang  und  Bürgerrecht  erhalten 
haben.  Auch  wird  für  die  ältesten  Oesänge  der  volksmässigen  wie  der 
hieratischen  Dichtung  eine  primitive  Form  der  Periodisierung,  ein  Anfang 
der  Strophenbildung,  nicht  in  Abrede  zu  stellen  sein.^) 

3.  Das  erste  Versmass  aber,  welches  eine  künstlerische  Ausbildung  bei 
den  Griechen  erhielt,  ist  der  daktylische  Hexameter.  Ursprünglich  der 
religiösen  Dichtung  angehörig,  wurde  er  dann  auf  das  weltliche  Epos  über- 
tragen und  tritt  uns  in  den  homerischen  Dichtungen  bereits  in  vollendeter 
Ausbildung  gegenüber;  er  übte  in  der  epischen  Poesie  eine  ausschliessliche 
Herrschaft,  behauptete  sich  aber  auch  im  lyrischen  Gebrauche  noch  lange 
Zeit,  bis  er  hier  durch  andere  Formen  verdrängt  wurde. 

4.  Die  Verbindung  des  sog.  Pentameters  mit  dem  Hexameter  im  ele- 
gischen Distichon  war  der  erste  Schritt  zu  einer  kunstmässigen  Strophen- 
bildung. Das  Auftreten  des  elegischen  Masses  knüpft  sich  an  den  Namen 
des  ionischen  Dichters  Kallinos,  welcher  es  bereits  mit  vollendeter  Meister- 
schaft handhabte  und  nicht  als  sein  erster  Erfinder  gelten  kann.  Das 
Elegeion  hat,  wie  es  in  seiner  Form  sich  eng  an  das  Epos  anschliesst, 
neben  demselben  in  weiterer  Entwickelung  bis  in  die  späteste  Zeit  seinen 
Platz  behauptet. 

5.  Eine  neue  Epoche  in  der  Geschichte  der  metrischen  Kunst  beginnt 
mit  dem  lambographen  Archilochos  von  Paros.  Seine  Bedeutung  besteht 
darin,  dass  er  Schöpfungen,  welche  bisher  nur  der  Volksdichtung  angehörten, 
in  den  Kreis  der  kunstmässigen  Poesie  hereinzog  und  ihnen  neben  Hexa- 
meter und  Elegeion  eine  gleichberechtigte  Stellung  errang.  Er  führte  den 
dreizeitigen  Rhythmus,  den  iambischen  wie  den  trochäisclien,  aus  den 
volkstümlichen  Gesängen  der  dionysischen  und  demetrischen  Feste  in  die 
Kunstdichtung  ein;  er  verband  ferner  die  beiden  rhythmischen  Geschlechter, 
das  /cror  und  das  dinXciaiov^  miteinander,  allerdings  noch  nicht  innerhalb 
desselben  Kolon,  ja  noch  nicht  einmal  in  derselben  Periode,  und  brachte 
dadurch  ein  Prinzip   der  Khythmopöie   zur  Geltung,   das   in   der  Folgezeit 

Ai).    KuuNS  Ztschr.   f.  vgl.  Sprachforschung  '   sehen   Langverse   aus  Kurzzcilcn    von   je   4 

IX,    p.  437  ff.;   vgl.   IL   UsENER,    Altgriech.  Hebungen   nachzuweisen  unternimmt.     Vgl. 

Versbau  p.  55  f.  besonders  p.  102. 

')  Als  Vorläufer    des    Hexameters    be-  *)  Mit  Recht  sagt  Useneb  p.  112:   „Stro- 

trachtete  Tu.  Berqk  (Über  das  älteste  Vers-  phenbildung  ist  so  alt  als  menschlicher  (le- 

mass  der  Griechen,  Freiburg  i.'B.  1854.)  den  sang.**    Auch  in  dem  von  ihm  p.  81  als  ^al- 

Knoplios  -   _  ^^  _  v.^^^  -    und     den    Paroe-  i   testes  Denkmal  griechischen  Versbaues*  bc- 

miakus.     Bezüglich  des  letzteren  ist  ihm  bei-  zeichneten  Tempelgesang  der  elischen  Frauin 

getreten    IL    Usener.   der   in   seiner  Schrift  (BkROK.  PLlL  111,  p.  (•5t;  f.)   ist  die  Periodi- 

über  den  altgriech.  Versbau  die  Entstehung  «lerung  nicht  zu  verkennen, 
des  Hexameters    und   der    anderen   griechi- 


1.  Entwickelang  der  metrischen  Kunst  bei  den  Oriechen.  (§  30.)  709 

eine  Fülle  edler  Formen  erzeugte;  er  gruppierte  endlich  auch  Glieder  von 
ungleicher  Grösse,  während  im  elegischen  Masse  nur  gleichgrosse  rhyth- 
mische fifye'd^rj  verbunden  waren,  und  wurde  so  der  Schöpfer  der  epo- 
dischen  Systembildung. 

6.  Den  ganzen  Reichtum  rhythmischer  Formen  aber  entwickelte  erst 
die  eigentliche  Lyrik,  welche  teils  in  monodischer,  teils  in  chorischer  Form 
eine  unendliche  Fülle  neuer  Bildungen  ins  Leben  rief.  Die  Anregung  ging 
von  den  Inseln  Lesbos  und  Kreta  aus,  alten  Sitzen  musischer  Kunst,  von 
denen  jenes  dem  Einzelliede,  dieses  dem  Chorgesange  besondere  Pflege 
widmete.  Die  höhere  Ausbildung  der  chorischen  Lyrik  gehört  aber  dem 
Peloponnes  an,  wo  in  dem  sangreichen  Sparta^  das  lange  Jahre  den  Mittel- 
punkt der  musischen  Bestrebungen  bildete,  berühmte  Meister  eine  nach- 
haltige Wirksamkeit  ausübten.  Hatte  die  älteste  Lyrik  noch  mit  Vor- 
liebe am  daktylischen  Hexameter  und  dem  elegischen  Masse  festgehalten, 
so  führte  ein  weiterer  Fortschritt  auf  die  Bahnen  des  Archilochos.  Ter- 
p  an  der  bediente  sich  in  seinen  kitharodischen  Nomen  zwar  noch  vor- 
wiegend des  epischen  Masses  und  des  geraden  Khythmengeschlechts,  aber 
er  brachte  doch  schon  vereinzelt  andere  Rhythmen  zur  Anwendung.  Tha- 
letas  von  Kreta,  welcher  auch  die  chorische  Poesie  in  den  Kreis  der 
Festagone  hineinzog,  brachte  auch  den  fünfzeitigen  (päonischen  und 
kretischen)  Rhythmus  im  Hyporchem  und  Päan  in  Gebrauch  und  führte 
die  Systembildung  zu  einer  kunstreicheren  Entwickelung  weiter.  Bei  AI  km  an 
von  Sardes  begegnen  zum  erstenmale  die  jtihTQa  fuxrd  (§  21)  und  die  loniker, 
ohne  jedoch  schon  eine  hervorragende  Rolle  in  seinen  Dichtungen  zu  spielen; 
auch  wird  an  seinen  Namen  wohl  mit  Rechte  die  Einführung  der  tricho- 
tomischen  Strophengliederung  nach  Strophe,  Gegenstrophe  und  Epodos  (§  27) 
geknüpft;  bei  Tyrtaios,  der  in  seinen  Elegieen  sich  an  Kallinos  anschloss, 
erscheint  der  anapästische  Rhythmus,  ofifenbar  der  volksmässigen  Poesie 
entlehnt,  zum  erstenmale  selbständig  in  seinen  Embaterien. 

7.  Stesichoros  aus  Himera  förderte  die  künstlerische  Ausbildung 
des  Chorgesangs  durch  kunstvolleren  Ausbau  der  Einzelstrophe,  bildete  das 
xaid  SitxrvXov  €i6og  weiter  und  verschaffte  der  daktylo-epitritischen 
Strophengattung  eine  hervorragende  Stellung,  während  Ibykos  sich  zuerst 
unter  den  chorischen  Lyrikern  dem  logaödischen  Metrum  mit  Vorliebe 
zuwendete.     Durch  Arion  erhielt  der  Dithyrambos  seine  Kunstform. 

8.  Die  monodische  Odenpoesie  wurde  in  die  Litteratur  eingeführt 
und  erhielt  ihre  typische,  für  die  spätere  Zeit  giltige  Form  durch  die 
Lesbier,  namentlich  Alkaios  und  Sappho.  Sie  beschränkten  sich  im 
Gegensatze  zu  der  reichen  Formenentwickelung  der  chorischen  Dichtung 
auf  eine  sehr  einfache  (distichische  und  tetrastichische)  Strophenbildung 
und  monostrophische  Komposition,  und  zeigten  besondere  Vorliebe  für 
die  logaödischen  und  daktylischen  Metra,  denen  sie  einen  bestimmten  Typus 
aufprägten.  2) 

^)  Vgl.  O.Crüsiuö,  Stesichoros  u.  die  epo-   i  *)  Über    die    charakteristischen   Eigen- 

dische  Komposition  in  d.  griech.  Lyrik,  in  den  |  tümlichkeiten  des  lesbischen  Versbaues  vgl. 
Commentationes  pfiilol. Mtbheck  lAjpsASSS,       \  Usener    p.  120,    wo  von  den    Formen  der 


710  IS-  Metrik,    o)  Metrik  der  Griechen. 

9.  Eine  Bereicherung  erfuhren  die  Formen  der  Liederdichtung  durdi 
den  lonier  Anakreon,  der  neben  den  Logaöden,  welche  er  abweichend 
von  den  Lesbiern  (glykoneische  Systeme)  behandelte,  zuerst  die  loniker, 
auch  in  der  anaklastischen  Form,  in  ausgedehntem  Masse  gebrauchte  und 
neue  Strophenformen  mit  innigerer  Verknüpfung  der  einzelnen  Glieder 
schuf,  übrigens  aber  an  der  Einfachheit  der  Systembildung  und  an  der 
monostrophischen  Kompositionsform  festhielt 

10.  Die  späteren  lambographen  Hipponax  und  Ananios  bildeten  in 
den  sogenannten  Hinkversen  neue  Formen  der  skeptischen  Poesie,  welche 
in  spaterer  Zeit  viel  Nachahmung  fanden;  auch  ist  der  katalektische  iam- 
bische  Tetrameter,  welcher  in  der  Komödie  eine  grosse  Beliebtheit  erlangte, 
zuerst  bei  Hipponax  nachweisbar  und  vielleicht  von  ihm  in  die  Kunst- 
dichtung  übertragen  worden. 

11.  Als  rhythmischer  Neuerer  auf  dem  Gebiet  der  chorischen  Dich- 
tung wird  Lasos  von  Hermione,  der  erste  Musiktheoretiker  der  Griechen, 
bezeichnet,  und  es  scheint,  als  sei  auf  ihn  die  alloiostrophische  Komposition 
des  Dithyrambos,  vielleicht  auch  die  reichere  Ausbildung  des  Logaödenstils 
zurückzuführen. 

In  Simonides  von  Keos  und  Pin  dar  erreichte  die  Ghorlyrik  ihre 
höchste  Blüte.  Zwar  sind  beide  nicht  durch  geniale  Neubildungen  aus- 
gezeichnet, aber  sie  herrschen  mit  vollkommener  Meisterschaft  über  den 
ganzen  Reichtum  der  vorhandenen  Kunstformen  und  verstehen  sie  in  un- 
erschöpflicher Mannigfaltigkeit  zu  rhythmischen  Kunstwerken  von  grösster 
Vollendung  zu  verbinden.  Bei  beiden  erscheinen  Logaöden  und  Daktylo- 
Epitriten  als  die  Hauptformen  des  Strophenbaues,  aber  Simonides  bevor- 
zugt die  ersteren  und  verleiht  ihnen  durch  seine  Behandlung  den  Charakter 
des  Weichen,  Milden  und  Anmutigen  im  Gegensatze  zu  dem  Energischen. 
Schwungvollen  und  Feurigen  des  pindarischen  Logaödenstils;  bei  Pindar, 
an  den  sich  Bakchylides  eng  anschliesst,  überwiegen  die  Daktylo-Epitriten, 
welche  durch  plastische  Ruhe  und  feierlichen  Ernst  charakterisiert  sind; 
nur  vereinzelt  treten  bei  ihm  auch  päonische  und  trochäisch-ithyphallische 
Strophen  auf. 

12.  Nach  dem  glücklichen  Ausgange  der  Perserkriege  übte  Athen, 
das  nunmehr  der  Mittelpunkt  des  griechischen  Geisteslebens  geworden  war, 
einen  mächtigen  Einfluss  auf  die  Weiterbildung  der  poetischen  Kunstformen. 
Hier  entwickelte  sich  von  ihren  ersten  Anfangen  an  die  Tragödie  und 
erlangte  auch  die  Komödie,  welche  schon  vorher  in  Sicilien  durch  Epi- 
charmos  eine  regelrechte  Gestaltung  erhalten  hatte,  ihre  klassische  Form. 
Beide  schöpften  aus  dem  reichen  Schatze  rhythmischer  Bildungen,  welche 
in  der  chorischen  Lyrik  und  der  Volksdichtung  vorlagen,  und  fast  alle 
Formen,  welche  die  griechische  Poesie  bis  dahin  geschaffen  hatte,  fanden 
in  ihnen  ihre  Verwertung  und  durch  sie  ihre  Weiterbildung.  Dem  drama- 
tischen Dialog  diente  anfangs  der  trochäische  Tetrameter,  welchen  die 
älteste  Tragödie    wie   die   sicilische  Komödie    bevorzugte,    dann    fast  aus- 

äolisclien  Lyrik  gesagt  wird:   „gestaltet  sind   |   Rhythmus  war  und  die  Senkungen  nicht  ge- 
sie  worden   in   treuer   Anlehnung   an   einen    '   messen  wurden.** 
Versbau,   in  dem    die  Hebung  Trägerin  des   ', 


1.  Entwickelang  der  metrischen  EmiBt  bei  den  Griechen.  (§30.)  711 

schliesslich  der  ianibische  Trimeter,  in  dessen  verschiedenartigem  Bau  der 
Gegensatz  des  tragischen  Ernstes  und  der  Ausgelassenheit  der  Komödie 
zum  Ausdruck  kam.  Derselbe  Gegensatz  kam  zur  Geltung  in  der  Auswahl 
und  Behandlung  der  anderen  Rhythmen,  von  denen  z.  B.  die  anapästischen 
Ilypermetra  der  Tragödie  und  Komödie  gemeinsam  sind,  der  iambische  und 
anapästische  Tetrameter  hingegen  der  letzteren  eigentümlich  blieben;  be- 
sonders aber  in  den  lyrischen  Teilen  des  Dramas,  denn  während  die  Ko- 
mödie sich  mit  Vorliebe  den  einfacheren  und  schlichteren  Formen  der  älteren 
und  volksmässigen  (ionischen)  Lyrik  zuwandte  -—  ausser  wo  sie  parodische 
Zwecke  verfolgte  — ,  namentlich  aber  trochäische,  päonische  und  glyko- 
neische  Bildungen  bevorzugte,  traf  die  Tragödie,  zumal  die  ältere,  aus  der 
grossen  Fülle  der  chorischeu  Stilarten  ihre  Auswahl  mit  Rücksicht  auf  den 
jedesmaligen  Gegenstand  und  die  darzustellende  Empfindung  und  gestaltete 
die  lyrischen  Formen  den  Bedingungen  und  Zwecken  des  Dramas  gemäss 
in  eigenartiger  Weise  um.  Als  neue  rhythmische  Bildungen  erscheinen 
im  Drama  die  dem  tragischen  Pathos  vor  anderen  entsprechenden  doch- 
mischen  Strophen.  —  In  der  ältesten  Tragödie  nahmen  die  Gesänge  des 
Chores  noch  einen  breiten  Raum  ein  und  Aeschylus,  der  Meister  der  tra- 
gischen Rhythmopöie,  gebietet  über  eine  grosse  Menge  rhythmischer  Formen, 
die  er  mit  Strenge  der  Technik  und  feinem  Gefühle  für  ihren  ethischen 
Charakter  handhabt;  ihm  hat  der  trochäische  und  iambische  Strophenstil 
seine  besondere  Ausbildung  zu  danken.  Sophokles  und  Euripides  be- 
schränkten den  Umfang  des  Chorliedes  und  den  Reichtum  seiner  Formen, 
bei  ihnen  wurden  die  Logaöden  mehr  und  mehr  das  Universalmass  der 
Chorlieder  und  musdten  den  verschiedenen  poetischen  Stimmungen  entsprechen ; 
alle  übrigen  Strophengattungen  traten  bei  ihnen  zurück  ausser  den  daktylo- 
trochäischen  und  iambischen  bei  Euripides,  nur  vereinzelt  finden  sich 
ionische  und  daktylo-epitritische  Strophen.  In  den  Kommoi  und  Bühnenge- 
sängen zeigte  sich  grössere  Mannigfaltigkeit:  hier  kamen  neben  den  Dochmien 
die  Klaganapaeste  in  vorwiegend  spondeischer  Form,  die  Daktylen  und  die 
Jambo-Trochäen  durch  Euripides  in  Aufnahme.  —  Seit  dem  Frieden  des 
Nikias  (Ol.  89,  4)  ist  ein  Nachlassen  der  früheren  Strenge  und  Sorgfalt 
in  der  Technik  des  Dialogverses  wie  der  Cantica  wahrzunehmen:  die  Bühnen- 
gesänge streiften  die  Fessel  der  antistrophischen  Responsion  ab  und  ent- 
arteten immermehr  in  Freiheit  und  Zügellosigkeit.  —  Die  spätere  Komödie 
entbehrte  völlig  des  Chors,  die  lyrischen  Elemente  sind  daher  in  ihr  nur 
von  geringer  Bedeutung. 

13.  Auch  die  lyrische  Kunst  selbst  neigte  sich  gleichzeitig  dem  Ver- 
fall zu  und  verliess  die  Strenge  der  klassischen  Muster:  im  jüngeren  Di- 
thyrambos  wurde  die  strenge  Regelmässigkeit  aufgegeben  und  die  freie 
Form  der  artoXsXviiiva  angenommen,  womit  sich  eine  masslose  und  will- 
kürliche Polymetrie  verband. 

14.  Mit  der  glänzenden  Epoche  Alexanders  war  die  schöpferische 
Kraft  des  Griechentums  erloschen:  die  alexandrinische  Zeit  besass  keine 
rhythmische  Erfindungsgabe  mehr  und  keine  Fähigkeit  zu  Neugestaltungen ; 
man  beschränkte  sich  auf  die  Nachbildung  und  Ummodelung  der  metrischen 
Formen  früherer  Zeiten.   Auch  das  sotadeische  und  das  galliam bische 


712  £•  Metrik,    o)  Metrik  der  Griechen. 

Metrum,  die  in  der  alexandrinischen  Periode  zuerst  in  der  Litteratur  auf- 
treten, sind  nicht  als  originale  Bildungen  dieses  Zeitalters  zu  betrachten J) 
Doch  entwickelte  dasselbe  eine  schulmässige  Fertigkeit  und  sorgfaltige 
Technik  in  der  Reproduktion  einer  Anzahl  einfacher  Metra  und  Strophen, 
besonders  der  der  Lesbier  und  des  Archilochos,  ausser  dem  epischen  und 
elegischen  Masse  und  dem  iambischen  Trimeter  vornehmlich  der  Choliamben, 
Hendekasyllaben,  Asklepiadeen,  Hemiamben  und  Anakreonteen. 

15.  Der  römischen  Periode  des  Hellenismus  gehört  der  Choliamb 
des  Fabeldichters  Babrios  an  (3.  Jahrb.),  ein  merkwürdiges  Denkmal  des 
Übergangs  von  der  quantitierenden  Verskunst  zu  der  accentuierenden.  Obwohl 
hier  die  alte  Technik  noch  festgehalten  wird,  macht  sich  doch  schon  ein  neues 
Prinzip  des  Versbaues  geltend:  neben  der  strengen  Beachtung  der  Silben- 
quantität gilt  die  Regel,  dass  die  vorletzte  Silbe  des  Verses  eine  accen- 
tuierte  sein  muss.  —  Im  Anfange  des  5.  Jahrb.  erfuhr  die  Technik  der 
hexametrischen  Dichtung  eine  neue  mechanisierende  Regelung  in  der  ägyp- 
tischen Schule  des  Nonnos  und  seiner  Anhänger,  wodurch  dem  Verse  zwar 
Wohlklang,  Weichheit  und  Lebhaftigkeit  verliehen,  aber  die  individuelle 
Freiheit  des  Dichters  in  hemmende  Fesseln  geschlagen  wurde.  Auch  hier 
trat  neben  den  peinlichen  Regeln  über  Cäsur,  Elision,  Hiat,  Position,  Län- 
gung u.  dgl.  die  Rücksicht  auf  die  Wortbetonung  am  Vers-  und  Cäsuren- 
schluss  deutlich  zu  tage. 

1 G.  Der  erste  Dichter,  welcher  die  Rücksicht  auf  Quantität  völlig  bei 
Seite  setzte,  ist  Gregor  von  Nazianz  (f  389).  In  zwei  Oedichten  des- 
selben ist  jede  prosodische  Rücksicht  geschwunden  und  die  Betonung  der 
vorletzten  Silbe  des  Verses  zur  Regel  geworden.  Die  spätere  Anakreonteen- 
dichtung  folgt  ähnlichen  Prinzipien  des  Versbaues,  und  seit  dem  7.  Jahrb. 
hat  sich  der  Übergang  von  der  silbenmessenden  Metrik  zu  der  silbenzählen- 
den der  Byzantiner  vollzogen,  bei  der  nur  darin  der  Wortbetonung  genüge 
geschieht,  dass  der  Ausgang  des  Verses,  resp.  Halbverses  das  Zusammen- 
fallen des  metrischen  Iktus  mit  dem  Wortaccente  fordert.  Während  die 
weltliche  Lyrik  sich  des  achtsilbigen  anakreonteischen  Masses  bediente  und 
kleinere  sechs-  oder  achtzeilige  Strophen  bildete,  blühte  im  6.  und  7.  Jahrb. 
die  Hymnodie  der  christlichen  Kirche  auf,  welche  neue,  zum  teil  kunst- 
reiche Strophenformen  schuf.  Nach  dem  Jahre  1000  gewann  der  sogenannte 
politische  Vers,  eine  Nachahmung  des  iambischen  Tetrameters,  die  Herr- 
schaft  und  wurde  allmählich  das  Universalmass  der  gesamten  Poesie  der 

Mittelgriechen. 

G.  Bernhardt,  Grundriss  d.  Griech.  Litteratur.  I.  4.  Bearb.  Halle  1876.  II.  1.  2. 
3.  Bearb.  1807.  72.  —  Fr.  Ritöchl,  Zur  Geschichte  d.  griech.  Metrik.  Opuac.  I.  270  ff.  - 
H.  Westphal,  Griech.  Metrik  IP  2,  53-58,  271-295  (lll,«  1.  p.  35  ff.  207  ff.)  uod  Ge- 
schichte der  alten  und  mitteJalterl.  Musik,  Breslau  1865,  p.  57  ff.  ~  A.  Böckh,  Ency- 
klopädie  und  Methodologie  der  philol.  Wissensch.  2.  Aufl.  v.  R.  Klussmann.  Leipz.  1886. 
—  Tu.  Berok,  Griech.  Litteraturgeschichte.     4  Bde.    Berlin  1872-88.    -  F.   A.  Gevaert, 

^)  Anders  U.  v.   Wilamowitz,    Hermes  |  lers  Jahresber.  XV  (1887)  p.  237  f.  —  Er- 

XIV,    194  ff.    und    Philol.    Untersuchungen  I  findungen  der  alexandrinischen  Zeit  sind  das 

9.  lieft  p.  140.    „Auch  noch  zu  Sotades'  Zeit  |  e^tiueiQoy  xoQi(tf^ß(x6y   des   Philikos  (Hepb. 

erfand  Kallimachos  sich  als  Mass  für  sein  p.  ol.s«  W.)  und  das  iambische  Octamefrnm 

lyrisches  Attislied  den   steigenden  ionischen  catalecticum  des  Boiskos  (Mar.   Vict.  p.  82  K. 

katalektischen    Tetrameter    mit    Diaeresis"  I  Rufin.  p.  564  K.). 

u.  s.  w.     Doch  vgl.  H.  Magnus  im  J.  Mül-  I 


2.  Die  Metra  der  Griechen.  (§31—32.)  713 

• 

Histoire  et  thöorie  de  la  musique  de  Fantiquit^.  Gand.  1875,  81  im  2.  Bde.  —  H.  Flach, 
Gesch.  d.  griech.  Lyrik.  2  Bde.  Tübing.  1883.  84.  —  W.  Christ,  Griech.  Litieraturgeschichte  = 
Handbuch  Vll.  Nördl.  1888. 

K.  Deutschmakn,  De  poesis  Graec.  rhythmicae  priinordiis.  Malmedy  1883.  Progr. 
Ders.  De  poesis  Gr.  rhythra.  usu  et  origine.  Koblenz  1889.  Progr.  —  W.  Meyer,  Anfang  u. 
Ursprung  d.  lat.  u.  griech.  rhythm.  Dichtung.  München  1885  (Akad.  Abb.).  —  H.  Useneb, 
Altgriech.   Versbau,  ein  Versuch  vergleichender  Metrik,  Bonn  1887. 

2.  Die  Metra  der  Griechen. 

I.  Die  einfachen  Metra. 

Die  daktylischen  Metra.^ 

31.  ImDaktylossind  vier  Grundzeiten  {xQovoi  tiqwtoi)  zur  Einheit 
eines  Fusses  verbunden,  von  denen  zwei  die  Thesis,  zwei  die  Arsis  bilden. 
Der  Daktylos  gehört  also  dem  ysvog  taov  an  (§  11).^) 

Der  daktylische  Rhythmus  hat  den  Charakter  des  Würdevollen,  Feier- 
lichen und  Gemessenen  (Dionys.  de  comp.  c.  17,  Aristid.  p.  51  M.);  die  Zu- 
sammenziehung der  beiden  Arsissilben  steigert  den  Eindruck  der  Ruhe  und 
Gemessenheit  und  bringt  bei  mehrfacher  Wiederkehr  die  Empfindung  des 
Schwerfalligen  und  Mühseligen  hervor,  während  beständig  wiederholte  Dak- 
tylen zum  Ausdruck  grösserer  Beweglichkeit  und  Lebhaftigkeit  dienen. 

Die  gewöhnlichen  Formen  des  daktylischen  Fusses  sind  1)  der 
Daktylos  selbst  -^  ^  ^ ,  2)  der  daktylische  Spondeus  -^  - .  Wird  die 
Arsis  durch  Dehnung  ersetzt,  oder  durch  Pause  ergänzt,  so  erhält  der  Fuss 
die  Form  ^  oder  -  '^ ,  Der  Prokeleusmatikos  (^^  ^)  tritt  als  Stell- 
vertreter des  Daktylos  nur  sehr  selten-^)  ein  (vgl.  Aristoph.  Av.  1753  6iä 
et  td  ndvta  xQatr^aaq), 

32.  1.  Die  daktylischen  Kola  haben  eine  vierfache  Ausdehnung: 
Dipodie  (8 zeitig),  Tripodie  (12 zeitig),  Totrapodie  (16 zeitig),  Pentapodie 
(20 zeitig).  Verbindungen  von  mehr  als  fünf  daktylischen  Füssen  (20  Chronoi) 
zerlegen  sich  in  zwei  Kola  (§  13). 

Sie  lauten  akatalektisch  aus  auf  einen  Daktylos  oder  einen  Spon- 
deus; katalektisch  auf  die  blosse  Thesissilbe,  indem  die  Arsissilben 
durch  zweizeitige  Pause  oder  Dehnung  der  Schlusslänge  zum  Tetrasemos 
ergänzt  werden;  endlich  brachykatalektisch  auf  zwei  Längen,  wenn  die 
beiden  letzten  Arsen  nicht  durch  besondere  Silben  zum  Ausdruck  gebracht, 
sondern  durch  Pause  oder  tovtj  ersetzt  sind  (§  15): 
akat^l.      j^v^wj^v^w-iww^ c?=?  {±<J\^±KJKJ\J^     j.  Ä 

katalekt.  ji*^*-^  —  wwZwv^zt^  ^      *|zwwzwwlIi    lL 

Durch  Unterdrückung  einer  oder  mehrerer  Arsen  im  Inlaute  der 
Reihe  entstehen  asynartetische  Bildungen  (§  15  u.  23).  Die  daktylischen 
Asynarteta  mit  dipodischer  Katalexis  haben  eine  äussere  Ähnlichkeit  mit 
Choriamben,  von  denen  sie  sich  jedoch  rhythmisch  unterscheiden: 

)  Uephaest.  p.  22  W.     Schol.  Heph.  p.   1   die  kürzer   war  als  die  zweizeitige.     Dieser 


1()1  W.     Aristid.   p.  51  M.     Mar.  Victor  p. 
70  K. 

^)  Nach  Dionys.  de  comp.  c.  17  u.  20 
hatte  allerdings  im  Vortrage  der  Rhapsoden 
der  Daktylos  des  Hexameters  eine  Lftnge, 


Daktylos,  der  nicht  vierzeitig  ist,  ist  der  sog. 
kyklische.  Vgl.  G.  Hermanv  Ei.  D.  M. 
p.  318.    Westphal,  lUiythm.*  p.  50. 

^)  Aristid.   p.  51    to    daxtvXixoy   inidi- 
XStai  ....  nQoxeX$vc(4ttnxCy  ovdagitSg, 


714 


ik.    c) 


der  Griechen. 


daktylisch  -v^lj  _^^l_i  (16  zeitiges  xwXor) 

choriambisch  _  v>^  _  _v^_  (12  zeitiges  xwAor). 

Zwar  ist  die  roonopodische  Messung  (§  22)  bei  den  Daktylen  die 
gewöhnliche,  doch  ist  die  dipodische  bei  ihnen  keineswegs  ausgeschlossen, 
sondern  wird  ausdrücklich  bezeugt  von  Aristides  p.  52  und  Schol.  Hepb. 
p.  Ml,ii),  174,25  W.,  Mar.  Vict.  p.  70,  p.  76,26  K. 

2.  Die  daktylischen  Kola  in  ihren  gebräuchlichsten  Formen  sind 
folgende: 

Dipodie:  Tripodie: 

..      ,  akatal.    \      ,        ,        , 

(  J.  v-^^  t_J  (  ±  s.^^  _'.   »^.A^  L^J 

)     ^  w^  -  A  katal.      I     j.^^  ±.^  j.   t: 


akatal. 
katal. 


akatal. 
katal. 


brachykat.    } 

1     ^ 


dikat. 


akatal. 
katal. 


1  ^ 


Tetrapodie : 


v>»w  _   s.>\^   _  v.^^   _   \^^>^ 


J.  '^•^   _      _ 


0>^    _    V.-*^»    ^    V^^w' 


>wA»>    _    W,^    _i    V.A_/    _        Ä 


-     7^ 


s^v>  _  v>^^ 


VA^ ' I 


J.  v.^^ 


Pentapodie: 


Anmerkung.  Wenn  am  Schlüsse  eines  daktylischen  Kolun  der  Spondeus  stell- 
vertretend eintritt,  kann,  wo  Syllaba  anceps  zulässig  ist  (§  20),  dieser  auch  in  der  Form 
des  Trochacus  ereclieinen.  Irrtümlich  betrachteten  dies  die  Metriker  als  eine  besondere 
Form  der  Katalexis  (t«c  dtavXXaßoy)  Heph.  p.  22,2i.  Schol.  Ilcph.  p.  141,i4  W. 

33.  Unter  den  daktylischen  Vorsbildungen  nimmt  den  hervorragend- 
sten Platz  der  Hexameter  ein. 

Der  daktylische  Hexameter  überschreitet  den  Umfang  einer  ein- 
heitlichen Reihe,  ist  also  ein  zusammengesetzter  Vers.  Er  besteht  entweder 
aus  zwei  tripodischen  resp.  tetrapodischen ')  Gliedern  oder  aus  einem  tetra- 
podischen  und  einem  dipodischen  Kolon  und  prägt  seinen  Ursprung  deut- 
lich in  seiner  verschiedenen  Gliederung  durch  Caesuren'^)  aus.  Auf  die 
Entstehung  aus  zwei  gleich  grossen  Kola  weist  die  rffftf]  xaid  ighov  iqoxccTov 
(1)  und  die  nev0^t^iuiuQi]q  (2),  auf  die  Zusammensetzung  aus  Tetrapodie  und 
Dipodie  die  toßti  ßovxohxrj  (3)  und  die  Zerlegung  durch  iqj^r^inifieQijg  und 
TQiO^rjfiiinfQi^g  (4): 

1) 

2) 


v>^->  _1   »^>v>   J.     \^'   '   ^y     _ 


J.    <^^  _1     il 


S.  \^^   1.  v.^^   _i     «^-^^  JL  ^.^^  —  <^>^^   —     ir^ 


')  Vgl.  H.  Seiling,  Ursprung  u  Mes- 
sung d.  homer.  Verses  p.  4  ff.  über  die  tetra- 
podischo  Messung. 

^j  Aristid.  p.  52  M.  Mar.  Victor,  p.  G4  sq., 


p.  70,  p.  114  K.  Anonym,  in  Keil.  Gramm. 
Lat.  VI,  p.  (>45.  Anonym.  Ambros.  in  Stcde- 
MUND,  Anecd.  Var.  I,  215  sq. 


2.  Die  Metra  der  Griechen.  (§  33.)  715 


_L  v>s^  _1  v^^-'  J.  vA^  JL 


J.    V-N^    _i       i£ 


3)      ^-^± 

Die  fortgeschrittnere  Verskunst  hat  von  dieser  verschiedenartigen  Gliederung 
nach  freiem  Ermessen  Gebrauch  gemacht,  um  dadurch  in  die  Einförmigkeit 
des  langen  Verses  Abwechslung  und  Mannigfaltigkeit  zu  bringen. 

1.  Die  trochäische  Caesur  des drittenFusse8,ro^r)  xaTcctQiTovTQoxcciov, 
steht  der  Zerfällung  des  Hexameters  in  zwei  gleich  grosse  Teile  am  nächsten: 

A  17.  'AxQeTdaC  re  xai  akkoi  |  evxvi^fitieg  *Axaio(. 
Sie  giebt  dem  Verse  einen  weicheren  Charakter  {Jenis'^  G.  Hermann)  und 
wird  daher  die  weibliche  genannt;  aber  der  gleiche  Tonfall  beider  Vers- 
glieder hat  bei  häufigerer  Wiederkehr  durch  seine  Einförmigkeit  etwas  Er- 
müdendes. —  Bei  Homer  ist  diese  Gaesur  so  gebräuchlich,  dass  sie  die  Penthe- 
mimeres  noch  überwiegt ;  ^)  mit  grosser  Vorliebe  wenden  sie  die  Epiker  der 
späteren  Zeit  an,  bei  Nonnos  und  seinen  Nachahmern  ist  sie  zur  regel- 
mässigen Gaesur  des  Verses  geworden  unter  Vermeidung  eines  Wortendes 
nach  dem  vierten  Trochäus.  —  In  der  trochäischen  Gaesur  findet  sich  nicht 
selten  Hiatus  nach  kurzem  Vokale,  z.  6.  A  565: 

äXX  dx€ov(fa  xaO-tjffo,   i/jui)  S^imneiO^eo  fivO-fi) 
und   andere  Freiheiten  des  Versschlusses.  2) 

2.  Die  Gaesur  nach  der  Thesis  des  dritten  Fusses,  tofirj  nsv&rjiiiiie- 
Qi;gy  ist  die  beliebteste  Teilung  des  Hexameters: 

A.  1.  Mfjriv  aeiie^  t^ed,  \  IlrjXrjiddsu)  ^AxtXi^og, 
Sie  giebt  dem  ersten  Gliede  einen  kräftigen,  energischen  Abschluss  (daher 
„männlich*'  genannt,  „gravis''''  G.  Hermann)  und  dem  ganzen  Verse  durch 
die  Abwechslung  im  Anlaut  und  Abschluss  der  beiden  Glieder  grosse  Man- 
nigfaltigkeit der  rhythmischen  Bewegung;  denn  das  erste  hat  fallenden 
Rhythmus  und  lautet  mit  der  Thesis,  das  zweite  hat  steigenden  Rhythmus 
und  lautet  mit  der  Arsis  aus.  —  Die  Penthemimeres  ist  zu  allen  Zeiten  be- 
sonders bevorzugt  worden,  ausser  bei  Nonnos  und  seinen  Nachfolgern. 

3.  Die  Entstehung  des  Hexameters  aus  einem  tetrapodischen  und  einem 
dipodischen  Kolon  findet  ihren  Ausdruck  in  der  bukolischen  Gaesur,^) 
rnur]  ßovxoXixr,  welche  zwischen  dem  vierten  und  fünften  Fusse  eintritt, 
wobei  das  erste  Glied  gern  mit  dem  Daktylos  schliesst: 

^  424  f.    TToiTf»)  iiBv  T€  TTQiara  xogvatferaij  |  avvoq  iTieiza 

X^Q^^t^  ^rjyvif/xevov  fieydXa  ßQ€/Ji€i^  |  dfi^i  dt  %    dxqag  .  .  . 
Sie  ist  im  Epos  von  untergeordneter  Bedeutung  und  nur  selten  Hauptein- 
schnitt, meist  dient  sie  als  Nebencaesur  des  zweiten  Gliedes  nach  der  tro- 
chäischen oder  der  Penthemimeres: 

a  1.  "Aviga  (loi  ivvene,  fiovtfaj  |j  nolvvQOTVOv,  \  og  fxdXa  noXXd, 

A  68.    ryroÄ  o  yoig  elnwv  \\  xa%    aq   V^bxo^  \  ToTai  S^drsaTij. 
Bei  den  bukolischen  Dichtern  3)  geniesst  sie  eine  grosse  Beliebtheit,  jedoch 
tritt  sie  auch  hier  nur  in  Verbindung  mit  einer  Gaesur  des  dritten  Fusses  auf: 

Theoer.  I,  64.    agxere  ßovxoXixdg^  \  MoTaai  (piXai^  |  apx*^'  doiidg. 


')  Diese  Gliederung  haben  auch  die  Theo-  J  im  Sinne,    s.  Wbstphal,  Aristoz.  p.  77. 

retiker  bei   Aristot.   Metaph.  N  6,  p.  1093a  \  »)  Vgl.  üsknkk,  Altgr.  Versbau  p.  17  ff, 

(ro  tnog)  ßreiyerai  iv  fikv  (fflt^  ivvia  ifvlXa-  \  ')  Mar.  Victor,  p.  114  K, 

ßttig,  iv  di  TM  ctQKfieQM  oxjoi  als  die  übliche  | 


716  S*  Metrik,    c)  Metrik  der  Ghrieohen. 

].  Die  nach  der  Thesis  des  vierten  Fusses  eintretende  Hephtliemi- 
meres  ist  fast  regelmässig  mit  einer  Nebencaesur  im  zweiten  Fusse,  am 
häutigsten  unmittelbar  nach  der  Thesis  (r^ivAijjUi^f^i;^),  seltener  nach 
dem  zweiten  Trochäus  {xavd  istrteQor  tgoxatov),  verbunden,  welche  dem 
ersten  (tctrapodischen)  Kolon  zur  Gliederung  dient: 

t  19.  «V  'Oiv(f€vg  j  ^aegtidirjg,  I!  og  naai  SoXoiai  — 
A  7.  'ÄTQeiif^g  te  \  civa^  äv^gtSv  \\  xal  itog  ^AxiXksvg. 
Diese  kunstvollere  Gliederung  des  Verses  ist  schon  bei  Homer  sehr  häufig, 
besonders  in  der  Ilias,  und  trotz  einer  Gaesur  des  dritten  Fusses  überall 
da  zur  Geltung  zu  bringen,  wo  sie  durch  Satzbau  und  Interpunktion  ge- 
stützt wird,  z.  B.  A  19,  20,  35,  48,  61,  66  u.  s.  w.  Die  alexandrinischen 
Dichter  liebten  sie  wenig. 

34.  In  Betreff  der  Formen  (Schemata)  des  daktylischen  Fusses  an 
den  einzelnen  Stellen  {xoyqai)  des  Verses')  gilt  von  dem  letzten  Fusse 
als  ausnahmsfreie  Regel,  dass  hier  nie  der  Daktylos,  sondern  stets  ein  Spon- 
deus  oder  wegen  der  Freiheit  der  letzten  Silbe  ein  Trochäus  eintritt.  Die 
Arsis  fehlt  also  auch  in  diesem  Fusse  nicht,  und  der  Vers  wird  mit  Unrecht 
für  einen  katalektischen  ausgegeben.*)     Vgl.  §  32,2  Anm. 

Der  vorletzte  Fuss  ist  in  der  Regel  ein  Daktylos,  nur  ausnahms- 
weise ein  Spondeus,  insbesondere  fast  nie  durch  ein  spondeisches  Wort  ge- 
bildet (auch  in  Fällen  wie  ijw  STav^  Arftovg  viog  u,  dgl.  sind  die  daktyli- 
schen Formen  r^oa^  Ar^xoog  herzustellen).  Hexameter  mit  Spondeus  an 
fünfter  Stelle  {anovdeid^ovxfg  oder  anovdsiaxoi)  machten  wegen  der  beiden 
Schlussspondeen  den  Eindruck  des  Schwerfälligen  und  wurden  daher  zu- 
weilen —  keineswegs  immer  bei  Homer  —  absichtlich  angewendet,  mit 
besonderer  Vorliebe  von  den  Alexandrinern,  welche  selbst  mehrere  Spon- 
diaci  hinter  einander  folgen  liessen  (Callim.  hym.  3,  222  ff.  Theoer.  XIH. 
42  ff.  XXV,  29.  Apoll.  Rh.  IV,  1189  ff.);  man  wählte  dann  gewöhnlich 
viersilbige  Wörter  zum  Versschluss.  Nonnos  dagegen  mied  dispondeischen 
Ausgang  geflissentlich. 

Der  vierte  Fuss  verschmähte  den  Spondeus,  wenn  der  fünfte  ein  solcher 
war;  vor  der  bukolischen  Caesur  pflegte  der  Daktylos  zu  stehen. 

Der  dritte  Fuss  liebte  den  Spondeus  nicht  wegen  des  spondeischen 
Auslauts  der  zweiten  Vershälfte;  der  erste  Fuss  bevorzugte  ihn  wegen 
des  kräftigeren  Eingangs,  welchen  er  dem  Verse  verleiht. 

Verse,  die  ausj auter  Spondeen^)  bestehen,  öXoaTrovSeiot,  auch  arrov- 
deicc^ovteg  genannt,  sind  selten,  jedoch  nicht  völlig  gemieden  (z.  B.  B  544, 
A  130)  und  nur  zum  teil  von  berechneter  Wirkung  (^^  221,  o  334,  9  15, 
X  175,  192);  Verse  mit  fünf  Daktylen  {oXoddxrvXoi)  machen  den  Ein- 
druck grosser  Eilfertigkeit  und  Geschäftigkeit  und  bezwecken  oft  einen 
rhythmischen  Effekt,  vgl.  E  745,  N  158,  ^  421,  <V  235,  ^^  116,  «  149,  X  598. 

Nonnos  und  seine  Anhänger  vermieden  Spondeen  in  zwei  aufeinander- 

')  Über    die    verachiedenen  -nfi&tj   und  |  -)  Dionys.  de  comp.  4,  p.  48  nennt  ihn 

a^tjfjara     des    riqmixöv    vgl.     Schol.    Heph.       richtig  xiXuoi;. 

p.  IHT  ff.  Stüdkm.,  Anecd.   Varia  I,  p.  18(5  f.  ^)  Dionys.  de  comp.  c.  20.     Eustath.  zu 

21:]  ff.  u.  L.  VoLTZ  in  Comm  in  hon.    Stude-       y,  15.     11,112.  Mar.  Victor,  p.  71,  33. 

MUND  p.  79  sq.  ' 


2,  Die  Metra  der  Griechen.  (34—37.) 


717 


folgenden  Füssen,   so   dass  ein  regelmässiger  Wechsel  von  Daktylen  und 
Spondeen  das  gewöhnliche  war  (d  s  d  s  d  s). 

36.  Der  daktylische  Hexameter,  ursprünglich  dem  religiösen  Liede 
und  dem  kitharodischen  Nomos  angehörig,  wurde  dann  das  Versmass  des 
heroischen  Epos  (daher  yQcaixov  ixerQov,  rjQowv,  inoq  genannt),  behauptete 
aber  auch  später  in  Hymnen,  Nouioi  und  Orakeln  seinen  Platz.  Der  didak- 
tischen Poesie  diente  er  neben  dem  elegischen  Masse;  die  Lyrik  und  das 
Drama  machten  von  ihm  einen  sehr  beschränkten  Gebrauch.  Auch  die 
bukolische  Poesie  bediente  sich  seiner,  wie  es  scheint,  nach  dem  Vorbilde 
alter  Volksdichtung. 

Der  Charakter  des  Verses  ist  der  einer  gleichmässigen  Ruhe  und 
Würde;  vorwiegende  Spondeen  verleihen  ihm  grössere  Feierlichkeit,  selbst 
ein  gewisses  Pathos,  vorwiegende  Daktylen  grössere  Lebendigkeit  und  Be- 
weglichkeit.    Arist.  Rhet.  HI,  8.    Poet.  c.  24. 

Anmerkung.  Während  Th.  Bbbgk  den  Hexameter  aus  dem  ivonXiov  (  -  -  ^^  -  ^^^  -  ) 
und  TiaQot/Liiaxoy  entstanden  sein  liess,  hat  jüngst  Usbneb  ihn  als  eine  ^Doppelung  des 
Paroemiakus*  ~  jl^^^Zv^^^z  ^li^  -  ^-^  -  ^^^  -  ^  ^^^  »Schwund  des  Auftakts*  darge- 
stellt und  die  ursprüngliche  Selbständigkeit  der  beiden  Glieder  nachgewiesen.  Demgegen- 
über ist  darauf  hinzuweisen,  dass  die  Gliederung  des  Hexameters  durch  die  anderen 
Cäsuren  deutlich  zeigt,  dass  der  Ursprung  des  Verses  nicht  aus  dieser  einen  Quelle  abzu- 
leiten ist.  Die  Zusammensetzung  einer  vollen  daktyl.  Tetrapodie  -i  v.^  z  ^^-^  -t  v^^  -^  ^^' 
mit  einem  dipodischen  im^dixov,  dem  bekannten  Adonius,  ergab  auch  einen  daktylischen  Lang- 
vers mit  6  Hebungen,  aber  in  ganz  wesentlich  anderer  Gliederung,  die  sich  in  der  chorischen 
Dichtung  noch  oft  genug  zeigt  (Soph.  OR.  157qo167).  -  Auch  die  Gliederung  des  Hexameters 
durch  die  Ttey&rjfiifÄB^rjg  weist  offenbar  auf  einen  andern  Ursprung  hin,  als  den  von  U.  an- 
genommenen und  macht  die  Entstehung  dieses  ildog  aus  der  Verbindung  von  je  zwei 
TiQoaodiaxa  (iyoTtXitt)  wahrscheinlich: 


•^    J-  \^^ 


J~  »^>»>-'    -t       v-*      _t  v^v> 


1.    V-*^    _£.         v-/  1.   "^^^    —    Vi^N^    J. 


\^    JL  \^^  S  v>^^  _1      v^ 


P^ndlich  tritt  bei  der  Doppelgliederung  durch  k(p&rifiifiB^g  und  tQi&tjfiifieQfjg  die  anapaesti- 
sche  Dipodie  als  der  Grundrhythmus  so  offen  zu  Tage,  dass  man  für  diese  Vei*sform  auf 
eine  Entstehung  wie  die  folgende  geführt  wird: 


—        _1    V.A_/    _      VA^    J.    S^V^    _       N-**-'    J. 


V>w»    _       _ 


3C.  Der  sogenannte  Pentameter,*)  eine  Verbindung  zweier  katalekti- 
schen  daktylischen  Tripodien,  findet  fast  ausschliesslich  seine  Anwendung 
in  dem  elegischen  Distichon,  s.  §  38. 

Auch  die  Tripodien,  Tetrapodien  und  Pentapodien  erscheinen 
in  der  Hegel  nur  als  Teile  eines  Systems  (Strophe),  worüber  §  37 — 40. 

Die  daktylischen  Verse  der  äolischen  Dichter  (Nachahmung  bei 
Theokrit  29)  haben  die  Eigentümlichkeit,  dass  sie  im  ersten  Fusse  statt 
des  Daktylos  nicht  nur  den  Spondeus,  sondern  auch  den  Trochäus,  den 
Jambus  und  den  Pyrrhichius  als  Stellvertreter  zulassen  („Äolische  Basis"). 
(Ilephaest.  p.  24.)  Von  diesen  Bildungen  (sog.  atohxa)  sind  Tetrapodien, 
Pentapodien*)  und  Hexapodien  mit  verschiedenem  Auslaute  nachweisbar. 

Sapph.  fr.  40.  "EQog  d*  avxt  fi'  6  XvameXvfi  divei, 

fr.  33.    rjQccfiav  fUv  ^yco  (fäd'ev,  "Ati^i^  naXai  noxa, 

Ale.       fr.  45.   xkXof.i(xi  tiva  tov  xaQievxa  Mävcova  xaXäatfai, 

37.   Daktylische  Strophen  der  einfachsten  Art  sind  die  folgenden 


•)  Der  Name    schon    bei   Hermesianax 
(Athen.  XITI,  p.  598a). 

^)  Heph.  p.  25,3  W.   rd  (nky  neyjä/ieTQoy 


xttXeTrai  lanffixoy  Teaa{(Qeax{adexaavXXaßoy, 
Ol  t6  devTSQoy  oXoy  Inntpovg  yiyQanim. 


71 8  £•  Metrik,    o)  Metrik  der  Ghriechen. 

zwei  epodischen  Systeme  des  Arcbilochos,  welche  aus  der  Nachahmung  durdi 
Horaz  bekannt  sind:  Hexameter  und  katalektische  Tripodie^)  (Hör.  c.  lY,  7): 

±  v>C7  ±  s3S3  ±   |c?0  ±  CTO  ±  \y^  ±     iif 

und  Hexameter  und   Tetrameter,  beide    mit  spondeischem   Schlüsse   (Hör. 
c.  I,  7.  28.  ep.  12): 


1  y.^  ± 


Vgl.  Hephaest.  p.  23  W.    Mar.  Vict.  p.  116  K. 

38.  Während  in  diesen  archilochischen  Systemen  drei  Kola  verbunden 
sind,  ist  das  Elegeion  oder  elegische  Distichon^)  aus  vier  Kola  zu- 
sammengesetzt: 

1.  c^?  L  <:j^  L    ^     —  ^-^^  —  ^"^^  —    ^ 

Der  erste  Vers  desselben  ist  der  daktylische  Hexameter,  der  zweite 
der  sog.  Pentameter  (s.  §  36),  der  erstere  aus  zwei  vollständigen,  der 
zweite  aus  zwei  katalektischen  Tripodien  {n€v&rjfiifi€Q€Tg  daxrvXixm)  zu- 
sammengesetzt: 

ß  ^tiv\  ayyhXXHV  ^axeimfiovioigy  ort  vf^de 
xsi^Ux^a  ToTg  xsivtov  Qrjfxaai  neid^o^isvoi. 
Der  erste  Vers  ist  als  selbständige  Periode  durch  Hiatus  und  Syllaba  an- 
ceps  vom  zweiten  getrennt  und  Übergreifen  in  denselben   nur   sehr  selten 
zugelassen  (Simonid.  frg.  134  'AQiai;o\'ys(T(üv,   Callim.  epigr.  43  ovx  oidWsn 
^Qog  .  .  .).  —  Der  Pentameter  gestattet  diese  Freiheiten  am  Schlüsse  des 
ersten  Hemistichion  nicht  (Ausnahmen  erst  bei  späteren  Dichtern);    Wort- 
ende tritt  hier  fast  ausnahmslos  ein  (Ausn.  Eur.  Cycl.  74).    Der  Spondeus 
als   Stellvertreter  des   Daktylos   ist  im   2.  Kolon   des  Pentameters    ausge- 
schlossen, lanibische  Schlusswörter  und  trochäische  Wortschlüsse  im  5.  Fusse 
sind  zahlreich,  aber  einsilbige  Schlussworter  werden  gemieden. 

Im  Gegensatze  zu  dem  ruhigen  und  gleichmässigen  Rhythmus  des 
Hexameters  bringt  der  Pentameter  mit  seiner  zweimaligen  Katalexis  und 
der  scharfen  Scheidung  der  beiden  kurzen  Glieder  die  Unruhe  und  Auf- 
regung der  Seele,  den  Wogenschlag  stärkerer  Gemütsbewegung  zum  Aus- 
druck. Die  Verbindung  beider  Verse  im  Elegeion  wird  somit  eine  geeignete 
Form  für  den  Wechsel  der  Empfindungen,  welche  die  Elegie  zu  ihrem 
Inhalt  hat,  vgl.  Hör.  A.  P.  75.   Terent.  M.  v.  1800.    Mar.  Vict.  p.   110  K. 

Das  Elegeion,  eine  Kunstschöpfung  des  ionischen  Stammes,  war  das 
Mass  der  Totenklage.  In  die  Litteratur  eingeführt  wurde  es  durch  Kallinos 
und  blieb  seitdem  ein  häufig  gebrauchtes  lyrisches  Versmass  zunächst  bei 
Tyrtaios,  Archilochos,  Selon  (politische  Elegie),  dann  bei  Mininernios  (ero- 
tische Elegie),  bei  Simonides  (in  threnetischer  u.  epigramm.  Anwendung), 
bei  Theognis  und  Phokylides  (in  gnomischer  Poesie).  In  der  Tragödie  war 
es  nur  in  sehr  beschränktem  Gebrauche  (Eurip.  Andrem.  103  ff.);  dagegen 
sehr  beliebt  bei  den  alexandrinischen  Dichtern  in  sympotischer,  erotischer 
und  paränetischer  Dichtung  und  im  Epigramm. 

')  Inschriftlich  bei  Kaibkl,  800. 

■')  Heph.  p.  52  f.,  Schol.  Heph.  p.  171  S.  Aristid.  p.  52. 


2.  Die  Metra  der  Griechen.  (§38-40.)  7 10 

39.  Systeme  aus  lauter  Hexametern  finden  sich  vereinzelt  in  der 
Tragödie,  z.  B.  Soph.  Phil.  839  fF.,  Trach.  1010  fF.,  1018  fF.  Eurip.  Troad. 
595  fF.,  601  fF.  Auch  im  Epos  hat  man  strophische  Komposition  finden 
wollen  ß  748—759  (Threnos  auf  Hektor);  ebenso  in  den  durch  Refrain 
gegliederten  Gesängen  der  bukolischen  Dichtung,  z.  B.  bei  Theokrit  VIII, 
63 — 70,  72—80  vier  vierzeilige  Strophen.  —  Systeme  aus  Tetrapodien 
mit  spondeischem  Ausgange  bildete  Anakreon  (Heph.  p.  23). 

40.  Die  umfangreicheren  und  kunstvolleren  Strophen  der  chori- 
schen Lyriker  und  Dramatiker  haben  als  Grundelemente  die  daktylische 
Tetrapodie,  sowohl  in  akatalektischer  Form  (daktylisch  und  spondeisch  aus- 
lautend) als  auch  (seltener)  katalektisch  und  brachykatalektisch;  daneben 
erscheint  die  daktylische  Tripodie  in  denselben  Bildungen  und  dieDipodie; 
selten  ist  die  Pentapodie.  Die  alloiometrischen  Kola  beschränken  sich  be- 
sonders bei  den  Dramatikern  auf  die  (akatal.  und  katal.)  anapaestische 
Tetrapodie  und  die  (seltnere)  anapaestische  Tripodie,  endlich  auf  vereinzelte, 
besonders  in  proodischer  und  epodischer  Anwendung  vorkommende  trochäi- 
sche, iambische  und  logaödische  Reihen. 

Eur.  Heracl.  608-617. 

I.    ovTivd  (fv^iu  x^edv  arcQ  oXßiov^ 
ov  ßaQVTTOTfiov  ccv^Qa  yevilffO^ai, 
II.    ovdt  TOI'  avrov  äel  ßeßavai  do^ov 

€vTvxf'i^  '  nagd  ä'  ixXXav  aXXa  jÄofga  iidxei, 

III.  TOI'  fx^v  d<p^  vkprjXiov  ßgaxvv  ^ixiae^ 

TOI'  rf'  djixav  aidaiiiova  tsv^si, 

IV.  /nogaijua  rf'  ovri  ipvyeiv  x/'^fiig,  ov  ao<pi<f  ug  ändaetai^ 

äXXd  fidtav  6  nqoO'Vf.ioq  dsl  novov  i'-^ei, 
I.   4  4.     II.   4  4  2.     III.   4  4.     IV.   4  4  4. 
Die  Lyriker  Alkman  (Heph.  p.  24  W.),  Stesichoros  und  Ibykos  wen- 
deten die  daktylischen  Strophen  des  xaxd  ddxvvXov  dSoq  in  Nachahmung 
der  auiodischen  Nomendichtung  mit  Vorliebe  an,  ebenso  die  jüngeren  Di- 
thyrambiker. 

Alcm.  fr.  45  B. 

Mioa    ay€,  KaXXiona,  x^-vyaxeq  Jiog, 
ixQx    igccxm*  crtätav^  inl     6*  i\i€QOv 
r/ti'f»)  xal  ;fap/£i'Ta  xid-Bi  xoqov. 

Das  Drama  gewährte  ihnen  keine  hervorragende  Stellung,  sie  er- 
scheinen hier  als  Nachklänge  der  älteren  Lyrik,  besonders  bei  Aeschylos 
in  Chorliedern  von  feierlichem  Charakter  und  andachtsvoller  Stimmung 
(Aesch.  Ag.  104.  Pers.  852.  Eum.  373.  Soph.  0.  R.  151.  Eur.  Phoen.  784.  818. 
Hei.  164.  Heracl.  608).  Ähnlichen  Charakter  haben  auch  die  (parodischen) 
Gesänge  bei  Aristophanes  Nub.  275.  Av.  1748.  Ran.  814.  875. 

Dagegen  tragen  bei  grosser  Ähnlichkeit  im  metrischen  Bau  einen 
wesentlich  anderen  Charakter  die  besonders  in  der  späteren  Tragödie  üb- 
lichen daktylischen  Systeme  der  monodischen  und  kommatischen  Klage- 
gesänge, z.  B.  Soph.  El.  129.  Phil.  1196.  0.  C.  228.  241.  Trach.  1010. 
Eur.  Andr.  1173.  Phoen.  1485.  1546.  1570.  Suppl.  271.  Troad.  595.  Hei.  875. 


720  S*  Metrik,    c)  Metrik  der  Chrieohen. 

Soph.  El.  129  flf. 

w  ysvbx^Xa  yervai-tov^ 

rjxst*  i^imv  xa/iartov  naqaiivO-iov, 

olid  tt  xal  ^vvif^iii  tdd\  ov  ri  fi€ 

(fvyydvki^  ovd*  ed-tXa)  nQoXintTv  lorft, 

/i/;  ov  ror  efiov  av€vdx€iv   ncntq    dx^hov, 

ccXk*'  «-  naV'Vo(-ag  ifiXairfiog  dfxsißofisvai  X^^*'» 

iure  fi    cücf'  ccXv-eir-^  al-ai^  ixyov^fxai, 

A.  BoKCKH,  Metr.  Find.  p.  120.     -  G.  Hermann,  Eiern.  D.  M.  p.  318.  Epit  §286  sq. 

—  Westphal  II*.  p.  145  ff.  —  Christ*.  325  ff.  —  Fr.  Hbimsoeth,  De  daplici  qaod  fertor 
dactylorum  et  anapaestorum  genere.    Bonn.  1875.  Ind.  lect 

Hexameter.  Allgemeines.  G.  Hermann,  De  aetate  Script.  Orphei  Argon.  Lips. 
1805;  ders.  Eiern.  D.  M.  d.  331  ff.  Epit.  §  306  ff.  —  Fr.  Spitznbr,  De  versa  Graec.  h^ 
roico,  maxime  hom.  Lips.  1810.  —  Fr.  Thibrsch,  Griech.  Gramm.  3.  A.  Leipz.  1826.  p.  204  S. 

—  C.  A.  J.  Hoffmann,  Quaest.  hom.  Clausthal  1848.  —  K.  Lbhrs,  De  Aristarchi  afcndiis 
liom.  ed.  rec.  et  epinietris  aucta.  Lips.  1865.  —  Westphal,  II*,  p.  333  ff.  —  Christ^ 
p.  157—201.  —  E.  Eberhard,  Metr.  Beobachtungen  z.  d.  homer.  Hymnen.  Magdeboi^ 
1887,  Progr.  —  J.  Paulson,  Studia  Hesiodea  I.    Lundae  1887. 

Speziellere  Fragen  behandeln:  H.  L.  Ahrens,  Homer.  Excurse  Rh.  Mos.  II  (1843). 
p.  101  u.  Philol.  IV,  p.  592  ff.  VI,  p.  1  ff.  -  K.  Lehrs,  Zur  Cäsur  d.  H.  in:  Jhbb.  f.  Pbil. 
81.  Bd.  1800  p.  513  f.  -  J.  Bekker,  Homer.  Blätter.  I,  138  ff.  149  ff.  —  Fr.  Chr.  Kirch- 
HOFF,  Betonung  d.  heroischen  Hexam.  Altona  1860.  —  A.  Ludwich,  De  hexam.  poet.  graec. 
spondaicis.  Halle  1866.  diss.  —  W.  Studemund  (Tractat  über  die  etdt]  d.  Hexaro.),  Jhbb. 
f.  Phil.  1807  p.  009ff.  ~W.  Hartel.  Homer.  Studien  I-IIL  Wien  1871— 74.  Akad.  Abli. 
J.  HiLBERO,  Gesetz  d.  troch.  Wortformen  im  dakt.  Hex.  u.  Pent.  Wien  1878.  Ders. 
Princip  d.  Silbenwägung.  ebd.  1879.  —  H.  Draheim,  De  arseos.  vi  hom.  N.  Jhbb.  188<>. 
p.  067  ff.  —  G.  Straehler,  De  caesuris  versus  Hom.  I,  Vratisl.  1889. 

über  den  Ursprung  des  Hexam.  handeln:  Th.  Berok.,  Progr.  v.  Freiburg  1854. 
(Kleine  phil.  Schriften  II,  392  ff.)  -  E.  v.  Leütsch,  Philol.  XII,  25.  —  Fb.  Allen,  Ztschr. 
f.  vgl.  Sprach.  N.  F.  IV,  556-92.  -  Rösch,  Korresp.  f.  d.  Schulen  WQrtembg.  1881. 
p.  208  f.  —  H.  UsENER,  Altgriechischer  Versbau.  Bonn.  1887.  —  H.  Seilikg,  Ursprung 
und  Messung  des  homerischen  Verses.     Nördlingen  1887.  Progr.  v.  Münster  R.  G. 

Zum  Hexam.  der  späteren  Dichter:  E.  Gerhard.  Lectiones  ApoUon.  Lips.  1810.  — 
A.  Wkrnicke,  Aduot.  z.  Tryphiodor.  Leipz.  1819.  —  C.  L.  Struve,  De  exitu  versuum  in 
Nonni  carminibus.  Regim.  1834.  Progr.  —  C.  Lehrs  Quaest.  epicae.  Lips.  1837.  —  K. 
Merkel,  Üb.  Apoll.  Rhod.  Magdebg.  1844.  Progr.  —  H.  Köchly,  Prolegg.  zu  Quintus 
Sinym.  Leipz.  1850.  -  R.  Volkmann,  Paralipom.  metrica  in  Commentat.  epic.  Lips.  1854. 
A.  Ludwich,  Beitr.  z.  Kritik  d.  Nonnos.  Königsbg.  1873.  Ders.  Hexametr.  Unters. 
I.  II.  Jhbb.  f.  Phil.  109.  Bd.  (1874)  p.  223  ff.  p.  441  ff.  u.  Schade's  Monatsbl.  VII.  (1879) 
p.  <iO  tt.  —  Tiedke,  Quaest.  Nonnian.  Beri.  1878.  u.  Hermes.  XIH,  59  ff.  200  ff.  351  ft. 
XIV,  219  ff.  412  ff.  XV,  41  ff.  433  ff.  Ders.  Nonniana.  Berl.  1883.  Progr.  —  A.  Rzac». 
Studien  z.  Technik  d.  nachhom.  Verses.  Wien  1880.  Neue  Beitr.  z.  Technik  d.  nachhoni. 
Hexam.  Wien  1882.  u.  Wiener  Stud.  III.  (1881)  p.  43  ff.  -  A.  Scheindler,  Quaest.  Noii- 
nianae.  Brunae  1878. —  Ders.,  ZuNonnosWienerStud.il.  33  ff.  III.  08  ff.  —  W.  Meyek. 
Z.  Gesch.  d.  griech.  und  iat.  Hexam.  MUnchen  1884  (Akad.  Abb.).  -  C.  Kunst,  De  Theo- 
criti  versu  heroico.  Vindob.  1887  in  Diss.  phil.  Vindob.  I,  1  -124. 

Eleg  Distichon:  G.  Hermann.  Klein,  p  350-00;  Epit.  §  334  sq.  Westphal  II -. 
351  ff.  Christ-  200  ff.  -  J.  Caesar,  De  carminis  elegiaci  origine  et  notione.  Marburg 
1S37  (1841.  —  H.  Weil,  über  Spuren  stroph.  Comp.  b.  d.  griech  Elegikern.  Rh.  Mus. 
XVII.  (1802)  p  1 — 13.  -  A.  Langen,  De  disticho  Graecorum  elogiaco.  V^ratisl.  1808.  - 
F.  IIultoren,  Observat.  metr.  in  poetas  eleg.  graecos  et  Iat.  2  partt  Leipz.  1871.  72  Progr. 
H.  Uskneb,  zum  Hexam.  d.  Theognis.  N.  Jahrbb.  f.  Phil.  117.  Bd.  (1878)  p.  08.  —  J.  Hil- 
RKRO,  Diis  Gesetz  d.  troch.  Wortformen.  Wien  1878.  Das  Princip  der  Silbenwägun;?. 
Wien  1879  p.  192  ff. 

Die  anapaestischen  Metra.^) 
41.   Im  Anapaest  sind  wie  im  Daktylos  vier  Chronoi,  zwei  als  Arsis 
zwei  als  Thesis,  verbunden,  hier  jedoch  so,  dass  die  Arsis  der  Thesis  voran- 

')  Hephaest.  25  ff.  W.  Schol.  Heph.  p.  173  ff.  Studemund,  Anecd.  Var.  I,  p.  72.  141  tf. 
Aristid.  p.  5'2  f.  M.  Mar.  Victor,  p.  74  sq.  K. 


2.  Die  Metra  der  Griechen.  (§  41  -44.)  721 

geht.  Da  Arsis  und  Thesis  im  geraden  Verhältnisse  zu  einander  stehen, 
gehört  der  anapaestische  Rhythmus  dem  ytvog  i<rov  an  (s.  §  11). 

Die  Formen  (axr^iiiccta)  des  anapaestischen  Fusses  sind  1.  der  Ana- 
paest  selbst  ^  ^  jl  ,  2.  der  anapaestische  Spondeus  -  ^ ,  3.  der  anapae- 
stische Daktylos  -  ^,   4.  der   (anapaestische)   Prokeleusmatikos  ^  w  v!*^. 

Wegen  des  Beginns  mit  der  Arsis  trägt  der  Anapaest  den  Charakter 
grösserer  Energie  und  Lebendigkeit;  die  Zusammenziehung  der  beiden  Arsis- 
silben  giebt  dem  Rhythmus  mehr  Ruhe  und  Ernst,  die  Auflösung  der  Thesis 
in  zwei  Kürzen  mehr  Feuer  und  Leidenschaftlichkeit.  Vgl.  Aristid.  p.  97  M. 
Dionys.  de  comp.  c.  17.  p.  226  Seh. 

42.  Das  anapaestische  Kolon  darf,  da  es  aus  vierzeitigen  Füssen 
besteht,  das  pentapodische  Megethos  nicht  überschreiten  (§  13,  1);  es  sind 
also  nur  die  Dipodie  (Szeitig),  dieTripodie  (12zeitig),  die  Tetrapodie  (16zeitig) 
und  die  Pentapodie  (20zeitig)  zulässig.  Von  diesen  Gliedformen  ist  die 
Tetrapodie  weitaus  am  gebräuchlichsten  und  das  Grundelement  in  allen 
anapaestischen  Perioden-  und  Systembildungen. 

Das  Kolon  kann  akatalektisch,  katalektisch  und  brachykatalek- 
tisch  auslauten  (§  15).  Der  Auslaut  ist  akatalektisch,  wenn  sämtliche  Arsen 
durch  besondere  Silben  ausgedrückt  sind ,  z.  B.  ^^^  ^^-  ^^  ^  ^^- 
Jbxaxov  fikv  iTog  %66\  ensi  IlQidfxov,  katalektisch,  wenn  die  letzte  Arsis 
durch  Dehnung  {torrj)  der  vorhergehenden  Thesis  (der  vorletzten)  ersetzt 
wird:  v^^  v^-  v^lZj  «  mrjvi]g  wg  ofifia  nekei-ag;  endlich  brachykatalek- 
tisch,  wenn  die  beiden  letzten  Arsen  durch  Dehnung  der  beiden  vorher- 
gehenden Thesissilben  ersetzt  werden:  v^-t  v^i-j  lZj  _  ,  wie  Soph.  Trach. 
849  Tt'yyei  daxQvcov-  aX'Vav. 

43.  Die  anapaestischen  Metra  werden  in  der  Regel  nach  dipo- 
dischen  Basen  {xard  iinodiav)^)  gemessen  (§  22).  Zwei  anapaestische 
Füsse  bilden  alsdann  eine  ßäaig  dvanaiarixr^^  und  die  Tetrapodie  gilt  als 
Dimetron,  die  Dipodie  als  Monometron,  die  Verbindung  zweier  Tetrapodien 
als  Tetrametron.  Auch  die  Tripodie  ist  zuweilen  als  brachykatalektisches 
Dimetron  aufzufassen,  in  den  meisten  Fällen  aber  entzieht  sie  sich  der 
dipodischen  Messung. 

Wenn  im  Inlaute  eines  anapaestischen  Metrums  eine  oder  mehrere 
Arsen  nicht  durch  besondere  Silben  ausgedrückt,  sondern  durch  Pause  oder 
Dehnung  ersetzt  werden,  entstehen  asynar tetische  Bildungen  (§  23), 
z.  B.  Soph.  Trach.  850  f.  d  6*  iqxoiiäva-  fioTga  nqofpai'-vsi  doKav  xtX, 

44.  Die  einzelnen  anapaestischen  Metra. 

1.  Das  Dimetron  in  akatalektischer  Form  bildet  den  ersten  Bestand- 
teil des  Tetrameters  (§  45)  und  das  Grundelement  der  anapaestischen  Sy- 
steme und  Strophen  (§  46  f.). 

Es  gestattet  an  allen  Stellen  Zusammenziehung  und  Auflösung;  auch 
Dimetra  aus  lauter  Spondeen  und  aus  lauter  (anapaestischen)  Daktylen 
finden  sich;  der  Prokeleusmatikos  (^  ^y!^)  ist  nur  in  melischen  Partien 
gestattet,  die  Verbindung  -  v^  v^  ^  _  wird  gemieden.   An  der  zweiten  Stelle 


^)  Scliol.   Hepb.   p.  174  ff.  177  ff.  Mar.  Victor,  p.  75,«6ff.:  percutitur  .  .  .  praecipue 
per  dipodimiy  interdum  et  per  singulos  pedes. 

Haudbuch  der  klasa.  AltertaiuBWineoBchafL  II.    2.   Aufl.  46 


722 


E.  Metrik,    c)  Metrik  der  Griechen. 


der    Dipodie    wird    der    Daktylos    nur  zugelassen    nach    vorausgehendem 

Daktylos.  ^)    Gewöhnlich  tritt  Caesur  nach  der  ersten  Dipodie,  seltener  nach 

der  folgenden  Kürze  ein: 

Soph.  Ai.  201.     Naog  dgiayol  \  tr^g  Aiavuoq, 
Aesch.  Ag.  52.    meqvyoav  iqstiioTaiv  \  €Q€(f(f6fA€voi. 
2.   Der    katalektische  Dimeter    oder    das   anapaestische   Pa- 

roimiakon 


V-A^  ±      w«^  «      v^v^lL      bi 


trägt  seinen  Namen  von  dem  häufigen  Gebrauche  in  Sprichwörtern 
(naQoifiiaijj^)  wofür  er  das  allgemein  übliche  Metrum  war,  und  gilt  mit 
Recht  als  eine  der  ältesten  Versformen  der  Griechen  und  „Yoriäufer  des 
Hexameters ''.3)  Er  bildet  das  Schlussglied  des  Tetrameters  (§  45)  und  der 
strengeren  Systeme  (§  46),  in  den  freieren  erscheint  er  auch  an  anderer 
Stelle  und  wiederholt.  Stichisch  gebraucht  wurde  er  in  Embaterien  bei 
Tyrtaeus  (frg.  15  B.)  und  in  der  Komödie  (Cratin.fr.  149),  auch  in  Hymnen 
(Mesomedes  bei  Bergk  Anthol.  lyr.  p.  522).  Die  vorletzte  Länge  ist  vier- 
zeitig und  nicht  auflösbar;  die  Zusammenziehung  ist  frei,  nur  vom  dritten 
Fusse  ist  der  Spondeus  in  den  strengen  Systemen  fast  ganz  ausgeschlossen, 
ebenso  im  zweiten  Kolon  des  Tetrameters.  Der  Daktylos  ist  im  ersten 
Fusse  statthaft,  im  zweiten  gemieden,  im  dritten  unzulässig.  Eine  regel- 
mässige Caesur  fehlt. 

Tyrt.  fr.  15.    ^Uy€t\  w  STtccQtag  evdv-Sqov 

xovQOi  TtarsQcov  noXia-'tav. 

Soph.  Ai.  136  a^  iihv  ev  nQccaaovv'  iTnxai-QOD. 
140   mi^^vijg  oJg  ofifia  nsXsi^ag, 
3.   Die   anapaestische  Tripodie  erscheint  in  akatalektischer  und 
katalek tischer  Form: 

^^  ±^^  ±^^^  ±  Tov  ^ElXddog  dya&eag. 

Sie  führt  die  Namen  nQoaodiaxog  und  ivonXiog  von  ihrem  Gebrauch  in 
Märschen  und  Prozessionsliedern.  (Xenoph.  Anab.  VI,  1,  11.  Schol.  zu 
Aristoph.  Nub.  G51.  Bacch.  p.  25  M.) 

Die  spondeischen  Tripodien,  welche  neben  Dimetem  sich  finden, 
unterliegen  wahrscheinlich  gleichfalls  dipodischer  Messung,  z.  B.  Eur.  Iph. 
T.  126  ff.     Vgl.  §  43  u.  47. 

45.  Der  anapaestische  Tetrameter,  das  sogenannte  ^^picrroycrreioi', 
setzt  sich  aus  einem  akatalektischen  und  einem  katalektischen  Dimeter 
zusammen.     Arist.  Vesp.  346: 


^^::3  I.  c?3  _  cä:p  ±  C50  _ 


o-c?  J.  c?^  _  \.A^ 


*AXX*  ex  TOVTiov   ioqa  rivd  aoi  \  ^i^tsTv   xaivrjv   inivoiav. 
Er  hat  seine  regelmässige  Caesur  nach  dem  ersten  Gliede  und  häufig  auch 
nach  der  ersten  Dipodie  noch  einen  Einschnitt. 


*)  Elmsley,  zu  Eurip.  Hec.  p.  242. 
R.  Klolz,  De  nuniero  anap.  p.  14  ff.  A. 
Naück,  Mölanges   Gr^co-Rom.  V,  208. 

*)  cf.  Hephaest  p.  27  f.  Zusaninien- 
stellungcn   bei  A.   Meikeke    zu    Thcocr.  p. 


454  ff.,  A.  Nauck,  Mel.  Greco-rom.  III,  151, 
M.  Haupt,  llerraes  V,  320  und  Usekeb, 
Altgr.  Versbau  p.  45,  Anm.  3. 

3)  Über  sein  Verhältnis  zum  daktylischen 
Hexameter  s.  Usener  a.  a.  0.    p.  43  ff.  90. 


2.  Die  Metra  der  Griechen.  (§  45-46.)  723 

Im  vierten  Fusse,  am  Schlüsse  des  ersten  Kolon,  wird  der  Daktylos 
meist  vermieden,  ebenso  der  Spondeus  im  siebenten  Fusse  bei  Aristophanes, 
nicht  bei  den  älteren  Dichtern: 

Tyrt.  fr.  16:  ay€t\  w  ^nccQtag  ivoTiXoi  xovqoiy  noxi  fdv^Aqeoq  xivaaiv. 
Der  Prokeleusmatikos  ist  ausgeschlossen;  auch  Daktylos  und  Anapaest 
(lintereinander  (  -  ^^^  v^  -  )  werden  vermieden,  ausser  wo  Caesur  sie  trennt. 
Der  Tetrameter  wurde  gebraucht  in  den  Embaterien  der  Dorier  (Tyrt. 
fr.  16)  und  bei  Epicharm  (vgl.  Hephaest.  p.  26,i6  W.)  in  ausgedehntem 
Grade;  in  der  attischen  Komödie  beim  Einzug  oder  Abzug  des  Chors  oder 
eines  Schauspielers,  in  der  Parabase  („ot  ava/ratoToe")  und  in  Streit- 
scenen  („Kampfanapaeste"),  z.  B.  Equit.  761  flf.,  Nub.  959  flf. 

46.  Die  anapaestischen  Hypermetra  haben  teils  einen  einfacheren  und 
strengeren  Bau  (strengere  Systeme),  teils  eine  freiere  und  mannigfaltigere 
Bildung  (freiere  Systeme,  Klaganapaeste). 

Die  strengeren  Systeme  {„legitima'^)  besteben  aus  einer  grösseren 
oder  geringeren  Anzahl  von  akatalektischen  Dimetern,  denen  hin  und  wieder 
ein  Monometer  beigesellt  wird,  und  einem  Paroimiakon  als  Schlussglied. 
Aesch.   Ag.  40  flf.     Jtxaxov  jU^v  ixog  T6d\  inei  Jlgiafiov 

fiäyag  dvtidixog, 

MavhXaog  äva^  rji'  UyafjLäfivoav, 

iiO^QOvov  Jiod-ev  xal  dufxrjnvQOV 

Tififjg  oxvQov  Cevyog  'Argedaiv, 

aToXov  'AQyeitov  xiliovccvTiiv 

irfiS*  dno  xtoQccg 

TjQccv^  atQatiwTiv  ccQtoyi^v. 
Die  einzelnen  Glieder  sind  regelmässig  durch  Caesur  von  einander  gesondert, 
aber  durch  Synaphie  (s.  §  18)  zur  periodischen  Einheit  verbunden,  und 
Hiatus  und  Syllaha  anceps  im  Inlaute  des  Systems  nur  ausnahmsweise 
(bei  Personenwechsel,  bei  stärkerer  Interpunktion,  vor  Interjektionen  und 
in  anderen  entschuldigten  Fällen)  zugelassen.  Die  Anwendung  des  Spon- 
deus und  Daktylos  unterliegt  denselben  Regeln  wie  im  Tetrameter;  der 
Prokeleusmatikos  ist  in  der  Tragödie  ausgeschlossen,  in  der  Komödie  sehr 
selten  (Arist.  Nub.  946).  Die  Kompositionsform  ist  meist  xard  nsQioQKf/xovg 
dviaovg  (s.  §  28),  doch  liegen  zuweilen  deutliche  Anzeichen  einer  genaueren 
antistrophischen  Responsion  vor,  besonders  wo  die  Hypermetra  zwischen 
lyrische  Strophen  eingeschoben  sind,  z.  B.  Aesch.  Ag.  1462  flf.  c»  1475  flf., 
1488  flf.o)  1513  flf.,  Soph.  Ant.  110  flf. o:)  126  flf.,  141  flf.03l55  flf. 

Die  Gleichheit  der  rhythmischen  Glieder  und  die  Regelmässigkeit 
seines  Baues  verleiht  dem  anapaestischen  Hypermetron  eine  gewisse  ruhige 
Würde  und  Feierlichkeit  und  macht  es  überaus  geeignet  zum  Rhythmus 
langsamer,  feierlicher  Märsche.  Es  findet  daher  im  Drama  *)  seine  typische 
Anwendung  zur  Begleitung  des  Eintritts  und  Abzugs  sowohl  des  Chors 
als  auch  der  Schauspieler,  besonders  in   der  Parodos  der  Tragödie*)  vor 


^)  Vgl.  R.  Klotz,  De  numero  anapaesticp 
p.  6  f. 

^)  Während  meist  angenommen  wird, 
die  Anapaesto   der  Parodos  trage  der  Chor- 


führer vor,  spricht  sich  unter  einleuchtender 
Begründung  für  Vortrag  durch  den  ganzen 
Chor  aus  Guhbauer  in  J.  Müller,  Jahresb. 
1885,  p.  33  f. 

46* 


724  E.  Metrik«    c)  Metrik  der  GhriecheiL. 

den  lyrischen  Strophen  (Aesch.  Suppl.  1—40,  Pere.  1—66,  Ag.  40—103, 
Soph.  Ai.  134—171)  oder  zwischen  ihnen  (Soph.  Antig.  110.  126.  141.  155. 
Phil.  144.  159.  191.  Eur.  Med.  139.  160),  aber  auch  sonst  zwischen  Strophen 
eines  Gesanges  eingeschoben  (^Zwischensysteme*'),  und  in  der  Exodos, 
z.  B.  Soph.  Ant.  1347  flf.;  seltener  in  der  Komödie  wegen  des  erhabenen 
Ernstes,  der  ihm  eigentümlich  ist,  hier  namentlich  aJs  Abschluss  einer 
Gruppe  von  anapaestischen  Tetrametem,  besonders  in  dem  7n%yog  der 
Parabase,  das  äirvetHTTi  vorgetragen  wurde  (z.  B.  Av.  725 — 736,  Fax 
705—774);  beim  Eintritt  eines  Schauspielers  Equit.  1316  flf.,  Av.  658  £, 
Lysistr.  1073  ff.,  1108  f.;  femer  am  Ende  des  Stückes  oder  eines  Epei- 
sodion,  endlich  in  parodischer  Anwendung,  z.  B.  Av.  209.  Lys.  954. 

47.  Die  freien  anapaestischen  Systeme  und  Strophen  be- 
schränken sich  in  ihrer  Zusammensetzung  nicht  auf  akatalektische  Dinieter. 
Monometer  und  Paroimiaka,  obwohl  diese  Gliedformen  auch  in  ihnen  die 
Hauptbestandteile  ausmachen,  sondern  es  erscheinen  hier  vereinzelt  auch 
andere  Elemente,  wie  Prosodiaka  und  katalektische  Dipodien  (Aesch. 
Pers.  952  f.  vvxiuv  nkdxa  xsQaafievog  |  Svcdaifiovci  t'  ox-tccv.  Eur.  Ale.  106 
tC  rod'  av'S^q),  Reihen  mit  mehrmaliger  Katalexis  (Eur.  Iph.  T.  126  f. 
ß  Traf-  räq-  Au-Tovg^  Jixrvvv''  ov-qh-^c)  und  besonders  in  epodischer  und 
proodischer  Verwendung  alloiometrische  Glieder:  trochäische,  iambische, 
logaoedische  und  dochmische  (Soph.  El.  200  \v  6  tavra  ngaa^av.  El.  243 
o^vTovwv  yoiüv.     Trach.  1009  avaTixQotfccq  o  ri  xal  fivfT}]). 

Die  Gliederung  des  Dimeters  durch  Caesur  nach  der  ersten  Dipodie 
ist  oft  vernachlässigt,  die  Anwendung  der  Spondeen  und  Daktylen  viel 
unbeschränkter  als  in  den  strengen  Systemen,  so  dass  sich  selbst  mehrere 
rein  spondeische  Reihen  hintereinander  finden;  der  Prokeleusmatikos  ist 
häufig  und  zuweilen  sogar  wiederholt  in  einem  Kolon  gebraucht  (Arist.  Av. 
327.  400).  —  Der  Paroimiakos  dient  nicht  ausschliesslich  als  Schlussreihe, 
sondern  kommt  auch  im  Innern  des  Systems  vor  und  mehrmals  nachein- 
ander; dagegen  erscheinen  auch  andere  Formen  als  Schlussglieder  nicht 
selten,  z.  B.  der  akatalektische  Dimeter.  —  Die  Kompositionsform  ist  teils 
antistrophisch,  teils  alloiostrophisch : 
Aesch.  Pers.  931.  öTp.  Ä.  od*  eyco^  oioT^  cdax-tog 

(antistr.)  lu'Xeog  yevv^t  y(t  te  rrar^jrj« 

xaxor  ccQ*  eysvoinav, 
Xo,  7TQ(KS<f\yoyy6v  aoi  voavov^  rctv 

xaxoffdtida  ßodv  xaxo/tuXfroi'  teil' 
MaQvavdvvov  ^Qi^rt^ir^Qog 
nifiipm  TioXvdaxQVV  iax-xdw 
Soph.  El.  234.  Xo.  «AA*  oi  v  evvoiff  y*  av-dio, 

(alloiostr.)  iicivr^Q  toaeC  tig  Tri-cra, 

fif'j  tixzeiv  a'  tttccv  ci-ratg. 

Der  Charakter  dieser  anapaestischen  Bildungen  ist  bald  dumpfe  Schwer- 
mut, bald  leidenschaftliche  Aufregung;  jener  dienen  die  spondeischen,  dieser 
die  aufgelösten  Formen  des  Fusses  zum  natürlichsten  Ausdruck.  Ihre  An- 
wendung finden  sie  in  Klagegesängen  der  Tragödie,  sowohl  in  Kommoi 
wie  Aesch.  Pers.  930  ff.  Soph.  El.  193  ff.  (kommat.  Parodos),  als  in  Bühnen- 


2.  Die  Metra  der  Qrieohen.  (§  47—49.)  725 

gesängen  wie  Soph.  EI.  86  flF.  (Anfang),  seltener  in  Chorika  der  Tragödie 
(Aesch.  Choeph.  1007  flf.o)  1018  flF.);  am  häufigsten  sind  sie  bei  Euripides. 
Die  Komödie  gebraucht  sie  in  Parodien  der  Tragiker,  aber  auch  in  Nach- 
bildungen prosodischer  Gesänge  der  älteren  Lyrik  und  in  Ghorliedem  von 
besonders  erregter  Stimmung  (Ran.  372  ff. od 377  ff.  Av.  327  ff.  400  ff. 
1058  ff.  Lysistr.  476  ff.  Thesm.  667  ff.  Pax  459  ff.). 
Aristoph.  R^n.  372  ff.  xiaqei,  vvv  nag  avÖQstcog 

elg  Tovg  svavx^eTg  xoXnovg 

Xeiiifivwv  iyxQOViov 

TtaniaxiOTtTfav 

xal  nai^tav  xai  xXevd^mv. 
Aristoph.  Av.  327  ff.  ^a  ^a, 

(antistr.)  TtgoSedofisO''  ävtknd  %'  indd^ofiev  •  og  ydo 

(pilog  rjv,  ofiOTQOtpd  &*  riiitv 

€vt'jiA€to  nsdia  naq*  rj^iv  xtX, 

R.  Bektlet,  epist.  ad  Millium  p.  24  L. ;  diss.  de  Phalar.  p.  181  R.  —  R.  Porson, 
praef.  ad.  Eurip.  Hec.  p.  45  8q.  ~  Gaisfobd  zu  Heph.  276.  —  Boeckh,  M.  F.  p.  180  sq.; 
Antig.  p.  229,  253.  --  G.  Hermann,  EJem.  p.  369-  421.  Kpit.  §389-401.  —  Rossbach- 
Westphal  IP,  325  ff.  397—440.  —  J.  H.  Schmidt,  II,  474  ff.;  III,  159-170;  Leitf. 
p.  120  ff.  —  Christ'*  p.  239-75.  -  Ritsohl,  Rh.  Mus.  1841.  p.  277  ff.  =  Opusc.  I,  271  ff. 
—  F.  V.  Fritzsche^  De  numero  qui  x«r*  ivonXiov  dicitur.  Rostoch.  1849.  Ind.  lect.  —  A. 
Kossbach,  De  metro  prosodiaco.  Vratisl.  1857  Ind.  lect.  —  H.  Buchholtz,  De  Eurip.  ver- 
sibus  anapaesticis.  Cottbus  1864.  Progr.;  ders.  Rh.  Mus.  XXII  (1867)  p.  32  (überakat.  Tri- 
podien).  --  R.  Nieberdino,  De  anapaestorum  ap.  Aeschyl.  et  Soph.  ratione  antisystematica. 
Bcrol.  1867.  diss.  —  R.  Klotz,  De  numero  anapacstico  quaestt.  metr.  Lips.  1869.  diss.  — 
Fr.  IIeimsoeth,  de  duplici  quod  fertur  dactylorum  et  anapaest.  genere  Bonn.  1875.  Ind. 
lect.  -  H.  Reimann,  Quaestioncs  metr.  Vratisl.  1875  (anap.  Prosod.).  —  J.  Stippl,  Zur 
antistroph.  Responsion  d.  anap.  Hypermetra  bei  Aeschylus.  Eger  1878;  bei  Soph.  u.  Euri- 
pidcs  Eger  1879.  Progr.  —  C.  Baier,  Bemerkgg.  zu  d.  strengen  anap.  Systemen,  d.  Soph. 
u.  Eurip.  Elberf.  1881.  Festschr.  p.  12  ff. 

Die  trochäischen  Metra.^ 

48.  Im  Trochäus  {rqoxaXog)  sind  drei  Chronoi  zum  Fusse  vereint, 
von  denen  die  zwei  ersten  die  Thesis,  die  dritte  die  Arsis  bilden;  der  Fuss 
ist  also  ein  diplasischer  (Verhältnis  2 : 1).  Gewöhnlich  wird  die  Thesis  durch 
eine  Länge  ausgedrückt  -^  ^ ,  sie  kann  aber  auch  durch  zwei  Kürzen  ge- 
bildet sein  ^  ^ .  Die  zweisilbige  Form  ist  der  eigentliche  Trochäus,  die 
dreisilbige  (tribrachische)  wird  gern  mit  dem  Namen  Choreus  {xoqsTog)  be- 
zeichnet. Wird  die  Arsis  durch  Dehnung  oder  durch  Pause  ersetzt,  so  er- 
hält der  Fuss  die  Form   «-   oder    -  a  .     Vgl.  §  11. 

Das  Ethos  des  trochäischen  Rhythmus 2)  ist  durch  die  Namen  r^o- 
X«?og  und  x^Q^^^^  angedeutet:  er  hat  einen  schnellen,  eiligen  Gang  und 
eignet  sich  besonders  zur  Begleitung  der  Tanzbewegung.  Die  Anwendung 
der  Auflösung  (^w)  steigert  die  Lebhaftigkeit  und  Beweglichkeit.  Dem 
Jambus  gegenüber  fehlt  ihm  wegen  des  Mangels  der  Anakrusis  das  Kraft- 
volle und  Energische  des  Auftretens.  Vgl.  Dionys.  de  comp.  c.  17  p.  220. 
Aristid  p.  38.  97  f. 

49.  Die  Ausdehnung   der  trochäischen   Kola  ist   eine  fünffache: 

')  Hoph.  p.  19  ff.  W.  Aristid.  p.  53.  Mar.      Studem.  Anecd.  Var.  I,  70  f.  134  ff. 
Victor,  p.  83  f.   Schol.  Heph.  p.  150  ff.  W.  ^)  Vgl.  Amsel,  De  vi  rhythm.  p.  90ff. 


726  ^  Metrik,    c)  Metrik  der  Qrieohen. 

Dipodie  (Gzeitig),  Tripodie  (9zeitig),  Tetrapodie  (12zeitig)9  Pentapodie  (15- 
zeitig),  Hexapodie  (ISzeitig).  Grössere  fieyäd^rj  als  ISzeitige  zerlegen  sich 
in  zwei  xtöka.     Vgl.  §  13,  1. 

Das  trochäische  Kolon  ist  im  Auslaute  vollständig,  akatalektiscb, 
oder  unvollständig,  katalektisch,  je  nachdem  die  Arsis  des  letzten  Fasses 
durch  eine  besondere  Silbe  ausgedrückt  ist  oder  nicht.  Im  letzteren  Falle 
wird  der  Rhythmus  durch  einzeitige  Pause  (XsTfifia)  oder  durch  Dehnung 
der  vorangehenden  Thesissilbe  (zur  dreizeitigen  Länge)  vervollständigt 
s.  §  15,  1. 

akat.    -iv-'  —  v^jj.v^  —  ^  [zw  —  wj.<^_A 

^''**'-  J  z  w  _  w  ^  w  ._       (Tetrapodie) 

akat.     Zw  —  w  zw_wjj.w_w 

katal.   -iw-.zw.wzw.A  (Hexapodie) 

Die  katalektische  Tetrapodie  wird  Evqimdsiov  oder  ^rjxv^^iov  genannt  (Hepb. 
p.  20.  53,2i). 

Wenn  die  beiden  letzten  Füsse  eine  solche  Unterdrückung  der 
Arsissilbe  erfahren,  heisst  das  Glied  brachykatalektisch,  z.  B.  TrQma 
xoirov  m-ag  (§  15,  2).  Hier  ist  beim  vorletzten  Fusse  stets  Dehnung  der 
Länge,  nicht  Pause  nach  derselben  anzunehmen: 

Di0  brachy katalektische  Tetrapodie  führt  den  Namen  Ithyphallikon  (Heph. 
p.  21,5). 

Ersatz  der  Arsissilbe  tritt  auch  im  Inlaute  der  Reihe  ein,  z.  B.  im 
zweiten  Fusse  der  Tetrapodie,  im  zweiten  und  vierten  der  Hexapodie,  be- 
sonders in  Verbindung  mit  Schlusskatalexis: 

noXXd  fitV'  yä  TQt(f€i  j.  w  l_       j.  w  -  a 

TTorriaf'  x    dyxdXai-  xvu)dccXü)i\  -iwi_       _iwL_       zw»a 

Er  kann  aber  auch  die  erste  und  zweite  Arsissilbe  gleichzeitig  treffen,  z.  B. 
^la'iKX'VrjQ  x>8d^  (fra-^ei-  J'  ^v  xß^  vrivfi)  uqo    xaqdiac- 

lII—  _iw_A  Li         t_  Z^-wJLw—     A 

ja  sogar  sämtliche  Arsen  der  Tetrapodie,  vier  oder  sechs  in  der  Hexapodie: 
oV  T^J-  eq-deiy  In-Tifi-o}  yävfi  noXev-ov^  yai-ag-  e^-aiX'ßQV-öai,  Solche 
Glieder  werden  nach  der  Zahl  der  unterdrückten  Arsissilben  dikatalek- 
tisch,  trikatalektisch  u.  s.  w.  genannt.     Vgl.  §  15,  3. 

Durch  die  Katalexis  der  inlautenden  Arsen  und  die  Dehnung  der  Thesis- 
silben  verliert  das  trochäische  Mass  seine  Leichtigkeit  und  Beweglichkeit 
und  erhält  eine  grössere  Gemessenheit,  Würde  und  Erhabenheit.  (Aristid. 
p.  50  M.) 

60.  Die  trochäischen  Metra  werden  dipodisch  gemessen:  zwei 
trochäische  Füsse  bilden  eine  unter  einem  Hauptiktus  verbundene  Einheit, 
eine  trochäische  Basis  (Dipodie),  also  die  Dipodie  ein  Monometron,  die 
Tetrapodie  ein  Dimetron,  die  Hexapodie  ein  Trimetron,  die  Verbindung 
zweier  Tetrapodien  ein  Tetrametron,  s.  §  22. 

In  den  dipodisch  gegliederten  trochäischen  Massen  wird  als  Schluss- 
arsis  jeder  Dipodie  statt  der  rhythmisch  erforderlichen  Kürze  auch  eine 
Länge  zugelassen,  es  tritt  also  an  den  geraden  Stellen  (2,  4,  6  u.  s.  w.) 


2.  Die  Metra  der  Griechen.  (§50-51.) 


727 


der  irrationale   Trochäus    ^ü  (xoQsTog  aloyog)  oder  bei  Auflösung  der 
Thesis  der  x^Q^^^9  akoyog  TQOxaiosidrjg  (^«.)  ein.     Vgl.  §  12. 


Z.     KJ     ^     \J  J.     \J 


\^     ^.     \^ 


Z    w    ii    A 


'Q  ndxqag  Grjßyg  ivoixoi,  \  X€V(f<f€z,  Oldinovg  ods, 
61.   Unter  den   trochäischen  Versen   nimmt  den  ersten  Platz  der 
Tetrameter  ein.     Er  besteht  aus  zwei  Dimetern,   einem  akatalektischen 
und  einem  katalektischen : 


JL     \J     ^     \J        ZV-/-.C7 


^w_C7       JLw^A 


Aesch.  Pers.  155  f.    ß  ßad'V^wvcov  avaaaa  nsQaidtav  vTtsQtcitrj^ 

/iU]T€Q  ij  SsQ^ov  ysQaid,  X^^Q^t  ^ccQefov  yvvai. 
Eine  Cäsur  sondert  die  beiden  Kola;  sie  wird  von  den  Lyrikern  und  Tra- 
gikern streng  beobachtet  (Ausnahmen  sind  sehr  selten),  von  den  Komikern 
hingegen  oft  vernachlässigt.     Vor  der  Schlussdipodie  meiden  die   ersteren 
einen  Einschnitt  nach  spondeisch  auslautendem  Worte,  nicht  die  letzteren. 

Die  trochäische  Grundform  ist  bei  den  Lyrikern  mehrfach  zu  finden, 
selten  bei  den  Dramatikern,  welche  die  irrationalen  Arsen  an  den  geraden 
Stellen  (§  50)  bevorzugen  und  dadurch  dem  Verse  einen  ruhigeren  Gang 
verleihen.  —  Die  Auflösung  der  Thesis  ergiebt  an  den  ungeraden  Stellen 
stets  einen  Tribrachys,  an  den  geraden  bei  Irrationalität  der  Arsis  einen 
auf  der  ersten  Kürze  betonten  Anapäst  ^-  (s.  §  12  u.  50);  sie  tritt 
häufiger  an  den  ungeraden  ein  und  wird  im  sechsten  Fusse  fast  immer 
gemieden.  Die  Lyriker  haben  viele  Auflösungen,  die  ältere  Tragödie  eine 
massige  Anzahl,  in  der  jüngeren  Tragödie  und  der  Komödie  nimmt  ihre 
Häufigkeit  bedeutend  zu. 

Die  Licenz  den  Trochäus  durch  einen  Daktylos  (Heph.  p.  21,2o)  zu 
ersetzen  gestatten  sich  die  älteren  Dichter  nur  in  Eigennamen,  welche  dem 
trochäischen  Metrum  widerstreben,  Euripides  und  Aristophanes  auch  in 
anderen;  in  Wörtern,  die  nicht  Eigennamen  sind,  nur  die  Komiker  und 
auch  sie  nur  ausnahmsweise. 

Der  trochäische  Tetrameter  wird  von  den  Alten  selbst  als  rgoxeQog 
und  dysvt^g  charakterisiert,  er  ist  wegen  der  Raschheit  und  Flüchtigkeit 
seines  Rhythmus  zur  Begleitung  einer  schnelleren  und  lebhafteren  Bewe- 
gung und  zum  Ausdruck  einer  aufgeregteren  Stimmung  wohl  geeignet,  im 
Vergleich  mit  dem  iambischen  Tetrameter  (§  61)  aber  wegen  des  thetischen 
Anlauts  weniger  energisch.  Vgl.  Aristot.  Rhet.  III,  8.  Schol.  zu  Aristoph. 
Ach.  203.     Mar.  Vict.  p.  44.  84. 

Entstanden  bei  den  dionysischen  Festfeiem  fand  er  zunächst  bei 
Archilochos  besonders  in  skeptischer  und  erotischer  Dichtung,  dann  bei 
Solon  (fr.  32 — 35  B.)  seine  Anwendung.  Epicharm  gebrauchte  ihn  als 
hauptsächlichstes  Metrum  und  die  ältere  attische  Komödie  häufig,  besonders 
in  den  Parodoi  (Ach.  204  ff.,  Equit.  242  ff.,  Pax  299  ff.,  Av.  268)  und  im 
Epirrhema  und  Antepirrhema  der  Parabase;  0  die  mittlere  und  neuere  mit 
Vorliebe  im  Monolog.     In  der  ältesten  Tragödie  (Phrynichos)  war  er  vor- 


')  Über  die  Yerschiedenbeit  im  metri- 
schen Bau  der  Tetrameter  s.  Th.  Zielinski, 
Die  Gliederung  der  altattischen  Komödie, 
p.  298,  wo  er  den  lyrischen  Tetrameter  (Pax. 


349  f.,  357,  395  =  588,  595.  Lys.  619, 
622  =  640;  645,661-663  =  685-687)  von 
dem  , epischen*  unterscheidet. 


728  B*  Metrik,    o)  Metrik  der  Qriechen. 

wiegend  das  Mass  des  Dialogs,  auch  in  Aeschylos'  Persern  noch  häufig; 
später  tritt  er  bei  den  Tragikern  zurück  (Agam.  1649.  O.R.  1514)  und  erat 
nach  Ol.  90  wieder  mehr  hervor,  z.  B.  Phil.  1402.  Eur.  Phoen.  588.  Orest.  728. 
62.  1.  Der  Tetrameter  skazon  (terQccfierQov  xcoAov  Heph.  p.  20,i7  W.) 
unterscheidet  sich  von  dem  regelmässigen  katalektischen  Tetrameter  durch 
die  Länge  der  vorletzten  Silbe: 


—    w-lw    —    w  Zvy_v^_l_b::f 


Xdßert  fiov  y}oiiicnia^  xdipco  BovndXov  rov  o^d'aXfiov  • 
diiifidä^iog  yaQ  slfii  xovx  dfAaQtdva)  xomwv,  Hippen,  fr.  83. 

Abgesehen  von  der  absichtlichen  Störung  des  Rhythmus  durch  die  an  das 
Hinken  erinnernde,  auf  einen  komischen  Effekt  berechnete  UnterbrechuDg 
desselben  am  Schlüsse  des  Verses  (vgl.  den  Choliamb  §  60)  stimmt  der 
Bau  des  Verses  mit  dem  seines  regelrechten  Vorbilds  überein,  nur  wird  die 
Irrationalität  der  sechsten  Arsis  möglichst  gemieden. 

Angewendet  wurde  dieses  Versmass  zuerst  von  Hipponax  (daher 
Hipponadeum)  und  Ananios  in  skeptischer  Dichtung,  dann  von  den  späteren 
Jambographen. 

2.  Akatalektisch  erscheint  der  Tetrameter  bei  Anakreon  (fr.  76): 
xXvd-l  H€V  ysQOVtog^  €vä\&€iQa  XQ^<fo7r€7€X€  xovqa^ 
brachykatalektisch  in  der  Komödie: 

doch  beide  wohl  nicht  als  selbständige  Verse,  sondern  nur  als  Glieder  eines 
grösseren  Systems,  wie  der  dikatalektische  Tetrameter  bei  Aristophanes 
z.  B.  Aves  1476  f.: 

Xqr'amov  iihv  ovdl%\  aX-liog  d^  deiXov  xai  iiäya. 
Die   Verbindung   zweier   Ithyphallika   d.   h.    brachykatolektischer 
Dimeter  (§  40): 

.^frVQO  dijVre  MoT-aui   \  xqvaiov  XiTTOi-aai. 
und  die  eines  akatalektischen  Dimeters  mit  dem  Ithyphallikon : 


2.    KJ    —    -^    Z.    ^-/    _    •"  11    v^    «    \^ 


Eaii  fxoi  xdXa  nmg  x^i/c/'ocern'  dvd-tfxoi-aiv 
werden  als  Verse  der  Sappho  (fr.  84.  85)  angeführt. 

53.  Durch  die  Verbindung  zweier  oder  mehrerer  akatalektischer  Di- 
meter, denen  hin  und  wieder,  besonders  als  naQartXfvtov^  ein  Monometer 
sich  beigesellt,  mit  einem  abschliessenden  katalektischen  Dimeter  entstand 
das  trochäische  flypermetron,  eine  dem  strengen  anapaestischen  Systeme 
(§  46)  analoge   periodische  Bildung  der  Komödie,   z.  B.  Arist.  Pax  339  ff. 

xai  ßoars  xal  yeXdx    *   »^J/;  ydq  s^eatai  toO-^  v^uTv 
TtXeTvy  fitvetv^  xivsTr^  xa&evdeiv^ 
ig  7tavi]yifQ€ig  O-etüQsTv^ 
ianäa^cci^  xoixaßi^siv^  (fvßctQi^eiVy 
iov  lov  xexQaytvm, 
Aus  denselben  Elementen  setzt  sich  folgende  distichische  Strophe 
des  Anakreon  (fr.  75  B.)  zusammen: 

ndXs  Qqrjxir-^  ri   di]  fxe  Xo^ov  ofiiiaaiv  ßXtnovaa 
vtiXswg  ^evyeig^  doxt€ig  Se  fi    ovdtr  tidtrai  (fotfor; 


— 

w 

— 

— 

_£ 

V^ 

— 

— 

_/ 

V^ 

_    \J 

J.    w 

L- 

— 

w 

— 

— 

_^ 

W 

— 

Ky 

_^ 

w 

_    v-/ 

±  w 

— 

w 

— 

KJ 

— 

— 

_/ 

W 

L_ 

J^ 

w 

—    — 

Z    w 

v^ 

— 

W 

— 

w 

jj^ 

V^ 

— 

— 

J_ 

N-/ 

—    — 

±  \J 

— 

— 

— 

W 

- 

— 

/ 

w 

— 

— 

_/ 

V-» 

_    \J 

JL    w 

— 

A 

W     —     w         ^     w    ii 

w    —    w       L    "u    "^ 


2.  Die  Metra  der  Griechen.  (§  52-54.)  729 

ebenso  auch  die  sechsgliedrige  Periode  aus  einem  Skolion  des  Timokreon 
fr.  8  B.  und  manche  Strophen  des  Aristophanes,  welche  aus  mehreren 
strenggebauten  Hypermetra  gebildet  sind,  wie  Ran.  534  flF.  Thesm.  459;  in 
anderen  Strophen  der  Komödie  tritt  das  katalektische  Kolon  nicht  bloss  am 
Schluss  der  Periode,  sondern  auch  im  Innern  derselben  ein,  wie  Av.  1470  flf.c» 
1482  ff.a)1553  ff.a)1694  ff.,  und  es  kommen  daneben  auch  andere  Elemente 
vor,  wie  Ran.  1482  ff.  Thesm.  434  ff. 

Aristoph.  Av.  1470  ff. 
ctQ.d,     JL  \j  —  ^     ±Kj^^j.\j^Kj     jj.wL-       ±  \j  ^  Kj     ±  \j  ^   4-|-4-{-4. 

4+4+4. 

4+4. 

4+4. 

4+4. 

noXXd  dri  xal  xaivd  xai  ^avlfiMT  inentonead-a  xcd  \  deivd  nqdyfiax^  sidoiisv. 
^ati  yccQ  därdgov  netpvxog  \  ixToniv  ri,  xaqSiag  aj/rcorfi^a),  KXem'VfioCj 
XQY^aiiiov  fi^v  ovit'Vy  ak\l(og  i^  dstlov  xal  fit'ya. 
TOVTO  xov  ^kv  rJQog  äei  |  ßXadtdvBi  xal  avxoifavTst^ 
xov  6t  x^ijuwi'o^  ndhv  vdg  \  damdag  (fvXXoQQoeX, 

54.  Die  trochäischen  Strophen  der  Tragödie  tragen  ein  wesent- 
lich verschiedenes  Gepräge:  zwar  sind  auch  hier  die  trochäischen  Tetrapodien 
die  vorwiegenden  Elemente  jeder  Periode,  aber  sie  erscheinen  ebenso  wie 
die  neben  ihnen  auftretenden  Hexapodien  nicht  nur  fast  durchweg  mit 
Schlusskatalexis,  sondern  auch  mit  vielfacher  Unterdrückung  der  inlautenden 
Arsen,  so  dass  neben  den  katalektischen  und  brachykatalektischen  Formen 
auch  die  di-  und  trikatalektischen  eine  grosse  Rolle  spielen.  Nur  selten 
treten  daneben  akatalektische  Tetrapodien  oder  katalektische  Tripodien  auf; 
als  alloiometrische  Elemente  finden  sich  daktylische,  iambische,  logaoedische 
Reihen,  besonders  am  Periodenschlusse.  Die  trochäischen  Glieder  meiden 
durchaus  die  Irrationalität  der  Arsis  und  haben  nur  selten  Auflösung  der 
Thesis,  niemals  für  die  dreizeitigen  Längen.  —  Die  periodische  Verbindung  der 
Reihen  erfolgt  sehr  gewöhnlich,  besonders  bei  Aeschylos,  so,  dass  die  Kom- 
missur in  das  Innere  eines  Wortes  verlegt  wird  (§  18),  wodurch  die  Ver- 
kettung eine  engere  und  die  Zahl  der  TQiari^oi  eine  grössere  wird. 

Der  Charakter  dieser  Strophengattung  ist  tiefer  Ernst  und  würdevolle 
Gemessenheit.  Sie  treten  zuerst  bei  Aeschylos  auf  und  werden  von  ihm 
häufig  (Pers.  114  ff.  126  ff.  Ag.  160  ff.  176  ff.  681  ff.  975  ff.  1001  ff. 
Choeph.  585  ff.  603  ff  Eum.  321  ff.  347  ff.  490  ff.  508  ff.  526  ff.),  aber 
ausschliesslich  im  Chorgesange  gebraucht;  Sophokles  meidet  sie,  dagegen 
erscheinen  sie  in  etwas  veränderter  Gestaltung  wieder  bei  Euripides  (Phoen. 
239  ff.  638  ff.  676  ff.  Iph.  A.  231  ff.  253  ff.  277  ff) 
Eum.  321  ff.     I.    McasQ^  a  fi    hixTsg^  w-  fia-teQ 

Nv^y  dfxav^  QoXaif  xal  dsdoQxofSiv-  noi-vdvj 
II.    xkvi^  •  0  Aa^TOvg  ydg  l-vig  fi    aii-fiov  ri&rj(fiv 

t6v6^  d(pai-Qovfi€vog 

TiTiüxa^  fia^TQflwv  a-yviiffia  xvqiov  (povov. 

III.    inl  d^  Tff}-  tsd-vfie'vfi}'  rode  fielog-  naqaxond' 

naqaffoqd  (pQevoda-Xrjg, 


730  £•  Metrik,    c)  Metrik  der  Griechen« 

IV.    viivog  «f  ^EQivvioV'  däfffiiog  y>Q€VWVy  äy>6^ 

fiixtoq,  avovd  ßQtnotg. 

Allgemoines:  Boeckh,  M.  P.  111.  —  G.Hkbmann,  Eiern.  77—95.  Epit  §  111—131. 
—  Westphal  II«,  440-477.  —  Chbiöt*  275-312.  —  Dikdorf,  De  metris  poet  scen. 
p.  42  ff. 

Vom  Tetrameter:  Porson,  praef.  Hecub.  p.  XLIII  sq.  —  Reibio,  Coniect  in  Ari- 
stoph.  Lips.  1816,  p.  127.  —  J.  Rcmpel,  Die  Auflösungen  im  troch.  Tetram.  bei  Lirrikern 
u.  Dramat.  Philo!.  XXVIII  (1869)  p.  425-437.  —  J.  Hilbebo,  Princip  d.  Silbenwfigmig. 
Wien  1879,  p.  254-258.  —  v.  Wilamowitz,  Philol.  Unters.  IX,  p.  7  f. 

Die  iambischen  Metra. i) 

55.  Im  Jambus  sind  drei  Chronoi  zur  Einheit  eines  Fusses  ver- 
bunden, der  er^  bildet  die  Arsis,  die  beiden  folgenden,  gewöhnlich  zur 
Länge  vereint,  die  Thesis.  Die  letztere  hat  also  den  doppelten  Zeitumfang 
der  Arsis,  und  der  iambische  Rhythmus  gehört  zum  yävog  dinXamov  (s.  §  11). 

Die  Normalform  des  iambischen  Fusses  ist  ^  -^ ;  doch  können  für 
die  Länge  auch  zwei  Kürzen  eintreten,  von  denen  die  erste  den  Iktus  trägt: 
^^  (Tribrachys). 

Der  iambische  Rhythmus  ist,  weil  die  Arsis  der  Thesis  vorangeht, 
lebendiger  und  schwungvoller  als  der  trochäische,  bei  dem  sie  nachfolgt-, 
und  hat  wegen  der  Ungleichheit  der  Taktteile  einen  rascheren  Gang  und 
erregteren  Charakter  als  der  gleichfalls  aufsteigende  anapaestische.  Aristid. 
p.  97  sq.     Hör.  A.  P.  81. 

56.  l.  Die  iambischen  Kola  haben  eine  fünf  fache  Ausdehnung:  1)  Di- 
podio  (6 zeitig),  2)  Tripodie  (Ozeitig),  3)  Tetrapodie  (12zeitig),  4)  Penta- 
podie  (15  zeitig),  5)  Hexapodie  (18  zeitig).  Ein  grösseres  xwXov  als  das 
oxTwxaiiexmr^fiov  ist  im  diplasischen  Rhythmengeschlecht  nicht  zulässig 
(s.  §  13). 

Im  Auslaute  ist  das  Kolon  vollständig  oder  akatalektiscli,  wenn 
die  letzte  Arsis  durch  eine  besondere  Silbe  zum  Ausdruck  kommt,  z.  B. 
v^-^^-^^w-  TiQoßäa*  in*  ^(Tx^x^ov  O^qdaovg,  Wird  aber  die  letzte 
Arsis  durch  Dehnung  der  vorhergehenden  Thesissilbe  zum  xqiai^ijLog  ersetzt, 
so  heisst  es  katalektisch,  z.  B.  ^  ±  ^  -  ^  \±  ~  o  nayxQaTTfi  Kqovov^  neue. 

Sind  in  den  beiden  letzten  Füssen  die  Arsissilben  durch  tovn]  ersetzt» 
so  heisst  das  Glied  brachykatalektisch,  weil  ein  ganzer  Fuss  zu  fehlen 
scheint,  z.  B.  nqoQQi^og  ix-QKf-O^ffg    ^  i  ^  \—   lL    _  .     Vgl.  §  15. 

2.  Die  Möglichkeit,  die  Arsis  durch  Dehnung  der  vorangehenden  Länge 
auszudrücken,  findet  aber  auch  auf  die  übrigen  Füsse  im  Inlaut  des  iambischen 
Kolon  Anwendung,  nämlich  erstens  bei  der    ersten  Arsis  jeder  Dipodie: 

l'xati  fjuV'  daifioviov  Choeph.  436. 
-    at'  TOI  Xb-yco-j  Jryyfvoi',  ncneQ^  (fiXoig  Choeph.  456. 
ji  v>  _    nqtnei  dt  ywg-,  alvokaju-nägy  ah'og  Ag.   389; 
hier  gern  in  Verbindung  mit  katalektischem  Versschlusse: 

nvoal  6*  «/ro-  ^TQVfiovog  ^lokov-aca  Ag.  192. 
Ferner  bei   der  zweiten  Arsis  eines  Gliedes  unter  gleichzeitiger  Unter- 
drückung der  Arsis  des  dritten  Fusses: 

')  Hephaest.  p.  17  f.  W.  Schol.  Heph.  p.  145  W.  Choerob.  Anecd.  Var.  I,  p.  i^  f. 
Mar.  Vict.  p.  79  p.  132f.  K. 


\j  j.  \^  [ ±  \j  ^ 

\J      ±      \J    \ ±      \^      ^      \J      J.     KJ 


2.  Die  Metra  der  Grieohen.  (§  55—58.)  731 


W    LL       L_        ^     V^    — 


fieXafi'Tia'Yrjg  näXei  Ag.  892. 
wlL    I—    jiw-w^w«    nonoi"  Ja-,   v€qt€qwv  TVQuvvfSeg  Ghoeph.  405. 
und  zwar  in  Hexapodien  besonders  häu6g  mit  der  Schlusskatalexis  zu- 
sammen : 

no&mV"  6'  ovx-  a^m  y>a%^^vai.  Soph.  El.  172. 

Ja  sämtliche  Arsen  mit  Ausnahme  der  anlautenden  können  so  unterdrückt 
werden,  z.  B.  in  der  Tetrapodie: 

^  Li    L_    lL    -  ovToi'  (To«-  fiov'Vif  Soph.  El.  154. 

3.  Endlich  ist  auch  für  die  anlautende  Arsis  eines  iambischen  Gliedes, 
wenn  es  das  Mittel-  oder  Schlussglied  einer  Periode  bildet,  der  Ersatz  durch 
Dehnung  oder,  was  hier  oft  vorzuziehen  sein  wird,   durch  Pause  zulässig: 

rov  fAVQOTtoiov  i^QOfirjv  StgatTiv^  st  xofArj-üsi.     Anacr.  fr.  30. 

dl'  wtog  av"  navQ(x  y'  oJg-  finlwq-   ivväneiv,     Soph.  El.  1438. 

di*  at'd^vog  6*  ivy-fioiüi  ßwsxsxai  xäaQ.  Aesch.  Choeph.  26. 

Derartige  Bildungen  werden  asynartetische  genannt  (§  23). 

57.  Die  meisten  iambischen  Metra  werden  nachDipodien  gemessen, 
ebenso  wie  die  meisten  trochäischen.  Die  iambische  Dipodie  gilt  dann 
als  Monometer,  die  Tetrapodie  als  Dimeter,  die  Hexapodie  als  Tri- 
meter,  die  Verbindung  zweier  Tetrapodien  als  Tetrameter  (§  22). 

Bei  den  dipodisch  gegliederten  iambischen  Massen  tritt  oft  die  Ir- 
rationalität der  Arsis  ein  (§  12).  Jede  erste  Arsis  der  Dipodie  kann 
nämlich  auch  durch  eine  metrische  Länge  ausgedrückt  werden: 

w    Z    w    _     I 


C/     jj.     v^    _ 
ZW__       j       vJZw—       I       OZw_ 


» 


jedoch  wird  bei  katalektischem  Ausgange  die  der  gedehnten  Länge  vorher- 
gehende Arsis  rein  erhalten: 


C7     Z     »^     —  W    lL 


Die  Irrationalität  der  Arsis  ist  auch  dann  zulässig,  wenn  die  Thesis 
durch  zwei  Kürzen  gebildet  wird.  Der  iambische  Fuss  kann  also  ausser 
den  beiden  rationalen  Formen  (^  -  und  ^^)  auch  folgende  irrationale 
Gestalten  annehmen  (§  12): 

die  spondeische  -  -^ 

die  daktylische  -^. 

Als  eine  Abweichung  von  der  strengen  rhythmischen  Messung  ist  es 
zu  betrachten,  wenn  in  einigen  iambischen  Massen  statt  des  Jambus  der 
Anapaest  eintritt.  Es  geschieht  dies  auch  an  den  geraden  Stellen,  aber 
nur  in  dem  Dialog  der  Komödie  mit  grösserer  Freiheit,  sonst  mit  Be- 
schränkung auf  den  Anfang  des  Verses  und  besonders  entschuldigte  Fälle, 
wie  Eigennamen. 

58.  Der  akatalektische  Dimeter  findet  sich  in  älterer  Zeit  nicht 
in  selbständiger  (stichischer)  Anwendung,  sondern  nur  als  Glied  einer 
Periode  oder  eines  Systems,  s.  §  61—64. 


732  £•  Metrik,    o)  Metrik  der  Griechen. 

Der  katalektische  Diineter  {t6  xaXovuevov  *AvaxQ€6t*r€$ov  Heph. 
p.  18,  3  W.)  wird  gleichfalls  ursprünglich  nur  als  xciXov  einer  Periode, 
insbesondere  als  Schlussglied,  z.  B.  im  Tetrameter  und  im  Hypermetron, 
seltener  in  mehrfacher  Wiederholung  gebraucht,  z.  B.  Anacr.  fr.  92.  Erst 
in  späterer  Zeit  tritt  er  als  Hemiamb  in  stichischem  Gebrauche  häufig 
auf,  z.  B.  Herodas  fr.  10  B.: 

<p€ifyo)fi€v  ix  TtQfKfwnov^ 

[iri  a'   ixTtSQWv  6  nQ€(fßvg 

oiXr.  xazi&v  .  .  . 

ßarr^Qijj  xaXvipr]. 
und  bleibt  auch  bei  den  Byzantinern  noch  ein  gebräuchliches  Metrum;  je- 
doch  verliert   er  bei   diesen   durch  Zulassung  der  irrationalen  Länge   an 
zweiter  Stelle  und  zweisilbiger  Anakrusis  seinen  ursprünglichen  Charakter 
und  nähert  sich  dem  anakreontischen  Verse  (Anakreontea  n.  45). 

59.  Das  gebräuchlichste  iambische  Versmass  ist  der  akatalektische 
Trimeter,  gewöhnlich  iambischer  Trimeter  schlechthin  genannt.  Er  be- 
steht aus  sechs  vollständigen  iambischen  Füssen,  deren  je  zwei  eine  Dipo- 
die  bilden,  also  aus  drei  vollständigen  Dipodien;  er  lässt  eine  irrationale 
Länge  als  Arsis  an  den  ungeraden  Stellen  d.  h.  im  1.,  3.  und  5.  Fusse  zu; 
er  gestattet  Auflösung  der  Thesis  in  zwei  Kürzen  überall,  nur  nicht  im 
6.  Fusse;  ebenso  den  Anapaest,  aber  nur  mit  gewissen  Beschränkungen, 
am  häufigsten  im  1.  Fusse.  Er  hat  seine  regelmässige  Caesur  nach  der 
Arsis  des  dritten  Fusses  {TtevO^rjjiAtfUQtjg)  oder  nach  der  des  vierten  («y^'J" 
fiifisQijg).  Seine  letzte  Silbe  ist  als  Schlusssilbe  des  Verses  ädia^oQog^ 
kann  also  auch  eine  Kürze  sein. 


C7JL^_  i^l^w-  C7Zv^^ 

~_lv^_  C7_£.V-/__  CTj.v^'^ 


Ov  fioi  id  rvyfu)  I  Tov  nolvxQvaov  lu'Xfi.  Archil.  fr.  25. 

'Ä  xoivov  avTudil(fov  \  * I(Xfit'^vt]g  xclqix,  Soph.  Ant.   1. 

Anmerkung.  Westphal  verlangt  auf  Grund  der  Zeugnisse  der  Alten  über  die  Per- 
cussion  des  Trimeters  (Anonym,  de  mus.  §  97.  Juba  bei  Priscian  p.  1321 ;  Caes.  ßass.  bei 
Rufin.  VI,  p.  555  f.  K.  Terent.  M.  v.  2249.  Atil.  Fort.  p.  28<)  K.)  die  Hervorhebung  der 
2.  Hebung  jeder  Dipodie  durch  stärkeren  Iktus: 


Der  Vers  hat,  verglichen  mit  dem  trochäischen  Tetrameter,  durch  die 
anlautende  Arsis  grössere  Lebendigkeit  und  Energie;  die  irrationalen  Längen 
dienen  dazu,  die  Lebhaftigkeit  zu  massigen  und  ihm  grössere  Ruhe  und 
Gemessenheit  zu  geben.  Er  ist  eines  der  häufigsten  Masse  in  der  ganzen 
griechischen  Dichtung  und  nächst  dem  Hexameter  am  meisten  im  Gebrauch. 
Dem  Archilochos  als  seinem  Erfinder  zugeschrieben  erscheint  er  zunächst 
bei  diesem  und  den  andern  Jambographen  im  Spottgedicht  (daher  der 
Name  laiißog  von  tcimtiv),  demnächst  in  der  Komödie  als  vorwiegendes 
Metrum  des  Dialogs  und  in  der  Tragödie  und  dem  Satyrdrama  gleichfalls 
als  regelmässiger  Dialogvers;  in  der  Lyrik  ist  er  nur  in  beschränktem  Ge- 
brauch. Der  mannigfaltigen  Anwendung  entsprechend  weist  er  in  seinem 
Bau  gewisse  Verschiedenheiten  auf. 

1.  Der  Trimeter  der  Jambographen  hat  die  Irrationalität  der  Arsen 
seltener,  gewöhnlich  nur  einmal  in  jedem  Verse,  Anapaeste  noch  gar  nicht, 


2.  Die  Metra  der  Qriechen.  (§  59.) 


733 


Auflösungen  nicht  häufig,  meist  nur  bei  den  Anfangssilben  mehrsilbiger 
Wörter,  höchstens  einmal  im  Verse;  als  Caesur  dient  die  navO-rimiieqrfi  bei 
Archilochos  etwa  noch  einmal  so  häufig  als  die  itp&rjfjtifUQr^g. 

2.  Der  tragische  Trimeter  zeigt  bis  Ol.  89,  4  eine  grössere  Strenge 
in  seinem  Bau,  später  lockert  sich  diese  und  allerlei  Freiheiten  finden 
Eingang.  Dem  Charakter  der  Tragödie  entspricht  eine  häufigere  Zulassung 
des  Spondeus,  durchschnittlich  zweimal  in  jedem  Verse.  Die  Zahl  der  Auf- 
lösungen ^)  ist  gering  in  der  älteren  Tragödie:  Aeschylus  hat  nur  selten  zwei 
in  einem  Verse,  Sophokles  ist  freier,  besonders  in  den  jüngeren  Dramen, 
Euripides  hat  zahlreiche  Auflösungen  nach  Ol.  89,  4.  —  Der  Anapaest  ist 
bloss  bei  Eigennamen  erlaubt,  zumal  bei  solchen,  die  der  strenge  Bau  des 
Verses  verschmäht,  nur  im  ersten  Fusse  auch  bei  andern  (anapaestisch 
anlautenden  oder  eng  zusammengehörigen)  Wörtern. 

Die  Penthemimeres  ist  die  häufigste  Caesur,  nächst  ihr  kommt  auch 
die  Hephthemimeres  vor,  aber  es  giebt  auch  Verse,  die  mitten  (nach  dem 
dritten  Jambus)  geteilt  sind,  wie  Soph.  El.  1036:  dufiiag  fitv  ovy  nQOfitjO'iag 
J^  aov.  Doch  schwindet  das  Anstössige  der  caesura  media,  wenn  eine 
Elisionssilbe  über  den  dritten  Fuss  hinausgreift;  wie  Aeschyl.  Ag.  20: 

vvv  d*  evTvxrjg  yevoiT    \  anaXlayr}  noviov. 

Ist  der  5.  Fuss  ein  Spondeus,  so  darf  dessen  Arsis  nicht  Schlusssilbe 
eines  mehrsilbigen  Wortes  sein.  —  Elision  am  Schlüsse  des  Trimeters  ist 
nur  bei  Sophokles  („cx^M«  2o(f6xX^ov'^)  mehrmals  zu  finden  (0.  R.  29.  332. 
785.  1184.  1224.   0.  C.  17.  1164.   Antig.  1031.   El.  1017). 

3.  Der  Trimeter  der  Komödie  entbehrt  häufig  der  Caesur,  giebt 
der  Auflösung  eine  grosse  Ausdehnung,  so  dass  die  dreisilbigen  Füsse  tiber- 
wiegen, schliesst  den  Anapaest  nur  vom  6.  Fusse  aus  und  lässt  ihn  sonst 
ohne  Einschränkungen  zu,  oft  mehrmals  hintereinander,  nur  wird  die  Tei- 
lung desselben  ( v>  |  w  _  oder  ^  ^  |  -  )  gemieden;  selbst  der  Prokeleusmatikos 
statt  des  Jambus  (^  ^^yUJ)  ist  vereinzelt  zugelassen.  —  Vor  der  5.  Thesis 
kann  auch  ein  mehrsilbiges  Wort  mit  langer  Ultima  stehen. 

Anmerkung.  Auf  die  Unfcerschiedo  im  Bau  des  Trimeters  in  den  verschiedenen 
Teilen  der  Komödie  macht  Tu.  Zielinski  aufmerksam,  namentlich  findet  er  bei  den  vom 
Chore  in  den  Epirrhemen  gesprochenen  Trimetern  den  strengen  Bau  der  Tragödie. 

4.  Der  Trimeter  des  Satyrdramas  nimmt  eine  Mittelstellung  ein 
zwischen  dem  der  Tragödie  und  dem  der  Komödie  und  zeigt  überdies  je 
nach  dem  Charakter  der  Sprechenden  eine  grössere  oder  geringere  Strenge 
des  Baues.  Die  Auflösungen  sind  zahlreicher  als  in  der  Tragödie,  die  Zu- 
lassung des  Anapaests  beschränkt  sich  nicht  nur  auf  Eigennamen  und  den 
ersten  Fuss. 

Anmerkung,  üsekeb  schreibt  auch  dem  iambischen  Trimeter  eine  Entstehung  aus 
zwei  ursprünglich  selbständigen  Kurzversen  zu,  entweder  aus  einer  katalektischen  iam- 
bischen Tetrapodie  und  einer  trochäischen  Tripodie: 

\J    JL    ^^    J.    \J    ^       C7  J. 

oder  aus  zwei  trochäischen  Tetrapodien: 

-^    w    Jl    >^    -i    w    ^ 


\J     J.     \J     JL 


J.     \J     JL        _ 


*)  J.  Oberdick,  Krit.  Studien  I,  p.  35  ff. 
weist  auf  den  Zusammenhang  der  Auflösungen 
mit  den  Cäsuren  hin  und  zeigt,  dass  die  auf- 
gelöste Thesis  nach  der  Penthemimeres  ebenso 


wie  nach  der  Hephthemimeres  im  tragischen 
Trimeter  durchaus  gesetzmässig  und  die  Auf- 
lösung im  1.  Fusse  ohne  Anstoss  ist. 


734  S*  Metrik,    c)  Metrik  der  Qriechen. 

Auf  dio  eine  Bildung  weise  die  Hephthemimeres,  die  sich  in  den  ältesten  iambischea  Tri- 
metem  noch  häufig  vorfände,  auf  die  andere  die  Vorliebe  fOr  spondeischen  Anlaut  des 
durch  die  Pentheniimeres  gegliederten  Verses  bei  Archilochos. 

60.  1.  Der  Trimeter  skazon/)  auch  Choliamb  und  Hipponakteischer 
Vers  genannt,  gehört  zu  den  x^^^^  (§  &2)  und  unterscheidet  sich  von  dem 
TQffACTQov  oqO^ov  durch  die  Länge  der  letzten  Arsis  (der  vorletzten  Silbe): 

Tt  T^}  raXavTi  BovndXfri  avvoixrfiaq;  Hippon.  fr.   12  B. 

Er  lässt  die  irrationale  Länge  nicht  nur  im  1.  und  3.,  sondern  auch 
im  5.  Fusse^)  zu,  die  Auflösung  nur  selten  bei  der  4.  Thesis,  nie  bei  der  5.; 
den  Anapaest  nur  im  1.  Fusse  und  erst  seit  Babrios. 

Der  Vei^,  welcher  durch  den  gebrochenen  Rhythmus  seines  Ausganges 
den  Eindruck  des  Hinkens  hervorruft  (vgl.  den  Tetrameter  (fxd^wv  §  50)  diente 
seinem  Charakter  entsprechend  anfänglich  bei  den  älteren  Jambographen  dem 
Spottgedichte,  so  bei  Hipponax  und  Ananios,  die  als  seine  Erfinder  gelten; 
bei  den  Alexandrinern  und  in  späterer  Zeit  war  er  ein  sehr  beliebtes  Mass 
für  die  erzählende  und  didaktische  Poesie,  besonders  fQr  die  Fabeldichtung. 

2.  Der  Choliamb  des  Babrios  zeigt  den  Übergang  von  der  quanti- 
tierenden  Verskunst  zur  accentuierenden  und  beobachtet  die  Regel,  dass  die 
vorletzte  Silbe  des  Verses  vom  Accente  getroffen  wird: 

*Avr^Q  'A&ip'atog  rig  ävögi  &rjßai(i) 

xoivwg  oÖBVfav  &an€Q  elxog  (OfifXei. 
Doch  wird  der  Circumflex  auf  der  vorletzten   gemieden;   auch  ist  für  sie 
blosse  Positionslänge  nicht  gern  gesehen. 

Aus  dem  Trimeter  axftCcov  entwickelte  sich  in  spätester  Zeit  der  zwölfsilbige  po- 
litische Vers,  der  der  prosodischen  Bestimmtheit  völlig  entbehrt  und  regelmässig  eine 
accentuierte  Silbe  an  vorletzter  Stelle  hat,  z.  B.  Tzbtzes'  arixoi  xXtfiaxtarol  (Ritschl, 
Op.  I,  227): 

üycc^  ßactXevj  aov  necovrog  ov  g:iQ(o 

Xfd  fAtj  (ptQCjy  t6  ndd^og  avrog  daxQV(o 

xai  daxQviüy  to  (fiXtQoy  eig  <rk  daxyvü). 

3.  Der  katalektische  Trimeter  ist  nachweisbar  bei  Archilochos  (fr. 
101.  102)  und  Alkman  (fr.  74  B.  75),  bei  Alkaios  (fr.  102)  und  Sappho 
(fr.  103),  bei  den  letzteren  offenbar  als  Glied  eines  Systems;  ebenso  in  der 
Tragödie,  z.  B.  Soph.  El.  1276  f. 

t(  fxi]  nou]a(ü;  /tr;  /t*  d7roaT€Qrj'ai]g 
Twv  (X(t)v  nqodatnwv  ddovdv  iied-b-a&ai, 
und  in  der  Komödie,  z.  B.  in  dem  Jakchosliede  Ran.  398  f.  404  f.  409  f. 

"/ax/f  7ioXvTiixr^T€y  fii'log  ioQ-T/jg. 

61.  Der  akatalektische  Tetrameter  ist  dem  Drama  im  stichischen 
Gebrauche  fremd,  dagegen  bei  den  Lyrikern  (Alcm.  fr.  9.  10.  Ale.  fr.  56) 
und  in  den  gesungenen  Partien  der  Tragödie  nachweisbar. 

Der  katalektische  Tetrameter  {juiqov  AQi(XTO(fccv€iov)  gehört  zu 
den  beliebtesten  Massen  der  griechischen  Poesie  und  hat  seinen  Ursprung 
in  der  Volksdichtung,  aus  der  ihn  Hipponax  in  die  Litteratur  einführte 
(daher  auch  '^InnwvccKteiov),  Ausgedehnte  Anwendung  fand  er  in  der  Ko- 
mödie (in  denParodoi,  denExodoi  und  denEpirrhemendes  Agon);  fremd  blieb 

')  Hephaest.  p.  18,ii  W.  Schol.  Heph.  p.   |   Caesius  1.  c:   hie  scazmi  pessimus  ertt,  qui 


151.   Anecd.   Var.   1,  69.     Caes.   Bass.   Gr. 
Lat.  VI,  p.  257  K.  Mar.  Vict.  p.  136  K. 

'-')  Den  Spondeus  an  5.  Stelle  verbietet 


hahuerit  alinm  quinto  loco  quam  iambum: 
quo  tarnen  sine  religimie  usus  est  Hippo- 
nax.   Ebenso  Terent.  M.  v.  2408. 


2.  Die  Metra  der  Qriechen.  (§  60-  63.) 


735 


er  der  Tragödie.  Er  besteht  aus  zwei  Oliedern,  einem  akatalek tischen  und 
einem  katalektischen  Dimeter,  die  durch  eine  regelmässige  Caesur  ge- 
trennt sind: 

Et  fAoi  ytvoiTO  TcaQ&b'vog  \  xalrj  tb  xal  rsQsiva,  Hippon.  fr.  90  B. 
Die  vorletzte  Länge  ist  eine  dreizeitige  (§  56),  daher  nicht  auflösbar;  die 
vierte  Thesis  wird  nur  selten  aufgelöst.  Der  Spondeus  und  der  Daktylos 
sind  zulässig  an  erster,  dritter  und  fünfter  Stelle,  ausgeschlossen  von  der 
siebenten.  Der  Gebrauch  des  Anapaests  ist  in  den  Dialogpartien  der  Komödie 
weniger  beschränkt  als  im  Trimeter:  er  findet  sich  im  1.,  2.,  3.,  5.  und  C. 
Fusse  ohne  Einschränkung,  im  4.  nur  ausnahmsweise,  im  7.  nur  Arist. 
Thesm.  547  in  einem  Eigennamen.  Die  Caesur  wird  nicht  selten  vernach- 
lässigt, besonders  im  dialogischen  Tetrameter.  ^) 

Ran.  941.     taxvava  filv  nQdxiaxov  avvrjv  \  xal  %6  ßdgog  ä(p€tXov. 

Aus  dem  katalektischen  Tetrameter  bildete  sich  in  der  byzantinischen  Periode  der 
fünfzehnsilbige  politische  Vers,  der  auf  Prosodie  keine  Rücksicht  mehr  nimmt,  wie 
der  oben  erwähnte  12silbige,  aber  auf  der  vorletzten  Silbe  des  zweiten  und  auf  der  dritt- 
letzten oder  letzten  des  ersten  Gliedes  den  Accent  fordert  Er  war  das  Universalmass  für 
die  verschiedenartigsten  Stoffe;  vgl.  Tzetz.  Chiliad.  XII,  247: 

rd  xtüv  ßaQßaQüty  yQatpovav  \  Xoyv&Qia  ratg  ßlßXoig. 

62.  Die  iambischen  Hypermetra  oder  „Systeme**  (vgl.  §  20)  werden 
wie  die  anapaestischen  aus  zwei  oder  mehreren  akatalektischen  und  einem 
abschliessenden  katalektischen  Dimeter  gebildet;  vereinzelt  tritt,  besonders 
als  naQavhXevTov,  zwischen  die  Dimeter  ein  Monometer,  z.  B.  Aristoph. 
Nub.  1103  flF.: 

i^tti^fied-^  CO  xivovfASvoiy 

TiQoq  t(j5v  d-Bfüv  '  dt'^a<x&€  piov 

i^aüTOfiold  TtQog  vfiag. 
Die  einzelnen  Kola  stehen  durch  avvdtfHa  (§  18)  miteinander  in  Verbindung, 
sind  jedoch  in  der  Regel  durch  Caesur  getrennt.    Auflösung  der  Länge  ist 
häufig,  ja  sogar  im   4.  Fusse   des  Kolon  gestattet;   der  Anapaest  ist  zu- 
lässig wie  im  Tetrameter. 

Im  Dionysos-  und  Demeterkult  erwachsen,  ging  diese  rhythmische 
Form  in  die  Komödie  über,  wo  sie  am  gewöhnlichsten  in  engem  Anschluss 
an  eine  Gruppe  iambischer  Tetrameter  erscheint,  besonders  in  Streitscenen 
(Arist.  Eq.  367  ff.  441—56.  911—40.  Nub.  1089-1104.  1385—90.  1446—52. 
Lysist.  382-86.   Ran.  971—91). 

63.  Die  iambischen  Strophen  der  Lyrik  und  der  Komödie  beschränken 
sich  meist  auf  eine  sehr  geringe  Zahl  von  Grundelementen  (trim.  und  dim. 
cat.  u.  acat.,  monom.).  Archilochos  vereint  Trimeter  und  Dimeter  zu 
einem  epodischen  Distichon  (Heph.  p.  71,2o),  z.  B.  frg.  86  f.  88.  97  B. 

Q  Zsv  TtazBQ,  ZsVy  aol  fihv  oiqavov  xqaTog^ 

Nachgebildet  von  Horaz.  epod.  1 — 10. 


*)  Näheres  ttber  die  verschiedene  inetri< 
sehe  Behandlung  der  dialogischen,  chorischen 
und  lyrischen    Teirameter  bietet    Tb.    Zie- 


LiNSKi,  Qliedening  der  altattischen  Komödie 
p.  296  ff. 


736  E.  Metrik,    o)  Metrik  der  Griechen. 

Einfach  in  ihrem  Bau  sind  auch  die  Nachbildungen  alter  volks- 
mässiger  und  religiöser  Lieder  in  der  Komödie,  so  sind  z.  B.  drei 
Glieder  (2  kat.  Dim.,  1  akat.  Trim.)  vereint  in  der  8mal  wiederkehrenden 
Strophe  bei  Aristoph.  Ran.  416  ff.;  vier  Glieder  (je  1  akat.  und  1  prokat 
Dim.)  Av.  1755  ff.c»1759  ff.  Ein  fünfgliedriges  Hypermetron  bildet  jede 
Strophe  in  dem  Demeterlied  Ran.  384  ff.  co  389  ff.  Je  fünf  Glieder  haben 
die  Strophen  des  Jakchosliedes  Ran.  397  ff. 

Umfangreichere  Strophen  aus  mehreren  Perioden  bildet  Aristophanes 
selbst.  Das  vorwiegende  Element  ist  auch  hier  stets  das  Dimetron,  teils 
akatalektisch,  teils  katalektisch,  bald  in  drei-  oder  mehrgliedrigen  Perioden 
(Acharn.  1008  ff.  Equit.  756  ff.),  bald  in  der  zweigliedrigen  Form  des  Tetra- 
meters; selten  prokatalektisch  in  asynartetischen  Perioden,  wie  Lysist.  256. 
Der  Trimeter  und  der  Monometer  sind  seltener.  Als  alloiometrische  Glieder 
finden  sich  das  logaoedische  Prosodiakon  (Ach.  841,  847,  853,  859.  Thesm. 
972,  980.  Pax  856,  858,  909)  und  das  anapaest.  Monometron.  Die  Kom- 
position ist  meist  antistrophisch  (Ach.  929  <j>  940.  1008  cr>  1037.  Ran.  383  od 
389.  Thesm.  969  od  977.  Pax  856  od  921.  1305  co  1311.  Nub.  1345  cd  1391. 
Plut.  290  CD  296.  Equit.  756  cd  836.  Lys.  256  cd  271.  Eccl.  483  cd  493);  nur 
einigemale  alloiostrophisch  (Ach.  263.  Pax  508). 

Ach.  1008—1017  (cr^.). 

X,  ZrjhS  (f€  rf^g  evßovXiag^  fiällov  it  rijg  eimxiag^ 

avO-QcoTts,  rr^g  naQoif-ar^g. 
J,  t(  SfjTy  ineiSuv  tag  xt'x^ag  oTttcofUTag  idi]t€: 
X.  oifxai  as  xai  tovt   ev  Xtyeiv,     J.  lo  nvq  tmoaxdXeV'S. 
X.  tjxovaag  «$  (laysiqixtag  xo(.iipwg  re  xal  deiTTrr^nxcog 
a vT(p  dl axovti'xai ; 

I.   4  4  4.     II.   4  4.     III.   4  4.     IV.   4  4  4. 

64.  1.  Die  jambischen  Strophen  der  Tragödie  erhalten  ihr  eigentum- 
liches Gepräge  durch  die  häufige  Unterdrückung  der  Arsen  (s.  §  56)  sowohl 
im  Auslaute  als  im  In-  und  Anlaute  der  Glieder,  durch  das  seltene  Vor- 
kommen irrationaler  Längen  und  die  Häufung  der  Auflösungen  bei  beson- 
ders erregter  Stimmung.  Die  vorwiegenden  Bestandteile  sind  die  iambische 
Hexapodie  und  Tetrapodie  in  ihren  mannigfachen  Formen  (s.  oben  §  56.  57), 
daneben  treten  als  sekundäre  Elemente  die  Pentapodie  und  die  Tripodie, 
und  als  alloiometrische  besonders  trochäische  und  logaoedische  Tetrapodien, 
seltener  daktylische,  anapaestische  und  ionische  Kola  auf.  Von  den  tetra- 
podischen  Gliedern  werden  meist  zwei  oder  drei,  selten  vier  zur  Periode 
verbunden;  die  Hexapodie  bleibt  teils  selbständiger  Vers,  teils  tritt  sie  in 
Verbindung  mit  der  Tetrapodie.  In  der  Kommissur  zweier  Kola  wird  die 
anlautende  Arsis  gern  unterdrückt. 

Die  iambischen  Strophen  sind  bei  Aeschylos  (Ag.  192  ff.  218  ff.  238  ff. 
367  ff.  403  ff.  u.  oft)  und  Euripides  (Ale.  213  ff.  Suppl.  71  ff.  Andr.  464 
u.  s.)  in  häufigem  Gebrauch,  aber  fast  ausschliesslich  im  Chorliede  und  im 
Kommos  (monodisch  bloss  Eurip.  Orest.  900  ff.),  seltener  bei  Sophokles 
(0.  R.  190  ff.  Trach.  132  ff  205  ff.  El.  472  ff.  504  ff  0.  C.  534  ff.)  und  in 
parodischer  Anwendung  bei  Aristophanes  (Ach.  1191  ff.  Aves  410  ff.  851  ff. 
Nub.  1155  ff.  1206  ff.).    Sie  tragen  den  Charakter  ernster  Würde  und  eines 


2.  Die  Metra  der  Griechen.  (§  64.)  737 

hohen  Pathos,  sind   bewegter  als  die  trochäischen,    aber  ruhiger  als  die 
Dochmien  und  dienen  mannigfachen  Stimmungen  zum  Ausdruck. 
Aesch.  Agam.  1530  —  1536. 

äfirjxavd'  (pQOVTidog  (fteQr^-O'elg  evTiaXdiiiov  fi^Qi-firäv, 

ona  tQancO'fiai,  mtvovtog  oi-xov, 

ötioixa  6'  ofi'ßgov  xrvnov  dofioiftpalij 

tüv  atfAUfrj^Qov  •  xpaxdg  d^  Xij^yei, 

^ixa  d'  in    aXXo  rrgayina  vl^jjyar«*  ßXaßag 

TtQog  aX^laig-  d^rjydvaig  fidxai-Qav, 
I.   6  4  6.     II.   6  6.     III.    6  6. 
Soph.^El.  504  ff. 

Si  mXoTiog  ä'  nQO'ffO-ev  noXvnovog  in-nel^a^ 

(ig  ^fioXsg  a*-a-i'/yg-  rprff  yp. 

€tft€  yuQ  0  noV'XirCd^Big  MvQtiXog  exoi^fid-^rj 

nayxQV(f6(ov^  6C'<pq(av  ivaxavog  al^xi-aig 

TtQOQQi^og  ix'Qi^tp-O-si'g'y  oi  ri  noi 

iXsmc  tovaS^"  ot-xovg  noXvnovog  al-xi-a. 
I.   4  4  6.     IL    4  4  4  4.     III.   6  4  4. 
Arist.  Ach.  1190  ff. 


dTTttTat^  dxxaxat. 


CTvysqd  tdds  ys  xQVSQa  ndO-ea  '  rdXag  iyci  SioXXvfiat 
doQog  vno  noXcfiiov  xvnsig. 
€x€ivo  d'  ctUaxTov  av  yävoiro  (loi^ 
JixaionoXig  av  ei  /t*  Tdoi,  TevQiofie'vov 
x^x    eyxdrot^  xaTg  ifiaig  xvxcci'tnv. 
2.  Wesentlich  verschieden  von  diesen  iarabischen  Strophen  der  Tragiker 
sind  die  aus  der  Vereinigung  von  iambischen  und  trochäischen  Elementen 
gebildeten  Strophen  und  Systeme,  welche  in  der  späteren  Tragödie  auftreten 
und  wie  es  scheint  dem  Euripides  ihren  Ursprung  verdanken.     Sie  finden 
ihre  Anwendung  mit  seltenen  Ausnahmen  in  Monodien  und  Wechselgesängen 
und  weichen  in  der  Behandlung  der  iambischen  und  trochäischen  Glieder 
von  dem  in  iambischen  und  trochäischen  Strophen  üblichen  Bau  durch  seltenere 
Anwendung  der  gedehnten  Längen  und  sehr  häufigen  Gebrauch  der  Auflösungen 
ab;  auffällt  ferner  die  akatalektische  Bildung  der  trochäischen  Bestandteile. 
Bei  Euripides  erscheinen  die  Jambo-Trochäen  antistrophisch  gebildet 
im  Chorlied  Helen.  1 67  (Parodos)  und  Phoen.  101 9  (Stasimon),  ebenso  bei  Sopho- 
kles im  Kommos  O.C.  1677a)1704,  16880^1715,  1724od1737;  in  allen  andern 
Fällen  ist  der  Bau  alloiostrophisch  (Helen.  330.  Orest.  982.   Iph.  A.  1475. 
Phoen.  1710  und  in  der  Parodie  Arist.  Thesm.  1022.  Beispiel:  Phoen.  v.  1732  ff. 
2(fiyy6g  dva<fbQ€ig  oveiSog;  -twv>^wjj.w-w 

unaye  xd  ndgog  f  «}ri^;f*yjU«ir'  av-iSv.  v^^wv^^^Zv^-v^lL       _a 

xdde  a    int'ixsve  iitXea  ndO-ea  ^wv.^wv!^wv^^w 

(fvydda  naxgidog  ano  yevofievov,  v>^v^v>^wv>^w^^w 

(6  ndx€Q^  x^aveTv-nov,  ±  ^  ^  ^  iL       _  a 

no&aivd  Sdxqva  naqd  (piXot(fi  naqO'ivoig  wZw*.^wv^^-wZv^« 
Xmova*  ansii^u  naxqidog  dnonqo  yai-ag  oZo-wv!»^w*.^wlL  « 
dnaqd^kvsvv    aXcofieva.  ^jls^^s^±^- 

Handbuch  der  klui.  AltertanuiwiflseDaclmft.  II    2.  Aufl.  47 


738  B*  Metrik,    o)  Metrik  der  Griechen. 

Allgemeines:  Bobckh,  M.  P.  p.  120  sq.  —  G.  Hbrmanh,  Elem.  p.  96  —  158.  Epü 
§  132-183.  -  Westphal  IP  441-48  u.  478-544.  —  Christ«  p.  313  -365.  —  Ddtoif. 
De  metris  poet.  scen.  p.  31  sq. 

Zum  Trimeter:  R.  Pobson,  praef.  ad  Hecub.  p.  XX  sq.  (1790).  —  G.  Rbisio,  Coo- 
iectanea  in  Aristoph.  Lips.  1816.  —  O.  R.  Hanow,  Exerc.  crit  in  com.  Graecos.  Hai.  1830. 

—  Fbitzschb,  De  trim.  Graec.  comico.  I.  Rostoch.  1831.  —  Fb.  W.  Eoblravsch,  De  diae- 
resi  in  medio  trim.  iamb.  ap.  Soph.  GOtt.  1838.  —  Gotthold,  Schlosscreticiis  des  iamb. 
Trim.  d.  Gr.  u.  Rom.  Ztschr.  f.  GW.  VIII.  1854.  695  ff.  -  Pbeüss,  De  senarii  Graeci  cw- 
suris.  Regim.  1859.  —  A.  Schmidt,  De  caesuia  media  in  Graec.  trim.  iamb.  Bonn.  1865. 
diss.  —  C.  F.  Müller,  De  pedibus  solutis  in  dialogomm  senariis  Aeschyli,  Soph.  Enrip. 
Berol.  1866;  ders.  De  ped.  sol.  in  trag,  minor,  trim.  iamb.  Berol.  1879.  —  J.  Bukpil, 
Die  Auflösungen  im  Trim.  des  Soph.  u.  Aeschyl.  Philo!.  XXV,  (1867)  p.  54  ff.  —  Ders. 
(rein.  iamb.  Trim.)  Philol.  XXV.  p.  471;  Der  'fem.  des  Aristoph.  PhüoL  XXVIU.  p.  599  ft 
De  trimetri  Graeci  exitu,  Insterburg  1872.  —  W.  Hakacheb,  De  anapaesto  in  trim.  Aeschyl. 
Trier.  1867.  Pr.  —  E.  Szbunski,  Die  Auflösungen  im  Trim.  des  Aesoh.  u.  Soph.  Hoheisi 
1868.  Progr.  —  G.  Widboben,  De  numero  et  conformatione  pedum  solutorum  in  senariis 
Aristoph.  Upsal.  1868.  —  C.  Bebnhabdi,  De  incisionibus  anapaesti  in  trim.  com.  in  Adi 
soc.  phil.  Lips.  I,  p.  245  ff.  (1872).  —  N.  Weoklein,  Studien  z.  Aeschyl.  Berlin  1872  p.  130 
(ttber  d.  5.  Fuss).  —  B.  Bbill,  Über  dipod.  od.  trip.  Messung  u.  Qber  d.  Cfisnr  d.  iamb. 
Trim.  Königsbg.  1873;  ders.  De  Aristoxeni  fragm.  quibusd.  atque  senarii  graeci  caesma 
inde  diiudicanda.  Jena  1876.  —  R.  Röding,  De  graec.  trim.  iamb.  caesura  penth.  et  hephth. 
carentibus.  Upsal.  1874.  —  0.  Naumann,  Die  Cäsuren  im  Trim.  d.  soph.  El.  Beigard.  1877. 
Progr.  —  S.  Mekleb,  Zur  Revision  der  Frage  der  caesura  media  im  iamb.  Trim.  des  Eurip. 
Wien  1878.  Progr.  Nachlese  z.  Frage  der  caestira  fnedia.  Wiener  Stud.  1881  S.  37  ff.  — 
M.  W.  Humphrets,  On  certain  effects  of  elision.  in:  Transact  of  Amer.  Phjl.  Aasodat 
Baltimore  1879.  —  J.  Hilbebg,  Princip  d.  Silbenwägung.  Wien  1879.  p.  206  ff.  -  E. 
Philipp,  Der  iamb.  Trim.  u.  sein  Bau  bei  Soph.  Prag  1879.  Progr.  —  J.  Obbrdick,  Ober 
die  Auflösungen  im  dialog.  Trimeter  der  Trag,  in:  Kritische  Studien  I.  Münster  1884  p.  35 ff. 
und  N.  phil.  Rundschau  1887  p.  165  ff.  —  W.  Meteb,  Üb.  d.  Wortaccent  in  d.  altlat  Poesie 
München  1884.  p.  30  ff.  66  ff.  110  ff.  —  Th.  Zielinski,  Die  Gliederung  der  altattischen 
Komödien  Leipz.  1885  p.  292  ff.  —  H.  Useneb,  Altgriechischer  Versbau.  Bonn  1887.  p.  104  ff. 
(über  d.  Trim.  des  Archilochos).  -  Fb.  Polle,  Fcstschr.  d.  Vitzt.  Gymn.  (f.  Zittau)  Leipz.  1886. 
Chaionet,  Le  vers  iambique.  Paris  1887. 

Zum  Choliamb:  C.  Lachmann,  praef.  ed.  Babrii.  Berol.  1845  p.  XII  sq.  —  A.  Eber- 
hard, ])raef.  Babrii.  Berol.  1875.  -  Fbiedb.  Hanssen,  Ein  musik.  Lautgesetz  in  d.  quan- 
titierenden  Poesie  d.  Gr.  Rhein.  Mus.  38.  Bd.  (1881)  S.  222  ff. 

Zu  den  politischen  Versen:  L.  Stbuve,  Über  d.  metr.  Gesetz  d.  accent.  Trimeter. 
Königsbg.  1820.  Pr.;  ders..  Der  polit.  Vers  der  Mittelgriechen.  Hildesh.  1828.  —  F.  Hkx- 
richsen,   Über  die  sog.  polit.  Verse  bei  d.  Gr.    Aus  d.  Dan.  übers,  v.  Friedrichsbn,  L.  1839 

—  Fr.  Ritscul,  Accentuierte  Verse.    Opusc.  I,  289  ff.  —  Westphal,  IIP,  1,  p.  84  ff. 

Die  ionischen  und  choriambischen  Metra.*) 

65.  Im  lonikus  sind  sechs  Chronoi  zu  einem  Fusso  vereint,  zwei 
davon  gelten  als  Arsis,  vier  als  Thesis;  das  Verhältnis  von  Thesis  zu 
Arsis  ist  also  2:1,   und   der  lonikus  gehört  dem   diplasischen   Genos  an 

(s.  §  11). 


\y     ^      KJ     'V      V_/     ^/  W      W      VV      V-/      v^      W 


Geht  die  Thesis  voran  und  die  Arsis  folgt  nach  ( -  -  '  ^^  ^ ),  so 
heisst  der  Fuss  toovixog  cctto  ixei^ovog,  ionictis  a  nmiore,  fallender  loniker; 
geht  aber  umgekehrt  die  Arsis  der  Thesis  vorauf  ( ^  ^  -^^  - ),  so  heisst  er 
liüvixog  an   iXaaaovoq^  ionicus  a  minore^  steigender  loniker. 

Mit  dem  Ionicus  gehört  dem  rhythmischen  Zeitwerte  nach  eng  zu- 
sammen der  echte  Choriambus,  bei  dem  gleichfalls  sechs  Chronoi  zu  einem 
Fusse  vereint  sind: 

z  w  w  I  _    und    -  v^  w  !  _i 


')  Ileph.  30  f.,  35  f.,  37  f.  Schol.  Heph.  p.  189  f.  Mar.  Vict.  p.  89  sq.  K. 


2.  Die  Metra  der  Griechen.  (§  65  -  66.)  739 

und  der  Iktus  entweder  auf  der  ersten  oder  auf  der  letzten  Länge  steht, 
je  nachdem  der  Rhythmus  fallend  oder  steigend  ist: 

±~^^±~^kj1  -ww  liav,  and  ^«i'forog, 

XOQfafißoi, 
iwv.  an    iXda^ovog, 
Verschieden  von  dem  echten  sechszeitigen  Choriamb  ist  der  aus  Eatalexis 
der  daktylischen  Dipodie  entstandene    ±^^^,  der  nur  die  äussere  Form 
desselben  hat  (s.  §  33). 

Der  Charakter^)  des  ionischen  Rhythmus  wird  als  weichlich  und 
schlaff  bezeichnet,  doch  kommt  der  Gegensatz  des  steigenden  und  des  fallen- 
den lonikers  auch  im  rid-oq  zur  Geltung:  die  Anakrusis  giebt  dem  Rhyth- 
mus mehr  Schwung  und  Erregung. 

66.   1.  Als  Grundformen  der  ionischen  Füsse  gelten: 

z  -  w  w   und   w  w  z  - . 

Die  selteneren  Nebenformen  entstehen  durch  Zusammenziehung  der  beiden 
Kürzen  oder  durch  Auflösung  einer  Länge: 


oder  auch  beider  in  Verbindung  miteinander,  z.  B. 


K^KJ    _      _  ^      Z.    <^<jt 


Beide  Längen  zugleich  aufzulösen  war  nicht  üblich;  auch  die  molossische 
Form  war  nur  selten  (Sapph.  fr.  57). 

Eine  irrationale  Länge  (§  7)  statt  der  einen  Kürze  giebt  dem  ioni- 
schen Fusse  die  Formen: 

z.  B.  Aeschyl.  Suppl.  1021 :  n€Qiratov\Ta$  naXaiov. 

1030:  ToSs  ix€iX(a\aovxBg  ovSag. 

Vgl.  Pers.  950.  Aristoph.  Ran.  328.  336.  346.  Thesm.  107.  116,  117.  123. 

2.   Zum  Kolon  vereinigen  sich  entweder  zwei  oder  drei  lonici;   ein 

Megethos  von  vier  ionischen  Füssen  tiberschreitet  den  zulässigen  Umfang 

der  diplasischen  Kola  (§  13): 

j.^Kj^j.-^'^]  .       (a  maiore. 

/  dimeter  lon.  j  ^ 
wwz_v^wz_j  (a  mmore. 

z-wv^^-wwz_wwi  ,       Ja  maiore. 

,  ,  ,      (  tnm.  lon.  J 

wwz-ww^-wwz-)  (a  mmore. 

Die  katalektischen   Kola  aus  fallenden  lonici  ersetzen  die  beiden 
Arsissilben  des  letzten  Fusses  durch  zweizeitige  Pause  (s.  §  8  u.  15): 

die  aus  steigenden  lonici  ersetzen  die  zweite  Länge  des  letzten  Fusses 
durch  Dehnung  der  vorhergehenden  zum  xpoi'og  retQciar^nog  oder  durch  zwei- 
zeitige Pause: 

v>  o»  j.  —  w  w  lJj  oder  v-/w^_wwz  a. 


*)  Aristid.  p.  37  M.  iiayixdg  &k  &ia  to  tov 
^v&uov  (fOQTtxoy,  i(f  bi  xat  ol  ^liavEq  ixo)- 
fiiüOijBfjaay.  —  Schol.   Heph.  p.  190  /«wv« 


eiai  rd  iüirixti.  —  Caes.  Baas.  p.  274  K. 
ionican  uno  fABiZovoq  aptutn  .  .  .  moUibus 
versibus.    Mar.  Vici  p.  90  K. 

47* 


740 


E.  Metrik,    o)  Metrik  der  Griechen. 


Auch  im  Inlaute  der  steigenden  lonici  ist  Ersatz  der  zweiten  Länge  durch 
Dehnung  zulässig,  z.  B. 


\-/    w 


Ky    \j    J.    ^ 


v^vlIj       wv^2._vyvyZ7^ 


Aesch.  Pers.  70  ^Ad-afiav-riiog  ''EXkag.  ib.  72  ^vyov  äfi-(pißaXciv  avx^'vi  noiTov. 

67.  Eine  besondere  Eigentümlichkeit  des  ionischen  Versmasses  ist  die 
sogenannte  Anaklasis,  bei  welcher  eine  kurze  Silbe  mit  der  vorhergehen- 
den langen  ihren  Platz  vertauscht,  zunächst  beim  ZusammentreflFen  zweier 
Füsse 


rein:  wv^-i  —  wwjl—  \^kj±^^^±'k 

anaklastisch:   ^v^^w-^-^z«  wo^v^-v^^ä" 

(fTVYeQiov  TihXoi  %6d*  ad-Xov  noXewv  %   dvaardtreig 

oder  mit  anderer  Form  der  Eatalexe  ^  ^  ±  ^  ±  ±  ngodixotg  Urgeiimg  (Ag. 
451),  (fv  d^  avxd  fi  atT«r^  ( Arist.  Vesp.  303).  Hier  findet  für  den  Eintritt  der 
irrationalen  Silbe  des  zweiten  Fusses  ein  Ausgleich  im  ersten  statt. 

Aber  auch  im  Innern  des  Fusses  gestatten  die  freier  gebildeten  loniker 
den  Umtausch  von  Länge  und  Kürze,  so  dass  für  den  lonikus  a  maiore 
ein  Ditrochaeus,  für  den  lonikus  a  minore  ein  Diiambus  eintritt  l 


-i    —    ovyJl—    ^^v-/ 


JL    ^    KJ    KJ    J.    ^    7^ 
Z    w    «    v-»    Z    -    A 


... 


... 


\y    \^    JL    ^    \j    \j    J, 


v^       .. 


—     V-/     W     JL      _ 


'^    y^    JL    ^    \j    ^    \j    ^ 
v-«wJL_vy<^Z7f 


lonici  a  maiore. 

6S.  1.  Aus  fallenden  lonikern  sind  akatalektische  und  katalektische 
Trimeter  gebildet  worden  von  Sappho  (fr.  54.  53),  beide  mit  Zulassung 
der  Anaklasis: 


I.^\jkjI.\j^\jJ.^    ä 


nXt^Qtjg  /t^r  itpairsv^*  d  (fsXdva. 
Die  letzteren  führen  den  Namen  ÜQa^iXXeia  (Heph.  p.  36.  Schol.  Heph.  191). 
Den  akatalektischen  Tetrameter  hat  Sappho  fr.  76.  77.  78.  (Heph.  p.  37.) 
2.  Das  gebräuchlichste  Metrum  in  fallendem  ionischen  Rhythmus  ist 
das  Sotadeion,^)  so  genannt  nach  dem  Alexandriner  Sotades,  dem  Haupt- 
vertreter der  liovixol  Xoyoi  (Athen  XIV  p.  620  c). 

Der  sotadeische  Vers  ist  die  Verbindung  zweier  ionischer  Dimeter, 
eines  akatalektischen  und  eines  katalektischen,  also  ein  katalektischer  ioni- 
scher Tetrameter.  Er  wird  mit  grosser  Freiheit  im  Gebrauche  der  Auf- 
lösung, Zusammenziehung,  Irrationalität  und  Anaklasis  behandelt.  Der  Ein- 
schnitt nach  dem  ersten  Kolon  gilt  zwar  als  Regel,  wird  aber  häufig  nicht 
beobachtet.     Reine  Form: 


l.-.\j\^J.^\^\j\J.^'<j^^J.'^'K 


^HqtiV  noTb  (faaiv  Jia  |  lov  %eQnix€Qavv6v,     Sotad.  b.  Heph.  p.  37. 


»)  Hephaest.  p.  36  W.  Schol.  Heph.  p.  192.  Cae8.  Bass.  p.  255.  Mar.  Vict.  p.  131. 


2.  Die  Metra  der  Griechen.  (§  67—69.)  741 

Der  Ditrochäus  kann  an  1.,  2.  oder  3.  Stelle,  auch  an  1.  u.  2.,  an  1.  u.  3., 
an  2.  u.  3.  zugleich,  ja  an  1 .,  2.  u.  3.  Stelle  gleichzeitig  eintreten.  So  er- 
geben sich  folgende  Formen: 


b,  Z     —  WV^_tW     —    C7 

C,  Z    —  wwZ—ww 

d.  Z^s^  —     CJJLv^     —    v^ 

9,  Zw  —   nUZ    —    w>^ 

f,  Z       —  WV-fZW       —       W 


Z    -    w    v^     Z    ii 


-1     -     W    W     Z    irf 


Z    W    -    W    Z    irf 


J.     -    K^    KJ    J.    b^ 


-1    w    —    w    Z    i=f 


^    w    —    w    Z    iii 


^    w    —    w    Z    ^ 


ff.       Zw    —    wZW    —    ^17 

(c)     crciwr  fieXiTjV  Drjhdda  \  de^iov  xar   cDfiov.     Sotad.  bei  Heph.  p.  11. 

(f)  €x  ÖBVÖQOipoqov  (pdqayyoq  \  i^kwas  ßgovTfjv.     Athen,  p.  XIV.  621. 

(g)  (fagxixov  ydq  €1%^  XQ^'^^  \  ^^*  ^^  ihQfA   ofioiov.   Schol.  Heph.  p.  190  W. 
3.  Das  Kleogxaxsiov  (Heph.  p.  36  W.)  ist  ein  akatal.  Dimeter,  der 

Anaklasis  zulässt:  z  -  w  w  |  z  —  oder  z  w  -  w  |  z  —  mit  regelmässiger 
Zusammenziehung  an  2.  Stelle:  r(g  rrjv  vigirjv  vfidv  \  iipotprfi*;  iyd  nivwv. 
Er  bildete  wahrscheinlich  das  Glied  grösserer  Systeme,  wie  sie  Laevius  und 
Varro  als  Vorbild  dienten. 

lonid  a  minore.^) 
69.  Der  anakreontische  Vers,  das  beliebteste  Metrum  der  erotischen 
und  sympotischen  Dichtung  (Heph.  p.  40),  ist  ein  akatalektischer  ionischer 
Dimeter,  welcher  gewöhnlich  Anaklasis  hat.    Seine  beiden  Formen  sind  also : 

wwZ-wwZi£     und     wwZw    —    wZ^ri 

Er  erscheint  bei  Anakreon  noch  als  Glied  eines  Systems,  z.  B.  fr.  62  tpiq 
vdiog,  g>€Q'  oivov^  w  nat^  \  (p€Q€  i*  dvO-efievvtag  rjfilv  \  (Sxsipdvovq^  iveixovy 
o)q  6ij  I  TTQog  ^'Egtara  nvxTaki^Wy  in  reiner  Form  fr.  63,  11  vnonivovxsg 
€v  vfiroig.  Ebenso  bei  den  Dramatikern  z.  B.  Arist.  Thesm.  104  rm  iai- 
fiovwv  6  xwfiog;  mit  irrationaler  Silbe  (§  66,i)  im  2.  Fusse  v.  123  aeßofiai 
AaxiA  %  (irafTiravy  in  beiden  Füssen  v.  111  f.:  x"*!?*  xai,ki\(fTaig  äoiiaTg. 
Vgl.  Eurip.  Cycl.  495  flf.  —  In  der  späteren  Zeit  gelten  die  einzelnen  Kola  als 
selbständige  arixoi,  so  z.  B.  in  den  sog.  Anakreontea,  wo  die  Schlusssilbe 
anceps  ist  und  andere  Freiheiten  im  Versbau  einreissen.  Anakreont.  2  B. 
ciye  ^(ayqdipmv  aQKfTe,  \  kvgixrjg  axove  fiovarjg  xtL  —  Über  das  Verhältnis 
des  anakreontjschen  Verses  zu  dem  Hemiamb.  s.  §  58. 

Aus  dem  anakreoDtischen  Verse  bildet  sich  in  der  bvzantiiuschen  Zeit  der  achtsilbige 
politische  Vers,  der  die  Rücksicht  auf  Prosodie  aufgiebt  und  den  Wortaccent  auf  der  vor- 
letzten Silbe  fordert:  ei  nXeianexis  ttfÄaQjtjuicg  \  jocavTaxig  vmax^^rju  \  anwfx^ff^M  ^ijs  ««- 
xiag  u.  8.  w.    (BoissoNADE,  Anecd.  Gr.  III  p.  456  ff.);  vgl.  Anacreont.  38.  39  B. 

Der  katalek tische  Dimeter  in  reiner  Form  (Heph.  p.  40  W.)  wurde 
von  Timokreon  (fr.  6)  gebraucht: 

2ix€Xdg  xofiipog  dvqg  woz-wwz?^ 

ttotI  rdv  fiaväg'  itpa,  wwZ-ww^a 

Mit  irrationaler  Silbe  im  Anlaut  (§  66,i)  und  Auilösungen  erscheint  er  als 
Schlussglied  bei  Aristophanes,  z.  B.  Thesm.  106.  119.  125: 

iaffiovag  ix^t  (fsßitfai  «^wot«wwza 

y^Qccg  legov  ngoffägwv  ^  ^^  ^  kj  \j  j.  a 

iiavsvfiata  Xagittav  ^  ^  zc^ww  ±  ä 

0  Heph.  p.  37  sq.  W.    Schol.  Heph.  193.  Mar.  Vict.  p.  93  K. 


742  £•  Metrik,    c)  Metrik  der  Orieohen. 

Der  akatalektische  Trimeter  findet  sich  in  stichischer  Anwendung 
teils  rein,  teils  mit  Anaklasis  bei  Sappho  (fr.  87.  88)  und  Anakreon  (fr. 
50 — 54),  z.  B.  %i  (A€  IJaviiovig,  w  ^'gavva  xsKdtav;  mit  anlautendem  Düambus 
(§  67,2)  bei  Alkman  fr.  83.  84: 


v-»_v-/—  vyvy     —     _  V^W___ 


nsQiacov  *  cit  ydq  *Än6XX(av  o  yivxrjog 
und  (anaklastisch)  bei  Sappho  fr.  59 

^^a7t(poi,  Ti  tdv  noXvoXßov  UfpQoiiTav. 

Der  katalektische  Trimeter  bei  Anakreon  fr.  55: 

Jiovvaov  aavXat  BaaaccQldsg. 

Der  katalektische  Tetrameter  i)  heisst  wegen  seines  Gebrauchs  in 
den  Gesängen  des  Kybelekults  fitjTQtiiaxov  oder  yaXhapLßmxov  f^er^v.  Er 
besteht  aus  einem  akatalektischen  und  einem  katalektischen  Dimeter  und 
gestattet  die  Anaklasis  in  beiden  Gliedern,  ebenso  Auflösung  und  Zu- 
sammenziehung in  grosser  Freiheit.    Grundform: 


FaXXai  fijjTQog  oqsirfi 


g>iX6d'VQ(Toi  dQOfiddeg. 


Einen    in    stichischer    Wiederholung    von     Anakreon    gebrauchten 
brachykatalektischen  Tetrameter  führt  Hephaestio  (p.  39  W.)  an: 


v^^s^__  vywL-ivy    —    »^    —    V-/—     — 


HsydX((i  J'  r^vrä  fJL  ^Egtog  ixotpsv  mavs  xaXx€vg.     fr.  47. 

70,  Längere  hypermetrische  Perioden  und  Systeme  (g  20)  werden 
aus  reinen  Dimetern  und  ccvaxXcifievoi  gebildet.  Ursprünglich  herrschte 
innerhalb  derselben  Synaphie  (§  18),  so  bei  Alcm.  fr.  85,  bei  Ale.  fr.  59  B. 
und  seiner  Nachahmung  bei  Horaz.  c.  III,  12,  wo  zehn  ionische  Füsse  zu 
einem  Hypermetron  vereint  sind;  bei  Anakreon  fr.  41.  42.  43.  51.  62.  63. 
65  und  im  Paean  des  Isyllos,  der  xard  TtsQioQiafiovg  dviaovg  (§  28)  von  je 
6 — 13  Füssen  gegliedert  ist.  Auch  die  katalektischen  Dimeter  bei  Timo- 
kreon  fr.  ü  werden  als  Glieder  einer  Periode  zu  gelten  haben.  —  In  der 
späteren  Zeit  lockerte  sich  das  Band  der  Periode  und  die  einzelnen  Kola 
erschienen  als  selbständige  (Sxixoi^  s.  §  69. 

71.  Die  kleineren  Strophen  der  Lyriker  und  Dramatiker  sind 
eigentlich  nur  Systeme  von  einfachem  Bau,  die  zwei-  oder  mehrmals  wieder- 
holt werden.  Hierher  gehört  das  oben  erwähnte  dekametrische  System  des 
Alcaous  (fr.  59),  welches  antistrophisch ^)  wiederkehrte;  ebendahin  die  vier- 
gliederigen  Strophen  des  Anakreon  fr.  43  und  62  (s.  §  69);  die  kleinen 
Strophen  in  der  Exodos  von  Aeschylos'  Supplices  v.  1018  =  1026,  1022  = 
1031,  1053  =  1058;  die  drei-  und  viergliederigen  im  Musenlied 3)  bei  Arist. 
Thesm.  102  flf.,  welche  mit  katalektischem  Dimeter  schliessen,  z.  B.  v.  111  ff.: 

XCUQS  xaXXiaxaig  doiiaTg,  ^wz_c7w_i_ 

(PoTß\  iv  8vpL0V(Saiai  riiiaig  ^wz-^wz- 

yäQCCg   ISQOV    TtQO^b'QCOV.  v^wv!^j_wwJ.Ä 

Vgl.  auch  Vesp.  291  =  304  (Parodos). 


0  Heph.  p.  38  sq.  Schol.  Heph.  194. 
Caes.  Bass.  p.  261  K.  Mar.  Vict.  p.  95  K. 
Terent.  M.  v.  2890.    Diom.  p.  514. 

')  Dass  hier   eine  antistrophische  Ent-      Gliederung  d.  Kom.  p.  88. 
sprechuDg  stattfand,  sagt  unzweideutig  Heph. 


71.   not  'fi.   p.  67  W. :    tjfieis  —  xard  o)[iCiv 
avTo  (rö  ifOfxa)  yeyQttg)9ai  (pafABy, 

')  Vgl.  über  die  Responsion.  Zielimski, 


2.  Die  Metra  der  ariechen.  (§  70-73.)  74 


o 


Die  späteren  Griechen  bildeten  aus  (meist  6)  Anakreonteen  und  (meist  2)  ionischen 
Trimetern  die  sog.  oixoi  und  xovxovha.    Vgl.  Schol.  Heph.  p.  158. 

Die  grösseren  Strophen,  welche  sowohl  die  Tragödie  als  die  Ko- 
mödie bietet,  haben  zwar  als  Grundelemente  auch  die  ionischen  Dimeter 
und  Trimeter,  doch  treten  zu  diesen  noch  andere  Glieder  hinzu,  namentlich 
als  proodische  oder  epodische  Bestandteile,  z.  B.  der  choriambische  Tetra- 
meter Soph.  O.R.  483  flf.: 

Jsivd  (ihv  ovVy  deivd  tcqi^^si  (fo(p6g  omvo&ttaq 
ovv€  doxoinT'  ovt'  and  [<^6jij$]  '  ort  Xb^üh  d*  änoqfa, 
7T£T0fim  d'  iXnlaiv  eh'  ivd-dd'  oQtov  eh'  oniaw, 

fj  rq)  üoXvßov  vetxog  ixeit';  ovrs  nccgoid-ev 
noT*  iymy'  ovtc  %d  vvv  noa  u.  s.  w. 
In    einigen    Strophen    des   Dramas    treten   die    Tonika    nur    als    nebenge- 
ordnete Bestandteile  auf,  wie  Aesch.  Ag.  691  =  709.   744  =  757.   Soph. 
Phil.  1175.  0.  C.  212.  El.  1058. 

73.  Die  loniker  waren  ein  beliebtes  Mass  in  den  Liedern  des  Dionysos-, 
Demeter-  und  Eybelekults,  wurden  aber  frühzeitig  schon  im  Hyporchem, 
im  Trink-  und  Liebesliede  angewendet,  so  von  Alkman,  Alkaios  und  Sappho, 
besonders  aber  von  Anakreon ;  dem  letzteren  schloss  sich  die  spätere  sym- 
potische  und  erotische  Lyrik  an,  welche  die  SifieTqa  avaxXoifieva  bevor- 
zugte, ein  bis  in  die  späteste  Zeit  vielbeliebtes  Mass. 

Von  dem  Gebrauche  der  loniker  in  der  Chorlyrik  zeugen  Pindar  fr.  189 
und  203,   Simonides  fr.  32.  37.  53,   Timotheos  fr.  12.  14.  Telestes  fr.  5.») 

Das  Drama  gebrauchte  sie  in  dionysisschen  Gesängen  und  Liedern  orgia- 
stischen  Charakters,  z.  B.  Eurip.  Bacch.  64  flf.  370.  519.  556.  Arist.  Ran. 
324  (Tanzlied  des  Mystenchors)  Eur.  Cycl.  495  (Trinklied)"  und  in  weh- 
mütigen Klageliedern,^)  sowohl  chorischen  als  monodii^hen  (Aesch.  Pers. 
C5.  81.  102.  648.  959.  Choeph.  323.  789.  Soph.  O.R.  483;  Phil.  1170.  Eurip. 
Suppl.  42  flf.  55  fif.).  / 

Allgemeines:  Boeckh,  M.  P.  p.  153  ff.  —  G.  Hermani^  Elem.  p.  421  ff.  438  ff.; 
Epit.  §  402—444.  —  Rossbach-Wkstphal  III»,  p.  290-333.  4  Westphal  P  616.  661  ff. 
690  ff.  11*  152.  155.  207.  222.  864.  —  Diwdobp,  De  metris  poei  scen.  p.  57  ff.  —  Christ^ 
458-508.  —  J.  H.  Schmidt,  Kunstformen  IV,  469.  580.  —  Heimsüth,  De  versuum  ionicorum 
mcnsura.  Bonn  1871.  —  L.  Tichelmakn,  De  versibus  ionicis  a".  minore  ap.  poetas  gr.  ob- 
viis.  Regim.  1884.  diss.  —  ü.  v.  Wilamowitz,  loniker  bei  d.  LyH^em  in:  Fhilol.  Unter- 
suchungen IX,  p.  19  ff.  u.  125  ff.  (Berl.  1886).  \ 

Einzelne  Versarten:  C.  Lachmann,  De  versibus  Sotadeis  etc.  Ind.  lect.  Berol. 
1849.  50.  =  Kl.  Sehr.  II,  67  ff.  —  Guil.  Velkb,  De  metrorum  polyschematistorum  natura 
atq.  legibus.  Gott.  1877.  diss.  —  U.  v.  Wilamowitz,  Die  Galliamben  des  Kallimachus  u. 
Catull.  Hermes  XIV,  194  ff.  —  Fr.  Hanssbn,  Accentus  gramm.  in  roetr.  anacreontico-  et 
hemiambico  quae  sit  vis  et  ratio  expHcatur.  Philologus.  Suppl.-Bd.  V,  p.  197  ff.  —  West- 
phal IIP  1,  p.  86  ff.  über  die  Anakreonteen. 

Paeone  und  Kretiker.^) 
73.   Der  päonische  Fuss  besteht  aus  fünf  Chrono!  [^  ^  ^  ^  ^)^  ist 
also  ein  Ttsvrdtrr^fiog  novg.    Er  zerfällt  in  eine  dreizeitige  Thesis   und  eine 

*)  Vgl.    Wilamowitz,    Philol.    Unters.   !   rorr^,  a)X  iy  jots  ^QrjytjnxoTg. 


IX,  p.  141  ff. 

*)  Schol.  Aeschyl.  Prom.  128  6  ^v^/äo^ 
'AvttXQBovxeiog  i<ni  xBxXaa^ivog  jiQog  to  &Qrj' 
ytjtixoy  ....  ixQ^y^o  de  avioig  ovx  iy  nayti 


^)  Aristid.  p.  38  sq.  Dionys.  de  comp, 
c.  25.  Heph.  p.  40  W.  Schol.  Heph.  p.  125. 
196  ff.  Mar.  Vict.  p.  96  sq.  K. 


744 


E.  Metrik,    c)  Metrik  der  Oriechen. 


zweizeitige  Arsis  ( w  w  w  [  w  w  oder  w  w  |  w  o  w ) ;  das  Verhältnis  der  Takt- 
teile  ist  also  3  :  2  oder  2  :  3,  ein  koyog  r;fii6kwg,  der  päonische  Rhythmus 
gehört  demnach  dem  y^'^'^Q  rjfiiohov  (genus  sescuplex)  an,  s.  §   11. 

Durch  Zusammenziehung  zweier  Chronoi  von  den  fünf  entstehen  fol- 
gende vier  Fussformen: 

-  w^^paeonL,  ^  -^^paeonlL,  ^^-  w  paeon  IIL,  ^^^  -paeonIV. 
Die  gewöhnliche  Form   des  Fusses  ist  aher  diejenige,  in   der   die   beiden 
ersten  und  die  beiden  letzten  Chronoi  durch  je  eine  lange  Silbe  ausgedrückt 
sind,  wobei  der  Hauptiktus  entweder  die  erste  odei  die  zweite  Länge  triSL 
Diese  Form  heisst  xgrjTixdg,  amphimacer,    -i  w  _   oder  -  w  ^  .i) 

Andere  Formen  des  fünfzeitigen  Fusses  sind  der  Bakcheios  ^  s  - 
(früher  avrißdxxsiog)   und   der   Palimbakcheios    j.  ^  ^   (früher  ßaxx^Tog 
genannt). 

Der  päonische  Rhythmus^)  ist  enthusiastisch;  er  hat  einen  raschen, 
ungestümen,  ja  feurigen  Gang  und  eignet  sich  für  lebhaften  Tanz.  Der 
Name  naicov  weist  auf  seine  Entstehung  im  Apollodienste  hin,  der  Name 
xQijTtxog  auf  seine  älteste  Pflegestätte.  Von  Kreta  soll  ihn  Thaletas  nach 
Sparta  gebracht  haben.  Dieser,  Xenodamas,  Alkman  (fr.  38),  Pindar  (Ol.  2) 
und  Bakchylides  gebrauchten  ihn  in  hyporchematischen  Dichtungen.  Von 
der  Lyrik  übernahm  ihn  die  Komödie  und  brachte  ihn  häufig  im  Ghorlied, 
zuweilen  auch  im  Einzellied  zur  Anwendung  (Acharn.  971.  Vesp.  1060. 
Pax  1127.  Lysistr.  614).  In  der  Tragödie  finden  sich  kretische  Lieder  nur 
selten  (Aesch.  Suppl.  419  fi^.  Eur.  Or.  1415  fif.). 

74.  Im  päonischen  Rhythmengeschlechte  kommen  Kola  in  der  Aus- 
dehnung von  10,  15  und  25  Chronoi  vor,  also  Dipodien,  Tripodien  und 
Pentapodien;  Tetrapodien  zerlegen  sich  in  zwei  dipodische  Glieder  (s.  §  13). 

Die  gewöhnlichste  Gliedform  ist  die  Dipodie: 

1.  kretisch:  2.  bakcheisch:  3.  palimbakcheisch: 


_1     ^^      _    I    _1     w     _ 


vy 


_   ,  v^     J.     — 


—     -_     v^ 


Die  letzere  wird  gewöhnlich  als  kretisch  mit  Anakrusis  aufgefasst: 


^   -1  w  _    _i  ^ 


Katalektische  Kola  aus  kretischen  Füssen  (s.  §  15,  1)  lauten  auf 
einen  5zeitigen  Spondeus  aus,  z.  B.  xar'  skayo0^i]'QBi^  indem  entweder  Deh- 
nung der  vorletzten  Länge  (l-  -)  oder  Ersatz  der  letzten  Silbe  durch 
2zeitige  Pause  (  -  ^  '^ )  anzunehmen  ist. 

Dieselbe  Unterdrückung  der  kurzen  Mittelsilbe  des  Kretikus  kommt 
auch  im  Anlaute  der  Kola  vor  (vgl.  die  Trochäen  §  49),  z.  B.  Tf-ficov  r^v  r/c 
äiÖQViog  äßcaoiaiv  er  xiL  Arist.  Lysistr.  808  f.    Li--iwv.v.zwv>^^w_. 

75.    1.   Die  gewöhnlichste   Versform  ist   der  akatalektische   kre- 
tische Tetrameter,  der  als  Verbindung  zweier  Dimeter  gelten  muss  und 
infolge  dessen  auch  meist  eine  Cäsur  zwischen  beiden  Gliedern  erhält.    Er 
wird  bei  den  Komikern  auch  stichisch  angewendet,  z.  B.  Arist.  Ach.  976  ß,: 
ctvToiiara  navr*  ayad'ä  \  trpdä  ye  nogi^ftai, 
ovdinoT*  iym  lloXsfiov  \  oixad*  vnoiä^ofiai. 


')  Aristid.  p.  39. 

'^)  Aristid.  p.  88  M.  tovg  iy  i^fAioXito  Xoyip 
dewQovfÄf'yovg  iv^ovaiaaxixta  xiqovg  elvM  av/4- 


ßeßtjxcy.  Strabo  X  p.  480  c.  {avyroywTato^)' 
Anon.  Ambros.  in  Anccd.  Var.  1.  p.  22S{6q6- 
fjiiog,  vnoQXtifJiarixog), 


2.  Die  Metra  der  Griechen.  (§  74-77.)  745 

und  später  von  dem  Alexandriner  Simmias  oft  gebraucht,   teils  ganz  ohne 
Auflösungen  (fr.  4),  teils  aus  lauter  Kürzen  (fr.  6)  gebildet: 
fiSveg  0)  notvia,  xXvd-iy  vvfiyäv  dßgav, 
(fä  mne  Jiog  avd  nvfiata  |  veag^  xoqs  reßgoxf^iov. 

2.  Der  seltenere  katalektische  Tetrameter  dient  meist  als  Schluss- 
vers eines  Systems,  z.  B.  Arist.  Lysistr.  792.  Av.  246: 

3.  Häufig  verbinden  sich  kretische  Kola,  meist  Dimeter,  zu  einer  hyper- 
metrischen Gruppe  (s.  §  20),  welche  teils  mit  einem  vollen,  teils  mit  einem 
katalektischen  GHede  schliesst  (kretische  Systeme),  z.  B.  Alcm.  fr.  38: 

'AfpQodixa  iihv  ovx  |  iaUj  ^idQyog  d*  ^Eqwg  \  ola  naig  naia-isi. 

Zwei  Dimeter  und  ein  Trimeter  sind  verbunden  bei  Aristoph.  Av. 
1069  flf.  h'qnBttt  ts  xal  ddx€%a  \  ndvx^*  offansQ  iCTiv  vn*  dfJiäg  mäqvyog  \  iv 
(fovaig  oXXütai.    Vgl.  Aristoph.  Pax  358=596.  1131=1163. 

76.  Der  Komödie  eigentümlich  sind  die  trochäisch-paeonischen 
Bildungen,  in  denen  trochäische  und  paeonische  Kola  miteinander  zur  perio- 
dischen Einheit  verbunden  werden.  Hierher  gehört  der  trochäisch-paeonische 
Tetrameter,  stichisch  wiederholt  bei  Aristoph.  Lysistr.  1014  flf. 

ovdbv  icxi  x^f]Q{ov  yv|ra*x(>^  dnaxdxeqov 
ovdh  nvQ  ovd*  (od*  ävaiir^g  ovdefita  noQiaXig. 

Die  kretischen  Kola  gehen  voran  und  ein  trochäisches  folgt  nach, 
z.  B.  bei  Arist.  Pax  351  flf.: 

dXX'  dnaXdv  dv  fi'  Tdoig  xal  noXv  vamvsQov  drtaXXayävra  nQayfJidvfov. 

77.  Die  päonischen  Strophen  sind  nur  selten  aus  reinen  Kretikern 
gebildet,  meist  mischen  sich  kretische  und  trochäische  Glieder;  oft  bilden  die 
Kretiker  nur  eine  oder  mehrere  Perioden,  während  die  anderen  trochäisch 
sind.  —  Die  Bestandteile  sind  der  kretische  Dimeter,  teils  akatal.,  teils 
katalektisch,  und  der  Trimeter;  ferner  die  trochäische  Tetrapodie  (Dimeter) 
mit  irrationalen  Arsen.  Meist  verbinden  sich  sowohl  kretische  als  trochäische 
Glieder  zu  hypermetrischen  Perioden;  Cäsur  zwischen  denselben  ist  häufig, 
aber  nicht  notwendig;  die  Auflösung  triflft  im  Kretikus  häufiger  die  zweite 
Länge,  die  Trochäen  meiden  sie.  In  antistrophischer  Responsion  steht  Päon 
I  und  IV  dem  Kretikus,  und  beide  einander  gegenüber,  zuweilen  auch  die 
trochäische  Dipodie  dem  Kretikus. 

Rein  kretisch  sind  Aesch.  Suppl.  418=423  (Hypermetron  aus  vier 
Dimctern),  Arist.  Ach.  665=692;  nur  als  Epodika  treten  Trochäen  hinzu 
Arist.  Vesp.  1275=1284.  Ach.  971=988.  —  Trochäisch-päonisch  sind 
Lysistr.  781=805,  1043=1059=1188=1204.  Equit.  303=382.  Ach.  204= 
219,  284=335.  Pax  346=582. 

Aesch.  Suppl.  418  flf.:  tpQovxiaov  xal  yevov  navdlxwg  \  svtfeßrjg  nQo^evogJ 
tdv  (fvydda  pirj  ngoi^g  \  %dv  l'xad-sv  ixßoXatg  |  iv(T&äoig  oQfiävav. 

Bei  Pin  dar  Ol.  2  geht  den  Paeonen  eine  Anakrusis  voran  und  Lo- 
gaoeden  bilden  den  Schluss.  M.  Schmidt,  Über  den  Bau  der  Pindar.  Strophe 
misst  die  paeonischen  Takte  folgendermassen : 


746 


E.  Metrik,    o)  Metrik  der  Griechen. 


w     Z    w    - 


W     — 


?^    A    _      Jf.    w    - 
7^    A    —      _£.    w  v>^ 


^  .  o  v^-^y 


^      W  v>^^ 


Z.     w     _ 


±      \J  ^^-<^^ 


^     v^    _    v^  vy    _     Z    vy    — 


LU 


JL     \J  v-*^ 


Z    w    _ 


7^    w    « 


-1   w   ^ 


^    v^  v>v> 


r  9 


J.    \J    ^      Z.    <J     v>k-»  vy     _ 


z  w  — 


Jl   \^   _ 


ijjroi  //«'(Xa  I  n^iv  Jiogy  '0\i,vfiniäia\i'  i\  aiaasv  *H\Qaxlärfi  j  äxfa&i\va  rrolsfLov. 
&rj\Q(ova  d^  T€\tQao(}{ag  \  ivexa  vi\xag)6Qov  \  y€y(o\vT^€OV  o\mv  dixa$\ov  ^e'vmv, 

BoECKH,  M.  P.  p.  141  sq.  —  G.  Hebxann,  Eiern,  p.  191  sq.  506  ff.  Epit  §  195  sq. 
445  sq.  -  Wbstphal  I*.  617  ff.  649.  660.  696.  736.  II«,  846  ff.  —  J.  H.  Schmidt  IV. 
497  ff.  —  Christ'  384'  ff.  ~  M.  Schmidt,  Pindars  olymp.  Siegesgesftnge.  Jena  1869.  p.  LIII 
u.  Bau.  d.  pindar.  Stroph.  Leipz.  1882  p.  18.  p.  53.  —  W.  Bbambach,  Rhythm.  Unter 
suchungen  (1871)  p.  153  ff.  —  ti.  Klotz,  De  numero  dochmiaco  p.  9  ff.  —  M.  Seligbb,  De 
versibus  creticis  s.  paeonicis  poetarum  graec.  Regim.  1885.  (diss.).  —  K.  Stbioeb,  De  versäum 
paeon.  et  dochm.  ap.  poetas  gr.  usu  ac  ratione  p.  I.  Lips.  1887.  Progr. 

IL  Die  zusammensetzten  Metra« 

78.  Ein  Metrum  heisst  zusammengesetzt,  enKfvv&ecov,^)  wenn  es 
in  sich  Kola  verschiedener  rhythmischer  yei^r]  vereint,  insbesondere  dak- 
tylische und  trochäische  oder  anapaestische  und  iambische  (s.  §  21).  Es 
ist  hierbei  gleichgültig,  ob  das  daktylische  oder  das  trochäische,  ob  das 
anapaestische  oder  das  iambische  Glied  vorangeht. 

Die  Kola,  welche  sich  zu  iniavvd'STa  verbinden,  sind  dieselben,  welche 
früher  bei  den  daktylischen,  anapaes tischen,  trochäischen  und  iambischen 
Versmassen  aufgeführt  wurden.     Vor  andern  aber  kommen  in  Betracht 

von  daktylischen:  die  akatalektische  Tetrapodie,  die  akatalektische 
und  die  katalektische  Tripodie  (s.  §  32); 

von  anapaestischen:  die  Tetrapodie  sowohl  in  akatalektischer  Form 
als  besonders  in  der  des  Paroimiakon  (s.  §  42); 

von  iambischen:  die  Tetrapodie  und  die  Hexapodie  in  ihren  beiden 
Hauptformen  (s.  §  57); 

von  trochäischen:  die  katalektische  Tetrapodie  und  die  brachy- 
katalektische,  das  sog.  Ithyphallikon  (s.  §  49  f.). 

Die  Auswahl,  die  metrische  Gestaltung  und  die  periodische  Verbindung 
dieser  Gliedformen  ist  mancherlei  Verschiedenheiten  unterworfen.  Einen 
hervorragenden  Unterschied  bewirkt  die  verschiedene  Behandlung  der  tro- 
chäischen (resp.  iambischen)  Elemente.  Diese  werden  teils  mit  vorwiegend 
oder  durchweg  reinen  Arsen  und  grosser  Freiheit  in  Auflösung  und  An- 
wendung der  Katalexis  gebildet,  teils  regelmässig  mit  irrationalen  Arsen 
(s.  §  50  u.  57),  seltenen  Auflösungen  und  grosser  Beschränkung  der  Kata- 
lexis. Die  erste  Klasse  der  Episyntheta  wird  als  Daktylo-Trochäen, 
die  zweite  als  Daktylo-Epitriten  bezeichnet. 

Die  Daktylo-Trochäen. 

79.  Der  erste,  welcher  Kola  verschiedener  rhythmischer  ytvv^  mit- 
einander verband,  war  Archilochos.*)  Er  Hess  bei  dieser  Verbindung  jedem 
einzelnen  Elemente  die  Freiheiten  des  Versschlusses.  Daher  nennen  die 
Neueren   diese   archilochischen  Systembildungen,   wenn  zwei  Kola  in  eine 


')  Heph.     Schol.   p.  206,1*  W.     imavy-   1    diavXXaßwy  xai  XQiavXXdßiov,  vgl.  p.  201  sq. 
f^sroy  «ff  ro  ix  dutfpoQioy  Tiodtjy  avyxeifjisvoy   ,  '^)  Heph.  p.  47  W. 

(IcvibKpioytoy    itXXtjXois    xatd     rrjy    noaorrjrcc   \ 


2.  Die  Metra  der  Griechen.  (§  78—80.)  747 

Zeile  geschrieben  werden,  asynartetische  Verse,  s.  §  18.  Über  die  wahre 
Bedeutung  des  Namens  s.  §  23.  Von  den  Episyntheta  des  Archilochos  sind 
folgende  nachzuweisen: 

1.  Das  anapaestische  Paroimiakon  und  das  trochäische  Ithy- 
phallikon:  'EgatTfiordr]  XaqiXae^  XQV/^^  ^^*  yäXoiov.  fr.  79.  80  B: 

2.  Der  iambische  Trimeter  und  die  katalektische  daktylische 
Tripodie,»)  fr.  89  B: 

€Q€(a  xiv'  vfiTv  alvovy  ci  KrjQVxidrjy 
äxw^iärrj  (fxvTCcXr]. 

3.  Der  daktylische  Hexameter  und  der  iambische  Dimeter, 
fr.  84  B,: 

nenagfiävog  di'  otfräcav. 

4.  Der  iambische  Trimeter,  die  daktylische  Tripodie  und  der 
iambische  Dimeter,^)  vgl.  das  unvollständige  fr.  85: 

dkkd  fi    o  XvaifJLeXrjg^  o)  \mQ€,  idiAvatat  nod-oq 
und  vollständiger  Horaz  epod.  11,  PetH^  nihil  me  sicut  antea  iuvat  Scribere 
versiculos  amore  percussum  gravi, 

5.  Der  .archilochische  Vers^)  (d.  h.  daktylische  Tetrapodie  und  Ithy- 
phallikon)  und  der  katalektische  iambische  Trimetef,  z.  B.  fr.  103 
(vgl.  fr.  100.  114.  115): 

ToTog  yccQ  ipiXvtrpcog  igwg  vno  xaqdirjv  iXvad-slg 
TioXXtjv  xat'  dxXvv  ofifxdTtov  ^xsvsv. 

Episyntheta  ähnlicher  Art  oder  geradezu  Nachbildungen  der  archi- 
lochischen  Systeme  finden  sich  bei  Anakreon  (fr.  87),  Simonides  (fr.  187 
=  Anthol.  XIII,  11),  Anthol.  XIII,  28,  Kritias  (fr.  3),  bei  Kallimachos 
(ep.  41),  Theokrit  (epigr.  17.  18.  20.  21.),  Horaz  c.  I,  4.  epod.  13.  14. 
15.  16,  Ausonius,  Prudentius. 

6.  Einen  ausgedehnten  Gebrauch  von  den  daktylo-trochäischen  Bildungen 
machte  die  Komödie.  Hier  erscheint  das  nqoaodiaxov  inoqxw^'''^^^  (ana- 
paest.  Prosodiakos  *)  und  katal.  iambischer  Dimeter,  vgl.  §  79,i),  z.  B.  Arist. 
Vesp.  1528  flf. 


C7     _i  v>^  _  V>s-^  _    ^     Z     W     _     Vy 


(TTQoßeiy  naqdßai,v€  xvxX(f  \  xai  ydatqi>aov  aeavxov. 

Ferner  die  spondeisch  auslautende  daktylische  Tetrapodie^)  mit  dem  Ithy- 
phallikon  (sog.  i^dfisTQov  nsqnvoavXXaßäg  s.  n.  5)  bei  Kratinos  fr.  211. 
325  K.  in  stichischer  Anwendung: 

XcciQ€T€  TidvTsg  wtoi  7toXvß(oTov  \  Tiovtfav  2sQig>ov. 

80.  Gegenüber  dem  einfachen  Bau  der  archilochischen  Systeme  erhob 
sich  die  Hyporchemendichtung  zu  kunstvolleren  Bildungen.  Belege 
bieten   die  Bruchstücke  von  Pratinas  (fr.  1)  und  Pindar  (fr.  84)   und  die 


')  Ileph.  p.  23,48,  71,r2  W. 
•")  Heph.  p.51,6  W. 
3)  Heph.  p.  21.  23.  50. 


*)  Heph.  p.  48. 
5)  Heph-  p.  51.2  W. 


748  B*  Metrik,    o)  Metrik  der  Griechen. 

Tanzlieder  bei  Aristophanes  (Lysistr.  1247.  1279.  1297.  Av.  737.  Pax  775. 
Ran.  675)  und  Euripides  (Bacch.  576.  Cycl.  356  flf.  608  flf.). 

Die  ältere  Einfachheit  zeigt  noch  Alkman  fr.  1: 

M&a*  ays^  M(S(fa  Xiyeia^  noXv^iiei^g 
aUvdoids  fxäXog 
veoxfiov  aQxe  nagträvoig  äeiiev. 

Die  spätere  Kunst  zeigt  umfangreichere  Systeme  aus  wechselvolleren  Gliedern, 
zwar  sind  es  immer  noch  dieselben  Elemente,  besonders  die  tetrapodi- 
schen,  aber  bald  durch  zahlreiche  Auflösungen,  bald  durch  gedehnte  Längen 
variiert:  in  den  trochäischen  und  iambischen  nur  sehr  selten  irrationale 
Arsen  und  Katalexis  gewöhnlich  nur  am  Schluss  der  Verse;  in  den  dakty- 
lischen nicht  selten  Spondeen,  in  den  anapaestischen  mehrfach  Prokeleus- 
matiker;  als  alloiometrische  Glieder  besonders  Logaoeden.  Es  sind  Tanz- 
weisen voll  Feuer  und  Lebendigkeit  und  reich  an  scharfen  Kontrasten.  Vgl. 
Arist.  Lysist.  1279  flf.  (Anfang): 

Ilqoaays  XOQOV^  ^nays  re  xaqnaq^  \  im  il  xaXsaov  ^A^efiiv. 
€711  dh  iiivfiov  ayBaixoQOV  ^itjiov  \  €v(pgov'y  im  d^  NviTioVy 
og  fxsTcc  Matvaai  Bdxxt^og  ofi^aai  daletai^ 
/lia  x€  nvgl  (pXeyofievov^  im  re  \  novnav  aXoxov  oXßiav, 
€?ra  6i  dai'iAOvag^  olg  impaQtvtfi  \  XQ^^fofied-*  ovx  imXrj(ffio(f$v 
rfivxiccg  nhqi  rrfi  fieyaXoygovog^     \     r]v  inoirfS%  &€d  Kvjtqig^ 

81.  Auch  die  Tragödie,  insbesondere  die  spätere,  hat  von  der  Ver- 
bindung trochäischer  und  iambischer  Gliedformen  mit  daktylischen  und  ana- 
paestischen Gebrauch  gemacht;  seltener  Aeschylos  (Eum.  526.  Sept.  778. 
Prom.  159.  425)  und  Sophokles  (El.  21—192.  0.  R.  167.  Trach.  497). 
häufig  Euripides,  der  die  Daktylo-Trochäen  mit  grosser  Vorliebe  in  seinen 
Chorliedern  —  selten  monodisch  —  anwendet. 

Die  iambischen  und  trochäischen  Kola  sind  meist  tetrapodiscfa, 
seltner  hexapodisch,  meist  mit  reiner  Arsis,  oft  mit  Katalexis  im  An- 
laut, Inlaut  und  Auslaut  und  ohne  Beschränkung  in  den  Auflösungen 
gebildet;  die  daktylischen  und  anapaestischen  vorwiegend  Tetrapodien, 
seltner  Hexapodien  und  Tripodien,  mit  Vorliebe  für  die  dreisilbigen  Fuss- 
formen. 

Soph.  El.  164  o)  185.    Vgl.  des  Verf.  Cantica  d.  Soph.  Trag.  p.  43. 
dXX'  ifiii  ^^1»  0  noXvg  dnoXkXoiTi€V  r^-dr^ 
ßiotog  dvkX'TiiatoVj  ovS*  et'  (xq-xw, 

drig  arsv  lexkwv  xaiardxofiai^ 

ccg  (fiXog  ovrig  dvt^Q  vneqicxccTai^ 

dXX*  dneQsi  %ig  ^noixog  drcc^ia 

oixovofido  d'aXdjiovg  naxQog  o)6€  fitv 
dfi'Xfi'  avv  aroX^j 
xoivdg-  6*  i^'ictctfxca  XQant-^ag, 

Eurip.  Hipp.  1119  (ry^llSl). 

OvxtTi  ydg  xaO-aqdv  (fQsY  ^x^  ^^  tt«^'  iXmSa  AfiWwr, 
e.Tfl  tov  'EX-Xaviag  \  ifavsQiovaxov  dcttq    UO^d-vag, 

tiöoixev  ix  nccxQog  oqydg  |  dXXccr  in*  ai'av  linsvov. 


2.  Die  Metra  der  Griechen.  (§  81-83.) 


749 


0)  xpdfiad-oi  noXiTjudog  äxvSg  \  iQVfiog  r'  oQeiog^  Ox^i  xvvciv 
(üxv7i6i(av  fAsva  -OrjQag  MvaiQBv  |  Jixvvvvav  dfitpi  atii^rav. 

Vgl.  Eurip.  Ale.  86  =  98.  112  =  122.  266.  903  =  920.  Andr.  135=  141. 
274  =  284.  294  =  302.  Med.  204.  990  =  996.  Hipp.  1102  =  1111.  Hec. 
923  =  933.   El.  476  =  486. 

Die  Daktylo-Epitriten. 

83.  Diejenige  Klasse  der  Episyntheta,  bei  welcher  die  trochäischen  und 
iambischen  Glieder  die  irrationale  Form  der  Basen  (-^  — ,  —  ^-) 
zur  Regel  machen,  heissen  Daktylo-Epitriten.  Die  irrationale  Form  des 
Ditrochäus  und  des  Diiambus  wird  nämlich  von  den  Metrikern  als  Epitrit 
bezeichnet,  ^  v^  -  -  als  inlxQixog  dsvvsQog^  -  z  ^  -  als  iniTqnog  tqizog^ 
indem  das  Verhältnis  des  reinen  Fusses  zu  dem  irrationalen  wie  3  :  4 
angesetzt  wird,  obwohl  (s.  oben  §  12)  die  irrationale  Länge  nicht  den  Wert 
einer  zweizeitigen  Silbe  hat,  sondern  zwischen  dem  fiovocfjfiog  und  diariiiog 
XQovog  die  Mitte  hält.  —  Da  diese  Gliedformen  aber  rhythmisch  dem  dipla- 
sischen  yav'og  zugehören  und  nur  der  metrischen  Gestalt  nach  aus  Epitriten 
bestehen,  so  können  sie  bis  zum  achtzehnzeitigen  fitye^og  ausgedehnt  werden. 
Es  giebt  also  epitritische  Monometer,  Dimeter  und  Trimeter. 

2.  Epitrite.  3.  Epitrite. 


-1  w  —  — 


J.   \y 


J.    w 


Z    ^ 


—    _l    w    — 


v^ 


V-' 


J.    w 


V-'     _ 


vy 


W     -. 


Bei  den  trochäischen  Gliedern  ist  die  übliche  Form   im  Perioden- 
Schlüsse  die  katalektische: 


Z    w    _    A 
Zw--Zw-A 


dagegen  tritt  inlautende  Eatalexis  nicht  oft  ein;  öfter  die  brachykatalek- 
tische  Formation.  Auflösung  ist  von  den  epitritischen  Reihen  fast  ausge- 
schlossen. —  Neben  ihnen  erscheinen  die  daktylischen  Glieder  in  koordi- 
nierter Stellung,  am  häufigsten  die  spondeisch  auslautende  und  die  katalek- 
tische Tripodie: 


Zv-'v-/_v^v-/-.ii 


Zwv>-.ww    —    7^ 


seltener  die  Tetrapodie  und  Dipodie  in  der  nämlichen  Formation: 
die  erstere  auch  mit  daktylischem  Auslaut  und  in  brachykatalektischer  Form : 

^v-/w_*^vyLij—    TT, 

Die  anapaestischen  Glieder  sind  seltener  als  die  daktylischen.   —   Als 
alloiometrische  Kola  werden  vornehmlich  Logaoeden  gebraucht. 

83.  Die  Verse  setzen  sich  meist  aus  zwei  oder  drei  Gliedern  zu- 
sammen, nicht  häufig  sind  sie  tetrakolisch  und  pentakolisch,  zuweilen  aber 
bildet  ein  Kolon  auch  selbständig  einen  Vers.  Die  häufigsten  Versformen 
sind  folgende  : 


750  ^*  Metrik,    o)  Metrik  der  Qrieohen. 

1.  Zweigliedrige: 

zww_wv^_-  I  zw_^  iyxtafiUoloYixdv  ^)  genannt,  z.  B.  Find. 
Ol.  6,  15  ovTs  naq    avdqMiv  otn*  iv  vaval  xoikaig. 

«Zw-  I  -zow^v^w^  ta/ißäXsyog^)  genannt,  z.  B.  Soph.  Ai. 
179:  ?;  xaXxoO-dqa^  coi  %tv*  *£vvaXiog. 

zw__|    jLv^o-oo^T^^z.  B.  Find.  Pyth.  3,  1  ijx^eXoy  XsiQmva 

zww_ww  —  I  JL  ^  —  -tv^^,z.  B.  Find.  Fyth.  1,  25  ocaa  ii 
fjir  7i€(pikr]x€  Zevg^  drv^ovtai  ßoav. 

■!-  ^ J-  ^ I   -tww-wwi:^A,z.  B.  Find.  Fyth.   1,  IXqvaia 

y^oQfiiY^,  *An6Xk(ovog  xai  lonXoxafiwv. 

2.  Dreigliedrige: 
jLww_ww__|jLo«_|j^v^w«wv-^^  nXaviovixov  ^)  genannt, 

z.  B.  Find.  Ol.  3,  1  Tvvdaqidaig  zs  ^iXo^elvoig  adeXv  xakhnXoxafnp  &'  ^EXävtf, 
Zw«-   I   zww-ww__   I   zwvfjZ.  B.  Find.  Ol.  8,  1  iiavsq  a 
XQV(fO(fT€(pav(ov  ääd-Xcov  OvXvfinia. 

± \   jL  Kj  Kj  ^  Kj  yj  —   1-^^  —       ^^-,z.  B.  Find.  Fyth. 

3,  2  sl  xQ^fiv  Tovd'*  äfi€xäqag  and  yXwaaag  xoivov  ev^aaS-ai  inrog. 

Doch  giebt  es  ausser  diesen  Kombinationen  zahlreiche  andere.  Nie- 
mals aber  erscheinen  die  daktylo-epitritischen  Verse  in  stichischer  Anwen- 
dung, sondern  sie  bilden  ste^  die  Teile  eines  grösseren  oder  kleineren 
Systems  oder  einer  Strophe  und  zwar  meist  in  kunstvollerem  (trichotomi- 
schem  s.  §  27)  Aufbau. 

84.  Der  Charakter  der  daktylo-epitritischen  Strophen  ist  gemessener 
Ernst  und  feierliche,  würdevolle  Ruhe;  alle  Aufregung  und  Leidenschaft- 
lichkeit widerstrebt  ihm.  Sie  eignen  sich  daher  besonders  als  Dichtforra 
für  die  ernsteren  Gattungen  der  chorischen  Lyrik:  Hymnen,  Paeane,  Enko- 
niien,  Epinikien  und  Dithyramben. 

86.  Zuerst  tritt  diese  Strophengattung  bei  Stesichoros  auf,  jedoch 
ist  er  nicht  als  ihr  Erfinder  zu  betrachten,  sondern  hat  sie  wahrscheinlich 
aus  der  Nomendichtung  übernommen.  Ihr  Hauptvertreter  ist  Findar,  der 
sie  in  seinen  Epinikien  mit  besonderer  Vorliebe  anwendete  (Ol.  3.  6.  7.  8. 
10.  12.  Pyth.  1.  3.  4.  9.  12.  Nem.  1.  2.  5.  8.  9.  10.  11.  Isth.  1.  2.  3.  4.  5.), 
aber  auch  sonst  häufigen  Gebrauch  von  ihr  machte  (fr.  57.  99). 

Seltener  treten  sie  bei  Simonides  auf  (fr.  7.  8.  17.  57.  65  f.  70  f.), 
dagegen  sehr  häufig  bei  Bakchylides  und  bei  den  Dithyrambikern 
der  älteren  Zeit  und  einigen  der  jüngeren  (Melanippides,  Fhiloxenos  und 
Telestes).  —  In  der  Tragödie  kommen  sie  nur  in  einzelnen  Fällen  zur 
Anwendung,  und  zwar  nie  in  Monodien,  sondern  stets  im  Chorliede,  bei 
Aeschylos  nur  im  Prometheus  (526  ff.  887  flf.),  bei  Sophokles  nur  Ai.  172  ff. 
(Farodos),  Trach.  94  ff.  (Parodos),  0.  R.  1086  ff.  (Paean),  Tereus  frg.  530  flf., 
häufiger  bei  Euripides  Andr.  766  flf.  1009  flf.  El.  859  flf.  (Siegespaean),  Med. 
410  flf.  627  flf.  824  flf.  976  flf.  Troad.  794  flf.  Rhes.  224  flf.  —  Die  Komödie, 
welcher  der  ernste  Charakter  der  Daktylo-Epitriten  widerstrebte,  gebrauchte 


')  Heph.  p.  51,10,  nach  dem  es  aus  einer 
daktylischen  und  einer  iambischen  Penthemi- 
meres  zusammengesetzt  sein  soll. 


'^)  Heph.  p.  51,19. 
3)  Heph.  p.  52,2. 


2.  Die  Metra  der  Griechen.  (§  84-^85.)  751 

8ie  nur  in  Parodien  auf  bekannte  lyrische  Dichtungen,  z.  B.  Eq.  1264  ff. 
Nub.  457  ff.  Vesp.  273  ff.  Pax  775  ff.  Eccl.  571  ff. 

Find.  Ol.  3.  str. 
Tvvdaqdaiq  T€  y>iXo^€ivoig  ädetv  xaXhnXoxdiKiy  ^*  'Ekävif 
xXeivttv  ^Axgayavra  ysqaiQfov  evxofAai, 
GiJQtorog  ^OXvfimovixav  vfivov  oQ&oiaaig,  äxafiavronodwv 
Ittticov  acoTov.    MoXaa  d'  ovtod  noi  naqtata  fioi  veoaCyaXov  avqavxt  XQonov 
JwQÜp  (piovav  ivagjuio^m  nediXfp, 


J.  «^>s^  —  «^>s^  —     —      I      J.    <J     ^     —.  J.  «^>s^  -_  ^w-^^  ^ 


JL  y.^^  —  v>^>  —       I       _     Z     vy     i:^ 


I 

Eurip.  Med.  627  ff. 

"EgwTeg  vnhq  [lUv  ayav  cX^otTeg  ovx  €vio^(av 

ovd'  äqexdv  nagädtoxav  ävdqaatv  *  €l  d*  aXig  iXx^oi 
KvTtQig^  ovx  aXXa  'd'cog  evxccQig  ovtfog, 
firjnoT*,  0)  dätfnoiv'j  in'  ifioi  xqv(Sä(üv 
To^cov  iifshfi  tfxeQCi)  x^iVracr'  atpvxTOV  ol-arov. 


V-J 

J-  V>^   —  v>s^ 

— 

— 

_/ 

V-' 

— 

— 

_/ 

\J 

JL    V^N^    —    «fc>S^ 

— 

\^ 

_/ 

w^> 

— 

^w-^^ 

— 

- 

J.       W       _        _ 

_/ 

\^^ 

— 

<^-N^ 

— 

— 

-£.    v^    _    -_ 

J_ 

v>^^ 

— 

'^^S-' 

— 

^^ 

-i      v^      _      — 

J_ 

vy 

_ 

_ 

_/ 

^s^ 

_ 

_ 

RhythnÜBche  Messung.  Wie  leicht  uch  auch  die  Bestandteile  der  daktylo-epitri- 
tischen  Strophen  in  den  meisten  Fällen  erkennen  und  sondern  lassen,  so  herrscht  doch 
über  den  rhythmischen  Wert  sowohl  der  einzelnen  Füsse  resp.  Dipodien  als  auch  der 
Glieder  (Kola)  eine  bis  heute  noch  nicht  zum  Austrag  gebrachte  Meinungsverschiedenheit. 
BoECKH  setzte  den  Spondeus  im  Epitrit  dem  Trochäus  an  Zeitwert  und  Gliederung  voll- 
ständig gleich  und  den  Daktylus  dem  ganzen  Epitrit,  ebenso  den  Schlussspondeus  der  dak- 
tylischen Tripodie  _w->_  «wv-»        -ww-- 

2   1  >«/i  »/i  3  »/t  »/a       3  »/«  »/t  3   3. 

G.  Hermann  setzte  (nach  seiner  späteren  Auffassung)  den  Spondeus  im  Epitrit  4zeitig  an, 
den  Trochäus  3zeitig,  also    -    ^    -    >    2122;   Rossbacb  in  seiner  Rhythmik  mass: 

-       w     -     -  2    IV2     2    2; 

die   zweite   Auflage    der  RossB.-WESTPHAL'schen  Metrik  (1868)  stellte   S.  609  ff.   folgende 
Messung  auf: 

T        T        "T^       "TT"        4        4 
Sic  fasst  also  den  Trochäus  und  den  Spondeus  im  Epitrit  beide  als  vierzeitig  und  gleich- 
wertig mit  dem  Daktylus  auf,   ebenso  den  Tribrachvs  als  Vertreter   des  Trochäus;   den 
Spondeus  am  Schluss  der  daktylischen  Tripodie  durchweg  als  Szeitig;  genauer: 

2    112   114    4      Vs^/s^/s 
Der    Trochaeus    behält    demnach    seine    rhythmische    Gliederung    als    diplasischer    Fuss, 
kommt  aber   an   Zeitdauer    dem    vierzeitigen    Daktylos    gleich,    d.   h.    ist  ein 
xQoxaTog  TetQctcrjfÄog.  —  Auch  Christ  spricht  sich   für  Ausgleichung   der  Einzel ffisse  aus 

und  drückt  dieselbe  nach  J.  H.  Schmidt  durch  Anwendung  des  Zeichens  l_    w    für    den- 
Trochäus  aus. 

Grössere  Schwierigkeiten  macht  die  Frage  nach  dem  Zeitwerte  der  einzelnen  Kola, 
insbesondere  der  daktylischen  Tripodie.  Dass  der  beständige  Wechsel  von  dipodisch 
gegliederten  Epitriten  und  tripodischen  Daktylen  eine  dem  Charakter  der  Strophengattung 
widersprechende  Unruhe  hervorruft,  ist  nicht  abzustreiten,    und  die  Annahme  der  tetm- 


«/8*/3       2     2 


752  ^'  Metrik,    c)  Metrik  der  Griechen. 

podischen  Messung  der  daktylischen  Tripodie  liegt  daher  sehr  nahe  nnd  ist  deon  anch  tod 
Westphal  mit  vollster  Konsequenz  durcngefOhrt  worden.  Aber  wie  bequem  auch  die  Sadie 
sich  stellt  für  die  spondeisch  auslautende  Form  der  Tripodie  -ovy-ww—  «^  welche 
sich  durchwegalsbrachykatalektischeTetrapodie  auffassen  lässt:  ^  w  w  .  w  ^  lIii^i^  so  be- 
denklich ist  es,  die  trochäisch  schliessende  Tripodie  derselben  Messung  untenraordnen,  da  die 
kurze  Silbe  dann  als  4zeitige  Länge  gelten  mOsste;  und  nicht  viel  weniger  anstfiedg  er- 
scheint die  Auffassung  der  katalektischen  Tripodie  -ww.wv^_  als  Tetrapodie  ia 
den  Fällen,  wo  Pause  nicht  zulässig  ist,  sondern  Dehnung  der  letzten  Länge  zum  oxTaefjfios 
angenommen  werden  mtisste. 

A.  BoECKH,  Über  die  Versmasse  d.  Pindaros.  Berlin  1808 ;  De  metris  Pindaii  Lips. 
1811.  p.  105.  268.  280.  -  G.  Hermann,  De  metrorum  quorundam  mensura  rhythm.  Ups. 
1815.  De  epitritis  Doriis.  1824  (=  Opusc.  II,  105sq.  111,83);  Eiern.  D.  M.  p.  6i4  sq.  6988q. 
—  R.  Westphal,  Metrik  IP,  553-706.  I»,  p.  134  ff.  285  ff.,  III»,  1,  p.  256  f.  337  f.  365. 
Aristoxenos  p.  145  ff.  —  W.  Bbroeb,  De  Soph.  versibus  logaoed.  et  epitrit,  Bonn  1864. 
p.  41  sq.  —  J.  H.  Schmidt,  Kunstformen  II,  p.  80  ff.;  IV,  477;  453  ff.  —  M.  Schmiot. 
Pindars  Olymp.  Siegesgesänge.  Jena  1869.  p.  I— LXXXIY.  —  W.  Beambach,  Rhythm. 
Untersuchungen.  Leipz.  1871  p.  17  und  Rh.  Mus.  XXI,  232-52.  —  F.  Voot.  De  metris 
Pindari  in:  Dissert.  argent.  IV,  p.  203  I.    De  continuatione  rhythmi  in  sirophis  doricis. 

IIL  Die  gemischten  Metra  (Logaoeden). 

86.  Ein  Metrum  heisst  gemischt,  fiixTov,  wenn  es  Füsse  verschie- 
dener ytrrj  in  demselben  Kolon  vereinigt,  insbesondere  trochäische  und  dak- 
tylische, iambische  und  anapaestische,  z.  B.: 

z^>^_v^zw  -wjj.  _  jiov  xvQsT  ixtoniog  (fvO'slg  6  TidtTfov; 

oder: 

-  z^^-*.^-  w  s  Kj  1  _         sida(fAOV€g  ot(n  xaxmv  äy€VCTog  cciiov. 
Die  moderne  Metrik  bezeichnet  alle  diese  gemischten  Bildungen  mit  dem 
gemeinsamen  Namen  Logaoeden  (§  14). i) 

Die  rhythmische  Einheit  innerhalb  der  x£i,a  fuxTÜ  wird  dadurch  her- 
gestellt, dass  die  zweisilbigen  und  die  dreisilbigen  Füsse  in  zeitlicher  Aus- 
dehnung einander  gleichgestellt  werden,  indem  der  XQ^'^'^^  nqmxog  im  drei- 
silbigen Fusse  durch  verschiedene  aymyi]  (Tempo)  eine  etwas  kürzere  Zeit- 
dauer erhält  als  im  zweisilbigen.  Der  Daktylos  bleibt  also  ein  Daktylos 
seiner  Gliederung  nach,  ebenso  der  Anapaest  ein  Anapaest,  aber  beide  stehen 
dem  zeitlichen  fuyed^og  nach  den  zweisilbigen  Füssen,  dem  Trochäus  resp. 
Jambus,  gleich.  Wenn  der  Trochäus  als  dreizeitiger  Fuss  die  Messung 
2  +  1  hat,  so  hat  der  ihm  gleichwertige  Daktylos  {Sdxrvlog  tQtafjuog)  die 
Messung  1^/2  +  ^/4 +  ^,4  und  der  Anapaest,  der  dem  Jambus  gleichsteht,  die 
Messung  ^'4  +  ^/4  +  l\'2. 

Anmerkung.  Die  heutzutage  am  meisten  verbreitete  Auffassung  der  Logaoeden 
ist  die  von  Apel  (Metrik  §  138.  ()(>4)  lierrühreudo,  von  Fr.  Bellermann  nachdrQcklich 
empfohlene,  wonach  der  als  kyk lisch  bezeichnete  Daktylos  dem  dreizeitigen  Trochaeus 
gleichwertig  gilt  und  die  Messung  erhält:  l'/«,  '/-«»  1»  so  äass,  wenn  die  letzte  Kürze  des 
Daktylos  unserem  Achtel  entspricht,  die  Länge  einem  punktierten  Achtel,  die  erste  Kürae 
aber  einem  Sechzehntel  gleichsteht. 

87.  Der  Umfang  des  gemischten  Kolons  überschreitet  nicht  das 
hexapodische  fieyex^og,  es  giebt  also  logaoedische  Dipodien,  Tripodien, 
Tetrapodien,  Pentapodien,  Hexapodien.  Innerhalb  dieser  Gliedgrössen 
ist  je  nach  der  Stellung  und  Zahl  der  dreisilbigen  Füsse  eine  grosse  Menge 
von  verschiedenen  Formen   möglich;   jedoch   gilt   es   als  eine  wesentliche 


^)  Schol.  Heph.  p.  lG3,is  W.  Aoyttoi^ixtt  ravra  xakettai,    an  6  fiiv  dttxrvXog  aoidoiq 
IU€(XXoy  ininjdeiosj  6  oi  rgox^tos  XoyoyQ«(foig, 


2.  Die  Metra  der  Grieohen.  (§  86—88.)  753 

Beschränkung,  dass  die  dreisilbigen  Füsse  innerhalb  desselben  Kolon  nicht 
durch  zweisilbige  getrennt  sein  dürfen;  dagegen  können  sie  ebenso  gut  die 
ersten  Stellen  des  Kolon  einnehmen,  wie  die  folgenden,  nur  den  letzten 
Fuss  bildet  der  Daktylos  nicht,  ausser  in  den  sogenannten  äolischen  Dak- 
tylen, welche  richtiger  zu  den  Daktylen  gerechnet  werden  (s.  §  36). 

Nach  der  Zahl  der  dreisilbigen  Füsse  unterscheidet  man  fxixtd  mit 
einem  und  mit  zwei  oder  mehreren  Daktylen.  Die  Glieder  mit  einem 
Daktylos  heissen  entweder  logaoedisch  schlechthin  oder  werden  mit  beson- 
deren Namen  als  Glykoneen,  Pherekrateen  u.  s.  w.  bezeichnet;  die  Glieder 
mit  mehreren  Daktylen  nennt  man  äolische  Daktylen  (§  36),  wenn 
nur  der  erste  Fuss  kein  Daktylos  ist;  wenn  dagegen  die  Daktylen  den 
Anfang  des  Kolon  bilden,  logaoedische  Daktylen.^)  Die  Zahl  der  Dak- 
tylen wird  durch  Zusätze  wie  JtQog  ävotv,  nqog  tqiaiv  {SuxxvXoiq)  bezeichnet. 

88.  Auch  in  den  logaoedischen  Reihen  kann  sowohl  im  Auslaute  als 
im  In-  und  Anlaute  Ersatz  für  eine  oder  mehrere  Arsissilben  durch  Deh- 
nung oder  Pause  eintreten.  Die  Katalexis  der  Schlussarsis  ist  bei  den 
thetisch  anlautenden  Kola,  gerade  wie  bei  den  trochäischen,  sogar  zur  vor- 
wiegenden Form  geworden,  z.  B. : 

J.  v-^o»  _v^Zvy    —    A  Zv^_  \^K^  JL    \y    ^    A 

Vgl.  Soph.  Ant.  332  f.     noXXcc  %d  deivd  xovdiv  dv-d-qdnov  deivoteqov  ntXti, 
Aber  auch  anakrusische  Formen  mit  Katalexis  sind  üblich,  z.  B.: 

vgl.  Ant.  615  d  ydg  noXvnXayxrog  iX-nig,   ib.  336  x^Q^^  nsQißqvxioi-atv, 

Auch  brachykatalektische  Formen,  d.  h.  solche,  bei  denen  die 
beiden  letzten  Arsen  unterdrückt  sind,  sind  nicht  selten,  z.  B.: 

Soph.  Ai.  194    dXX^  avay    e^  ÜQdvcoVy  onov  fxaxQa^'tav. 

Katalexis  im  Inlaute  ist  sowohl  bei  thetischen  als  bei  anakrusi- 
schen  Reihen  möglich,  z.  B.: 

_iv^L_       jL  ^  ^  A  (o  ^tvoi  al-i6(pQ0V€g  Soph.  0.  C.  237. 

zv^i—      lL       _  a  0)  naXd/iiai-  ^viy-Tdor  Phil.  177. 

w  z  w  L_       _i  ^^  -  ^EQoog  dvi'xa%s  fidxav  Ant.  781. 

v^  -t^^i—       -^  w  -  oQU  •  Tig  ixQ    rjV;  nov  xvqsT;  0.  C.  117. 

Nach  der  ersten  Thesis  tritt  sie  meist  nur  bei  anakrusischem  An- 
laut ein: 

vy  Li     ^  w  z  v^  _  ig)dv-&t]g  n(n\  o)  XQ^^^'^Q  Ant.  103, 

selten  bei  thetischem  Anlaute  der  Reihen: 

lL        _^^z  w  _  a  t-(o  y^rtai  ßQOTcSv  0.  R.  1186. 

Li        -v^Li       _  A  ovMv  ^laxuQi-J^w  0.  R.  1195. 

Katalexis  der  anlautenden  Arsis  (Anakrusis)  kommt  öfters  vor 
im  Inlaute  einer  periodischen  Verbindung,  z.  B.  Ant.  785: 

(foiT^g  vnsQ-novxiog  iv-  ^*  dyQovofioig'  av^Xatg, 
Solche  Bildungen   gehören   zu  den  asynartetischen  (§  23),  ebenso  wie 

')  Heph.   p.    25    Xoyaoidixa    xaXovfisya       daxrvXovg  l/ft,  reXBvtaiay  d^  JQox«iXfjy  av- 


(faxTvXixdf   iineQ  iy  fjihv  ittTg   äXXMg  j^to^aig 


^vyiccy. 


Handbuch  der  klun.  AltertumswiBBenflcbaft.  IL    2.  Aufl.  4^ 


754 


E.  Metrik,    o) 


der  Qriechen. 


diejenigen,  bei  denen  die  auslautende  Arsis  des  ersten  Gliedes  nicht  dartb 
eine  Sprachsilbe  ausgedrückt  ist,  z.  B.  Soph.  Phil.  687: 

Die  Auflösung  der  Thesis  wird  in  den  dreisilbigen  Füssen  —  mit 
sehr  seltenen  Ausnahmen  —  gemieden;  im  Trochäus  und  lambus  ist  sie 
mit  Mass  zugelassen,  am  häufigsten  im  anlautenden  Trochäus  (sogen, 
tribrachische  Basis),  z.  B.  Ant.  108: 

if>vydda  ngoigofiov  o^vvegrii    '-^  ^^  ^^^  ^  ^^  «  , 

Die  Zusammenziehung  der  beiden  Kürzen  ist  vom  Daktylos  (resp. 
Anapaest)  ausgeschlossen. 

89.  1.  Während  sich  die  Zulassung  einer  irrationalen  Länge  statt 
der  Kürze  (des  äXoyog  XQ^^'^^  statt  des  ßgccxvg)  bei  den  trochäischen  Massen 
auf  die  geraden,  bei  den  iambischen  auf  die  ungeraden  Stellen  beschränkt, 
haben  die  Logaoeden  eine  grössere  Freiheit. ')  Ausser  den  normalen  Formen 
der  Tetrapodie: 

—  (  ~  j  J,  ^^^  _     C7     Jl    W     _      A 


Z      V^      —      CT      Z   <^^ 


~     -i    vy     —     s^     JL  v>^^  _ 


•^     J.  Vrf*^  _     >w     ^     vy     _ 


finden  sich  auch  die  nicht  normalen  mit  aXoyog  XQ^^  ^^  erster  und  dritter 
Stelle  bei  thetischem  Anlaute  und  an  zweiter  und  vierter  bei  anakrusischeiD 
{anovdeioq  naqu  %a^iv  nqo(sXai.ißav6^i€Vog),^) 


z  —  »  —  z 


-(-) 


\->    JL    v^    _    v^    _£.  v^*«^  _ 


J-    V^N-»    ^      \^       2. 


^y       J.    <A^    _      \^       _t       v-/ 


-(-) 


Freilich  ist  in  vielen  Fällen  die  Messung  zweifelhaft  und  eine  sichere  Ent- 
scheidung über  die  Grenzen  dieser  Freiheit  noch  nicht  gewonnen.  Dieselbe 
Behandlung  erfahren  auch  die  mit  den  Logaoeden  verbundenen  iambischen 
und  trochäischen  Kola  (s.  unten). 

2.  Am  deutlichsten  zeigt  sich  dieselbe  im  ersten  Fusse,  der  ausser 
der  trochäischen  und  tribrachischen  Form  sehr  oft  auch  die  spondeische 
hat,  so  dass  selbst  in  antistrophischer  Responsion  Spondeus  und  Trochäus 
einander  entsprechen,  z.  B.  Ant.  334a)344: 

Toifio  xcd  noXiov  ntgav  od  xai  O-ijQm'  üyQi(ü%*  iO^vtj, 

Die  Freiheit  erstreckte  sich  aber  auch  auf  die  erste  Silbe  des  ersten 
Fusses,  welche  nicht  bloss  durch  eine  Länge,  sondern  auch  durch  eine 
Kürze  gebildet  werden  konnte.  Der  erste  Fuss  konnte  also  nicht  nur  ein 
Trochäus  oder  ein  Spondeus  oder  —  durch  Auflösung  —  ein  Tribrachys, 
sondern  auch  ein  Pyrrhichius  und  ein  lambus,  ja  in  seltenen  Fällen 
auch  ein  Anapaest  sein :  ^) 


_i      _  V>^-»  v> 


»  >  >   V  /» 


Die  Anwendung  des  Pyrrhichius  ist  aber  auf  die  äolischen  und  alexandri- 
nischen  Dichter  beschränkt  und  von  der  dramatischen  Poesie  ausgeschlos- 
sen, vgl.  Sapph.  fr.  45  ciye  6rj  x*^<^  <^'*«  ,««'•  Theoer.  29.  39.  40;  die  des 
Anapaests  ist  der  späteren  Tragödie  eigentümlich,  welche  auch  den  Tri- 
brachys  anwendet.     Eur.  Iph.  T.  1120  fifzaßdXXei  dvada^iovia. 


p.  21  r, 


')  Scbol.  Heph.  p.  211. 

2)  Heph.    p.   55.    57  sq.     Schol.    Heph. 


)  G.  Hebmakn  hat  den  ersten  Fuss  der 


logaoedischen  Kola  Basis  genannt  und  von 
dem  zweiten  Teile  des  Kolons  abgesondert. 
Der  Name  Basis  wird  auch  heute  noch  von 
Vielen  so  gebraucht. 


2.  Die  Metra  der  Griechen.  (§89-90.)  755 

Der  Silbenwert  in  diesen  verschiedenen  Formen  des  dreizeitigen  Fusses 
ergiebt  sich  aus  folgender  Übersicht:  . 


/ 


t 


^  \J  JL  —  K^<^         <J  ^  \J 


2     1  IV2IV2         11   1  IV2IV2  1     2 

Vgl.  Westphal,  Rhythmik.  3  A.  p.  292  flf. 

Der  anlautende  lambus  läset  in  manchen  Fällen  eine  doppelte  rhythmische  Auf- 
fassung zu,  nämlich :  >^  -  oder  w  l1  ^  indem  entweder  die  Kürze  als  Thesis  und  der 
Rhythmus  als  fallend  oder  die  Kürze  als  Arsis  und  die  folgende  Länge  als  dreizeitig,  der 
Rhythmus  aber  als  steigend  betrachtet  wird.  Die  erste  Auffassung  erscheint  notwendig, 
wenn  der  anlautende  lambus  antistrophisch  einem  Trochäus  gegenübersteht,  die  letztere 
empfiehlt  sich  meist  bei  dem  ersten  Kolon  einer  Periode,  z.  B.  Pind.  Ol.  1,  1  "AQi-atov  fuey 
vdtüQf  6  ife  ;jf^rffo?  tti^o^Bvoy  nvQ.     Soph.  Ant.  103  i<pdy'&fjg  nor',  tu  ^Qvaiag  xrX. 

3.  Die  Irrationalität  der  letzten  Arsis  katalektischer  Kola,  besonders 
der  Glykoneen,  kommt  erst  in  der  spätem  Tragödie  vor,  z.  B.  Soph.  Phil. 
1151  xal  TtQWfO-sv  ßsXhfüv  dXxdv.  Eurip.  Hipp.  741  t«$  rjX€XTQO(fasTg  aryng. 
Viele  Fälle,  welche  mit  Unrecht  hierher  gezogen  werden,  finden  ihre  ander- 
weitige Erledigung,  z.  B.  Phil.  177  oJ  naXd^iai  x^vr^-xdv  ist  tetrapodisch 
zu  messen    -i^^i—    ul    -. 

90.  1.  Die  logaoedischen  Gliedformen.  Als  logaoedische  Dipodie 
wird  das  Adonion  -i  ^^  -  -  w  tov  "ASwviv  angesehen,  welches  indess  ebenso 
gut  für  eine  daktylische  Dipodie  gelten  kann. 

Die  logaoedische  Tripodie  erscheint  I.  mit  anlautender  Thesis  als 
Pherekrateion^)  sowohl  akatalektisch  als  katalektisch,  und  wird  je  nach 
der  Stellung  des  Daktylos  als  erstes  oder  zweites  bezeichnet. 

akatalektisch  katalektisch 

1.  z  ^^  «  ^  _  -    imanvkaiai  &rßaiq.        ^  ^^  _  w  _  a    o)  x^^'*«*  O-sai, 

2.  -1  -  _  v^  _  _    i^€VQi]iiaTi  xaiv^,  _i  —  _  n — .  _  a    r^X&tq  ix  7i€QdTU)V. 
II.  mit  anakrusischem  Anlaute  als  logaoedisches  Prosodiakon:^) 

akatalektisch  katalektisch 

1.  —  z  ^^  _  v^  _    El'rjV  od-i  äatiov.  —  z  v^l_-     ^ 

2.  —  .1  w  _  v^>x  —    otrag  KXifüv  i(poQ^.  ^^Y^  noSa  i'eo-juar. 

Das  akatalektische  Pherekrateion  ist  in  den  meisten  Fällen  nicht  als  Tripodie,  sondern 
als  brachykatalektischc  Tetrapodie  aufzufassen,  s.  unten. 

2.  Logaoedische  Tetrapodien  mit  einem  Daktylos  nennt  man  im 
allgemeinen  Glykoneen 3)  und  unterscheidet  nach  der  Stellung  dieses  Fusses 
erste,  zweite  und  dritte  Glykoneen. 

I.   Mit  anlautender  Thesis: 

1.  a.    .'- ^-- -  V-  -  w  -  -  viv  ydq  efioi  fu-Xei  x^qtvaai. 
b.    Zv^_w«w_A             jnaXd-axov  6f.ifidTü)v  ßhXoq, 

2.  a.    z-_v^_w_c7  irj^iO^vfiov  iQiOTog  dvO^og. 
b.    z-_v.^-v-'«A  ®^ißv^  '^^v  TiQOTkQtav  (fdog. 

3.  a.    -i  ~  -  ~  -  ^^^  -  — 

b.    _^  —  -~_^A^_A  yeoTflf  ßdrra  7iavaay((ji. 

II.  Mit  anakrusischem  Anlaute: 
1.    a.    ~  2  v^  -  w  ji  w  >ir  ;^^ i^ora AaxaTov  %'  dxrdv  xoqag. 

b.    ~  -  ^-^  -  ^  «-^       ^  el  fu]  lode  ff  de  na  ^'v^xtog. 


1)  Hoph.  p.  33,5. 

2)  lieph.  p.  48,16  W. 


»)  Heph.  p.  33,9. 

48" 


•     • 


v^        J.       *^      I .    V>^/    . 


t 


756  E.iMetrik.    o)  Metrik  der  Orieohen. 

2.  a.    ^-~-^^-^-  ä  JeiPoTg  xQvmofisva  Xoxoig. 
b.    ^-^^-^^«-^      ^  ansiqaiai,  iixvvoxXtO'^Totg. 

3.  ii2--w^v^-  itixTev  ovih  fiijnore  Xal&a  . 

Die  beiden  katalektischen  Formen  der  anakrusischen  Tetrapodie  (ü, 
1,  b.  2f  b.)  heissen  logaoedische  Paroimiaka. 

3.  Brachykatalektische  Formen  der  thetisch  anlautenden  61y- 
koneen  (I)  sind  den  akatalektischen  Tripodien  ganz  ähnlich  und  heissen 
wie  diese  Pherekrateen;  anakrusische  Brachykatalekta  (II)  ähneln  deo 
anapaestischen  Prosodiaka,  wenn  die  anlautende  Silbe  eine  Länge  ist. 

I.     1.    z^^-wi_       i:fA  Kaaraltag  t€  vä-fjia.      Ant.  1130. 

2.    -^  ^  -^-L--      ^  A  d  navävQTog  mj6(6r.     El.  1076. 

IL     1.        C7  zv^-L_      lL      Vi        o  Jdkiog  €v-yvaMrvog.     Ai.   704. 
Von  den  tetrapodischen   Formen   mit  inlautender    Katalexis  ist 
besonders  gebräuchlich  das  anakrusische  dritte  Glykoneion  in  dieser  Gestalt: 

^Egcog  ävt-xare  (idxccp. 

Dreifache  Katalexis  zeigen  Bildungen  wie  Phil.  117  a>  naldpLm" 
d^vtj'Twv  -t^-^-L_  lL  _  a  (erstes  Pherekrateion)  und  0.  R.  469  rf«-m 
rf'a/i'  l'nov'tai  l1    _  v^  lL    -  a    (zweites  Pherekrateion). 

4.  Von  logaoedischen  Tetrapodien  mit  zwei  Daktylen  ist  bemerkens- 
wert das  zehnsilbige  Alkaikon  (AXxaixov  iexaavllaßov),^)  das  Schluss- 
glied der  alkäischen  Strophe  (s.  §  98,  5): 

±^^  jLs,^  ±  ^  1  -   ofvov  iveixafiävoig  fied'vad'rjv.     Alc.  fr.  35. 

91.   Die  verschiedenen    Formen    der    logaoedischen  Tetrapodie  ent- 
sprechen sich  zuweilen   antistrophisch  oder  bei  stichischer  Repetition  ge- 
wisser Versarten.     So  respondieren  das  2.  und  3.  Olykoneion  mit  einander 
Soph.  Phil.  1124  OD  1147    novrov  ^irög  €ifi]ix6vogcr>^d^vrj   dr^Qdv^  ovg  ScT  ix^t 
(vgl.  ib.  1082  Go  1103.    Eurip.  Phoen.  210  od  222.    Iph.  T.  421  od  439.     1097 
OD  1114  u.  sonst);  das  erste  und  zweite  Paroimiakon  0.   C.  511  go 523  ofioag  S' 
igafAm  nv&b-aO-ai  co  tovtwv  J'  aifd-afgerov  ovSev;  ferner  das  erste  Olykoneion 
mit  dem  choriambischen  Dimetron  Phil.  1 138  cz)  1161   fivgi'  an  aiaxQ(or  dra- 
TkX\Xovd^ colli ^xbvi  lu^dbvog  xQaTv\Y(M)v  (vgl.  Arist.  Nub.  955 od  1030)  und  mit 
dem   iambischen    Dimetron  Anakreon  fr.  21   daniSog  dqxondhaivcnxaXv^' 
fiav   €(T<fi^x(oin6va;  das  erste  Pherekrateion  mit  dem  katal.  iamb.  Dimetron 
Arist.    Lysist.   326  o)  340  vaxtQonoi^g   ßoij-O^co  od  yvvaixag   dv^Qaxstf'Siv ;    das 
anakrusische  dritte  Glykoneion  -  -  ^  l_     _  ^^  _    mit  dem   choriambischen 
Dimetron    Arist.    Vesp.   526  o)  631   rvv    dt   tdr   ix    x^r^fiethQov  cn  ovriciTroxP* 
ov-TO)  xc<0^aQ(jog,     Doch  beschränken  sich  diese  und  ähnliche  Freiheiten  (vgl. 
das  Priapeion,  Kratineion  und  Eupolidoion  §  96)  abgesehen    von  Anakreon 
auf  die  Komödie  und  spätere  Tragödie. 

Anmerkung.  Eine  andere  Auffassung  der  ohenbesprochenen  Glied-  und  Yeis- 
formen  liegt  der  Terminologie  zu  gründe,  die  Ilephaestio  und  andere  Metriker  anwenden. 
Sie  zerlegen  jene  xtuXa  in  ionische  resp.  choriambische  Füsse  und  nennen 

das  1.  (olykoneion  -  ^-^  -  I  ^  -  ^'  -  i  w    ^oQta/ußtxov  ^ixxov 

das  2.  Glykoneion  _    _    _  |^^^  _   w  I  _  w    itovixov  an    iXdaaoyog 

das  3.  Glykoneion  _   w   _  w  |  _  v^^  _  ^  w    iTtixoQittfußixoy  fiixioy, 

d.  anakrus.   1.  Glyk.      ~  -  ^^^'  _   w   _   w    _         tojytxov  and  fisi^oyog. 

^)  Heph.  p.  25.    Mar.  Vict.  p.  lll,8i.  12C,iö  K. 


2.  Die  Metra  der  Griechen.  (§  91—95.)  757 


das  anakrus.  2.  Glyk. 
das  anakrus.  3.  Glyk. 


C/      —      V^      _ 


v>^  w   _  I  -         initüyixoy  an*  iXaaaovog. 

__  J  _  ^ 


initapixoy  ano  fieiCoyog, 

92.  Unter  den  pentapodischen  Logaoedika  sind  die  üblichsten: 

I.  fiopoäaxTvlixa: 

1.  Das  ivisxaavXXaßov  OaXa(xeiov^)    mit  Daktylos  an  zweiter  Stelle: 
±  -  ±^^  ±  K^  ±  Kj  ±  —      X^^q\  ^  XQvaoxäQfag^  ßäßaxta,  xr^Xcov. 

2.  Das  hisxaavlXaßov  2ang>ix6v^)  mit  Daktylos  an  dritter  Stelle: 
-^^-^^^^-w_c7    ipaivstai  fnoi  xrjvog  taog  d-äoKSiv.     Sapph.  fr.  2. 

3.  Das  hdexaavXXaßov  ^AXxdixov^)  mit  Anakrusis  und  Daktylos  an 
dritter  Stelle: 

^  ±  ^  -  ^  ±^^  -  K^  ^    ov  XQ^  xdxoKXi  xZ-vfiov  iniTQänrjv.  Ale.  fr.  35, 

n.  mit  mehreren  Daktylen: 
Das  Praxilleion*)    j.<^  ^^^  j.^^  -  ^  -  ^ 
0}  äitt  T(üv  d^vqCSwv  xaXov  ifißXsnoiaa,     Prax.  fr.  5. 
Bei    den   trochäisch   ausgebenden  unter   diesen   Formen  scheint    die    hexapodische 
Messung  die  ursprüngliche  gewesen  zu  sein. 

93.  Die  logaoedischen  Hexapodien  mit  einem  Daktylos  erscheinen 
als  Erweiterungen  des  Glykoneion  oder  Pherekrateion  und  haben  den  dipo- 
dischen  Zusatz  entweder  am  Schlüsse  oder  am  Anfange,  ersteres  besonders 
bei  thetischem,  letzteres  bei  anakrusischem  Anlaute,  z.  B. 

SovTtoi  xal  noXiccq  ccfxvyficc  xaC-taq,     Soph.  Ai.  633,    vgl.    Phil.    1140. 
1145  (äusserlich  gleich  dem  phalaekischen  Hendekasyllabon). 
ifxoi  ^vvei'i]  Sia  navrog  €V'(pQ(ov,     Soph.  Ai.  705. 
^X^i  filiv  ^AvdQOfiäSa  xdXav  dfioi-ßav.     Sapph.  fr.  58. 
Mit  mehreren  Daktylen  sind  bemerkenswert  die  Formen: 
dvTiTVTii^  ä^  inl  ya  näas  tavTaXco-O^sig.     Soph.  Ant.   134. 
xard  (f^  Taxonevoi  fväXeoi  fieXmv  ndd-av,     ib.  979. 
dyerm  d-eog,  ov  ydq  M^fo   i(x^   twJ'   deiSeiv.     Das  sog.  Archebuleion 
(Heph.  p.  29  W.     Caes.  Bass.  256  K.    Mar.  Vict.  p.  126,9). 

94.  Als  selbständiger  Vers  in  stichischem  Gebrauche  tritt  von 
den  oben  erwähnten  Kola  das  phalaecische  Hendekasyllabon  auf  bei 
Sappho  und  Anakreon,  besonders  aber  bei  den  alexandrinischen  Dichtern, 
vgl.  Kallim.  fr.  73.  Theoer.  ep.  22  Z.  Der  erste  Fuss  ist  spondeisch,  tro- 
chäisch oder  iam bisch;  ein  Pyrrhichius  ist  nicht  nachweisbar. 

95.  1.  Aus  zwei  Gliedern  zusammengesetzt  ist  der  kleinere  askle- 
piadeische  Vers  {^AaxXrjniddeiov):^) 

r]Xd'€g  €x  nsqdrtüv  ydq  iXsifavTivav 
Xdßav  TW  ^i(f€og  xQ^f^oSäTav  ix^'^'*     A.lc.  fr.  33  B., 
der  aus  zwei  katalektischen  Pherekrateen,  einem  zweiten  und  einem  ersten, 
besteht,  die  nicht  immer  durch  Caesur  gesondert  sind. 

2.  Von  ihm  unterscheidet  sich  der  grössere  asklepiadeische  Vers^) 
(2anffix6v  ixxaidexaavXXaßov)  durch  Einfügung  eines  dipodischen  Mittel- 
gliedes von  choriambischer  Form  (katalektische  daktylische  Dipodie): 


*)  Heph.  p.  33,19.    Mar.  Vict.  p.  118,io. 
148,9. 

'-')  Heph.  p.  43,20. 
^)  Heph.  p.  45,9. 


-*)  Heph.  p.  25,19. 
^)  Heph.  p.  d4,t. 
^)  Heph.  p.  35,6. 


758 


E.  Metrik,    c)  Xetrik  der  Griechen. 


V 


_      W     i:^ 


jir^ätv  aXXo  (pvTev-tft^g  TtQotfQov^  66vSqiov  dfinäXfo,     AIc.   fr.  44. 
Beide  kommen  bei  Alkaios  und  Sappho  in  stichischer  Anwendung  und  als 
Strophenelement   (s.  unten   §  98)  vor,   in   alexandrinischer    Zeit    bei   Kalli- 
machos,   Theokrit   28.  30,   Asklepiades   und   in   Nachahmungen    römischer 
Dichter  (CatuII  30.  Hör.  c.  I,  11.  18.  IV,  8). 

3.  Dem  letzteren  ähnlich  ist  das  sogenannte  Alkaikon:^) 


_?.         _  _     *^-A^  t _1    «^>»s^ 


Kavd-vdaxsi^  Kv&SQify  aßgog  *'Aäo}~vig^  ti  xe  d-sTficv: 
bei  Sappho  fr.  62  und  Alkaios. 

4.  Zweigliederig  sind  hingegen  das  Anakreonteion: 


JL  ^^^   _ 


L_ 


({noxosi  d'  dfi^inoXog  fieh-xQor.     Anacr.  fr.  32, 
und  das  ähnlich  gebaute  Sapphikon:^) 


s  >^^^\ 


y^y^>  I 


—  KJ 


dtv%h  viv  a-ßqai  XdqiTsg-  xaXXixoixoi  t€  Mot-acci. 

Sappho  fr.  60.  vgl.  Anacr.  28.  29. 

96.  1.  Zweigliederig  ist  auch  das  Priapeion,^)  das  sich  aus  einem 
Glykoneion  und  einem  Pherekrateion  zusammensetzt  und  nach  der  ver- 
schiedenen Stellung  des  Daktylos  in  beiden  Gliedern  verschiedene  Formen 
haben  kann;  vgl.  §91: 


_      W      _       V>     l ',     J.    V.A-/    _      KJ 


a. 

b,      ji  ~  _  \^>v^  -.  v^  I — 

c. 
d. 


/     .— r 


_  \-^-^  —     «^ 


±      ^      ^   «^^s-» 


Z     C7    _ 


_    *^>N^     _       V^ 


a.  fx  noTafxov  inavtQXOiiai  ndvva  (phQovtXa  kafi-Tigd.     Anacr.   23.*) 

b.  ij-fakko)  TtYjxtidct  tJ*  ifihj  xcofid^ojv  nccid'  d^ßgf^.     Anacr.    17.   3. 

c.  ov  ßkßr^Xog^  o)  TeXexui  %ov  väov  Jiovv-aoiK     Euphor. 

Sticliisch  gebraucht  von  Auakreon  und  andern  Liederdichtern,  auch  in  der 
Komödie  (Eupolis  fr.  159  K.),  beliebt  bei  den  Alexandrinern,  nachgeahmt 
von  den  römischen  Dichtern  (Catull  17).     ^Lusihus  axHum'^ , 

2.  Das  Kratineion^)  ist  aus  einem  ersten  Glykoneion  und  einer  kata- 
lektischen  trochäischen  Tetrapodie  zusammengesetzt,  z.  B.  Cratin  fr.  324  K.: 


I 


I»' 


m    *        ■»' 


Eine  xiaaoxcch    orrorj,  x^^Q  >  ^ifccax    Ex(favi(di^g. 
In  der  Komödie  üblich;  vgl.  Eupolis  fr.  37.  88  K. 

3.  Das  Eupolideion^)   verbindet    ein    drittes   Glykoneion    und   eine 
katalektischc  trochäische  Tetrapodie: 


\-/      Vo^^ 


_       -^      — 


o  (TooifQwv  t€  x'^  xata7Tv\yo)v  a()t(n    rjxovtTdri^v. 

evifqdvccg  vfidg  dnoneiin  |  oi'xad^  cikkor  aXXoae. 
Gleichfalls  der  Komödie  eigentümlich  (Arist.  Nub.  518  ff.  Cratin  fr.  98  K.) 
und  besonders  beliebt  bei  Diphilos  und  Menander. 


')  Heph.  p.  :34,n.  Senilis  1823. 

*-)  Heph.p..*n,r.W.  Schol.  Heph. p.  181,1 2. 

j  Heph.  p.  34,15,  '57,u. 


^)  Heph.  p.  31,10  W. 

••)  Heph.  p.  55,8.  59,7. 

ß)  Heph.  p  59,1 .  Mar.  Victp.  147,7.  145,56. 


2.  Die  Metra  der  Griechen.  (§  96    98.)  759 

4.  Das  iniwvixov  noXvcxriiiofiatov  ^)  besteht  aus  einem  (2.)  Paroimiakon 
und  einem  Prosodiakon: 

—    J.      _    _  ^.^s^  I _         v^    JL    v^    _  v-A^  — 

0}  xakXiaTrj  noXi  Tra-orwr,  wsaq  Kkewr  iifoq^.     Eupolis  fr.  290  K. 

97.  1.  Aus  der  Verbindung  mehrerer  Glykoneen  und  eines  als  Ab- 
schluss  dienenden  Pherekrateion  entsteht  das  sog.  glykoneische  System 
oder  Hypermetron.  In  ihm  sind  die  einzelnen  Kola  durch  Synapheia  (s. 
§18)  mit  einander  verbunden  und  Wortbrechung  zwischen  zweien  nicht  selten. 
Die  Zahl  schwankt  zwischen  zwei  und  sechs  Gliedern.     Anacr.  fr.  8. 

ßovkotfiijv  xtgag  ovr    Heu 


\       c 


nevfr^xovxa  xe  xai  exatov 


TaQTTjacFov  ßaaiXev-aai, 
Bei  den  Lyrikern  wird  es  als  selbständige  Strophe  wiederholt,  besonders  bei 
Anakreon,  bei  den  Dramatikern   als  Strophenteil,  z.  B.  Soph.  0.  R.  1186. 
Phil.  687.  Eur.  Herc.  f.  667  flf.     Arist.  Eq.  551. 

nwq  7iot€y  ncog  no%    afiffinXri^xtiüV  ^o&iwv  fiovog  xXvu)}'^ 
Tiwg  aqa  nccvdctxQVTOv  oS-ro)  ßioxdv  xav€-axsv\ 

2.  Das  Prosodiakon  (§  90)  wird  gleichfalls  in  mehrmaliger  Wieder- 
holung mit  einem  katalektischen  Schlussgliede  in  hypermetrischer  Anwen- 
dunggebraucht, häufig  in  der  Komödie  als  Bestandteil  logaoedischer  Strophen, 
seltner  in  der  Tragödie.     Es  eignet  sich  besonders  für  Prozessionsgesänge. 

Arist.  Ran.  450  ff.  %ov  tjfUhTSQov  T^67roi',JT(Jr  xaXXixoQ(üjaTov\nai^ov%f:g^ 
ov  oXßtmlMoTQM  ^vvdYov-aiv;  vgl.  Eccl.  290  flf.  Av.  1731  flf.  Eq.  1111  flf. 
Pax856flf.  909  flf.  1333  flf. 

Soph.  0.  R.  466  flf.  MQa  vir  ä€XXdS(ov\i7i:7t(ov  a&svaQoksQov  \  (pvy^ 
nodct  roo-^uav.  vgl.  0.  C.   1044  flf. 

98.  Der  Bau  der  logaoedischen  Strophen  weist  eine  grosse  Fülle 
der  mannigfaltigsten  Formen  auf,  die  sich  sowohl  durch  ihren  Umfang  als 
auch  durch  den  Wechsel  der  Grundelemente  und  ihre  Fügung  unterscheiden. 

Die  monodischen  Lyriker  bilden  einfache  Strophen  von  zwei,  drei 
oder  vier  Stichoi;  die  meisten  davon  bestehen  aus  einem  mehrmals  wieder- 
holten Kolon,  dem  ein  etwas  verschiedenes  als  Schluss  (Epodikon)  folgt; 
zum  Teil  fehlt  sogar  dieses  und  alle  Verse  der  Strophe  sind  gleich,  wie  es 
in  Sappho's  Liedern  des  2.  und  3.  Buches  der  Fall  war.  Grössere  Strophen 
bestehen  aus  zwei  hypermetrischen  Perioden,  wie  Anakreon  fr.  1. 

1.  Distichische  Strophen  liegen  vor  in  folgenden  Fragmenten  der 
Sappho : 


JL   ^*.A«>    _      »^      _       _ 


J.  <^>v-/  —  vy   _>   vir 


1  v^/  _   w   -    bi 


_1  WS-»   —     Vy     —     '^ 


OXßt€  ydi^ißqe^  aol  nhv  Srj  ydnog^  mg  aqao^'^) 

€XTfTtX€(XT\  ^x'/S  ^^  ndQd-evov,  av  icQuo.  fr.  99. 

Ilagd-fvia,  naqS-evia,  noX  fi€  Xinoia    dnofxf]', 

oixtii  r^^co  TfQog  <X€\  ovxtri  ^-fw.  fr.   109. 

'}  Heph.  p.  58,17  W.  |  «)  Heph.  p.  57,  W. 


760  £•  Metrik,    c)  Metrik  der  Griechen. 

_£."—,  ^--^-y  I ,      JL  V-A^  l _t  >^>*^   _     v^     ^ 

J.     C7      —   v>^I _i   ^^-^^^ ±    <J<y  _     vy     _ 

iatieax^ai  tfo^iav-  naQ&evov  elq-  oviäva  nw  x^w^i».  fr.  69. 

d.  i.  das  grössere  Asklepiadeion  (§  95,  2)  zweimal  wiederholt. 
Von  Alkaios  gehört  hierher  fr.  55  B.^ 

^^     -i     vy     —      —      ^  y>^<y  ^     <J    lL         — 
V>     Z     V^     _     _     _!  v-/^^  _  wv^lL         _ 

'lonXox    ayva  iieXh^o^isiSe  2d7rg>oi, 
Von  Anakreon  fr.  19.*) 


_L    \^     _  \^/^  —     <J 

J.     _     _  v.^^! J.  v>^^I ^  ^^>«^  _     \.'     _     i£ 


'AQ&fig  di]VT    ano  AsvxdSog 

Tthxqrfi  ig  noXiov-  xvfia  xoXvii-ßw  fu&vcov  ^qtaxi. 
2.  Tristichisch  ist  die  aus  fünf  Gliedern  gebildete  Strophe  des  Ana- 
kreon (fr.  21),  in  welcher  die  §  91    erwähnten  Freiheiten  des  Polyschema- 
tismiis  zur  Anwendung  kommen. 

_t  <^\j  t jL  v>^/  I S.  VA--»  _    vy    JL    v^    _    A 

^    \J    \J   \ J.  Ky<^  _  iridJv^     —     vjZvy     — 

noXkd  fikv  €v~  dovQi  66&€}^  av^kva^  noX}.d  S*  iv  t^xV» 
nokkd  6i  vio^Tov  Cxvxhnß  fidcFTiyi  x^tüfxixd^eig^  xofirjv 
ndybüvd  t'  ixTSTiXfitvog. 

3.  Vi  er  Zeil  ig  ist  die  aus  lauter  logaoedischen  Paroimiaka  bestehende 
Strophe  der  Sappho  fr.  52: 

Jädvx€  ^ir  d  aeXdvva 
xal  IlXrjiadeg^  fiätyai  6^ 

fyo}  J^  fiova  xaTsvSco,^) 

4.  Ferner  die  berühmte  sapphische  Strophe,  welche  aus  drei  sapphi- 
schen  Hendekasyllaben  und  einem  durch  (rvidtpeia  mit  dem  3.  Verse  ver- 
bundenen adonischen  Epodikon  besteht: 


_/ 

w 

— 

w 

1  ^^  ^ 

KJ 

_          V 

/ 

w 

— 

C7 

Z  w^  _ 

W 

—     ^ 

/ 

'k-^' 

— 

vU 

1  ^^  - 

CT 

—     •' 

UoixiXö&QOV    d&dvat*  ^AffQodiTa^ 
71  aT  y/iog^  SoXoirXoxf^  Xiadof-iai  (Tf, 
liTj  {.i    ixacuai  firjt'  ovicciai  Sajura, 

noTvia,  O'V/.iov.  Sapph.  fr.  1. 

Bei  Sappho  (fr.  1.  2.  3.  4.  5.  26),  Alkaios  (fr.  5.  36)  und  späteren 
Nachahmern;  ihrem  Charakter  nach  sanft  und  ruhig  und  für  gleichraässige, 
leidenschaftslose  Seelenstimmung  geeignet. 

5.  Die  nicht  minder  berühmte  alkäische  Strophe  ist  aus  zwei  alka- 


Xaßoy. 


')  Heph.   p.  45,2  4   'JXxatxoy   övDdexaavX-  '^)  Heph.  p.  72,i  W. 


^j  bei  Uepli.  p.  37, 17. 


2.  Die  Metra  der  Oriechen.  (§  99.)  761 

ischen  Hendekasyllaben,  einem  Enneasyllabos  und  einem  Dekasyllabos  ge- 
bildet, von  denen  nur  die  beiden  letzten  in  Synaphie  stehen.  Bei  Alkaios 
fr.  9.  18.  19.  34.  35,  bei  Sappho  fr.  28. 


O"     JL     W     «     vI7     ^  V-A^    .     v^     _ 


\J     J,     ^     ^     \^      J.  V>^/   _     w     . 


vir    Z    <w/    _    O"   jf.    vy 


J.    V-N-»    —    V-/^^    _i      V^      -_       ^ 


'AavväTTjfjLi  TftJr  aväfitov  (fratfiv  ' 
t6  fi^v  ydq  ivd'sv  xvfia  xvXiviexai,^ 
t6  d*  ivd'sv  '  afifieg  6'  dv  t6  fiäatfov 

väi  ifoqrjiisx^a  avv  fieXmvif.  Ale.  fr.  18. 

Schwungvoll  und  energisch,  kräftiger  und  mannigfaltiger  als  die  sap- 
phische  Strophe. 

6.  Umfangreicher,  aber  noch  sehr  einfach  in  ihrer  Bildung  ist  die  aus 
zwei  glykoneischen  Hypermetra  gebildete  (achtgliedrige)  Strophe  des  Ana- 
kreon  fr.  1: 

Fovvovfiai  (s\  iXa^rßokB^  \  ^avd^ij  nat  Jiog,  dyQttov 

däanoiv  ^'AQT€fii  ^rpQwVj 
fj  xov  vir  im  Arjd'cchv  \  Sivrjai  x^qctavxaqdiwv 
dvdqwv  iaxaxoQ^g  noXiv  \  xaiqova  '  ov  ydg  dvtjfieQovg 

notpaiveig  nohrj-vag, 

t>9.  In  den  Strophen  der  Komödie  bilden  Prosodiaka  und  61y- 
koneen  die  Hauptbestandteile,  seltener  sind  Hexapodien  und  tetrapodische 
Kola  mit  mehreren  Daktylen.  Meist  ist  der  Bau  der  Strophe  einfach  und 
ihr  Umfang  gering,  wie  in  der  Liederdichtung;  in  seltneren  Fällen  ist  eine 
kunstvollere  Gliederung  vorhanden. 

Zu  den  einfacheren  Strophen  gehören  die  aus  lauter  Prosodiaka 
bestehenden  der  Prozessionslieder,  zumeist  nur  Hypermetra  in  antistrophischer 
Wiederholung  (Eccl.  289  flf.  Equit.  IUI  flf.  Aves  1731  flF.  Ran.  448  flF.  Pax 
1379  flF.).  —  Von  ähnlicher  Einfachheit  sind  die  glykoneischen  Strophen 
Equit.  973  flf.  (6  mal  wiederholt)  und  Aves  676;  vgl.  Equit.  551  flf.  Ran. 
1251  flf.  —  Anakrusische  Glykoneen  mit  Katalexis  und  choriambische 
Glieder  wiegen  vor  Lysistr.  321  flf.  Vesp.  1450  flf.  Nub.  950  flf.  700  flf.  Eccl. 
969.  —  Weniger  einfach  und  von  grösserem  Umfange  sind  Nub.  563  flf. 
Thesm.  352  flf.  Ran.  1309.  Vesp.  526  flf. 

Beispiele.     Equit.  1111  flf.   (zwei  Hypermetra   von  4  und  6  Kola): 
w  Jrjfiey  xaXrjV  y  ^xeig  \  ciqxi^v,  ot€  ndvtsg  av\\^Q(anoi>  dedlaai  a    wer-  | 

nsQ  ccvdqcc  rvQav-vov. 
dXa  evnaQaycoyog  el,  \  x^consvofievog  re  %ai  Q€ig  xd^anaToifxsvog, 
nqog  xov  re  Xhyovx    dsi  |  xi%r(vag  •  o  vovg  i4  (Xov  \  nagdp   dnodrj^fieT, 

J,       _     Z  <^-^-^  _     w     _      ^     J.  <y>^  _    w     — . 


II.  - 


»«-^s-»     _        V-/        — 


—     S.  v>^  —     W     — 


_      S.  v^y^-»   —     Vy     —    Mo/     ^  \.^\^ 
_     «^     — 


_      -i   v^»^   _     "^      —    ,   W     _i  v-.V>   _     W      _       W     _i  V>^-^  I  '^ 


Lysistr.  321  flf.     Anfang. 

nätov  näroV'y  Nixodfxrj^  \  nQiv  sfinerTQ^^ad^ai  KaXvxrjVj 

T€  xai  KQtTvk'lav  TTeQi^v-^frj-Tw 
vno  TS  voficov'  d^yakätov  |  vno  tc  /«^ov-tcöv  oXä&QCov, 


762  S*  Metrik,    c)  Metrik  der  Griechen. 


Sw- 

/ 

•■.'    L_ 

_:  w^^  _ 

\--' 

J.  w  l_ 

J.  ^^  _ 

\^ 

f 

^    I 

1    V^N^1_ 

lL 

V^' 

^^ 

w    l_- 

J.    V,-^     _ 

V,- 

v^  -^    L_ 

Z  ^>^  - 

1(M).  In  der  Tragödie,  insbesondere  bei  Sophokles  und  Euripides, 
spielen  die  logaoedischen  Strophen  eine  sehr  hervortretende  Rolle  und  ent- 
wickeln einen  grossen  Reichtum  verschiedenartiger  Bildungen,  wenn  auch 
allenthalben  die  Grundformen  der  logaoedischen  Kola  als  Elemente  wieder 
erscheinen.  Im  Vordergrunde  stehen  die  glykoneischen  Gliedformen,  sowohl 
die  thetisch  als  die  anakrusisch  anlautenden,  und  die  tetrapodisch  zu  messen- 
den akatalektischen  Pherekrateen;  weniger  häufig,  aber  nicht  selten  sind 
die  längeren  (hexapodischen)  Formen,  dagegen  nur  vereinzelt  die  Logaoi- 
dika  ngog  SvoTv  und  nqog  xqksCv;  die  tripodischen  Kola  (katalektische  Phere- 
krateen und  Prosodiaka)  nehmen  einen  verhältnismässig  nur  beschränkten 
Raum  ein.  Neben  den  logaoedischen  Gliedern  aber  gewinnen  die  iambischen, 
daktylischen  und  anapaestischen  in  den  tragischen  Strophen  eine  grosse 
Ausdehnung,  so  dass  sie  nicht  selten  einen  selbsändigen  Teil  derselben 
bilden  und  zuweilen  sogar  das  Übergewicht  über  die  Logaoeden  selbst  er- 
langen: man  nennt  solche  gemischte  Strophen  iambisch-logaoedische 
und  anapaestisch-logaoedische. 

Das  GlykoneioD  ist  in  allen  seinen  Formen  vertreten,  welche  sogar  innerhalb  de^ 
selben  Periode  neben  einander  erscheinen,  z.  B.  Ant.  332  ff.  noXkd  tu  deiyd^  xovdev  uy- 
^Qüinov  deiyÖTSQoy  neXei,  ja  in  der  späteren  Tragödie  selbst  antistrophisch  einander  ent- 
sprechen, z.  B.  Phil.  1082  CO  1103  ^SQuoy  xal  nayervSdegj  tugcoxal  fio^^t^  Xtoßaxog,  6g  rj  dt;, 
1124  cz)  1147,  1138  cz)  llGl  (choriamb.  Dimeter  co  Glykoneus).  —  Der  Anlaut  des  Glykoneion 
lässt  den  Pyrrhichius  nicht  zu,  wohl  aber  ausser  dem  Trochäus  und  Spondeus  auch  den 
Jambus  und  Tribrachys;  der  Anapaest  (einige  Male  bei  Euripides)  wird  als  fehlerhaft  von 
Aristophanes  Ran.  1322  verspottet;  Jambus  und  Trochäus  stehen  nur  selten  in  antistrophi- 
scher Kesponsion,  Jambus  und  Spondeus  öfter. 

Das  anakrusische  Glykoneion  ist  häufig  in  der  Form  einer  iambischen  Dipodie 
mit  folgendem  Choriamb  (s.  oben  §  90,  3)  : 

~   _  s^  L_      /.  v>»»>  _    und     ~^  ^■^'^  ^^  i_      J.  \^^^  — 
also  mit  Katalexis  nach  der  2.  Thcsis,  z.  B.  Soph.  El.  823  tiov  tioxb  xegccv-yol  Jiog  tj. 

Das  logaoedische  Paroimiakon  (§90,2)  bildet  am  häufigsten  Periodenschluss, 
z.  B.  Antig.  330  {^=  3511)  X^Q^^  neQtßQvxlocaiy,  findet  sich  aber  auch  im  Innern  der 
Periode  und  mehrmals  wiederholt,  wie  Antig.  (J15.  783. 

Auch  das  akataicktische  Pherekrateion  kommt  nicht  bloss  als  Schlu.ssglied 
vor,  sondern  ebenfalls  wiederholt  nacheinander;  so  Aesch.  Sept.  295  ff.  Pere.  5l>9  ff.  Ag. 
392  ff.,  409  ff.,  425  ff.,  459  ff.  Choeph.  465  ff.,  Soph.  Ai.  031  ff.  &Qf]in)aH,  x^QonXaxioi  cf' 
fV  art'Qyoiai  nsaovy-rat ;  zuweilen  auch  mit  Katalcxis  nach  der  zweiten  Thesis  gebildet,  wie 
Trach.  030  MfjXida  tiuq-  !  Xl^u-y€(y,     El.  1092  yvy  vnoxetQ-  yal-sig. 

Die  Tetrapodien  mit  mehreren  Daktylen  dienen  fast  stets  als  Proodika  odi-r 
Epodika  einer  Periode,  z.  B.  Aesch.  Choeph.  315.  Soph.  El.  1061  - 1069.  ei'lQwai,  r«V 
ovx  in*  icag  xeXov/ney;  Trach.  521  nXijyfxara  xal  atoyog  dti-cfoiy. 

Die  katalektischen  Pherekrateen  bilden  gewöhnlich  eitie  besondere  Periode 
in  der  Strophe,  meist  drei  oder  vier  miteinander  verbunden,  z.B.  Soph.  O.G.  1556  et  ^f'/i/c 
iaii  fjioiy  Tay  itffayij  9e6y  \  xcd  ak  Xirccig  aeßety,  j  iyyvx'i^v  (cya^,  vgl.  Ai.  627  f.  El.  245  ff. 
Aesch.  Ag.  1448. 

Ebenso  gruppieren  sich  in  der  Regel  mehrere  Prosodiaka  zu  einer  selbständigen 
Periode,  wie  0.  R.  466  cjqcc  yiy  deXXddojy  \  Xnrnoy  a&eyaQiureQoy  \  (fvy(c  noda  yta-fidy.  Vgl. 
0.  C.  1043. 

Die  iambischen  und  (seltner  vorkommenden)  trochUischen  Glieder  werden  wie 
in  den  entsprechenden  Strophen  der  Tragiker  (s.  §  64  u.  54)  behandelt  und  haben  viel- 
fach Dehnung  und  Katalexis.  Bemerkenswert  ist  die  brachykatalektische  iambische  Tetra- 
podie  mit  aufgelöster  erster  Thesis,  -  «^  o  lL  lL  -i  ,  z.  B.  Trach.  827  ff.  efiTteda  xn- 
rov-Qi-Cfi. 

Die  daktylischen  Reihen  sind  teils  akatalektische  Tetrapodien,  teils  Tripodien  mit 
spondeischem  oder  katalektischem   Schlüsse,   wie    Trach.    112—122   wr   ini/ASfjKfofjieya    a 


2.  Die  Metra  der  Griechen.  (§  100.)  763 

«tjcfor«  ^fV,  aytia  6*  oe'ffoi*  1  (paul  ydg  ovx  anoTQveiy  \  iXnl6a  xdv  nya&civ\  teils  tragen 
sie  infolge  dipodischer  Katalexis  choriambische  Formation,  z.  B.  Ant  139  tiXXa  d*  in 
(iX-Xoig  ineviä-^a  atvcpeXi-CtJy  /ueyng  "JQtjg;  vgl.  Phil.  1100.   1182. 

Die  anapaestischen  Glieder  sind  teils  nach  Analogie  der  freien  anapacstischen 
8yFt«me  (s.  oben  §  47)  behandelt  und  reich  an  spondeischen  Formen,  z.  B.  Soph.  Ant.  845 
ioß  JiQxmm  xg^-vm  xtX.;  teils  wie  die  daktylischen  mit  dipodischer  Katalexis,  so  dass  sie 
als  Choriamben  erscheinen,  z.  B.  Soph.  Trach.  850  flf.  «  cf'  i^jjfo^cVa-  laoTga  7iQo<pal-y€i  (fo- 
Xtay-  x(d  jbteyctXtty-  a-ray. 

Aesch.  Choeph.  330  flf. 

KXvd'i  vvv^  0)  nuTSQ^  iv  fieQ€i-  noXvdaxQvxa  ntv-O-i^' 
SiTiaig-  toi  a    iTTiTVfißiog-  x^g^vog  avatfreva-^ei. 

Tci(fog  J'  Ixätag  däde-xTai  ^vyddag  &'  ofioi-cog, 
ti  reorcT-ti;;  ti  cT  atfQ  xuxcov-;  ovx  ärQiaxxog  a-ta; 

JL  \^A^  _  v-*w»  S    ^^  \ »^>-^  v^    _    v-'   lL  — 

w  lL  _  v.^^  1    \y  \ I      JL  ^>^  _    "v^  i_L  _ 

7f    Vw/    _  «^-A^  jJ.    v_/  I JL  ^^.A^  _    vy  lL  _ 

Soph.  0.  R.  463  flf. 

tig  ovTiv    a-  d'eaniäneia  JaXtplg  eins  nk^tga 

aQQTjft'  aqQTfiwv  tsXtaavra  ffoiviaiai  X^Q-Civ; 

o)Qcc  nv  d€kXdSiov  \  lnn(ov  (Xd-eraQohtQov  |  (pvy^  noda  vco-fiar. 

fvonXog  ydq  irc    avrov  infvO-QWCxsi 

-rrvQi  xcci  aTSQonccTg  6  Jiog  yevetag. 

Ssi'Vai  cT  Sjii    i'nov^tm-  xrJQcg  dvanXdxr^Toi, 

I.     w    JL    w  L_  ±  \^^  _|w'^_     wlL  — 

I  ' 


_     —      Z  «^.A^  _       W         '      v^     —       V^    LÜ 


II.    -  ^ 
III. 


—     «^     _ 


_     JL  \.^^  __    v>    _       »^v    ^  v-N^ 


_i    <^>«--'    __    K.A^    2.  —       


v>^>  _£.  \.y^^  >^ys^   J^  v.^*-/  __ 


_  v.>«_>  l_L  I J.     w  ^A.>    w    lL 


Soph.  Ant.  332  flf. 

IloXXd  rd  Sfird  xovitv  dv-d-qo^nov  SeivofSQOv  ntXer 
TOVTO  xal  TioXiov  nsQttv  novTov  X^'i^*?'V  '^^V 
XO)Q€T  7i€QißQvxioi-aiv 

7T6Qä)V    im*    orSflCKTlVy    &€(av    T€   TUV    VTtSQzdTaV-    FttV 

ciifxhTüv  dxafidtav  dnoxQverai  \  iXXofievcov  dQ0TQ0)V  stog  Hg  ixog 
i7T'7i€i'(»)  yävei  noXev^ov, 

Z       «.       _    V^N-/    J.      w      _       A 


Jl       ~       _    ^-A^    J.       W     I I     _i       —        —    V.A^    Z       V-/       — 

I 

_.     Z     V-/     _  ^>^    Li  ^ 


II. 


w    Z    v^    —    w 


v-z-l'^     —     v^     —     v-/     — 

lL  L_  JL^-V^lL  i:i 

Eurip.  Androm.  501  flf. 

AN.     dd*  syoi  xtQCcg  atixaxr^qdg  ßqoxoiCi  xexXeifiäva 

Tte'iHTiofAai  xavd  yai-ag 
MO,     (xdvsQ  f.idT€Q^  iyta  dh  a^-  mtqvyi  avyxaxaßai^vu}. 
AN.     xJ^vficc  SdtoVy  0)    x^o^'o^-  (P^iag  xQdvTogeg.     MO.  (6  ndzeg, 

fioXs  (fiXoig  imxou-Qog. 
AN.     xeiaei  Sij^  TtxroVj  o)  if(Xog^  ixaaxoTg  ^laxtQog  d/Aifl  adg 

vexQog  1710  x^^W  <xvv  vexQOig. 


764  E.  Metrik,    c)  Metrik  der  Orieohen. 


I,         _i      V_'      _    V.A^    Z      W    I 


±      KJ       ^    K^f^    JL       KJ       ^ 


JL     \^     ^  v-^-•  Li  _     A 

in,       Jl    W     -  w^  Jl    v-/   L_  I   Jj.     —     -  v-/^^  Z    W    1— 

*^>^  W     —  v-Aw    lL  —     A 

IV.       JL     -     -  v^^  ^     ^    L_  I  ^     _     -  v>^  ±    <J   L- 

\^K^  <j    _  v-*^/  Z    v>    —    A 

101.  Auch  in  der  chorischen  Lyrik  nehmen  die  logaoedischen 
Strophen  einen  breiten  Raum  ein,  insbesondere  bei  Simonides,  Pindar  und 
Bakchylides,  aber  auch  schon  bei  Alkman  und  Ibykos  sind  sie  vertreten, 
selten  bei  Stesichoros.  Die  chorischen  Strophen  stehen  nicht  nur  durch 
ihren  grösseren  Umfang,  den  reicheren  Wechsel  der  Formen  und  den  kunst- 
reicheren Bau  im  Gegensatze  zu  den  einfacheren  Strophenbildungen  der 
äolischen  und  anakreontischen  Dichtung,  sondern  weisen  auch  unter  sich 
deutlich  hervortretende  Unterschiede  auf  nach  den  Dichtem,  denen  sie  an- 
gehören. Alkman,  Ibykos  und  Simonides  bevorzugen  die  längeren,  den 
Umfang  der  Tetrapodie  überschreitenden  Kola  und  unter  den  logaoedischen 
die  mit  mehreren  Daktylen,  und  bringen  die  daktylischen  und  anapaesti- 
schen  Elemente  mit  besonderer  Vorliebe  zur  Anwendung,  seltener  die  tro- 
chäischen. Bei  Pindar  hingegen  und  bei  Bakchylides  überwiegen  die  kür- 
zeren, tetrapodischen  und  tripodisohen  Gliedformen,  insbesondere  das  (zweite) 
Glykoneion  und  die  Pherekrateen,  ferner  die  trochäische  Tripodie  und  Di- 
podie,  die  Logaoidika  ngog  dvoXv  und  nqog  tqkxiv  und  die  daktylischen 
Kola  treten  sehr  zurück;  anakrusische  Formen  sind  häufig  und  die  Auf- 
lösung in  den  trochäischen  Elementen  beliebt. 

Simonid.  fr.  41. 

Ovdii  yccQ  €vvoa((fvXXog  m^-ia  %m    (oqt    dvefKov, 
ci  Tig  xatfxookvf  xiSvafierav 
HsXiadäa  ya^qvv  aQctqelv  äxoaiat  ßgorwr. 


_  \^*^  __  <A^  _ 


Pindar  Ol.  1. 
I.  ^ÄQi-tSrov  ntv  vScoQ,  6  dt  \  XQ^tJog  ald-onfvov-  nvq 
ax€  dianQtnai'  vi^x\tI  fi&ycivoQog  ^'Jo/a  nkov-rov. 

II.  fl  rf'  cif&Xa  yaQvsiv  \  ^Xdeai^  ifiXov  rj-zoQ,  |  firjxtT    dsXtov  axoTiei 
(ikko  d^aXnvoTeQOV  iv  dfX6\Q^  (fasrvov  ccarqov  f^r^-|jUff^  SC  ai&tQog^ 
III.   iirjS'  'OXviiimag  dywvcc  \  (fhqxsqov  av-ddaoiuv* 
oO-ev  6  noXv(faTog  viivog  dfKfißdkXexm 

KQm'ov-  naTS^  f$  d^vadv-  ixontroig, 
lidxai'Qav  '^ItQwvog  iatiav. 

I,      -^    lL  _  ^^-^  J.    yj   [—\  JL    w    _  k-^^lL  ^ 

II,  J.o_v^    ZwiiA|^w_  v^^lL  ^A\J.^^^±\^^A 


2.  Die  Metra  der  Grieoheo.  (g  101-102.) 


765 


III. 


-l*^     —     v^-iv^     —     V-' 


Ky  ^A^   KJ  V><^  \J      JL      \^      ^      <J 


W    Li 


<J 


O 


_i     W    L_ 


_     *^     _1     O 


y.^^  w    —    v_/ 


JL  v>^L_ 


v^    }=^ 


v><-»  W    ii 


^u^  vy     iii 


W     :i 


^    w    ii 


Allgemein 68:  Bobckh,  M.  P.  p.  131  sq.  284  sq.  —  G.  Hjebmann,  Eiern  p.  517—585. 
Epit.  §  454-524.  -  Westphal,  IP  p.  707—845.  I»  p.  285  ff.,  m^  1,  p.  350  ff.  —  J.  H. 
H.  Schmidt,  II,  273.  281.  380.  IV,  459  ff.  553  ff.  —  Dindobp,  De  metris  poet.  scen.  p.  54  sq. 
-  Christ«  p.  459-84  u.  508-563. 

Spezielleres:  Selkkakn,  De  versu  glycoD.  Berlin  1834.  4.  —  Geppskt,  De  versu 
gly con.  Berl.  1834.  —  H.  Weissenbobn,  De  versibus  glycon.  2  ptt.  Lips.  1840.  41.  —  F.  V. 
Fbitzschb,  De  versu  Eupolideo,  Rost.  1855.  4;  de  Eorip.  choris  glycon.  polyschem.  scriptis. 
Rost.  1856.  4.  u.  Philol.  XII  (1857)  p.  67-91.  —  W.  Bbrokb,  De  Sophoclis  vereibus  lo- 
gaoedicis  et  epitr.  Bonn.  1864.  diss.  —  W.  Bbakbach,  Metr.  Studien  z.  Soph.  p.  85  ff.  p. 
140  ff.  Rhythm.  Unters,  p,  168  ff.  —  Gu.  Velkb,  De  metronun  polyschem.  natura  atq. 
legibus.  Gott.  1877.  —  J.  Lutbkeb,  De  choriambo  et  ionico  a  minore  diiambi  loco  positis. 
Argent.  1884  (Diss.  Argent.  VIII.)  —  F.  Spibo,  Der  kyklische  Daktylus  u.  d.  lesbische 
Lyrik  in:  Hermes  XXIII,  p.  234  ff.  (1887). 

IV.  Die  Dochmien. 

102.  Der  Dochmios  ist  nach  Angabe  der  Altena  ein  oxTMtjfiog 
novg;  von  den  acht  Chronoi,  aus  denen  er  besteht,  sind  der  2.  und  3.,  der 
4.  und  5.,  der  7.  und  8.  gewöhnlich  zu  einer  Länge  vereint,  so  dass  als 
Grundform  diese  gilt: 


w  _  _>  w  — 


Ausserlich  betrachtet  erscheint  er  also  als  die  Verbindung  des  Bakcheios 
und  lambos  w  _  _  |  v,  _  oder  des  lambos  mit  dem  Kretikos  w  _  |  «  w  . . 
An  Stelle  jeder  der  beiden  Kürzen  der  Grundform  kann  auch  eine  irratio- 
nale Länge  treten: 

~  -  -  ~  «   oder  ^  -  —  »^  -  und  ^  -  ^  ^  — 
Durch  verschiedene  Kombination  von  Auflösung  der  Längen  und  Zu- 
lassung der  irrationalen  Chronoi  ergeben  sich  eine  grosse  Menge  von  Formen 
des  Dochmios: 

A.   Ohne  Auflösungen: 

a)  ohne  irrat.  Länge,    b)  mit  irrat  1.  L.     c)  mit  irrat  2.  L.    d.)  mit  irrat.  1.  u.  2.  L. 
1.    w   _    _   w   _ 


»o/  _   —  ^   — 


2.  -  -  -  w  -      3. 

B.   Mit  Auflösungen: 


5.  ^  ^^-^  _  v-/  _ 

9.  ^  —  v.^^  w  _ 

13.  ^  -  _  v^  v^^ 

9(1 


(5,  v-'  v^^  _  w  — .      7.  *^  ^"^^  —  <^  — 

10.  ~      ^    \.A^   KJ      _          11,  *^       _    V>^/   C7      _ 

14.  -  -  -  v^  > — '  15.  v>  -  - 

18.  -^v^w  -    19.  ^ 

22.  ~  ^-^^  —  ~  ^-^^  23.  ~ 


v^ 


V-/    V-A^ 


26.  -  - 
30.  - 


^.A^  V-/  v>^y 


V^   \^<^ 


27. 
31. 


K^       —    y-A^   \^    VrfV-» 


\^ 


\^   v>s^ 


4.  ~  -  -  "  - 

12.  ~  -  ^^  ~  - 

16.  ~  —  —  ~  <^>^ 

20.  - 

24.  - 

2o.  ~  —  '''^^^  ~  v-A-/ 

32.  - 


Vrf^^V.>V>   s-J       _ 


Von  diesen  32  Formen  sind  indess  keineswegs  alle  üblich,  sondern  nur 
einige  werden  mit  Vorliebe  gebraucht,  andere  hingegen  finden  sich  äusserst 
selten  oder  gar  nicht.  Nächst  den  Normalformen  (1)  w  -  -  w  «  kommen 
am  häufigsten  vor  die  beiden  ersten  Formen  mit  aufgelöster  erster  Länge 


*)  Aristid.  p.  39.   Dionys.  de  comp.  c.  11 
p.  130.  Quintil.  IX,  4, 97.  Schol.  Heph.  p.  186. 


Schol.   z.  Aesch.  Sept.  v.  103.  128.    Schol. 
z.  Arist.  Av.  407.    Etym.  M.  p.  285. 


7GG  £•  Metrik,    c)  Metrik  der  Grieckeü 


V_A^    _       V^       «. 


(5)   w  ^^  _  ..  _  und    (6)    - 

hv/iog  ayybXoq  atO-egicc  xovig. 

Nicht  selten  sind  auch  die  Formen  mit  Auflösung  der  ersten  und  zweiten 
Länge  zugleich  (17.  18): 

vdavog  oqotvtiox^  ^tt  noXtg  oSe  Xsiig, 

Auch  Formen  mit  Auflösung  sämtlicher  Längen,  also  achtsilbige  (29.  30) 
finden  sich  (noch  nicht  bei  Aeschylos),  z.  B.  Soph.  0.  R.  d61.  1314: 

(29)  atfiXog  ort  nvfxaTOV.  vbifog  ifidv  anotqonoVj 

besonders  in  den  späteren  Stücken  des  Euripides;  vereinzelt  auch  die  Form 
-^^-  v>^^(22)  Soph.  0.  R.  1345  tov  xaTagatoratov.  Dagegen  werden 
Dochmien,  bei  denen  die  zweite  Länge  aufgelöst  ist,  nicht  aber  die  erste 
(9  —  12.  25-28),  mit  Recht  als  zulässig  bestritten  (Enger,  Klotz);  vgl. 
Aesch.  Sept.  80  {hgfievov).  126.  164.  Ag.  1111.  Soph.  Ai.  879. 

Die  Irrationalität  der  ersten  Silbe  ist  häufig  bei  Auflösung  der 
ersten  Länge  (6.  18),  z.  B.  Aesch.  Sept.  172  x^'Q^^^'^^^  Xirdg  (6),  selten 
ohne  diese  (2.  10.  14.  26),  wie  Soph.  0.  C.  836  eigyov  •  aov  fikv  ov  (2). 
Die  der  zweiten  Kürze  ist  häufig  bei  Euripides,  selten  bei  Aeschylos  (Choeph. 
935  <x>  947)  und  Sophokles.  Dochmien  mit  zwei  irrationalen  Längen  finden 
sich  nicht  bei  Aeschylos  und  Sophokles,  bei  Euripides  nur  Hei.  676  Xovj^y 
xai  xqi]vm\ 

Von  den  drei  langen  Silben  trägt  die  zweite  den  stärksten  Iktus 
(Christ,  Klotz)  und  der  Dochmios  zerlegt  sich  demnach  in  eine  Arsis  von 
3  und  eine  Thesis  von  5  Chronoi: 

Kj  —    j.  '-•  _  und  ^-^  ^^^^  ^-^^  "^  —  . 

Anmerkung.  Die  Messungen  des  Dochinios  als  eines  kataleküschen  bakcheischen 
Dimeters: 

V.   z   _   ^  JL   Ä    (Westphal  II^  p.  854  =  P,  p.  182.j 
oder  als  einer  iambischen  Tripodie  mit  Unterdrückung  der  2.  Kürze: 

w  !  _     _  w  _    (Pickel) 
oder  als  einer  katalektischen  trochäischen  Tripodie  mit  Synkope  des  1.  Kusses: 

___./_   A    (Brambach) 
führen  zu  allerlei  Unzuträglichkeiten   (Annahme  einer   Pause  mitten   im  Worte,  Auflösung 
^'edehnter  Länge  u.  dgl.).  —  R.  Klotz  glaubt  der  achtzeitige  Dochmios  sei  durch  eine  Art 
von  Anaklasis  aus  der  gradegegliederten  anapaestischen  Dipodic  entstanden: 

103.  Die  Dochmien  haben  infolge  der  ungleichen  Verteilung  der  acht 
Chronoi  auf  die  beiden  Taktteile  den  Charakter  des  Unruhigen  und  Hin- 
und  Herschwankenden.  Sie  sind  daher  das  Mass  leidenschaftlicher  Erregung, 
^plenum  metus  et  agifationis'' ,  indem  sie  gewissermassen  das  Auf-  und 
Niedergehen  der  Wogen  der  Gemütsbewegung  vor  Augen  führen.  Die 
Auflösung  steigert  den  Eindruck  der  Unruhe  und  Erregung,  die  irrationalen 
Längen  wirken  mässigend  und  beruhigend. 

Seine  fast  ausschliessliche  Anwendung  findet  der  Dochmios  in  der 
Tragödie,  zu  deren  Hauptmassen  er  gehört,  und  zwar  vornehmlich  in 
monodischen  oder  amöbäischen  Bühnengesängen  und  in  Kommoi,»)  nur 
selten  in  Gesängen  des  Gesamtchors,  wie  Soph.  El.  1384;  besonders  in  thre- 

')  Schol.  z.  Ae^ch.  Sept.  103  o  ^v&iaog  ovxog  noh^g  icxiv  iV  &(}ijytodUc  xai  initi^deios 
iQog  d^i'jvovg  xai  atevayfjiovg. 


2.  Die  Metra  der  Griechen.  (§  103  -105.)  7G7 

nodischen  Partien,  aber  auch  sonst  wo  die  Erregung  einen  hohen  Grad 
erreicht  hat  (Choeph.  935.  Sept.  78  flf.).  In  der  Komödie  hat  das  doch- 
mische Mass  eine  untergeordnete  Stellung  und  kommt  nur  in  der  Parodie 
tragischer  Partien  vor,  z.  B.  Aves  1188  fif.,  Thesm.  700.,  Vesp.  730  flf.  Ach. 
490  flf.  506  flf. 

Der  Vortrag  war  überall  Gesang,  begleitet  von  lebhafter  Aktion  und 
orchestischer  Bewegung. 

104.  Der  einzelne  Dochmios  bildet  nur  selten  einen  Vers  für  sich, 
weit  häufiger  werden  zwei,  oft  auch  drei  zur  Verseinheit  verbunden;  aber 
auch  eine  noch  grössere  Zahl  von  Dochmien  finden  sich  in  systematischer 
Vereinigung  als  dochmische  Hypermetra.  Die  Cäsur  zwischen  den  einzelneu 
Gliedern  ist  häufig,  aber  nicht  notwendig. 

Dochmische  Monometer  finden  sich  besonders  als  alloiometrisches 
Element  epodisch  anderen  Rhythmen  zugesellt,  z.  B.  Eurip.  Phoen.  137 
dfioYocfiog  xvQsT,     149  ndvonXog  diiiftnei. 

Dochmische  Dimeter: 
Aesch.  Ag.   1426     nsyakoixrjfiig  f?,  |  neqifpQova  S^iXaxsg, 
Soph.  El.  1385        SoXioTiovg  dgcolyog  sTaw  attyag. 

Dochmische  Trimeter: 
Aesch  Sept.  85     notdrai^  ßQtjuei  \  cT  dfxax^Tov  dixav  \  vdaxog  oqotvtiov, 
vgl.  Sept.  171  f.  Suppl.  392  flf.  Choeph.  935  f.  Soph.  El.  1387  f. 

Dochmische  Hypermetra: 


(fovor  oT    em 
ifidg  naTtQOg, 


Eur.   Or.   162.  adixog  adixa  %öx    aq  \  fkaxev   iXaxev    dno 

TQtnodi  I  Qb^udog  tig  idixaas  |  (fovov  o  Aol^iag 
vgl.  Aesch.  Sept.  203  flf.    Eur.  Med.   1258  flf.;  mit  logaoedischem   Sclüuss- 
kolon  Aesch.  Sept.  219  flf.  686  flf.  698  flf. 

Dochmisch-logaoedische  Verse.  Die  Annahme,  dass  der  Doch- 
mios durch  allerlei  Zusätze  am  Anfange,  am  Ende  oder  gar  in  der  Mitte 
erweitert  werden  könne,  hat  sich  als  irrig  erwiesen.  Auch  einen  hyper- 
katalektischen  Dochmios  giebt  es  nicht.  Dagegen  werden  mit  den  Doch- 
mien zu  periodischer  Einheit  einzelne  Kola  anderer  Rhythmen,  am  häufig- 
sten logaoedische,  verbunden.  Der  sog.  hyperkatalektische  Dochmios  ist 
in  der  Regel  eine  logaoedische  Tripodie  resp.  brachykatalektische  Tetra- 
podie  und  findet  sich  besonders  häufig  im  Periodenschluss,  z.  B.  Aeschyl. 
Sept.  567  tovaS*  oXtaeuv  iv  y^  j.  ^^  _  ^  Li  -  a  ,  vgl.  eb.  688  ^nßal* 
^Qonog  (ioxdv  und  Suppl.  405,  wo  er  ohne  Wortbrechung  mit  dem  voraus- 
gehenden dochmischen  Dimeter  verbunden  ist:  ri  twvS'  i^  Ttxov  \  Qtnoiitvtüv 
fUTakyfTg  lo  dixawv  ^Q^ca; 

105.  In  den  dochmischen  Strophen  bildet  der  dochmische  Dimeter 
und  nächstdem  der  Trimeter  das  Hauptelement;  doch  läuft  manchmal  der 
dochmische  Rhythmus  ohne  Periodenschluss  bis  zu  Ende  der  Strophe  hin- 
durch. —  Alloiometrische  Bestandteile  sind  iambische  Kola,  insbesondere 
Dimeter  und  Trimeter  in  allen  Formen,  welche  sie  in  den  tragischen  Stro- 
plien  anzunehmen  pflegen,  zuweilen  proodisch  auch  Monometer;  ferner 
logaoedische  Kola,  namentlich  am  Schlüsse  der  Strophe  als  Epodika, 
z.  ß.  Soph.  0.  C.  1465  Zev  cira,  aol  yw-rw.  Aesch.  Sept.  567.  688.  701. 
Suppl.  405.;  seltener  päonische  und  bakcheische  Glieder,  z.  B.  Soph.  El. 


7C8  ^  Metrik,    c)  Metrik  der  Qriechen. 

1384  iSed-'  on(f  nqovifuxai  (kret.  Dimeter).    El.  1248  ovdä  nore  Xr^tf^tw 
aiAsxeqov  (kret.  Trimeter). 

In  einzelnen  Strophen  treten  die  iambischen  und  die  dochmischeo 
Elemente  als  gleichberechtigt  nebeneinander,  so  dass  sie  den  Charakter 
iambisch-dochmischer  Strophen  tragen;  in  manchen  Fällen  nehmen  die 
dochmischen  Glieder  sogar  nur  eine  untergeordnete  Stellung  ein. 

Der  Bau  der  dochmischen  Partien  ist  bei  Aeschylos  und  Sophokles 
durchweg  antistrophisch,  bei  Euripides  entbehren  sie  mehrfach  der  Re- 
sponsion. 

Aesch.  Suppl.  392—396  od  402—406  (Chorgesang): 
arq,     g.uj  Ti  not'  ovv  yevoinav  v/ioxfiQiog  xQccveaiv  a^äviov, 
vnaaxQov  it  rot  fii^X^Q  o^tXofiai  yäfAov  Svtr^QOVog 
(fVY$  '  ^Vfifiaxor  d*  fXo^evog  i(xav  xQive  tftßag  ro  TTQog  ^ccur. 
-v^^z  w  «!_^-^^2  -j  ^  \- <^  1  w  -       trim.  dochm. 
w  _  2v^_jv^^^zw_|w-  -lo-       trim.  dochm. 
w»zw»|wv^^zv^-|2v^-wl1«    dim.  dochm.,  pherecrat.  I. 
Reine  Dochmien  mit  logaoedischem  Schlusskolon. 
Soph.  El.  1384  S.  CD  1397  g.  (Chorgesang): 
axq,         ^'I6€&^  ontf  nqovtiistat 

6  SvaäQKfTog  affia  (pvcFtop  ^Agrjg, 

ßeßatSiv  ccQTi  SiofioTcov  vTtoateyoi 

lH€vdSQOfioi  xaxwv  TtavovQyrjfiarcov  ag>vxvai  xt;v£^. 

MCFT    ov  fxaxQccv  Ix    äfifievei 

Tovfidv  ^QercSv  oveigov  at(OQOvfi€Vov, 

v!w  ^  _     v>^  w  _  dim.  cret. 

w^^zw_|w_zw-  dim.  dochm. 

w  2  v^  _  .    z  -  _  w  JL  v^  _  trim.  iamb. 

^   trim.  dochm. 
dim.  iamb. 
_zw-wz.y-_jLw^  trim.  iamb. 

lanibisch-dochmische  Strophe  mit  päonischem  Proodikon. 
Eurip.  Iph.  T.  842—849  (Monodie): 

uTonov  aSovdv  ^Xaßov^  w  (piXai. 
dtdoixa  cT,  ix  xsQtav  (xe  fiij  nqog  alx^kqa 

dfiimdjxtrog  ffvyih 
1(6  KvxXwmg  icxxia,  im  navqig^ 
Mvxi^ra  (f>iXa, 

xdgiv  ^x^^  C^«^5  X^Qf'^'  ^X^  TQO(fag, 

ort  fioi  awoi^im^iova  r&i'St  d6jnoi\(nv  e^ed-gtipio  ffuog, 

K^^^  j.  w  -w^^z  w  _  (Jim,  dochm. 

-  -'   -^  -     w  2  V.  _     :j  z  -.  _  trim.  iamb. 

-^^  j.  -.j  _  nionom.  dochm. 

v^  z  w  _     o  ^  w  _     ^  .'_  v^  _  trim.  iamb. 

-   -  -  ^  -  nionom.  dochm. 

^  ^^  ^  v^  _    ..  ^^  /  w  «  (lim.  dochm. 

v^  /  ^^  _  ^^  2  ^^  _  |w  _'  v^  L_     .'.  w  V   dim.  anap.;  dim.  iamb. 
lambisch-dochmisches  System  (alloiostrophisch). 


I 


2.  Die  Metra  der  Griechen.  (§  105.)  760 

Zum  Dochmios:  A.  Sbidler,  De  versibus  dochmiacis  tragicoruin  graec.  2  partt. 
Lips.  1811.  12.  —  BoECKH,  Metr.  Find.  p.  147  sqq.  —  G.  Hermann,  Elem.  p.  240—277. 
Epit.  §  225-274.  —  Rossbach-Westphal  P,  696  ff.  IP,  853  ff.  -  Chkist«  p.  427-457.  — 
J.  H.  H.  Schmidt,  I,  p.  133  ff.,  IV,  509  ff.  -  R.  Enoeb,  PhiloJ.  XII  (1857)  p.  457  ff.  — 
\V.  Kühne,  De  dochmio  quid  tradiderint  vcteres.  Hai.  1863.  diss.  ~  M.  Lortzino,  De 
numero  dochm.  Berol.  1863.  diss.  —  Fb.  Goldmann,  De  dochmiorum  usu  Sophocieo.  Hai. 
1807.  diss.  —  W.  Brambach,  Metr.  Studien  z.  Soph.  p.  59ff.;  Rhythm.  u.  metr.  Unters, 
p.  161  ff.  -  A.  Gbabow,  Numeri  dochm.  usus  Sophocl.  Lips.  1869  diss.;  De  num.  dochm. 
usu  Sophocieo.  Lemgo  1870.  Frogr.  —  M.  Schmidt,  Jhbb.  f.  Fhilol.  101.  Bd.  (1870)  405— 
70.  —  Fritzsche,  De  numeris  dochm  I— VIII.  Rostock  1874  ff.  —  F.  Ed.  Schulze,  De  dochmio. 
Berol.  1870.  diss.  -  Vooelmann,  Über  Taktgieichh.  mit  bsd.  Bertlcksichtigg.  d.  Dochraius 
Stuttg.  1877.  Tübing.  Festschr.  -  L.  Drbwes,  Zur  Theorie  d.  D.  in  Jhbb.  f.  Phil.  121.  Bd. 
(1880)  p.  409  ff.  —  R.  Klotz,  De  numero  dochmiaco  observatt.  Zittav.  1881.  Ders.  Jahresber. 
f.  1888  p.  301  f.,  f.  1886  p.  59  ff.  —  C.  Pickel,  De  versuum  dochmiorum  origine  in  Diss. 
argent.  III.  (1881)  p.  139  ff.  —  K.  Steiger,  De  versuum  paeon.  et  dochmiacorum  ap.  poetas 
graecos  usu  ac  ratione.  Lips.  1887  ff.  3  partt.  Progr. 


Wir  stellen  im  Folgenden  Schriften  zur  griechischen  Prosodik  und  zur 
Metrik  der  einzelnen   Dichter  zusammen. 

Zur  griechischen  Prosodik.  (Quantität. Elision. Synizese. Hiatus.)  Allgemeines:  G. 
Hebmann,  Elem.  d.  m.  cap.  X.,*  Epit.  §74-101.  —  Fr.  Spfizner,  Versuch  einer  kurzen 
Anweisung  z.  griech.  Prosodie.  Gotha  1823.  3.  A.  1829  (Anhang  in  Rost,  Griech.  Wörterlr.). 
—  Fr.  Passow,  Die  Lehre  v.  Zeitmasse  d.  griech.  Sprache.  Bresl.  1826.  (Anhg.  in  s.  Hand- 
wörterb.)  —  Wbstphal,  Gr.  Metrik  ^^  66-110;  III,»  1  p.  95—137  von  dem  Verf.  —  .1.  H. 
Schmidt,  Kunstformen  IV,  17-  231.  -  W.  Christ,  Metrik«  p.  7  ff.  —  R.  Kühner,  AusfUhrl. 
Grammatik  d.  griech.  Sprache.  2.  A.  1869.  I,  150-197.  233-42. 

Spezielleres:  A.  Hoffmann,  Quaestiones  Homer.  Clausthal  (1843)  1848.  -  II.  L. 
Ahrens,  De  hiatu  ap.  eleg.  Graec.  poetas.  Philol.  III.  (1848)  p.  223  ff.;  De  hiatus  Hom. 
legit.  quisbusd.  generibus.  Hannov.  1851.  -  J.  Rumpel,  Quaestiones  metr.  (über  Muta  c. 
liq.)  I.  II.  Insterburg  1805.  60.  Progr.;  Philol.  XXV  (1807).  p.  470  (über  ^);  ib.  XXVI. 
(1808)  p.  291  ff.  (Synizesis  bei  d.  Trag.).  —  J.  v.  Laroche,  Hom.  Untersuchungen.  L. 
1809.  —  W.  Hartel,  Homer.  Studien  I-IIL  Wien.  1871— 74  (Akad.  Abb.)  —  N.  Wecklein, 
Studien  z.  Aeschylus.  Berlin  1872.  p.  10  ff.  (Krasis  u.  Synizesis).  —  Chr.  Baier,  Animadv. 
in  poet.  trag.  Gr.  Cassel  1874  (über  Synizese).  —  C.  Goebel,  De  correptione  attic.  Bonn 
1870.  —  0.  Grulich,  De  quodam  hiatus  genere  in  Hom.  carm.  Hai.  1876.  —  J.  Hilbbrg, 
Das  Prinzip  d.  Silbenwägung  und  die  daraus  entspringenden  Gesetze  d  Endsilben  in  d. 
griech.  Poesie.  Wien  1882.  —  Al.  Rzach,  Studien  z.  Technik  d.  nachhom.  heroischen  Verses. 
Wien  1880.  Neue  Beiträge  z.  Techn.  etc.  Wien  1882.  —  A.  Buth,  Zur  Positionsbildung  im 
Homer.  Philol.  XXXIX.  (1880)  p.  551.  —  Fr.  Benecke,  Beitr.  zur  Metrik  der  Alexandriner. 
I.  II.  Bochum  1883.  84.  —  A.  Lucius,  De  crasi  et  aphaeresi.  (Diss.  Philol.  Argent.)  1885.  — 
J.  Menrad,  De  contractionis  et  synizeseos  usu  Homerico.  Monach.  1886.  —  A.  Kopp,  Über 
positio  (lebüis  u.  correptio  attica.  Rh.  Mus.  41.  Bd.  S.  247  ff,  (1886).  —  J.  Draheim, 
De  hiatu  debili  Homerico.  Jahrb.  f.  kl.  Ph.  *1888  p.  609  ff.  —  G.  Voorinz,  Gramm,  d. 
homer.  Dialekts.     Paderb.  1889.  p.  12-56. 

Zur  Metrik  der  griechischen  Dichter.  Elegiker:  J.  Caesar,  De  carminis  graec. 
olegiaci  origine  et  notione.  Marburg  1837.  —  F.  C.  Hultgren,  Observatt.  metr.  in  poStas 
eleg.  graecos  et  lat.  2  ptt.  Lips.  1871.  72.  Progr. 

Lyriker:  J.  H.  Härtung,  Geschichte  der  Rhythmenschöpfung  in:  Griech.  Lyriker. 
5.  Bd.  Leipzig  1858.  —  Foeiae  hjrici  graeci  ed.  Th.  Bergk  ed.  IV.  1878-82.  3  Bde.  — 
W.  Christ,  Beiträge  zur  Metrik  d.  griech.  Lyriker  u.  Dramatiker.  München  1869.  (Abh. 
d.  Ak.).  —  A.  BoECKH,  Über  die  Versmaasse  des  Pindaros.  Berlin  1809.  De  metris  Pindari 
Leipz.  1811.  De  Doriis  epitriiis.  1825.  —  W.  Christ,  Die  metr.  Überlieferung  d.  pindar. 
Oden.  MOnchen  1868.  —  J.  II.  Schmidt,  Schemata  zu  Pindars  Gesängen  in  , Kunstform en** 
I,  p.  382—429.  Leipzig  1868.  —  M.  Schmidt,  Pindars  olymp.  Siegessänge  mit  Prolegom.  über 
pindarische  Kolometrie  u.  Textkritik,  I.  Jena  1868,  p.  VlI— LXXXIV.  Ders.  über  den 
Bau  der  pindar.  Strophen.  Jena  1882.  —  F.  Vogt,  De  metris  Pindari  quaest.  in:  Diss.  phil. 
Argent.  vol.  IV,  203-312  ff.  —  A.  Heimer,  Studia  Pindarica.    Lundae  1885.  4. 

Dramatiker:  C.  Lachmann,  De  choricis  systematis  trag.  Berol.  1819.  De  mensura 
tragoediarum.  ib.  1822.  —  G.  Dindorf,  Metra  Aeschyli  Sophoclis  Euripidis  et  Aristophanis 
dcscripta.  Oxonii  1842.  De  metris  poetarum  scenicorum  in  Poet.  scen.  graec.  ed.  V.  Lips. 
1809.  p.  31—50.  —  M.  W^ilms,  De  personar.  mutatione  in  versibus  dialog.  usurp.  DOsseldf. 
1855.  ~  G.  Jacob,  De  aequali  stropharum  et  antistr.  in  trag,  graecae  canticis  conformatione. 
Berol.  1800.  diss.  —  W.  Christ,  Wert  der  überlieferten  Kolometrie  in  d.  griech.  Dramen. 

Uaudbuch  der  klass.  Altert  ums  wiAseniicbaft.  II.    2.  Aufl.  49 


770  ^'  Metrik,    c)  Metrik  der  Griechen. 

München  1871.  8  (Abh.  d.  bayr.  Akad).  -  Witten,  De  tragicorum  graec.  stichom^-tlik 
Helmstadt.  1872.  Pr.  —  L.  Mybiantheus,  Die  Marechliedor  des  griech.  Dramas.  MOndm 
1873.  —  W.  Christ,  Die  Parakataloge  im  griech.  u.  röm.  Drama.  Mttncheu  1875.  (Abk. 
d.  b.  Ak.  XIII.);  Teilung  des  Chors  im  att.  Drama  mit  Bezug  auf  d.  metr.  Form  der  Chor 
liedcr.  München  1877  (Abh.  d.  b.  Akad.  XIV.).  -  C.  Conbadt,  Die  AbteiloD^  lyr.  Vene 
im  griech.  Drama  u.  s.  Gliederung  nach  d.  Verszahl.  I.  Berlin  1879.  —  S.  Rbitbb,  De 
syllab.  in  trisem.  longitudinem  productarum  usu  Aeschyloo  et  Sophocleo.   Lips.  et  Prag.  ISiTT. 

Aeschylos:  R.  Enger,  De  Aeschyliis  antistrophicorum  responsiouibas  VratisJ.  188(>. 
diss.  —  J.  H.  H.  Schmidt,  Schemata  sämtl.  Chorica  des  Aesch.  in:  Kunstforraen  I,  14(5—429. 
Leipz.  1868.  —  K.  Bbrnhardi,  De  royijg  in  mediis  syncopatis  usa  Aeschvleo.  Chemnitz 
1879.  Progr.  -  Tn.  Heidler,  De  compositione  metr.  Prom.  Aeschyl.  Vraiisl.  1884.  diss.  — 
C.  CoNRADT,  Metrisches  in  s.  Ausg.  v.  Aeschyl.  Perser.  Berlin  1888. 

Sophokles:  L.  Bellermann,  De  metns  Soph.  veterum  rhythmic.  doctrina  expL'can- 
dis.  Berlin  1804.  Progr.  --  W.  Beboeb,  De  Sophoclis  versibus  logaoedicis  et  epitrit.  Bonnae 
1864.  diss.  —  H.  Gleditsch,  Die  sophokl.  Stiophen  metr.  erkl.  Berlin  1867.  (J8.  Progr.  — 
W.  Bbambach,  Metrische  Studien  z.  Soph.  Leipz.  1869.  Die  Sophokleischcn  Gesänge  f.  d. 
Schulgebr.  metr.  erkl.  Leipz.  1870.  2.  A.  1881.  —  J.  H.  Schmidt,  Die  lyr.  Partien  in  d. 
Trag.  d.  Soph.  rhythm.  geordnet  in:  Kunstformen  II,  p.  I— CLXXXIII.  Leipz.  1869.  — -  M. 
Schmidt,  Die  Sophokl.  Chorgesänge  rhythmirt.  Jena  1870.  —  J.  Sebbass,  De  versuam  ly- 
ricorum  ap.  Sophocl.  responsione.  Lips.  1880.  diss.  —  M.  Schmidt,  Do  numeris  in  cborids 
systematis  Aiacis.  Jena  1881.  Ind.  lect.  —  H.  Gleditsch,  Die  Cantica  d.  soph.  Tragödien 
nach  ihrem  rhythm.  Bau  bespr.  Wien  1883. 

Euripides:  F.  X.  Fbitzsche.  De  Eurip.  choris  glyc.  polyschemat.  scriptis.  Roatoch. 
1850.  u.  Philol.  XIL  (1857)  p.  67-91.  Ders.  De  canticis  Eurip.  Rost.  1869.  u.  PhiloL  XI. 
315  ff.  —  H.  BucHHOLTZ,  De  Eurip.  versibus  anap.  Cottbus  1864.  Pr.  Ders.  De  Eurip. 
vers.  dactyl.  ebd.  1865.  —  J.  H.  Schmidt,  Die  lyr.  Partien  in  d.  Dramen,  d.  Earip.  in: 
Kunstformen  III.  p.  I— DCXXXVII.  —  Ch.  Bally,  De  Eurip.  trag,  partibus  lyr.  Berol.  188». 

Aristophanes:  J.  H.  Schmidt,  Die  lyr.  Partien  bei  Aristoph.  rhythm.  geordnet  in: 
Kunstformen  II,  p.  CLXXXV  sqq.  —  Th.  Zielinski,  Die  Gliederung  der  altatt  Komödie. 
Leipz.  1885  p.  291  ff. 

3.  Metrischer  Bau  und  Vortrag  der  griechischen 

Dichtungen. 

106.  Alle  Dichtung  der  Griechen  war,  so  lange  die  poetische  Kunst 
in  ihrer  Blüte  stand,  für  den  lebendigen  Vortrag  bestimmt:  erst  in  der 
alexandrinischen  Zeit,  als  die  originale  Schaffenskraft  bereits  versiegt  war. 
begann  man  für  die  blosse  Lektüre  zu  dichten  und  deswegen  die  Rücksielit 
auf  den  Vortrag  aus  dem  Auge  zu  verlieren. 

Der  Vortrag  des  Dichtwerks  aber  war  in  seinem  ersten  Ursprung 
Gesang,  zunächst  eines  Einzelnen,  fxorftidfa,  dann  einer  Mehrheit,  eines 
XOQoc;  auch  die  Verbindung  von  Einzel-  und  Chorgesang  trat  schon  früh 
ein,  zunächst  indem  der  Chor  nach  dem  Vortrage  des  Vorsängers  mit  dem 
Refrain  {entif^aYjucCj  sifviiivioy)  einfiel. 

Zum  Gesänge  des  Einzelnen  wie  des  Chors  gesellte  sich  ein  beglei- 
tendes Instrument,  Zither  oder  Flöte,  je  nach  dem  verschiedenen  Charakter 
desselben,  auch  beide  im  Verein.  Beim  Chorgesang  trat  noch  die  orche- 
stische  Bewegung  hinzu,  zuweilen  in  der  Weise,  dass  abwechselnd  nur 
der  eine  Teil  des  Chores  sang,  während  der  andere  tanzte. 

Neben  dem  wirklichen  Gesänge  entwickelten  sich  auch  die  anderen 
Arten  des  Vortrags,  nämlich  der  gesangähnlichc  Vortrag  unter  Instrumen- 
talbegleitung, den  wir  als  Rezitativ  zu  bezeichnen  pflegen;  ferner  die 
nu()itxctiakoyii]^    deren    Einführung   dem   Archilochos   zugeschrieben    wird,') 

*)  IMut.  de  mus.  c.  28.  'jQxl^o/og  TiQoae^evQS  .  .  .  riyV  7H(QaxaT{eXü)n/jt'  xal  xfjy 
n((fl  ravKt  xgoiaiy. 


8.  Metrischer  Ban  und  Vortrag  der  griecluschen  Dichtungen.  (§  106— -107.)     771 

d.i.  die  melodramatische  Vortragsweise,  bei  welcher  der  Ausdruck  des 
gesprochenen  Worts  durch  die  Töne  eines  Instruments  gehoben  wird,*) 
und  endlich  die  blosse  Deklamation  {ipiXr^  ^^i^). 

Es  ist  ersichtlich,  dass  die  Bestimmung  einer  Dichtung  für  Chor- 
oder  Einzelgesang  nicht  ohne  Einiluss  auf  ihre  metrische  Gestaltung  sein 
konnte  und  dass  den  verschiedenen  Vortragsarten  meistenteils  auch  ver- 
schiedene metrische  Formen  zu  entsprechen  pflegten. 

1.  Die  vorhomerische  Dichtung. 

107.  1.  Zu  dem  gemeinsamen  Erbgut  der  indogermanischen  Völker 
gehörte  als  Anfang  poetischer  Eunstform  ein  Vers  von  vier  IJebungen  mit 
unbestimmten  Senkungen  und  die  Gruppierung  von  vier  solchen  Versen  zu 
einer  strophischen  Einheit.  Diese  Grundlage  darf  man  auch  für  die  älteste 
Dichtung  der  Griechen  voraussetzen,  ebenso  für  die  religiösen  Gesänge  wie 
für  das  weltliche  Lied. 

Einer  frühen  Entwickelungsstufe  angehörig  ist  die  Verkürzung  des  Satzes 
von  vier  Hebungen  durch  Herabsinken  der  letzten  Hebung  zur  Senkung 
und  die  Halbierung  des  ganzen  Satzes. 

2.  Eine  allmähliche  Regelung  in  dem  Verhältnis  von  Arsis  und  Thesis 
bewirkte  die  Pflege  der  Dichtung  und  des  Gesangs  durch  Sänger,  die  ihre 
'  Kunst  traditionell  fortpflanzten,  besonders  im  Dienste  des  Apollo.  So  bil- 
deten sich  aus  dem  alten  Grundmass,  das  als  doppelter  (XTiordttog  fxd^(jDv 

lIj      i_j  lIi      L-l 

in  schwerfalligster  Form  erschien,  die  anapaestische  und  die  daktylische 
Tetrapodie  in  ihrer  vollen  und  ihrer  abgestumpften  Form: 


v>^>  JL  \.a^ 


\.^>~/  JL  \.y<y  JL 


Z.  \.y<y  J.  »^-»o»  J, 


y f  ± 


-i   y.J^    1.   V-N^   J.      — 


JL  ^.J^  JL 


Daneben  traten  die  halbierten  Sätze  in  entsprechender  Formation: 

^->^  JL  ^.^^  -i    und    —  ^^^  —  '^^^  oder    —  ^-^^  —  — 
und  die  verkürzten  Sätze: 

^^:^^  1.  wv^  JL  \^Kj  L    und    —  ^^^^  —  ^^^  —  • 

3.  Das  nach  bestimmten  Kunstregeln  gestaltete  Kultuslied,  der  Nomos, 
wurde  am  Altare  des  Gottes  bei  festlicher  Feier  von  einem  einzelnen  Sänger 
vorgetragen,  der  sich  selbst  mit  den  Klängen  der  Phorminx  begleitete. 
Man  wird  kaum  fehlgehen,  wenn  man  für  diese  hieratischen  Lieder  eine 
ähnliche  strophische  Gliederung  voraussetzt,  wie  sie  sich  später  im  elegi- 
schen Distichon  zeigt,  also  eine  Verbindung  von  vier  Gliedern,  in  denen 
eine  Melodie  zum  Abschluss  gebracht  wurde. 

4.  Auch  das  epische  Einzellied,  welches  die  weltlichen  Feste 
verschönte,  nahm  allmählich  eine  kunstmässig  geregelte  Form  an.   Es  waren 


^)  Eine  abweichende  Auffassung  von 
Parakataloge  —  als  .begleitetes  Rezitativ* 
im  Unterschiede  von  melodramatischem  Vor- 
trag —  vertritt  Th.  Zielifski,  Altatt.  Komödie 


p.  313  f.,  welcher  für  den  letzteren  den  Aus- 
druck xaraXoytj  in  Anspruch  nimmt  nach 
Hesych.  s.  v.  (to  t«  ^afiata  fitj  vno  fxiXn 
UyHv)  vergl.  mit  Xenoph.  Symp  6. 


772  S*  Metrik,    c)  Metrik  der  Griechen. 

berufsmässige  Sänger,  aoiioi\  welche  die  xXta  aviqfav  unter  Phorminx- 
begleitung  vortrugen;  ihr  Vortrag  war  Gesang,  aoiiriy  nicht  blosse  Dekla- 
mation, und  eine  bestimmte  Melodie  wiederholte  sich  in  regelmässigen  Ab- 
sätzen. 

5.  Das  Ergebnis  der  frühesten  kunstmässigen  Regelung  der  Dichtfonn 
war  der  aus  zwei  früher  selbständigen  Gliedern  zusammengef&gte  dakty- 
lische Hexameter,  welcher  ebenso  im  heiligen  Liede  des  Priestersängers 
wie  im  weltlichen  Heldengesange,  der  an  den  Höfen  der  Fürsten  erklang, 
allmählich  die  Herrschaft  erlangte,  während  die  volksmässigen  Lieder  noch 
ihre  freie,  fester  Regelung  entbehrende  Form  bewahrten. 

2.  Die  epische  Dichtung. 

108.  So  lange  die  epische  Dichtung  sich  in  der  Form  des  kurzen 
Einzelliedes  bewegte,  entsprach  der  Versbau  der  ältesten  Zeit  mit  seinen 
kurzen  Gliedern  und  der  schlichte  Gesang  der  doiioC  dem  Charakter  der- 
selben. Als  sich  aber  das  Epos  im  grossen  Stile  entwickelte  und  der 
grössere  Umfang  der  Dichtung,  die  Fülle  des  darzustellenden  Stoffes  eine 
angemessene  Form  erheischte,  wurde  der  in  der  hieratischen  Poesie  aus- 
gebildete daktylische  Langvers  das  ausschliessliche  Yersroass  für  das 
Epos.  An  Stelle  des  Sängers  aber  trat  nunmehr  der  Rhapsode,  welcher 
nicht  mehr  die  Phorminx  schlug,  wie  der  alte  aoidog^  sondern  mit  dem 
Stabe  in  der  Hand  auftrat.  Der  Gesang  wich  der  blossen  Rezitation.  Nur 
ausnahmsweise  wurde  von  den  Terpandriden  an  öffentlichen  Festfeiem  ein 
Abschnitt  aus  dem  homerischen  Epos  als  Gesang  vorgetragen. 

Eine  strophische  Gliederung,  wie  sie  der  Gesang  erfordert  hatte,  wurde 
entbehrlich,  sobald  der  Rhapsodenvortrag  aufkam.  In  diesem  folgte  ohne 
systematische  Gruppierung  Vers  auf  Vers.  „Wie  (im  Epos)  Thatsache  an 
Thatsache  gleichförmig  und  ohne  bedeutende  Gliederung  aneinander  ge- 
reiht wird,  ebenso  einförmig  und  atomistisch  reihen  sich  Vers  an  Vers 
ohne  eine  weitere  Einheit  als  die  Wiederholung  eines  und  desselben.  Diese 
stichische  Komposition  ist  die  epische  Form  des  Altertums.**^) 

3.  Die  Elegie.  2) 

109.  Die  Elegie  ist  ihrem  Ursprünge  nach  ein  zur  Flöte  vorge- 
getragenes  Lied,  vornehmlich  ein  Klagelied.  Der  metrische  Bau  des  eli»- 
gischen  Masses  (§  38)  weist  auf  Gesang  hin :  die  vier  Glieder,  aus  denen 
es  sich  zusammensetzt,  bilden  eine  Strophe,  die  Unterdrückung  der  Arsen 
am  Schluss  der  beiden  letzten  Glieder  und  die  Dehnung  der  Schlusssilben 
kommt  erst  im  Gesänge  zur  rechten  und  vollen  Geltung. 

Für  die  ältesten  Elegien  ist  denn  auch  der  Gesang  bezeugt;^)  aber 
die  spätere  Entwickelung  führte  zum  bloss  rezitierenden  Vortrag  unter 
Flötenspiel.     Dass  schliesslich  auch  auf  die  musikalische  Begleitung,  ja  auf 


*)  BoECKH,  Encyclop.  d.  philo].  Wissen-   '   fjejueXonoitJiLtsya  ol  uvXtüdol  ^Jcfor  .  .  .  ytyori 
Schaft  p  017.  (ff  x(u  l'axdtfag  oUgyeiog  noiminq  ueXaiy  Xtti 


'')  Prool.  Chrestoin.  p.  242  W. 

^)  Flut,   de   mus.    8**    iy   €iqxu    i^fytia 


iXeyeiioy  fie^sXononj^iytoy. 


8.  Metrischer  Ban  nnd  Vortrag  der  griechischen  Dichtungen.  (§  108—110.)     773 


den  Vortrag  überhaupt  verzichtet  wurde,  brachte  der  veränderte  Charakter 
der  elegischen  Dichtung  mit  sich. 

Für  die  threnetische  und  sympotische  Elegie  ist  Oesang  und  be- 
gleitendes Flötenspiel  (Praeludium  und  Zwischenspiel)  nicht  zu  bezweifeln; 
auch  die  kriegerische  Elegie  des  Kallinos  und  Tyrtaios  konnte,  wenn 
sie  wirksam  werden  sollte,  des  musikalischen  Vortrags  nicht  entbehren. 
Für  Solons  Elegie  Salamis  bezeugt  Plutarch^)  den  Oesang;  für  die  spä- 
tere politische  Elegie  aber  ist  Rezitation  ohne  Musikbegleitung  wahr- 
scheinlich. Die  gnomische  Elegie  war  gleich  in  ihrer  Entstehung  nicht 
für  musikalische  Darstellung  bestimmt,^)  die  Elegien  der  Alexandriner 
waren  auf  blosses  Lesen  berechnet. 

Anmerkung.  Eine  perikopenähnlicho  Verbindung  mehrerer  elegischen  Distichen 
zu  einem  grösseren  Ganzen  glaubte  H.  Weil,  Rh.  Mus.  XVII,  p.  1  ff.  annehmen  zu  müssen. 

4.  Die  iambische  Dichtung.  3) 

110.  Die  iambische  Dichtung  hat  ihren  Schöpfer  an  Archilochos 
von  Paros,0  welcher  dem  ungeraden  Rhythmus  (§  11.  30,5),  den  bis  dahin  die 
kunstniässige  Verstechnik  verschmäht  hatte,  einen  gleichberechtigten  Platz 
neben  dem  geraden  verschaffte.  Er  gab  den  Formen  des  skoptischen  Volks- 
liedes eine  festgeordnete  Gestaltung,  wie  sie  den  Ordnungen  der  fortge- 
schritteneren musischen  Kunst  entsprach,  durch  Regelung  des  Verhältnisses 
von  Thesis  und  Arsis,  durch  Beschränkung  der  unreinen  Senkungen  auf 
Anfang  oder  Schluss  des  einzelnen  (dipodischen)  Taktes,  durch  Vereinigung 
zweier  kurzer  Reihen  zum  Verse  (Periode)  und  ungleich  grosser  Glieder 
zum  epodischen  Systeme.  Durch  ihn  wurden  der  iambische  Trimeter 
(§  59, i)  und  der  trochäische  Tetrameter  (§  51)  in  stichischer  Wieder- 
holung und  das  iambische  Distichon  (§  63)  die  festen  Formen,  deren 
sich  die  skeptische  Poesie  bediente.  Nach  ihm  erscheint  der  katalektische 
iambische  Tetrameter  im  Spottgedichte  und  die  neuen  Bildungen  der 
Hinkverse,  der  (iambische)  Trimeter  skazon  und  der  (trochäische)  Tetra- 
meter skazon;     auch  sie  wurden  in  stichischer  Folge  gebraucht. 

Dass  für  die  epodischen  Formen  der  lambendichtung  Gesang  als  ur- 
sprüngliche Vortragsform  anzunehmen  ist,  zeigt  der  Name  o  empdog.  Aber 
auch  für  die  stichischen  Formen,  trochäische  wie  iambische,  war  in  Archi- 
lochos' Zeit  der  Gesang  nicht  ausgeschlossen,  indess  erfand  dieser  eine 
Art  des  Vortrags,  die  naQaxaxaXoyri^  das  Xäyeiv  naqd  tijv  xqovaiv^^)  deklama- 
torischen Vortrag  mit  gleichzeitiger  Instrumentalbegleitung  (§  106,3),  welche 
er  abwechselnd  mit  dem  Gesänge  zur  Anwendung  brachte.  Als  begleitendes 
Instrument  diente  beim  Gesang  der  iambischen  Gedichte  die  lambyke, 
bei  der  Parakataloge  der  Klepsiambos.^) 


')  Plut.  Selon.  8  loXfav  .  ,  ayaßag  inl 
xov  rov  xiJQvxog  Xi&oy  iy  (odj  du^^X^e  rrjv 
cXcyBitty. 

0  Athen.  XIV,  p.  632'*  Seyofpdy^g  di 
xai  £6X(oy,  Seoyyig  xal  'PcnxvXidijg,  exi  di 
JJBQlctydQog  6  KoQiy&iog  iXeyeionoiog  xal  rtay 
XoLTJcjy  ol  firj  TiQoanyoyreg  TTQog  t«  notijfAixTtt 
fiBXtodiay  xtX. 

* »)  Procl.  Chrestoni.  p.  242»'. 


*)  Plut.  de  mos.  28.  'j4Qx^Xoxog  rtjy  xiav 
TQifXBXQOiy  ^v^fJtonoUay  nqwSB^BVQB, 

*)  Plut.  de  mus.  28.  hi  di  X(oy  la/ji- 
ßeltay  ro  ra  fiiy  XäyBff&ai  nagd  rtjy  xQovffiy, 
tu  d*  ^de€f&ai  'Ao^iXo^oy  (pttai,  xatadcT^av, 

«)  Athen.  XlV,  5.  636^».  iy  olg  .  .  rovg 
ittfAßovg  jjdoy,  iaußvxag  ixdXovy,  iy  olg  di 
naqeXoyl^oyxo  r«  iy  xovg  fAitqoig,  xX€\ffi>df4ßovg, 


774  S-  Metrik,    c)  Metrik  der  Griechen. 

In  der  späteren  Zeit  wurden  die  lamben  ebenso  wie  die  Elegie  mdit 
mehr  gesungen  und  von  Musik  begleitet;  daher  rechnete  man  sie  zu  dei 
inr^.  In  der  Tragödie  hat  sich  für  sie  der  Gebrauch  der  Parakataloge  noch 
erhalten  (Plut.  1.  c). 

Anmerkung.  Der  singende  Vortrag  des  iambischen  Gedichts  legt  die  Fiage  sich 
strophischer  Gliederung  nahe.  Der  volksmässigen  Weise  des  Archilochos  entsprach,  znmil 
bei  eintretendem  Refiain,  eine  s^-stemartige  Verbindung  mehrerer  Verse,  wie  sie  aadi  ii 
der  Tragödie  bei  den  zwischen  lyrischen  Strophen  stehenden  Trimetem  sich  zeigt  D« 
Nachweis  einer  solchen  Gliederung  ist  heute  nicht  mehr  möglich.  Vgl.  Wbstphal,  Ge- 
schichte der  alten  und  mittelalt.  Musik  p.  133  f. 

5.  Die  lyrische  Dichtung. 

111.  Wenn  sich  das  Epos  und  die  elegische  und  iambische  Dichtung 
noch  auf  einen  sehr  engen  Kreis  von  rhythmischen  Formen  beschränkt 
hatten,  so  führte  die  eigentliche  Lyrik,  indem  sie  aus  dem  unversiegbaren 
Quell  des  Volksliedes  schöpfte,  eine  überschwänglich  reiche  Fülle  von  neuen 
Gebilden  in  die  Eunstpraxis  ein.  Charakteristisch  ist  für  sie  im  G^ensatz 
zum  Epos  und  zu  der  lambendichtung  der  mannigfache  Wechsel  ebenso  in  der 
Form  der  Füsse  wie  in  der  Ausdehnung  und  Formation  der  Kola  und  ihrer 
Verbindung  zu  Perioden  und  Systemen. 

Die  lyrische  Poesie  ist  ihrem  Voi*trage  nach  entweder  monodisch 
oder  chorisch,  je  nachdem  sie  von  einem  Einzelsänger  oder  von  einer 
Mehrheit  von  Sängern  und  dann  in  der  Regel  mit  orchestischer  Bewegung 
ausgeführt  wurde. 

A.   Die  monodische  Lyrik. 

112.  In  der  monodischen  Lyrik  tritt  uns  der  Gegensatz  des  im  Dienste 
der  Gottheit  und  beim  festlichen  Agon  erwachsenen  religiösen  Gesangs, 
des  Nomos,  und  des  weltlichen  Liedes  (^)c^i^,  ^0*/*«),  das  meist  erotischen 
und  sympotischen  Charakter  trägt,  entgegen.  Jener  fand  vornehmlich  an 
den  Kultusstätten  des  Apollo,  besonders  in  Delphi,  dieses  hauptsächlich 
unter  den  lebhaft  angeregten,  leidenschaftlichen  Aeoliern  und  den  auf  hei- 
teren Lcbensgenuss  bedachten  loniern  seine  Pflege. 

a.  Der  Nomos.') 

113.  Die  Nomosdichtung  weist,  soweit  die  metrische  Seite  der 
Lieder  in  Betracht  kommt,  in  der  früheren  Zeit  nur  sehr  einfache  Formen 
auf,  da  die  musikalische  Leistung  in  den  Vordergrund  trat. 

Im  kitharodischen  Nomos,^)  welcher  unter  Begleitung  der  Kithara 
von  einem  einzelnen  Sänger  zu  Ehren  des  Gottes  vorgetragen  wurde,  be- 
stand der  poetische  Text  zuweilen  aus  durchgängig  langen  (vierzeitigen) 
Silben,  deren  je  zwei  zu  einem  achtzeitigen  anovdsToq  fx€tXo)v  oder  je  drei 
zu  einem  zwölfzeitigen  rgoxaTog  atjuccvrog  (lIji_jl_j)  oder  tatußoc  oq&ioc 
(lj  i_L  Lj)  sich  verbanden ;  vgl.  §  13,4.  So  z.  B.  in  dem  tgoxccTog  vo^ioq  und  dem 
oQO^iog  des  Terpander.3)    Das  gewöhnliche  Metrum  des  terpandrischen  Nomos 

')  Procl.  chrcstom.  p.  244  f.  W.  i   des  Terpandcr,  der  nach  seiner  Meinung  in 

-)  Plut.  de  mus.  c.  G.   Suid.  s.  v.  rojnog.  Hexametern  abgefasst  war  und   den  Namen 

')  Plut.  de  mus  p.  28.     E.  Ciraf,  Rhein.  oQ^hto^'  von  der  hohen  Tonlage    hatte.     Vgl. 

Mus.  4'^.    Bd.  p.  512  flf.    bestreitet    die   An-  |   0.    Crusius,    Wochenschr.    f.   klass.    Philol. 

Wendung  der  laußot  oQfhiot  im  yofiog  oQdcog  j    1887,  p.  1389. 


8.  Metrischer  Bau  nnd  Vortrag  der  griechischen  Dichtungen.  (§  111—114.)     775 

und  der  älteren  kitharodischen  Nomosdichtung  überhaupt  war  der  Hexa- 
meter. ^)  —  Der  Gesang  setzte  eine  strophische  Gliederung  voraus,  und  wohl 
nicht  mit  Recht  wird  eine  solche  schon  den  Nomoi  des  Terpander  abgesprochen. 
Erst  die  spätere  Zeit  der  monodischen  Agonistik  (seit  Timotheus)  gab  die 
systematische  Komposition  auf^)  und  nahm  die  Form  des  ctnoXsXvi^isvov 
an,  auch  führte  sie  einen  dem  alten  Nomos  fremden  Wechsel  der  Rhythmen 
ein,  wie  ihn  die  tragische  Monodie  uns  vor  Augen  stellt. 

2.  Der  aulodische  Nomos,  ein  Gesang,  welcher  von  einem  Einzel- 
sänger unter  der  Begleitung  eines  Flötenspielers  vorgetragen  wurde,  zeigt 
in  metrischer  Beziehung  grössere  Mannigfaltigkeit.  Ausser  dem  Hexameter 
kam  hier  das  Elegeion  zur  Anwendung,  aber  auch  die  anderen  Gestal- 
tungen des  daktylischen  Rythmus,  so  namentlich  das  sog.  eiöoq  xaxd  ddx- 
TvXov^^)  welches  Stesichoros  aus  den  aulodischen  Nomoi  übernahm;  ferner 
das  xar  ivönXiov  fidog^)  (s.  §  44);  auch  der  naicov  enißccxoq^)  und  der 
bakchcische  Rhythmus  wurden  schon  in  der  älteren  Aulodik  gebraucht. 

Die  Gliederung,  welche  der  kitharodische  Nomos  durch  Terpander  er- 
hielt'O  und  welche  auch  im  wesentlichen  der  aulodische  annahm,  zerlegt 
ihn  in  7  Teile,  einen  einleitenden,  das  ngooffiiov,  und  einen  abschliessenden, 
f^odiov  oder  iniXoyoq^  zwischen  denen  der  eigentliche  Nomos  in  der  Mitte 
steht.  In  ihm  gruppieren  sich  um  den  ofiKpaXog,  den  epischen  Hauptteil, 
welcher  der  Verherrlichung  des  Gottes  dient,  einerseits  die  etQxci  (Eingang) 
und  xaraTQOTid  (Übergang),  andrerseits  die  jueraxavaTQOTtd  (Rückkehr)  und 
die  atfQccyig  (Schluss). 

b.  Das  aeolische  Lied. 

114.  1.  Die  aeolische  Liederdichtung,  deren  Repräsentanten  für  uns 
Alkaios  und  Sappho  sind,  knüpft  ebenso  wie  der  Nomosgesang  an  den 
Kitharoden  Terpander  an,  der  selbst  auch  schon  heitere  Lieder  dichtete.  Der 
Singende  begleitete  sich  selbst  mit  Saitenspiel,  zu  dem  die  lesbische  Bar- 
bitos^)  gebraucht  wurde.  —  Der  Rhythmus,  dem  das  aeolische  Lied 
vorzugsweise  sich  zuwendete,  ist  der  logaoedische,  welcher  in  einer  reichen 
Fülle  von  Einzelformen  zur  Anwendung  kam,  nächstdem  der  daktylische, 
der  choriambische  und  ionische.  Die  Strophenbildung  ist  dem  Charakter 
des  leichten  Liedes  entsprechend  überaus  einfach  und  erinnert  an  die 
schlichte  Form  der  volksmässigen  Dichtung.  Die  Strophen  *)  sind  distichisch 
oder  tetrastichisch:  die  kürzeren  sind  isometrisch^)  d.  h.  sie  wiederholen  das- 
selbe Mass;  aber  auch  in  den  tetrastichischen  kehrt  zum  Teil  derselbe  Vers  zwei 
oder  dreimal  wieder  und  nur   das  epodische  Schlusskolon   bringt  eine  Ab- 


')  ProcI.  ehrest,  p.  245  \V.  »J^ww  fiiiQo) 
XQtjai'(i.t€yog.     Plut.  de  mus.  c.  4. 

-)  Aristot.  Probl.  XIX,  15.  Plut  de  mus. 
c.  6. 

^)  Plut  de  mus,  c.  7. 

*)  Plut.  do  mus.  29. 

5)  Plut.  de  mus.  10. 


')  Athen.  IV,  p.  175  D.  182  F. 

®)  Dionys.  de  comp.  c.  19,  p.  131.  fiixgag 
inotovyro  argotpag,  üi<ne  iv  oXlyoig  xoiXoig 
ov  noXXdg  Bhijyoy  tag  jLtexttßoXag,  int^^olg 
^k  ixQtoyro  oXiyoig, 

ö)  Heph.  p.  60,  65  W.  old  iait^  r«  iy 
ro>  ^evxiqi^  xai  tgltio  Santpovg,  iv  oig  xara- 


^)  Poll.  IV,  6(j,   wo    die   Teile  heissen:   |   fiergeiTat    fiiv    t^no    ihauxloSy    avtrj    <fl   rj 
6u(f(tX6g.  üffQttylg,  iniXoyog. 


77G  ^  Metrik,    c)  Metrik  der  Qrieohen. 

wechselung.  —  Die  Qliedening  des  Gedichts  ist  monostrophisch  (§  27)  und 
sein  Umfang  ein  massiger;  vgl.  Sapph.  fr.  1. 

2.  Charakteristisch  für  den  Versbau  der  Lesbier  ist  1.  die  Vermei- 
dung der  Zusammenziehung  in  daktylischen  und  der  Auflösungen  in  dak- 
tylischen wie  in  diplasischen  Füssen;  2.  die  freie  Gestaltung  des  ersten 
Fusses  im  Verse,  welcher  sowohl  bei  daktylischen  als  auch  bei  logaoedischen 
Bildungen  die  metrische  Form  des  Spondeus,  des  Trochaeus,  des  lambos 
und  des  Pyrrhichius  annehmen  konnte  (§  36);^)  endlich  3.  die  Häufigkeit  des 
rein  daktylischen  Auslautes.*) 

3.  Beliebte  Vers  formen  der  äolischen  Lyrik  sind  ausser  dem  sap- 
phischcn,  alcäischen  und  phaläkischen  Hendekasy Ilabus  (§  92)  und  dem 
kleineren  und  grösseren  Asklepiadeus  (§  95)  das  akatalektische  Tetrametron 
aiolikon  (Heph.  p.  25,7  W) 

'Egog  J'  avT€  fi    o  XvtfifieXijg  Sovel , 
das  logaoedische  Praxilleion  (Heph.  p.  25,io) 

o)  iid  T(üv  d-VQÜfdv  xaXov  ,€/ißX^7ioi(fay 

das  ionische  Praxilleion  (Heph.  36,6) 

nXT^QTjg  [uUr  itpaivex^  ä  asXdva 
und  das  akatalektische  ionische  Trimetron  (Heph.  p.  36,i4) 

KQrjatJai  vv  no-O^  oai*  ififieXeoDg  TroJfCCiv. 

4.  Die  beliebtesten  Strophenformen  sind  unter  den  vierzeiligen  die 
sapphische  (§  98,4),  welche  die  Dichterin  in  den  Gedichten  des  ersten 
Buchs  ihrer  Sammlung  gebrauchte,  und  die  alcäische  (§  98,5)»  beide 
von  Alkaios  erfunden  (Mar.  Vict.  p.  161,1?).  —  Von  den  distichischen  heben 
wir  hervor  die  aus  zwei  daktylischen  Pentapodien  bestehende,  welche  im 
ganzen  zweiten  Buche, ^)  und  die  aus  zwei  grösseren  Asklepiadeen  ge- 
bildete (§  08,1  fr.  69),  die  im  dritten  Buche  der  Sappho  (fr.  64 — 74)  zur 
Anwendung  kam.  —  Hypcrmetra  aus  reinen  lonikern  a  minore,  je 
zehn  Füsse  zu  einer  Periode  (einem  avar^^iia  ff  oixoimv)  verbunden,  ge- 
braucht Alkaios  in  strophischer  Wiederkehr  {xard  cx^o"«'),*)  Hypermetra 
aus  vier  logaoedischen  Paroemiaka  Sappho  fr.  52.  (vgl.  §  98,3);  ähnlich  ge- 
baut ist  ferner  die  gleichfalls  viergliedrige  Strophe  der  Sappho  fr.  90: 

rXvxsTa  fxccTfQ,  oihoi 

6vvajiiai  xQt'xrjv  tov  T<yio\\ 

TToO^fl)  Scififiaa  nmdoq 

ßqadivar  dC  ^AifQodiictv. 
Bemerkenswert  erscheint  endlich  die   in  einem  Stasiotikon  des  Alkaios  an- 
gewendete  Verbindung    des    zweiten   Glykoneion    mit    einer    glykonischen 
Ilexapodie  zu  einer  Periode,  die,  wie  es  scheint,  zweimal  gesetzt  eine  Strophe 
bildete,  fr.  15: 

Jl     _         _  ^.^^  J.     K^    [ \    ±     ~     _  \^^-  Zw     —     'S     J.     \^     —     A 

MaQfiaiQfi  dt^  fity^g  66/iiog  \  x«^^<J>  '  natrcc  6*  Aqij  xfxwSfxi^tm   ciäya 
h'tiiTiQaiaiv  xvviaiaij  xaz-idv  Xevxoi  xaivni-Q(}tv  Innioi  Xoifoi, 

M  Hopb.  p.  24.  *)  Heph.  p.  i>5,if.  und  p   65,5. 

')  Heph.  p.  24,11  f.  25,7  f.  *)  Heph.  p.  00  f. 


3.  Metrischer  Bau  und  Vortrag  der  griechischen  Dichtungen.  (§  115—116.)     777 

c.  Das  ionische  Lied. 

115.  Das  ionische  Lied  geht  in  den  meisten  seiner  Kunstformen 
auf  Archilochos  zurück,  welcher  den  Wechsel  längerer  und  kürzerer 
Glieder  (epodische  Bildungen)  und  die  Verbindung  des  geraden  und  un- 
geraden Rhythmus  (Daktylo-Trochäen)  einführte. 

Epodische  Distichen  aus  gleichartigen  Gliedern  sind  die  Zusammen- 
stellung des  daktylischen  Hexameters  mit  der  katalektischen  daktylischen 
Tripodie  und  desselben  mit  der  akatalektischen  spondeisch  ausgehenden 
Tetrapodie  (§  37)  und  das  iambische  Distichon  (§  63). 

Für  die  daktylo-trochäischen  Bildungen  dienen  als  Elemente  1)  von 
daktylischen  Formen:  der  Hexameter,  die  akatalektische  Tetrapodie,  so- 
wohl mit  spondeischem  als  mit  daktylischem  Ausgang,  die  katalektische 
Tripodie;  2)  von  anapaestischen:  das  Paroimiakon;  3)  von  iambischen: 
der  Trimeter,  sowohl  akatalektisch,  als  katalektisch  und  der  Dimeter ;  von 
trochäischen:  das  Ithyphallikon.  Diese  Elemente  aber  weiden  bei 
Archilochos  noch  nicht  zu  periodischer  Einheit  verbunden,  sondern  sie  stehen 
noch  selbständig  nebeneinander  und  sind  nicht  nur  durch  Caesur,  sondern  auch 
durch  Hiatus  und  Syllaba  anceps  von  einander  getrennt;  vgl.  §  79.  Die  Zahl 
der  so  mit  einander  verbundenen  Glieder  übersteigt  nicht  die  drei,  doch  lässt 
sich  vermuten,  dass  erst  durch  ihre  Wiederholung  die  Strophe  gebildet 
wurde.  ^) 

Von  lonikern  findet  sich  in  den  archilochischen  Dichtungen  noch 
keine  Spur. 

116.  Den  Einfluss  der  lesbischen  Liederdichtung  zeigt  das  ionische 
Lied  bei  Anakreon.  Bei  ihm  treten  neben  den  lamben,  Trochäen  und 
Daktylo-Trochäen,  welche  Archilochos*  Poesien  zeigen,  die  Logaoeden  und 
die  loniker  in  den  Vordergrund;  doch  behandelt  er  die  Logaoeden  in 
wesentlichen  Stücken  anders  als  die  Lesbier,  indem  er  die  Auflösung  zu- 
lässt  und  die  Freiheit  des  anlautenden  Fusses  (die  sog.  äolische  Basis)  be- 
schränkt. Bei  ihm  ist  der  Spondeus  am  häufigsten,  der  Trochäus  nur  selten 
zugelassen,  der  Pyrrhichius  niemals,  der  lambus  am  Periodenanfang.  Die 
daktylischen  Verse  des  Anakreon  lassen  neben  dem  Daktylos  nur  den 
Spondeus  im  Anlaut  zu.     Vgl.  §  89,2  und  36. 

Dagegen  gestattet  er  sich  die  Freiheit  des  Polyschematismus  in  dem 
Wechsel  verschieden  gestalteter  Formen  der  logaoedischen  Tetrapodie  bei 
stichischer  und  antistrophischer  Entsprechung.  (§  91  Anm.,  96,  97,2). 

Die  loniker  werden  von  ihm  vorwiegend  mit  Anaklasis  gebildet  und 
erscheinen  akatalektisch,  katalektisch  und  brachykatalektisch,  am  häufigsten 
als  Dimeter,  aber  auch  als  Trimeter. 

Bei  der  Systembildung  bevorzugt  Anakreon  die  Gruppierung  gleich- 
artiger Glieder,  so  dass  (Xvarrjfiara  i^  ofjioicov  entstehen  (s.  §  28),  doch 
pflegen  diese  nicht  ccTtsQioQiara  zu  sein,  sondern  sich  antistrophisch  zu  ent- 
sprechen. 

Die  Strophe  überschreitet  oft  schon   den  Umfang  der  lesbischen,  zu- 


*)  Gevaert,  Hist.  de  la  mus.  II  p.  337    I   stiques  se  groupaient  deux  ä  deux  de  ma- 
L^opinion  la  plus  probable  est  que  les  di-   |   niere  ä  former  une  suüe  de  quatrains. 


778  £•  Metrik,    c)  Metrik  der  GriecheiL 

weilen  besteht  sie  aus  zwei  (ungleich  grossen)  Hypermetern.     Die  Kompo- 
sitionsform aber  ist  wie  bei  Sappho  und  Alkaios  die  monostrophiscbe. 

Trochftisclio  llypormetra  in  ihrer  Entstehung  zeigt  fr.  75,  wo  je  drei  mkiitalek- 
tiBcho  und  ein  katalektiscnor  Dimeter  verbunden  sind,  jedoch  am  Ende  des  zweiten  Gliedes 
Hiatus  eintritt  —  lambischo  Dimeter  akatalektisch  in  stichischer  Folge  fr.  89,  90 
(Heph.  p.  17);  katalektisch  fr.  92.  -  lambotrochäisch  ist  fr.  88  (iambischer  Trimeter 
und  Ithyphallikon).  -  Daktylotrochäisch  ist  fr.  87  (iambischer Trimeter  und  daktyliscke 
Penthemimeres).  -  Das  Priapeion  erscheint  fr.  17.  18  (2.  Glykoneion  und  2.  Pfaere- 
kratoion  §  97,i)  und  (1.  Glykoneion  und  1.  Pherokrateion)  fr.  23.  —  Glykoneische 
Hypermetra  aus  vier  Gliedern  (§  97,i)  sind  fr.  4.  8.  14.  Glykoneische  Strophen 
(§  98)  aus  zwei  Hypermetern  (3  und  5  Glieder)  fr.  1.  u.  2.  —  Choriambisch-logaoedi- 
sche  Strophe  aus  4  Gliedern  (4  +  4,  4  -f-  4)  fr.  24  und  aus  f&nf  Giiedem  (4  +4, 
4  -f  4,  4)  fr.  21.  —  Ionische  Strophe  aus  vier  tlyaxhufieytt  fr.  43.  62.  Ionische 
Trimeter  fr.  50-54,  katalektisch  fr.  55,  ion.  Tetrametcr  fr.  47. 

B.  Die  Chorlyrik. 

117.  Das  Chorlied  trägt  seiner  Entstehung  nach  vorwiegend  reli- 
giösen Charakter,  es  dient  den  Zwecken  des  Gottesdienstes  und  erschallt 
bei  den  Götterfesten,  es  ist  ein  Lob-  und  Danklied,  ein  Gebet  um  Hilfe 
und  Beistand  in  der  Not,  ein  frohes  Jubellied  über  die  Macht  und  Grösse 
der  Gottheit,  über  Segen  und  Rettung,  die  sie  verliehen  hat.  Auch  das 
weltliche  Chorlied  verleugnet  den  Zusammenhang  mit  dem  Kultus  nicht 
gänzlich,  ob  es  nun  ein  fröhliches  Hochzeitslied  oder  eine  schwermütige 
Totenklage  ist  oder  auch  ein  Preislied  auf  einen  rühmenswerten  SterblicbeD. 

Der  Chor  besteht  aus  Männern  oder  Knaben,  aus  Jünglingen  oder 
Jungfrauen,  auch  zwei  Chöre  treten  neben  einander  auf.  Der  Führer  des 
Chores  ist  nicht  bloss  Leiter  und  Vorsänger,  dem  die  anderen  im  Gesänge 
sich  anschliessen,  sondern  führt  zuweilen  mit  jenen  einen  Wechselgesang  auf. 

Zur  Begleitung  des  Chorliedes,  welches  stets  einstimmig  gesungen 
wurde,  dienten  die  Zither  oder  die  Flöte,  auch  beide  im  Verein  mitein- 
ander. Den  Vortrag  begleitete  fast  stets  eine  schreitende  oder  tanzende 
Bewegung  des  Chors,  oft  auch  eine  lebhafte  Mimik. 

Die  Wahl  der  Rhythmen  bestimmte  sich  durch  den  Charakter  des 
Liedes  und  die  begleitende  Orchestik;  die  Rücksicht  auf  Chorgesang  und 
Tanz  bewirkte  einen  grösseren  Umfang  der  Strophen,  eine  reichere  Glie- 
derung und  kunstvollere  Anordnung  derselben,  als  beim  monodischen  Liede. 
Die  triadische  Kompositionsweise  nach  Strophe,  Gegenstrophe  und  Epode 
wurde  seit  Stesichoros  für  die  wichtigsten  Arten  der  Chordichtung  die 
herrschende  Form,  neben  der  die  monostrophische  zurücktreten  musste.  Erst 
die  späteste  Entwickelung  (im  jüngeren  Dithyrambus)  vertauschte  die  strenge 
Regel mässigkeit  der  Responsion  mit  der  Ungebundenheit  des  anoXfXvfAtrov. 

Unter  den  verschiedenen  Gattungen  der  Chorlyrik  sondern  sich  ihrem 
ethischen  Charakter  nach  von  einander 

1)  Die  ernsten  und  feierlichen  Lieder  zum  Preise  der  Götter  und 
Menschen:  Hymnen,  Paeane,  Prosodien,  Parthenien,  Enkomien, Epinikien u. a. 

2)  Die  heiteren  und  aufgeregten  Tanz-  und  Jubellieder,  vnoQxrjiiaia, 
nvQQi'xcii  u.  dgl. 

3)  Die  schwermütigen  Klagelieder,  O^Qf^roi,  olxroi,  emxt'jdsia. 

IIS.  Hymnen  sind  ihrem  Ursprung  nach  religiöse  Gesänge  zu 
Ehren  einer  Gottheit  am  Altare  gesungen  unter  Saitenspiel    ohne    eigent- 


3.  Metrischer  Bau  nnd  Vortrag  der  griechischen  Dichtungen.  (§  117—120.)    770 

liehen  Tanz.^)  In  der  ältesten  Zeit  bewegten  sie  sich  wie  die  Nomoi  in 
langgedehnten  Rhythmen  (vgl.  Arist.  Aves  1058),  später  wurde  das  dakty- 
lische Mass  üblich  und  bei  weiterer  Entwickelung  kunstvollere  Formen 
eingeführt. 

Einen  mehr  weltlichen  Charakter  trugen  die  an  den  Stil  des  Epos 
erinnernden  hymnodischen  Dichtungen  des  Stesichoros,  welcher  in  ihnen 
die  unter  dem  Namen  to  xard  ddxtvXov  eldog  bekannte  Strophenart  ^)  und 
die  daktylo-epitritischen  Bildungen^)  zur  Anwendung  brachte  und  damit 
in  die  Chorlyrik  einführte.  Er  schuf  umfangreiche  Strophengebilde  und 
ordnete  sie  regelmässig  xard  tgidda.  Die  Reste  der  Hymnen  des  Simonides 
(fr.  123),   Pindar  (fr.  29  flf.),  Bakchylides  (fr.  11)  sind  daktylo-epitritisch. 

119.  Die  Paeane  waren  ursprünglich  Gesänge  zur  Verehrung  des 
Apollo,^)  welchem  das  regelmässig  wiederkehrende  Epiphonem  Irj  Jlaidv^) 
oder  lr^i€  Ilaidv  galt,  teils  Bittgesänge  um  Hilfe  und  Abwehr  in  der  Not 
(vgl.  Soph.  0.  R.  186),  teils  Danklieder  für  Sieg  (vgl.  Hom.  IL  A'391)  und 
Rettung  aus  Gefahr;  daher  oft  freudig  und  lebhaft  in  ihrem  Charakter, 
aber  stets  ernst  und  feierlich,  gemessen  und  leidenschaftslos,^)  nur  von  mas- 
siger Orchestik  begleitet.  Später  wurde  der  Name  Paean  auch  auf  Lieder 
zum  Preise  anderer,  besonders  hilfebringender  Gottheiten  angewendet.'') 
Eine  besondere  Art  des  Paean  ist  der  sympotische,®)  welcher  zu  Ehren 
von  Göttern  oder  Helden  bei  Gastmahlen  von  den  Gästen  zusammen  ange- 
stimmt wurde. 

Dem  apollinischen  Kultus  entsprach  am  meisten  die  Begleitung  des 
Gesangs  durch  Zitherspiel,  doch  trat  allmählich  das  Flötenspiel  immer  mehr 
hervor  und  ist  für  den  sympotischen  Paean  das  übliche  gewesen.^) 

Die  ältesten  Paeandichter  Thaletas  und  Xenodamos  bedienten  sich 
des  paeonischen  und  anapaestischen  Rhythmus,  später  waren  die  Daktylen 
und  Daktylo-Epitriten  am  gebräuchlichsten.  Paeonisch  gehalten  ist  Simo- 
nides fr.  26,  Pindar  fr.  53,  daktylisch  die  paeanische  Parodos  in  Soph. 
0.  R.  151-166. 

120.  Nahe  verwandt  mit  den  Paeanen  sind  und  werden  oft  sogar 
geradezu  als  Paeane  bezeichnet  die  Prosodien,^^)  nqoaoiia,  Prozessions- 
lieder, welche  bei  feierlichen  Aufzügen  {nofinm)  zu  den  Altären  und  Tem- 
peln von  dem  in  langsamem,  feierlichem  Marsche  einherschreitenden  Chore 
gesungen  wurden.  Speziellere  Namen  sind  rfayrry^opixa,  waxoffOQixd^  naq- 
i}bVHa^^)    Das  begleitende  Instrument  war  bei  ihnen  die  Flöte. ^*) 


')  Procl.  ehrest,  p.  243  sq.  W.  o  xvQitas 
r/nyog  TiQog  xi^aQay  ßtfero  iarojtaty. 

')  In  den  a&Xa  ini  IleXltf  und  in  der 
rrjQvoyig. 

^)  In  der  'OQiüXBia,  der  'iXlov  nigaig  und 
der  'EXeya. 

*)  PiUstath.  z.  Hom.  A,  473  vfiyog  ris 
eig  'AnvXX(x)y€t  ov  fiovoy  ini  naviSH  Xoifjiov 
tidofisyogy  (cXXri  xtd  ini  Tiavoei  noX^uov, 

")  Hcph.  p.  72,1«  W.    Athen.  XV,  G96«. 

*)  Pliit.  Mor.  p.  389.  rerayfiiy^y  xal 
atüffQoyct  fxovaay, 

"')  Procl.  ehrest,  p.  244  W.     Bi^og  i^&rjg 


eig  Tiäyrag  yvy  yQ<xg>6fAeyog  ^sovg  *  to  di 
naXaioy  iditjg  aney^fiezo  r^  AnoXXtayi  xai  rj 
*AqxifAi6i,. 

8)  Alcin.  fr.  22.  Plat.  Symp.  p.  176*. 
Xenoph.  Symp.  2,i. 

»)  Archil.  fr.  76.    Plut.  Lys.  11. 

'*)  Procl.  Chrestoni.  j.  244  W.  nqoao- 
6ioy,  inet'ddy  nQoalüxn  roig  ßcjfiotg  ij  yaoig. 
Vgl.  Etym.  M.  690. 

^^  Procl.  ehrest,  p.  247-249. 

**)  Procl.  p.  244  iy  r^  nQoaieyai  ßdero 
TfQog  ttvXoy. 


780  S-  Metrik,    c)  Metrik  der  Griechen. 

Die  Wahl  der  Rhythmen  war  bedingt  durch  die  schreitende  Bewegung 
des  Chores.  Daher  sind  die  Marschrhythmen  fast  ausschliesslich  als  Mass 
der  Prosodien  angewendet,  insbesondere  das  anapaestische  ProsodiakoD 
(§  44)  und  das  logaoedische  Prosodiakon  (§  90),  beide  in  ihrer  vollstän- 
digen und  (im  Periodenschluss)  in  ihrer  katalektischen  Form  und  meist  in 
hypermetrischer  Verbindung.  Die  Verbindung  zweier  Prosodiaka  fQhrt 
daher  Mar.  Victor.  VI,  p.  145,i9  K.  als  Metrum  Thesmophorion  auf  in 
der  Form 


_     ^     __  I  .     _  -^^^-^  _:.  v>^  _ 


und  in  katalektischer  Form  p.  77,i7  K. 


_      J.  «^^^^    Z.     —      Jl   K-*^  _  v>>-»  _  is_ 


Auch  daktylischer  Rhythmus  kam  oft  in  den  Prosodien  vor,  so  in  dem 
Fragment  des  Eumelos  und  den  Nachbildungen  in  der  Tragödie  und  Ko- 
mödie. Die  der  kunstmässigen  Lyrik  angehörenden  Prosodia  von  Pindar 
(fr.  87—93)  und  Bakchylides  (fr.  20.  21)  zeigen  für  die  Daktylo-Epitiiten 
besondere  Vorliebe. 

Ans  anapaest.  Prosodiaka  besteht  der  naniy  nqwso^wxo^  auf  Ljrsander  (Bebge 
V\A\.  II,  p.  <)73);  aus  logaoodischcn  der  Prozessionsgesang  der  Frauen  Arist  End. 
290—299  -^  300—310;  der  Mystenchor  der  Frösche  (nach  iambischem  Beginn)  v.  450  ff.  = 
456  ff.,  das  Festlicd  der  Thesmophoriazusen  (teilweise  iambisch)  969  ff.  =  977  ffl ;  der  Wecfase^ 
gcsang  Equit  v.  1111  ff. 

DaKtylisch  ist  die  Exodos  von  Acschylos*  EumeDiden  v.  1032  ff.,  wo  nach  daktyl. 
Tetrapodien  und  Hexapodien  der  Refrain  die  r  orm  des  Paroemiakos  hat.  Die  Proiession 
besteht  aus  Tempeldienerinnen,  welche  das  Lied  singen,  den  Areopagiten  und  den  Erin- 
nyen,  welche  beim  Ephymnion  einfallen. 

Anapaestiscn  ist  das  Prosodion  bei  Aristoph.  Ran.  372  ff.  =  377  ff.  (lauter  spon- 
deische  Füsse). 

Ionische  Strophen  bilden  das  Sclilusslied  in  Aeschylos  Suppl.  1018 — 62,  das  die 
Form  eines  Wechsolgcsangs  trögt.  Aus  ionischen  Hypermetra  besteht  der  prosodiscbe 
Pacun  des  Isyllos. 

iambisch  \ai  das  Phallophorenlied  bei  Aristophanes  Ach.  263  ff.  und  z.  Teil 
Thesm.  9«  19. 

121.  Dem  rhythmischen  Charakter  nach  stehen  den  Prosodien  sehr 
nahe  die  EmbaterienO  (ßf-ißccii]Qia  (.uXt^),  Marsch-  und  Kriegslieder, 
welche  vornehmlich  bei  den  Spartanern  gebräuchlich  waren.  Sie  wurden 
beim  Auszuge  in  den  Kampf  und  beim  Angriff  auf  den  Feind  gesungen 
und  waren  oft  mit  einem  paeanischen  Gesänge  verbunden.  Die  Flöte 
war  das  zur  Begleitung  übliche  Instrument,  doch  rühmt  Alkman  fr.  35 
auch  das  Zitherspiel  für  den  Kriegsgesang. 

Der  eigentliche  Marschrhythmus,  der  anapaestische,  liegt  in  den 
beiden  Bruchstücken  von  Embaterien  vor,  welche  dem  Tyrtaeus  zuge- 
schrieben werden,  fr.  15  (katalektische  Dimeter): 

ay€T\  ü)  ^Tidgrac  fvcivdQov 
xovQoi  nateqoav  noXiarav 
und  fr.  IG  (Tetrameter): 

ctyf^T\  0)  ^näqiag  honXoi  xovqoi^  not)  rciv  "AQ€wg  xivadv. 
Ausser  den  dipodisch  gegliederten  Anapaesten  wird  auch  der  Prosodiakos 

*)  Athen.  XIV,  p.  G30  f.  efijiariJQiafieXTj,  in  proeliis  ad  inccniirum  virium  per  tibias 

itTiBQ  xui  frÖTfXifc  xidemu.  Mar.  Vict.  p.  77,s4  canunt    incedentes    ad  ped^m   ante    ipsum 

idem  {metrum)   et  cmbaterion  dicitur,   quod  \  pugnac  initium.     Gemeint  ist  hier  das  Mff- 

est  proprium  Carmen  Laccdaemouiorum.  Id  ■   seniacum  (katal.  anap.  Trimeter). 


8.  Metrischer  Ban  nnd  Vortrag  der  griechischen  Dichtnngen.  (§  121—123.)    781 

oder  das  fVoTr/ior  im  Marschliede  gern  gebraucht.  Xenoph.  Anab.  VI,  l,ii. 
l^taav  €v  ^vd^fi^  nqog  xov  ivonXiov  ^v^pidv  avXovfievoi.  Auch  der  dakty- 
lische Rhythmus  kam  in  den  Marschliedern  zur  Anwendung,  z.  B.  in  den 
Kriegselegien  des  Tyrtaeus.  —  Die  beliebteste  Kompositionsform  ist  die 
der  avatr-fiara  e^  ofxoioav, 

Nachbildungen  von  Marschliedern  bietet  das  Drama,  namentlich  in 
den  Parodoi,  wo  die  anapaestischen  Hypermetra  in  der  Tragödie  die  typische 
Form  für  das  Auftreten  des  Chors  sind,  wie  die  Tetrameter  in  der  Komödie. 
Anklänge  an  die  Weise  des  Kriegslieds  finden  sich  bei  Aristoph.  Av.  400 
bis  405  (anap.),  Soph.  0.  R.  466  flf.  (log.  Prosodiaka),  469  flf.  (anap.),  Oed. 
Col.  1044  flf.  (Prosodiaka). 

122.  Auch  die  Hymenaeen,^)  Hochzeitslieder,  welche  die  Braut  in 
das  Haus  des  Gatten  geleiteten,  von  Jünglings-  und  Jungfrauenchören  unter 
Begleitung  von  Auloi  und  Phormingen  (II.  XVHI,  493  flf.)  gesungen,  be- 
rühren sich  in  ihrem  rhythmischen  Charakter  mit  den  Prosodien.  Als  Bei- 
spiele können  die  beiden  Hymenaeen  in  Aristoph.  Pax  v.  1329  flf.  und  Av. 
1731  flf.  dienen.  Der  Rhythmus  ist  in  beiden  der  prosodische,  je  drei  oder 
mehr  (logaoedische)  Prosodiaka  sind  zu  einem  Hypermetron  verbunden, 
welches  mit  katalektischer  Reihe  abschliesst.  Der  Refrain  ist  T/«/Jr  ^Yfitvat 
ci  oder  '^yiurjv  d  "^Yfitvau,')    Der  Vortrag  ist  amöbäisch. 

Die  Epithalamien,  Gesänge,  welche  dem  neuvermählten  Paare  zu 
Eliren  vor  dem  Brautgemache  angestimmt  wurden,  3)  haben  den  Charakter 
des  Prosodions  nicht. 

Die  Hochzeitlicder  der  Sajppho  (fr.  91 — 117)  sind  nicht  für  Chorgesang  bestimmt  ge- 
wesen. Von  den  Catull sehen  Hochzeitsgedichten  (61.  ()2)  ist  das  hexametrische  Epithu- 
lamium  (n.  62)  ein  Wechselgesang  zweier  Chöre  (iuvenes  und  virginea)  und  in  strophische 
Versgruppen  geteilt,  die  mit  dem  Refrain  Uymeti  o  Hymenaee,  Hymeti  ades  o  Hymenaee 
schliessen  (v.  1- 19  Prolog;  v.  20  -  59  Wechselgesang;  v.  CO— 67  Epilog.).  Nr.  61  be- 
steht aus  glykoneischen  Systemen  von  je  5  xcJAa. 

123.  Die  Tanzlieder.  Athenaeus  XIV,  p.  630  unterscheidet  drei 
Arten  der  lyrischen  oqx^]^^^^  nämlich  erstens  die  kriegerische  ^vqqix^j^ 
welche  von  Jünglingen  im  Waffenschmuck  getanzt  wurde  und  sich  durch 
ihr  schnelles  Tempo  auszeichnete;^)  zweitens  die  yviivonaiiixri^  die  er 
wegen  des  Ernstes  und  der  Gemessenheit  (ßaqv  xal  ae^iviv),  die  ihr  eigen 
war,  mit  der  tragischen  «jUjUe'Aaa  vergleicht;^)  drittens  die  vTtoQXf^if^ccrixij, 
einen  heiteren,  von  Jünglingen  oder  Jungfrauen  aufgeführten  Tanz,  der 
von  fröhlichem  Gesänge  und  lebhafter  Mimesis  begleitet  war.^)  —  Die 
Pyrrhiche  ist  kretischen  Ursprungs,  die  Gymnopaidike  spartanisch,  das 
Hyporchema  wahrscheinlich  wie  der  xoQda^  ionisch,  doch  wurde  es  auch 
in  Kreta  und  Sparta  eingeführt  und  allgemein  üblich,  besonders  durch  die 
Partheneia  (Tanzlieder  für  Jungfrauenchöre)  des  Alkman. 

Von  dem  pyrrhichistischen  Tanz  und  der  rhythmischen  Form  des 

M  Procl.  ehrest,  p.  247  W.   Athen.  XIV,  etyai  ij  nvQglxfj,     eyonXoi  yuQ  avrijy  Ttaideg 

p.  Gl 9'*.  oQxovvxtti. 

*)  Über  den  Hymenäusruf  vgl.  A.  Riese  ^)  Athen.  1.  c.  17  yvfxyfmtd^ixiij  nagsfi- 

zu  Catull  61,4  f.  I    ^pBQTJg  t^  XQttyix^oQxv^^i.  ib.  p.  031»  yvfiyol 

')  Procl.  ehrest,  p.  246  W.  r«  int&aXa-  oqxovyxm  ol  nwdcg  Ttäyreg, 
(jiui  xoTg  ((QTi  x^aXafiBvofiiyoig  ü/Att  ol  rjt^BOi  ^)  Athen,  p.  63P   ij  vnoQxtjfittxtxrj  iaxiy^ 

xai  (tl  Tja^f^t'yot  inl  xtHy  &aXdfj(oy  ^doy.  iy  ^  ^tdoiv  o  x^Q^S  oqx^^^^m  ....  xai  iany 

*)  Athen.  XIV,  p.  630^.    noXefiixtj  doxet  oqxv^^^  ayd^foy  xai  yvyiaxioy. 


7g2  S«  Metrik,    c)  Metrik  der  Qriecheil. 

ihn  begleitenden  Lieds  gibt  Aristoph.  Aves  327—335  =  343 — 351  me 
Vorstellung,  wo  der  erste  Teil  der  Strophen  anapaestisch,  der  zweit« 
päonisch  ist  und  in  beiden  Füssen  zahlreiche  Auflösungen  zur  Anwendung 
kommen. 

Für  das  Hyporchem  ist  am  beliebtesten  der  durch  Lebhaftigkeit  und 
Bewegung  ausgezeichnete  päonische  Rhythmus,  welcher  schon  f&r  die 
hyporchematischen  Dichtungen  des  Thaletas  und  des  Xenodamos  bezeugt  ist 
und  auch  von  Alkman  (fr.  38)  und  Bakchylides  (fr.  23.  3L)  angewendet 
wurde.  In  der  späteren  Zeit  waren  im  Hyporchem  besonders  die  Daktylo- 
Trochäen  gebräuchlich,  während  die  ihrem  ethischen  Charakter  nach  ganz 
verschiedenen  Daktylo-Epitriten  nicht  vorkamen. 

Die  antistrophische  Kesponsion  war  im  Hyporchem,  wenn  auch  nicht 
völlig  ausgeschlossen,  so  doch  nicht  üblich,  weil  sie  für  die  Mimesis  hin- 
derlich war. 

Der  Vortrag  dos  Hyporchems  war  in  der  ältesten  Zeit  von  der 
Zither  begleitet;  in  der  Blütezeit  des  griechischen  Chorlieds  aber  war  die  Flöte 
das  übliche  Instrument,  doch  kam  auch  eine  Vereinigung  von  xi^ccQa  und 
uvXoi  vor.  Die  Vereinigung  von  Tanz  und  Gesang  erfolgte  anfangs  so, 
dass  dieselben  sangen  und  zugleich  tanzten,  später  tanzte  der  eine  Teil 
während  der  andere  den  Gesang  vortrug.') 

In  dem  von  Athen.  XIV,  p.  ()29  erhaltenen  sog.  Anthemalied  (Blumentanz)  ist  der 
Rhythmus  der  iam bische: 

7t ov  fioi  Ttt  ^oda.  71  ov  fioi  Tii  Ut,  7t ov  uoi  td  xaXd  aehya; 
Tttdi  TOT  ^oiftCf  radi  ni  ta,  jadl  rd  xaX(^  aeXiya. 
Auch  das  alloiostrophische  Tanzlied  hei  Sophokles  Trach.  205—221  ist  fast  aasschliesslich 
iambisch  gehalten,  nur  eine  daktylische  Reihe  eingemischt. 

Daktylo-trochäisch  sind  die  Hyporcheme  von  Alkman  fr.  1.  Pratinas  fr.  1. 
Pindar  fr.  111.  Simonides  fr.  30.  Eurip.  Bacch.  570.  Aristoph.  Lysistr.  1247,  1279,  1297. 
Avos  737. 

Logaoedisch  sind  Sophokles  Ai.  693  ykpgt^'  tQourt,  7t€Qix^Q^S  d'  ayeTTnefiav  und 
Antig.  1115,  beide  antistrophisch  gebaut. 

Trochäische  und  logaoedische  Glieder  verbinden  sich  in  dorn  Partheneion  des 
Alkman  auf  die  Dioskuren  fr.  23,  welches  die  Anfänge  der  triadischen  Komposition  zeigt, 
indem  auf  zwei  gleich  gebaute  Perioden  eine  dritte  ungleiche  als  Nachgesang  folgt.  Die 
ganze  Torikope  besteht  aus  14  Gliedern,  der  Nachgesang  aus  0. 


€(. 

2_ 

v^ 

— 

v^ 

/ 

K.J 

— 

7   ~ 

— 

NoS^ 

— 

v-/ 

Li 

— 

— 

v^ 

— 

W 

— 

\J 

— 

»   ~ 

— 

\.A^ 

— 

<J 

Li 

— 

«'. 

/ 

KJ 

— 

■— / 

— 

■^ 

— 

»^ 

— 

V^s-» 

— 

\^ 

Li 

-. 

\^ 

— 

V^ 

— 

V^ 

— 

»   ~ 

— 

K^^ 

— 

v^' 

lL 

— 

,< 

_/ 

•—' 

— 

v_*' 

— 

•-' 

— 

^V 

— 

\^ 

— 

x_ 

j_ 

V^ 

— 

— 

v^ 

— 

v_^ 

— 

v./ 

— 

— 

_/ 

V^ 

— 

— 

-'- 

V^' 

— 

~ , 

..'. 

V^ 

— 

— 

/ 

v^ 

— 

/ 

\^^ 

v>«.^ 

^^ 

_ 

^^ 

t(ig  f/btag  dyeipcdg  'JytjaixoQicg  tTtayx^fi^ 
«'.     xQvoog  iüg  (ixfjgaTog,  tü  r*  aQyvQiof  TiQoacjTioy 

dittcpudctv         ri  rot  Xfyo);  —  \iyi]aij(6Qi(.  fxty    nvrn. 

')  Lucian  de  salt.  IH.  Ttcutttoy  /o^oi  ]  /oriTo*  fir\  irtenftj  xiyov^tyuiv  xo  aa^uR 
irrfÄt^üiTfc  V71*  uvXm  xai  xixfaQtt  ol  fAty  '  tijy  todt]y  iiÜQaTreyj  dfjteiyoy  tdo^ey  ttXXovi 
h/ooevor.   viuüQYovyto    6t    ol   uQtaroi.     ibid.    ',    rrtiidety. 


30.     7t(ik((t     —  ol   €tvToi     xai    [idoy    X(U   ü}Q- 


3.  Metrischer  Bau  und  Vortrag  der  griechischen  Dichtungen.  (§  124.) 


783 


l'nnog  eißijyu)  KoXa^aTog  dgaueirai. 

ral  TteXeittdeg  yag  dfily  X)Q&i^t  (pagog  tpegolaaig 

yvxra  di    dfißgoaiay  kxb  aiqqioy 

KüXQoy  avHQOfi^yai  fda^oytai. 

124.  Der  Dithyrambos,^)  ursprünglich  ein  bakchisches  Festlied  zu 
Ehren  des  Gottes  von  dem  schwärmenden  O^iaaog  gesungen,  erhielt  seine 
kunstmässige  Gestalt  durch  den  lesbischen  Kitharoden  Arion,^)  welcher 
in  Korinth  um  600  v.  Chr.  den  kyklischen  Chor  ordnete,  dem  er  selbst 
als  Vorsänger  (^^agxog)  vorstand.  Seine  weitere  Ausbildung  erhielt  er  in 
Athen  durch  Lasos,^)  an  dessen  Namen  sich  die  Stiftung  des  dithyram- 
bischen Agon  knüpft.  Der  Chor  bestand  aus  50  Sängern,  welche  um  den 
Altar  des  Gottes  ihre  Tänze  aufführten.*)  —  In  dem  jüngeren  Dithyramb 
wurden,  als  das  mimetisch-dramatische  Element  mehr  zur  Geltung  kam, 
zuerst  von  Philoxenos  zwischen  die  Gesänge  des  Chors  auch  Einzel- 
lieder''*) {fithj),  welche  ein  Mitglied  des  Chors  vortrug,  eingeschoben,  so 
dass  das  Ganze  einem  Oratorium  ähnlich  wurde.  Krexos  führte  sogar  die 
Parakataloge  d.  h.  die  Deklamation  unter  Begleitung  eines  Saiteninstruments 
in  den  Dithyrambos  ein.^) 

Der  Kitharode  trat  offenbar  mit  der  Zither  unter  seinen  Chor;  später 
wurde  die  Flöte  das  leitende  Instrument;  in  den  Zeiten  reicherer  Instru- 
mentation wirkten  avXoi  und  xiO^dqa  zusammen  bei  den  dithyrambischen 
Aufführungen.    Der  begleitende  Tanz  hiess  tvqßaaiaj) 

Da  in  seiner  früheren  Entwickelung  der  kunstmässige  Dithyramb  noch 
nicht  den  erregten  Charakter  trug,*)  welcher  ihm  später  eigentümlich  wurde, 
war  das  allgemein  übliche  Metrum  bei  den  Hauptvertretern  desselben  das  dak- 
tylo-epitritische,  wie  es  noch  in  den  Fragmenten  von  Pindars,  Lamprokles', 
Likymnios'  Dithyramben  sich  zeigt.®)  Auch  Melanippides  wendet  es  noch 
in  den  Danaiden  und  im  Marsyas  an,  wenn  auch  mit  einigen  Abweichungen 
von  dem  älteren  Stil;  ebenso  Philoxenos  im  Deipnon. 

Der  jüngere  Dithyrambos  aber  liebte  grösseren  Wechsel  und  aufgeregtere 
Rhythmen  :i<^)  seit  Melanippides  wurde  der  antistrophische  Bau  aufgegeben 
und  an  Stelle  desselben  die  Gliederung  durch  avaßoXaC  eingeführt.*^)  Für 
den  dithyrambischen  Stil  dieser  Periode  dürften  die  Bakchen  des  Euripides 
als   Beispiel  dienen.     Der  ionische   Rhythmus  kommt  auch  bei   Timotheus 


')  Proci.  ehrest,  p.  244,^»  W.  o  di&v- 
Qctfxßog  yQ(((fBTat,  fi^y  eig  Jioyvaoy,  ngoüa- 
yoQ€v€rca  cf^  £|  (tvrov.  —  Fiat.  Legg.  III, 
p.  700B. 

'^)  Herod.  I,  23.  \4giova  toy  Alrj^vfi- 
yfdoy  .  .  .  dcßvQajußoy  ngtutoy-noiriaayTu  xe 
X(d  ovyofAiiaayrrc  xctl  (fidu^(cyT€(  iy  Kogly&(0, 
Procl.  1.  c.  (Jgliüy),  ög  Jigiürog  toy  xvxhoy 
TJyctye  /ogoy. 

^)  Plut.  (lo  mus.  29.  Clem.  Alex.  Strom. 
I,  p.  3G5.  Schol.  Arist.  Av.  1403. 

^)  Schol.  Aesch.  Tim.  10.  lüxnoay  ney- 
TtjxoyT((  TJcdöüjy  ^ogoy  fj  uvdgiay.  —  iy  xol^ 
Xogo7g  roTg    xvxXioig  fÄsaog    laxuxo   avXt]Xijg; 

^)  Plut.  de  mus.  30.  Ugicxofpaytjg  6 
xcjfAixog  fjyi'jfjoyevei  4'iXo^iyov  xai  (pfjaiy,  öxi 


cig  xovg  xvxXiovg  jjfo^ot;?  /niXtj  ehijyiyxaxo. 

«)  Plut  de  mus.  c.  28. 

')  Pol!.  IV,  104.  Hesych.  s.  v.  /o^wv 
dytoyij  xtg  di&vgafjßixuiy. 

*)  Dionys.  de  comp.  19.  nagd  ys  xoTg 
ugxüioig  xexay/ndyog  tjy  6  dt&vgafißog. 

»)  Find.  fr.  72.  74.  77.  78.  79.  81;  loga- 
oedisch  ist  fr.  75.  Lamprocl.  fr.  1.  Licymn. 
fr.  I.  3. 

»0)  Procl.  Chrestom.  p.  245,i4  W.  saxiy 
6  di&vgafjßog  x€xi>yi]f4^yog  xai  noXv  x6  iy&ov' 
ciüideg  fiexti  x^geiag  ifAfpalytoy  —  xai  ceno- 
ßtfxai  (ihy  Xfft  TOM?  §v&fioTg  xxX, 

**)  Aristot.  Rhet.  III,  9,6,  vgl.  Arist.  Av. 
1385,  Pax.  830. 


784  B-  Metrik,    c)  Metrik  der  GhrieoliMi. 

fr.  11.  12  und  Telestes  (mit  grosser  Freiheit  in  den  Auflösungen)  zur  An- 
wendung. 

125.  Das  Enkomion*)  ist  ein  Preisgesang  auf  ausgezeichnete  Männer 
und  hat  seinen  Namen  von  dem  xcjfnog^  bei  dem  es  gesungen  wurde.  Eine 
Abart  desselben  ist  das  Epinikion,^)  das  Siegeslied,  welches  bei  dem  fest- 
lichen Einzug  des  Siegers  in  einem  der  Festspiele  oder  auch  nach  seiner 
Rückkehr  beim  Festmahle  vorgetragen  wurde. 

Simonides  gab  dem  Epinikion  seine  litterarische  Gestaltung;  ihm  folgte 
Pindar  und  Bakchylides.  Der  metrische  Bau  war  in  der  Regel  der  triadis(^. 
nur  wenige  der  pindarischen  Siegeslieder  sind  raonostrophisch  gebaat. 
(Ol.  14.  Pyth.  G.  12.  Nem.  2.  4.  9.  Isthm.  7.) 

Der  Rhythmus  in  den  Epinikien  des  Simonides  und  Pindar  ist  vor- 
wiegend der  daktylo-epitritische  und  der  logaödische.  Nur  Ol.  2  ist  pä- 
onisch  und  Ol.  5  daktylo-trochäisch.  Über  die  Unterschiede  im  Stil  der 
Dichter  vgl.  8  85  u.  101. 

Der  Vortrag  der  Enkomien  und  Epinikien  war  Chorgesang  begleitet 
von  Phorminx  oder  Flöte,  oft  auch  von  beiden  zusammen.  Vgl.  Arist 
Nub.  1354  f. 

126.  ^Das  Skolion^)  war  ursprünglich  kein  Chorlied,  sondern  ein  voc 
einzelneu  Gästen  beim  festlichen  Mahle  zur  Lyra  gesungenes  Lind,  das  auch 
in  seiner  metrischen  Gestalt  den  Charakter  der  monodischen  Dichtung  an- 
sich  trug.  Terpander  wird  als  „Erfinder"  {evQ€Ti}g)  dieser  Art  Skolion 
genannt*)  und  die  Rhythmen  der  erhaltenen  Skolien  (Bergk,  PL6.  III* 
p.  043  ff.)  erinnern  an  die  äolische  Melik. 

Das  für  den  Vortrag  durch  einen  Chor  bestimmte  Skolion  nähert  sich 
in  hohem  Grade  dem  Enkomion.  Pindars  Skolien  (fr.  122  fF.)  sind  fast 
ausschliesslich  im  daktylo-epitritischen  Masse  gehalten  und  zeigen  anti- 
stro]>hische,  resp.  triadischc  Gliederung;  ebenso  Timokreon  fr.  1.  Das 
Paroinion  des  Bakchylides  fr.  27  ist  gleichfalls  daktylo-epit ritisch,  aber 
nionostrophisch  gebaut  und  sehr  einfach  in  seiner  Zusammensetzung. 

127.  Der  Threnos-»)  ist  in  seiner  alten  volkstümlichen  Gestalt  ein 
Wechselgesang  einzelner  Sänger  und  des  in  den  Klageruf  einstimmenden 
('hors,  wie  ihn  die  homerische  Ilias  Ä  718—776  schildert.  An  diese  kom- 
matische  Form  des  Klagegesangs  hat  sich  die  Tragödie  in  ihren  Kominoi 
und  Threnoi  angeschlossen;  dagegen  ist  in  den  Threnoi  der  klassischen 
Lyriker,  soweit  die  wenigen  Keste  ein  Urteil  gestatten,  eine  Verteilung  des 
Gesangs  unter  den  Chor  und  Einzelsänger  nicht  angewendet   worden. 

Für  die  den  Trauerzug  geleitenden  Gesänge  eigneten  sich  vornehmlich 
die  Klaganapaeste  als  Metrum,  wie  sie  z.  B.  Euripides  in  der  threnodischen 
Parodos  der  Troades  gebraucht  hat.     Die  dorische  Kunstlyrik  liat  sich  im 

*)  Etyni.  <Jud.  j>.  540.    «  /nsy  v/jvof  irii  XV,  p.  ^>49. 

»9for  Xtyei((i,  Tu  &i  iyxoijuioy  fjil  ((yfh(}(07iov.  \            *)  Pliit.  de  imia.  c.  28. 

Vgl.  riüd.  ehrest,  p.  24.%<o  W.  |            ^')  rrocl.  Chrcstom.  p.  247  W.     dtatftQV 

■•')  Procl.    p.   240,14  W.     o    tnh'ixog    vn'  '    rov  iriixtjdsiov  6  ^^Qijyog,    ort    tv  fd^y  i:itti- 

uvfot'  tot'  xatQoy  T?;c  t'ixtj<;  toiV  7i(}oTe(}ovaiy  ,    (feioy  tkkq    avro    t6   xijdog    tri    rov   aoitAaföi 

(y  toTk   tiyo)(riy  FyQ(((f€To.  'iQOXfiut'yov   Af'yfrai,    6    tff    y^Qt^yog   ov  7i(M- 

■'•)  Piocl.    ehrest,    p.  24<l,irt  W.     Athen.  y^ihferca  XQ^^'^i^- 


d.  Metrischer  Bau  und  Tortrag  der  grieohiachen  Dichtongen.  (§  125—128.)     785 

Threnos  mit  Vorliebe  der  Daktylo-Epitriten  und  der  loniker  bedient,  vgl. 
Simonides  fr.  32  (lonici)  und  57  (Daktylo-Epitriten  mit  schliessendem 
Ithyphallikon);  Pindar  fr.  129-139. 

Der  Threnos  schloss  die  Lyra  aus;  der  Aulos  war  das  seinem  Charakter 
entsprechende  Instrument. 

Litteratur.  Allgemeineres:  Westphal,  Geschichte  der  alten  und  mittelalterl. 
Musik.  Breslau  1865.  —  Th.  Bebgk,  Griechische  Litteraturgeschichte,  I.  II.  Berlin  1872. 
83.  —  W.  Christ,  Die  Komposition  und  der  Vortrag  antiker  Dichtungen  in :  Metrik''  p.  597  ff. 
—  F.  A.  Getaert,  Historie  et  thäorie  de  la  musique  de  l'antiquit^.  II.  Gand.  1881.  — 
H.  Flach,  Gesch.  d.  griech.  Lyrik.  Tübing.  1883.  84. 

Spezielleres:  H.  Useneb,  Altgriech.  Versbau.  Bonn  1887.  —  H.  Walthbr,  De 
graec.  poesis  melicae  generibus.  Hai.  1866.  diss.  —  Westphal,  Die  metrische  Komposition  der 
lyrischen  Dichtungen  in:  Metrik  H*^  P.  271  ff.  =  IIP,  1  p.  207  ff.  Ders.  Der  Terpandrische 
Nomos  in:  Prolegomena  zu  Aeschyl.  Tragoed.  Leipz.  1869.  p.  69  ff.  —  Guhbauer,  Zur  Gesch. 
der  griech.  Aulodik.  Waidenburg  i/Schles.  1879.  —  H.  Keimann,  Studien  z.  griech.  Musik- 
geschichte. A.  Der  Nomos.  Ratib.  1882.  —  0.  Cbusius,  Üb.  die  Nomosfrage  in :  Verhandigg. 
der  39.  Philol.  Versammig  (Zürich).  Leipz.  1888  p.  258—76.  u.  Wochenschr.  f.  klass.  Philol. 
II,  p.  1293  ff.,  IV,  p.  1380  ff.  —  H.Reimank,  Die  Prosodien  der  Griechen.  Glatz  1885  Progr.  -  - 
H.  Walther,  De  Graecorum  hyporchematis.  I.  Bochum  1874  Progr.  —  W.  Körber,  De 
Graec.  hymenaeis  et  epithal.  VratisL  1877.  —  Engblbbbcht,  De  scoliorum  poesi.  Wien  1882. 

6.  Das  Drama. 

128.  Im  Drama  vereinigt  sich  das  lyrische  Element  des  Chorliedes 
mit  dem  epischen  des  rezitierenden  oder  deklamierenden  Einzel  Vortrags 
zu  einem  noirnxa  (iixrov :  der  dionysische  Lobgesang  des  Dithyrambos  einer- 
seits, die  phallophorischen  Prozessionslieder  andererseits  bildeten  den  Grund- 
stock, um  welchen  sich  die  anderen,  insbesondere  die  dialogischen  Bestand- 
teile des  Dramas  gruppierten. 

Im  Vergleich  mit  der  Grösse,  welche  der  dithyrambische  Chor  be- 
sass,  erscheint  die  Zahl  der  Sänger  im  Chor  des  Dramas  herabgemindert, 
auf  12  oder  später  15  in  der  Tragödie,  auf  24  in  der  Komödie.  Die  Auf- 
gabe des  Vorsängers  (ß^c^QXOiv)  oder  Chorführers  (iJyfjuoJi',  xoQVffaXog)  wird 
im  Drama  eine  grössere  und  wichtigere,  als  im  lyrischen  Chor;  ihm  gegen- 
über stehen  als  selbständige  Sprecher  oder  Sänger  die  Schauspieler,  v/ro- 
xQiTui  oder  aytaviaxai,  ursprünglich  nur  einer,  später  zwei,  endlich  drei, 
mit  denen  der  xoQvtfalog  im  Namen  des  Gesamtchors  den  Dialog  zu 
führen  hat. 

Den  Gesang  des  Chors  und  der  Schauspieler,  aber  auch  vielfach  die 
Deklamation  derselben  begleitete  der  beim  dionysischen  Festlied  übliche 
Flötenspieler;  nur  ausnahmsweise  diente  monodischem  Gesang  die  Zither 
zur  Begleitung. 

Der  Chorgesang  schliesst  sich  in  seiner  metrischen  Gestaltung  vor- 
zugsweise den  Formen  der  dorischen  Kunstlyrik  an,  nur  ist  im  Drama  der 
Umfang  des  einzelnen  Chorliedes  geringer,  als  im  lyrischen  Hymnus  oder 
Paean;  daneben  aber  dienen  auch  die  volksmässigen  Gesänge  des  ionischen 
Stammes  den  Dramatikern,  insbesondere  den  Dichtern  der  Komödie  als 
Quelle,  der  sie  die  Vorbilder  ihrer  lyrischen  Partien  entnehmen. 

Der  dramatische  Dialog  bedient  sich  der  seit  Archilochos  üblichen 
Versmasse  der  ionischen  Dichtung,  des  trochäischen  Tetrameters  und  des  iam- 
bischen  Trimeters;  an  pathetischeren  Stellen  und  zur  Begleitung  des  feier- 
lichen Schritts  der  Choreuten  oder  Schauspieler  beim  Ein-  und  Abtreten 

Handbuch  der  klan.  AltertiimswiaRenflclult.  n.    2.  Aafl.  50 


786  E.  Motiik.    o)  Metrik  der  Griechen. 

dienen  anapaestische  Masse.     Der  iambische  Tetrameter  ist  auf  die  Komödie 
beschränkt,  von  der  Tragödie  ausgeschlossen. 

A.  Die  Tragödie. 

129.  1.  Den  ursprünglichsten  Bestandteil  der  Tragödie  bildete  der 
Vortrag  des  Chors;  dieser  nahm  daher  in  der  ältesten  Tragödie  einen  be- 
sonders grossen  Raum  ein.  Der  zwölf,  seit  Sophokles  fünfzehn  Personen 
zählende  Chor  tritt  bei  weitem  am  häufigsten  in  seiner  Gesamtheit  singend 
auf;  aber  er  löst  sich  auch  nach  Bedürfnis  in  einzelne  Abteilungen  auf, 
in  Halbchöre  {i]fiixoQicc),  in  atotxoi  und  fr/«,  und  ausser  dem  Chorführer 
{xoQV(faTog),  welcher  gewöhnlich  den  Verkehr  mit  der  Bühne  vermittelt 
kommen  auch  die  Führer  der  Halbchöre,  die  Nebenmänner  {TraQaatdTai) 
des  Chorführers,  in  seltneren  Fällen  auch  andere  Choreuten  teils  singend, 
teils  sprechend  zum  Vortrage. 

2.  Wie  der  Chor  sich  nicht  auschliesslich  auf  den  gemeinsamen  Ge- 
sang beschränkt,  sondern  auch  am  Dialog  durch  den  Koryphaios  oder  an- 
dere einzelne  Sprecher  beteiligt  ist,  so  nimmt  andererseits  auch  die  Buhne 
an  den  lyrischen  gesungenen  Partieen  der  Tragödie  Anteil  durch  Bühnen- 
gesänge, /li'Ar;  ano  axhvijg^  namentlich  an  solchen  Stellen,  wo  der  Schmerz 
oder  die  Freude  einen  besonderen  Grad  der  Steigerung  erfährt.  Diese  Ge- 
sänge sind  teils  Einzelgesänge,  nov((idiai,  teils  solche,  an  denen  sich  ab- 
wechselnd zwei  oder  mehrere  Bühnenpersonen  beteiligen,  scenische  Wechsel- 
gesänge, ccfioißaia  an 6  axrp'ijg. 

3.  Nicht  nur  in  der  Form  des  von  dem  Koryphaios  mit  den  Agonisten 
geführten  Dialogs  verkehrt  Chor  und  Bühne  miteinander,  sondern  auch  in 
Gesängen,  an  welchen  beiderseits  Anteil  genommen  wird,  in  den  Kommoi 
und  Threnoi,  Wechselgesängen  zwischen  Bühne  und  Chor. 

4.  So  unterscheiden  wir  denn  unter  den  lyrischen  Bestandteilen 
der  Tragödie:  1.  Gesänge  des  Chors,  /o^^xa.  2.  Gesänge  von  Bühnen- 
personen, jutlr^  ttno  (Txr^vfjg,  3.  Gesänge,  Avelche  von  Chor  und  Bühne  ge- 
meinsam vorgetragen  werden,  xojuinoi;  und  unter  den  Chorika  vollstimmigen 
Chorgesang,  /Jit'hj  oXov  xoQoif^  und  Einzelgesang  resp.  Wechselgesang  von 
Gliedern  des  Chors;  unter  den  Bühnengesängen  monodischen  und  amö- 
bäischen  Gesang.  Die  xofxfwC  sind  Wechselgesänge  zwischen  dem  Chor- 
führer oder  einem  andern  Choreuten  und  einem  oder  mehreren  Agonisten, 
seltener  zwischen  dem  ganzen  Chore  und  einer  oder  mehreren  Bühnen- 
personen. 

5.  Der  Aufbau  der  Tragödie  aus  den  erwähnten  Bestandteilen 
vollzieht  sich  in  der  Weise,  dass  vier  Chorlieder  —  wenigstens  in  der 
älteren  Tragödie  —  gewissermassen  das  Schema  bilden,  an  welches  sich 
die  Dialogpartien  und  die  Kommoi  und  Bühnengesänge  anschliessen.  Das 
erste  Hauptchorlied  führt  als  Einzugslied  des  Chors  den  Namen  Parodos, 
naQodüc,  die  anderen  heissen  im  Gegensatze  zu  diesem  Standlieder, 
ardaifia;  der  dialogische  Teil,  welcher  dem  Einzugslied  vorausgeht,  heisst 
Prologos,  TTQoXoyog,  der  dem  letzten  Stasimon  folgende  Exodos,  i^odog; 
die  zwischen  je  zwei  Chorliedern  stehenden  Epeisodia,  eTretaodia.  Das 
Normalschema  der  Tragödie  ist  demnach; 


d.  Metrischer  Bau  nnd  Tortrag  der  griechiBohexi  Dichtungen.  (§  129—131.    787 

nAP0J02. 

€TT€l(f6SlOV    a. 

2TA2IM0N  A: 

STlSKXodlOV    ß'. 

2TA2IM0N  b: 
ineiaoSiov  y. 
2TA21M0N  r. 

Die  Tragödie  setzt  sich  also,  soweit  diese  Normalform  aufrecht  erhalten 
wird,  aus  fünf  dialogischen  Partien  und  vier  Hauptchorliedern  zusammen; 
die  übrigen  Bestandteile  werden  als  eingelegte  Teile  der  Epeisodia  resp. 
des  Prologs  und  der  Exodos  betrachtet.^) 

Wir  besprechen  im  Folgenden  zunächst  die  Chorika,  dann  die  Kommoi 
und  Threnoi;  ferner  die  Bühnengesänge,  endlich  die  dialogischen  Teile 
der  Tragödie. 

I.  Die  Chorika. 

130.  1.  Die  Qesänge  des  Chors  tragen  wie  in  ihrer  Sprache  so 
auch  in  ihrer  rhythmisch-metrischen  Form  das  Gepräge  der  dorischen  Chor- 
lyrik an  sich.  Nicht  nur  der  Dithyrambos  diente  ihnen  als  Vorbild,  son- 
dern auch  die  anderen  Kunstformen  wurden  nachgebildet:  Hymnen,  Paeane, 
Prosodien,  auch  die  heiteren  Tanzlieder  des  apollinischen  Kultus.  —  Der 
Umfang  des  Chorliedes  ist  in  der  ältesten  Tragödie  noch  ein  verhältnis- 
mässig bedeutender  und  die  Mannigfaltigeit  der  rhythmischen  Formen  eine 
grosse;  teils  werden  die  bekannten  Strophenformen  der  älteren  Lyrik  er- 
neuert, so  das  xard  ddxrvXov  eidogy  die  daktylo-epitritischen,  logaoedischen, 
ionischen  Strophen,  teils  neue  Strophenstüe  geschaffen,  wie  der  tro- 
chäische und  iambische  (Aeschylos)  und  der  daktylo-trochäische  (Euri- 
pides).  Die  spätere  Tragödie  beschränkte  den  Umfang  des  Chorliedes  zu 
Gunsten  der  Monodien  und  Wechselgesänge  und  räumte  einer  rhyth- 
mischen Bildung,  den  Logaoeden,  eine  alle  anderen  weitaus  überwiegende 
Geltung  ein. 

2.  Unter  den  Chorika  sind  zu  unterscheiden  die  Hauptchorlieder, 
welche  —  wenigstens  in  der  älteren  Tragödie  —  den  Einzug  und  den  Abzug 
des  Chors  begleiten  und  an  den  Ruhepunkten  der  dramatischen  Handlung 
eintreten  und  zwei  Epeisodien  von  einander  trennen,  und  die  kleineren, 
innerhalb  eines  Epeisodion  stehenden  Vorträge  des  Chors.  Jene  heissen 
Parodoi,  Exodoi  und  Stasima,  diese  bezeichnet  man  zweckmässig  als 
epeisodische  Chorika. 

131.  1.  Die  Parodos  war  ursprünglich  ein  wirkliches  Einzugslied, ^) 
welches  während  des  Einmarsches  in  die  Orchestra  von  dem  Chore  vor- 
getragen wurde:  später  aber  ist  sie  nicht   selten  —  und   so  schon  öfters 


*)  Aristot.  Poet.  c.  12  werden  als  xoiva 
fASQT]  jQayt^dlag  aufgeführt  ngoXoyog,  inei- 
aodioy,  t^odog  und  x^Q^^^^  ^^^  ihnen  als 
Xdf,a   gegenüberstellt    x«    dno    axijy^g   und 


XOfifAOl. 

^  Schol.  zu  Eurip.  Phoen.  202.  ndqoSog 
de  ianv  lodtj  x^9^^  ßatdl^oytog  ifdofiiyij  tifia 
Tj  eiaodt^. 


1 


788  £•  Xetrik.    o)  Xotrik  der  (hieolien. 

bei  Sophokles  —  das  erste  nach  erfolgtem  Einzug  gesungene  Lied  des 
Chors. ») 

Dieser  erste  Vortrag  des  auftretenden  Chores  wurde,  zumal  in  der 
älteren  Tragödie,  auch  seinem  äusseren  Umfange  nach  im  Vergleich  mit 
den  anderen  Chorgesängen  weiter  ausgeführt  und  reicher  ausgestattet  noi 
zeigt  eine  grosse  Mannigfaltigkeit  in  seinem  Bau.  Da  die  Parodos  ihren 
Ursprünge  nach  dazu  bestimmt  war,  den  Einmarsch  des  Chors  zu  begleiteo. 
so  hat  sie  häufig  eine  grosso  Ähnlichkeit  mit  den  Prosodien  und  den 
Paeancn,  zuweilen  erinnert  sie  auch  an  den  Threnos. 

2.  Die  älteste  Form  der  Parodos  zeigt  sich  bei  Aeschyios  Suppl.  v.  1  £, 
Fers.  V.  1  ff.  und  Agam.  v.  140  ff.  und  bei  Sophokles  Ai.  134  ff.:  hier  gehen 
den  Strophen  des  Chorgesangs  anapaestische  Hypermetra  in  grösserer  An- 
zahl voraus,  welche  offenbar  dazu  bestimmt  waren,  während  des  Einmarscbeä 
selbst  vorgetragen  zu  werden.  Sie  bilden  den  ersten  Teil  der  Parodos.*) 

Eine  spätere  Entwickelung  zeigt  sich  in  der  Einschiebung  der  ana- 
paestischen  Systeme  zwischen  die  Strophen  des  Qesangs.  Diese  Form  der 
Parodos  findet  sich  bei  Sophokles  Antig.  v.  100  ff.  so  angewendet,  dass 
auch  die  Hypermetra  dem  Chore  angehören: 

AI         Ä     7  B     1         BT. 

Aber  in  anderen  Fällen  werden  die  anapaestischen  Verse  nicht  dem  Chore, 
sondern  einem  Schauspieler  zugeteilt,  wodurch  die  Parodos  einen  komma- 
tischen Charakter  erhält,  so  z.  B.  bei  Aeschyios  im  Prometheus  v.  128  £, 
wo  Prometheus  sie  vorträgt: 

A     1         Ä     1  B  (?)         B      7. 

Ahnlich  auch  im  Sophokleischen  Philoktet,  wo  sie  Neoptolemos  (und  der 
Chorführer)  übernimmt: 

A  <3  +>  7     ^'  3  +  7  B     B'  \Q     r     r 

Vgl.  auch  0.  C.  117  ff.  und  Eurip.  Med.  9(3  ff. 

Die  dem  melisclien  Teile  der  Parodos  vorausgehenden  Anapaeste  sind 
nuxa  ntQioQia/iovg  cirfaovg  (Heph.  p.  76,i8)  gegliedert,  für  die  Zwischen- 
systeme hingegen  ist  eine  Responsion  kaum  in  Abrede  zu  stellen.^) 

Statt  der  Zwischenhypermetra  treten  in  einigen  Parodoi  lyrische  Ge- 
sänge eines  Schauspielers  ein,  so  dass  Oesang  des  Chors  mit  Bühnengesang 
abwechselt.  Ein  Beispiel  dieser  Form  der  Parodos  bietet  Sophokles  in  der 
Elektra  v.  121  ff.,  wo  die  Anordnung  folgende  ist: 

A      B      Ä     B'         r      J      r      J  E       c;      E'      q'    \    Z      H. 

Xo,  FIL  Xo.  'Hk.  I  Xo.  *m.  Xo,  'HL      Xo,  '£/A.  Xo.  ^HL  ]  Xo.  *HX. 

Diese  kommatische  Form  des  Wechselgesangs  zwischen  Chor  und 
Bühne  wendet  Euripides  wiederholt  an:  Troad.  v.  152  ff.  (Chor  und  Hekabe), 
Electr.  167  ff.  (Chor  und  Elektra),  Ion  v.  185  ff.  (Chor  und  Ion),  Hei.  v. 
164  ff.  (Chor  und  Helena),  Iphig.  Taur.  v.  183  ff.  (Chor  und  Iphigenie). 
Orest.  V.  140  ff.  Chor  und  Elektra). 

3.  Aber  auch  in  d  e  n  Parodoi,  in  welchen  nur  der  Chor  ohne  Bühnen- 


*)  Aribtot.    Poet.  c.  12   TidQodog   fjikv  ij  I  nagodio  6  /opos'  XeyBi. 

TiQtüjrj  Xt^tq  oXov  (nach  Wkstphal  oXtj  rov)  i           ^)  Vgl.   Zielinski,   Gliederung  der  ilt- 

XOQov,  attischen  Komödie  p.  378  ff, 

'*)  Heph.  p  76,19    uynnniajixd,  «  dij  iv  ^ 


8.  Metrischer  Bau  nnd  Vortrag  der  griechischen  Dichtungen.  (§  131.)         789 

Personen  beteiligt  ist,  wird  nicht  selten  eine  kommatische  Gliederung  be- 
wirkt durch  Verteilung  des  Gesangs  unter  Chorteile  resp.  einzelne  Cho- 
reuten. In  Aeschvlos'  Eumeniden  z.  B.  ist  die  Parodos  —  nach  einem  ein- 
leitenden  iambischen  Tristichon  der  Chorfiihrerin  —  ein  Wechselgesang 
der  beiden  Halbchöre  in  den  beiden  ersten  Strophen  paaren,  erst  im  dritten 
voller  Chorgesang: 

A  A'        B     B'     r      r' 

rill,  a  ß  a  ß     a  ß  a  ß     aß     aß     Xo.     Xo. 

Im  Agamemnon  ist  nach  der  anapaestischen  Einleitung  (v.  40—103) 
zuerst  ein  monodischer  Vortrag  des  Chorführers  (v.  104—159)  mit  Ephym- 
nien  des  ganzen  Chors  (cuXivoVy  aihvov  xtA.)  und  dann  erst  (v.  160—246) 
vollstimmiger  Chorgesang  anzunehmen: 

I.  Anapaeste.  II.  ^    A'     B,  III.  V  V  J  J'  E  E^  ^   Z  Z 

Chor.  Chorführer.  Gesamtchor. 

Insbesondere  hat  dann,  wenn  der  Chor  nicht  in  geordneten  Reihen, 
sondern  ohne  Ordnung  {(xnoQddrjv)  und  in  grosser  Erregung  die  Orchestra 
betritt,  die  Verteilung  des  Einzugsliedes  unter  Chorteile  oder  einzelne  Sänger 
grosse  Wahrscheinlichkeit;  freilich  ist  eine  sichere  Feststellung  selten  zu 
erreichen.  Für  die  Parodos  in  Aeschylos'  Septem,  welche  aus  einem 
alloiostrophischen  und  einem  antistrophisch  gegliederten  Teile  besteht,  nimmt 
man  Vortrag  einzelner  Sänger  im  ersten  Teile  (v.  78—108)  an,  im  zweiten 
wechselnden  Gesang  zunächst  der  drei  aroTxoi  (v.  109—150),  dann  der 
beiden  Halbchöre (151  — 165),  endlich  vollstimmigen  Chorgesang  (v.  166—181): 

A.  B  B'  r  t  J  J' 

Einzelne.  arotxoi.  T^fiixoQia.  XOQoq. 

1.  2.3.    1.2.  3.  aß   aß 

Die  Parodos  in  Sophokles'  Oedipus  auf  Kolonos  v.  117—169  ist  vielleicht 
auch  an  Halbchöre  resp.  deren  Führer  verteilt  zu  denken,  sicherlich  aber 
nicht  an  sämtliche  15  Choreuten.  —  Bei  Euripides  nimmt  Arnoldt,  Technik 
p.  116  vollstimmigen  Chorgesang  für  die  ganze  Parodos  nur  Iphig.  A.  v. 
162—296  an;  Vortrag  durch  Halbchöre  Andrem,  v.  117—146,  Wechsel- 
gesang der  drei  (Xtotxoi  Suppl.  v.  42—87,  der  Halbchöre  und  des  Chor- 
führers Herc.  f.  V.  107,  der  Halbchöre,  ihrer  Führer  und  des  Koryphaios 
Ale.  V,  77—83,  des  Gesamtchors  und  der  Halbchöre  Phoen.  v.  202  flF.  der- 
selben und  des  Chorführers  Hippel,  v.  120  flF.,  Bacch.  v.  64  flF. 

Auch  für  die  anapaestischen  Hypermetra,  sowohl  die  dem  Gesänge 
vorangehenden,  als  die  zwischen  die  lyrischen  Strophen  eingeschobenen 
nimmt  man  gewöhnlich  Vortrag  nicht  des  ganzen  Chors,  sondern  des  Kory- 
phaios an,  so  dass  z.  B.  in  Prom.  v.  128  flF.  Antig.  v.  100  flF.  ein  Wechsel 
zwischen  Chor  und  Chorführer  stattfände.  Dagegen  macht  aber  mit  Recht 
GüiiRAUER  in  I.  Müller's  Jahresberichten  1885,  p.  33  f.  geltend,  dass  dem 
Chor  bei  seinem  ersten  Auftreten  vollstimmiger  Vortrag  zieme. 

4.  Der  Bau  der  Parodoi  ist  meistenteils  antistrophisch ;  zuweilen  bildet 
eine  Epode  den  Abschluss  des  ganzen  Gesangs  oder  eines  Teils  desselben; 
nur  selten  fehlt  die  antistrophische  Gliederung  (Eurip.  Hec.  v.  96  flF.,  Iphig. 
T.  V.  123).    Die  umfangreichen  Parodoi  in  Aeschylos'  Agamemnon,  Supplices 


790  E.  Metrik,    o)  Xetrik  der  Griechen. 

und  Persern  und  in   Sophokles'   Elektra  umfassen    11  —  16    Strophen,  also 
5—8  volle  Syzygien  und  zum  Teil  noch  eine  Epode,  die  kleinsten  nur  ein 
einziges  Strophenpaar  (Eurip.  Heracl.  73.  El.  Iü7,  mit  anapaestischen  Hype^ 
metra  Soph.  0.  C.  v.  117,  Eurip.  Rhes.  1);  am  häufigsten  bilden  zwei  Strophen- 
paare  die  Parodos  (Eurip.  Ion.  185.  Andr.  117.  Troad.  152.   Orest.  140  uni 
mit  hinzutretenden  Anapaesten  Aesch.  Prom.  128  u.  Eurip.  Ale.) ;  zwei  Stropheih 
paare  und  schliessende  Epode  sind  vereinigt  Soph.  Trach.  94.  Eurip.  Hipp. 
120,   Helena  167;    drei   Strophenpaare  Aesch.   Eum.  143,    Soph.    OK.  151. 
Eurip.   Suppl.   42,    mit  Zwischensystemen    Soph.   Phil.    135.     mit    Prood« 
Aesch.  Sept.  78,  mit  Epodos  Aesch.  Choeph.  22;  ein  einziges  Strophenpaar  mit 
Epodos  bildet  die  Parodos  in  Eurip.  Herc.  117  und  Cycl.   117   (nach  Aus- 
scheidung der  Interpolation  auch  Iphig.   A.  162);  in  Soph.   Ai.   134   gehen 
diesen  drei  Strophen  noch  anapaestische  Hypermetra  voran ;    Proodos  und 
Epodos  zugleich  haben  die  Parodoi  der  Med.  133  {ABB'  P)  und  der  Bac- 
chai  {A  B  B'  FF'  J),  —   Die  in  den  Parodoi  angewendeten    Metra  zeigen 
entsprechend   dem   verschiedenen  Charakter  der  Einzugslieder    selbst   eine 
grosse  Mannigfaltigkeit.     Wird  von   den    einleitenden  oder   eingeschobenen 
Anapaesten  abgesehen,  so  finden  sich  daktylische  Strophen  im  Agamemnon 
und  König  Oedipus  und  in  der  Proode  der  Medea-Parodos,  Daktylo-Epi- 
triten  in  Sophokles*  Aias  v.  172  und  Trachinierinnen  v.  94;  trochäische 
Strophen  bilden   den  mittleren  Teil  der  Parodos  im    Agamemnon    und  den 
Schluss  der  der  Supplices  und  der  Perser  des  Aeschylos,  der  Phoenissen  des 
Euripides;  iambische  Strophen  bilden  das  ganze  Einzugslied  der  Choephoren, 
den  zweiten  Teil  desselben  in  den  Suppl.  und  den  Schlussteil  im  Agam.,  0.  R, 
den  Trach.  und  den  Suppl.  des  Euripides;  aus  Daktylo-Trochäen  besteht 
die  Parodos  der  Sophokleischen  Elektra  in  ihrem  ersten  Teile,   das  zweite 
Strophenpaar  im  0.  R.  und  im  Prometheus,  beide  strophische  Syzygien  in 
der  Andromache,  die  Epode  in  der  Medea. 

Besonders  häufig  sind  die  Logaoeden  in  den  Parodoi  vertreten:  l>ei 
Aeschylos  in  den  Supplices,  bei  Sophokles  in  der  Antigene,  dem  Philoktet. 
dem  Oedipus  auf  Kolonos  und  in  den  Schlussstrophen  im  Aias  und  der 
Elektra;  bei  Euripides  in  der  Elektra,  dem  Rhesus,  Ion,  Hippolyt.,  Phoenissen. 
Iphig.  A.,  Medea,  Bakchen  (2.  Strophenpaar). 

loniker  nehmen  den  aus  drei  Strophen  paaren  und  einer  Epode  be- 
stehenden ersten  Teil  der  Perserparodos,  zwei  Strophen  im  Prometheus,  in 
Euripides'  Bakchen  und  zwei  Strophenpaare  in  dessen  Supplices  ein. 
Threnodische  Anapaeste  erscheinen  in  Euripides' Hekabe,  Troades  und  der 
taurischen  Iphigenie,  Dochmien  in  der  Parodos  der  Septem,  des  Orest 
und  der  Herakliden,  lambo-Trochäen  endlich  in  Euripides*  Helena  und 
Herc.  für. 

In  den  umfangreicheren  Einzugsliedern  findet  also  zuweilen  ein  wieder- 
holtor  Wechsel  des  Metrums  statt.  Im  Agamemnon  z.  B.  folgen  auf 
die  anapaestischen  Hypermetra  drei  daktylische  Strophen  {A  A'  B),  dann 
zwei  trochäische  und  zum  Schluss  drei  iambische  Syzygien: 

Anap.  A  A    B  \   F  F    J  J    \  E  e\  c;'  Z  Z' 

daktyl.      trochaeisch  iambisch. 

In  den  Persern,  wo  gleichfalls  anapaestische  Hypermetra  (v.  1 — 64)  den  Ein- 


3.  Metrischer  Bau  und  Vortrag  der  griechischen  Dichtungen.  (§  132—133.)    791 

marsch  des  Chors  begleiten,  folgen  v.  65  ff.  drei  ionische  Syzygien  und  eine 
ebensolche  Epode.  und  zwei  trochäische  Strophenpaare  bilden  den  Schluss; 
in  Sophokles'  König  Oedipus  v.  151  ff.  ist  das  erste  Strophenpaar  dakty- 
lisch, das  zweite  daktylo-trochäisch,  das  dritte  iam bisch;  in  den  Trachi- 
nierinnen  v.  94  flF.  der  Anfang  daktylo-epitritisch,  der  zweite  Teil  loga- 
oedisch,  die  Epode  iambisch;  in  Euripides  Medea  v.  133  flF.  die  Proode  dak- 
tylisch, die  Syzygie  logaoedisch,  die  Epode  daktylo-trochäisch. 

5.  Die  Vortragsweise  der  Parodos  ist,  wie  oben  bereits  angedeutet 
wurde,  teils  Chorgesang,  teils  Einzelgesang  des  Chorführers  und  der  naga- 
atdrai;  der  Chorgesang  ist  nicht  überall  voUstimmig,  sondern  manchmal 
nur  mehrstimmig,  Gesang  eines  Halbchors  oder  eines  Stoichos.  Bühnen- 
personen beteiligen  sich  teils  durch  den  Vortrag  anapaestischer  Hyper- 
metra  (s.  p.  788),  teils  —  noch  nicht  bei  Aeschylos  —  mit  lyrischem  Ge- 
sänge. Zur  Begleitung  des  Gesangs  dient  die  Flöte,  nur  in  einzelnen  Fällen 
bei  monodischem  Vortrage  die  Kithara,  wie  Aesch.  Ag.  v.  104  flF.,  worauf 
Aristoph.  Ran.  v.  1285  schliessen  lässt.  Für  die  anapaestischen  Hypermetra 
wird  meist  naQaxatakoyrj  oder  melodramatischer  Vortrag  angenommen, 
wahrscheinlicher  aber  ist  rezitativischer  Gesang  sowohl  bei  den  dem  Chore 
als  den  den  Schauspielern  angehörigen  Anapaesten. 

132.  Mit  dem  Namen  Epiparodos  wird  das  Chorikon  bezeichnet, 
welches  bei  einem  zweiten  Einzug  des  Chors  vorgetragen  wird,  nachdem 
er  vorher  aus  irgend  einem  Grunde  abgetreten  war.  0  Fälle  dieser  Art  liegen 
vor  in  Aeschylos'  Eumeniden  v.  244  flF.,  Sophokles*  Aiax.  v.  86G,  Euripides' 
Ale.  V.  918  flF.,  Helen,  v.  515  und  Rhesos  v.  666. 

In  den  Eumeniden  war  der  Chor  v.  229  ff.  abgetreten  und  erscheint  v.  244  ff . 
wieder  und  zwar  anogadrjy  den  Orest  verfolgend.  Hier  dienen  10  iamb.  Trimeter  als  Ein- 
leitung (v.  244—54),  dann  folgen  dochmische  und  iamb.  Verse  (ohne  antistr.  Responsion). 

Im  Aias  erscheint  der  Chor  nach  seinem  Abtreten  v.  812  f.  von  zwei  verschiedenen 
Seiteti  her  v.  860  wieder,  in  zwei  Halbchöre  geteilt.  Der  Vortrag  der  iamb.  Verse  (dim. 
trim.)  fällt  den  Halbchorführern  resp.  dem  Eoryphaios  zu  und  ist  nicht  Gesang,  sondern 
Parakataloge. 

Eur.  Ale.  V.  861  ff.  kehrt  der  Chor  mit  Admetos,  während  dieser  anapaestische 
Dimeter  vorträgt,  in  die  Orchestra  zurück;  darauf  folgt  ein  Eommos  v.  872  ff. 

Eur.  Hei.  515  erscheint  der  Chor,  welcher  v.  385  mit  Helena  abgetreten  war, 
wieder  mit  einem  logaoedischen  Eintrittslied. 

PiUr.  Rh  es.  zieht  der  vorher  (v.  564)  abgetretene  Chor  in  die  Orchestra  unter  Tro- 
chäen stürmisch  ein,   um  Odysseus  und  Diomedes  zu  verfolgen. 

133.  Als  Stasima*)  werden  diejenigen  Hauptchorlieder  bezeichnet, 
welche  zwei  Epeisodia  von  einander  trennen,  also  am  Schlüsse  eines  Akts 
eintreten,  wo  die  Handlung  zu  einem  Ruhepunkte  gelangt  ist.  Sie  führen 
iliren  Namen  im  Gegensatz  zu  naqodoq  und  ^odoq,  nicht  weil  der  Chor 
unbeweglich  stillstehend  sie  singt, ^)  denn  Orchestik,  selbst  lebhafte,  ist 
bei  ihrem  Vortrage  nicht  ausgeschlossen,  sondern,  wie  G.  Hermann  El.  D. 
M.  §  665  sagt:  y,quod  a  choro  non  accedente  primum  et  ordines  explicante, 

')  l'ollux    IV,    108   y    dt    xartt    X9^^^^  I            ')  ^gl»   Aristot.    Poet.    p.  12    ajäaifioy 

t^o(fog  wi  TiaXiy  eiaioyrwy  fÄfrftaTaaigxa'AeTjai,  fieXos   x^Q^^   "^^  ayev  «yanaiarov    xttl   tqo- 

fj    ö'e     fAera    Tctvrtjy    etüodog    ijtiJt  (igodog;  ,   ^alov. 

vgl.  Schol.  zu  Soph.  Ai.  813   und  zu  Eurip.  *)  Fälschlich  so  gedeutet  z.  B.  v.  Schol. 

Ale.    SUl   dvyarai   ynQ   6   ;|ro^ö?   i^laiaadtti  ,    Eur.  Phoen.  202  oxay  6  yoqog  fierd  rtjy  na- 

jTJg  oxt]y7Jg  wV   xal  iy  Jucyti  fjiaarvyofpoQt^.  Qodoy    Xiyji    n   fiiXog   avrjxoy    rj    vno^iaet 

918.     Helen.  515.  {   uxivr^tog  fxivoiVy  axaatfAov  xaXsTfM  to  ^afia. 


792  ^  Metrik,    o)  Metrik  der 

sed  iam  ienonie  sfationes  8u<i8  canutUfir'',  weil  sie    nicht    im    Schreitenge 
sungen  wurden. 

2.  Gegenüber  der  grossen  Mannigfaltigkeit,  welche  die  Parodoi  zeiges, 
herrscht  in  den  Stasima  eine  auffallende  Gleichförmigkeit  in  Anlage,  Bu 
und  Vortrag;  auch  in  Bezug  auf  den  Umfang  stehen  sie  hinter  den  Ed- 
zugsliüdorn  zurück. 

Gewöhnlich  umfasst  bei  Aeschylos  das  Stasimon  drei  Strophenpaire 
in  der  Anordnung  A  A'  B  B'  F  r\  zn  diesen  tritt  einige  Male  eine  Epode 
am  Schlüsse  des  ganzen  Gesangs  (Pers.  v.  633  ff.  852  ff.),  doch  sind  Sti^inu 
von  vier  Syzygien  nicht  selten,  ja  einige  dehnen  sich  bis  auf  10  Strophen 
aus  (Sept.  V.  720,  Suppl.  v.  524):  nur  zweimal  —  wenn  von  Prom.  II  v. 
52G,  III  V.  887  abgesehen  wird^  —  beschränkt  sich  der  Umfang  des  Lieds 
auf  zwei  strophische  Syzygien  (Sept.  v.  832,  Ag.  v.  975). 

Bei  Sophokles  bilden  gewöhnlich  zwei  Strophenpaare  (A  Ä  B  B) 
das  Stasimon,  zuweilen  tritt  die  epodische  Form  {A  A'  B)  ein,  wie  Elect. 
I,  v.  472,  Trach.  I,  v.  497,  0.  C.  III,  v.  1211,  Phil.  II,  v.  827;  nur  selten 
aber  beschränkt  sich  der  Dichter  auf  ein  einziges  Strophenpaar,  wie  Ai.  II 
V.  693  (Tanzlied),  Elect.  III,  v.  1384,  Ant.  III,  v.  781,  O.   C.  v.  1556. 

Bei  Euripides  ist  ebenfalls  die  Form  A  A'  B  B'  die  gewöhnliche, 
nur  hin  und  wieder  umfasst  ein  Stasimon  bei  ihm  drei  Syzygien;  häufig  aber 
ist  die  epodische  Form,  besonders  in  den  späteren  Stücken,  im  ganzen 
18 mal ^)  angewendet;  ein  einziges  Strophenpaar  erscheint  Herakl.  v.  608, 
Suppl.  v.  078,  Elect.  v.  857  (Tanzlied),  Iph.  T.  v.  1208,  Phoen.  v.  308, 
Rhes.  V.  516  und  682. 

Nur  in  Ausnahmefallen  erhält  das  Stasimon  eine  kommatische  Glie- 
derung oder  wird  durch  einen  Kommos  vertreten.  So  werden  in  Aeschylos* 
Eumeniden  v.  916  flf.  die  Strophen  des  Chors  durch  anapaestische  Hyper- 
metra  der  Athene  getrennt: 

A  anap.  A'  anap.  B  anap.  B'  anap.  F  anap.   r\^) 
In  Sophokles'  Phil.  v.  827  ff.  unterbricht  der  Vortrag  des  Neoptolemos  (dak- 
tylische Hexameter)  die  drei  Chorstrophen: 

A     a     A'     <«>     B 
und  in  demselben  Stücke  v.  1081  ist  ein  Wechselgesang  zwischen  Philoktet 
und  dem  Chor  an  Stelle  eines  Stasimon  getreten: 

A       B      A'      B'  F      J     F'      J' 

d^ik,   Xo.  <PiA.  Xo.  (PiL  Xo.  (P/A.   Xo. 

3.  Was  die  Wahl  der  Khythmen  betrifft,  so  zeichnet  sich  bei  Aeschy- 
los das  Stasimon  nicht  nur  durch  grossen  Reichtum  der  Formen  aus,  welche 
es  zur  Anwendung  bringt,  sondern  auch  durch  Wechsel  innerhalb  desselben 
Gesangs,   ja    innerhalb    derselben    Strophe.     Eine   grosse    Vorliebe    zeigt 


*)  über  die  liesonderheiten  dos  Prome- 
theus vgl.  Wecklein,  Technik  der  Chor- 
gesänge des  Aeschyl.  p.  2'iiS  und  Textübcr- 
liefening  des  Aeschylos  p.  3'^i)  ff. 

'-)  In  Iphig.  A.  und  Bakch.  je  dreimal, 
in  Hek.,  Ion  und  Phoen.  je  zweimal. 

^)  Von    den   anapaestischen  Partien  be-   >  sehen  J  und  J'  allein  steht, 
stehen  die   2.,   3.  und  4    aus  je  14  FOssep   { 


oder  7  xtoXa,  die  erste  aus  20,  die  letzte  an? 
21  Füssen.  Ziklinski,  Altatt.  Korn.  p.  :5S0  will 
die  5.  (ilruppe  auf  14  Fössc  reduzieren  (durcii 
Umstellung  von  v.  1010  ff.  hinter  v,  10:31 . 
so  dass  die  S^'mmetric  für  2.  u.  3.,  4.  u.  •» . 
hergestellt  wird,   die  erste  I^artie  aber  zwi- 


3.  Metrischer  Bau  und  Vortrag  der  griechiachen  Dichtungen.  (§  133.) 


793 


Aeschylos  für  die  dem  tragischen  Pathos  in  besonderem  Grade  entspre- 
chenden trochäischen  Strophen  (§  54)  und  für  die  bewegteren,  oft  leiden- 
schaftlich erregten  iambischen  (§  64);  häufig  sind  bei  ihm  auch  die  loga- 
oedischen  und  iambisch-logaoedischen  Bildungen  (§  100),  dagegen  erscheinen 
die  feierlichen  Daktylen,*)  die  ernsten  Daktyloepitriten,^)  die  wehmütig 
klagenden  loniker  {§  72)'*)  und  die  aufgeregten  Dochmien*)  nur  vereinzelt 
im  äschylischen  Stasimon.  —  Nur  in  wenigen  Fällen  wird  bei  ihm  der  ganze 
Gesang  aus  Strophen  desselben  Rhythmus  gebaut,  wie  das  3.  Stasimon  der 
Perser  (v.  852  flf.)  aus  daktylischen,  das  erste  des  Agamemnon  (v.  367), 
das  dritte  der  Septem  (v.  832  flf.)  und  das  dritte  der  Supplices  (v.  776  ff.)  aus 
iambischen,  das  dritte  der  Choephoren  (v.  935  flF.)  aus  dochmischen  Strophen; 
gewöhnlich  findet  ein  Wechsel  verschiedener  Strophengattungen  innerhalb  des 
Canticum  statt,  wobei  die  Neigung  hervortritt  den  iambischen  Strophen  die 
letzte  Stelle  zu  geben;  so  schliesst  z.  B.  das  zweite  Stasimon  der  Septem 
(v.  720  ff.)  nach  Beginn  mit  lonikern  mit  iambischen  Strophen,  ähnlich 
das  zweite  Stasimon  des  Agamemnon,  das  erste  der  Choephoren,  das  erste 
der  Eumeniden,  alle  drei  der  Supplices. 

Auch  innerhalb  derselben  Strophe  tritt  öfters  ein  Wechsel  des  Metrums 
ein,  so  ist  z.  B.  Sept.  v.  345  ff.  der  erste  Teil  der  Strophe  logaoedisch,  der 
zweite  trochäisch,  Eum.  v.  347  der  erste  daktylisch,  der  zweite  trochäisch, 
Choeph.  V.  783  der  erste  trochäisch,  der  zweite  ionisch,  ebenso  v.  819  ff.  — 
Eigentümlich  sind  dem  äschylischen  Chorliede  die  sogenannten  rhythmischen 
Ephymnien,  ein  aus  einigen  Kola  bestehender  Nachgesang,  welcher  am 
Schlüsse  mehrerer  (übrigens  verschieden  gestalteter)  Strophen  wiederkehrend 
diese  rhythmisch  und  musikalisch  enger  mit  einander  verknüpft.  Suppl. 
V.  639  ff.  und  Agam.  v.  381  ff.  besteht  dieser  Nachgesang  aus  folgenden  vier 
logaoedischen  Kola: 


^     C7     _  WV^LL 


J.     ~     —  v-^^  -1     W 


2:i      Z    C7    —  v^^lL 


Z    C    _  \^^lL 


und  wiederholt  sich  an  beiden  Stellen   sechsmal  (in  drei  Strophenpaaren). 

Bei  Sophokles  herrschen  die  logaoedischen  Strophen  im  Stasimon, 
allerdings  in  mannigfacher  Bildung,  so  sehr  vor,  dass  kaum  hin  und  wieder 
eine  andere  Strophenform  sich  nachweisen  lässt,  wie  die  ionischen  in  0. 
R.  v.  483  (1.  Stas.),  die  iambische  Epode  in  Elect.  v.  504  ff.,  die  dochmi- 
schen El.  V.  1384. 

Bei  Euripides  überwiegen  ebenfalls  die  Logaoeden,  doch  treten  die 
übrigen  Strophenarten  nicht  so  völlig  zurück  wie  bei  Sophokles;  ziemlich 
häufig  sind  die  daktylo-trochäischen  und  daktylo-epitritischen ;  die  iambi- 
schen sind  vertreten  Suppl.  v.  366.  599.  782,  Andr.  v.  463,  Herc.  f.  v.  348, 
Troad.  v.  513;  die  trochäischen  Phoen.  v.  639,  676;  die  daktylischen 
Herakl.  v.  608,  Phoen.  818,  die  ionischen  Bakch.  v.  363.  508,  die  dochmi- 
schen Hipp.  V.  1257,  El.  V.  1147,  Ion  v.  688,  Or.  v.  368,  Bakch.  v.  978, 
Rhes.  v.  682. 


^)  Fers.  V.  852  (3.  Stasimon),  Eum.  v. 
378  (1.  Stasimon). 

2)  Prom.  V.  526  (2.  Stas.),  v.  887  (3. 
Stas.) 


»)  Pere.  V.  648  (2.  Stas.),  Sept.  v.  720  (2. 
Stas ),  Ag.  V.  691  (2.  Stas),  Choeph.  v.  789 
(2.  Stas.),  V.  827.     Prom.  v.  396  (1.  Stas.). 

*)  Choeph.  V.  935  (3.  Stas.) 


794  ^*  Metrik,    c)  Metrik  der  GMechen. 

4.  Dass  der  Vortrag  des  Stasimon  —  von  einzelnen  Ausnahmen  abge 
sehen  —  dem  Gesamtchor  zufiel,  ist  trotz  aller  Versuche  Halbchöre,  Stoichol 
Zyga  und  Einzelchoreuten  heran  zu  ziehen,  immer  mehr  zur  Anerkennaog 
gekommen.*)  Wir  nehmen  daher  vollstimmigen  Chorgesang  im  Stasimon 
als  Regel  an  und  sehen  etwaige  Abweichungen  davon  als  seltene  Aus- 
nahmen an;  auch  das  Vorhandensein  von  Ephymnien  kann  an  sich  nod 
nicht  als  zwingender  Beweis  gelten  für  die  Annahme,  dass  der  vorangehende 
Gesang  Chorteilen  oder  Einzelsängern  zukomme.  2) 

Abweichungen  liegen  vor  —  ausser  in  den  oben  erwähnten  komma- 
tischen Liedern,  wo  Bühnenpersonen  den  Chorvortrag  unterbrechen  — 
in  wenigen  Stasima  des  Euripides,  welche  deutliche  Spuren  chorischen 
Wechselgesangs  an  sich  tragen.  Das  zweite  Stasimon  der  Suppl.  (v.  599  ff.) 
ist  ein  Wechsellied  der  Mütter  und  ihrer  Dienerinnen;  in  dem  2.  Stasimon  des 
Ion  V.  G88  ff.  gehört  nur  die  Epode  dem  ganzen  Chor,  während  sowohl  die 
Strophe  als  die  Antistrophe,  welche  in  je  5  Kommata  zerfallen,  auf  Einzel- 
vortrag schliessen  lassen.  Auch  Rhes.  v.  527  ff.  und  v.  692  ff.,  wo  sich 
an  die  Chorstrophen  dialogische  Partien  anschliessen,  zeigen  kommatische 
Gliederung.-^) 

Die  Vortragsform  war  seitens  des  Gesamtchors  überall  Gesang;  wo 
Zwischenanapaeste  eingeschoben  sind,  wie  Eum.  v.  916  ff.,  dürfte  für  diese 
recitativischer  Vortrag  und  für  die  Daktylen  in  Soph.  Phil.  v.  827  ff.  Dekla- 
mation unter  Instrumentalbegleitung  anzunehmen  sein. 

134.  Wie  den  Einzug  des  Chors  —  wenigstens  anfangs  —  ein  x^^'^r 
fiäXog  zu  begleiten  pflegte,  so  geschah  ein  gleiches  ursprünglich  auch  bei 
dem  Abzug  des  Chors:  die  Exodos  war  also  zunächst  ein  Chorlied,  der 
Abzugsgesang  des  Chors. ^)  Insbesondere  war,  so  lange  die  trilogische  Kom- 
position bestand,  für  das  letzte  Stück  der  Trilogie  eine  chorische  Exodos 
der  naturgemässe  Abschluss,  während  die  Anfangs-  und  Mittelstücke  eines 
Schlussgesangs  leichter  entbehren  konnten.  So  hat  denn  auch  das  Schluss- 
stück der  Orestie,  die  Eumeniden,  ein  Chorlied  als  Exodos  und  in  den 
Septem  bildete  ursprünglich  der  Threnos  des  Chors  den  Schluss;'\)  aber 
auch  die  Supplices,  obgleich  kein  Schlussstück,  haben  eine  chorische  Exodos 
in  breiterer  Ausführung  und  in  den  Persern  ersetzt  sie  der  Kommos  zwi- 
schen Xerxes  und  dem  Chore  v.  908  ff.  —  Die  jüngere  Tragödie  ver- 
zichtete auf  einen  kunstvoller  ausgeführten  Schlussgesang  und  Hess  das  Ab- 
zugslied meist  auf  ein  kurzes  anapaestisches  Exodikon  zusammenschrumpfen: 
der  Name  Exodos  wurde  jetzt  die  Bezeichnung  des  letzten  Bühnenteils.^l 


')  In  diesem  Sinne  hat  sich  sclion  im  .1.    |  ^)  Arnoldt    p.  220  f.     nimmt    fiir  die 

1878  KicH.  Arnoldt,  Chor.  Technik  des  Eurip.    1   Strophen  Vortrag  durch  Hemichoria,  für  den 


p.  VJII,  17li  und  p.  212  (gegen  Chr.  Muff 
und  0.  Hknsp:)  bezügl.  Kiiripides  und  Sopho- 
kles ausgesprochen:  später  hat  Guiirauer  in 
J.  MüLLEu's  Jahresber.  f.  1SN5  p.  33  f.  die 
Frage  vom  musikalischen  Stand])unkte  be- 
leuchtet und  jüngst  wieder  Th.  Zielinski, 
Altatt.  Komödie  p.  277  die  Gründe,  welche 
gegen  Hemichorienvortrag  und  Eiuzelgesang 
sprechen,  entwickelt. 

-j  Vgl.  GüHBAüEB  a.  a.  0. 


Dialog  Vortrag  durch  die  Halbchorführer  ao. 

'*)  Vgl.  Poll.  IV,  53,  wofcocTo?  neben  ntr- 
Qo&o<:,  ainai^op  und  andern  lyrischen  Teilen 
aufgeführt  wird,  und  Tzetzes  n.  iQity,  n  v. 
24  f.  71  ff. 

•'')  über  den  spUteren  Ursprung  des  fol- 
genden Bühnengesangs  (Antigone  u.  Ismene) 
vgl.  Berük.  Lit.  Gesch.  Ill,  p.  304  f. 

^')  Aristot.  Poet.  c.  12.  t^odog  «fc  ftt^o; 
6Xoy  TQ((yM&U(g;  fie&*  ö  ovx  lau-  j^oqov  fiiXog. 


8.  Metrischer  Bau  und  Vortrag  der  griechischen  Dichtungen.  (§  134 — 185.)    795 

Der  Schlussgesang  der  Eumeniden  v.  1032-47  ist  ein  Lied  von  prosodischem 
Charakter  (§  120)  in  daktylischem  Rhythmus  mit  Ephymnien  am  Schlüsse  jeder  der  vier 
Strophen  (Form  J  A'  B  B');  der  Vortrag  des  Gesang  fällt  dem  Nebenchor  der  TigonofiTioi 
zu,  nur  in  die  Ephymnien  stimmen  auch  die  Eumeniden  (der  Chor)  mit  ein.  An  dem  Auf- 
zuge nehmen  auch  die  Areopngiten  teil.  —  Der  Schluss  der  Supplices  v.  1018  fF.  wird 
gleichfalls  von  zwei  Chören  vorgetragen,  den  Danaideu  (Hauptchor)  und  den  Dienerinnen 
(Nebeuchor).  Er  besteht  aus  vier  Strophenpaaren  in  ionischem  Rhvthmus  und  in  der  An- 
ordnung A  A'  B  B'  r  r'  J  J';  A  'A'  singen  die  Danaiden,  B  B'  die  Dienerinnen  (6nadot)j 
r  r'  wird  amöbäisch  von  beiden  Chören  vorgetragen,  J  J'  von  beiden  zusammen.  —  In 
dem  Schlussthrenos  der  Septem  v.  874 — 900  ist  wahrscheinlich  (mitZiELiNSKi  p.  286) 
aniöbäischer  Gesang  zweier  Chöre  anzunehmen,  des  Hauptchors  und  des  Nebenchors  der 
TiQÖTiofATioif  nicht  aber  Halbchor  Vortrag;  am  wenigsten  ist  an  eine  Verteilung  unter  einzelne 
Choreuten  zu  glauben.  Die  Komposition  ist  antistrophisch  (vier  Syzygien),  der  Rhythmus 
teils  iambisch,  teils  logaoedisch. 

Der  Vortrag  der  anapaestischen  Exodika  wird  gewöhnlich  dem  Chor- 
führer zugeschrieben,  ebenso  der  der  trochäischen  Tetrameter,  welche 
Soph.  0.  R.  V.  1524  und  Eurip.  Ion.  v.  1619  den  Schluss  des  Stückes 
bilden.  Wahrscheinlicher  ist  es  aber,  dass  sie  ebenso  wie  die  Einzugs- 
anapaeste (S.  789)  dem  Gesamtchore   zufielen. 

136.  Die  kleineren  Chorlieder,  welche,  weil  sie  innerhalb  der  Epei- 
sodia  stehen,  als  epeisodische  Chorika  bezeichnet  werden  (§  130, 2),  finden 
ihren  Platz  besonders  da,  wo  eine  stärkere  Erregung  der  Affekte  stattfindet, 
und  sind  daher  meist  in  dochmischem  oder  iambischem  Rhythmus  gehalten. 
Ihrem  Bau  nach  sind  sie  sehr  mannigfach  gestaltet,  teils  antistrophisch, 
teils  alloiostrophisch,  bald  zusammenhängend,  bald  durch  zwischengeschobene 
Dialogverse  getrennt;  zuweilen  von  hyporchematischem  Charakter,  oft  deut- 
liche Spuren  des  Wechselgesangs  an  sich  tragend,  so  dass  an  eine  Vertei- 
lung unter  einzelne  Sänger  zu  denken  ist. 

Bei  Aeschylos  finden  sich  derartige  kleinere  Chorika  in  antistrophi- 
scher Bildung  Pars.  v.  694—96  =  700—702  atßofiai  fxiv  ngoaiiea&m  xtX. 
(2  ionische  Strophen  getrennt  durch  drei  Dialogverse:  A  3  A');  Agam.  v. 
1407—11  =^  1426—1430  ti  xaxov^  (o  yvvai  (ein  dochmisches  Strophenpaar, 
durch  14  Trimeter  der  Klytaemnestra  getrennt:  A  14  A');  Choeph.  v. 
1007 — 9  =  1018—20  cdaX  alaX  ^leXtoyv  egycov  (eipe  anapaestische  Syzygie, 
zwischen  den  Strophen  8  Trimeter  des  Orest);  Suppl.  v.  418 — 437  (pQüv- 
Tiaov  xai  yevov  xtA.  (zwei  paeonisch-dochmische  Strophenpaare  ohne  Unter- 
brechung AA'  BB'  als  Abschluss  eines  Kommos),  Septem  v.  874 — 960 
(1.  Teil  des  Threnos,^)  vier  Strophenpaare,  iambisch-anapaestisch  und 
iambisch-logaoedisch;  vgl.  §  134).  Dagegen  sind  alloiostrophisch  Agam. 
V.  475 — 487  (iambisches  Chorikon  aus  vier  Kommata,  von  verschiedenen 
Stimmen  vorgetragen);  Choeph.  v.  152 — 162  isrs  ddxqv  xavaxeq  xrX. 
(paeonisch- dochmisch;  zwei  Kommata);  Eum.  v.  255 — 275  oga,  oga  fiaX* 
av  (dochmisch-iambische  Epiparodos,  s.  §  132);  Prom.  v.  687 — 95  ia  la 
a7T€X€,  (ftv  (dochmisch-anapaestisches  Chorikon). 

Sophokles  hat  im  Philoct.  v.  391—402  =  507—518  ein  anti- 
strophisch gegliedertes)  Chorikon  (ein  ekstatisches  Gebet  an  die  phrygische 
Göttermutter),  welches  aus  einem  durch  105  Dialogverse  getrennten  doch- 
misch-iambischen  Strophenpaar  besteht;   dagegen  ist  das  paeanische  (iam- 

')  Andere  sehen  darin  einen  Kommos  und  verteilen  ihn  unter  Antigone,  Ismene 
und  den  Chor;  s.  Kirchhoff,  Ausg.  p.  99  flf. 


796  £•  Metrik,    c)  Metrik  der  Griechen. 

bische)  Tanzlied  Trach.  v.  205—224,  welches,  wie  der  Scholiast  zu  v.  216 
richtig  bemerkt,^)  kein  Stasimon  ist,  alloiostrophisch  (3  Teile:  205—215 
Chorführer,  216-221  Chor,  222—24  Chorführer).  Die  beiden  anderen  ' 
Hyporcheme  bei  Sophokles  Antig.  v.  1115—54  und  Ai.  v.  693 — 718  scheidea  ' 
zwei  Epeisodien  und  vertreten  die  Stelle  von  Stasimen;  ebenso  fasst  man  ' 
das  heitere  Chorikon  0.  R.  v.  1086  —  1109  in  daktylo-epitritischem  Rhyth- 
mus als  Ersatz  für  ein  Stasimon  auf.  —  Auch  die  (iarobische)  Epiparodos 
im  Aias  v.  866—878  (vgl.  §  132)  gehört  zu  den  epeisodischen  Chorika. 
Bei  Euripides  sind  die  Chorlieder,  in  denen  sich  Einzelstimmen 
unterscheiden  lassen  und  amöbäischer  Vortrag  anzunehmen  ist  (Wechsel- 
gesänge des  Chors),  ziemlich  zahlreich.  Sie  sind  fast  durchgängig 
alloiostrophisch;  xarü  axtaiv  nur  Ale.  v.  218 — 245  K.,  Med.  v.  1240—81 
(zwei  Syzygien),  Herc.  f.  v.  732—54,  Phoen.  v.  1291 — 1302,  Orest  v. 
1345—1545.  Die  meisten  unter  ihnen  sind  dochmisch  resp.  iambiscli- 
dochmisch^)  entsprechend  der  erregten  Stimmung  des  geteilten  Chors  und 
haben  ihre  Stelle  gewöhnlich  im  Schlussteile  der  Tragödie.  Sie  zerlegen 
sich  meist  zwanglos  in  drei  oder  fünf  Abschnitte,  so  dass  es  nahe  liegt  in 
dem  einen  Falle  Vortrag  des  Chorführers  und  seiner  beiden  naQaaxaim, 
in  dem  andern  Vortrag  der  fünf  nQWToaTccrai  anzunehmen.  Die  Dreiteilung 
liegt  vor  Med.  v.  1240—81  K.,  Herc.  für.  v.  732—54.  Phoen.  v.  291— 3(HJ, 
1291—1312,  Orest.  1345—1545.  El.  585-94.  Troad.  v.  1240—50;  die 
Fünfteilung  Ale.  v.  218—245,  Hipp.  v.  363-374,  Hec.  v.  1004—21,  Herc. 
f.  V.  866—98,  V.  1006—30,  Ion  v.  1231—51  Bacch.  v.  1142  flF.  Suppl. 
v.  273—86.  Näheres  s.  bei  R.  Arnoldt,  Die  chorische  Technik  des  Eu- 
ripides, p.  223  ff.  —  Das  Tanzlied  bei  Eurip,  El.  v.  857—63  =  873-77 
vertritt  die  Stelle  eines  Stasimon,  wieSoph.  Ai.  v.  693  ff.  und  Antig.  v.  1115S. 

II.    Die  Eommoi  und  Threnoi. 

136.  Die  Gesänge,  an  welchen  sich  der  Chor  und  Personen  der  Bühne 
geraeinsam  beteiligen,  heissen  im  allgemeinen  Kommoi^)  (§  129,  4J.  Es 
sind  durchweg  Lieder  von  unruhigem,  erregtem,  ja  oft  leidenschaftlichem 
Charakter  und  bringen  diesen  auch  in  der  Wahl  der  Rhythmen  und  in  ihrer 
metrischen  Form  zum  Ausdruck.  Vorzugsweise  sind  es  Dochmien,  threno- 
dische  Anapaeste,  lambo-Trochaeen,  seltener  Daktylen  und  Logaoeden, 
welche  in  ihnen  zur  Anwendung  kommen.  Zwischen  die  lyrischen  Teile 
des  Kommos  treten  aber  oft  Dialogverse,  iambische  Trimeter  oder  ana- 
paestische  Hypermetra.  In  der  älteren  Tragödie  wird  die  antistrophische 
Gliederung  festgehalten  und  sie  ist  in  den  Aeschylischen  und  Sophokleischen 
Kommoi  durchgehend  beobachtet,  in  der  späteren  herrscht  die  freie  Kom- 
positionsform vor. 

Der  Vortrag   verteilt   sich   unter    den  Chor   und   die  Schauspieler  in 

')  8cliol.  zu  Soph.  Trach.  21G   ro  fieXc   \   tylisch  Siippl.  v.  273 -28<). 


6(toioy  ovx  tan  ardctuov,  «AA'  vno  lijg 
fjdor^g  oQxovvKu;  vgl.  T^i.  Hekok,  Giiech. 
Litt.  111,  p.  1(14. 


•^)  Aristot.  Poet.  c.  12  xouuS^  cf^  Oq^vo; 
XOQOV  xai  €(710  (fxrjvrjg,  wo  Ariioldt  hintt'r 
/o(>oi;  einschieben  will  xra  i577ox(>irüjr.  Tatetzes 


'^)  lanibisch  ist  Ale.  v.  218  24r),  loga-  tt.  iQcty.Q^h  6  xoufAog  tov  /oqov  .  .  .  r.-io- 
ocdisch  Ion  v.  1231— 1245,  anapaestiscli  Ion  xQuaTq  i]u  m^  noXv  üvviiyfjLivog.  —  Der  Nauie 
V.  1246 —41)  und  Troad.  v.  1240     50;    dak-      xofAfAog  bei  Aesch.  Choeph.  v.  423. 


8.  Metrischer  Bau  und  Tortrag  der  griechischen  Dichtungen.  (§  136.)         797 


verschiedener  Weise:  nur  selten  wird  der  Einzelstimme  des  Agonisten 
gegenüber  vollstimmiger  Chorgesang  erklungen  sein  oder  sich  Chor  und 
Bühnenpersonen  zu  gemeinsamem  Gesänge  vereint  haben,  wie  Aesch.  Choeph. 
V.  458  ff.;  häufiger  ist  im  Kommos  der  Chor  in  seinen  einzelnen  Gliedern 
thätig.  Der  Bühnengesang  ist  ihm  gegenüber  in  der  älteren  Zeit  nur  durch 
eine  einzige  Person  vertreten,  durch  Xerxes  in  Aeschylos'  Persern  und  Kas- 
sandra  im  Agamemnon;  doch  treten  auch  schon  zwei  Sänger  der  Bühne 
im  Kommos  bei  Aesch ylos  auf,  z.  B.  Choeph.  v.  306  ff.  Elektra  und  Orest; 
später  sind  sogar  zuweilen  drei  Agonisten  in  kommatischen  Gesängen 
thätig,  wie  in  Sophokles'  König  Oedipus  v.  649  Oedipus,  Kreon  und  Jokaste 
und  in  der  Electr.  v.  1398  Orest,  Elektra  und  Klytaemnestra,  allerdings  nicht 
sämtlich  als  Singende. 

Die  Grösse  der  Kommata,  in  welche  der  Kommos  sich  auf  die  ein- 
zelnen Vortragenden  verteilt,  ist  sehr  verschieden:  je  mehr  die  Leidenschaft 
und  Erregung  sich  steigert,  desto  häufiger  tritt  ein  Wechsel  der  Pei*sonen 
ein  und  desto  kleiner  werden  die  Kommata,  so  dass  oft  sogar  mitten  im 
Verse  die  Vortragenden  sich  ablösen.  Jedoch  findet  bei  antistrophisch 
gebauten  Kommoi  der  Personenwechsel  stets  genau  an  denselben  Stellen 
in  Strophe  und  Gegenstrophe  statt  und  kommt  in  der  Regel  derselben 
Person  das  entsprechende  Komma  in  beiden  zu;  nur  ausnahmsweise  über- 
nimmt eine  andere  Person  das  Komma  der  Antistrophe  als  in  der  Strophe.^) 

Bezüglich  der  Vortragsweise  herrscht  ebenfalls  eine  grosse  Mannig- 
faltigkeit: Arioso  wechselt  mit  Recitativ  und  melodramatischem  Vortrag; 
teils  stellt  die  Bühne  die  Sänger,  während  der  Chorführer  oder  ein  anderes 
Chormitglied  die  den  Gesang  unterbrechenden  Trimeter  zur  Flöte  deklamiert, 
teils  ist  das  Umgekehrte  der  Fall.  Zuweilen  steigert  sich  die  Erregung, 
so  dass  einer  der  Vortragenden  von  der  blossen  Rezitation  zum  vollen 
Gesänge  übergeht;  das  Gewöhnliche  aber  ist  es,  dass  wo  der  Kommos  aus 
lyrischen  und  dialogischen  Versen  sich  zusammensetzt,  Gesang  und  Dekla- 
mation durchweg  auf  verschiedene  Personen  verteilt  bleibt. 

2.  Bei  Aeschylos  sind  die  Kommoi  oft  sehr  umfangreich,  insbesondere 
die  eigentlichen  Threnoi  oder  Totenklagen.  Die  Hauptleistung  übernimmt 
bei  ihm  meist  der  Chor,  seltener  ein  Schauspieler;  zuweilen  fällt  beiden 
Teilen  Gesang  zu,  wie  im  Threnos  der  Perser,  häufiger  nur  dem  einen 
Gesang,  dem  andern  melodramatischer  Vortrag  oder  Rezitativ.  Die  anti- 
strophische Formation  ist  durchgehend  angewandt. 

Der  Perserthrenos  zwischen  Xerxes  und  dem  Chor  v.  908—1076  ist  in  seinem 
ersten  Teile  (  —1001)  anapaestisch,  im  zweiten  iambisch  und  in  letzterem  aus  lauter  kurzen 
Kommata  gebildet;  er  besteht  aus  7  Strophenpaaren  und  einer  Epode  am  Schluss;  der  Chor 
ist,  wie  es  scheint,  sowohl  in  seiner  Gesamtheit  (im  1.  und  4.  Strophenpaare)  als  auch  in 
Einzelstimmen  thätig. 

Der  Gesang  gehört  dem  Chore  an,  während  der  Schauspieler  ein  ana- 
paestisches   Epirrhema   vorträgt,    in    dem    Kommos   Eum.    v.    916—1020, 


M  Beispiele  dieses  Wechsels  sind  Soph. 
Ai.  V.  8()4  ff.  (Chorführer  f.  Tekmessa  und 
umgekehrt),  0.  R.  v.  649  ff.  (Jokaste  für 
Oedipus),  Antig.  v.  1261  ff.  (Chorführer  für 
den  Exangelos),  0.  C.  v.  510  ff.  (Oedip.  fOi 


Chorführer),  v.  1724  ff.  (Chorführer  für  Anti- 
gene. Antigene  für  Ismene),  Elect.  v.  1398  ff., 
(Orest  resp.  £lektra  für  Klytaemnestra,  der 
Chorführer  für  Elektra). 


708  ^  Metrik,    o)  Metrik  der  Grieohen. 

welcher  als  Stasimon  dient  (§  133;  p.  792),  in  der  kommatischen  Parodoe 
des  Prometheus  v.  128  ff.  (§  131  p.  788)  und  in  dem  Tfarenos  Agam.  v. 
1448—1576,  in  welchem  die  Strophen  dem  Chore,  die  Anapaeste  d» 
Klytaemnestra  zugeteilt  sind: 

A  a     A'  a\  B  ß     D'  ß  \  T  y     t  y  J) 
Dagegen   sind  die  Epirrheme  aus   iambischen  Trimetem    gebildet  in 
folgenden  Kommoi  des  Aeschylos: 

Eum.  V.  117  —  130  (Chor  und  Klytaemnestra): 

A  2     A'  2\  B  2     B'  2\  r  y 
wo  AA'  und  BB'  durch  {ivy^iog  und  (oyiiog  ersetzt  sind. 

Pers.  V.  256—289.     Chor  und  Bote.    Drei   Strophenpaare   (1.  iam- 
bisch,  2.  iambisch-Iogaoedisch,  3.  iambisch): 

A  2     A'  2     B  2     B'  2     F  2     r\ 
Suppl.  V.  734—762.     Chor  und  Danaos.     2  Strophenpaare  (1.  iam- 
bisch, 2.  dochmisch): 

2  vi,     2.     2  ^',  2  I  2  B,     2.     2  B\  2. 
Suppl.  V.  347  ff.    Chor   und  König.     Drei  Strophenpaare    (1.  doch- 
misch, 2.  iambisch,  3.  dochmisch): 

A  5     A'  5\  B  5     B    b\  r  5     F. 
Suppl.  V.  863—77.     Chor  und  Herold, 

B  3     B'  3     r  2     r  2     /t  2     J'  2. 
Sept.  V.  203—48.     Chor  und  Eteokles.     Drei  dochmische  Strophen- 
paare: 

A3     A'  3\  B  3     B'  3\  r  3  r  3, 
Sept.  V.  683—712.     Chor  und  Eteokles.     Zwei  dochmische  Strophen- 
paare: 

3  A     3  A'  3     B  3     B    3. 
Sept.  V.  375—675.    Chor,  Bote,  Eteokles.    Drei  dochraische  Strophen- 
paare: 

Trim.    A    Trim.  A'  \  Trim.    B    Trim.  B   \  Trim.    r     Trim.    r'     Trim. 
B.  Et.  Ch.  B.  Et.  Ch.    B.  Et.  Ch.  B.  Et.  Ch.    B.  Et.  Ch.    B.  Et.  Ch.    B.  Et. 
Eum.  V.  778—891.     Chor  und  Athene.     Zwei  dochmische  Stropheo- 
paare : 

A  Trim.     A'  Trim.     B  Trim.     B    Trim. 
Die  Symmetrie  in  der  Verszahl  der  Epirrhemen  ist   in  den  beiden  letzten 
Beispielen  gestört. 

In  der  Kassandraklage  Agam.  v.  1072—1177  fällt  die  Hauptrolle 
der  Bühnenperson  zu,  der  Chor  erwidert  anfangs  in  Trimetern,  geht  aber 
später  vom  melodramatischen  Vortrage  auch  zum  Gesänge  über. 

A  2      A'  2\  B  2     B'  2\  r  2     F    2     J  2     J    2 
Et      E'  t    \  q    g      q'    g    \  Z  ^     Z'  ^'. 
Der  Threnos   der  Choephoren   v.  300—478,  den  Orest,  Elektra  und 
der  Chor  am  Grabe  des  Agamemnon  singen,  besteht  aus  vier  Teilen,  denen 


^)  Jede  der  Strophen  A  A'  u.  s.  w.  be-  i  dischen  (Chor);  für  die  Anapaeste   der  Kly- 

steht  aus   drei  Teilen,   einem   logaoedischen  |  taemnestra  ist,   wie  es  scheint,    Responsion 

(Chor),    einem    anapaestischen    (Chorführer)  ,  in   der  Zahl   der  xütXn  anzunehmen, 
und  einem  iambischen  resp.   wieder  logaoe- 


d.  Metrischer  Bau  und  Vortrag  der  griechischen  Dichtnngen.  (§  136.)      799 

eine   anapaestische   Einleitung   vorausgeht    und    ein   anapaestischer  Epilog 
(Chorführer)  nachfolgt.     Im  1.  Teile 

A  B  A'  sy.  r  B'  r  2  sy.  J  E  J'  sy.  ^  E'  er' 
singt  Orestes  die  Strophen  A,  r,  J^  cj,  Elektra  die  Gegenstrophen  A'  r' 
J'  <?',  der  Chor  die  Zwischenstrophen  B  B'  E  E\  der  Chorführer  trägt 
die  anapaestischen  Hypermetra  rezitativisch  vor.  Im  2.  Teile  (v.  433 — 455), 
wo  die  Strophen  in  der  Ordnung  Z  H  0  0'  Z'  H'  aufeinanderfolgen,  ist 
die  Reihenfolge  der  Vortragenden  eine  andere:  Xo.  'HX,  'Oq.  Xo.  ^HX.  Xo, 
[Xo  =  Chorführer).  Im  3.  Teile  (v.  456 — 465)  findet  in  Strophe  und  Gegen- 
strophe eine  gleichmässige  Verteilung  unter  Orest,  Elektra  und  den  Chor 
statt;  die  beiden  Schlussstrophen  {K  K')  werden  von  allen  Sängern  gemein- 
schaftlich vorgetragen.  Die  Metra  sind  teils  Logaoeden,  teils  Jamben,  in 
B  B'  teilweise  loniker. 

3.  Bei  Sophokles  tritt  der  Schauspieler  allein  als  Sänger  hervor  Ai. 
V.  348  flf.  (Aiax),  Antig.  v.  1261  «F.  (Kreon),  v.  806  flf.  (Antigene),  0.  R. 
V.  1307  (Oedipus)  und  neben  dem  Gesänge  des  Chors  in  der  kommatischen 
Parodos  der  Elect.  v.  121  flf.  (Elektra),  v.  823  flf.  (Elektra);  Phil.  v.  1081  flf. 
(Philoktet),  Phil.  v.  1169  flf.,  Antig.  v.  856  (Antigene),  0.  C.  v.  510,  v. 
1070;  in  den  übrigen  Kommoi  fällt  der  Gesang  dem  Chore  resp.  dem  Führer 
oder  andern  Gliedern  desselben  zu.  Die  Bauart  ist  fast  ausschliesslich 
antistrophisch;  die  Form  des  anoXsXviitvov  erscheint  nur  Trach.  v.  871 
und  in  den  Schlussteilen  der  xaxd  ax^aiv  gegliederten  Kommoi,  wie  0.  C.  v. 
207—236,  El.  v.  233—250,  PhU.  v.  1169  flf.  Die  Metra  der  Sophokleischen 
Kommoi  sind  Dochmien  und  Paeone  (Ai.  v.  348  flf.,  0.  R.  v.  649  flf.,  1312  flf.. 
Antig.  V.  1261  ff.,  0.  C.  v.  883  flf.,  v.  1477),  lamben  (Antig.  v.  853  flf., 
Trach.  v.  888  flf.,  Phil.  v.  1169,  0.  C.  v.  1447  flQ,  lambotrochäen  (Ai.  v. 
401  flf..  Antig.  V.  876  flf.,  0.  C.  v.  1677,  1688,  1724),  Logaoeden  (Ai.  v. 
372  flf.,  El.  824  flf.,  Antig.  v.  806  flf.,  Trach.  v.  881  ff.,  Phil.  v.  1081,  v. 
1188  flf.,  V.  1213  flf.,  0.  C.  V.  1693  flf.).  Innerhalb  desselben  Kommos  findet 
ein  häufigerer  Wechsel  des  Metrums  statt  besonders  in  den  der  antistro- 
phischen Responsion  ermangelnden  Schlussteilen,  wie  0.  C.  v.  207,  El.  v. 
233,  Phil.  V.  1169  flf. 

Die  epirrhematische  Komposition  ist  auch  bei  Sophokles  häufig:  in 
den  Epirrhemen  erscheinen  anapaestische  Hypermetra,  iambische  Trimeter 
(zuweilen  auch  ein  Dimeter)  und  (Phil.  v.  827  flf.)  daktylische  Hexameter. 
Sie  bestehen  aus  Anapaesten  Ai.  v.  221  flf.  (Tekmessa),  Antig.  v.  816  flf. 
(Chorführer),  0.  C.  v.  134  flf.  0  (Oedipus  und  Chorführer),  Phil.  v.  135  flf.i) 
(Neoptolemos);  aus  Trimetern  Ai.  v.  348  ff.,  v.  879  ff.,  0.  R.  v.  649  ff., 
V.  1307  flf.,  Antig.  v.  1261  ff.,  0.  C.  v.  1447  ff. 

Ai.  V.  348  fif.     Aias,  Chorführer,  Tekmessa. 

A  2    A'  2    ß4    r2    B'4    r'2    J  2    J  2. 
Ai.  V.  879.    Chor,  Chorführer,  Tekmessa. 

A  9    B  4    r  10     A'  9    B'  A    r  10  (?). 
0.  R.  V.  649.     Chor,   Chorführer,  Oedipus,  Kreon,  Jokaste. 

A  2     B  9     A    2     B'  9? 
0.  R.  1307  ff.     Oedipus,  Chorführer. 

A4:    B  2    r  2    A'  4    B  2    T  2. 


Beides  sind  kommatische  Parodoi,  vgl.  oben  §  131. 


800  E.  Metrik,    o)  Metrik  der  Grieclien. 

Antig.  V.  1 201  ff.    Kreon,  Chorführer,  Exangelos. 

^1     B  5     ^'1     B'  5  I  r  5    J  2    r  5     J\ 
0.  C.  V.  1447  ff.    Chor,  Oedipus,  Antigone. 

A  h    A'  h     B  h     B'  h. 

In  manchen  Fällen  treten  die  lyrischen  Partien  gegenüber  den  iam- 
bischen  Versen,  welche  den  Hauptteil  des  Eommos  ausmachen,  sehr  zurüd 
und  bilden  dann  meistens  nur  den  Abschluss  der  einzelnen  Abschnitte. 

Klect.  V.  1398  ff.  zerfällt  jede  der  beiden  Strophen  {A  A')  in  drei  dialogische  aid 
drei  lyrische  Gruppen: 

6  Trim.     «    6  Trim.    ß    2  Trim.    y 
a  singt  Klytaemnestra,  ß  der  Chor,  y  desgleichen. 

0.  U.  V.  883  ff.  zerfallen  die  Strophen  ^  ^'  in  zwei  durch  je  4  Trimeter  getrennte 
dochmische  Systeme  (a  4  ß  a    4  /?'). 

Auch  in  dem  astrophischen  Kommos  Trach.  v.  871  Überwiegen  die  Trimeter. 

In  andern  Kommoi  zerlegen  sich  die  lyrischen  Teile  selbst  in  kurze 
Kommata,  z.  B.  0.  K.  649  ff.  im  ersten  Strophenpaar,  El.  v.  823  fiT.  (Elektra 
und  Chor),  0.  C.  v.  170  ff.,  v.  510  ff.  (Chor  und  Oedipus),  v.  1724  ff.,  PhiL 
V.  1169  ff.  (Chor  und  Philoktet). 

4.  Die  Euripideischen  Kommoi  sind  zum  grössten  Teile  aus  lyrischen 
und  dialogischen  Versen  ohne  Aufrechthaltung  streng  epirrheniatiscber 
Form,  wie  sie  Aeschylos  und  Sophokles  beobachten,  gemischt.  Die  anti- 
strophisch  gegliederten  sind  in  der  Minderzahl,  häufiger  ist  die  freie  Kom- 
positionsform  angewendet,  bei  welcher  indes  nicht  selten  eine  grosse  Ähn- 
lichkeit in  der  metrischen  Gestaltung  der  einzelnen  Abschnitte  bemerkbar 
wird,  welche  leicht  zur  Annahme  antistrophischer  Responsion  verleiten 
kann.  —  Die  Metra  sind  hauptsächlich  Dochmien,  lamben,  lambo-Trochäen. 
Anapaeste  und  Logaoeden. 

Der  Gesangsvortrag  fällt  bald  dem  Chore,  bald  einem  Schauspieler 
zu,  nur  in  seltneren  Fällen  beiden.  Dem  Sänger  sind  in  den  gemischten 
Kommoi  zuweilen  auch  Dialogverse  (Trimeter)  zugeteilt,  niemals  aber  dem 
andern  auch  Gesangstücke.  Die  Chorpartie  übernimmt  nur  ausnahmsweise 
der  ganze  Chor,  meist  einzelne  Chormitglieder,  insbesondere  der  Koryphaios. 
Besonders  häufig  lassen  sich,  wie  in  den  Wechselgesängen  des  CJhors,  auch 
hier  fünf  oder  drei  Stimmen  des  Chors  unterscheiden,  so  dass  an  Vortrag 
der  nQWToaiccTai  und  naQuatccxai  gedacht  werden  kann. 

Antistrophisch  rcsp.  epodisch  gebaute  Kommoi  bei  Euripides  sind  —  die  kom- 
matisehen  Parodoi  mitgerechnet  —  Suppl.  v.  1123-1164  (Chor  und  die  Sdhne  der  Ge- 
fallenen) und  Electr.  v.  1177-1232  (Chor,  Orest  und  Elektra),  jeder  aus  drei  Strophen- 
paaren  (AA'  BW  rV)  gebildet.  Aus  zwei  Strophenpaaren  bestehen  die  kommatischeo 
Parodoi  Troad.  v.  lo2— 231  (Chor  und  Hekabe),  Orest.  v.  140-197  (Chor  und  Elektra), 
Ion  V.  185—236  (Chor  und  Ion),  diese  in  der  Anordnung  AA'  BW;  dagegen  Hippel,  v. 
811—855  (Chor  und  Theseus)  in  der  Form  A  B  2  B'  A';   in   der  Parodos   der  Hei.  (Chor 


bis  837  (Chor  und  Adrast)  und  Orest  v.  1246—1310  (Chor.  Elektra,  Helena):  ein  einziges 
Strophenpaar  bildet  die  kommatischen  Parodoi  der  Heracl.  v.  73 — 110  und  des  Rh  es. 
V.  1  (hier  freilich  treten  Anapaeste  hinzu)  und  die  Kommoi  Andr.  v.  1107 — 1228  (Chor 
und  Peleus),  Bacch.  v.  1168—111*9  (Chor  und  Agaue).  Eigentümlich  sind  angeordnet  die 
Parodos  der  Medea  v.  131  (Chor,  Amme,  Medea):  A  a  B  a  B'a  r  und  der  Eommos 
Troad.  v.  1287  (Chor  und  Hekabe):  A  B  F  r. 

Dochmische  resp.  i  am  bisch- dochmische  Kommoi  sind  Ale  v.  873  ff.,  Bacch.  v. 
1030  ff..  V.  1168  ff.  (log.  bacch.),  lleracl.  v.  73  ff.  (Parodos),  Hipp.  v.  569  ff.,  v.  811  ff., 
Herc.  f.  V.  909  (log.),  v.  1031  ff.,  Ion  v.  763  ff.,  790  ff,  Iph.  T.  v.  643  ff,  Orest.  v.  140  ff. 
(Parodos),  v.  1240  (1.  Teil),  Phoen.  v.  1345  ff.,  Suppl.  v.  1072  ff.,  Troad.  v.  1205  ff. 


8.  MetriBcber  Bau  und  Vortrag  der  griechischen  Dichtungen.  (§  136--137.)     gQl 

lambische  Kommoi:  Androm.  v.  1197  ff.,  El.  v.  1177,  Suppl.  v.  798  ff.,  v.  1123  ff.. 
Troad.  v.  1287  ff. 

lambotrochäische:  Hei.  v.  330  ff.,  Iph.  A.  v.  1475  ff. 

Anapaestische:  Iph.  T.  123  ff.,  Troad.  v.  123  ff.  (Parodos). 

Logaoedische:  Electr.  v.  167  ff.,  Ion  v.  184  ff.  (Parodoi). 

Daktvlo-trochäisch  ist  Bacch.  v.  576  ff.,  Ale.  v.  873  ff.  (2.  Teil). 

Die  Gesangrolle  erhält  der  Schauspieler  Hec.  v.  681  ff.  (Ilekabe),  Ion  v.  763 
(Kreusa),  Phoen.  v.  1340  (Kreon),  dagegen  der  Chor  Iph.  T.  643  ff.,  Bacch.  v.  lO-SO,  Hipp. 
V.  565  ff.,  Herc.  f.  v.  909  ff.,  Siippl.  v.  1075  ff.;  Chor  und  Bühne  beteiligen  sich  am 
Gesänge  Bacch.  v.  1168  ff.  (Ch.  und  Agaue),  Hipp.  v.  811  (Ch.  und  Theseus),  Suppl.  v.  798 
(Ch.  und  Adrast),  v.  1123  ff.  (Ch.  und  die  Ttaides),  EL  v.  1177  ff.  (Ch.,  Orest,  Elektra), 
Troad.  v.  1287  ff.  (Ch.  und  Hekabe),  Hei.  v.  330  (Ch.  und  Helena),  Orest  V..1246  ff.  (Ch. 
und  Elekra)  u.  s. 

III.   Die  Bühnengesänge. 

137.  In  den  Bühnengesängen,  fitXr]  and  axrjvtjg  (§  129,  2),  sind  es 
ausschliesslich  Schauspieler,  welche  als  Sänger  thätig  sind,  so  dass  also  der 
Chor  völlig  zurücktritt.  Das  Bühnenlied  ist  entweder  ein  monodisches 
(jxovo^dia)  oder  ein  Wechselgesang  {äfioißaiov)  zweier  oder  mehrerer 
Agonisten.  In  der  älteren  Tragödie  beteiligen  sich  die  Bühnenpersonen 
am  Gesänge  nur  im  Wechsel  mit  dem  Chor  und  der  Threnos  der  Schwestern 
in  Aeschylos'  Septem  wird  daher  verdächtigt.  Die  Anfange  der  Monodie 
zeigen  sich  im  Prometheus  v.  88  ff.  und  v.  561.  Bei  Sophokles  ist  sie  nur 
im  Prolog  der  Elektra  (v.  86  —  120)  und  als  Abschluss  eines  Eommos  im 
0.  C.  V.  237 — 253  zu  finden;  auch  ein  scenisches  Amoibaion  bei  ihm  nur 
El.  V.  1232—1287  und  Trach.  v.  971  ff.  In  der  Euripideischen  Tragödie 
aber  drängt  sich  das  fieXog  and  axrjvljg  mehr  hervor  und  gewinnt  auf 
Kosten  des  chorischen  Gesangs  immer  grössere  Ausdehnung. 

Der  Vortrag  der  Monodie  und  des  Bühnenduetts  war  kunstmässiger 
Gesang  und  wurde  vom  Flötenspiel,  vereinzelt  auch  von  der  Eithara  be- 
gleitet. Nur  für  die  dialogischen  Verse,  welche  zwischen  die  lyrischen 
Teile  wie  im  Eommos  eingeschoben  werden,  ist  melodramatischer  oder 
recitativischer  Vortrag  anzunehmen. 

Die  antistrophische  Anordnung,  welche  in  der  Monodie  der  lo  im 
Prometheus  und  bei  Sophokles  noch  beibehalten  ist,  weicht  später  der  freien 
Kompositionsform,*)  wie  im  jüngeren  Nomos  und  Dithyrambos. 

In  der  Mitte  der  Monodien,  also  bei  den  antistrophisch  gegliederten 
zwischen  die  beiden  Strophen,  werden  häufig  einige  Verse  des  Chorführers 
oder  einer  anderen  Bühnenperson  eingeschoben,  um  dem  Singenden  eine 
Ruhepause  zu  gewähren,  z.  B.  Suppl.  v.  1009—1011  N.  Rhes.  v.  904  fg. 
Hec.  V.  1085  f.  Den  Abschluss  der  Amoibaia  and  axT^vf^g  bildet  mehnnals 
ein  länger  ausgedehnter  monodischer  Vortrag  des  einen  Sängers. 

Beobachtet  ist  die  antistrophische  Responsion  in  den  Monodien  der  loin  Aeschylos' 
Prom.  V.  561—607  (Form:  J  B  B)  und  der  Elektra  in  Sophokles  Elektr.  v.  86-- 120 
{A  A'),  ebenso  in  den  Wechselgesfingen  in  Aeschylos  Septem  v.  960 — 1004  (A  A'  B), 
Sophokles'  Elektr.  v.  1232-87  {A  A'  B)  und  Trach.  v.  971  flF.  {A  aß  A'  ß'  B  a  ß"  B\  wo 
AA'  BB'  die  melischen  Teile,  «  «'  Anapaeste,  ß  ß'  daktylische  Hexameter  bezeichnet;.  — 
Euripides  hat  nur  vier  Amoibaia  ano  axtjyrjg  und  acht  Monodien  mit  antistrophischer  Glie- 
derung: Ale.  V.  244  flf.  N.  (^  ^'  B  B'  r);  Androm.  v. 501  ff.,  Terzett  von  Andromache,  Molossos, 
Menelaos  (A  A'  mit  anapaest.  Zwischensystemen);  Troad.  v.  577—594,  Wechselgesang  von 
Androraache  und  Hekabe  {AA'   BB')  und  Phoen.  v.  1485  -1581  (4  Strophenpaare;  Antigone 

^)  Aristot.  Probl.  XIX,  15.    td  fiiy  ano       dvxiaxgoqia  .  6  fdiy  ydg  vnoxQiri^g  dytoytcrijg 
r^g  oxtjy^g  ovx  dyxlctQoq)a,  ra  di  rov  x^^^       '^^^  f**'f*V'^^Si  o  6i  X^^^  rjrroy  fii/LteiTai, 
Handbuch  der  klAn.  Altertunwwiaaenaoluift.  IL    2.  Aufl.  51 


g02  E.  Metrik,    o)  Metrik  der  Ghrieclien. 

und  Oidipus);  Ale.  v.  893  ff.  =  406  ff.  (Eumeloe).  Andr.  v.  1173—1186  (Peleuß).  Elektr.  t. 
112  ff.  =  126  ff,  140  ff.  =  157  ff.  (Eloktra  JA'  Bh),  Snppl.  v.  990  S.  =  1012  «f.  (Emdnej. 
Ion  V.  112  ff.  r=  128  (Ion),  Troad.  v.  308  ff.  =  325  ff.  (Kassandra),  Rhes.  v.  895  £  = 
906  ff.  (Musa),  Orest.  v.  960  ff.  =  982  ff. 

Als  Metra'  dienen  in  den  Bühnengesängen  vornehmlich  die  Docbmien. 
die  Klaganapaeste  und  Daktylen,  ferner  Logaoeden  und  Jambotrochaeoi: 
aber  es  wurde  keineswegs  immer  ein  Metrum  während  des  ganzen  Gtosangs 
festgehalten,  sondern,  um  die  verschiedenen  Stimmungen  zum  Ausdruck  zo 
bringen,  wurde  oft  und  schnell  das  Metrum  gewechselt  und  selbst  eine 
bunte  Mannigfaltigkeit  nicht  gescheut. 

DochmiBch  sind  die  Monodien  Aesch.  Prom.  v.  561  ff.  (lo),  Eur.  Ale.  v.  S9S  ff.  N. 
(£umelos).  Troad.  v.  308  ff.  (Kassandra),  Hek.  v.  1056  ff.  (Polymestor)  ;  die  Amoibaia  So|^ 
Elekt.  V.  1232  ff.  (Eleküa  und  Orest),  Eurip.  Phoen.  v.  1485  ff.,  Andr.  v.  825  ff.,  HeL  v.  625  i. 
Herc.  f.  V.  1178  ff.,  Iph.  T.  v.  827  ff.,  Phoen.  v.  103  ff.,  Troad.  v.  239  ff. 

Anapaestische  Monodien:  Aesch.  Prom.  v.  88  ff.,  Soph.  El.  v.  86  ff.,  Eur.  Hek. 
V.  59  ff.  Ion  V.  144  ff.  v.  859  ff.  Troad.  v.  98  ff.  Hipp.  v.  1347  ff.  Wechsellieder: 
Hek.  V.  154  ff. 

Daktylische  Monodien:  Soph.  0.  C.  241  ff.,  Enrip.  Andr.  y.  102  ff.,  y.  1173  £, 
Troad.  v.  595  ff.  v.  601  ff.,  Orest  v.  1005  ff.  Wechselgesang:  Phoen.  v.  1485  ff. 

lambotrochäiBche  Monodien:  Eurip.  Troad.  v.  308  ff.,  Orest.  v.  960  ff.,  HeL  r. 
1056  (2.  Teil).     Iph.  A.  1279  ff.    Amoibaia:  Phoen.  v.  1710  ff. 

Logaoedische  Monodien:  Soph.  0.  C.  v.  237  ff.  (Anfang);  Eurip.  EU.  v.  112 ff., 
Suppl.  V.  990  ff.,  Ion  v.  112  ff,  Rhes.  v.  895;  Amoibaia  Andr.  v.  501  ff.,  v.  825  ff.,  Hipp. 
V.  58  ff. 

Wechselnde  Metra:  Aesch.  Prom.  v.  561  ff.,  Soph.  0.  C.  v.  237  ff.,  Eur.  Hek.  t. 
1056.  Iph.  A.  V.  1283,  Phoen.  v.  1485,  Ion  v.  1439  ff.,  TVoad.  v.  308,  Orest  v.  960  ff. 

IV.   Die  dialogischen  Teile. 

138.  Diejenigen  Teile  der  Tragödie,  welche  dem  ersten  Gesänge  des 
Chors  vorangehen,  zwischen  zwei  Hauptchorliedern  in  der  Mitte  stehen  und 
dem  letzten  nachfolgen,  fassen  wir  unter  der  gemeinsamen  Bezeichnung 
dialogische  zusammen,  die  speziellen  Namen  für  sie  sind  Prolog,  Epei- 
sodia  und  Exodos.^)  Sie  dienen  allerdings  in  erster  Linie  dem  schlichten 
Dialog,  doch  sind  sie  vielfach  von  lyrischen  Einlagen  unterbrochen,  nämlich 
von  den  epeisodischen  Chorika,  den  Kommoi  und  den  Bühnengesängen,  welche 
vorher  (§  135  flf.)  besprochen  wurden. 

Am  Dialoge  beteiligt  sich  die  Bühne  durch  die  Schauspieler,  soweit  sie 
nicht  stumme  Personen,  x(o(fa  TiQoaoma,  sind,  und  der  Chor  durch  seinen 
Führer,  den  Koryphaios,  hin  und  wieder  auch  durch  andere  seiner  Glieder 
(Führer  der  Halbchöre,  der  Stoichoi  u.  a.),  nur  in  ganz  seltenen  Fällen  aber 
kommen  alle  Choreuten  nacheinander  zu  Worte.*)  Der  Gesamtchor  als 
solcher  bleibt  dem  Dialog  fern.^) 

Als  Metrum  des  Dialogs  gebrauchte  die  älteste  Tragödie  vielfach  den 
trochäischen  Tetrameter  (§  51),  und  so  erscheint  er  in  häufiger  An- 
wendung noch  in  Aeschylos'  Persern;  später  wurde  er  durch  den  iambi- 
schen  Trimeter  verdrängt  und  nur  noch  an  bewegteren  Stellen,  besonders 
in  der  Exodos,  benützt,  seit  Olymp.  90  aber  gewinnt  er  wieder  mehr  R>aum 
in  der  Tragödie.  Das  übliche  Versmass  des  tragischen  Dialogs  aber  ist 
der  iambische  Trimeter  (§59,2),  welcher  schon  von  Thespis  eingeführt, 

')  Arist.  Poet.  c.  12.  i   nons  Ermordung  stattfindet. 

-)  Sämtliche  Glieder  des  Chors  sprechen  ^)  Aesch.  Pers.  v.  155  fF.  begrüsst  der 
nacheinander  Aosch.  Agam.  v.  1342  ff.,  wo  Gesamtchor  die  Atossa  in  trochäischen  Te- 
eine Beratung  des  Chors  während  Agamem-  trametern. 


8.  Metrischer  Bau  und  Tortrag  der  griechiachen  Diohtimgen.  (§  138—139.)     803 


immer  mehr  zur  Herrschaft  gelangte,  weil  er  der  gewöhnlichen  Rede  am 
nächsten  kam.  Beide  Metra,  der  Tetrameter  und  der  Trimeter,  erhalten 
in  der  Tragödie  durch  ihren  Bau  einen  gemesseneren  Gang  und  grössere 
Würde,  als  sie  bei  den  lambographen  und  in  der  Komödie  besitzen.  —  Für 
einzelne  Teile  des  Dialogs  dienen  die  anapaestischen  Hypermetra  als 
stehendes  Metrum,  vornehmlich  in  Vorträgen  des  Chorführers:  sie  erscheinen 
in  typischer  Anwendung  beim  Auf-  oder  Abtreten  von  Schauspielern,  ferner 
aber  öfters  auch  an  Stellen,  welche  sich  über  den  schlichten  Dialog  einiger- 
massen  erheben,  z.  B.  nicht  selten  in  Dialogpartien,  welche  lyrische  Ge- 
sänge unterbrechen. 

Über  die  Vortragsweise  der  Dialogverse  in  der  Tragödie,  insbeson- 
dere der  iambischen  Trimeter,  gehen  die  Meinungen  auseinander,  indem  die 
einen  blosse  Deklamation  für  denselben  annehmen,  andere  melodramatischen 
Vortrag,  noch  andere  endlich  Recitativ.  —  Plutarch  de  mus.  c.  28  berichtet, 
dass  die  Tragiker  beim  Vortrag  der  Trimeter  ähnlich  verfahren  sind  wie 
Archilochos,  welcher  sie  teils  unter  Instrumentalbegleitung  deklamiert,  teils 
gesungen  habe:^)  er  bezeugt  also  für  die  Tragödie  zwei  verschiedene,  neben- 
einander hergehende  Vortragsarten,  den  singenden  und  den  melodramati- 
schen, jenen  wird  man  mit  Recht  als  recitativischen  Gesang^)  auffassen  und 
vorzugsweise  für  alle  die  Fälle  annehmen  dürfen,  wo  sich  die  Trimeter  mit 
lyrischen  Gesängen  verbinden. 

Derselbe  Wechsel  wird  auch  bei  den  trochäischen  Tetrametern  und 
den  anapaestischen  Hypermetem  zur  Anwendung  gekommen  sein,  für  welche 
beide  Vortragsarten,  je  nach  Bedürfnis  angewendet,  sehr  angemessen  er- 
scheinen. Der  melodramatische  Vortrag  ist  überdies  für  den  Tetrameter 
ausdrücklich  bezeugt^)  und  für  die  Anapaeste  kaum  von  jemand  bestritten 
worden. 

Deklamation  ohne  Musikbegleitung  wird  am  ehesten  im  Prolog  zur 
Anwendung  gekommen  sein,  ehe  der  Flötenspieler  erschien.  Allgemeiner 
scheint  in  den  Zeiten,  wo  der  Bau  des  Trimeters  grosse  Freiheiten  zeigte, 
statt  des  melodramatischen  Vortrags  das  blosse  Deklamieren  üblich  gewor- 
den zu  sein. 

139.  Der  Prolog,  nqoloyoq^  der  Teil  der  Tragödie,  welcher  der  Pa- 
rodos  (§  131)  vorangeht,^)  fehlte  in  den  ältesten  Dramen  völlig,  so  dass 
die  Aufführung  gleich  mit  dem  Auftreten  des  Chors  begann,  wie  z.  B.  in 
Aesehylos*  Supplices;  doch  war  er  schon  bei  Phrynichos  (Phönissen)  vorhanden 
und  fehlt  bei  Sophokles  und  Euripides  (auser  im  Rhesos)  nirgends.  Er 
beginnt  entweder  mit  einer  längeren  zusammenhängenden  Rede  eines  ein- 
zelnen Sprechers,   wie  in   Aeschylos*  Agamemnon  (Wächter)  und  Septem 


^)  Plut.  de  mus.  c.  28  r^v  iafißeitoy  ra 
fikv  Xiyeodai  nagd  rrju  XQovaiy,  tu  di  ^(fftf- 
&M  'jQ/iXoxoy  ffuov  xaxadel^at  '  eid''  ovrto 
XQ7Ja{(obai>  rovg  xgayixovs  noitjidg. 

^)  Auf  diesen  ist  zu  beziehen  Aristoph. 
Acharn.  v.  1183  ff.  ifeiyoy  ihjvtfa  fiiXog  und 
Nub.  V.  1371  od'  6v9vs  fio  EvQinidov  ^oiv 

UV. 

3)  Xenoph.    Symp.  IV,   3.     »;    ovv   ßov- 


Xea&e,  ücneq  yixoaxqitxog  6  vnoxQittjg  tttQd^ 
fiBXQtt  ngog  xov  avXoy  xaxiXeyeyy  ovxto  xal 
[iyoi]  vno  xoy  avXoy  vfiiy  diaXiytüfiai ; 

*)  Aristot.  Poet.  c.  12  eaxt  di  ngoXoyog 
fi^y  fjt^Qog  oXoy  XQttyt^diag  x6  nqo  xoQov  na- 
Qodov.  Vgl.  Arisiopb.  R«n.  y.  1120  x6  ngta- 
xoy  xijg  xqayt^diag  fitgog.  Tzetzes  tt.  xgay, 
Tfoiija.  V.  21  TTQoXoyog  iaxi  f^^XQ^  /o(>ot; 
eiaodov. 

51* 


804  S*  Metrik,    o)  Xetrik  der  Griechen. 

(Eteokles)  oder  alsbald  mit  einem  Dialog,  wie  in  Sophokles  Aiax  und  An- 
tigone.  Die  erstere  der  beiden  Formen  ist  bei  Euripides  die  übliche.  Nicht 
selten  enthält  er  anapaestische  oder  lyrische  Einlagen,  wie  in  Aeschylo«' 
Prom.  V.  93—100  und  v.  115  ff.,  bei  Sophokles  die  anapaestische  Honodie 
der  Elektra  (El.  v.  86—120),  bei  Euripides  (Anapaeste)  Ale.  v.  28—37,  Med. 
V.  96—130,  Hec.  v.  59—97,0  Ion  v.  22—111,  Troad.  v.  98  — 152;  (melisdie 
Verse)  Ion  v.  112—183,  El.  v.  112-166,  Hipp.  v.  58  flF.,  Phoen.  v.  103 
—  192;  (elegische  Distichen)  Andr.  v.  102—116. 

140.  Epeisodia  nennt  Aristoteles^)  die  Teile  der  Tragödie,  wdcbe 
zwischen  zwei  Hauptchorliedem  in  der  Mitte  stehen.  Der  Name  bezeidi- 
nete  zunächst  den  Vortrag  des  zu  dem  bereits  eingetretenen  Chore  hiozo- 
kommenden  Schauspielers.  Ursprünglich  von  geringem  Umfange  entwickelt 
sich  der  zunächst  nur  als  Zwischenspiel  dienende  Dialog  zu  immer  weiterer 
Ausdehnung.  Die  Zahl  der  Epeisodia  ist  keine  feststehende,  sondern  der 
der  Stasima  entsprechend  verschieden,  in  der  altem  Tragödie,  welche  ge- 
wöhnlich drei  Stasima  hatte,  meist  drei,  in  der  späteren  nicht  selten  eine 
grössere. 

Seine  Gliederung  erhält  das  Epeisodion  teils  durch  lyrische  Eünlagen, 
teils  durch  Zwischenreden  des  Chorführers.  Zu  jenen  gehören  die  früher 
besprochenen  epeisodischen  Chorika  (§  135),  die  Kommoi  (§  136)  und  die 
Bühnengesänge  (g  137).  Die  Zwischen  reden  des  Chorführers  sind  entweder 
iambisch  oder  anapaestisch  (Hypermetra)  und  dienen  besonders  häufig  zur 
Ankündigung  neu  auftretender  Personen;  vgl.  Aesch.  Ag.  v.  747  (Agamem- 
non), Sept.  V.  840  (Antigene,  Ismene),  Pers.  v.  140  (Atossa);  Soph.  Ant 
V.  155  ff.  (Kreon),  v.  375  flf.  (Antigene),  v.  626  ff.  (Haemon),  v.  801  ff. 
(Antigone).  Zuweilen  begleiten  den  Eintritt  einer  Bühnenperson  auch 
trochäische  Tetrameter,  die  teils  von  dem  Chorführer,  teils  von  dem  Eintreten- 
den selbst  vorgetragen  werden;  vgl.  Aesch.  Pers.  v.  246  flf.,  Agam.  v. 
1649  ff.,  Soph.  0.  C.  V.  880,  Eur.  Ion  v.  510—14. 

Den  Abschhiss  des  Epeisodion  bildet  öfters  ein  den  folgenden  Chor- 
gesang einleitende  Aufforderung  oder  Ansprache  des  Chorführers  gleichfalls 
in  Anapaesten,  z.  B.  Aesch.  Pers.  v.  532—547,  v.  623-632,  Sept.  v. 
822-881,  Agam.  v.  385-366,  Suppl.  v.  625  ff.,  Eum.  v.  307—320. 

141.  Die  Exodos,  welche  ursprünglich  das  den  Abzug  des  Chors  be- 
gleitende Chorlied  war  (§  134),  ist  später  ein  Bühnenteil  geworden,  näm- 
lich der  ganze  Schlussteil  der  Tragödie,  welcher  dem  letzten  Stasiroon 
folgte;^)  sie  entsprach  also  nicht  mehr  der  Parodos,  sondern  dem  Prolog 
und  den  Epeisodien. 

Sie  nimmt  oft  einen  verhältnismässig  grossen  Umfang  an,  namentlich 
in  der  Euripideischen  Tragödie,  wo  häufig  die  Peripetie  und  die  Katastrophe 
in  sie  verlegt  wird,  und  enthält  dann  als  lyrische  Einlagen  Wechselgesänge 
des  Chores  und  der  Bühne,  bei  Aeschylos  im  Agamemnon  sogar  zwei  grosse 
Kommoi.     Vgl.  §  135-137. 

^)  Va.  73  f.  und  91  f.  sind  daktylische    '   xoJr  tieXtov. 
Hexameter.  |  ^)  Aristot.  Poet.  c.  12.    t^odog  d^  fifQf^ 

')  Aristot.    Poet.    c.    12:    inei^xodiou   di    [    oXoy  igayioduti;,  fte9^  o  ovx  ecri  ^oqov  uiXoi. 


8.  XetriBoher  Bau  und  Vortrag  der  grieohiBchen  Diobtnngen.  (§  140—142.)    g05 

Den  Abschluss  der  Exodos  bildet  in  der  Regel  als  Ersatz  des  früher 
weiter  ausgeführten  Abzugsliedes  des  Chors  ein  anapaestisches  (Soph.  0.  R. 
V.  1524  und  Eur.  Ion.  v.  1605  ff.  trochäisches)  Exodikon,  welches  ent- 
weder ausschliesslich  vom  Chore  vorgetragen  wurde  oder  unter  ihn  und 
Personen  der  Bühne  geteilt  0  war.  Der  Vortrag  desselben  war  wahrschein- 
lich Recitativ  unter  Begleitung  der  Flöte  und  man  schreibt  ihn  gewöhnlich 
(nach  Westphal,  Arnoldt,  Muff  u.  a.)  dem  Chorführer  zu,  doch  sind 
Zweifel  an  der  allgemeinen  Richtigkeit  dieser  Annahme  wohl  ebenso  be- 
rechtigt, wie  bezüglich  des  Vortrags  der  Anapaeste  der  Parodos  s.  §  131,5. 

142.  1.  Dasselbe  Streben  nach  Ebenmass  und  Symmetrie,  welches 
sich  in  den  lyrischen  Teilen  der  Tragödie  in  der  antistrophischen  Respon- 
sion  offenbart,  kommt  auch  In  der  Gliederung  und  Anordnung  des  tragischen 
Dialogs  vielfach  zur  Erscheinung.  Insbesondere  sind  es  Dialogpartien, 
welche  zwischen  die  Strophen  eines  Gesanges  eingeschoben  werden,  bei 
denen  eine  symmetrische  Entsprechung  der  einzelnen  Gruppen  oft  ganz 
unzweifelhaft  zu  Tage  tritt;  vgl.  §  136.  Es  ist  ersichtlich,  dass  der  Grund 
dieser  Übereinstimmung  in  der  musikalischen  Begleitung  zu  suchen  ist, 
welche  gerade  für  diese  Dialogverse  mit  Sicherheit  anzunehmen  ist.  Es 
sind  aber  teils  anapaestische  Hypermetra,  teils  iambische  Trimeter,  welche 
als  Epirrheme  an  die  Strophen  des  Gesangs  sich  anscKliessen,  und  es  scheint, 
dass  sie  entweder  melodramatisch  oder  als  begleitetes  Recitativ  vorgetragen 
wurden.  Die  in  Betracht  kommenden  Fälle  sind  früher  bei  den  Kommoi 
(§  136)  und  den  Parodoi  (§  131)  aufgeführt  worden. 

Anmerkung.  Die  von  Th.  Zielinskt  a.  a.  0.  p  378  ff.  angestellte  Untersuchung 
führte  zu  dem  Ergebnis,  dass  die  Symmetrie  der  anapaestischen  Epirrheme  zu  häufig  und 
zu  auffallend  ist,  als  dass  man  annehmen  könnte,  sie  hätte  ganz  ausser  der  Absicht  des 
Dichters  gelegen;  für  die  iambischen  Trimeter  aber  als  unverbrOchliches  Gesetz  gelten 
muss,  so  weit  es  sich  nicht  um  umfangreiche  Teile  der  Epeisodia  handelt,  wie  Aeschyl. 
Sept.  V.  369-719,  Soph.  Phil.  220-507,  sondern  um  kleine,  leicht  übersehbare  Vers- 
gruppen. 

2.  Auch  ohne  alle  Beziehung  auf  gesungene  Teile  und  Musikbegleitung 
findet  ferner  eine  symmetrische  Gliederung  des  Dialogs  statt  in  den  soge- 
nannten Stichomythien^)  und  Distichomythien.  Es  erscheint  nämlich 
häufig  eine  —  längere  oder  kürzere  —  Dicdogpartie  so  angeordnet,  dass 
von  den  beiden  sich  unterredenden  Personen  jede  stets  nur  einen  oder  nur 
zwei  Verse  vorträgt,  wie  z.  B.  Aesch.  Ag.  v.  268—280  (Stichomythie), 
Agam.  V.  620—635,  Eum.  v.  711—730,  Choeph.  v.  1051  ff.  (Distichomythien). 
Eine  solche  Responsion,  zumal  wenn  sie  von  einem  Parallelismus  der  Worte 
begleitet  wird,  konnte  auch  ohne  Unterstützung  durch  die  Töne  der  Musik 
leicht  empfunden  werden.  Sie  wurde  übrigens  in  der  Regel  nur  da  ge- 
braucht, wo  das  Gespräch  einen  lebhafteren  Charakter  annimmt,  so  dass 


')  Aesch.  Prom.  v.  1040  flf.  (Prometheus, 
Hermes.  Ch.),  Soph.  Ai.  v.  1402  ff.  (Teukros 
u.  Ch.),  Trach.  v.  1259—79  (Herakles  u.  Ch.), 
Phil.  V.  1445—71  (Philoktet,  Neoptolemos, 
Ch.),  0.  C.  V.  1760  (Theseus,  Antigone,  Ch), 
Eurip.  Med.  v.  1389  (Jason,  Medea,  Ch.), 
Klektr.  v.  1292^1359  (Orest,  Elektra,  Ch.), 
Orest.  V.  1682—93  (Apoll,  Ch.),   Bacch.   v. 


1377  ff.  (Agaue,  Kadmos,  Chor). 

*)  Poll.  IV,  113.  crixofAv&eiy  fUXsyoy 
to  nag  Ey  iafißsTor  ayriXiyeiy  xal  x6  ngäyua 
crixofAv&iay,  Doch  beschränkt  sich  die  Sti- 
chomythie nicht  auf  iambische  Trimeter;  vgl. 
Aesch.  Pers.  v.  232—245,  v.  715—738,  wo 
trochäische  Tetrameter  dabei  gebraucht  sind. 


806  E.  Xetrik.    c)  Xetiik  der  Chriechen. 

Rede  und  Gegenrede  rasch  aufeinander  folgen  müssen.     Zahlreich  sind  die 
Beispiele  der  Stichomythie  vomehmlich  in  den  Tragödien  des  Euripides. 

3.  Noch  einen  Schritt  weiter  geht  der  Dichter,  wenn  er  selbst  die 
einzelnen  Verse  unter  die  Sprechenden  teilt,  so  dass  jeder  von  ihnen  jedes- 
mal nur  einen  Halbvers  erhält.  Diese  Zerteilung  des  Verses  ist  dem  Dialog 
der  äschyleischen  Tragödie  noch  fremd/)  erst  die  spätere  Tragödie  nahm 
sich  diese  Freiheit.  Der  Name  daf&r  ist  dvt^Xaßai,^).  Beispiel  Soph.  Ai. 
V.  591  flf.: 

TE,    evipr^fia  ^xiivei.  AI.    toTg  äxovovaiv  käys, 

TE.    (fv  i'  ovxl  nsiaei;  AI.    noXX'  ayav  fjirj  &QO€ig. 

TE.   raqßfi  yaQ^  (ova^.  AI.    ov  ^vvtQl^ed^  (og  vcexog: 

TE.    nQog  d-eiov,  fiakdaaov.    Ai.    iiwqd  (loi  ioxetg  ffQoveTv 
€1  tov/iov  rjd-og  ccqti  naiSeveiv  vosTg. 
In  trochäischen  Tetrametern  Soph.  Phil.  v.  813  ff.  und  häufig  bei  Euripides. 

4.  Die  Versuche,  eine  künstliche  Zahlensymmetrie  im  Bau  ganzer 
Tragödien  (die  sogenannte  ^grosse'*  oder  „konstruktive  Responsion*)  nach- 
zuweisen, sind  in  ihrer  Unhaltbarkeit  vor  kurzem  wieder  beleuchtet  worden 
von  Fr.  Zielinski,  Gliederung  d.  altatt.  Komödie  p.  387  ff. 

B.   Die  Komödie.») 

143.  1.  Wie  in  der  Tragödie,  so  bildete  auch  in  der  Komödie  ur- 
sprünglich der  Vortrag  des  Chors  den  Kern  des  ganzen  Dramas,  zu  wel- 
chem der  Dialog  erst  später  hinzutrat,  um  die  Pausen  zwischen  den  Ge- 
sängen auszufüllen.  Der  komische  Chor  bestand  aus  24  Mitgliedern,  aber 
er  sang  nur  selten  in  seiner  Gesamtheit  gleichzeitig,  wie  der  tragische 
gewöhnlich,  sondern  in  der  Regel  in  zwei  Halbchöre  geteilt,  welche  ein- 
ander ablösten,  so  dass  der  eine  die  Strophe,  der  andere  die  Gegenstrophe 
vortrug.  Öfters  trat  ausser  dem  Hauptchore  für  einzelne  Teile  der  Komödie 
auch  noch  ein  Nebenchor  auf,  z.  B.  in  der  Parodos  der  Frösche  und  der 
Wespen,  in  der  Lysistrata  u.  s.  —  Wo  nicht  Chorgesang  statthaft  ist, 
sondern  ein  einzelner  den  Chor  zu  vertreten  hat,  also  einerseits  im  Dialog, 
andrerseits  in  antistrophischer  Entsprechung  mit  einem  Gesang  diro  axr^rijg 
tritt  der  Chorführer  oder  die  Führer  der  Halbchöre  ein,  deren  Auf- 
gabe in  der  Komödie  eine  umfangreiche  ist.  Ein  wechselnder  Einzelvortrag 
der  Choreuten  ist  unwahrscheinlich. 

Die  Schauspieler  treten  wie  in  der  Tragödie  nicht  bloss  als  Spre- 
chende im  schlichten  Dialog  auf,  sondern  auch  als  Singende,  teils  im 
Einzelgesang,  teils  im  Wechselgesang. 

Als  Begleitung  diente  das  Flötenspiel  sowohl  beim  Chorgesange, 
als  beim  Gesänge  der  Einzelnen,  doch  war  bei  letzterem  auch  die  Lyra 
nicht  ausgeschlossen.*) 

Ausser  dem  eigentlichen   kunstmässigen  Gesänge  und   der   einfachen 


^)  Aesch.  Sept.  v.  217.  Prom.  v.  980  sind 
beseitigt  durch  Emendation.  In  äschyleischen 
Kommoi  ist  die  Teilung  zu  finden  z.  B.  Fers. 
V.  1059  -=  1065. 

'^)  Hesych.  s.  v.  ^taXoytxal  ^ijaeig  i^ 
fjfÄtOTi^Uoy    XeyofAcyat-    xara     fAix^ov     Tiftgd 


TQttytxotg. 

')  Die  folgende  Darstellung  versucht  die 
Ergebnisse  der  verdienstlichen  Forschungen 
von  Th  Zielinski  in  kurzer  Übersicht  zu- 
sammenzufassen . 

*)  Vgl.  Aristoph.  Thesm.  v.  327  ff. 


8.  Metrischer  Bau  and  Vortrag  der  griechischen  Dichtungen.  (§  143.)      807 

Deklamation  kam  das  Recitativ  und   der  melodramatische  Vortrag  häufig 
zur  Anwendung. 

2.  Die  Bestandteile,  aus  denen  sich  die  Komödie  zusammensetzt,  zer- 
fallen in  metrischer  Hinsicht  in  melische  ifi€^)  und  epische  (iTirj):  zu 
jenen  gehören  die  für  den  Gesang,  sowohl  den  chorischen  als  den  monodi- 
schen, bestimmten  Lieder,  zu  den  epischen  die  stichisch  gebrauchten  Maasse 
des  Dialogs,  insbesondere  die  trochäischen,  iambischen  und  anapaestischen 
Tetrameter  und  Hypermetra  {intj  im  engeren  Sinne)  und  die  iambischen 
Trimeter  (int]  im  weiteren  Sinne). 

In  den  melischen  Teilen  der  Komödie  tritt  der  Gegensatz  der  volks- 
mässigen  Liedformen,  welche  an  Archilochos'  und  Anakreons  Dichtungen 
erinnern,  und  der  kunstvolleren  Bildungen,  wie  sie  die  dorische  Lyrik  ent- 
wickelt hat,  hervor.  Jene  charakterisieren  sich  durch  die  grössere  Schlicht- 
heit und  Einfachheit  der  Strophenbildung,  indem  meist  Reihen  von  gleicher 
Ausdehnung  sich  zur  Periode  verbinden  und  nur  epodische  Gliederung  Ab- 
wechselung hervorruft,  ferner  durch  die  seltene  Unterdrückung  der  Senkung 
und  Anwendung  der  gedehnten  Länge;  es  sind  vornehmlich  iambische, 
trochäische  und  logaoedische  Bildungen.  Die  dorischen  Strophen  hingegen 
zeigen  einen  reicheren  Wechsel  in  der  Ausdehnung  der  Reihen  und  der 
Taktformen  und  eine  grössere  Freiheit  im  Gebrauch  der  Katalexen  und  Deh- 
nungen. Ihnen  dienen  die  rhythmischen  Formen  der  Lyrik  und  der  Tra- 
gödie, Prosodien,  Hymnen,  Hyporcheme,  monodische  Gesänge,  zum  Vorbilde, 
welche  die  Komiker  oft  mit  unübertrefflicher  Gewandtheit  zu  parodieren 
verstehen. 

3.  Bei  der  Anordnung  der  melischen  und  dialogischen  Teile  ist  die 
epirrhematische  Kompositionsform  in  der  Komödie  fast  durchgängig 
zur  Anwendung  gebracht,  so  dass  kaum  irgend  ein  wichtigerer  Teil  der- 
selben sich  ihr  gänzlich  entzogen  hat.  Das  Charakteristische  dieser  Kom- 
positionsform ist,  dass  fi^Xog  und  ^rjaig  sich  in  der  Weise  ineinander  schie- 
ben, dass  die  Strophen  eines  gesungenen  Liedes  nicht  unmittelbar  aufein- 
ander folgen,  sondern  an  die  Strophe  eine  bestimmte  Zahl  stichisch  geord- 
neter Verse  sich  anschliesst  und  dann  ebenso  eine  gleiche  Zahl  solcher 
Verse  an  die  Gegenstrophe.  Diese  Verbindung  von  Strophe  (A)  und  Epir- 
rhema  (a),  Antistrophe  {Ä)  und  Antepirrhema  {a)  bildet  eine  epirrhe- 
matische Syzygie: 

A  a  Ä  a, 

oder  in  anderer  Anordnung: 

a  A  a  A\ 

Alle  Hauptteile  der  Komödie  sind  nach  dieser  Form  geordnet  und 
gegliedert;  auch  die  später  entstandenen  Teile  haben  demselben  Schema 
sich  fügen  müssen  und  nur  in  bescheidenem  Umfange  ist  die  epeisodische 
Gliederung  zur  Geltung  gekommen. 

4.  Die  drei  ältesten  Bestandteile  und  Hauptgebilde  der  Komödie  sind 
die  Parodos,  der  Agon  und  die  Parabase,  welche  ursprünglich  in  dieser 
Ordnung  sich  aneinander  anschlössen.  Alle  übrigen  Teile,  insbesondere  die 
dialogischen,  welche  ihnen  vorangehen  und  zwischen  sie  eingefügt  erscheinen, 
sind  späteren  Ursprungs. 


808  £•  Metrik,    c)  Metrik  der  Griechen. 

144.  1.  Die  Parodos  umfasst  die  Vorträge  des  Chors  von  seinem 
ersten  Erscheinen  an  der  eiaoiog  bis  zum  Stillstand  in  der  Orchestra.  Sie 
hatte  anfänglich  eine  rein  chorische  Form,  so  dass  die  Schauspieler  in  ihr 
gar  nicht  thätig  waren;  später  nahmen  sie  am  Vortrage  der  Epirrheme  teil 
oder  übernahmen  sie  gänzlich.  Tritt  ausser  dem  Hauptchor  noch  ein  Neben- 
chor auf,  so  bildet  der  seinen  Eintritt  begleitende  Vortrag  eine  Neben- 
parodos,  wie  Vesp.  v.  291  ff.  —  In  der  Entwickelung  der  Parodoi  zeigen 
die  in  der  Zeit  vom  J.  422—405  entstandenen  Stücke  (Wespen,  Friede, 
Vögel,  Lysistr.,  Thesmoph.,  Frösche)  die  grösste  Ausdehnung  nnd  den 
reichsten  Ausbau,  während  die  letzten,  nach  dem  J.  405  gedichteten  (B!k- 
klesiazusen  und  Plutos)  eine  dürftige  Anlage  der  Parodos  haben. 

2.  Die  regelmässigen  Teile  der  Parodos  sind  Ode  und  Antode,  Epir- 
rhem  und  Antepirrhem;  vereinzeint  finden  sich  M^oden  ^)  und  Prooden') 
oder  ein  Epirrhemation')  d.  h.  zwei  durch  Parallelismus  auch  des  Gedanken- 
inhalts charakterisierte  Tristichen,  ferner  auch  ein  nriyog*)  oder  fiax^ 
d.  h.  ein  Hypermetron  als  Abschluss  der  vorhergehenden  Tetrametergruppe, 
und  zuweilen  auch  ein  anXovv  d.  h.  eine  Partie  ohne  entsprechendes  Gegen- 
stück, insbesondere  ein  —  aus  der  Parabase  entlehntes  —  KOfA/Äoriov;^)  nur 
selten  sind  die  der  Parodos  ursprünglich  fremden,  dem  Agon  eigentümlichen 
xaraxeke  vfXjnoi,  ^) 

3.  Die  Ordnung,  in  welcher  Oden  und  Epirrheme  aufeinander  folgen, 
ist  teils  A  a  Ä  a  (Vesp.  II.  v.  333  ff.,  III.  v.  403  ff.  Lysistr.  I.  v.  255  ff. 
Eccl.  II.  v.  428  ff.),  teils  a  A  a  Ä  (Acham.  I.  v.  204  ff.  Nub.  I.  v.  263  ff. 
Eccl.  I.  V.  285  ff.),  nur  vereinzelt  A  a  a  Ä  (Acharn.  11.  v.  280  ff.),  a  A 
Ä  a   (Pax  v.  299  od  656)  und  a  a   A  A'  (Vesp.  I.  v.  230  ff.). 

4.  Die  Metra  der  Epirrheme  sind  trochäische,  iambische  und  ana- 
paestische  Tetrameter:  trochäische  z.  B.  Vesp.  III.  v.  415  —  462  =  472 — 515, 
Ach.  I.  v.  204  ff..  II.  v.  280  ff.;  iambische  z.  B.  Vesp.  I.  v.  230-34  = 
235—239;  anapaestische  z.  B.  Nub.  I.  v.  263  ff. 

Die  Pnige  bestehen  aus  trochäischen,  iambischen  oder  anapaestischen 
Hypermetern  (1.  Equit,  v.  284  ff.  Pax  v.  339  ff.,  571  ff.,  651  ff.  2.  Ly- 
sistr. V.  382  ff.     3.  Vesp.  v.  358  ff.). 

Die  Epirrhematien  richten  sich  ausser  Eccles.  v.  514  ff.  nach  dem 
Versmasse  der  Epirrhemata;  ebenso  die  äriXa, 

5.  Die  Übereinstimmung  der  sich  entsprechenden  Epirrheme  in  der 
Verszahl  („Symmetrie")  ist  meist  ungestört,  nur  Vesp.  II.  v.  346  ff.  o)  379  ff. 
ist  das  eine  Epirrhem  noch  einm^  so  gross  als  das  andere.  Der  Gliede- 
rung des  einzelnen  Epirrhems  zeigt  eine  Verbindung  von  tetradischen  Vers- 
gruppen („Strophen"),  so  sind  z.  B.  Acharn.  IL  v.  284 — 346  32  Tetrameter 
oder  acht,  Nub.  I.  v.  263  ff.  zwölf  anapaestische  Tetrameter  oder  drei 
tetradische  Gruppen  vereinigt. 


')  Vesp.  V.  336,  338,  340  f.,  367  f.,  369,   j   Aves.  v.  387-399.   Pax  v.  339,  571,  651  ff. 
371.  Lysistr.  387. 

'-)  Lysistr.  v.  256  f ,  270  f.  |  *)  Acham.    v.    280—83    (troch.    paeon) 


^)  Ach.  V.  234-41.    Lysistr.  v.  1037  ff. 
Ecd.  V.  514  ff. 

*)  Kquit.  V.  284    302.  Vosp.  v.  358-364. 


Lysistr.  v.  254  f. 

«)  Pax  V.  299,  553,  601. 


8.  XetriBober  Bau  und  Vortrag  der  griechiBchen  Diohtnngeii.  (§  144—145.)    g09 


6.  Die  Vortragenden  sind  in  den  Oden  und  Antoden  die  Halbchöre, 
in  den  Epirrhemen  teils  die  Halbchorftthrer,  teils  Agonisten  (ausschliesslich 
Schauspieler  nur  Nub.  I.  v.  263  ff.);  das  Epirrheniation  fallt  in  der  Regel 
dem  Chor  (den  Halbchorführem)  zu,  nur  Eccl.  ü.  v.  514  ff.  macht  eine 
Ausnahme  (Praxagora  und  Chor). 

Die  Vortragsform  für  die  Oden  der  Parodos  war  Gesang,  für  die 
Epirrheme  Recitativ.  Den  Tanz  führte  jedesmal  der  nicht  vortragende 
Halbchor  aus. 

Das  Auftreten  wichtigerer  BQhnenpersonen  begleiten  wie  in  der  Tragödie 
anapaestische  Hypermetra  (§  46)  so  hier  anapaestische  Tetrameter,  z.  B.  Eqnit.  v.  1316 
bis  1334,  wo  der  verjüngte  Demos  auftritt  (3  +  16  Tetrameter),  Aves  v.  658—660  beim 
Erscheinen  der  Nachtigall  (4  Tetrameter),  Lysistr.  v.  1073  f.  beim  Auftreten  der  spartani- 
schen nqeitßBig  (2  Tetrameter)  und  v.  1108—11  zum  Empfang  der  Lysistrate  (4  Tetra- 
raeter).  Ein  anapaestisches  Hyperroetron  begleitet  nur  den  feierlichen  Aufzug  des  Trygaios 
Pax  V.  82  flf.  und  184  ff. 

146.  Das  zweite  Hauptstück  der  Komödie  bildet  der  Agon,^)  ein  oft 
mit  grosser  Heftigkeit  und  Erbitterung  geführter  Streit  zweier  Agonisten, 
welche  entgegengesetzte  Ansichten  vertreten,  wie  in  den  Rittern  v.  763  flF. 
Kleon  und  der  Wursthändler,  in  den  Wolken  v.  961  ff.  der  Logos  dikaios 
und  adikos,  in  den  Fröschen  v.  1006  ff.  Euripides  und  Aeschylos.  Der  Chor 
leitet  den  Kampf  ein,  macht  auf  seine  Wichtigkeit  aufmerksam,  erteilt  den 
Streitenden  das  Wort,  wünscht  Glück  zum  Streit,  mahnt  zur  Ausdauer  und 
spricht  schliesslich  seine  Entscheidung  aus.  Regelmässig  geht  dem  Agon 
eine  vorbereitende  Scene,  eine  Art  Proagon  voran,  welcher  zum  Teil  mit 
dem  letzten  Teile  der  Parodos  zusammenfallt  und  dazu  dient,  die  Gegner 
vorzustellen  und  den  Gegenstand  des  Kampfs  zu  bestimmen. 

Der  Agon  besteht,  wenn  er  vollständig  ist,*)  aus  neun  Teilen,  welche 
sich  nach  den  Normen  der  epirrhematischen  Komposition  aneinanderreihen: 
Ode,  Katakeleusmos,  Epirrhema,  Pnigos,  Antode,  Antikatakeleus- 
mos,  Antepirrhema,  Antipnigos,  Sphragis.  Nicht  regelmässige  Be- 
standteile sind  Prooden,  Mesoden  und  Epirrhematia  (Lysistr.  v.  608 — 613. 
Equit.  V.  461—466.  Acharn.  v.  620—625).  Fast  alle  Teile  sind  dinXci,  nur  die 
Sphragis  ist  ein  ärtlovv;  doch  fehlt  in  den  Ekklesiazusen  und  im  Plutos 
die  zweite  Hälfte  der  ganzen  Komposition  (das  Antisyntagma)  völlig.  — 
Als  Beispiel  diene  der  Agon  der  Wespen: 

Ode  V.  526—545.  Antode  v.  681—647. 

Katakeleusmos  v.  546  f.         Antikatakeleusmos  v.  648  f. 

Epiri^hema  v.  548—620.  Antepirrhema  v.  650—718. 

Pnigos  V.  621-630.  Antipnigos  v.  719—724. 

Sphragis  v.  725—27. 

Die  Oden  wurden  vom  Chore  gesungen  und  zwar  sang  der  rechte 
Halbchor  die  Ode,  der  linke  die  Antode.  Sie  sind  in  lyrischen  Massen 
abgefasst. 

Die  Katakeleusmoi  gehörten  den  beiden  Halbchorführern,  welche  sie 


^)  Vgl.  Aristoph.  R«n.  v.  883  yvy  ycIq 
ttyutu  aofflag  6  fiiyag  X^Q^^  ngog  SQyoy  tjdij. 
Vesp.  V.  532  f.  oQ^g  ydg  tog  aol  fiiyag  im* 
dytov  xtA.  Westphal  IP  p.  401  f.  wendet 
statt  Agon  den  Namen  Syntagma  an. 


')  Der  Agon  fehlt  in  den  Thesmophoria- 
zusen  und  der  Eirene,  dagegen  haben  die 
Ritter  (v.  303-460)  nnd  die  Wolken  (v. 
1345-1451)  einen  Neben  agon. 


glO  Eh  Metrik,    o)  Metrik  der  Ghiechen. 

recitativisch  vortrugen.  Sie  bestehen  regelmässig  aus  zwei  iambischoi 
Tetramet^rn  wie  Equit.  v.  333  f.  407  f.  841  f.  Nub.  v.  1034  f.  1397  f.  Ran. 
V.  905  flF.,  oder  aus  zwei  anapaestischen  wie  Equit.  v.  761  f.,  Vesp.  v.  546  f. 
648  f.  Die  Sphragis  kam  dem  Chorführer  zu;  vgl.  Vesp.  v.  725  flF.,  Aves 
V.  627  flf. 

Die  Epirrheme  des  Agon  wurden  von  Schauspielern  melodramatisch 
vorgetragen,  während  der  Chor  den  Zuhörer  spielte.  Die  Metra  sind  eben- 
falls teils  iambische,  teils  anapaestische  Tetrameter;  in  einigen  Agonen  ist 
das  eine  Epirrhem  iambisch,  das  andere  anapaestisch  (Nub.  v.  961  ff.  Ran. 
V.  907  ff.,  Equit.  v.  761  ff.,  841  ff.). 

Die  Pnige  richten  sich  im  Rhythmus  nach  dem  vorausgehenden 
Epirrhem,  dessen  Abschluss  sie  bilden,  und  sind  also  teils  iambische,  teils 
anapaestische  Hypermetra;  vgl.  Equit.  v.  367  ff.  und  824  ff. 

Die  Epirrhem atien,  in  welchen  die  Gegner  noch  einmal  jeder  in 
drei  Versen  ihre  Meinung  kund  thun,  bestehen  aus  iambischen  Trimetem. 

Die  Gliederung  der  Epirrheme  ist  auch  im  Agon  wenigstens  in  meh- 
reren Fällen  eine  tetradische  und  zwischen  Epirrhem  und  Antepirrhem 
herrscht  gewöhnlich  Übereinstimmung  in  der  Verszahl,  zuweilen  ist  das 
eine  um  eine  Perikope  von  16  Versen  grösser  als  das  andere.  Auch  für 
die  Pnige  stellt  sich  eine  auffallende  Symmetrie  heraus. 

146.  Die  ParabaseO  war  ihrer  ursprünglichen  Bestimmung  nach 
nicht  ein  Zwischenspiel,  sondern  sie  bildete  den  Epilog  der  Komödie,  in 
welchem  der  Dichter  auf  seine  persönlichen  Verhältnisse  zu  sprechen  kam, 
der  Chor  das  Lob  der  Götter  sang  und  ihren  Segen  erflehte,  daneben  aber 
auch  die  Fehler  und  Schwächen  der  Zeitgenossen  verspottete.  —  Die  Ge- 
staltung der  Parabase  hängt  mit  der  Entwickelungsgeschichte  der  Komödie 
eng  zusammen:  die  ältesten  sechs  Stücke  des  Aristophapes  (vor  dem  J.  415) 
repräsentieren  die  Blüte  der  alten  Komödie,  sie  haben  sämtlich  noch  eine 
Nebenparabase;2)  die  folgenden  drei,  Lysistrate,  Thesmophoriazusen  und 
Frösche,  zeigen  bereits  den  Verfall  der  Parabase ;  die  letzten  beiden  Stücke. 
Ekklesiazusen  und  Plutos,  haben  kaum  noch  einen  Rest  der  alten  Einrichtung. 

Die  Parabase  setzt  sich  aus  zwei  Hauptteilen  zusammen.  Der  erste 
hat  keine  antistrophische  Gliederung,  sondern  besteht  aus  lauter  «TrÄa,  der 
zweite  ist  antistrophisch  (xazd  ax^'aiv)  komponiert.  Die  dnXa  führen  die 
Namen  xojnfianovy  nagaßaaig,  fiaxQov  (auch  nvTyog  genannt);  die  dinla 
sind  die  ({^^rj,  das  imQQma^  die  dvTo^dri  und  das  ävxsniQqrjua^  sie  bilden 
zusammen  eine  eTtiQQrjfxaTixij  av^vyia,  — 

Der  erste  Hauptteil  ist  ein  zusammenhängender  Vortrag  des  Chor- 
führers und  zerfällt  1.  in  das  kurze  xof^iixdxiov^  welches,  weil  es  für  Gesang 
bestimmt  war,  aus  lyrischen  Massen  gebildet  wurde,  2.  die  eigentliche 
naQaßaaiQ^^)  welche  meist  in    anapaestischen   Tetrametern,*)   zuweilen  in 


M  PoUux  IV,  111  sq.  Hcphaest.  p.  73  sq. 
AV.  Suid.  s.  V.  nctqdßaaig.  Hesych.  s.  v. 
(ipdnmaxu.  Prolegg.  de  com.  p.  aXXIX  ed. 
Berok. 

-)  Acharn.  v.  625  flf.  und  971  ff.  Equit. 
V.   498  ff.  u.    1263  flf.  Nub.   v.  510  flf.   und 


1113  ff.     Vesp.  V.  1009  ff.  und  1265  ff.    Pax   |   Acharn.  v.  628. 


V.  729  ff.  u.  1127  ff.  Aves  v.  676  u.  1058  ff. 

^)  Heph.  p.  73  W.  xa%Birm  Si  naQt't- 
߀(aig,  ineidtj  eiaeX&oyiBg  eis  to  S^eargoy  xai 
a yr in Qoa 0)7101  ardvxeg  ol  xogevral  TtttQtßairov 
X(u  elg  TO  &6ttTQoy  (CTtoßXenoytes  eXeyoy  n**«. 

^)  Daher   auch   ol    aydnattTro^    genannt 


8.  MetriBolier  Bau  und  Vortrag  der  grieohischen  Diohtiingen.  (§  146—148.)    811 


Eupolideen  (Nub.  v.  518  flf.)  oder  Priapeen  (Amphiar.  fr.  20)  gehalten  war; 
3.  das  inaxQov  {nvTyog)  d.  i.  ein  anvsvaxC  vorgetragenes  (anapaestisches) 
Hypermetron.  Der  Vortrag  war  Gesang  beim  KOfifianov,  übrigens  beglei- 
tetes Recitativ. 

Die  epirrhematische  Syzygie  ist  in  ihren  Oden,  welche  von  den  Halb- 
chören gesungen  wurden,  aus  melischen  Massen  gebildet  und  mehrfach  die 
Nachbildung  einer  allbekannten  lyrischen  Dichtung,  z.  B.  in  den  Rittern 
V.  1264  die  eines  pindarischen  Prosodions,  in  der  Eirene  v.  775  flf.  nach 
Stesichoros'  Oresteia;  übrigens  herrschen  die  dem  hyporchematischen  Cha- 
rakter der  Parabase  entsprechenden  paeonischen,  paeonisch-trochäJschen 
und  daktylo-trochäischen  Bildungen.^)  —  Die  für  den  recitativischen  Vor- 
trag der  Halbchorführer  bestimmten  Epirrheme  sind  aus  trochäischen 
(oder  kretischen)  Tetrametern  gebildet  und  gliedern  sich,  da  sie  von 
Musik  und  Tanz  begleitet  waren,  in  tetradische  Gruppen,  meist  bestehen 
sie  aus  2,  4  oder  5  solcher  Tetraden  ^)  und  entsprechen  sich  gegenseitig 
in  der  Verszahl.  ^) 

147.  Wenn  ein  Chorikon  ohne  Unterbrechung  durch  zwischengescho- 
bene stichische  Partien  (des  Koryphaios  oder  der  Schauspieler)  zur  Tren- 
nung zweier  grösseren,  einander  nicht  entsprechenden  Dialogstücke  dient, 
wie  Acharn.  v.  836—859,  Equit.  v.  973—996  und  1111-1150,  Vesp.  v. 
1450 — 1473  u.  s.,  so  ist  das  der  Komödie  sonst  eigentümliche  epirrhema- 
tische Schema  aufgegeben  und  die  Bezeichnung  eines  solchen  Chorikon  als 
Stasi mon  der  Analogie  der  Tragödie  gemäss.  Derartige  Chorika  er- 
scheinen nur  in  dem  der  Parabase  folgenden  Teile  der  Komödie  und 
überschreiten  nie  einen  massigen  Umfang,  meist  bestehen  sie  aus  Strophe 
und  Gegenstrophe,  wie  die  trochäischen  Chorika  der  Lysistrate  v. 
1043—1058  =  1059—1072  und  v.  1189—1204  =  1205—1215,  zuweilen 
sind  sie  monostrophisch,  wie  die  aus  vier  gleichen  Strophen  bestehenden 
Lieder  Acharn.  v.  836 — 859  und  Ran.  v.  814—829;  einzelne  von  ihnen 
entbehren  der  antistrophischen  Responsion,  wie  Ran.  v.  1251 — 1260  und 
V.  1370—1377. 

148.  Auch  für  die  Anordnung  der  Dialogpartien,  in  welchen  der 
iambische  Trimeter  das  vorwaltende  Metrum  bildet,  ist  das  in  der  Komödie 
so  beliebte  epirrhematische  Schema  oft  zur  Geltung  gebracht  worden,  in- 
dem zwei  einander  entsprechende  Strophen  den  trimetrischen  Dialog  gliedern, 
insbesondere  überall  da,  wo  der  Stoff  selbst  eine  Teilung  in  zwei  Parallel- 
scenen  nahe  legte  oder  ermöglichte.  Beispiele  bieten  Acharn.  v.  347 — 392 
und  V.  393—571: 

a   V.  347—357  A   v.  358—365 

a   V.  366—384  Ä  v.  385-392, 


')  Paeonisch  sind  die  Oden  der  Para- 
basen  Ach.  I,  v.  665  =  692.  II,  v.  971  = 
988,  Fax  11,  v.  1127  =  1159;  trochäisch- 
paeonisch  Vesp.  II,  v.  1265—74  (Antode 
fehlt,  Lysistr.  I,  v.  614  =  636,  II,  v.  658  = 
682;  daktylo-trochäisch  Aves  I,  v.  737 
=  769;  logaödisch  Equit.  I,  v.  551  =  581, 
Nub.  V.  563  =  595. 


*)  He^h.  p.  74,14  ro  inlgQt^fAa  .  .  .  <Jf 
inl  t6  nXeimoy  ixxaidexa  atiytoy,  Schol.  zu 
Arist.  Vesp.  v.  1071  t6  cf#  iniQ^ij/Aa  tag  ini- 
nay  oxtta  atixoty  rj  iß'  rj  ig  ,  iy&tide  di 
etxoüi, 

^)  Heph.  p.  74,1«  to  xaXovfieyoy  ayre- 
niQQtjfAa^  onsQ  ^y  raiy  tatoy  xiaXtoy  rtf  htiq- 
^tjfiaTi, 


812  E*  Metrik,    c)  Xetrik  der  Grieclien. 

wo  das  Schema  a  A  a  Ä  in  beiden  Fällen  zu  Grunde  liegt.  Ebenso  ist 
dies  der  Fall  Nub.  v.  627—813,  v.  814—888.  Pax  v.  819—921,  v.  922- 
1038.  Aves.  v.  801-902,  v.  1118—1268,  v.  1494—1705.  Thesm.  v.  372 
—530.  Ran.  v.  460—604.  Dagegen  stehen  die  Oden  voran  und  die  Epir- 
rheme  folgen  nach  {A  a  Ä  a)  Acharn.  v.  1000—1068.  Equit.  v,  611—765. 
Nub.  V.  1214—1302.  Vesp.  v.  729—1008.  Pax  v.  459.  507.  Solche  Dialog- 
partien bezeichnet  man  mit  Zielinski  p.  377  zweckmässig  als  trimetrische 
Syzygien.  — 

Die  Oden  wurden  entweder  von  den  Halbchören  oder  von  den  Führern 
der  Halbchöre  recitativisch  vorgetragen;  die  in  ihnen  angewendeten  Metra 
sind  Jamben,  Trochäen,  Paeone,  lambo-Trochäen,  Dochmien.^)  Die  als 
Epirrheme  dienenden  Trimeter  wurden  ohne  Musik-  und  Tanzbegleitung 
einfach  deklamiert  und  entbehren  infolge  dessen  der  strophischen  Oliederung 
und  Übereinstimmung  in  der  Yerszahl. 

149.  1.  Unter  den  dialogischen  Bestandteilender  Komödie,  welche  die 
epirrhematische  Gliederung  nicht  an  sich  tragen,  ist  zunächst  der  Prolog 
zu  nennen  d.  h.  der  Teil  der  Komödie,  welcher  dem  Auftreten  des  Chors 
vorangeht  und  darum  ohne  seine  Beteiligung  vorgetragen  werden  musste. 
Er  ist  einer  der  spätesten  Teile  der  Komödie  und  fehlte  in  der  ältesten 
Zeit  gänzlich;  er  ist  im  allgemeinen  in  iambischen  Trimetern  gehalten,  doch 
gestattet  er  Einlagen  in  anderem  Metrum,  wie  z.  B.  den  Orakelspruch  in 
5  Hexametern  Equit.  v.  197 — 201,  die  anapaestischen  Hyperraetra  in  der 
Eirene  v.  82  und  154  beim  Auftreten  des  Trygaios  und  in  den  Thes- 
mophoriazusen  v.  39—62;  auch  lyrische  Vorträge  wie  den  Chor  der 
Frösche  Ran.  v.  208—267,  das  (ionische)  Amoibaion  Thesmoph.  v.  101 — 129 
(Agathon  und  Musenchor),  die  Monodie  des  Epops  in  den  Aves  v. 
227-262. 

2.  Ferner  entziehen  sich  der  epirrhematischen  Anordnung  diejenigen 
Trimeterscenen,  welche  zwischen  zwei  Syzygien  in  die  Mitte  eingeschoben 
sind,  z.  B.  zwischen  die  beiden  Teile  der  Parodos  (Acham.  v.  241-279. 
Eccl.  V.  311 — 477)  oder  zwischen  die  Parodos  und  den  Agon  (Aves  v. 
400—450),  zwischen  Parodos  und  Parabase  (Thesm.  v.  728—784).  Solche 
Zwischenscenen,  wie  sie  Zielinski  genannt  hat,  bestehen  entweder  aus 
lauter  Trimetern,  wie  Equit.  v.  461—497,  oder  enthalten  ebenfalls  lyrische 
Einlagen,  wie  der  Prolog.  So  enthält  die  Zwischenscene  der  Achamer  v. 
241  ff.  den  Phallophorengesang  v.  263  flf.,  die  der  Wolken  v.  1131—1213 
die  Freudenlieder  des  Strepsiades.  In  einigen  Fällen  beginnen  sie  mit  einem 
Chorikon,  an  welches  sich  die  Trimeter  anschliessen,  gleichen  also  einer 
halben  Syzygie  {A  a),  z.  B.  Pax  v.  512—519,  Aves  v.  400—405,  v.  609— 
636.  Diejenigen  Zwischenscenen,  welche  dem  Agon  vorangehen,  dienen  als 
Proagon  (s.  §  145)  v.  Acharn.  v.  572—592,  Nub.  v.  889—948,  Aves  v. 
400-450,  Lysistr.  v.  387-466,  Eccl.  v.  529—570. 

3.  Denselben  Charakter  tragen  die  Teile  des   trimetrischen   Dialogs, 


M  I  am  bisch  sind  Acharn.  v.  1008 
=  1037.  Nub.  V.  1200  1213.  trochäisch: 
Kquit.  V.  OKI  =  633.    Pax.  v.  385  ff.,  trochä- 


459  =  520.  Ran.534  =  590,  anapaestiscb: 
Pax  V.  459  =  486,  v.  939  ==  1023,  doch- 
raisch:    Acham.  v.  358  =  385,    v.   490  = 


isch-paconisch:  Thesm.  v. 433  =  510,  v.   i   566,  Aves  v.  1188=  1262ff. 


8.  Xetriflcher  Bau  und  Vortrag  der  griechiBchen  Diohtimgen.  (§  149—151).     813 

welche  von  einem  der  ungeteilten  Chorika,  die  oben  (§  147)  Stasima  ge- 
nannt wurden,  begrenzt  werden  und  sich  ebenso  wie  die  entsprechenden 
Teile  der  Tragödie  als  Epeisodia  bezeichnen  lassen.  Sie  finden  sich  nur 
im  zweiten  Teile  der  Komödie  nach  der  Parabase  und  schliessen  sich  ent- 
weder unmittelbar  an  diese  an,  wie  das  erste  Epeisodion  der  Acharn.  v. 
719—835,  der  Wespen  v.  1122—1264,  der  Lysistrate  v.  706—780,  der 
Thesmophoriazusen  v.  846—946,  der  Frösche  v.  738 — 813,  oder  an  ein  vor- 
angehendes Stasimon,  wie  Acham.  v.  860—970,  Equit.  v.  997—1110,  v. 
1151—1262,  Nub.  V.  1321—1344,  Vesp.  v.  1292-1449,  Aves  v.  1335— 
1469,  Lysistr.  v.  829—1013,  v.  1072—1188,  Thesm.  v.  1001—1135,  Ran. 
830—894,  V.  1119—1250,  v.  1261—1369;  seltener  an  den  Agon  wie  Equit. 
V.  941—972,  Plut.  V.  627—770  oder  eine  trimetrische  Syzygie,  wie  Acharn. 
V.  1069—1142,  Aves  v.  1269—1312  an.  Lyrische  Einschaltungen,  0  Ana- 
paeste,*)  Hexameter^)  unterbrechen  die  Trimeter  auch  in  diesen  Teilen  des 
Dialogs,  gerade  wie  die  des  Prologs  und  der  Zwischenscenen. 

150.  Die  Exodos*)  besteht  in  der  Regel  aus  einer  Scene  in  iambi- 
schen  Trimetern  und  dem  Abzugslied  {fieXog  aifoiixiv)  des  Chors,  welches 
durch  anapaestische,  iambische  oder  trochäische  Tetrameter  eingeleitet  wurde. 
So  bilden  in  den  Wespen  die  Trimeter  v.  1474—1515  den  ersten  Teil  der 
Exodos,  dann  folgen  zwei  anapaestische  Tetrameter  v.  1516  f.  und  zum 
Abschluss  ein  daktylo-trochäisches  Tanzlied,  das  teils  antistrophisch  (v. 
1518 — 1522),  teils  stichisch  gebaut  ist.  In  den  Aves  und  der  Eirene 
bilden  Hymeuäen^)  die  Schlussgesänge,  in  den  Ekklesiazusen  das  iiäXog 
fieXXoScmvixov  v.  1 1 68  flf. ;  in  mehreren  Stücken  aber  fehlen  die  Exodia  des 
Chors,  so  in  den  Rittern,  die  am  Schluss  verstümmelt  sind,  aber  auch 
in  den  Wolken,  den  Fröschen,  den  Thesmophoriazusen  und  dem  Plutos, 
wo  bekannte  Hymnen  beim  Abzug  des  Chors  gesungen  worden  sein 
werden. 

151.  Die  mittlere  und  neuere  Komödie  erhielt  durch  das  Zurück- 
treten des  Chors  und  den  veränderten  Charakter  der  Dichtung  auch  in  ihrer 
metrischen  Form  eine  ganz  andere  Gestalt.^)  Die  Mannigfaltigkeit  der  Metra, 
welche  in  der  altattischen  Komödie  hervorgetreten  war,  ging  ihr  verloren, 
lyrische  Masse  kamen  nur  in  beschränktem  Umfange  zur  Anwendung;  das 
Hauptmetrum  warder  iambische  Trimeter,^)  neben  ihm  wurde  der  trochäische 
Tetrameter  mit  Vorliebe  benützt.*)  Auch  die  anapaestischen  Hypermetra 
spielten  in  der  mittleren  Komödie  eine  gewisse  Rolle,  indem  sie  zu  effekt- 

*)  z.  B.  das  iambische  Amoibaion  Acharn.  |  *)  Proleg.   de    comoed.   I.  p.  XXX  ed. 

V.  929—951.  I    Bebok:    ol  d?  ti}^  fi^crjg  xtüfAM^iag  noiijrai 


')  Lysistr.  v.  954  ff. 

3)  Die  Orakelsprüche  Equit.  v.  1030  ff 
Lysistr.  v.  770  ff. 

^)  Poll.  IV,  108  fieXos  -  «ocftoj/,  6' 
i^iortsg  H^oy,  Schol  zu  Arist.  Vesp.  v.  270 
T«  di  i^o&ixd  ij  vno)(tüQtjtixaf  ansq  inl  Tp 
i^o&ü)  rov  dQttfiaros  ^derai.  ~  Anon.  in 
Cbamer,  Anecd.  Paris  I,  p.  405  i^otfos  i<m 
ro  inl  tfXei  Xeyofieyov  [fifXog]  rov  j^oqov. 

")  In  den  ^Vögeln"*  folgt  noch  ein  dak- 
tylisches Preislied  auf  Zeus. 


xal  rag  vno&Baeig  rjfisiiffay  xal  ta  /o^ixrc 
fiiXt]  naqihnoy. 

^)  Proleg.  de  com.  V,  p.  XXXIV  if  fikv 
via  xaxd  tö  nX$l<fXov  atgefperat  neql  ro  iafi- 
ßixoy,  onaymg  di  fihgoy  itSQoy,  iy  di  na~ 
Xttiif  7ioXvu€TQlif  ro  anovdaJ^ofAByoy.  Vgl.  ib. 
V,  p.  XXX VIL 

")  Hephaest.  p.  65.26  W.  n^  fikv  .  .  t£- 
rgäfierga  iy  r<a  avrt^  noiijfian  (raig  Meyay- 
dgov  xtofitadiatg),  nfi  di  TgifAerga  evQiaxetat, 


& 


gl4  £.  X«trik.    o)  Xetrik  der  Orieohen. 

vollen  SchilderuDgen  verwendet  wurden;  vgl.  Anaxandridas    bei  Atbeo. lY, 
p.  131. 

Litteratur.O  Allgemeineres  zamDrama:  G.  Hebmakk,  Eiern,  doctr.  metr.  Ups. 
1816.  p.  714  sqq.  —  Heimsobth,  Vom  Vortrage  des  Chors  io  d.  griech.  Dnunen.  Bodo 
1841.  —  M.  Wiuis,  Quaesiiones  metr.  p.  I.  De  personarom  mutatione  .  .  .  Diteeldoif. 
1855.  ~  R.  Westphal,  Die  metr.  Komposition  d.  dramat.  Dichtangen  in  Metrik  ^^  p. 
290— 315  =  IIP,  1  p.  232-251.  —  L.  Mtbiaktheus,  \i\^  Marschlieder  d.  griech.  Dianu. 
München  1873.  —  W.  Christ,  Die  Komposition  u.  d.  Vortrag  antiker  Dichtungen,  in: 
Metrik  d.  Griech.  u.  ROmer.  Leipz.  1874.  2.  A.  1879.  S.  596  ff.  Ders.  Die  Parakataloge 
im  griech.  u.  röm.  Drama.  Abh.  d.  bayr.  Akad.  XIII,  3.  München  1875.  —  Die  Teflung 
des  Chors  im  att.  Drama  mit  Bezug  auf  d.  metr.  Form  der  Chorlieder.  Abh.  d.  b.  Akad. 
XIV,  2.  München  1877.  -  Zacheb,  Über  die  Darstellung  antiker  Dichtwerke  mit  bes.  Be- 
rücksichtigung des  Chors,  in:  Vhdigg.  d.  33.  Philol.  Vslg.  (Gera)  1878  p.  64  -  73.  —  B. 
Arnold  in  Baumeister's  Denkmäler  des  klass.  Altertums  I,  p.  383—395.  —  Th.  Bbboc. 
Griech.  Literaturgeschichte  III,  p.  106—167  (Beriin  1884).  —  A.  MOllbr,  Die  griech. 
Bühnenaltertümer  in:  K.  F.  Hermakn,  Lehrb.  d.  griech.  Antiquitäten  (2  A.)  lü,  2. 
Freiburg  i/B.  1886.  bes.  §  15.  16. 

Zur  Tragödie:  G.  Hermann,  De  usu  'antistrophicorum  in  Graec.  tragoed.  Lips. 
1810.  Dissertatio  de  choro  Eumenidum  1816.  Opusc.  II,  p.  130  ff.  VI,  2,  136  ff.  —  F. 
Bamberger,  De  carminibus  Aeschvleis  a  partibus  chori  cantatis.  Marburg  1832  ==  Opusc. 
p.  28  sq.  —  0.  Mt^LLER,  Aeschylos  Eumeniden.  Göttingen  1833.  4.  p.  69  ff.  u.  Anhang  dazu 
Gott.  1884.  4.  Ders.  Geschichte  d.  griech.  Litt.  2.  Bd.  u.  Kl.  Schriften  I.  -  Th.  Kock, 
Über  die  Parodos  der  griech.  Tragödie.  Posen  1850.  —  Lbop.  Schmidt,  De  parodi  in  trag. 
Graec.  notione.  Bonn  1855.  —  F.  Ascherson,  De  parodo  et  epiparodo  trag.  Graec.  Berol.  1856. 
diss.  Ders.  Umrisse  der  Gliederung  d.  griech.  Drama  m  N.  Jahrbb.  f.  PhiL  Suppl.  IV, 
.  423  ff.  (1862).  —  A.  Rossbach,  De  Eumenidum  antichoriis.  Ind.  lect.  Vratial.  1§60.  — 
.  Westphal,  Prolegomena  z.  Aeschylns'  Tragödien.  Leipz.  1869.  —  Chr.  Muff,  Die  cho- 
rische Technik  des  Sophokles.  Halle  1877.  Ders.  De  choro  Persarum  fab.  Aeschyl.  Halle 
1878.  D.  Chor  in  d.  Sieben  d.  Aeschyl.  Stettin  1882.  4.  —  0.  Hbnsb,  Der  Chor  des  So- 
phokles. Berlin  1877.  Ders.  Rhein.  Mus.  XXXII,  p.  485  ff.  —  R.  Arnoli>t,  Die  chor. 
Technik  des  Euripides.  Halle  1878.  Ders.,  Der  Chor  des  Agamemnon  d.  Aeschyl.  Halle 
1881.  —  G.  Oehmichen,  De  compositione  episodiorum  trag,  graen.  externa.  Erlang.  1881. 
—  N.  Wecklein,  Über  d.  Technik  u.  den  Vortrag  d.  Chorgesänge  d.  Aeschylus.  Jahrb. 
f.  Phil.  Suppl.  (1882)  XIII,  215  ff.  ~  H.  Gleditsch,  Die  Cantica  der  Sophokl.  Tragödien 
2.  A.  Wien  1883.  —  J.  Abchaüeb,  Cb.  d.  Parodos  u.  Epi parodos  in  d.  gnech.  Trag.  Ober- 
hollabruDn  1887.  Progr.  —  Ch.  Bally,  De  Euripidis  tragoed.  partibus  lyricis  quaestt.  Berol. 
1889.  diss. 

Zur  Komödie:  G.  H.  Kolster,  De  parabasi,  veteris  comoediae  parte  antiquissima. 
Altona  1829.  —  C.  Kock,  De  parabasi,  antiquae  comoed.  att.  interludio.  Anclam  1850.  — 
H.  T.  Hornung,  De  partibus  comoediae  graec.  Berol.  1861  diss.  —  E.  Nesemakn,  De  epi- 
sodiis  Aristophaneis.  Berol.  1862.  diss.  —  C.  Agthe,  Die  Parabase  u.  die  Zwischenakte  d. 
griech.  Kom.  Altona  18G6.  Anhg.  1868.  —  Chr.  Müff,  Über  d.  Vortrag  d.  chorischen  Par- 
tien bei  Aristophanes.  Halle  1872.  —  Rich.  Arnoldt,  Die  Chorpartien  b.  Aristophanes 
scenisch  erl.  Leipz.  1873.  —  Th.  Zielinski,  Die  Gliederung  der  altaf tischen  Komödie. 
Leipz.  1885. 

Über  Symmetrie  der  Dialogpartien.  Allgemeines:  G.  Hermann,  £lem.  D.  M. 
p.  718  sq.  735  sq.  —  0.  Ribbeck,  Die  symmetr.  Komposition  in  d.  antiken  Poesie  in: 
N.  Schweiz.  Mus.  I,  p.  203  ff.  1861.  —  Oeri,  Christ,  Prien,  Thesen  üb.  d.  Responsion  b. 
d.  Trag,  und  Aristoph.  in  Verhdlgg.  d.  32.  Phil.  Vers.  1877  p.  142  ff.  —  W.  Corist.  Me- 
trik^ p.  003  ff.  —  Th.  Bergk,  Griech.  Litgesch.  III,  p.  155  ff. 

Tragödie:  Heiland,  Metr.  Beobachtungen.  Stendal  1855.  Progr.  —  F.  Ritschl,  Der 
Parallelismus  der  7  Redenpaare  in  Aeschyl.  Sept.  N.  Jhbb.  f.  Phil.  77.  Bd.  p.  761  ff. 
(1858),  79.  Bd.  p.  96  ff.  u.  Opusc.  philol.  I  p.  300— 364.  —  H.  Weil,  Die  Gliederung  d. 
dramat.  Recitativs  bei  Aeschylos.  N.  Jhbb.  f.  Ph.  79.  Bd.  p.  721  ff.,  p.  835  ff.  (1859). 
Ders.  De  la  compos.  symmetr.  du  dialogue  dans  Ics  trag.  d'Eschyle.  Paris  1860.  Ders, 
N.  Jhrbb.  f.  Ph.  83.  Bd.  p.  377  ff.  (18G1).  87.  Bd.  p.  389  (1863).  -  E.  Martin,  De  ro- 
sponsionibus  diverbii  ap.  Aeschyl.  Berol.  1862.  —  B.  Nake,  über  Symmetrie  im  Bau  d. 
Dialoge  griech.  Trag.  Rhein.  Mus.  17.  Bd.  p.  502  ff.  1862.  —  H.  Hirzel,  De  Euripidis  in 
componendis  diverbiis  arte.  Lips.  1862  (diss.  Bonn).  —  H.  Behrns,  De  stichoroythia  Euri- 
pidca.  Wetzlar  1864.  Progr.  —  J.  Czwalina,  De  Eurip.  studio  aequabilitatis.  Bonn.  1867. 
N.  Wecklein,  Über  symmetr.  Anordnung  des  Dialogs  und  die  Stichomythie  bei  Sopho- 

')  Vgl.  auch  die  Litteratnrübersicht  auf  S.  769  f. 


8.  Metrisclier  Bau  und  Vortrag  der  gpriechisohen  Dichtungen.  (§  151).      gl5 

kies.  Würzburg  1868  in;  Festgr.  d.  philol.  Gesellscfa.  —  P.  Wesekeb,  Über  Störungen  d. 
Stichom.  b.  Eurip.  Jnowraclaw.  1871.  Progr.  —  R.  Niebebdino,  De  senariis  a  Soph.  inter. 
carm.  melic.  partes  collocatis.,  Neustadt  i/Schl.  1871.  Prgr.  —  Fb.  Witten,  De  tragic. 
graec.  stichomythia.  Heimst.  1872.  Progr.  —  A.  Schmidt,  Die  symmetr.  Gliederung  d. 
Dialogs  in  Eurip.  Herakl.  Parcbim  1877.  —  L.  Drbwes,  D.  symmetr.  Komposition  d.  sopb. 
Trag.  König  Oed.  Helmstedt.  1880.  —  J.  J.  Oebi,  Die  grosse  Responsion  in  d.  spät  Soph. 
Trag.  Berlin  1880.  Ders.,  Interpolation  u.  Responsion  in  d.  iamb.  Partien  d.  Eunp.  Berlin 
1882.  -  R.  Klotz,  Studia  Aeschylea.  Lips.  1884.  Progr.  —  Th.  Zielinski,  Gliedenmg  d. 
altatt.  Kom.  Leipz.  1885,  p.  878  fF.  —  N.  Wecklein.  Textüberlieferung  d.  Aeschyl.  München 
1888.  (Sitz.  Ber.  d.  bayr.  Ak.)  p.  331  ff. 

Komödie:  J.  Oeri,  De  responsionis  ap.  Aristoph.  rationibus.  Bonnae  1865.  Ders., 
Die  Responsion  bei  Aristoph.  in  Jhrbb.  f.  kl.  Phil.  101.  Bd.  p.  352  ft.  1870.  Ders., 
Novae  in  respons.  Aristoph.  animadv.  Schaffh.  1876.  —  F.  Witten,  Qua  arte  Aristophanes 
deverbia  composuerit.  Halis  1878  diss.  —  Th.  Zielinski,  Gliederung  d.  altatt.  Komödie. 
Leipz.  1885,  p.  348  ff. 


Metrik  der  Römer. 


1.  Die  Entwickelung  der  metrischen  Kunst  bei  den  Römern. 

152.  1.  In  der  frühesten  Periode  entwickelte  sich  aui  italischem  Boden 
sowohl  die  religiös-sakrale  Dichtung,  wie  die  rein  volksmässige  der  Fes- 
cenninen,  Sprüche,  Triumph-  und  Klagelieder  unabhängig  von  griechischem 
Einflüsse  auch  in  der  äusseren  Form,  und  was  an  Resten  davon  auf  uns 
gekommen  ist,  fügt  sich  nicht  den  Normen  griechischer  Metrik.  Aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  schloss  sich  der  älteste  italische  Versbau  mit 
den  Hebungen  so  viel  als  möglich  an  die  betonten  Silben  der  gewöhnlichen 
Rede  an  und  nahm  auf  die  Quantitätsverhältnisse  wenig  oder  gar  keine 
Rücksicht,  hatte  sie  jedenfalls  nicht  zu  seinem  ordnenden  Prinzipe. 

2.  Die  frühesten  Erzeugnisse  der  Kunstdichtung  und  die  ältesten  In- 
schriften tragen  in  ihrer  metrischen  Form,  dem  sogenannten  metrum  Sa- 
Uirnium,  noch  den  Stempel  dieser  nationalen  Entwickelung:  so  die 
Odtjssia  des  Livius  Andronicus,  das  Bellum  Puniaim  des  Naevius,  die  Elog'm 
der  Scipionen  und  andere  Inschriften  in  saturnischem  Masse,  wenn  auch  in 
dieser  Zeit  schon  griechische  Einflüsse  in  der  Versbildung  sich  geltend  ge- 
macht haben  können.  Aber,  da  dieselben  Dichter  im  römischen  Drama  die 
griechischen  Metra  zur  Anwendung  brachten,  wurde  allmählich  die  natio- 
nale Form  der  Dichtung  zurückgedrängt  und  kam  in  der  Litteratur  zu 
keiner  weiteren  Entwickelung;  jedoch  lebte  die  alte  Dichtweise  im  Volke 
weiter,  bis  sie  in  der  sogenannten  rhythmischen  Poesie  ihre  Auferstehung 
feierte. 

3.  Mit  der  Einführung  der  griechischen  Metra  im  Drama  durch 
Livius,  Naevius  und  Plautus  beginnt  eine  neue  Epoche  der  römischen 
Dichtungsform.  Die  erste  Periode  dieser  gräcisierenden  Verskunst  der 
Römer  zeigt  noch  eine  gewisse  Selbständigkeit  und  Freiheit  in  der  Aneig- 
nung der  fremden  Kunstformen  und  lässt  die  nationalen  Eigentümlichkeiten 
und  Gewohnheiten  noch  in  ausgedehntem  Grade  zu  ihrem  Rechte  kommen. 
Sie  lässt  sich  als  die  Periode  der  freieren  Nachahmung  der  griechi- 
schen Metra  bezeichnen.  Nachgebildet  wurden  die  Metra  der  scenischen 
Dichtung,  vor  allem  andern  der  iambische  Trimeter  (§  59),  dann  die 
iambischen,   trochäischen    und   anapaestischen  (zweigliederigen)   Langverse 


1.  Die  Entwickelang  der  metrischen  Kunst  bei  den  Römern.  (§152.)       gl7 

(s.  §  61.  51.  45)  und  die  entsprechenden  hypermetrischen  Verbindungen 
(§  53.  62.  46).  Für  die  dramatischen  Cantica  (im  engeren  Sinne  des  Worts) 
kamen  auch  Eretiker,  Bacchien,  Choriamben,  vielleicht  auch  daktylische 
und  logaoedische  Formen  zur  Anwendung. 

Vielfache  Übereinstimmung  des  rhythmischen  Iktus  mit  dem  gram- 
matischen Accente  und  die  deutlich  hervortretende  Abneigung  in  gewissen 
Fällen  nicht  betonte  Silben  in  die  Hebung  und  betonte  in  die  Senkung  des 
Verses  treten  zu  lassen,  Schwanken  und  Unsicherheit  in  den  Quantitäts- 
verhältnissen, Vorliebe  für  Allitteration  und  Gleichklang,  Häufigkeit  aller 
Arten  von  Vokal  verschleif  ung,  geringe  Empfindlichkeit  gegen  den  Hiatus, 
grosse  Freiheit  in  der  Behandlung  der  Senkungen  des  Verses,  welche  meist 
ebenso  wohl  durch  eine  Länge  oder  zwei  Kürzen  wie  durch  eine  einzelne 
Kürze  gebildet  werden  können,  charakterisieren  diese  Periode  im  Gegen- 
satze zu  der  späteren  römischen  Dichtung. 

Ihre  Hauptrepräsentanten  sind  die  älteren  scenischen  Dichter; 
jedoch  bewahrte  die  scenische  Poesie  bis  in  die  ciceronische  Zeit  viele 
Eigentümlichkeiten  dieser  Periode  sowohl  in  der  Komödie  wie  in  der  Tra- 
gödie, freilich  mit  gewissen  Modifikationen,  wie  sie  die  fortschreitende  Ent- 
wickelung  mit  sich  brachte. 

Auch  in  der  nationalen  Dichtgattung  der  Satire  kam  die  freiere 
Nachahmung  der  griechischen  Masse,  namentlich  bezüglich  der  Senkungen 
in  den  iambischen  und  trochäischen  Versen,  noch  bei  Ennius,  Lucilius  und 
Varro  zur  Geltung;  ebenso  in  den  mimi  des  Publilius  Syrus  und  sogar 
noch  im  1.  Jahrb.  n.  Chr.  in  den  Fabeln  des  Phaedrus. 

4.  Von  der  bisherigen  Freiheit  der  Nachahmung  ging  die  römische 
Dichtung  zu  strenger  Nachbildung  der  griechischen  Metra  über  durch 
die  Einführung  des  daktylischen  Hexameters.  Der  Unsicherheit  und 
dem  Schwanken  der  Silbenquantität  wurde  nunmehr  ein  Ende  gemacht, 
die  Rücksicht  auf  den  Wortaccent  wurde  mehr  und  mehr  aufgegeben,  die 
grosse  Freiheit  in  der  Behandlung  der  Verssenkungen  und  in  der  Auflösung 
der  Hebungen  wesentlich  beschränkt,  auch  die  Menge  der  Vokalverschlei- 
fungen herabgemindert,  die  Empfindlichkeit  für  den  Hiatus  aber  gesteigert. 
Ennius,  der  den  epischen  Vers  der  Griechen  in  seinen  Ännales  zuerst 
zur  Anwendung  brachte  und  gleichzeitig  auch  dem  elegischen  Disti- 
chon einen  Platz  in  der  römischen  Dichtung  verschafObe,  wurde  dadurch 
der  Begründer  einer  neuen  Epoche  der  römischen  Metrik.  Zwar  bestand 
in  der  scenischen  Poesie  auch  nach  ihm  noch  die  ältere  Freiheit  fort  bis 
an  das  Ende  der  Republik,  ebenso  in  den  lamben  und  Trochäen  der  Satire, 
zu  deren  Versformen  Ennius  noch  den  vielgestalteten  sotadei sehen  Vers 
hinzufügte;  aber  der  daktylische  Hexameter  ist  von  nun  an  das  Haupt- 
metrum der  römischen  Dichtung  geblieben,  und  auf  dem  damit  geschaffenen 
Boden  ruhte  die  ganze  Entwicklung  der  Folgezeit. 

Ennius'  nächster  Nachfolger  in  der  Technik  des  daktylischen  Masses 
war  nächst  Hostius,  dem  Fortsetzer  seines  Epos,  der  Satiriker  C.  Lucilius, 
der  sich  auch  des  Distichons  bediente.  C.  Lucretius,  welcher  den  Hexa- 
meter zuerst  im  didaktischen  Gedichte  anwandte,  wandelte  gleichfalls  noch 
ganz  in  Ennius'  Bahnen,   wenn  er  auch  einen  unverkennbaren  Fortschritt 

Handbuch  der  klaas.  AltortumswisBeDschaft.  H.    2.  Aufl.  52 


818  B.  Metrik,    d)  Metrik  der  aomer. 

in  der  Technik  verrät;  ebenso  auch  P.  Varro  Atacinus  in  seinen  altera 
Epen  und  Satiren. 

5.  Aber  die  jüngere  Generation  that  einen  weiteren  Schritt  vorwirts. 
Hatten  sich  Ennius  und  seine  Anhänger  fast  ausschliesslich  auf  den  Hexa- 
meter beschränkt  —  denn  das  Distichon  fand  noch  wenig  Pflege  — ,  so 
versuchte  es  Laevius  nun  auch  die  Formen  der  lyrischen  Dichtkunst  der 
Griechen  in  strenger  Korrektheit  nachzubilden,  und  der  gelehrte  M.  Teren- 
tius  Varro,  der  erste  metrische  Theoretiker  der  Römer,  führte  in  seinen 
Saturae  Menippeae  neben  den  früher  gebräuchlichen  Versformen  eine  nicht 
geringe  Anzahl  bisher  noch  fremder  oder  nach  griechischem  Muster  um- 
gestalteter Bildungen  seinen  Landsleuten  vor,  wie  Glykoneen,  Hendeka- 
sy Haben,  loniker,  streng  gebaute  lamben  und  Trochäen. 

6.  Diese  beiden  Männer  wurden  die  Vorgänger  des  jüngeren  Dichter- 
kieises,  der  in  bewusstem  Gegensatze  gegen  Ennius  und  seine  Nachahmer 
sich  an  die  damals  vielgelesenen  Alexandriner  anschloss  und  in  strenger 
Beobachtung  ihrer  Technik  die  bei  ihnen  besonders  beliebten  Versmasse 
nachbildete  und  bei  den  Römern  in  Aufnahme  brachte.  Auch  der  Hexa- 
meter wurde  von  ihnen  nach  alexandrinischem  Muster  behandelt,  das  bis- 
her wenig  kultivierte  elegische  Distichon  kam  im  Epigramm  und  in  der 
Elegie  in  ausgedehntem  Masse  zur  Anwendung,  die  iambischen  und  tro- 
chäischen Verse  wurden  nach  strengen  Grundsätzen  gebaut,  die  Choliamben, 
Hendekasyllaben,  Priapeen  wurden  beliebte  Formen;  auch  von  Anakreon 
und  den  Lesbiern  wurden  z.  B.  die  glykoneischen  Systeme  und  die  sap- 
phische  Strophe  übernommen.  Die  Hauptvertreter  dieser  Richtung  sind 
Catullus,  Calvus,  Cinna,  Bibaculus  und  in  seinen  späteren  Jahren  P. 
Varro  von  Atax. 

7.  Ihre  höchste  Blüte  und  Vollendung  erreichte  bei  den  Römern  die 
poetische  Kunst  überhaupt  und  die  metrische  Technik  insbesondere  in  der 
augusteischen  Zeit.  In  ihr  wurden  die  früher  eingeführten  Metra,  vor 
anderen  der  heroische  Vers  und  das  elegische  Mass,  mit  feinem  Kunstver- 
ständnis und  geläutertem  Geschmacke  dem  Charakter  der  lateinischen  Sprache 
gemäss  weiter  fortgebildet  und  vervollkommnet  durch  Vergil,  Tibull,  Pro- 
porz und  Ovid,  von  denen  der  letzte  als  das  vollendetste  Muster  in  der 
Technik  des  römischen  Versbaues  gilt.  Horaz  schloss  sich  in  der  Nach- 
bildung griechischer  Metra  nicht  mehr  wie  Catull  vorwiegend  an  die  Ale- 
xandriner an,  sondern  ging  auf  die  älteren  griechischen  Vorbilder  zurück, 
in  den  Epoden  auf  Archilochos,  in  den  carmina  auf  Alkaios,  und  passte  die 
neugewonnenen  Formen  frei  von  sklavischer  Abhängigkeit  den  Eigentüm- 
lichkeiten seiner  Muttersprache  mit  feinem  Takte  und  glücklichem  Erfolge 
an.  9  Auch  dem  Hexameter  Hess  er  in  seinen  Sermones  eine  Behandlung 
zu  teil  werden,  die  als  entschiedener  Fortschritt  gegenüber  den  Härten  des 
Lucilius  gelten  muss,  wie  dies  besonders  in  den  Episteln  hervortritt.  —  In 
dieser  Zeit  verliess  auch  das  Drama,  wenigstens  in  der  Tragödie,  die  alten 


-)  W.  Christ,  Die  Yerskunst  des  Horaz  |  schauungen   der  metrischen   Doktrin  nach: 

im  Lichte  der  üherlieferung,  München  1866,  '  vgl.  auch  A.  Kiesslino,  Die  metrische  Kaost 

vfeisi  die  Übereinstimmung  des  horazischen  .  des  H.   in   s.  Ausgabe  I.  Bd.  (Berlin  1884) 

Versbaues  mit  den  damals  herrschenden  An-  |  p.  VII  u.  XfV. 


1.  Die  Entwickelang  der  metrisclien  Kunst  bei  den  Römern.  (§  152.)       gl9 

Formen  der  scenischen  Poesie:  auch  hier  wurde  der  strenge  Bau  der  iam- 
bischen  und  trochäischen  Verse  üblich  und  in  den  Gesängen  neben  den 
anapaestischen  Systemen  die  neugelernten  lyrischen  Metra  angewendet. 

8.  In  der  nachaugusteischen  Zeit  trat  keine  Bereicherung  der 
metrischen  Formen  mehr  ein,  sondern  man  beschränkte  sich  auf  die  bis- 
her überkommenen  und  strebte  nur  nach  vollkommener  Beherrschung  ihrer 
Technik.  Die  Dichter  gingen  nicht  mehr  auf  die  griechischen  Originale 
selbst  zurück,  sondern  hielten  sich  an  die  grossen  Muster  der  eignen  Nation, 
insbesondere  an  Yergil  und  Ovid  für  den  Hexameter  und  das  Distichon, 
an  Horaz  in  der  Satire  und  der  Lyrik.  Die  Strenge  im  Versbau,  auf  den 
eine  grosse  Sorgfalt  verwendet  wurde,  artete  zuweilen  in  Pedanterei  aus, 
aber  das  feine  Verständnis  für  den  geistigen  Inhalt  der  Form  ging  mehr 
und  mehr  verloren;  geradezu  Geschmacklosigkeit  verrät  der  Versuch  des 
Seneca  in  einzelnen  seiner  Cantica  aus  den  Teilen  horazischer  Metra  neue 
Systeme  zusammen  zu  setzen. 

Infolge  der  gelehrten  Bestrebungen  unter  Hadrian  und  den  An- 
toninen machte  sich  im  2.  und  3.  Jahrh.  eine  hervortretende  Neigung 
für  die  ältere  Litteratur  und  ein  Zurückgreifen  auf  die  Formen  der  vor- 
augusteischen Dichtung  geltend.  Florus  und  Annianus,  Septimius  Serenus 
und  Terentianus  Maurus  sind  Vertreter  der  Polymetrie,  wie  einst  Laevius 
und  Varro;  auch  iambische  und  trochäische  Verse  mit  unreiner  Senkung 
traten  wieder  auf. 

9.  Die  spätere  Kaiserzeit  bewahrte  sich  in  engem  Anschlüsse  an 
die  klassischen  Muster  zwar  noch  lange  eine  grosse  Korrektheit  der  Form, 
aber  das  Gefühl  für  das  Ethos  der  verschiedenen  Metra  ging  immer  mehr 
verloren  und  Missgriflfe  in  der  Wahl  derselben  wurden  immer  häufiger, 
Verskünsteleien  und  metrische  Spielereien  kamen  sehr  in  Aufnahme.  Ausser 
dem  Hexameter,  dem  Senar  und  dem  elegischen  Distichon  waren  besonders 
der  trochäische  Septenar,  der  iambische  Dimeter  und  zeitweise  der  pha- 
laecische  Hendekasyllabus  beliebte  Versformen. 

10.  Je  mehr  aber  die  Quantitätsunterschiede  in  der  Aussprache  des 
täglichen  Lebens  unter  dem  Einflüsse  des  Accents  sich  abschwächten  und 
das  Bewusstsein  für  sie  den  Dichtern  abhanden  kam,  desto  natürlicher  war 
es,  dass  die  Alleinherrschaft  der  aus  dem  Griechischen  entlehnten  Verskunst 
erschüttert  wurde.  Seit  dem  3.  Jahrhundert  kam  allmählich  das  alte  na- 
tionale Prinzip  des  Versbaues,  welches  das  Zusammenfallen  des  Versiktus 
mit  den  betonten  Silben  forderte,  von  neuem  wieder  zur  vollen  Geltung. 
Besonders  waren  es  die  christlichen  Dichter,  welche  auch  in  dieser 
Hinsicht  den  Bruch  mit  der  heidnischen  Litteratur  nicht  scheuten  und  das 
naturgemässe,  in  der  Volksdichtung  wahrscheinlich  nie  völlig  erstorbene 
Prinzip  des  Versbaues  wieder  zu  Ehren  brachten.  Das  Schwinden  des  Ge- 
fühls für  die  Quantitätsverhältnisse  zeigt  sich  schon  bei  Commodian 
(c.  250  n.  Chr.),  in  Augustinus'  Psalmus  contra  partem  Donati  aber  hat 
die  Quantität  der  Silben  bereits  keine  Bedeutung  mehr  für  den  Versbau. 

Vgl.  L.  MöLLEB.  De  re  metr.  lib.  I.  p.  65—103;  Summarium  cap.  I.  §3—9;  Metrik 
p.  71— 80;  Q.  Ennius,  eine  Einleitung  in  d.  Stadium  d.  rOm.  Poesie.  St.  Peteisburg 
1884.  —  W.  S.  Teüffel,  Geschichte  d.  röm.  Litteratur.  4.  A.  v.  L.  Sohwabb.  Leipz.  1881. 
82.  —  R.  Westphal,  Griech.  Metrik  II*,  36-63.  —  Fr.  Ritschl,  Opusc.  IV,  p.  401  ff.  — 

52* 


g20  £•  Metrik,    d)  Metrik  der  Bömer. 

W.  Mbyek.  Anfang  u.  Ursprung  d.  lat  u.  griech.  rhythm.  Dichtong.   München  1885  (aka^ 
Abb.)  —  0.  Ribbeck,  Gescbichte  d.  rOm.  Dichtung.  Stuttgart.  1887/89.  2  Bde. 

2.  Die  Metra  der  Römer. 

m 

1.  Die  nationale  Form  der  italischen  Dichtungr. 

153.  Die  ältesten  Reste  italischer  Poesie,  wie  sie  uns  in  sakralen 
Cfesängen  und  religiösen  Liedern  vorliegen,  haben,  soweit  sich  auf  einem  so 
unsicheren  Gebiete  überhaupt  ein  festes  Urteil  bilden  lässt,  einen  rhyth- 
mischen Bau,  bei  welchem  die  erst  in  späterer  Zeit  aus  der  griechischen 
Metrik  überkommene  Rücksicht  auf  die  Silbenquantität  nicht  zur  Geltoog 
kommt  (yfiumerus  italicus^). 

Es  sind  Reihen  von  je  vier  Hebungen,  meist  je  zwei  oder  drei  zu 
einem  Langverse  vereint,  zuweilen  aber  auch  in  ihrer  Vereinzelung  als 
selbständiger  Vers  dienend,  bei  denen  die  Hebung  nicht  an  die  Länge  ge- 
knüpft und  die  Senkung  nicht  immer  durch  eine  besondere  Silbe  ausge- 
drückt ist,  sondern  durch  längeres  Verweilen  der  Stimme  auf  der  Hebungs- 
silbe ersetzt  wird.  Dazu  kommt  eine  nicht  fest  geregelte,  aber  doch  ziem- 
lich häufige  Anwendung  der  Allitteration,  indem  zwei  oder  drei  Wörter  im 
Verse,  auf  denen  ein  besonderer  Nachdruck  ruht,  denselben  Anlaut  haben. 
Vgl.  das  Gebet  an  Mars  bei  Cato  de  re  rttst  c.  141: 

Mars  pdter  ie  precor  \  quaesoque  üti  sies  \  völens  pröpiHüs 

mihi  domo  \  fdmilideque  nöstrde.     u.  s.  w., 
das  Gebet  an  Jupiter  Dapalis  ebend.  c.  132: 

Jupiter  Dapalis  \  quöd  tibi  fieri  \  oportet  in  domo 

familid  med  \  cidig'nam  vini  ddpi  \ 

eins  rei  ergo  \  mdcte  illdce  ddpe  \  pöllucenda  estö. 

Hierher  gehören  ferner  das  stark  allitterierende  Gebet  der  Tafeln  von 
Iguvium  (VI.  B.,  54):  Terfe  Martie  u.  s.  w.  und  andere  ,carmina  preca- 
tionum'  bei  Westphal,  Gr.  Metrik  II,  36  flf.  =  IIP,  1,  p.  66  «.  und  ß. 
Peter,  De  Komanorum  precationum  carminibus  p.  71  flf.  (in  Comment.  phi- 
lolog.  in  honorem  Reiflferscheidii  Vratisl.  1884). 

154.  Eine  weiter  fortgeschrittene  Entwickelung  italischer  Versbildung 
stellt  sich  dar  in  dem  saturnischen  i/Letrum  (versus  satumius  oder  Fan- 
niiis),  welches  nicht  bloss  in  alten  Liedern  und  Sprüchen,  sondern  auch 
in  Inschriften  und  litterarischen  Erzeugnissen  der  vorennianischen  Kunst- 
dichtung zur  Anwendung  gebracht  ist,  z.  B.  in  der  Grabschrift  des  Scipio 
Barbatus: 

Cornelius  Lucius  Scipio  Barbatus, 
Crnaivod  patre  progyiatuSy  fortis  vir  sapiensque, 
quoius  forma  virtutei  parisuma  fuit, 
consol  censor  aidilis  quei  fuit  apud  vos, 
Taurasia  Cisauna  Samnio  cepit, 
Subigit  omne  Loucanum  opsidesque  ahdoucit 
Die   spätere   Zeit  hatte  nach   Einführung  der  griechischen  Verskunst  das 
Verständnis   für  den  Bau  dieses  nationalen  Masses  [.numerus  horridus'  bei 
Horat.  Epist.  II,  1,  157)  verloren  und  suchte  es  in  die  Schablone  griechi- 


2.  Die  Metra  der  ROmer.  (§  153.) 


821 


scher  Regeln  zu  zwängen  (Caes.  Bassus  bei  Keil,  G.  L.  VI,  265),  und  die 
Neueren  haben  trotz  eifriger  Forschung  sich  noch  nicht  über  die  wesent- 
lichsten Punkte  in  betreff  seines  Baues  einigen  können. 

Ziemlich  allgemeine  Übereinstimmung  herrscht  darüber,  dass  der  Vers 
aus  zwei  Gliedern  (Hemistichien)  besteht,  welche  eine  Cäsur  von  einander 
scheidet,  dass  in  der  Kommissur  dieser  beiden  Glieder  Hiatus  vorkommt, 
dass  in  der  Yerssenkung  bald  eine  Länge,  bald  eine  oder  zwei  Kürzen 
stehen,  aber  auch  zuweilen  fehlen,  dass  endlich  als  Schmuck  des  Verses 
sich  hin  und  wieder  AUitteration  in  zwangloser  Weise  vorfindet.  Aber 
über  das  Prinzip  des  Versbaues,  über  Zahl  und  Beschaffenheit  der  Hebungen 
besteht  grosse  Meinungsverschiedenheit:  die  einen  lehren,  die  Hebung  könne 
nur  durch  eine  lange  oder  zwei  kurze  Silben  dargestellt  werden,  der  Vers 
sei  also  nach  den  Normen  der  quantitierenden  Metrik  gebaut;  die  andern 
hingegen  behaupten,  die  quantitierende  Messung  sei  ohne  arge  Gewaltsam- 
keit in  der  Silbenmessung  und  ohne  grosse  Abweichungen  von  dem  sonst 
üblichen  Werte  der  Silben  nicht  durchführbar,  und  treten  unter  Hinweis 
auf  das  augenfällige  Zusammentreffen  von  Wortaccent  und  Versiktus  in  der 
zweiten  Vershälfte  mit  voller  Entschiedenheit  für  die  accentuierende 
Messung  ein.  —  So  stehen  zwei  wesentlich  verschiedene  Auffassungen  ein- 
ander gegenüber. 

Die  Vertreter  der  Quantitätsmessung  (Ritschl,  Havet,  Christ, 
L.  Müller  u.  a.)0  erklären  im  Anschluss  an  die  Theorie  der  römischen 
Metriker  den  Saturnius  für  einen  sechsfüssigen  Vers  mit  Anakrusis  und 
Cäsur  nach  der  4.  Senkung  oder  selten  nach  der  3.  Hebung  (dimeter  iam- 
bicus  catal.  und  troch.  ithy phallicus) : 


KJ    JL    ^<J    J.    \^    ± 


w 


±    \y    ±    \J    J.    ^ 


Dabünt  malüm  Metelli  Ndevio  poetae. 
Sie  lehren  —  von  unwesentlicheren  Verschiedenheiten  abgesehen  — :  die 
Hebung  wird  ohne  Rücksicht  auf  den  Wortaccent  durch  eine  Länge  oder 
zwei  Kürzen  gebildet,  die  Senkung  durch  eine  Kürze,  eine  Länge  oder 
—  jedoch  nicht  am  Schlüsse  der  Halbverse  —  durch  zwei  Kürzen;  auch 
völlige  Unterdrückung  der  Senkung  ist  statthaft,  am  häufigsten  nach  der 
2.  Hebung  des  zweiten  Halbverses,  seltener  nach  der  2.  des  ersten,  nie  an 
1.  und  4.  Stelle,  nicht  leicht  zweimal  in  einem  Verse,  nie  zweimal  in  einem 
Halbverse.  —  Hiatus  kommt  öfters  vor  in  der  Cäsur,  aber  er  wird  auch 
sonst  nicht  völlig  gemieden.  Kurze  Schlusssilben  werden  unter  dem 
Einflüsse  des  Iktus  als  Längen  behandelt,  z.B.  tuqt^y  neque,  patrii, 
omniä,  insecc.     Sie  messen  also: 

Cornelius  Luctus  \  Scipio  Barhdtus, 

Virüm  mihi,  Camena,  \  insed  versütum. 

Eorüm  sectdm  sequüntur  \  mülti  mor-tdles. 

noctü  Troidd  exibant  \  cdpitibüs  operiis. 
Anmerkung.    Mit  Recht  wird  diesem  YerRschema  gegenüber  die  Notwendigkeit 


*)  Auch  Westphal,  welcher  den  Satur- 
nius als  Übergang  von  der  nicht  quantitie- 
renden Veiskunst  zu  der  quantitierenden  be- 
trachtet, nahm  in  seiner  Metrik  vom  J.  1867 


an,  dass  wenigstens  in  den  Hebungen  des 
Verses  der  Prosodie  Rechnung  getragen  sei, 
hat  sich  aber  in  der  3.  Auflage  der  accen- 
tuierenden  Theorie  zugeneigt» 


822  E*  Metrik,    d)  Metrik  der  Römer. 

hervorgehoben,  der  letzten  Silbe  jedes  Haibverses  die  rhythmische  Geltung   einer  Hebmg 
zuzugestehen,  also  vier  Hebungen  in  jedem  Gliede  anzuerkennen: 

Vgl.  K.  Babtsch,  De  satum.  Vers  und  die  altdeutsche  Langzeile  Leipz.  1867  p.  35  und  44. 

Die  accentuierende  Theorie,  welche  an  0.  Keller  und  R.  Thub- 
NEYSEN  ihre  Hauptvertreter  hat,  lautet  bei  ersterem  —  unter  Berufung  auf 
den  Schol.  zu  Yerg.  Georg.  II,  385  und  Unterscheidung  einer  älteren  roheren 
und  jüngeren  strengen  (epischen)  Form  des  Satumius,  die  in  der  3.  u.  4. 
Scipioneninschrift  und  in  den  Fragmenten  des  Livius  und  Naevius  ange- 
wendet sei  —  in  ihren  Hauptpunkten:  Der  Vers  besteht  aus  abwechselnden 
betonten  und  unbetonten  Silben,  auf  deren  Quantität  gar  nichts  ankommt 
Er  zerfällt  durch  Cäsur  in  zwei  Halbverse,  deren  jeder  sich  durch  eine 
Nebencäsur  in  der  Regel  wieder  in  zwei  Teile  zerlegt.  Der  erste  Halbvers 
hat  drei  Hebungen,  der  zweite  gewöhnlich  auch  drei,  zuweilen  aber  nur 
zwei  und  dann  meistens  einen  tonlosen  Vorschlag.  In  der  Regel  werden 
je  zwei  Tonsilben  durch  eine  unbetonte  getrennt,  nur  zwischen  die  2.  und 
3.  Hebung  fallen  immer  zwei  unbetonte,  aber  auch  anderweitig  kann  die 
Senkung  aus  zwei  Silben  bestehen,  selbst  am  Schlüsse.  Das  Zusanunen- 
stossen  betonter  Silben  wird  durchaus  gemieden.  Die  Zahl  der  Silben  im 
strengen  epischen  Saturnius  ist  am  häufigsten  dreizehn,  7  in  der  ersten, 
6  in  der  zweiten  Vershälfte.  Der  Hiatus  ist  innerhalb  der  Halbverse  nicht 
zugelassen,  aber  am  Schlüsse  derselben  erlaubt.    Beispiele: 

Ddhunt  mdlum  Metelli  \  Naeviö  poetae. 

Virum  mihi,  Cameiia,  \  insece  versiitum. 

Eörum  sectam  sequüntur  \  tntiUi  mortdles, 

Anmerkung.  Nach  des  Verf.  Meinung  ist  der  Satumius  ein  quantitätsloser  Yen 
von  trochäischem  Rh^-thmus  mit  vier  Hebungen  in  beiden  Gliedern  und  unterdrQckbarec 
Senkungen : 

Ddbunt  mdlum  MStelli  \  Naeviö  poitai. 
Eorum  sectam  sequüntur  \  mülti  mörtäles. 
Vgl.  Wochenschr.  f.  klass.  PhiJol.  I  (1884)  p.  43  ff. 

Die  Schriften  über  den  Saturnius  stellt  zusammen  L.  Hatet,  De  Satumio  La- 
tinorum  versu.  Parisiis.  1880.  p.  440-448;  wir  heben  hervor  K.  0.  Müllbr  zu  Festus 
p.  397.  —  F.  RiTSCHL,  Opusc.  IV,  p.  83.  —  A.  Spengel,  PhiJol.  XXIII,  p.  80  ff.  —  F.  Büchiler, 
Jhrbb.  f.  Philol.  87.  Bd.  (1863)  330  und  dessen  Anthol.  epigT.Jat.spec.  III.  Bonn  1876.4. 

Nachzutragen  ist  Euo.  Misset,  Le  rhythme  du  vers  satumien  in:  Lettres  chr^t.  III, 
p.  88  —  108,  Paris  et  LiJJe  1882.  —  0.  Kelleb,  Der  satum.  Vers  aJs  rhythmisch  erwiesen. 
Leipzig  u.  Prag  1883.  —  R.  Klotz,  Jahresber.  XI  (1883),  387  ff.  —  L.  Müller,  Quaestiones 
Naevianae  cap.  II  in  s.  Ausg.  d.  Ennius.  Petrop.  1885.  Ders.  Der  saturo.  Vers  u.  s. 
Denkmäler.  Leipz.  1885.  —  R.  Tburnetsen,  Der  Satumier  u.  s.  VerhäJtn.  z.  sp&t.  röm. 
VoJksverse.  HaJJe  1885.  —  0.  Kelleb,  Der  saturn.  Vers,  zweite  AbhdJg.  Prag  1886.  — 
Fel.  Ramobimo,  DeJ  verso  satumio.  MiJano  1886.  4.  —  E.  Baehbbns  in:  Fragmenta  poet 
Roman.  Lips.  1886  p.  6  sqq.  —  H.  üseneb  AJtgr.  Versbau.  Bonn  1887.  p.  76  ff. 

II.  Die  freiere  Nachahmung*  der  grriechischen  Metra  bei  den  älteren 

Seenikern  und  Satirikern. 

155.  Die  nationale  Form  der  italischen  Dichtung  wurde  verlassen 
und  allmählich  völlig  zurückgedrängt,  seit  Livius,  Naevius  und  Plautus  bei 
der  Einführung  des  griechischen  Dramas  auch  die  griechischen  Metra 
und  deren  Technik  zur  Anwendung  brachten.  Die  Regelung  des  Versbaues 
nach  dem  der  griechischen  Metrik  entlehnten  Quantitätsprinzip  stand  in 
einem  sehr  bestimmten  Gegensatze  zu  der  früheren  Dichtungsfonn,  und  die 
Schwierigkeit  die   Sprachsilben  in  feste  Quantitätsregeln   einzuordnen  war 


2.  Die  Metra  der  RiVmer.  (§  154  ~  156.)  823 

um  so  grösser,  als  die  griechischen  Regeln  für  die  fremde  Sprache  sich  in 
vielen  Fällen  als  unpassend  erwiesen. 

Andererseits  konnte  die  Rücksicht  auf  die  Wortbetonung  (den  gram- 
matischen Accent),  welche  früher  den  Versbau  im  wesentlichen  bestimmt 
hatte,  nicht  völlig  schwinden,  zumal  in  der  scenischen  Poesie,  in  welcher 
die  Sprache  des  gewöhnlichen  Lebens  gehört  werden  sollte.  ^)  So  blieb  die 
Nachahmung  der  griechischen  Metra  zunächst  eine  freiere  und  trug  noch 
viele  Spuren  der  alten  Dichtform  an  sich. 

156.  1.  Die  Silbenmessung  der  scenischen  Dichter,  welche  sich  in 
dieser  Periode  eng  an  die  Aussprache  des  gewöhnlichen  Lebens  anschloss 
und  den  Nachlässigkeiten  und  Schwankungen  der  Volkssprache  in  vielen 
Beziehungen  Rechnung  trug,  hatte  vieles  unsichere  und  Schwankende  und 
weist  sehr  wesentliche  Unterschiede  gegenüber  der  festgeregelten  Prosodie 
der  späteren  (nachennianischen)  Verskunst  auf.  Charakteristisch  sind  für 
sie  vor  anderem  die  Abstossung  des  anlautenden  s  nach  kurzen  Vokalen, 
die  pyrrhichische  .Messung  iämbischer  Wörter  und  Wortverbindungen,  die 
Kürzung  einsilbiger  Wört<er,  die  häufige  Zusammenziehung  zweier  Vokale 
sowohl  innerhalb  eines  Wortes  als  bei  der  Berührung  zweier.  Der  Hiatus 
hatte  noch  ein  sehr  weites  Feld  und  wurde  vielfach  bei  Verseinschnitten 
und  Sinnespausen  unbedenklich  zugelassen. 

2.  Dass  die  Sceniker  bei  ihrer  Versbildung  auf  den  Wortaccent  eine 
grosse  Rücksicht  genommen  haben,  ohne  doch  ein  Zusammenfallen  mit  dem 
Versiktus  zur  Grundlage  für  ihren  Versbau  zu  machen,  hat  schon  Bentley 
{Schediasma  p.  XVII  sq.)  bemerkt,  und  G.  Hermann  (El.  D.  M.  p.  141.  151) 
sowie  RiTscHL  (Prolegg.  zu  Plautus  p.  CCVII  sq.)  haben  seine  Beobachtung 
bestätigt.  Von  anderer  Seite  ist  gegen  diese  Theorie  entschiedener  Ein- 
spruch erhoben  und  der  Nachweis  versucht  worden,  dass  die  Übereinstim- 
mung von  Wortaccent  und  Versiktus  keine  beabsichtigte  sei,  sondern  in 
den  Gesetzen  der  lateinischen  Betonung  und  der  BeschafiTenheit  der  in  Be- 
tracht kommenden  Versteile  ihre  natürliche  Erklärung  finde.  Als  Resultat 
des  noch  heute  fortwährenden  Streites  hat  sich  so  viel  ergeben,  dass,  wenn 
auch  ein  Auseinandergehen  von  metrischem  Iktus  und  grammatischem 
Accent  oft  genug  unvermeidlich  war,  besonders  bei  iambischem  An-  und 
Auslaute  der  Verse  und  Versteile,  doch  die  Thatsache  einer  vielfachen 
Übereinstimmung  feststeht  und  es  anerkannt  werden  muss,  dass  gewisse 
Differenzen  zwischen  Iktus  und  Accent  geflissentlich  gemieden  wurden,  also 
die  Behauptung  sich  nicht  aufrecht  erhalten  lässt,  die  Dichter  hätten  sich 
um  den  Wortaccent  überhaupt  nicht  bekümmert  oder  gar  den  Widerstreit 
zwischen  ihm  und  dem  Versiktus  gesucht. 

AnmerkuDg.  Die  beiden  kurzen  Endsilben  eines  drei-  oder  mehrsilbigen  Wortes 
eine  Hebung  bilden  zu  lassen  wird  gemieden;  nur  im  1.  Fusse  iämbischer  Verse  werden 
daktylische  Wörter  mit  dem  Iktus  auf  der  2.  Silbe  geduldet.  Femer  wird  in  die  2.  Sen- 
kung der  iambischen  und  die  1.  der  trochftischen  Dipodie  nur  in  Ausnahmefällen  die  Ton- 
silbe eines  spondeischen  oder  anapaestischen  (resp.  so  auslautenden)  Wortes  gestellt. 


1)  Über  den  Urheber  dieser  Regelung 
Tgl.  0.  Ribbeck,  Gesch.  der  röm.  Dichtung 
I,  p.  18  :  pAndronikus  muss  es  gewesen  sein, 
der  namentlich  fOr  die  iambischen  und  tro- 
chäischen Verse  Grundgesetze,  wie  sie  der 


Natur  der  lateinischen  Sprache,  ihrer  im 
Munde  gebildeter  Zeitgenossen  üblichen  Aus- 
sprache, Messung  und  Betonung  gemäss 
waren,  feststellte.* 


824 


E.  Metrik,    d)  Metrik  der  BOmer. 


157.  Eine  wesentliche  Abweichung  von  dem  Versbau  der  griechischen 
Vorbilder  zeigt  sich  in  der  Unreinheit  der  Senkungen^  welche  eine 
weit  grössere  Ausdehnung  erlangte,  als  sie  bei  den  griechischen  Scenikem 
gehabt  hatte,  und  namentlich  in  den  iambischen  und  trochäischen  Massai 
mit  geringen  Beschränkungen  auf  alle  FQsse  des  Verses  resp.  Kolons  mit 
Ausnahme  des  letzten  sich  erstrecken  konnte,  aber  auch  in  den  kretischen 
und  bakcheischen  Versen  mehrfach  zur  Geltung  kam.  Zwar  waren  die 
griechischen  Komiker  in  dieser  Freiheit  rQcksichtlich  der  stellvertretenden 
Anapaeste  im  Dialogverse  vorangegangen,  jedoch  in  der  Zulassung  d^ 
Spondeus  hatten  sie  sich  auf  die  bestimmten  Stellen  beschränkt,  während 
von  den  lateinischen  Scenikem  auch  diesem  eine  fast  unumschränkte  Gel- 
tung eingeräumt  wurde. 

Eine  zweite  Abweichung  besteht  in  der  Ausdehnung  der  Auflösung 
auf  solche  Längen,  welche  nach  griechischer  Norm  als  dreizeitige  resp. 
vierzeitige  galten  und  darum  nicht  durch  zwei  Kürzen  ersetzt  werden 
durften,  wie  die  siebente  Hebung  im  iambischen  und  anapaestischen  Tetra- 
meter, die  dritte  in  den  entsprechenden  katalektischen  Dimetem.  Vgl. 
§  61  und  44. 

Man  darf  aber  trotz  dieser  Eigentümlichkeiten  den  Versbau  der  latm- 
nischen  Sceniker  nicht  als  nachlässig  bezeichnen;  denn  es  zeigt  sich  bei 
ihnen  eine  nicht  geringe  Strenge  in  der  Beobachtung  einer  festen  Technik 
und  ein  feines  Gefühl  für  den  der  lateinischen  Sprache  angemessenen  Rhyth- 
mus und  Klang  der  Verse.  0  Dahin  gehört  die  strenge  Durchführung  der 
Gäsuren,  die  Vermeidung  einsilbiger  Vers-  und  Gliedschlüsse,  die  Berück- 
sichtigung des  Wortaccentes,  namentlich  die  Abneigung  gegen  betonte  Wort- 
Bchlüsse  an  gewissen  Versstellen. 

158.  Was  die  Auswahl  der  aus  dem  Griechischen  übernommenen 
Metra  betrifft,^)  so  werden  vor  anderen  zwei  Versarten  in  grösserer  Aus- 
dehnung gebraucht,  nämlich  die  beiden  Hauptmasse  des  griechischen  Dia- 

^  logs,  der  iambische  Trimeter  und  der  trochäische  Tetrameter.  Minder  häufig 
sind  die  beiden  iambischen  Tetrameter,  der  katalektische  und  der  akata- 
lektische.  Ausserdem  erscheinen  in  den  lyrischen  Partien  der  anapaestische 
Tetrameter  und  der  trochäische  üktonar,  von  welchen  letzterer  auf  die  grie- 
chischen Hypermetra  zurückzuführen  sein  wird,  und  kretische  und  bak- 
cheische  Verse,  insbesondere  Tetrameter.  Hin  und  wieder  treten  in  den 
Ganticis  auch  kürzere  iambische,  trochäische  und  anapaestische  Verse  auf, 
namentlich  Dimeter,  vereinzelt  Choriamben,  vielleicht  auch  Daktylen  und 
Logaoeden;  endlich  einzelne  zusammengesetzte  Versbildungen,  z.  ß.  kre- 
tisch-trochäische und  iambisch-anapaestische,  jedoch  nur  in  beschränktem 
Umfange. 

PI  au  tu  s  zeichnete  sich  durch  die  grosse  Mannigfaltigkeit  seiner  Metra 
und  den  sicheren  Takt  in  ihrer  Auswahl  sowie  durch  eine  streng  durchge- 
führte Technik  aus.  Terenz  begnügte  sich  mit  einer  geringeren  Zahl  von 
Massen,  fast  ausschliesslich  iambischen  und  trochäischen;  die  anapaestischen 
kommen  bei  ihm  gar  nicht  zur  Anwendung,  Bakcheen,  Kretiker  und  andere 


*)  Von  anderem  Standpunkte  aus  fällt 
Horaz  A  F.  v.  270  ff.  ein  ungünstigeres  Urteil 


über  die  numeri  Plautini, 

2)  cf.  Mar.  Victor,  p.  78  K.  Rufin.  p.  5o8. 


2.  Die  Metra  der  Bömer.  (§  157-160.) 


825 


lyrische  Masse  nur  ganz  vereinzelt.  Die  späteren  Sceniker  beschränkten 
sich  immer  mehr  in  den  metrischen  Formen  und  begnügten  sich  schliess- 
lich mit  dem  iambischen  Senar  und  trochäischen  Septenar. 

169.  Die  Unterscheidung  von  Diverbium  (DV)  —  nach  Dziatzko 
Deverbium  —  und  Canticum  (C)  bezieht  sich  auf  den  Vortrag  der  ver- 
schiedenen Teile  des  Dramas,  der  teils  blosse  Deklamation,  teils  melodra- 
matisch, teils  eigentlicher  Gesang  war.  Die  Diverbia  bilden  die  Scenen  in 
iambischen  Senaren,  welche  ohne  musikalische  Begleitung  einfach  gesprochen 
wurden ;  Canticum  im  weiteren  Sinne  bezeichnet  auch  die  mit  Musikbeglei- 
tung vorgetragenen  Scenen  in  trochäischen  und  iambischen  Septenaren  und 
iambischen  Oktonaren;  Canticum  im  engeren  Sinne  die  in  wechselnden 
Metren  gehaltenen  Partien  (,mutatis  modis  cantica'),  welche  zur  Flöte  ge- 
sangartig vorgetragen  wurden,  sowohl  monodisch  als  in  der  Form  des 
Duetts,  Terzetts  u.  s.  w. 

A.  Die  stichisch  grebrauchten  Metra. 

160.  Der  iambische  Senar,  die  Nachbildung  des  iambischen  Tri- 
meters  der  Griechen  (s.  §  59),  gestattet  auch  an  zweiter  und  vierter  Stelle 
den  Spondeus  resp.  Daktylus  ( >  ^)  und  schliesst  ihn  nur  von  der  letz- 
ten aus: 

Plaut.  Trin.  797     quamvis  sermones  pössunt  longi  texier. 

Ter.  Heaut.  139     Labörans  qtuierens  pdrcens  Uli  serviens. 

Ter.  Andr.  53        qui  scire  posses  aiU  ingenium  mscere. 
Er  lässt  ebenso  den  Anapaest  überall  zu  ausser  im  ö.  Fusse,  auch  in  ge- 
teilter Form  (^^|-,   ^1^-)^ 

Plaut.  Trin.  140     Subigis  maledictis  me  tuis,  Megarönides; 

Ter.  Andr.  155     Si  uxörem  propter  amörem  nolit  dücere.^) 
allerdings  aber  beide  Füsse  an   2.  u.  4.  Stelle  gewöhnlich  nur,   wenn  sie 
nicht  durch  spondeische  *)  resp.  anapaestische  Wörter  oder  Wortschlüsse  ge- 
bildet sind;  er  gewährt  der  Auflösung  grosse  Freiheit: 

Trin.  119     £i  rei  öperam  dare  te  füerat  aliquanto  aequius 
und  meidet  auch  den  Proceleusmatikus  als  Stellvertreter  des  lambus 
(v^  yUSj  nicht,  und  zwar  nicht  bloss  im  1.  Fusse,  sondern  auch  im  Inlaute 
des  Verses: 

Plaut.  Trin.  66     Sed  hoc  dnimadvorte  atque  aüfer  ridiculdria. 

Ter.  Phorm.  276   qui  saepe  propter  invidiam  adimunt  diviU. 

Die  Gliederung  des  Verses  durch  Cäsur  wird  streng  beobachtet,  und 
zwar  tritt  die  am  häufigsten  nach  der  3.  Senkung  ein  als  Semiquinaria, 
seltener  nach  der  4.  als  Semiseptinaria: 

Trin.  151    occlüsti  linguam:  \  nihil  est  quod  respöndeam. 

Trin.  53    credo  hercle  te  gaudere^  \  si  quid  mihi  malist. 
Die  letztere  ist  häufig  mit  einem  Einschnitt  nach  dem  2.  lambus  verbunden. 
Cäsurlose  Verse  sind  selten.    Hiatus  in  der  Cäsur  ist  gestattet  bei  Personen- 
wechsel, z.  B. 


^)  Vgl.  jedoch  Spengel  z.  d.  St. 

^)  Betonte  lange  Silbe  wird  also  in  der 


2.  und  4.  Senkung,  wo  der  griechische  Tri- 
meter  die  Kflrze  fordert,  gemieden. 


826  ^*  Metrik,    d)  Metrik  der  Römer. 

Plaut.  Trin.  432    PH.   Tempüst  adeundi.  \  L£.  Esine  hie  PhiUo  ^ 

ddvenU? 

Der  5.  Fuss  wird  nicht  leicht  durch  ein  iambisches  oder  iambisch  auslaotendes 
Wort  gebildet  (doch  vgl.  z.  B.  Plaut.  Trin.  v.  5B3  und  Men.  750  und  s.  J.  VAHLEir,  Ind. 
schol.  aest.  Berol.  1878  p.  10),  hftufig  durch  ein  spondeisches  oder  anapaestischBS  Wort 
oder  solchen  Wortschluss,  z.  B.  moris  malt,  sani  velim,  facidm  fides,  alid  via.  — 
Am  Schlüsse  des  Verses  werden  Elisionen  gemieden  und  einsilbige  Wörter  nur  dann 
zugelassen,  wenn  sie  eng  zum  vorhergehenden  gehören,  wie  est,  es,  sutn,  sunt,  —  Der 
erste  Fuss  hatte  besondere  Freiheiten  auch  in  prosodiaoher  Beziehung. 

161.  Der  trochäische  Septenar.  Der  trocbäiscbe  Tetrameter  der 
Oriechen  (s.  §  51)  gestaltet  sich  im  altlat^inischen  Septenarius  troehaicus 
oder  versus  qtMdratus  folgendermassen  um: 

±    \u    ^    ^\  ±    \J    ^    \J^  ±    \J    ^    \J    ±    yj   t:^ 

Er  hat  regelmässig  seine  Gäsur  nach  dem  4.  Fasse,  nur  ausnahmsweise 
nach  dem  5.,  und  nicht  selten  für  das  erste  Glied  noch  eine  Nebencäsnr 
nach  dem  2.  Fusse: 

Trin.  308    Si  dnimus  hominem  pepulit  actumst,  |  dnimo  servit,  ndn  sibL 

ib.  364  Hö  nonnndta  quae  nevoU  eveniunt,  \  nisi  fictor  malust,  vgl.  1145. 

ib.  390  Ddbitur  opera.  \  Lepidus  vivis,  \  hdec  sunt  aedes,  hie  habet. 
Hiatus  in  der  Cäsur  ist  bei  Plautus  besonders  bei  einer  Redepause  nicht 
selten  (s.  Trin.  907,  Men.   219,  399,   435,   667,  Capt.  449.  846.  861),  für 
Terenz  (Ad.  697.  Phorm.  528)  wird  er  bestritten. 

Im  Gegensätze  zu  dem  griechischen  Versbau  steht  die  Zulassung  des 
Spondeus  (resp.  Anapaest  ^-)  auch  an  den  ungeraden  Stellen  mit 
Ausnahme  der  7.,  so  dass  auch  der  erste,  dritte  und  fünfte  Fuss  als  Sen- 
kung eine  Länge  haben  kann:  Trin.  1037  Mores  leges  pSrduxerunt  tarn  in 
potestatem  suam,  vgl.  oben  Trin.  364  eo  non  (1),  v.  390  hdee  sunt  (5), 
V.  308  dnimo  (5). 

Auch  der  Daktylus  wird  unter  gewissen  Beschränkungen  als  Stell- 
vertreter des  Trochäus  zugelassen,  besonders  im  1.  Fusse,  nicht  aber  vor 
der  Cäsur  und  im  7.  Fusse: 

Trin.  320  Bmefacta  benefdctis  aliis  pcrtcgitOy  ne  perpluant; 
dagegen  Terent.  Andr.  607  qui  me  perdlt  (Speugel)  oder  qui  perdidit  me 
(Dziatzko).  Aber  im  3.  u.  5.  Fusse  steht  in  der  unreinen  Senkung  (- 
oder  ^  nicht  leicht  die  Accentsilbe  eines  spondeischen  oder  anapaestischen 
Wortes  (resp.  Wortschlusses);  im  ersten  Fusse  ist  diese  Möglichkeit  zuge- 
lassen, z.  B.  Trin.  1082  'Argenti  nnnis  .  .  .  Trin.  1056  quoi  dcdcram  ... 
Trin.  1169  quid  cassas  capüt? 

Auflösung  ist  häufig  und  mit  grosser  Freiheit  angewendet,  der  Pro- 
celeusmatikus  aber  nicht  für  einen  den  Trochäus  vertretenden  Daktylus, 
sondern  nur  für  einen  den  lambus  vertretenden  Anapaest  zulässig  [^^  ^, 
nicht  ^^  ^: 

Trin.  334  Practerea  aliquantum  dnimi  causa  in  deliciis  disperdidit. 

Diiambischer  Versschluss  dieser  Form  w  -  ^  w  :i  wird  gemieden  wie  im 
Senar  (s.  §  160  Anm.).  —  Der  Daktylus  darf  nur  im  1.  Fusse  durch  ein  daktylisches  Wort 
gebildet  oder  nach  der  1.  Kürze  (  -  ^  |  '^ )  geteilt  sein,  wie  Trin.  1010  ddde  gradum,  ad- 
proper a  ...  —  Der  erste  Fuss  hat  wie  im  Senar  grössere  Freiheiten. 

162.  Der  iambische  Septenar  ist  die  Nachbildung  des  katalek- 
tischen  iambischen  Tetrameters  der  älteren  griechischen  Komödie  (s.  oben 


2.  Die  Metra  der  ROmer.  (§  161-163.) 


827 


§  59)  und  hat  ~   von  den  Auflösungen  abgesehen  —  folgende  Gestalt  an- 
genommen: 


v^     ^    v>     _ 


kJ  S  yj   — 


V>  J.         \^  ^m 


v7    JL    ^ 


Er  wird  regelmässig  durch  eine  Gäsur  nach  dem  4.  Fusse  in  seine  beiden 
Glieder  zerlegt,  z.  B.  Plaut.  Mil.  354: 

Fraecepta  facito  ut  meniineris.  f  Totiens  monere  niirumsL 
Seltener  tritt  die  Cäsur  nach  der  5.  Senkung  ein,   besonders  bei  Terenz, 
z.  B.  Eun.  288.  1009: 

Facete  dictum:  mira  vero  \  militi  quae  pldceant. 
Numqudm  pol  hominenx  stüUiorem  \  vidi  nee  mdeho.  ah. 
Jede  Senkung  kann  durch  eine  lange  oder  zwei  kurze  Silben  gebildet 
werden,  es  ist  also  der  Spondeus  auch  an  den  geraden  Stellen  und  im 
7.  Fusse,  und  der  Anapaest  allenthalben   als  Stellvertreter  des  lambus 
gestattet;   nur  der  4.  Fuss  ist,  wenn  unmittelbar  nach  ihm  die  Cäsur  ein- 
tritt, ein  reiner  lambus.     Plaut.  Mil.  374.     Ter.  Andr.  706: 
Non  pössunt  tuis  mindciis  \  hisce  öculi  mi  ecfodiri. 
Ad  agmdum:  ne  vacuom  esse  me  \  nunc  ad  narrandum  crcdas. 
Doch  werden  an  der  2.  und  6.  Stelle  spondeische  und  anapaestische 
Wörter  oder  Wortschlüsse  möglichst  gemieden,  ebenso  bei  einsilbigem  Vers- 
schlusse  im  7.  Fusse.     Vgl.  z.  B.  Plaut.  Mil.  1227  s.  unten.     Mil.  363: 
Age  nunc  iam^  quandö  lubet     Quid  agdm?  Peri  praepröpere. 
Jede  Hebung  mit  Ausnahme  der  achten,  die  hier  als  Senkung  ange- 
sehen wird,  kann  durch  zwei  Kürzen  ausgedrückt  werden,  auch  die  siebente, 
welche  im  griechischen  Originale   als  dreizeitige  Länge  unauflösbar  ist.^) 
Plaut.  Mil.  1263: 

Non  edepol  tu  illum  mdgis  amas  \  quam  egomet,  si  per  te  liceat 
Einsilbiges  Schlusswort  des  Verses  ist  zulässig.     Plaut.  Mil.  1227: 
Ut  tu  inclutus  aput  mülieres,     Patidr,  quando   Venus  voÜ. 
Hiatus  und  Syllaba  anceps  sind  bei  der  Cäsur  nach  dem  4.  lambus 
gestattet.     Plaut.  Mil.  1216.     Asin.  651  flf. 

Era,  eccum  praesto  militem  \   Ubist?  Ad  laevam  videdum. 
Sed  tibi  si  viginti  minae     argenti  proferentur, 
quo  nos  vocabis  nomine?     Libertos.    Non  pairönos? 
Hiatus  bei  Terenz   allerdings  nur  Hec.  v.  830  (Myrrhina  \  in  digito)  und 
Heaut.  V.  688  (CUnia  \  age  .  .). 

Der  Vers  blieb  der  römischen  Tragödie  fremd,  für  die  er  seinem  Charakter 
nach  sich  wenig  eignete  {,iocosis  motibus  emolUtum  gestibusque  agentium 
satis  accommodatum'  Mar.  Victor,  p.  135  K). 

163.  Der  iambische  Oktonar  entspricht  dem  nicht  häufigen  akata- 
lektischen  Tetrameter  der  Griechen,  ist  aber  wahrscheinlich  auf  das  iam- 
bische Hypermetron  zun)ckzuführen  (s.  §  61.  62).  Sein  Bau  ist  verschieden 
je  nach  der  Stellung  der  Cäsur:  er  besteht  entweder  (a)  aus  zwei  völlig 
gleich  gebildeten  Dimetern,  z.  B.  Plaut.  Amph.  153: 

Qui  me  alter  est  auddcior  1  homo  aüt  qui  confidentior, 


^)  Die  Vorbilder  dieser  Praxis  scheint 
Hephaestio  zu  kenneD,  wenn  er  vom  iam- 
bischen  Verse  schreibt  p.  17,i8  W.:  w  di 


xataXtjxrixoy,  toy  Xafjipoy  naQaXijyovra  {di- 
/rr«i)  17  anayiiog  tgißQaxvy, 


828  E*  Metrik,    d)  Metrik  der  Römer. 

oder  er   gliedert  sich  (b)  in  zwei  ungleiche  Reihen  durch  einen  Einschnitt 
nach  der  5.  Senkung,  z.  B.  Plaut.  Amph.  996,  Terent.  Andr.  594: 
Quod  ömnes  homines  fdcere  oportet,  \  dum  modo  id  fidt  hono, 
Domüm  modo  ibo,  ut  dpparentur  |  dicam  atque  hue  renüntio. 

Bei  der  ersten  Gliederung  lässt  Plautus  vor  der  Cäsur  die  Freiheiten  des 
Versschlusses  zu,  Syllaba  anceps  auch  (Terenz  Andr.  612  modö^  957  Paw- 
philüs).  Die  zweite  Formation  ist  bei  Plautus  weniger  gebräuchlich  (vgl. 
Asin.  830  ff.),  hingegen  weit  beliebter  bei  Terenz,  der  die  erste  wegen  ihrer 
Einförmigkeit  meidet. 

Rücksichtlich  der  Auflösungen  und  der  Behandlung  der  Senkungen 
gelten  im  allgemeinen  dieselben  Regeln  wie  beim  Senar  und  Septenar.  Der 
8.  Fuss  ist  stets  rein  gehalten,  ebenso  der  vierte  bei  der  ersten  Cäsur  (a). 
Spondeische  Wörter  und  Wortschlüsse  werden  möglichst  gemieden  im  2. 
(4.)  und  6.,  iambische  im  7.  und  (bei  Cäsur  a)  im  3.  Fusse,  vgl.  Amph.  995: 
Arndt?  sapit:  recte  facit,  animö  qtiando  opsequUür  suo. 

Der  Oktonar  ist  seltener  als  die  anderen  stichisch  gebrauchten 
Versarten  und  findet  sich  etwa  nur  SOOmal  bei  Plautus,  500mal  bei 
Terenz. 

Überall  wo  die  Überlieferung  für  Zerlegung  der  ersten  Art  der  Oktonare  spricht, 
will  KiEssLiNU  (Anal.   Plaut,  p.  6)  Dimeter  herstellen,  so  z.  B.  Merc.  133  ff.  Men.  1004  f. 

B.  Die  lyrischen  Versformen. 

Trochäische  Verse. 

164.  1.  Der  Oktonar,  ein  akatalektischerTetrameter,  aber  wahrschein- 
lich auf  die  griechischen  Hypermetra  (§  53)  zurückzuführen,  setzt  sich  aus 
zwei  akatalektischen  Dimetern  zusammen  und  folgt  in  der  Hauptsache  den- 
selben Kegeln,  wie  der  Septenar  in  seinem  1.  Oliede.  Er  hat  fast  durch- 
weg eine  Cäsur  nach  dem  4.  Fusse  und  lässt  an  der  Cäsurstelle  Hiatus 
und  Syllaba  anceps  zu;  er  meidet  spondeische  und  anapaestische  Wort- 
schlüsse in  der  4.  und  6.  Hebung  und  hat  einsilbigen  Versschluss  nur  ganz 
ausnahmsweise.  Er  findet  sich  in  den  Canticis  und  freieren  Scenen  .teils 
mehrmals  nacheinander,  z.  B.  Plaut.  Pseud.  161  flf. 

l'ibl  hoc  praeapio  ut  niteant  aedes:  \  hdhes  quod  facias,  pröpera,  ahi  intro. 
Tu  esto  Icctistcrniator,  \  tii  argenium  eliiito^  itidem  extruito, 
Ilacc,  quam  ego  a  forö  revortar,  \  fdcito  ut  offenddm  parata, 
Versa  sparsa  tersa  strata  \  laüta  stnictaque  ömnia  ut  ^int; 

und  Terent.  Eun.  739—746;  teils  vereinzelt  neben  anderen  Versformen, 
z.  B.  Stich.  281.  292.  302.  Merc.  341.  356.  359.  Terent.  Andr.  301.  305. 
307.  608.  Eun.  558.  654.  748. 

2.  Der  katalektische  Dimeter  kommt  entweder  einzeln  zwischen 
Tetrametern  vor,  wie  Pseud.  222.  224  fdcis  ecfecta  quae  loquor,  oder  mehr- 
mals wiederholt,  z.  B.  Epid.  3  flf.: 

Rcspice  vero^  Thesprio, 

£pidicumne  cömpicor? 

Sdtis  recte  oculis  titeris. 

Salve,  di  dent  quae  velis. 


2.  Die  Metra  der  Römer.  (§  164-166.)  829 

Vgl.  Plaut.  Epid.  97  flf.  Pseud.  211  fif.  216  f.  Gas.  V,  3,  14  flf.  Terent.  Andr. 
246.  Eun.  707.  Phorm.  729. 

3.  Der  Ithyphallicus  (akatalektische  Tripodie)  erscheint  als  Klausel 
am  häufigsten  neben  Kretikern,  so  Gas.  II,  2,  37: 

quem  mdes?  vir  eccum  iL 
Vgl.  Gas.  IV,  4,  10.    Epid.  172. 

4.  Die  katalektische  Tripodie  steht  meist  zweimal  nacheinander: 
Pseud.  259  heu  heu,  quam  ego  malis  \  perdidi  modis.  ib.  1293  vir  malus 
viro  I  öptumo  ohviam  iL 

5.  Der  akatalektische  Monometer  dient  als  Klausel  kretischer 
Tetrameter,  z.  B.  Rud.  681  Nimis  inepta's,     Amph.  247  Iure  «wewstos. 

lambische  Verse, 

166.  1.  Der  akatalektische  Dimeter  (quatemarius),  ein  häufiger 
Bestandteil  der  Gantica,  wird  nach  denselben  Normen  gebaut,  wie  der  Aus- 
gang des  Senars  und  Oktonars.  Er  ist  bei  Plautus  oft  aus  Oktonaren  her- 
zustellen, z.  B.  Trin.  254  f.  Raptöres  panis  et  peni.  \  Fit  ipse  dum  Ulis 
cömis  est...;  Amph.  1053  flf.  Men.  1004  f.  Merc.  133  flf.;  wird  aber  von 
Terenz  immer  nur  nach  iambischen  Oktonaren  oder  trochäischen  Septenaren 
als  Klausel  gebraucht.  Eun.  213  sed  mimquid  aliud  imperas?  215  quod 
pöteris,  ab  ea  pellito.  Vgl.  299.  301.  306.  647.  652.  Phorm.  v.  163.  183. 
191.  Andr.  240.     Vgl.  die  Anmerkung  zum  iambischen  Oktonar  §  163. 

2.  Der  katalektische  Dimeter  dient  besonders  als  Klausel  bak- 
cheischer  Tetrameter,  so  Gapt.  784  Neque  id  perspicere  quivi.  Most.  90  id 
repperi  iam  exemplum;  nach  iambischen  Septenaren  Pseud.  187;  bei  Terenz 
nur  einmal  zwischen  Oktonaren  und  Septenaren  Hec.  731. 

3.  Vereinzelt  finden  sich  noch  kürzere  Formen:  die  katalektische 
Tripodie  Trin.  256  inops  amator.  Rud.  675  par  est  moriri;  die  akatal. 
Dipodie  Bacch.  660  f.  bonus  sit  bonis,  \  malus  Sit  malis. 

Anapaestische  Verse. 

166.  Von  anapaestischen  Massen  erscheint  bei  den  Scenikem  der 
Septenar,  welcher  dem  katalektischen  Tetrameter  der  Griechen  (s.  oben 
§  45)  entspricht;  ferner  der  Oktonar,  der  ein  genau  entsprechendes  grie- 
chisches Vorbild  nicht  besitzt  und  wahrscheinlich  an  die  Stelle  der  griechi- 
schen Hypermetra  getreten  ist;  dann  der  katalektische  Tr im eter,  endlich 
der  Dimeter,  sowohl  der  akatalektische  als  der  katalektische,  der  sog. 
Paroemiacus,  beide  teils  vereinzelt,  teils  in  systematischer  Verbindung. 

1.  Beide  Tetrameter,  der  Septenar  wie  der  Oktonar,  haben  ihre  regel- 
mässige Gäsur  nach  dem  vierten  Fusse,  also  am  Ende  des  ersten  Gliedes. 
Plaut.  Mil.  1011  (Septenar),  Pers.  753  (Oktonar): 

Erit  et  tibi  ^xoptatum  obünget:  \  bonum  habe  dnimum,  ne  farmida. 

Hostibus  victis,  civibtis  salvis,  \  re  pldcida,  pacibus  perfectis. 
Zuweilen  ist  sie  mit  den  Freiheiten  des  Versschlusses  verbunden,  wie  Plaut. 
Pseud.  597  (Hiatus),  Pers.  792  (Syllaba  anceps): 

Septumds  esse  aedis  d  porta,  \  ubi  ille  hdbitat  leno  quoi  iussit. 
Locus  hie  tuos  est.  hie  dccumb^.  \  fer  aquäm  pedikus.  praeben,  puere? 


g3Ü  £•  Metrik,    d)  Metrik  der  ftOmer. 

Vgl.  Mil.  1014  (Hiatus),  1012.  1020  (Syllaba  anceps).  Die  VernacblSssigang 
dieser  Cäsur  ist  selten;  Ersatz  für  sie  bildet  ein  Einschnitt  im  5.  Fasse. 
Plaut.  Bacch.  1097: 

Omniaque  ut  qukque  actumst  memoravit:  \  eäni  sibi  hune  annum  conduäam. 
Für  die  Auflösung  herrscht  grosse  Freiheit:  der  Proceleusmaticos 
ist  gestattet  (s.  oben  Mil.  1011  bonum  habe  dni-nivfn  und  Pseud.  597  nii 
nie  hdbitat),  das  Zusammentrefifen  von  Daktylus  und  Anapaest  wird  nicht 
gemieden  (Mil.  1024  nullmnst  hoc  stolidius  sdxum).  Auch  die  7.  Hebung 
des  Septenars  lässt  die  Auflösung  zu  (vgl.  §  112  u.  117).  Pseud.  231: 
Quid  mihi  8  auctor  huic  üt  mittam,  ne  amicam  hie  meam  prosiituat? 
Dagegen  wird  die  Auflösung  der  schliessenden  Länge  im  Oktonar  ge- 
mieden. —  Für  die  Zusammenziehung  bestehen  keine  Beschränkungen, 
vgl.  Pseud.  237  In  rem  quod  sil  praevörtaris  quam  re  ddvorsa  animo  auseüUes, 
Mil.  1042. 

2.  Eine  entsprechende  Behandlung  erfahren  die  seltenen  katalektischen 
Trimeter,  z.  B.  Cure.  155 — 157: 

Perspieio  nihili  medm  vos  gratiam  fdeere. 

St!  tdee  taee!  Taeeo  herele  equidetn,     Sentio  sönitum. 

Tandem  edepol  mihi  morigeri  pessuli  fiunt 
und  die  beiden  Arten  des  Dirne ters,  von  denen  der  akatalektische  die 
Auflösung  der  4.  Hebung  meidet,  aber  eine  einzelne  Kürze  am  Scbluss  duldet 
z.  B.  Stich.  40  Suum  officium  aequomst  colere  et  facerif,  der  katalektische 
die  Auflösung  der  3.  Hebung  gegen  den  griechischen  Gebrauch  gestattet, 
z.  B.  Stich.  16  faeit  iniurias  immerito,  und  andrerseits  wieder  durchweg 
Zusammenziehung  haben  kann,  wie  Stich.  38.  Cist.  H,  1,  9: 

Posthäc  ex  te,     Nam  quid  iam? 
Quod  ddt,  non  dat,  delüdit. 

3.  Die  Systeme  im  strengeren  Sinne  des  Wortes  bestehen  aus  meh- 
reren akatalektischen  Dimetern  resp.  Monometern  und  einem  katalektischen 
Schlussgliede,  z.  B.  Menaech.  361  flf.: 

Animüle  ml,  mihi  mird  videntur 

te  hie  stdre  foris,  fores  qtwi  pateant 

mngis,  quam  domus  tua,  domus  quam  haee  tua  sit. 

Omyic  paratumst, 
Ut  iilssisii  atque  ut  voluisti: 

neque  tibi  iamst  uUa  mora  intus. 
Im  weiteren  Sinne  nennt  man  Verbindungen  mehrerer  Dimeter  auch 
ohne  abschliessenden  Paroemiakus  Systeme,  wie  Trin.  1115—19: 

Hie  homöst  omnium  Jtominiim  pravcipuos, 
voIujMtibus  gaudiisque  dntepotey^s. 
Ita  cömmoda  quae  eupio  cveniuntj 
Quod  agö  subita  adsecue  sequitur. 
It<i  gaildiis  gaudia  Siqypeditant, 

Bakchien. 

167.  Der  Bakchius  gestattet  die  Auflösung  jeder  der  beiden  Längen 
eonsilium,   eon\sili  cape\re,  jedoch   nicht   beider  gleichzeitig.     Die   Senkung 


2.  Die  Metra  der  Römer.  (§  167—168.)  831 

wird  oft  durch  eine  lange  Silbe,  nicht  häufig  durch  zwei  Kürzen  gebildet, 
am  häufigsten  im  1.  Fusse  des  Verses,  z.  B.  Pers.  810  PeriipercuUt  Bacch. 
1129  vetulae  sunt;  nie  durchweg  in  einem  Vers. 

1.  Der  gebräuchlichste  bakcheische  Vers  ist  der  Tetrameter,  z.  B. 
Plaut.  Capt.  922  «. 

Jovi  disque  agö  gratids  merito  mdgnas, 
quam  reducem  tuö  te  patri  reddiderunt 
quomque  ex  miseriis  plurimls  me  exemerunt. 
In  diesem  tritt  eine  Cäsur  bald  nach  dem  2.,  bald  nach  dem  3.  lambus 
ein,  seltener  nach  dem  2.  Bakchius.    Die  Senkung  ist  im  2.  und  4.  Fusse 
rein,  d.  h.  eine  Kürze,  wenn  die  folgende  Länge  ein  Wort  schliesst.     Nie 
finden  sich  mehr  als  zwei  zweisilbige  Senkungen  in  einem  Verse;  aufgelöst 
werden  nie  mehr  als  drei  Längen,  nur  selten  zwei.     Häufig  bei  Plautus, 
bei  Terenz  Andr.  481—484.  637.  638. 

2.  Der  bakcheische  Dimeter  hat  einen  sehr  beschränkten  Gebrauch, 
meist  als  Abschluss  eines  bakcheischen  Systems  beim  Übergange  zu  anderem 
Rhythmus,  z.  B.  Plaut.  Trin.  232  als  Klausel:  ad  aetatem  agündam;  vgl. 
Capt.  503.  509.  Rud.  263. 

3.  Der  bakcheische  Hexameter  erscheint  Amph.  633—642  neun- 
mal nacheinander  (Monolog  der  Alemena): 

Satin  parva  res  est  voluptatem  in  vita,  atque  in  aetate  agünda^ 
praequdm  quod  molestumst?  Ita  quoiquest  in  aetate  honiinum 
c&mpardtum  e.  q,  s. 

4.  Hypermetrische  Verbindungen  (Systeme)  von  Bakchien  finden 
sich  z.  B.  bei  Plaut.  Men.  571  flf.: 

Ut  Mc  utimür  ma^xume  more  möro 

molestoque  mültum  atqme  uti  quique  stlnt  optume  mtzxime  morem 

habent  hunc  e,  q.  s. 
Ebenso  bei  Varro  Sat.  Men.  p.  195  R.  (401  B.): 

quenmdm  te  esse  dicam,  ferd  qui  manu  corporis  fervidds  fontium 

dperis  lacüs  sanguinis  teque  vita  levds  ferreo  ense? 

Da  die  Griechen  nur  ganz  vereinzelt  bakcheische  Verse  zur  Anwendung  bringen,  so 
hat  den  Bakchien  der  Römer  offenbar  ein  anderes  griechisches  Metrum  als  Vorbild  gedient. 
Schwerlich  ist  dieses  aber,  wie  Fb.  Leo,  Rhein.  Mus.  XL  (1885)  p.  171  meint,  das  doch- 
mische  gewesen,  das  einen  sehr  yerschiedenen  Charakter  hat,  sondern  aller  Wahrschein- 
lichkeit nach  das  aufsteigende  ionische,  das  mit  dem  Ethos  der  lateinischen  Bakchien  im 
wesentlichen  übereinkommt,  welche  der  bekümmerten  Klage,  der  eindringlichen  Bitte  und 
der  ruhigen  Betrachtung  zum  Ausdrucke  dienen;  vgl.  Pseud.  1274. 

Kretiker. 

168.  Der  kretische  Fuss  ^  w  _  (s.  §  73)  gestattet  zwar  die  Auf- 
lösung jeder  der  beiden  Längen,  z.  B.  ^^  -  redpias,  viduitas,  jl  ^^^ 
nöstra  supe-rdt  manus;  doch  tritt  die  Doppelkürze  nur  ausnahmsweise  mehr 
als  einmal  in  einem  Verse  und  nie  zweimal  in  demselben  Fusse  an  Stelle 
der  Länge.  —  Die  Mittelsilbe  ist  manchmal  eine  Länge,  aber  nie  im  letzten 
Fusse  des  Verses  und  nicht  leicht  die  erste  (betonte)  Silbe  eines  spondei- 
schen  Wortes  (nös  nostrasj.  Unzulässig  ist  der  Ersatz  des  Kretikus  durch 
den  Choriamb  (Spengel  Ref.  p.  21). 

1.   Die  häufigste  Versform  ist  der  akatalektische  Tetrameter.    Er 


832  £•  Metrik,    d)  Metrik  der  BOmer. 

hat  regelmässig  eine  Cäsur  (1)  nach  dem  2.  Fusse,  selten  statt  dieser  einen 
Einschnitt  (2)  nach  der  ersten  Hebung  des  3.  Fasses: 

(1)  Amph.  220   Dfspertiti  viri,  \  dispertiti  ördines. 

(2)  ib.  223   Dmide  uterque  Imperator  \  in  medium  exeunt. 

Die  Auflösung  ist  ausgeschlossen  bei  der  letzten  Länge  des  4.  und  des 
2.  Fusses  unmittelbar  vor  der  Cäsur.  Die  diesen  beiden  Längen  voraus- 
gehenden Senkungen  (die  2.  und  4.)  werden  regelmässig  durch  eine  Kürze 
gebildet;  die  lange  Mittelsilbe  ist  also  auf  den  1.  und  3.  Fuss  beschränkt 
und  auch  hier  nur  sehr  selten  in  Fällen  wie  Amph.  221  nos  nostras  (s. 
oben!).  —  Der  Tetrameter  ist  eine  sehr  beliebte  Versbildung  der  Komödie 
und  wird  öfter  in  systemartiger  Wiederholung  gebraucht,  wie  Plaut.  Rud. 
232  fr.  274  flf.  664  flf.  Cure.  147  flf.  Terent.  Andr.  626—34. 

2.  Der  Dimeter  findet  sich  besonders  als  Abschluss  eines  längeren 
kretischen  Systems,  wie  Pseud.  262  Nosce  saltem  hünc  quis  est,  oder  neben 
trochäischen  Septenaren,  wie  Epid.  85.  87.  89.  92.  96.  98.  Er  befolgt 
ähnliche  Regeln  wie  der  Tetrameter:  die  Mittelsilbe  des  2.  Fusses  ist  stets 
eine  Kürze,  die  schliessende  Länge  duldet  die  Auflösung  nicht. 

3.  Kretische  Hexameter  sind  nicht  mit  Sicherheit  nachgewiesen; 
die  Annahme  von  Trimetern  stützt  sich  nur  auf  wenige  Stellen:  Trin. 
267  dmor,  amicüs  mihi  ne  fuas,  ib.  269.  271.  Pseud.  119.  Most.  338. 
Cas.  II,  1.  7. 

4.  Katalektische  Kretiker  bestreitet  Spengel  für  die  lateinische 
Poesie,  doch  werden  von  anderen  Tetrameter,  Trimeter  und  Dimeter  an- 
genommen, z.  B.  Tetrameter  Trin.  243—251.  258.  272—74.  279.  280.  283. 
284.  293.  295. 

Da  mihi  hoc  mel  meum,  sl  me  amas,  si  dudes, 

und  mit  Auflösung  der  vorletzten  (dreizeitigen)  Länge: 

£t  istuc  et  si  dmplius  vis  dari  ddbitur. 
Trimeter  Trin.  275  quam  improhis  vlvere  vanidicis,  ib.  294.  296.  298.  300 
und  Dimeter  Truc.  121  Sdlva  sis.    Et  tu. 

Choriamben.     Daktylen.     Logaoeden. 

169.   Choriamben  scheinen  vorzuliegen  bei  Plaut.  Men.   110: 

2^1  mala  ni  stidta  sies  ni  indomita  impösque  animi.^) 
und  bei  Terent.  Adelph.  611 — 613  (mit  trochäischem  Ausgang) : 

Ut  neque  quid  me  factum  ncc  quid  agam  certüm  sit, 

Membra  mefu  dehilia  sunt,  animus  fimöre 

Obstipuit,  pMore  consistere  nil  consili  quit 
Vgl.  G.  Hermann  Epit.  §  413. 

Daktylisch  sind  vielleicht  zu  messen  Plaut.  Cure.  96  f. 

cius  amor  cupidam  me  hiic  prolicit  per  tenebras, 
Cas.  III,  6,  19.  Men.  110.  Cure.  135;   bei  Terenz  Andr.  625   höcine  crvd- 
bile  aut  memordbile  (vor  Cretici). 

Logaoeden  glaubt  Fr.  Leo  zu  finden  Plaut.  Cas.  IV,  3.  3.  10: 

10  hymen  hymenace  io, 

')  Andere  sehen  hier  Anapaeste. 


2.  Die  Metra  der*ROmer.  (§  169-171.)  833 

und  Bacch.  989: 

ut  scicLS  quae  hie  scripta  sient. 
nil  moror  neque  scire  volo. 
tarnen  ades.    quid  opust?  taceas. 

Zusammengesetzte  Versbildungen. 
170.  Von  den  aus  verschiedenartigen  Teilen  zusammengesetzten 
Versen  verdienen  besondere  Beachtung:  1)  der  sogenannte  Versus  Rei- 
zianus,  welcher  aus  einem  akatalektischen  iambischen  Dimeter  und  einem 
katalektischen  Prosodiakus  (vgl.  §  44  u.  90)  besteht,  der  folgende  Formen 
haben  kann: 

z.  B.  quia  nön  latt^s  födi  —  iam  nöscere  pössis  —  novi  ego  illas  mt^rces  — 
si  lübeat  fdciam  —  quam  tüa  tibi  cdrast  —  at  p6l  malum  metuo,  ja  sogar 
zuweilen  in  der  Gestalt  einer  katalektischen  iambischen  Tripodie  auftritt: 


~^  W     -£.     i:i  , 


Stich.  3  fF.    De  nöstris  f actis  nöscimus,  \     quarüm  viri  hinc  dbsunt, 

Quorümque  nos  negötiis  \  absentum  ita  ut  aequomst 
Sollicitae  noctes  et  dies  \  sorör  sumus  semper. 
ib.  7  f.  Sed  hie,  mea  soror,  adsidedum:  \  multd  volo  tecum 

hqui  de  re  nostra  et  virum,  \  Salvaene,  amdbo? 
Vgl.  Plaut.  Aul.  415-446.  Gas.  III,  6,  22—25.  Most.  892  f.  899  f.  Bacch. 
1124.  Terent.  Ad.  610b  Dz. 

2)  Die  Verbindung  eines  kretischen  Dimeters  mit  einer  kata- 
lektischen troch.  Tripodie,  welche  meistens,  aber  nicht  immer,  durch 
Cäsur  getrennt  sind.     Plaut.  Pseud.  1285.  1287: 

Vöx  viri  pessumi  me  exciet  foras. 
Cum  Corona  ebrium  Pseüdulum  tuum. 
Vgl.  ebend.  1292.  1294.  1311.  1314  und  sonst. 

3)  Der  Vers    -^w.     jlw-|-ww..c7,z.  B.  Most.  693.  Rud.  209:. 

Nunc  dormitüm  iubet  \  me  {re  minume. 
Quae  mihist  spes  qua  me  vlvere  velim? 
den  manche  als  katalektischen  kretischen  Tetrameter  auffassen: 


_iw_  ji.W—  ±    \J  oo       « 


C.  Die  Cantica  und  ihr  Bau. 

171.  1.  Die  Grundsätze,  nach  welchen  die  verschiedenen  lyrischen 
Versbildungen  im  Canticum  zu  einer  kunstmässig  gegliederten  Einheit  ver- 
bunden werden,  sind  bis  jetzt  noch  nicht  erkannt;  ja  selbst  eine  scharfe 
Scheidung  der  Cantica  von  den  Diverbien  ist  noch  nicht  überall  mit  Sicher- 
heit gewonnen.  Dass  ein  jedes  Canticum  aus  kleineren  Versgruppen  oder 
Systemen  sich  zusammensetzt,  ist  mehr  als  wahrscheinlich,  und  dass  unter 
den  für  uns  erkennbaren  Systemen  sich  hin  und  wieder  eine  gewisse  Sym- 
metrie und  Übereinstimmung  im  Umfang  vorfindet,  nicht  bestreitbar; ')  aber 


^)  Eine  symmetrische  AnordnuDg..  bei 
welcher  vornehmlich  4  und  6  Averse  za  einer 
Gruppe  sich  vereinigen,  weist  R.  Klotz,  Über 


Allitt.  u.  Symmetrie  hei  Plautus.  Zittau  1876, 
in  einer  grösseren  Anzahl  von  Scenen,  na- 
mentlich Monodien,  bei  Piautas  nach  unter 


Handbuch  der  klMs.  Alteriumswiasenschaft  IL  2.  Aufl.  ^^ 


834 


£.  Metrik,    d)  Metrik  der  BOmer. 


die  Annahme  einer  regelmässig  durchgeführten  antistrophiscben  Gliederong, 
ob  nun  nach  dem  Schema  ABB  (Gokbadt)  oder  dem  anderen  A  B  A 
(Meissner),  ist  wenig  glaublich.  Wahrscheinlicher  ist  es,  dass  die  Cantica 
der  Komödie  freie  Kompositionen,  änoXelv^tva  im  Sinne  der  Griechen 
(§  26.  28)  sind,  umsomehr  als  sie  keine  Chorlieder  sind,  sondern  Monologe 
oder  dialogische  Stücke,  und  zum  grossen  Teile  nicht  wirklich  gesungen, 
sondern  nur  melodramatisch  vorgetragen  wurden. 

2.  Nur  in  wenigen  Ganticis  kommt  ein  einziges  Metrum  aosschliess' 
lieh  oder  in  stark  vorwiegendem  Grade  zur  Geltung,  in  den  meisten  folgen 
verschiedene  Masse  in  scheinbar  regellosem  Wechsel  aufeinander. 

Der  kretische  Rhythmus  herrscht  fast  durchweg  in  den  Monodien 
Plaut.  Amph.  219—247  und  Asin.  127—138;  ebenso  ist  Menaechm.  7o3— 
774  bis  auf  den  Schlussvers  aus  lauter  Bakchien  gebildet.  Viel  häufiger 
aber  treten  neben  die  kretischen  und  bakcheischen  Bestandteile  auch  noch 
andere  Versformen. 

Für  den  Wechsel  der  verschiedenen  Versmasse  bestimmte  Regeln  auf- 
zufinden sind  mancherlei  Versuche  gemacht  worden.  Es  ist  bis  jetzt  nach- 
gewiesen, dass  bei  Terenz  auf  trochäische  Oktonare  stets  wieder  trochäische 
Verse  folgen  (Bentlet  zu  Terent.  Andr.  II,  1,  7)  und  als  besonders  häufige 
Anordnung  diese  erscheint: 

troch.  Oktonar,  troch.  Septenar,  iamb.  Oktonar 
(Terent.  Andr.  301—317,  607-615.    Eun.  207—223,  615—622.     Heaut. 
562—589.     Phorm.   179—196,  465—503,  728-747.    Adolph.  517—539). 
welcher  als  minder  häufig  die  folgenden  Variationen  sich  anreihen: 

troch.  Oktonar  —  trochäischer  Septenar 
(Heaut.  175-180  und  Hec.  281—292); 

troch.  Septenar  —  iambischer  Oktonar 
(Adolph.  288-294); 

iamb.  Oktonar  —  troch.  Septenar 
(Andr.  178-182.  Heaut.  1003-1033.  Adolph.  299-319). 

Bakcheisch-trochäisches  Ganticum.     Plaut.  Merc.  335—363. 
I.  llomö  me  miserior  nullüst  aeque,  opinor, 

Neque  ddvorsa  quoi  plura  sint  sempitema^ 
IL   Satin  qulcquid  est  quam  rem  agere  öccepi, 
proprium  nequit  mihi  esse  id  qu6d  cupiö? 
ita  mihi  mala  res  aliqua  öbicitürf 

honum  quae  meum  cömprimit  cönsiUüm.  340 

in.  Miser  amicam  mihi  paravi,  \  dnimi  causa  pretio  eripuL 
IV.  Ratüs  clam  patrem  meum  me  edm  posse  habere: 
is  resdvit  et  vidH  et  perdidit  me, 
Neque  is  quam  rog6t,  quid  loqudr^  cogitdtumst: 
Ita  dnimi  decem  in  pectore  incerti  certant,  345 

Nee  quid  corde  nunc  consili  capere  pössim, 


besonderer  Berficksichtigung  der  Allitteration 
und  des  Gleicbklangs.  £r  findet  vierzeiJige 
Versgruppen  z.  B.  in  den  Monologen  des 
Cbannides    Trin.   v.  820    840,    des  Gripus 


Rudens  v.  920->935,  des  ChiysaloB  Bacch. 
925—952.  des  Pyrgopolinices  Mil.  v.  1--12. 
£ine  solche  Gnippierang  bat  f&r  melodra- 
matische Yortrftge  viel  Ansprechendes. 


2.  Die  Metra  der  Römer.  (§  171.)  835 

seid:  tantus  cum  cura  meöst  error  dnimo, 
dum  servi  mei  perplacet  mihi  consüium, 
dum  rürsum  haud  placet  nee  pater  potis  videtur 
indtici,  ut  putet  matri  ancÜlam  emptam  esse  Ülam.  350 

Nunc  s{  dico,  uti  rest,  atque  Ülam  mihi  me 
emisse  indicö^  quem  ad  modum  existumet  me? 
atque  ülam  abstrahdt,  trans  mare  hinc  venum  aspörtet. 
Sci6  saevos  quam  sit,  domo  doctus  dico,  355 

V.  Böcinest  amäre?  arare  mdvelim  quam  sie  amare. 
VI.  lam  hinc  6Km  me  invitum  domo  extriAsit  ab  se: 

mercdtum  ire  iussH:  ibi  höc  malum  ego  inveni. 
VII.    Vbi  voluptatem  aegritudo  vincat,  quid  ibi  inest  amoeni? 
VIII.  Nequiqu^m  abdidi^  dbscondidi,  dbstrusam  habebam:  360 

muscdst  meus  pater,  nil  potest  clam  illum  haberi, 
IX.    Nee  sacrum  nee  tdm  profanum  quicqtuimst,  quin  ibi  ilico  adsit, 
nee  qui  rebus  meis  confidam,  mi  ülla  spes  in  cörde  certast 
I.     2  tetram.  bacch.    II.    4  dim.  anapaest. 
III.     1  octon.  troch. 
IV.     13  (14?)  tetram.  bacch. 

V.     1  octoD.  troch. 
VI.     2  tetram.  bacch. 

VII.     1  octon.  troch. 
VIII.     2  tetram.  bacch. 

IX.     2  octon.  troch. 
Trochäisch-iambisches  Canticum.     Terent.   Phorm.   153—178   Anfang. 

A.  A  N,  Adeon  rem  redisse^  ut  qui  mi  cönsuÜum  optume  velit  esse, 
Phacdria,  patrem  ut  extimescam,  ubi  in  mentem  eius  adventi  veniat! 
Quöd  ni  fuissem  incögitans,  ita  expectarem,  ut  pdr  fuit.  155 
FH.  Quid istiic est?  AN,  Rogttas qui tamaudacisfdcinoris mihi cönscius?^) 

B.  Quöd  utinam  ne  Phörmioni  id  suddere  in  mentem  incidisset 
Neu  me  cupidum  eo  impulisset,  quöd  mihi  principiümst  mali! 
Nön  potitus  essem:  fuisset  tum  Ülos  mi  aegre  aliquot  dies, 

At  nön  cottididna  cura  haec  dngeret  animum,  PH,  Audio,  160 

AN,  Dum  expecto  qiuim  mox  veniat  qui  adimat  hdnc  mihi  eonsuetüdinem, 
PlI,  Aliis  quia  defit  quöd  amant  aegrest;  tibi  quia  superest  dolet: 

amöre  abundas,  Antipho.  163 

A.     2  troch.  Okton.    1  troch.  Sept.     1  iamb.  Okton.  |  B.    1  troch.  Okton. 

2  troch.  Sept.    3  iamb.  Okton.     1  iamb.  Quatern. 

Allgemeines:  R.  Bentley,  Schediasma  de  metris  Terentianis  in  s.  Ausg.  d.  T. 
(zuerst  Cantabr.  1726.  4.).  —  G.  Hermann,  Elem.  p.  64  f.  87  f.  90  f.  102  f.  131  f.  141  f. 
149—191.  205-22.  294-316.  385  f.  405  f.  u.  De  cantic.  in  Rom.  fabulis  scenicis.  1811. 
—  Fr.  Ritschl,  Prolegom.  de  rationibus  crit.  grarom.  prosod.  metr.  emendationis  Plautinae 
in  s.  Ausg.  d  Trin.  Elberf.  1849.  (Opusc.  V,  285  flf.)  u.  viele  kleinere  Abb.  s.  Opusc.  --  J. 
Brix,  Einleitung  zu  Plautus  Trinummus.  Leii>zig  1865,  4.  A.  1888.  p.  13—23.  —  A.  Spevobl, 
T.  Maccius  Plautus.  Kritik,  Prosodie,  Metrik.  Gott.  1865.  —  W.  Christ,  Die  Gesetze  d. 
plautin.  Prosodie.  Rh.  Mus.  XXIII  (1868)  p.  559-581  u.  an  vielen  Stellen  s.  Metrik.  — 
C   W.  Müller,  Plautin.  Prosodie.  Berlin  1869;  Nachtr.  z.  Plautin.  Prosodie  ebd.  1871.  — 


^)  SonachScHLEEp.  16,  dem  auchDziatzko      gegen  R.  Klotz,  in  J.  Müllers  Jabresber. 
in  8.  Ausgabe  des  Phormio  (1885)  folgt;  da-      XIV.  Jhg.  (1886)  p.  63. 


& 


836  ^'  Metrik,    d)  Metrik  der  BOmer. 

A.  Spenobl,  Einleitung  zu  Terenz'  Andria.  Berlin  (1875)  1888.  p.  XXV  ff.;  RefonnyorBclü&ge 
z.  d.  Metrik  d.  lyr.  Versarten  de8  Plautus  u.  d.  flbrigen  Sceniker.  Berlin  1882.  —  R.  Klotz, 
Zur  AUitteration  und  Symmetrie  b.  Plautus.  Zittau  1876.  Progr.  —  A.  Lucbs,  CommentAt. 
prosod.  Plautinae.  I.  II.  Erlang.  1883.  84.  -  W.  Mkteb,  Cber  die  Beobachtung  des  Wort- 
accents  in  d.  altlat.  Poesie.  München  1884  (Akad.  Abb.).  —  E.  Dziatzxo,  Einleitung  zu 
Terenz  Phormio.  2.  A.  p.  25  ff.  (1885).  —  Angekfindigt  sind  «Grundzüge  altrOmischer 
Metrik*  von  Rice.  Klotz,  worin  die  plautin.  und  terenz.  EomOdie  den  Mittelpunkt  bilden 
und  die  röm.  und  hellen.  Elemente  der  Prosodie  und  Metrik  des  römischen  Dramas  ge> 
schieden  werden  sollen. 

Cantica:  Quil.  Stüdbmüvd,  De  canticis  Plautinis.  Berol.  1864.  diss.  —  M.  CnAiir, 
Über  die  Composition  der  Plautin.  Cantica.  Berlin  1865.  -•  W.  Christ,  Metr.  Bemerkungen 
z.  d  Cantica  des  PI.  München  1871  (Akad.);  Metrik  p.  660.  677  ff.  697.  A.  Spbhoki., 
Die  Akteinteilung  d.  Kom.  des  Plautus.  München  1877  (Progr.).  —  C.  Conradt,  Die  metr. 
Komjposition  d.  Komödien  d.  Terenz.  Berlin  1876.  u.  N.  Jhbb.  f.  Philol.  1878  p.  401  ff.  — 
Fr.  ochleb,  De  versuum  in  canticis  Terent.  consecutione.  Berol.  1879.  —  J.  Winter,  D. 
metr.  Reconstruktion  d.  Plautin.  Cantica.  München  1880.  Progr.  -  C.  Meissner,  Die  Can- 
tica des  T.  u.  ihre  Eurythmie.  Leipz.  1881  (=  12.  Suppl.Bd.  d.  Jhbb.  f.  Philol.  p.  467—5881. 

Spezielleres:  J.  Kraüss,  Ob.  d.  iamb.  Tetram.  bei  Terenz.  Rh.  Mus.  VIII  (1855) 
.  552  ff.  —  A.  Spengbl,  De  versuum  cret.  usu  Plautino.  Berol.  1861.  diss.  —  0.  Sbtffert, 
e  bacchiacorum  vers.  usu  Plautino.  Berol.  1864.  —  Th.  Berge,  De  elisione  et  aphaeresi 
in  vocab.  Plaut.  Hai.  1866.  67.  Ind.  —  W.  Waomer,  Zur  Prosodie  Rh.  Mus.  XXIL  (1867) 
p.  111  ff.  p.  423  ff.  —  B.  Born,  De  diverbii  ap.  Ter.  versibus.  Magdeb.  1868.  Progr.  — 
C.  CoNRADT,  De  vers.  Terent  structura.  Berol.  1870.  diss.  u.  Hermes  X,  101—110.  —  A. 
Luchs,  Quaest.  metricae.  Oryphisw.  1872  u.  in  Stüdexitnd,  Studia  in  prisc.  Script  lat  I.  — 
P.  MoBR,  De  iamb.  ap.  Plautum  septenario.  Lips.  1873.  diss.  —  0.  Bruomann,  Quemad- 
modum  in  iamb.  senario  Rom.  veteres  verborum  accentus  cum  numeris  consociaverint 
Bonnae  1874.  -  -  0.  Sachse,  De  pedibus  trisyllabis  qui  in  senario  substituuntur  trochaeo 
et  iambo.  Grünbg.  1876.  —  H.  Köhler,  De  verborum  accentus  c.  numerorum  rationibos  in 
troch.  sept.  Plaut,  consociatione.  Hai.  1877.  —  0.  Schubert,  Symb.  ad  Terent  emend. 
(Cäsur.)  Weimar  1878.  Progr.  —  A.  Kiesslino,  Analecta  Plautina.  Gryphisw.  1878.  Ind.  lect  — 
J.  Draheim.  De  iambis  et  trochaeis  Terentii.  Hermes  XV  p.  238  ff.  —  G.  Voss,  De  veisibus 
anapaest  Plaut  Lips.  1881.  Progr.  v.  Diedenhofeh.  —  P.  E.  Sonnenburo,  De  versäum 
Plaut,  aiiap.  proßodia.  Bonn.  1881  in  Exerc.  gramm.  spec.  sem.  philol.  Bonn.  p.  16  ff.  — 
0.  PoDiASXi,  Quomodo  Ter.  in  tetram  iamb.  et.  troch.  verborum  accentus  c.  numeris  con- 
soc  Berol.  1882.  —  C.  Meissner,  De  iamb.  ap.  Terent  septenario.  Bemburg  1884.  —  Fr. 
Leo,  Ein  Kapitel  plautin.  Metrik.  Rh.  Mus.  XL,  p.  161  ff.  —  £  Bblow,  De  hiatu  Plautino 
p.  I.  Berol.  1885.  diss. 

III.  Die  strengere  Nachbildung  der  griechischen  Metra  bei  den 

soglBnannten  daktylischen  Dichtern. 

Yorbemerkniigeii. 

172.  Die  Technik  des  Versbaues  wurde  eine  strengere,  als  Ennius 
(§  106,  4)  den  daktylischen  Hexameter  und  das  elegische  Distichon  in 
engem  Anschlüsse  an  die  griechischen  Muster  nachzubilden  begann.  Die 
Unauflösbarkeit  der  Hebungslängen  und  die  feste  Bestimmtheit  der  Senkungen 
(entweder  zwei  Kürzen  oder  eine  Länge)  erforderten  auch  für  die  Quanti- 
tätsverhältnisse eine  strengere  Regelung  und  eine  grössere  Beschränkung 
der  Elisionen  und  Vokalverschleifungen. 

Die  strenge  Technik  wurde  demnächst  auch  —  ausser  im  Drama  und 
der  Satire,  welche  erst  später  nachfolgten  —  auf  die  iambischen,  trochäischen 
und  anapaestischen  Metra  übertragen,  und  iambische  Senare  und  Quaternare, 
trochäische,  iambische  und  anapaestische  Septenare,  auch  iambische  und 
trochäische  Skazonten  nach  griechischer  Norm  gebildet;  daran  schlössen 
sich  ionische  und  logaoedische  Metra,  insbesondere  das  Sotadeum,  das 
Galliambicum,  Asklepiadeen,  Glykoneen,  Pherekrateen  und  Hendekasyllaben, 
anakreontische  Systeme  und  äolische  Strophen. 


2.  Die  Metra  der  Römer.  (§  172-173.)  837 

Obwohl  die  neuere  Verskunst  sich  also  keineswegs  bloss  auf  dak- 
tylische Metra  beschränkte,  pflegt  man  doch,  weil  an  die  Einführung  dieser 
sich  die  Neugestaltung  knüpft  und  sie  vor  allen  andern  die  Herrschaft 
in  der  späteren  Dichtung  behaupten,  im  Gegensatze  gegen  die  älteren 
Sceniker  und  Satiriker  die  Dichter,  welcher  der  strengeren  Nachbildung 
der  griechischen  Metra  sich  befleissigen,  als  Daktyliker  zu  bezeichnen. 

Wir  sondern  im  folgenden  die  stichischen  Formen  und  die  Sy- 
steme und  teilen  die  letzteren  in  distichische  Systeme,  Hypermetra  und 
vierzeilige  Strophen.  Zum  Schlüsse  folgen  einige  Bemerkungen  über  die 
Cantica  des  Seneca. 

A.  Die  stichischen  Versmasse. 

173.  Der  daktylische  Hexameter.  1.  Ennius  führte  den  Hexa- 
meter {verst48  longtis)  in  die  römische  Litteratur  ein  als  ausschliessliches 
Versmass  in  seinen  Annales  und  neben  anderen  in  seinen  Saturae.  Er 
blieb  seitdem  bei  den  Römern  das  Versmass  der  epischen  Dichtung,  wurde 
durch  Lucilius  und  Horaz  in  der  Satire  üblich,  aber  auch  im  Lehrgedicht 
(seit  Lucrez),  in  der  poetischen  Epistel  (seit  Horaz),  in  der  bukolischen  Poesie 
(Vergil)  und  in  der  späteren  Tragödie  (hymnodisch  oder  als  Orakelvers 
Senec.  Oed.  403  f.  429-31.  445  flf.  466.  504  ff.  Med.  HO  ff.)  fand  er  seine 
Anwendung.  —  Lucilius  und  Lucretius  schlössen  sich  in  der  Technik  enger 
an  Ennius  an,  Catull  und  seine  Zeitgenossen  gingen  direkt  auf  die  Alexan- 
driner zurück.  Zur  Vollendung  gelangte  seine  Technik  durch  Vergil  und 
Ovid,  von  denen  jener  sich  insbesondere  durch  die  Kunst  der  rhythmischen 
Malerei  auszeichnete  (vgl.  Aen.  VUI,  596.  452.  HI,  290.  I,  81-91.  102— 
123),  Ovid  durch  die  Glätte  und  Eleganz  des  Versbaus.  Horaz,  der  in 
den  Oden  und  Epoden  die  Manier  der  Alexandriner  nicht  verschmähte 
(c.  I,  28,  21.  epod.  13,  9;  16,  17.  29),  folgte  übrigens  mehr  dem  Vorbild 
des  Lucilius  und  erlaubte  sich  namentlich  in  den  Satiren,  weniger  in  den 
Episteln,  grössere  Freiheiten.  Die  späteren  Dichter  schlössen  sich  teils  an 
Ovid,  teils  an  Vergil  an,  die  Satiriker  an  Horaz. 

2.  Ein  Hauptstück  der  römischen  Technik  war  die  Gliederung  des 
Verses  durch  die  Caesur  (s.  §  33).  Weitaus  die  häufigste  Caesur  ist  schon 
seit  Ennius  die  semiquinaria  {nsvxhjiiiiinsQrfi): 

Arma  virumque  cano,  |  Troiae  qui  primus  ah  oris. 
Demnächst  ist  die  semiseptenaria  {icpd^tjfAt^fisQi^g),  besonders  in  Verbindung 
mit  der  semitemaria  {yqixhiiiiixsQrjq),  bei   den  lateinischen  Dichtern  beliebt: 

Italiam  \  fato  profugtis  \  Lavinaque  venu. 
Meist  trat  zu  diesen  noch  ein  Einschnitt  nach  dem  dritten  Trochäus  hinzu: 

quidve  dolens  \  regina  ;  deum  \  tot  volvere  castis. 

insignem  \  pietate  \  virum,  \  tot  adire  labores. 
Fehlte  die   Trithemimeres,   so   trat  gewöhnlich   als  Nebencaesur   die  tro- 
chäische des  2.  Fusses  ein. 

Die  trochäische  Cäsur  des  dritten  Fusses  {xard  xqitov  tqoxaXov) 
ist  bei  den  lateinischen  Dichtem  selten,^)  namentlich  bei  den  augusteischen 

^)  Nach  Walseb  kommt  auf  etwa  200  Verse  mit  Pentfaemimeres  oder  Hephthemi- 
mcres  ein  Vers  mit  trochäischer  Caesur. 


838 


E.  Metrik,    d)  Metrik  der  BOmer. 


und  später;  sie  war  noch  ziemlich  häufig  bei  Gatull,  Lucilius  und  Lucretius, 
kam  aber  im  Laufe  der  Zeit  immer  mehr  ab  und  ist  nur  bei  Horaz  in  den 
Sermones  häufiger  zu  findend)    Vermieden  wird  es  bei  dieser  Cäsur,   ein 
Wortende  nach  dem  2.  oder  4.  Trochäus  eintreten  zu  lassen;  dagegen  wird 
gern  ein  Einschnitt  nach  der  4.  oder  2.  Hebung  daneben  angewendet 
Verg.  Aen.  I,  199   0  passi  ;  graviora,  \  ddbit  deus  his  quoque  finem. 
Ovid.  Met.  I,  260  Poena  placet     dwersa,  |  genus  -  mortale  sub  undis. 
Verg.  Aen.  III,  707  hinc  Drepani     me  portus  \  et  inlaetiihiüs  ara. 
Vgl.  Verg.  Georg.  I,  357.  Aen.  II,  9.  IV,  486.     V,  591.  856. 

Die  bukolische  Gäsur  ist  im  allgemeinen  nicht  beliebt,  auch  bei 
den  bukolischen  Dichtern  nicht  oft  zu  finden,  jedoch  wird  sie  nicht  völlig 
verschmäht,  vgl.  Verg.  Buc.  1,  75: 

ite  meae,  felix  quondam  pecus,  \  Üe  capeUae. 
Besonders  erscheint  sie  neben  der  Penthemimeres,  z.  B.  ib.  5,  87: 

haec  eadem  docuit:  |  cuium  pecus?  \  an  MeUboei? 
vgl.  ib.  7,  4.  44;  mit  Vorliebe  hat  sie  so  Seneca  angewendet. 

Gäsurlose  Verse  finden  sich  nur  sehr  selten,  einige  bei  Ennius  und 
Lucilius  (s.  Lachhann  z.  Lucr.  VI,  1067),  z.  B. 

sparsis  hastis  langis  eampus  sphndet  et  han-et, 
mit  Absicht  bei  Hör.  A.  P.  263: 

non  quivis  videt  imtnodulata  poemata  iudex. 

Einsilbige  Wörter  am  Versschluss  wurden  meist  nur  zum  Zwecke 
eines  besonderen  Effekts  gebraucht  (vgl.  Verg.  Georg.  I,  181  exiguus  mus. 
Aen.  V,  481  humi  bos.  X,  361  viro  vir.  Hör.  A.  P.  139  ridiculus  mus)^ 
ausser  wenn  ein  anderes  einsilbiges  vorhergeht  oder  Enklisis  eintritt.  — 
Am  beliebtesten  sind  zwei-  und  dreisilbige  Versschlüsse,  viersilbige  wurden 
gemieden,  fünfsilbige  sind  selten.  Abweichungen  von  dem  gewöhnlichen 
Gebrauch  machen  Fremdwörter  oder  Eigennamen. 

Auch  vor  der  Hauptcäsur  wurde  ein  einsilbiges  Wort  sorgßUtig  ver- 
mieden. Ausnahmen  sind  selten  ausser  bei  Horaz  (epod.  14,  1  und  öfter 
in  den  Satiren  und  Episteln). 

3.  Was  die  Schemata  des  Verses  betrifft,  so  wird  Abwechslung 
zwischen  Daktylen  und  Spondeen  erstrebt,  doch  überwiegen  der  Natur  der 
lateinischen  Sprache  entsprechend  die  Spondeen. 

Spondiaci  (s.  oben  §  34)  sind  von  Ennius  und  Lucrez  nur  ausnahms- 
weise angewendet,  bei  Catull  dagegen  und  den  anderen  cantores  Eupho- 
rionis  (Cic.  ad.  Att.  VH,  2,  1)  in  Nachahmung  der  alexandrinischen  Dichter 
häufig  ^ornandi poematis  gratia*^^  auch  mehrmals  hintereinander  (64,  78 — 80), 
selbst  bei  einem  Spondeus  im  4.  Fusse  (64,  3.  44;  68,  87). 

Seltener  sind  sie  bei  Vergil,  Ovid  und  Horaz  (nur  einmal  A.  P.  467; 
sonst  epod.  13,  9.  16,  17.  29;  c.  I.  28,  21.);  nie  angewandt  von  TibuU.  Bei 
den  strengeren  Dichtem  ist  der  4.  Fuss  der  Spondiaci  stets  ein  Daktylus. 
Der  Versschluss  derselben  wird  meist  durch  viersilbige  (so  stets  bei  Horaz), 


*)  Horaz  bat  in  den  Epodi  nnd  carmina 
den  Hexameter  fiberhaapt  wesentlich  anders 
Gehandelt  als   in  den   Sermones;    die   tro- 


chftische  Cäsur  findet  sich  nur  c.   1,  28,is 
und  ep.  15|0. 


2.  Die  Metra  der  Bömer.  (§  174.)  839 

seltner  durch  dreisilbige,  nie  (ausser  bei  Prudentius)  durch  zweisilbige 
Wörter  gebildet,  sehr  selten  (Ennius)  durch  ein  einsilbiges. 

Durchgängig  spondeisch  gebaute  Hexameter  i)  finden  sich  bei 
Ennius  (Ann.  I,  66  M.  olU  respondit  rex  Älbai  longai)  und  in  einem  Distichon 
bei  Catull  (116,  3),  qui  te  hnirenp  nobis,  neu  canarere. 

Auflösung  der  Länge  des  Daktylus  hat  Ennius  dreimal  im  1.  Fusse 
(Ann.  267  capitibus  .  .  ,  Sat.  53  Mytilenaest  .  .  ,  59  melanurum  .  .  .). 

4.  Versus  hypermeter  heisst  ein  Hexameter,  der  durch  Elision 
der  Schlusssilbe  mit  dem  folgenden  verbunden  ist,  wie  Lucr.  V,  846  multa 
videmus  enim  rebus  concurrere  debere^  |  ut  propagando  e.  q.  s.  Am  häufig- 
sten steht  in  diesem  Falle  que  oder  ve,  seltner  eine  Flexionsendung  am 
Versschlusse,  vgl.  Catull  64,  298.  115,  5.  Verg.  Georg.  I,  295  f.  Aen.  I, 
332.   Hör.  Sat.  I,  4,  96.  6,  102.   Ovid.  Met.  IV,  11.  780.  VI,  507. 

Gruppierung  mehrerer  Hexameter  zu  einem  Systeme  findet  sich  nach 
griechischem  Vorbilde  bei  Catull  62.  64,  v.  323  flf.  (in  Epithalamien),  Verg. 
Bucol.  3,  60  flf.  7,  21  flf.  8,  17  flf. 

5.  Das  häufige  Zusammenfallen  von  Wortaccent  und  Versiktus  in  den 
ersten  und  besonders  in  den  letzten  Füssen  des  Hexameters  hat  allerdings 
in  der  Betonungs weise  des  Lateinischen  seinen  äusseren  Grund  (s.  Corssen 
II,  969  ff.),  doch  wäre  es  unrecht  zu  behaupten,  dass  die  Dichter  bei  ihrer 
Vorliebe  für  zwei-  und  dreisilbige  Versschlüsse  keine  Empfindung  gehabt 
hätten  für  den  Wohlklang  solcher  Übereinstimmung. 

174.  1.  Der  iambische  Senar  nach  griechischem  Muster  mit  Aus- 
schluss der  unreinen  Senkungen  an  den  geraden  Stellen  wurde  zuerst  von 
M.  Varro  und  Catull  gebraucht,  dann  von  Horaz  und  Vergil  (Catalecia), 
von  Petronius,  Martial,  den  Tragikern  der  Kaiserzeit  und  späteren  Dichtem. 

vZTjiw—  wj£,w_  erZwiii 

Catull.  52,  3     In  consulatum  \  peierat  Vatinius, 

Er  hat  seine  Cäsur  vorwiegend  nach  der  Senkung  des  3.  Fusses 
(semiquinaria),  die  Semiseptenaria  immer  nur  in  Verbindung  mit  jener  oder 
einem  Einschnitt  nach  der  2.  Hebung: 

Hör.  ep.  17,  60     Quid  proderat  ditctsse  |  Paelignas  anus? 
In  der  5.  Senkung  wird  spondeischer  Wortschluss  gemieden. 

Auflösungen  sind  nicht  häufig;  im  5.  Fusse  ganz  ausgeschlossen 
bei  Horaz,  nur  sehr  selten  bei  Seneca.  Der  Proceleusmatikus  findet  sich 
nur  bei  Seneca  und  Terentianus.  Anapaeste  im  1.  Fusse  sind  ziemlich 
häufig  (3  bei  Horaz),  im  3.  Fusse  gemieden,  im  5.  selten  (Hör.  epod.  2, 
35.  5,  79.*  11,  23). 

Der  vorletzte  Fuss  ist  bei  Catull  ein  reiner  lambus,  aber  fast  stets 
ein  Spondeus  bei  Seneca  und  Petronius  (cf.  Quintil.  IX.  4,  111).  Längen 
an  geraden  Stellen  finden  sich  gegen  die  Regel  bei  Avien,  Ausonius,  Pau- 
linus  und  Martianus  Capeila. 

Catull  braucht  den  Senar  in  dieser  Form  nur  c.  52,  Horaz  stichisch  nur  epod.  17, 
mit  dem  iamb.  Dimeter  zusammengestellt  epod.  1—10,  mit  dem  daktyl.  Hexameter  epod.  11. 

2.  Der  iambische  Senar  in  völlig  reiner  Form  {Senarius  purus),  ohne 
lange  oder  zweisilbige  Senkungen  und  ohne  Auflösungen,   wird  zuerst  von 

1)  Vgl.  Mar.   Vict.   p.  71,88  K  =  Juba  fr.  44. 


g40  S*  Metrik,    d)  Metrik  der  Bömer. 

CatuII    (c.  4.  u.  29)   angewendet,    nicht  nach   Archilochos,    sondern  nadi 
alexandrinischem  Muster: 

Fhdselus  nie,  quem  videtis,  hospites, 
ait  fuisse  naviutn  celerrimus. 
Die  Cäsur  ist  meist  die  semiquinaria,  seHner  die  semiBeptenaria : 

Catull.  29,  1  quis  hoc  petest     videre,  \  quis  potest  poH? 
Ausnahmsweise  tritt  die  Länge  im  1.  F.  in  einem  Eigennamen  ein  Catull.  29,3. 
—  Er  findet  sich  ausser  bei  Catull  noch  bei  Horaz    epod.   16    als  2.  Vers 
eines  distichischen  Systems  und  bei  Verg.  Catal.  3.  4.  8  und  Priap.  82.  84. 

3.  Der  Senar  des  Phaedrus  lässt  wie  der  der  alten  Sceniker  den 
Spondeus  an  allen  Stellen  zu  mit  Ausnahme  der  letzten: 

I,  13,  13     0  me  infelicem!  qui  nunc  demum  inteUego, 
ebenso  den  Anäpaest,  der  jedoch  nur  im  1.  und  5.  Fusse  häufiger  ist: 

IV,  23,  1     Honw  doctus  in  se  semper  divitias  habet. 

Die  Auflösung  ist  im  5.  Fusse  nur  gestattet  bei  4-  oder  mehrsilbigem 
Versschlusse  (Ausnahmen  V,  7,  22.  app.  9,  6);  der  Daktylus  (-^  wird 
vorwiegend  im  1.,  3.  und  5.  Fusse  gebraucht,  aber  im  2.  und  4.  nicht 
gemieden.  Der  Proceleusmatikus  {^^^)  ist  nur  im  1.  Fusse  zu  finden 
(bezweifelt  von  A.  Nauck,  Melanges  greco-rom.  III,  p.  203). 

Der  2.,  (3.)  4.  Fuss  wird  nicht  durch  ein  spondeisches,  anapaestisches 
oder  daktylisches  Wort  (resp.  Wortende)  gebildet,  der  5.  nicht  durch  ein 
iambisches. 

176.  Der  iambische  Septenar  nach  griechischer  Norm  mit  rein 
gehaltener  Senkung  an  den  geraden  Stellen  (§  61)  erscheint  bei  Varro 
(z.  B.  p.  181,  7  R.)  und  Catull. 

Catull.  25,  1     Cinacde  Thnlle,  mollior  cunicuU  capillo 
mit  regelmässiger  Cäsur  nach  dem  4.  Fusse  und  seltener  Auflösung  (Cat.  25,o). 

176.  Der  trochäische  Septenar  in  strenger  Form  (§  51)  vermeidet 
die  Länge  in  der  ersten  Senkung  jeder  Dipodie: 

Gras  amet  qui  numquam  amaiit  \  quique  amavit  cras  amef, 
und  folgt  in  Rücksicht  der  Auflösungen  den  Normen  des  strengen  Senars. 
Die  Cäsur  nach  dem  4.  Trochäus  wird  streng  beobachtet  (Ausnahmen  nur 
bei  Terentianus  Maurus  v.  1329.  1411.  2343). 

Der  Vers  erscheint  in  dieser  Bildung  schon  bei  Porcius  Licinus  (Gell. 
XVIl,  21,  45): 

Poenico  hello  secundo  Musa  pinnato  gradu 
iniulit  se  bellicosam  in  Romuli  gentem  feram,  • 

und  M.  Varro  (neben  der  freieren  Form) ;  im  Spottliede  auf  Cäsar  bei  Suet 
Jul.  49  (dagegen  die  alte  Form  Suet.  Jul.  51.  80);  bei  Seneca  Phaedr. 
1201  —  12.  Oed.  223—32.  Med.  740— 51  j  und  oft  in  der  späteren  Dichtung: 
Pervigilium,  Terent.  Maurus,  Tiberianus,  Ausonius,  Prudentius  u.  sonst, 
z.  t.  mit  einzelnen  Freiheiten,  besonders  im  1.  Fusse. 

177.  Den  anapaestischen  Septenar  [versus  Aristophanius  s.  §  45) 
in  strenger  Nachbildung  haben  nur  Varro  und  Septimius  Serenus. 

Varro  Sat.  p.  155,  3  R. 

Haec  Idnigeras  defönderi  \  docuit  iunicareque  homüllum. 


2.  Die  Metra  der  Römer.  (§  175—179.)  841 

Paroemiaci  in  stichischem  Gebrauche  finden  sich  bei  Annianus  und 
Serenus;  von  jenem  z.  B.  bei  Terent.  M.  v.  1818  (Q.  L.  VI,  379)  und  Mar. 
Victor,  p.  123,18  flf.: 

uva,  uva  sum  et  uva  Falerna 
et  ter  feror  et  quater  anno. 

Akatalektische  Dimeter  kommen  stichisch  erst  bei  Ausonius,  Lu- 
xorius  und  Boethius  vor. 

178.  1.  Der  Choliamb^)  {trimeter claudas,  versus  hipponadeus,  s.  §  60) 
lässt  eine  lange  Silbe  in  der  Senkung  nur  an  1.  u.  3.,  nicht  an  5.  Stelle 
zu;  die  Auflösung  ist  nicht  häufig  (in  mehrsilbigen  Wörtern),  der  Vers- 
schluss  duldet  kein  einsilbiges  Wort  ausser  est.  Die  daesur  tritt  vor- 
wiegend nach  der  3.  Senkung  ein: 

Miser  Catulle,  \  desinas  ineptire; 
seltner  ist  die  Uephthemimeres,  meist   mit  einem  Einschnitt  nach   der  2. 
Hebung  verbunden: 

et  quod  mdes  perisse,  \  perditum  ducas. 

Eingeführt  wurde  der  Choliamb  in  Rom  durch  Cn.  Matius,  Laevius  und 
M.  Varro,  viel  gebraucht  von  CatuU  (8,  22,  31,  37,  39,  44,  59,  60)  und 
seinen  Freunden  und  war  auch  in  späterer  Zeit  beliebt  (Persius,  Petro- 
nius,  Martialis)  bis  ins  2.  Jahrh.  nach  Chr. 

2.  Den  trochäischen  Hinkvers  {tetrameter  claudus,  s.  §  52)  hat  wie 
es  scheint  nur  Varro  in  seinen  Saturae  Menippeae  nachgebildet,  z.  B. 
Manius  fr.  XVI.  p.  159,  6  R.: 

Nunc  Ceres,  cibi  ministra,  frugibus  suis  porcet 

179.  1.  Der  akatalektische  iambische  Dimeter^)  (qtuiternarius) 
tritt  zuerst  in  strenger  Form  auf  bei  Laevius  (fr.  1—4  M.)  und  Varro 
p.  221,  10  ff.  R.),  in  stichischem  Gebrauche;  bei  Horaz  nur  als  Epodus  in 
distichischen  Systemen  (§  186,  I  u.  VII);  beliebt  wird  er  bei  späteren 
Dichtern,  insbesondere  Alfius  Avitus,  Marianus,  Prudentius.  —  Hadrian  bei 
Spartian  25: 

Animula  vagula  blandula, 
hospes  comesque  corporis, 
qime  nunc  abibis  in  loca 
pallidula  rigida  nudula 
nee  ut  soles  dabis  iocos. 

2.  Der  katalektische  iambische  Dimeter»)  gehört  gleichfalls  erst 
der  späteren  Zeit  an,  wo  er  als  Hemiamb  mit  dem  anakreontischen  Verse 
wechselt,  vgl.  §  58.     Zuerst  bei  Petronius  (p.  212  B): 

Memphitides  puellae 

sacris  deum  paratae. 

tinctus  colore  noctis 

manu  puer  loqimci. 
Vgl.  Anthol.  lat.  ed.  Riese  I,  309.  H,  903. 


*)  Mar.  Vict  p.  81,6.  136,i8.   Caes.  Bass. 
p.  257.    Terent.  Maur.  v.  2398—2415. 


«)  Mar.  Vict.  p.  137,n. 
«)  Mar.  Vict.  p.  128,8s. 


842 


£.  Metrik    d)  Metrik  der  BSmer. 


3.  Der  anakreontische  Vers  (§  69),^)  wegen  seiner  Ähnlichkeit  mit 
dem  eben  erwähnten  katalektischen  Dimeter  auch  Hemiamb  genamit,  findet 
sich  zuerst  bei  Laevius  fr.  13  M: 

Venerem  igitur  dlmum  adorans, 

seu  femina  isve  mos  est, 

ita  ut  alba  NocHlucast; 
später  bei  Seneca  (Med.  849  ff.),  Petronius  (bei  Terent.  M.  2862  ff.),    Pru- 
dentius  (Gath.  VI),  Glaudian,  Luxorius. 

180.  Das  sotadeische  Metrum')  (§68)  wurde  schon  von  Ennios 
eingeführt  und  gewann  eine  grosse  Beliebtheit  bei  den  Römern.  Die 
älteren  Dichter  wandten  es  mit  allen  Freiheiten  der  griechischen  Vorbilder 
an,  so  Accius  in  seinen  Didascalica  und  Varro  in  den  Satureie. 

Vgl.  Accius  Didasc.  p.  305  M.: 

natn  qtAam  varia  \  sint  genera  po\ematarum,     Baehi, 
qtAamque  longe  \  distincta  ali\a  ah  aliis,  sis,     nosce. 
In  späterer  Zeit  wurde  eine  strengere  Technik  beobachtet  von  Petronius, 
Martialis,  Terentianus  Maurus.    Ausser  der  reinen  Form  des  absteigenden 
Jonikus  wenden  sie  mit  sehr  wenigen  Ausnahmen  (Terent.  1545.  Petr.  23) 
nur  die  Formen  mit  einer  Auflösung  und  den  Ditrochäus  an 


W^  —     V-/    w 


_  \^<^  w   v^ 


—    w    —    w 


und  schliessen  alle  anderen  aus.    Besonders  beliebt  war  das  Schema: 


^    _    w   v^ 


Z      —      N-.      W 


-1      V^     —     V^ 


Vgl.  Petron.  p.  25  und  184  B.: 


molles  vete 
ter  corripu 


res  DeUa\ci  manu  re\cisi. 
i  terribi\lem  manu  bi\pennem. 

181.  Der  galliambische  Vers')  (§  69)  erscheint  bei  M.  Varro  in 
den  Saturae  (Marcip.  275.  Cycn.  79.  Eum.  131.  132B;  p.  114,  3.  132, 
4—6.  7.  164,  5.  228,  1  sq.  R.)  und  bei  GatuU  63  nach  Eallimachus'  Muster 
und  wurde  auch  von  Maecenas  gebraucht: 

ÄdeSy  inquit,  o  Cybebe,  fera  mantium  dea. 
Bei  GatuU  ist  die  Anaklasis  (§  67)  regelmässig  im   1.  Oliede  angewendet 
(ausser  v.  18,  54,  75)  und  die  vorletzte  Länge  fast  durchgängig  aufgelöst,^) 
also  die  gewöhnliche  Form: 


ww    JL    \^    _v-/    J.    ^  \  \j    \j    JL    \j  v-A-'  \J    Ü 


Super  alta  vectus  Ättis  \  celeri  rate  maria. 
Die  Gaesur  zwischen  beiden  Gliedern  ist  streng  beobachtet;  Zusammen* 
Ziehung  der  beiden  Kürzen  findet  sich  im  1.  Jonikus  lOmal,  im  3.  6 mal; 
Auflösung  der  Länge  nicht  selten  (nur  einmal  v.  91  bei  der  ersten  des 
2.  Gliedes),  aber  nicht  zweimal  in  demselben  Halbvers  (ausser  v.  63  ego 
mulier,  ego  adulescens  .  .  .). 

182.  Der  phalaecische   Hendekasyllabus^)   {versus   phalaeeet€s\ 


0  Mar.  Vict.  p.  153,s2.  Tereni  Maar. 
V.  2862. 

«)  Mar.Vict.p.77,8o.l28,u.  181,5.  Caea. 
Baas.  p.  255,1. 

*)  Mar.  Viel  p.  154,i8.  Terent  Maar. 
V.  2889  ff.  Caes.  Base.  261,i7.  Diomed.  p.  514. 


^)  Caes.  Bass.  VI,  p.  262  K.  quo  magis 
hie  versits  .  .  .  vibrare  videcUuTy  proximu» 
ab  ulttmo  pedem  brachysyücibon  fecerunt 
et  Graeci  et  hie  ipse  Mc^ecenas  et  Catulltu. 

»)  Mar.  Vict.  p.  148.  Caes.  Baas.  p.258,ii. 
Terent  M.  v.  2545. 


2.  Die  Metra  der  Römer.  (§  180—185.)  843 

gewöhnlich  schlechthin  Hendekasyllabus  genannt  (s.  CatuU  12,  10;  42,  1), 
wurde  von  den  Alexandrinern  übernommen  durch  Varro  und  Laevius. 


:siv7_v-»w-iw    —    oJLvI/ 


Catull.  1,  1  f.     Quoi  dono  lepidum  novum  libellum 

arida  modo  pumice  expolitum? 
Der  erste  Fuss  („Basis*)  ist  bei  Catull  meist  spondeisch,  nie  pyrrhichisch, 
zuweilen  trochäisch  und  iambisch,  bei  Martial  nur  spondeisch.  Der  zweite 
Fuss,  regelmässig  ein  Daktylus,  wird  von  Catull  ausnahmsweise  in  c.  55 
in  malerischer  Absicht  16  mal  (neben  dem  Spondeus  im  1.  Fuss)  durch 
einen  Spondeus  gebildet.  •—  Eine  regelmässige  Caesur  ist  nicht  vorhanden. 
Das  Metrum  war  seit  Catull,  der  es  in  40  Gedichten  angewendet  hat,  sehr 
beliebt  und  bis  in  die  späteste  Zeit  im  Gebrauche. 

183.  Der  Priapeus^)  (§  96)  in  der  bestimmten  Form: 

d.  h.  als  Verbindung  des  2.  Glykoneus  und  des  2.  Pherekrateus  findet  sich 
bei  Catull  c.  17  und  Priap.  85: 

0  Colonia,  quae  cupis  ponte  ludere  longo. 

Hunc  lucum  tibi  dedico  consecroque,  Priape. 
Die  Caesur  zwischen  den  beiden  Versgliedem  ist  nie  vernachlässigt, 
Hiatus  und  Syllaba  anceps  am  Schlüsse  des   Glykoneus    nicht  gestattet. 
Die  sog.  Basis  ist  meist  trochäisch,  weit  seltener  spondeisch.  —  Der  Vers 
wird  als  mollis  et  delicatus  charakterisiert. 

184.  1.  Der  Asclepiadeus  minor*)  (§  95,  1)  tritt  zuerst  bei  Horaz 
auf,  in  stichischem  Gebrauche  c.  I,  1;  III,  30;  IV,  8;  öfter  in  Systemen 
(s.  §  186,  X  u.  191).  Er  hat  seine  regelmässige  Caesur  nach  dem  1.  Gliede 
(fehlerhaft  ist  IV,  8,  17)  und  stets  spondeischen  Anlaut  (Basis): 

c.  I,  1  Maecenas  atavis  edite  regibiAS. 
c.  III,  30  Exegi  monumentum  aere  perennius. 
Man    verbindet    nach    Meinekes    Vorgang    bei    ihm    je    vier    Verse    zu 
einem  System.  —  Nach  Horaz  bei  Seneca  und  Späteren  (Prudentius,  Lu- 
xorius). 

2.  Der  Asclepiadeus  maior^)  (§  95,  2)  ist  zuerst  nachgebildet 
worden  von  Catull  (c.  30),  dann  von  Horaz  (c.  I,  11.  18;  IV,  10)  später 
von  Terentianus  M.  und  Prudentius.  —  Horaz  vernachlässigte  die  Trennung 
der  drei  Glieder  durch  Caesur  niemals  (I,  18,  16  Tmesis): 

Nullam   VarCy  Sacra  \  vite  prius  \  severis  arborem, 
Catull  nach  Vorgang  der  Griechen  mehrfach. 

Die  sog.  „Basis^  ist  bei  beiden  stets  spondeisch.  —  Die  drei  horazi- 
schen  Gedichte  zerlegen  die  Herausgeber  in  vierzeilige  Strophen,  das  catuU- 
sche  in  zweizeilige,  s.  §  191  Anm.  u.  186  Anm. 

B.  Die  Systeme  und  Strophen. 

a.  DiBtichiBche  SyBteme. 
186.   Das  elegische  Distichon  (§  38),*)   welches  schon  Ennius  in 


')  TereDt.  Maur.  v.  2755. 
2j  Mar.  Victor,  p.  165,7.    Terent.  Naur. 
V.  2666-2689. 


»)  Terent.  Maur.  v.  2714  f. 
*)  Mar.  Vict.  p.  107,6—110,19.    Terent. 
Maur.  Y.  1721  ff. 


844 


E.  Metrik,    d)  Metrik  der  BOmer. 


die  römische  Dichtung  einführte,  bewahrte  nicht  nur  die  griechische  Technik 
mit  grosser  Strenge,  sondern  erfuhr  auch  in  seiner  Entwickelung  anf  römi- 
schem Boden  noch  eine  weitere  kunstmässige  Ausbildung. 

Im  Pentameter  wurde  die  Gaesur  nie  vernachlässigt,  Syllaba  anceps 
und  Hiatus  vom  Schluss  des  1.  Gliedes  stets  fem  gehalten,  Elision  dagegcm 
vereinzelt  zugelassen  (Catull.  68,  82,  90.  Prop.  I,  5,s2.  IV,  22,io.  MartiaL 
XI,  90,4),  der  Spondeus  vom  2.  Oliede  ausgeschlossen. 

Ennius  Epigr.  p.  85  M. 

Netno  me  dacrumis  decoret  nee  funera  fietu 
faxit  cur?  volüo  vivo'  per  ora  virum. 

Catull  68,  17  f. 

MuUa  satis  lusi:  non  est  dea  nescia  nostri, 
quae  dulcem  curia  miscet  amaritiem. 

Die  feinere  Technik  (Ovid)  mied  im  1.  Gliede  zwei  Spondeen  und  be- 
vorzugte die  Form  j.^^  j.  ^  j-  ,  wandte  im  2.  Gliede  zweisilbige  Schluss- 
wörter mit  grosser  Vorliebe  an,  vermied  dagegen  drei-  und  mehrsilbige 
und  liess  einsilbige  am  Ende  beider  Glieder  nur  ausnahmsweise  zu;  sie 
schloss  den  Vers  nicht  mit  offener  kurzer  Silbe,  mied  harte  Elisionen  in 
der  Gaesurstelle  und  dem  2.  Hemistich  und  liess  den  Sinn  von  einem  Di- 
stichon in  das  andere  nicht  übergreifen.  Auch  für  die  Wortstellung  ent- 
wickelte sich  eine  besondere  Technik.  Prop.  IV,  2,  15: 
Fortunafüy  meo  si  qua  es  celebrata  libello: 

carmina  erunt  formae  tot  monimenta  tuae. 

Das  Distichon  wurde,  nachdem  es  Ennius  im  Epigramm  eingeführt 
und  Varro  in  s.  Saturae  (p.  130,  8  f.;  151,  5  f.  165  f.  183,  6.  217,  1  f.  R.) 
gelegentlich  benützt  hatte,  in  der  Elegie  zuerst  von  Catull  (c.  65.  66 — 68) 
gebraucht.  Bei  diesem  ist  die  Technik  desselben  noch  in  den  Anfangen, 
erst  durch  Cornelius  Gallus,  TibuU,  Properz  und  Ovid  (Trist  IV,  10,  53  f.) 
erhält  sie  ihre  weitere  Fortbildung  und  Vollendung  in  elegischer,  didak- 
tischer und  epigrammatischsr  Dichtung. 

186.  Die  distichischen  Systeme  des  Horaz.  I.  Das  iambische 
System^),  eine  epodische  Bildung  aus  iambischem  Senar  und  Quatemar 
nach  Arcbilochos  (§  63),  z.  B.  epod.  2,  1  f. 

Beatus  ille  qui  procul  negotiis, 
ut  prisca  gens  mortaUum. 
Bei  Horaz   in  den   ersten  10  Epoden;   später  bei   Seneca  Med.  771,  Pru- 
dentius,  Paullinus  und  anderen. 

II.  Das  sog.  alkmanische  System,*)  daktylischer  Hexameter  und 
spondeisch  auslautender  Tetrameter  {versus  alcmanius),  c.  I,  7.  28.  epod.  12. 

Laudabunt  aUi  claram  Rhodon  aut  MUylenen 
aut  Epheson  bimarisve  Corinthi. 

III.  Das  erste  archilochische  System,^)  daktylischer  Hexameter 
und  katalektischer  Trimeter  {penthemimeris  dactylica),  c.  IV.  7. 


»I  Mar.  Vict  p.  57,8,  137,8. 


*)  Mar.  Vict.    p.  165,t5.   170,i4.    Caes. 
Bass.  p.  269,2». 


s)  Terent.  Maur.  v.  1801  ff.    Atü.  ForL 
p.  S03,6. 


2.  Die  Metra  der  Römer.  (§  186.) 


845 


Diffugere  nives,  redeunt  mm  gramina  campis 
arboribasque  comae. 

IV.  Das  zweite  archilochische  System,  *)  daktylischer  Hexameter 
und  iambelegischer  Vers,  epod.  13. 

Honrida  tempestas  caelum  contraxit  et  imhres 

nivesque  deducunt  lovem;  nunc  niare  nunc  silüae. 
Der  zweite  Vers,   eine   Zusammensetzung  aus  dem   iambischen   Quaternar 
und  der  daktylischen  Penthemimeres,  hat  zwischen  beiden  Gliedern  Caesur 
und  am  Schlüsse  des  ersten  Syllaba  anceps. 

V.  Das  dritte  archilochische  System,^)   iambischer  Senar  und 
elegiambischer  Vers,  epod.  11. 

Petti,  nihil  me  sicut  antea  iuvat 

Scribere  versiculos  amore  percussum  gravi. 
Auch   hier   treten    im   2.  Verse    (daktyl.  Penthemimeres  und   iamb.   Qua- 
ternar) am  Ende  des  1.  Gliedes  die  Freiheiten  des  Versschlusses  und  regel- 
mässige Caesur  ein. 

VI.  Das  vierte  archilochische  System,^)  versus  archilochius  maior 
und  katalektischer  Senar  (§  79,  5),  c.  I,  4. 


KJ 


~       jt     W 


Solvitur  acris  hiems  grata  vice  veris  et  Favoni 
trahuntque  siccas  machinae  carinas. 
Der  erste  Vei-s  besteht  aus  einem  akatalektischen  daktylischen  Tetrameter 
und  eiirem  Ithyphallicus  und  hat  bei  Horaz  eine  Caesur  nach  dem  4.  Fusse, 
ausserdem  aber  auch  noch  die  Penthemimeres,  welche  ihm  als  Hauptcaesur 
des  Verses  zu  gelten  scheint.  Im  4.  Fusse  ist  der  Daktylus  erforderlich, 
im  3.  der  Spondeus  abweichend  von  dem  griechischen  Vorbild  häufig,  im 
1.  u.  2.  letzterer  v.  7  alterno  terram  .  .  in  malerischer  Absicht  angewendet. 

Bei  Prudentius  (Perisi   18)  erscheiDt  der  archilochische  Vers  in   einem   längerem 
Gedieht  stichisch  gehraucht. 

VII.  Das  erste  pythiambische  System,*)  daktylischer  Hexameter 
und  iambischer  Quaternar,  epod.  14  u.  15. 

Nox  erat  et  caelo  fulgebat  Luna  sereno 
inter  minora  sidera. 
Nach  Archilochus  frg.  84  (§  79,  3).     Nachbildung  bei  Ausonius  (epist.  3). 

VIII.  Das  zweite  pythiambische  System,^)  daktylischer  Hexameter 
und  iambischer  Senar  (^wrtis*  §  174,  2),  nur  epod.  16. 

Altera  iam  teritur  bellis  civiliius  aetas 
suis  et  ipsa  Roma  viribus  ruit. 
Bei  Archilochus  nicht  nachweisbar. 

IX.  Das  hipponakteische  System,®)  trochäischer  Dimeter  und  iam- 
bischer Senar,  beide  katalektisch,  carm.  II,  18. 


^)  Mar.  Vict.  p.  170,28.  Terent.  Manr. 
V.  2976. 

2)  Mar.  Vict.  p.  170,?.  Terent.  Maur. 
V.  2969. 

^)  Mar.  Vict.  p.  163,ji.  Caes.  Bass.  p. 
268,«7.  270,25.    Terent.  Maur.  v.  2920  ff. 


*)  Mar.  Vict.  p.  171,i8.  Terent.  Maur. 
V.  2960. 

*)  Mar.  Vict.  p.  171,8.  Tereni  Maur. 
V.  2955. 

^)  Caes.  Bass.  p.  270,i9  sumptum  ah 
Alcaeo. 


846 


fi.  Metrik,    d) 


der  ftOmef. 


Non  ehur  neque  aureum 
mea  renidef  in  domo  lacunar. 
Vgl.  Asklepiades  in  Anthol.  gr.  XIII,  23. 

X.  Das  asklepiadeische  Distichon  i)  (^asclepiadeum  terUum*)  setzt 
sich  aus  dem  Olykoneus  und  dem  kleineren  asklepiadeischen  Verse  zu- 
sammen: 

Sic  te  diva  potens  Cypri, 
Sic  fratres  Helenae  ludda  sidera. 
Hör.  c.  I,  3.  13.  19.  36.  lU,  9.  15.  19.  24.  25.  28.  IV,  1.  3.  —  Der  Gly- 
koneus  hat  im  1.  Fusse  stets  den  Spondeus  («spondeische  Basis*)  und  am 
Schlüsse  Syllaba  anceps. 

XI.  Das  grössere  sapphische  Metrum^)  besteht  aus  dem  sog.  ari- 
stophanischen (1 .  Pherekrateus)  und  dem  grösseren  sapphischen  Verse  d.  h. 
der  Verbindung  eines  3.  Olykoneus  mit  einem  1.  Pherekrateus  (s.  §  90.  91.): 


j.  \^^  —  <^  —    ü 


JL     v^     _     .     .   \^ß^  .        J.  V-A^  .'  v>     .  ü 


Lydiay  die,  per  omnes 
te  deos  oro,  Sybarin  cur  properes  atnando. 
Der  zweite   Vers   hat  eine  Caesur  nach    dem    1.   Gliede  und    nach    der 
3.  Hebung.   Nur  bei  Hör.  c.  I,  8.  Als  Vorbild  diente,  wie  es  scheint,    das 
§  95,  4  erwähnte  Sapphikon.») 

An  diese  horazischen  Disticha  wftre  anzuschlieasen  das  von  Gatoll  wahrschetnlieli 
distichisch  gebrauchte  grössere  Asclepiadeum  (§184,  2).  Ausserdem  gehört  hieher  das 
aus  dem  Choliamb  und  iambischen  Quaternar  gebildete  Distichon  bei  Martial  I,  61: 

Verona  docti  ayüabaa  amat  vatiSy 
Marone  felix  Mantua  est. 

b.  HypermetriBohe  Bildungen. 

187.  Die   ionischen    Hypermetra.     1.   M.   Varro   in   den    Scdwrae 
(BücHELEB,  N.  Jahrb.  f.  Ph.  1875,  p.  306)  und  Laevius  in  den  Eratopctegma^) 
bildeten  Systeme  aus  lonici  a  maiore  mit  Anaklasis  (§  68). 
I.    Venus  amoris  \  altrix  gene\trix  cuppidi\tatis,  mihi 
quae  diem  se\renum  hilarula  \  praepandere 
cresti  opsecu\lae  tuae  oc  mi\nistrae. 
U.    etsi  ne  uü\quam  quid  foret    expavida  gra- 
vis dura  fe\ra  asperaque  fa  multas  potu\i  dominio  ego 
accipere  su\per})o.  Laevius  frgm.  6  M. 


I. 


IL    ± 


—  o  w 

—  w  w 


JL  \J^^  \^     \J 


i      _      V-/     V-' 

±    \y    -,    \j 
Jl    .    w   v^ 


JL    .vywKL    .v^«^ 


i    «    w    w 


—    v>    w 


J,  v>^  w    <^ 


2.  Horaz  carm.  III,   12,  die  Nachbildung  eines  Liedes  von  Alkaios^) 


»)  Mar.  Vict.  p.  163,3. 

*)  Gaes.  Bass.  p.  270,4.    Mar.  Vict.  p. 

165,38. 

')  Caeslus  1.  c. :  Horatius  primum  cho- 
riambum  durissimum  fecU  pro  iambo  ^on- 


deum   inftdciendo    d.    h.    .  w  .  .    statt 

-    v-/    W    -  . 

*)  Charis.  p.  288  K. 

^)  Mar.  Victor,  p.  129,2t.  Terent  Maur. 
V.  2061  -71. 


2.  Die  Metra  der  Bömer.  (§  187-189.)  847 

besteht  aus  vier  antistrophisch  respondierenden  Hypermetra  von  je  10 
aufsteigenden  lonikem  (s.  §  70): 

Miserarum  est  neque  amori  dare  ludum  neque  dulci 

mala  vino  lavere  aut  exanimari 

metuentes  patruae  verbera  linguae. 

vyv^_t— .       \J    <j    J.    ~~     v/v/Z    — 

Die  hypermetrische  Periode  (§  20)  setzt  sich,  wie  es  scheint,  aus  zwei  Di- 
metern  und  zwei  Trimetern  Ö  zusammen,  die  zwar  durch  Caesur  getrennt, 
aber  durch  Synaphie  (§  18)  streng  verknüpft  sind.  Anaklasis,  Auflösung 
und  Zusammenziehung  sind  ausgeschlossen. 

188.  Hypermetra  aus  Olykoneen  mit  schliessendem  Pherekrateus 
hat  Catull  in  antistrophischer  Wiederholung  nach  dem  Vorbilde  Anakreons 
(§  97)  in  zwei  Hochzeitsgedichten  (c.  34  u.  61): 

I.  0  Latonia^  maximi 
magna  progenies  lovis^ 
quam  mater  prope  Deliam 

deposivit  olivam,  c.  34,  5  flf. 

IL  Collis  0  Heliconii 
cultor,   üraniae  genuSj 
qui  rapis  teneram  ad  virum 
virginem,  o  IJymenaee  Hymen, 

0  Hymen,  Hymenaee.  c.  61. 

Das  erste  ist  viergliederig,  das  zweite  fUnfgliederig,  beide  bestehen 
aus  zweiten  Olykoneen  resp.  Pherekrateen  (§  91).  Die  einzelnen  Glieder 
sind  durch  Caesur  getrennt  (Wortbrechung  nur  61,  82  in  einem  Eigen- 
namen), aber  durch  Synaphie  verbunden.  Der  in  II.  am  Schluss  des  3. 
Gliedes  eintretende  Hiatus  (c.  61,  119.  139.  164.  169.  179  M.)  und  die  Syl- 
laba  anceps  an  gleicher  Stelle  (ib.  v.  149.  154.  159.  174  M.)  sind  entschul- 
digt und  nötigen  nicht  zur  Zerlegung  des  Systems  in  zwei  Teile. 

Der  erste  Fuss  („Basis")  ist  in  der  Regel  ein  Trochäus,  nicht  häufig 
ein  Spondeus,  ein  lambus  nur  34,  2  und  4,  nie  ein  Pyrrhichius  oder  Tri- 
brachys.  Der  zweite  Fuss  des  Pherekrateus  ist  einmal  (61,  25)  ein  Spon- 
deus, was  als  metrische  Inkorrektheit  anzusehen  ist. 

c.  Die  vierzeiligen  Strophen. 

189.  Die  sapphische  Strophe*)  (§  98,  4)  wurde  zuerst  von  Catull 
c.  11  u.  51)  nach  Sappho's,  dann  von  Horaz  (in  26  Gedichten)  nach  Alkaios' 
Vorbild  gebraucht;  sie  blieb  auch  in  späteren  Zeiten  ein  beliebtes  Metrum. 

Die  Hendekasyllaben  haben  bei  Catull  an  zweiter  Stelle  zuweilen  den 
Trochäus  (11,  6;  51,  13)  und  keine  feste  Caesur;  dagegen  ist  bei  Horaz 
die  4.  Silbe  überall  eine  Länge  und  tritt  nach  der  5.  Silbe  regelmässig  eine 
Caesur  ein,  welche  auch  fQr  die  späteren  Dichter  (Seneca,  Ausonius,  Paul- 


JL    ^  — .  \-^^  _  W  _ 

W  ..     ^^mlf     —.  \^  ^ 

^  —   V-^^   —  v-»  ^ 

JS.     ^  —  v-^^  .  V>  _ 

Jl     7  .  VA^  _  v^  _ 


0  Möglich    wäre  auch    eine   Zerlegung  1  ^)  Caes.   Baas.  G.  L.  VI,  p.  266.    Mar. 

des  Systems  in  5  Dimeter  (2  -f  2,  2  +  2,  2).   |  Vict.  p.  161,i7.  167,io. 


1 


848 


S.  MtftrÜL    d)  Metrik  dar  BAmer. 


linus  u.  a.)  massgebend   blieb;    nicht  hänfig  ist  der  Einschnitt  Da<^    der 
6.  Silbe  (selten  in  c.  I — HI;  häufiger  in  c.  IV  and  cann.  saec.). 


CatuU,  61,  1  ff. 
lUe  mi  par  esse  deo  videtur, 
nie,  si  fas  est,  superare  divos, 
qui  sedens  adversus  identidem  ie 
spectat  et  audit. 


Hör.  c.  I,  2,  1  ff: 
lam  satis  terris  nivis  alque 
grandinis  misU  pater  ae  rubente 
dextera  sacras  iaculatus  €urc€S 
terruU  urbem» 


Bei  Catull  besteht  Synaphie  zwischen  allen  vier  Zeilen  (s.  11,  19. 
22);  von  Horaz  wird  Hiat  und  Syllaba  anceps  am  Versende  zugelassen, 
auch  am  Schlüsse  des  3.  Verses  (I,  12«  7.  31;  I,  22,  15),  trotzdem  dieser 
bisweilen  durch  Elision  der  Schlusssilbe  (IV,  2,  23;  c  saec.  47)  and 
Wortbrechung  (I,  2,  19;  25,  11;  II,  16,  7;  DI,  27,  59)  mit  dem  vierten 
eng  verknQpft  ist  (Synaphie  zwischen  2.  und  3.  Verse  11,  2,  18;  16,  31: 
IV,  2,  22). 

190.  Der  alcäischen  Strophe 0  (§  88,  5)  hat  Horaz  ihren  Plafz 
in  der  römischen  Poesie  verschafft;  er  folgte  dem  Vorbilde  des  griechischen 
Erfinders  nicht  ohne  Selbständigkeit  und  hat  dieser  von  ihm  am  häufigsten 
(37mal)  gebrauchten  Strophenform  durch  gewisse  Eigentümlichkeiten  ihres 
Baues  einen  besonderen  Charakter  aufgeprägt;  vgl.  c.  II,  1: 

JUotum  ex  Metello  cansule  civicum 
bellique  causas  et  vitia  et  modos 
ludumque  fortunae  gravesque 
principum  amicitias  et  arma. 
Die  Anakrusis  der  Hendekasyllabi  (1.  2)  und  des  Enneasyllabas  (3) 
ist  bei  ihm  regelmässig  eine  lange  Silbe,  ausnahmslos  in  c.  IV,  nur  1 7  mal 
eine  Kürze  in  I— III.     Auch  die  5.  Silbe  in  diesen  drei  Versen   ist  lang 
(ausgen.  lU,  5,  17  si  non  perir^t,  woperires  und  perirent  vermutet  wird).  — 
Caesur  tritt  regelmässig  nach  der  5.  Silbe  ein;  Ausnahmen  sind  I,  16,  21; 
37,  14;  IV,  14,  17. 

Die  Verse  der  Strophe  stehen  nicht  in  Synaphie,  sondern  lassen  die 
Freiheiten  des  Versschlusses  zu;  doch  findet  Elision  statt  am  Schlüsse  des 
3.  Verses  II,  3,  27  und  HI,  29,  35. 

Nach  Horaz  gebrauchte  Statins  silv.  IV,  5  diese  Strophenform. 

191.  Die  beiden  asklepiadeischen  Strophen^)  selbständige  Bil- 
dungen des  Horaz  aus  Versen  des  Alkaios,  haben  den  kleineren  Asklepiadeus, 
den  Glykoneus  (a  4,  b  4)   und  den  Pherekrateus  (b  3)  als  Bestandteile: 


a.    ^  -     -^>v^- 


o*^ 


J.  S.A^  _      S^     ii 


\^f<^ 


b. 


±    V.A^    —       W      ii 
A    Wk>    «       ^      ^ 

\^Ky 


V> 


J.      _      -   ^A^  -     W     isf 


—     W     ii 


Seriberis  Vario  fortis  et  hostium  0  navis  referent  in  mare  te  novi 

mctor  Maeonii  carminis  alite^  fluctus.     0  quid  agis?  fortiter  oecupa 

quam  rem  cunqueferoxnavibusautequis      portumi  nonne  indes  ut 
miles  te  duce  gesserit.  c.  I,  6.  nudum  remigio  latus.       c.  I,  14. 


')  Caes.  BasB.  p.  268,i7.    Mar.  Vict.  p. 
166,10. 

^)  Caes.  Baas.  p.  267.     Mar.  Vici  p. 


164,28.     Terent:    Maur.    v.   2700  ff.    279;l 
Diomed.  p.  51^  ff. 


2.  Die  Metra  der  BOmer.  (§  190-192.)  840 

Die  erste  ist  neunmal  (I,  6.  15.  24.  33;  11,  12;  III,  10.16;  IV,  5.  12) 
die  zweite  siebenmal  (I,  5.  14.  21.  23;  III,  7.  13;  IV,  13)  gebraucht.   Über 
die  Bildung  des  Asklepiadeus  und  Glykoneus  vgl.  §  184  u.  186,  X.;  auch 
der  Pherekrateus  (b.  3)  hat  im  1.  Fusse  den  Spondeus. 

Nach  Horaz  hat  Severus  die  erste  der  beiden  Strophen  angewendet, 
s.  Anth.  lat.  II,  893. 

Anmerkung.  Ausser  diesen  vier  vierzeiligen  Strophen  erscheinen  in  den  meisten 
Ausgaben  des  Horaz  seit  Mbinbkb  noch  sieben  andere,  nämlich  noch  drei  asklepiadeische, 
eine  zweite  sapphische,  c.  I,  8,  eine  alkmanische,  c.  I,  7.  28,  eine  archilochische,  c.  I,  4 
und  eine  hipponakteische,  c.  II,  18,  welche  teils  aus  vier  gleichen  Versen  (kleineren  oder 
grösseren  Asklepiadeen  §  184),  teils  aus  je  zwei  gleichen  Distichen  (sapphischen,  alkma- 
nischen, archilochischen,  hipponakteischen,  asklepiadeischen,  s.  §  186)  bestehen  Es  lassen 
sich  nämlich  sämtliche  Oden  des  H.,  in  denen  derselbe  Vers  wiederkehrt,  mit  Ausnahme 
von  c.  IV,  8,  und  ebenso  alle,  welche  aus  jenen  Distichen  gebildet  sind,  in  Gruppen  von 
je  vier  Versen  zerlegen,  und  in  c.  III,  9  hat  Horaz  selbst  offenbar  jedesmal  zwei  Distichen  zu 
einer  Strophe  vereint.  Aber  die  latein.  Metriker  wissen  nichts  von  diesen  vierzeiligen 
Strophen  und  die  Satzgliederung  und  Interpunktion  empfiehlt  ihre  Annahme  sehr  wenig. 
Daher  ist  auch  neuerdings  wieder  Einspruch  gegen  sie  erhoben  worden  (C.  Bock,  De 
metris  H.  lyricis  p.  41  ff.  Petschemig,  praef.  ed  Horat.  p.  II  sq.).  In  besonderem  Grade 
unwahrscheinlich  ist  die  Verbindung  von  vier  grösseren  Asklepiadeen  zu  einem  Systeme 
der  äolischen  Lyrik.  Warum  sollten  nicht  zwei  grössere  Asklepiadeen  bei  Horaz  ein  System 
gebildet  haben,  wie  bei  Sappho  und  CatuU?  warum  nicht  zwei  kleinere  nach  Analogie  des 
£Iegeion?    Als  erwiesen  können  jene  vierzeiligen  Strophen  nicht  gelten. 

C.  Die  Cantlca  der  späteren  Tragödie. 

192.  Die  Cantica  in  den  Tragödien  des  Seneca,  sowohl  die  Chor- 
lieder als  die  Monodien  und  Wechselgesänge,  sind  grösstenteils  in  Ana- 
paesten  abgefasst,  aber  zum  Teil  auch  in  anderen  Massen,  unter  denen  die 
Logaoeden  am  meisten  hervortreten. 

1.  Die  anapaestischen  Cantica  sind  Nachbildungen  der  griechi- 
schen Kompositionen  in  Hypermetem  (§  46),  von  denen  sie  sich  jedoch 
wesentlich  dadurch  unterscheiden,  dass  nicht  der  Paroemiacus  den  Ab- 
schluss  jedes  Systems  zu  bilden  pflegt,  sondern  dafür  häufig  ein  Monometer 
eintritt,  aber  nicht  notwendig,  und  dass  die  Synaphie  der  einzelnen  Glieder 
untereinander  nicht  streng  aufrecht  erhalten  wird.  So  erscheinen  denn 
diese  Cantica  als  zusammengesetzt  aus  Gruppen  von  lauter  Dimetern 
und  Monometern,  die  sich  zwar  systemartig  aneinanderreihen,  aber  die 
Freiheiten  des  Versschlusses  haben.  Die  Dimeter  sind  regelmässig  durch 
eine  Caesur  in  der  Mitte  geteilt;  der  Daktylus  als  Vertreter  des  Anapaests 
ist  häufig  im  1.  und  3.  Fusse;  besonders  beliebt  der  Ausgang  -v^^  — . 
Vgl.  Herc.  Oet.  1983  flF. 

Numquam  Stygias  fertur  ad  umhras 

hiclita  virtus:  vivunt  fartes 

ncc  Lethaeos  saeva  per  amnes  1985 

vos  fata  trahent,  sed  cum  sunimas 

exiget  horas  consumpta  dies, 

iter  ad  superos  gloria  pandet 

sed  iUy  domUnr  magne  ferarum 

orhisque  simul  pacafor,  ades;  1990 

nwic  quoque  nostras  respice  terras, 

et  si  qua  novo  belua  volhi 

Uandbuch  der  klass.  AltertumswisBenscbaft.  IL    2.  Aufl,  \)V 


g50  ^'  Metrik,    d)  Metrik  der  ROmer. 

quatiet  populos  terrore  gravi, 
tu  fulminibus  f ränge  trisulcis: 
fortius  ipso  geiiitore  tuo 

fxdmina  mitte.  1995 

Vgl.  Herc.  für.  125-203.  1054-1137.  Troad.  67—164  (Wechselgesang); 
705—735  (Monodie)  u.  a.  —  Dagegen  wechseln  Agam.  310 — 407  Dimeterund 
Monometer  regelmässig  miteinander: 

Canite,  o  pubes  incKta,  Phoehum! 

tibi  festa  Caput 
turba  coronaty  tibi  virgineas 

laurum  quatiens 
de  more  comas  innuba  fudii 

stirps  IfMchia.  u.  s.  w. 

2.  In  ganz  entsprechender  Weise  werden  iambische  Dimeter  teils 
stichisch,  teils  im  Wechsel  mit  Trimetern  (distichisch  s.  §  186,  J)  ge- 
braucht Agam.  759—774.     Med.  771-786: 

Instant  sorores  squalidae, 

sanguinea  iactant  verbera, 

fert  laeva  semustas  faces, 

turgentque  palhmtes  genae.  u.  s.   w. 

Tibi  haec  cruenta  serta  texuntur  manu, 

novena  quae  serpens  ligat, 
tibi  haec  Typlweus  membra  quae  discors  tulit, 

qui  regna  concussit  lovis,  u.  s.   w. 

3.  Systeme  aus  Hemiamben  oder  Anakreonteen  (§  179,  2.  3)  mit 
katalektischem  Schlussverso  finden  sich  Med.  849 — 878: 

Quonam  cruenta  maenas  \  praeceps  amore  saevo  \  rapitur?  quod  impo- 
tcnii  !  facinus  parat  fiirore?  \  vultus  citatiis  ira  \  riget  et  caput  feroci  I  qua- 
tiens supcrba  motu  \  regi  minatur  nitro.  \  quis  credat  exulem? 

4.  In  stichischer  Wiederholung  erscheinen  sapphische  Hendekasyl- 
laben  oft,  z.  B.  Herc.  f.  830  ff.,  hin  und  wieder  unterbrochen  von  einem 
Adonius  (Troad.  814  ff.  Phaedr.  736  ff.  Üed.  110  flf.);  kleinere  Askle- 
piadeen  (Med.  56  ff.  93  ff.  Phaedr.  753  flf.  764  flf.  u.  sonst);  Glykoneen 
(Med.  75  flf.  Herc.  f.  875  ff.  Oed.  882  ff.  u.  öfter);  daktylische  Tetra- 
meter  (Oed.  449  ff.  Herc.  ()ct.l947  ff.);  daktylische  Hexameter  selten 
(Med.  110  ff.  Oed.  233  ff.  403  f.  429  ff.  445  ff.  466.  504  ff.);  trochäische 
Septenare  (Phaedr.  1201—12.  Oed.  223—32.  Med.  740—51). 

Eine  strophische  Gliederung  zeigt  sich  in  dem  Canticum  Med. 
579—669,  welches  sieben  sapphische  Strophen  und  sieben  neunzeilige 
Strophen  aus  sapphischen  Hendekasyllaben  und  Adonius  umfasst: 

A  A^  A2  A3  A^  A'  A6  I  B  B^  B^  B»  B^  B^  B«. 

5.  Einen  besonderen  Charakter  tragen  die  vier  polymetrischen 
Cantica  Oed.  403—508,  709—763  und  Agam.  589—636,  808—866.  Ihre 
Elemente  sind  die  Glieder  der  horazischen  Strophen,  teils  ganze  Verse, 
teils  Versteile  in  wunderlichen  und  geschmacklosen  Zusammensetzungen, 
wie  sie  die  in  jener  herrschende  Schultheorie  der  naQaywyn]  {derivatio 
pictrorum  s.  §  2)  hervorbrachte.    Ein  Prinzip  der  Verbindung  dieser  disiecta 


2.  Die  Metra  der  Römer.  (Litteratur.)  g5l 

memha  ist  nicht  vorhanden,  auch  von  antistrophischer  Responsion  nichts 
zu  entdecken. 

Litteratur  zur  lateinischen  Prosodik  und  zur  Metrik  der  daktyl.  Dichter: 

ProBodik  (Quantität,  Hiat.,  Elision  u.  dgl.)  der  röm.  Dichter.  Allgemeineres: 
W.  CoBSSEN,  Aussprache,  Vokalismus  u.  Betonung  d.  lat.  Spr.  Leipzig  1857.  58.  2.  A. 
Leipz.  1868.  1870.  2  Bde.  -  L.  MOlleb,  De  re  metrica  Hb.  IV.  V.  VL  (p.  242—374) ; 
ders.  Orthographiae  et  prosodiae  lat.  summarium.  Petrop.  1878.  p.  25  ff.;  Rci  metr.  poet.  lat. 
summariura.  Petrop.  1878.  p.  ^3  ff.  —  R.  Kühnes,  Ausführl.  Gramm,  d.  lat.  Spr.  Hann.  1877. 
I,  88—101.  134  —  155.  —  Neue,  Formenlehre  der  lat.  Sprache.  I.  —  Chbist,  Metrik* 
p.  6 --40.  —  R.  BoüTERWEK  und  A.  Tegge,  Die  altsprachl.  Orthoepie.  Berlin  1878.  —  A. 
Mark,  Hilfsbüchlein  für  die  Ausspr.  d.  1.  Vokale,  in  positionslangen  Silben.  Berlin  1883.  — 
£.  Seelmann,  Die  Aussprache  des  Lat.  nach  physiol.-hist.  Grundsätzen.  Heilbronn  1885, 
bes.  p.  65-108  u.  353  ff. 

Spezielles  (die  auf  die  Sceniker  bezüglichen  Schriften  s.  S.  835  f.):  M.  Haupt,  Ob- 
servationes  criticae.  Lips.  1841.  —  C.  Lacbmann,  Commentarius  in  T.  Lucretii  libros.  Be- 
rol.  1850.  —  Bockemüller,  De  elisione  in  versu  Rom.  hexam.  Stade  1860.  Progr.  —  R. 
BouTERWBKj  Lucretianae  quaest.  gramm.  et  criticae.  Hai.  1861.  diss.  -  F.  C.  Hermann,  Die 
Elision  b.  röm.  Dichtem.  Berlin  1863.  Progr.  —  J.  Schulz,  De  prosodia  satiricorum  Rom. 
(de  muta  c.  liq.  et  de  synaloephe).  Regim.  1864.  —  £.  H.  Bielino,  De  hiatus  vi  atque  usu 
ap.  poetas  epicos,  qui  Augusti  aetat«  floruerunt.  Berol.  1860.  diss.  Lips.  —  J.  Conrad,  Po- 
sitionsgesetz in  d.  röm.  Poesie  und  Geltung  d.  Endkonson.  im  Hochlatein.  Coblenz  1868. 
Progr.  —  F.  LoRET,  De  vocalibus  irrationaliter  enuntiandis  ap.  poetas  dactyl.  Lat.  Gotting. 
1864.;  ders.  Die  Schwierigk.  d.  griech.  Metrums  f.  d.  lat.  Sprache.  Hameln  1874.  Progr.  — 
H.  Helbio,  De  synaloephae  ap.  epicos  lat.  primi  post  Chr.  saeculi  ratione.  Bautzen  1878. 
Progr.  —  J.  Stadelmann,  De  quantitate  vocalium  lat.  terminantium   Luzern  1884.  diss. 

Über  Allitteration  und  Reim:  F.  Näkr,  De  allitteratione  serm.  lat.  Rh.  Mus.  III. 
(1829)  p.  324.  -  J.  Mähly,  N.  Schweiz.  Mus.  IV,  207  (1864).  —  E.  Loch,  De  allitterat. 
usu  ap.  poet.  lat.  Hai.  1865.  —  H.  Usener,  Reim  in  altlat.  Poesie.  Jhbb.  f.  Philol.  1873,  p.  174. 

—  H.  Jordan,  Beitr.  z.  Gesch.  d.  lat.  Spr.  Berlin  1879  p.  167  ff.  —  E.  Wölfflin,  Der  Reim 
im  Lat.  Archiv  f.  lat.  Lexikogr.  I,  350  ff.  —  W.  Kbrard,  Die  Allitteration  in  d.  lat.  Spr. 
Bayr.  1882.  Progr.  —  L.  Buchhold,  De  paromoeoseos  ap.  poet.  Rom.  usu.  Lips.  1883.  — 
C.  Bötticher,  De  allitter.  ap.  Rom  vi  et  usu  Berol.  1884.  —  H.  Habenicbt,  Allitter.  b. 
Horaz.  Eger  1885.  Progr. 

Die  einzelnen  Metra  werden  in  folgenden  Schriften  behandelt: 

Hexameter.  Allgemeines:  G.  Hermann,  EL  D.  M.  331  sqq.  Epit.  §306.  331.  -- 
L.  Müller,  De  re  metr.  105.  137.  183  ff..  207  ff.  231  ff.  Summar.  p.  17  sqq.  29.  36  f.  42  f. 

—  W.  Christ,  Metrik«  157—201.  —  Drobisch,  Üb.  d.  Formen  d.  lat.  Hexam.  L.  1866.  Über 
die  Unterschiede  in  d.  Grundlage  d.  lat.  u.  griech.  Hexam.  L.  1873  (Sftchs.  Ges.  d.  W.).  — 
C.  F.  HuLTOREN,  Observat.  metr.  I.  II.  Lips.  1871.  72;  Technik  d.  röm.  Dichter  im  ep.  u. 
eleg.  Versmasse  in  Jhbb.  f.  Phil.  107.  Bd.  1873),  p.  745  ff.  —  Th.  Birt,  Ad  historiam 
hexametri  latini  symbola.  Bonn  1877.  —  W.  Meter,  Zur  Geschichte  d.  griech.  u.  lat.  Hexam. 
München  1884  (Akad.  Abb.). 

Einzelnes:  M.  Crain,  PhiloL  X  (1855)  p.  251-62.  ~  F.  Fböhdb,  Philol.  XI  (1856) 
p.  533-43.  —  KocKS,  De  hexam.  caesura  post  V  pedis  arsim.  2  pts.  Köln  1862.  73.  4. — 
C.  Schaper,  De  tertio  hexam.  lat.  ordine.  Insterb.  1862,  Progr.  —  A.Viertel,  Deversibus 
poetarum  Rom.  spondiacis.  Lips.  1863.  diss.  u.  Jhbb.  f.  Philol.  1862  p.  801 — 11.  —  E. 
Plew,  4silb.  Versschluss  des  Hex.  Jahrbb.  f.  Philol.  93.  Bd.  (1866)  p.  631  ff.  —  Drobisch, 
Weitere  Unters,  üb.  d.  Formen  d.  Hexam.  b.  Vergil,  Horaz  u.  Hom.  L.  1868.  —  H.  Klapp, 
Üb.  die  Hephthemimeres  des  lat.  Hex.  Posen  1868.  Progr.  —  M.  W.  Humpbreys,  Quaest. 
metr.  de  accentus  momento  in  versu  heroico.  Lips.  1874  diss.  —  E.  P.  Schulze,  Hochton 
u.  Vershebung  in  d.  letzten  Füssen  des  lat.  Hex.  Ztschr.  f.  G.  W.  XXIX  (1875)  p.  590-597. 

—  J.  M.  Stowasser,  D.  Hexam.  d.  Lucilius.  Wien  1880.  —  Th.  Franzek,  Üb.  d.  Unter- 
schied d.  Hexam.  bei  Vergil  u.  Horaz.  Crefeld.  1881.  4.  -—  J.  Baumann,  De  arte  metrica  Ca- 
tulli.  Landsberg  a.  W.  1881.  p.  X  sq.  --  J.  Walser,  Zur  caesura  x.  tqIxop  rgo/.  im  lat. 
Hexam.  Ztsch.  f.  ö.  G.  1882.  1—29.  885—90.  -  P.  Kleinecke,  De  penthem.  et  hephthero. 
caesuris  a  Vergilio  usurpatis.  Hai.  1882.  diss.  —  K.  Brandt,  De  re  metr.  qua  usus  est 
Verg.  in  eclogis.  Salzwedel  1882.  Progr.  —  J.  Draheim,  De  Vergilii  arte  rhythmica.  in  N. 
Jhrb  8.  Philol.  1884  p.  70  ff.  —  Hilbero,  Mitteilungen  üb.  d.  Tektonik  d.  lat.  Hexameters 
in  Vhdlgg.  d.  39.  Phil.  Vers.  (Zürich)  Leipz.  1888  p.  231-246. 

Die  übrigen  stichisch  gebranchten  VerBformen. 

Jambische  Verse.    L.  Müller,  De  re  metr.  p.  107.  148.  154.  203.  226.       Christ« 

54* 


g52  S*  Metrik,    d)  Metrik  der  Bömer. 

p.  318.  330.  339.  362.  —  P.  Langkn,  Qaaest  metr.  Bonn  1851.  —  W.  Mktkb,  Derspitkt 
Senar  in:  Wortaccent  in  d.  altlat.  Poesie  p.  112  ff.  —  J.  Dbahbim,  De  Phaedri  senaiia. 
N.  Jhbb.  1889.  p.  429  ff. 

Trochäische  Verse.    L.  Müllbb,  De  re  metx.  p.  108.  148.  204.  228. 

Anapaestische  Verse.     L.  Müllkb,  De  re  metr.  p  106.  115.   146.  203. 

Sotadeus.  G.  Hermani?,  Elem.  p.  453.  —  C.  Laobmakit,  Kl.  Schriften  11,  67.  - 
J.  Vahlen,  Knnius  p.  158.  —  L.  Müller,  De  re  metr.  p.  68.  110.  161.  415.  —  Christ'  p.  49«). 

Gnlliamb.  G.  Hermakn,  Elem.  p.  504  ff.  Epit.  §444.  —  L.  Müixer,  De  re  metr. 
p.  159.  204.  —  ü.  V.  WiLAMowiTZ,  Hermes  XIV  (1879)  p.  194  ff. 

Hendekasyllabus.  G.  Hermann,  Elem.  368.  Epit  §356.--  L.  Müller  p.  IM 
162.  166.  229.  —  Christ»  p.  528. 

Priapeus.  G.  Hermann,  Elem.  576.  Epit.  §  502.  —  L.  Müller,  De  re  metr.  p.  112. 
_      Christ     n   526 

Asklepiadeen.  G.  Hermann,  Epit.  §  422.  —  L.  Müller  p.  112.  165.  214.  229.- 
Christ'  p.  468.  479. 

Elegischrs  Distichon.    Allgemeines;  G.  Hermann,  Elem.  356  sq.  Epit.  §  334 sq. 

—  L.  Müller,  Do  re  metr.  145.  202  f.  224-226.  —  W.  Christ«  p.  206  flf.  —  Drobkch, 
Classific.  d.  Formen  d.  Distichon.  Leipz.  1871.  1872  (Sachs.  Ges.  d.  W.  23.  Bd.).  -  C.  F. 
Hultoken,  Observ.  metr.  in  poet.  eleg.  Graec.  et  Lat.  Leipz.  1871.  72.  Progr.  Die  Technik 
d.  röm.  Dichter  im  ep.  u.  eleg.  Versmasse.     Jhbb.  f.  Phil.  CVII  (1873)  p.  745  ff. 

Spezielleres:  E.  Eichner,  De  poetarum  Lat.  usque  ad  Aagusti  aetatem  distichi^. 
Soraviae  1860  (diss.)  u.  d.  metr.  n.  rhythm.  Bau  n.  Gebrauch  d.  Homoioieleuta  in  d.  Di- 
stichen d.  Catull,  Tibull.  Properz  u.  Ovid.  Gnesen  1875.  Progr.  —  W.  Gkbharoi,  DeTi- 
bulii,  Propeitii,  Ovidii  distichis.  Regim.  1870.  diss.  u.  z.  Technik  d.  röm.  Dichter  im  ep. 
u.  eleg.  Vers  in  Jhbb.  f.  Phil.  CIX.  (1874)  p.  647  ff.  -  C.  Pribn,  Die  Symmetrie  und  Be- 
sponsion  d.  röm.  Elegie.  Lübeck  1867.  Progr.  —  G.  H.  Bubbndby,  Die  Symmetrie  d.  röm. 
pjlegie.  Hamburg  1876.  Progr. 

Die  übrigen  Systeme  nnd  Strophen. 

Distichische  Systeme  des  Horaz  Bentley,  zu  Hör.  ep.  11.  —  G.  Herkavk, 
Elem.  p.  671.  776.  795.  —  Westphal  H«,  566  ff.  L.  Müller,  De  re  metr.  117.  -  J. 
H.  Schmidt.  Leitf.  p.  100  ff.  -  Christ  Metrik*  p.  565  ff.  und  Die  VerskaDst  des  H.  im 
Lichte  d.  Überlieferung.  München  1868.  —  H.  Schiller,  Die  lyr.  Versmasse  d.  Horu. 
Leipz.  1877  p.  11  ff.    -     C.  Bock,   De    metris    Horatii   lyricis.   Rendsbg.    1880  p.  35  ff. 

Glykoneische  Systeme.  G.  Hermann,  El.  D.  M.  p.  524,  Epit.  §  165.  578.  - 
M.  Haupt,  Quaest.  CatulT.  p.  25  sq.  —  Westphal  ll\  770.  —  L.  MCllbb  p.  112.  117. 
161  f.  181.  204.  —  Christ-  p.  527.  —  Baümann,  De  arte  Catulli  p.  LX. 

Ionische  Systeme.  R.  Bentley  zu  Hör.  carm.  III,  12.  —  G.  Hermann,  Elem. 
p.  375.  472.  —  C.  Lachmann,  Kl.  Sehr.  II,  84.  —  Rossbach  HP  308.  —  Schüler  p.  14.- 
C.  Bock  p.  23.  62. 

Vierzeilige  Strophen.  G.Hermann,  Elem.  p.  675  sqq.  Epit.  p.  578.  —  Mei5E£K, 
praef.  Hör.  Lachmanx,  Kl.  Schriften  II,  84.  —  L.  Müller  p.  117.  182.  —  H.  Schillek 
p.  21  ff.    -  Christ-  p.  481.  —  C.  Bock  p.  41.  59. 

Sapphische.  G.  Hermann,  El.  681  ff.  Epit.  §  583  ff.  —  Westphal  IP,  759.  -  L 
Müller  p.  113.  205.  228.  26^1.  --  Christ^  p.  545  f. 

Alcäische.  G.  Hermann,  El.  p.  690  ff.  Epit.  §  555.  —  Westphal  IP,  277.  —  L. 
Müller  p.  113.  164.  205.     -  Christ^  p.  545  f. 

Asklepiadcische.  G.  Hermann,  El.  675.  Epit.  §  552.  —  Westphal  IP,  764.  — 
Christ^  p.  479  f. 

Die  Cantica.     B.  Schmidt,  De  cmendand.  Senecae  tragoed.  rationibua.  Berol.  18(>'X 

-  L.  Müller,  De  re  metr.  p.  118  ff.  u.  Jahrb.  f.  Phil.  89.  Bd.  p.  473.  —  M.  Hochb,  Die 
Metra  dos  Trag.  Seneca.  Hai.  1862.  —  Fr.  Leo,  In  Senecae  trag,  observat.  crit.  Berol.  187«?. 
vol.  I.  der  Ausg.  d.  Seneca.  p.  98  ff.  135  ff. 

Die  Schriften  zur  Metrik  der  einzelnen  Dichter  sind  zusammengestellt  bei  E. 
IIÜBNER,  (Irundr.  z.  Vorlesungen  üb.  d.  röm.  Litt.Gesch.  4.  A.  Berlin  1878  u.  W.  S.  Teuffei, 
Gesch.  d.  röm.  Lit.  4.  A.  bearb.  v.  L.  Schwabe.  Leipz.  1881.  82.  Nachzutragen  ist:  L- 
Müller,  Quintus  Eniiius.  Einltg.  in  d.  Studium  d.  röm.  Poesie.  Petersbg.  1884.  —  A. 
KiEssLiNO,  Die  nictr.  Kunst  des  Horatius  in  s.  Ausgabe  des  Horaz.  Berlin  1884.  1.  Bd. 
p.  VI[— XXVIII.  —  R.  KöPKE,  Die  lyr.  Versmasse  des  Horaz.  Berlin  (1883).  1885.  —  E. 
Ukban,  Vorbcmeikungen  z.  einer  llorazmetrik.     Instcrburg  1885.  Progr. 


Anhang. 


Die  Musik  der  Griechen. 


Einleitung. 

193.  Begriff.  Der  Name  Musik,  /novaixrj  rixvr^^  hatte  bei  den 
Griechen  eine  umfassendere  Bedeutung  als  bei  uns,  denn  er  begriff  ausser 
der  Tonkunst  zugleich  auch  die  Dichtkunst  und  die  Tanzkunst  in 
sich,  also  die  drei  durch  das  gemeinsame  Band  des  Rhythmus  verbundenen 
Künste  der  Bewegung.')  Der  Teil  der  musischen  Kunst,  welcher  es  mit 
den  Klängen  der  menschlichen  Stimme  und  den  Tönen  musikalischer  In- 
strumente zu  thun  hat,  führte  den  spezielleren  Namen  Harmonik;  vgl.  §  1. 
Die  praktische  Verwendung  der  Töne  zur  musikalischen  Komposition  hiess 

194.  Quellen.  Als  Quellen  unserer  Kenntnis  der  griechischen  Musik 
dienen  ausser  den  sehr  unbedeutenden  Resten  antiker  Kompositionen 
(s.  §  195)  und  vereinzelten  Mitteilungen  und  Notizen  älterer  Schriftsteller, 
namentlich  des  Plato^)  und  Aristoteles^),  die  in  ziemlich  grosser  Zahl 
erhaltenen  musiktheoretischen  Schriften  der  Alten,  unter  welchen  die  des 
Aristoxenos,  des  Aristides  und  des  Kla u dies  Ptolemaios  den  hervor- 
ragendsten Platz  einnehmen. 

Von  Aristoxenos,  dem  eigentlichen  Begründer  der  Musikwissenschaft 
(s.  §  2),  sind  aus  einer  grossen  Anzahl  musikalischer  Werke  Bruchstücke  von 
drei  Schriften  über  das  Melos  und  einer  über  den  Rhythmus  unter  den  Titeln 
UQjuiovixd  (TToix^Ta  und  ^Pv&fiixd  axoix^Ta  erhalten.  —  Aristides'  Werk 
nfQi  liiovaixrjg  (s.  §  2)  ist,  da  er  selbst  nicht  Musiker  von  Fach  war,  wichtig 
durch  die  Ausführlichkeit  seiner  Auszüge  aus  älteren  Musikern,  insbesondere 
dem  jüngeren  Dionysios  von  Halikamass.  —  Der  berühmte  Mathematiker 
und  Astronom  Klau  dies  Ptolemaios  von  Alexandria  (im   2.  Jahrh.  n. 


^)  Aristid.    p.    32.      ^v^filCfrai    <f^   iy 
fÄOvaixj  xiytjaig  a(6fJiaxog,  fABXwdlay  X^^ig, 
2)  Resp.  III,  p.  398  ff.    Leges  VII,   p. 


812.    Lach.  p.  188. 

')  Polit.  VUI,  5.  Probl.  XIX. 


g54  B.  Metrik,    e)  Anhang.    Die  Musik  der 

Chr.)  schrieb  vom  Standpunkte  des  Akustikers  ein  Werk  rregi  rtüv  iv  a^p- 
vixf^  xQiTi^Qicov  in  drei  Büchern,  wozu  auch  ein  Kommentar  von  Porphyrios 
(3.  Jahrh.)  vorhanden  ist.  —  Die  der  späteren  Kaiserzeit  angehörigen 
Schriften  des  Alypios,  Gaudentios  und  zweier  Anonymi  sind  Einlä- 
tungen  in  die  Musik  und  besonders  für  unsere  Kenntnis  der  Notenschrift 
von  Wichtigkeit.  —  Die  Harmonik  des  Byzantiners  Manuel  Bryennios 
(14.  Jahrh.)  "AqjiovixüSv  ßißXia  xQia  ist  wertvoll,  weil  sie  Exzerpte  aus  ältereo 
Musikern,  besonders  dem  Aristoxenianer  Kleonides  enthält. 

Über  die  Entwicklungsgeschichte  der  Musik  in  der  älteren  Zeit  bietet 
die  pseudo-plutarchische  Schrift  tvsqI  (lovmxfig  wichtige  Aufschlösse, 
zum  Teil  in  wortgetreuen  Exzerpten  aus  Aristoxenos  und  Herakleides 
Pontikos.  —  Auch  das  Onomastiken  des  Julius  Pollux  und  Athenaios 
im  14.  Buche  seiner  JsiTivoaofpiaTai  enthalten  mancherlei  schätzenswerte 
Angaben  über  musikalische  Dinge.  —  Von  lateinischen  Schriftstellern  über 
Musik  sind  hervorzuheben  Martianus  Capeila  (5.  Jahrh.),  der  in  seinen 
Nupfiae  PhUologiae  et  Mercurü  (im  9.  Buche)  eine  Übersetzung  von  Ari- 
stides'  erstem  Buche  gibt,  und  Boethius  (6.  Jahrh.),  welcher  die  Mu^ 
in  seiner  Schrift  De  institutione  musica  libri  V  ausführlich  behandelt. 

195.  Musikreste.  Von  Denkmälern  griechischer  Vokalmusik  be- 
sitzen wir  nur  drei  Hymnen  aus  der  Zeit  des  Hadrian,  welche  wenig  dazu 
geeignet  sind,  einen  Einblick  in  den  Charakter  altklassischer  Eomposition 
zu  gewähren,  nämlich  einen  kitharodischen  Hymnus  an  die  Muse  Kalliope 
von  dem  jüngeren  Dionysios  von  Halikarnass,  einen  auf  Helios  und  einen 
auf  Nemesis  von  Mesomedes. 

Von  Instrumental kompositionen  sind  uns  als  „Trümmer  einer 
Klarinettenschule"  einige  Beispiele  für  die  griechischen  Tonarten  erhalten 
in  dem  Anonymus  de  musica,  nämlich  eine  Melodie  in  syntonolydiscber, 
zwei  in  mixolvdischer  und  drei  in  äolischer  Tonart. 

Die  Melodie  zu  einem  kleinen  Stücke  von  Pindars  erster  pythischer  Ode, 
welche  zuerst  P.  Athanasius  Kircher  im  .1.  1G50  herausgab,  der  sie  in  einem  Kloster  von 
Messina  gefunden  haben  wollte,  ist  unecht;  ebenso  die  KompositioD  zu  drei  Hexametern 
des  homerischen  Hymnus  auf  Demeter  (hgg.  von  Behaghel). 

196.  Neuere  Bearbeitungen.  Um  die  Erforschung  der  griechischen 
Musik  machten  sich  im  17.  Jahrhundert  wohlverdient  der  Schleswiger 
Marcus  Meibom  (f  1711)  durch  die  Herausgabe  der  alten  Musiker  und 
der  gelehrte  englische  Mathematiker  John  Wallis  (f  1703)  durch  seine 
wertvollen  sachlichen  Erläuterungen  zu  der  Ausgabe  des  Ptolemaeus.  — 
Es  folgten  im  18.  Jahrh.  Marpurgs  und  Burneys  kenntnisreiche  Werke 
über  die  Geschichte  der  Musik,  welche  später  Forkel  ausnützt«. 

Der  erste,  welcher  den  Versuch  einer  quellen  massigen  Darstellung 
der  griechischen  Harmonik  unternahm,  war  August  Boeckh,  der  als  der 
Begründer  der  modernen  Wissenschaft  von  der  alten  Musik  zu  betrachten 
ist.  Eine  weitere  Förderung  verdankte  diese  dem  geistvollen  Forscher 
Friedrich  Bellermann,  welcher  sich  durch  die  Herausgabe  der  antiken 
Musikreste  und  seine  Untersuchungen  über  die  Tonleitern  und  die  Noten- 
schrift der  Griechen  bleibende  Verdienste  erwarb.  Auf  diese  Vorarbeiten 
stützton  sich  die   bewundernswürdigen    Werke   Rudolf  Westphals  über 


Die  Zweige  der  griechischen  Mnsik.  (§  197.)  —  Geschichtliches.  (§  197—198.)    855 

die  griechische  Musik  und  ihre  geschichtliche  Entwickelung,  welche  ihm 
einen  der  ehrenvollsten  Plätze  unter  den  Altertumsforschern  für  alle  Zeit 
sichern.  Seinen  Forschungen  verdankte  die  Anregung  zu  einer  auf  um- 
fassenden Studien  beruhenden  und  gründlichen  Darstellung  der  Geschichte 
und  Theorie  der  antiken  Musik  Fr.  Aug.  Gevaert,  der  Direktor  des 
Brüsseler  Musik-Konservatoriums.  —  Durch  Heranziehung  und  Verwertung 
archaeologischen  Materials  hat  sich  um  die  genauere  Kenntnis  der  alten 
Musik  besonders  Karl  von  Jan  verdient  gemacht. 

Die  Zweige  der  griechischen  Musik. 

197.  1.  DiegriechischeTonkunst  war  einerseits  Vokalmusik,  andrer- 
seits Instrumentalmusik.  Der  Gesang  (ßäkog)  war  entweder  mono- 
disch d.  h.  von  einem  einzelnen  Sänger  vorgetragen,  oder  Chorgesang 
d.  h.  von  mehreren  Sängern  zugleich  ausgeführt.  Die  Instrumentalmusik 
(xQoimg)  war  teils  Saitenspiel,  xid^dgiaig,  teils  Flötenspiel,  avkr^aig.  Die 
Verbindung  von  /Jit'kog  und  xQovcig  hiess  Kitharodik  oder  Aulodik,  je 
nachdem  Saiten-  oder  Blaseinstrumente  die  Begleitung  der  Singstimme 
übernahmen.  Blosse  Deklamation  einer  Dichtung  unter  Instrumental- 
begleitung hiess  naQaxarakoyT^. 

2.  Einen  mehrstimmigen  Gesang  kannte  das  Altertum  nicht, 
sondern  sämtliche  Glieder  eines  Chors  sangen  unisono.  Allerdings  konnten 
Sänger  verschiedener  Stimmklassen  in  demselben  Chore  mitwirken,  aber 
auch  dann  sangen  alle  die  blosse  Melodie,  nur  in  verschiedener  Oktave, 
was  im  Eindrucke  einem  Unisono  gleichkommt. 

Trotzdem  wurde  die  griechische  Musik  zu  einer  mehrstimmigen 
durch  die  Instrumentalbegleitung.  In  der  frühesten  Zeit  hat  freilich 
auch  zwischen  Gesang  und  Begleitung  Unisonität  bestanden,  aber  schon  in 
der  archaischen  Kunstepoche  war  Zweistimmigkeit  {iTCQOfpmvia) ')  vorhanden, 
indem  zu  der  Melodiestimme  eine  zweite  des  begleitenden  Instruments, 
der  Kithara  oder  des  Aulos,  hinzukam,  welche  in  der  Regel  über  der 
Melodie  lag.  2) 

In  der  klassischen  Kunstepoche  kam  eine  drei-  und  mehrstimmige 
Musik  auf  durch  den  Dithyrambiker  Lasos:  es  wurden  nämlich  mehrere 
Instrumente  angewendet  und  so  eine  Polyphonie  der  Begleitungsstimmen 
hervorgerufen.  Pindar  fügte  zu  den  nicht  homophonen  Flöt^nstimmen  auch 
noch  die  Stimme  der  Phorminx. 

Geschichtliches. 

198.  Die  griechische  Musik  stand  von  ihren  ersten  Anfängen  an 
in  engster  Verbindung  mit  der  Poesie  und  ordnete  sich  bis  in  die  Zeiten 
des  Niedergangs  willig  dem  Worte  des  Dichters  unter,  der  zugleich  auch 
der  Tonsetzer  war  und  oft  genug  sein  Werk  auch  selbst  vortrug.  Der 
Schwerpunkt  der  musikalischen  Leistung  lag  im  Gesänge  und  das  Instru- 

^)  Plat    Legg.  Vir,  p.  812.  tiJv  cf*  ite-       ttjy  fAcXi^dlay  ^vv^iyxog  noitjtov  xtA. 
QO(fU}yi(tv  xal   noixiXlay    jrjg   Xvgag^    ttXka  ^)  Aristot.  Probl.  19,i2. 

fiey  f^iXi]  r<oy   /o^cfcJv   leiatLyj   «AÄ«  di  rov   j 


g56  £.  Metrik,    e)  Anhang.    Die  Musik  der  Grieehen. 

ment  diente  zunächst  ausschliesslich  zur  Begleitung  des  Gesanges,  erst 
allmählich  trat  zuerst  das  Flötenspiel  und  nach  diesem  auch  das  Saiteo- 
spiel  selbständig  auf,  ohne  jedoch  den  ursprünglichen  Zusammenhang  mit 
dem  Gesänge  zu  verleugnen. 

1.  Die  frühesten  Anfänge  einer  kunstmässigen  Musik  gehen  anf 
priesterliche  Sänger  zurück,  welche  an  heiliger  Stätte  den  Lobgesang  des 
Gottes  monodisch  unter  Saitenspiel  vortrugen,  i)  Diese  Oesänge  fanden  ihre 
besondere  Pflege  in  den  Eultusstätten  des  Apollo  und  hiessen,  weil  sie 
einer  bestimmten  Ordnung  und  Regelung  unterlagen,  ro/io*.«). 

Der  ursprünglich  religiöse  Gesang  zur  Phorminx  wurde  in  der  heroi- 
schen Zeit  auf  die  weltlichen  Feste  übertragen  und  die  äoidaC  sangen')  in 
den  Palästen  der  Fürsten  die  Ruhmesthaten  der  Helden,  wie  die  Odyssee 
von  Phemios  und  Demodokos  berichtet. 

Während  aber  der  Vortrag  des  Epos  zur  blossen  Deklamation  herab- 
sank, entwickelte  sich  der  Nomosgesang  zu  einer  künstlerischen  Pro- 
duktion bei  den  Festspielen  der  Griechen.  Der  lesbische  Sänger  Terpan- 
dros  errang  mit  seinen  kitharodischen  Nomoi  viermal  nacheinander  vor 
der  Delphischen  Panegyris  den  Preis  ^)  und  führte  den  musischen  Wett- 
kampf am  Feste  des  Apollo  Karneios  in  Sparta  ein  (Ol.  26,i).*)  Durch 
ihn  erhielt  der  kitharodische  Nomos  seine  typische  Form  und  feste 
Gliederung,  welche  von  seinen  Nachfolgern  treu  bewahrt  wurde.  Es  war 
eine  musikalische  Komposition  von  ernster  Würde  und  schlichter  Einfach- 
heit: gewöhnlich  waren  es  nur  fünf  Töne,  in  denen  sich  die  Melodie  be- 
wegte;^) Wechsel  des  Taktes  und  der  Harmonie  waren  ausgeschlossen,  als 
Versmass  diente  in  der  Regel  der  heroische  Hexameter.  Die  sieben  Teile 
des  terpandrischen  Nomos  sind  nach  Pollux'  Angabe  ^)  ccqxä^  ^lera^x^j  xccia- 

Ein  jüngerer  Zeitgenosse  Terpanders,  der  Tegeate  Klonas,^)  das 
Haupt  einer  peloponnesischen  Aulodenschule,  als  deren  erster  Meister  der 
Trözenier  Ardalos  genannt  wird,  übertrug  die  Kunstnormen  der  Kitha- 
rodik,  welclie  Terpander  festgesetzt  hatte,  auf  die  Aulodik,  bei  welcher  das 
Lied  des  Sängers  («lUwJoc)  von  einem  Flötenspieler  (aihyirß)  begleitet 
wurde,  und  wurde  der  Begründer  des  aulodischen  Nomos,  welcher 
gleichfalls  einen  durchaus  sakralen  Charakter  trug,  aber  nicht  das  ruhige 
Gleichmass  bewahrte,  wie  der  kitharodische.  Das  Versmass  war  das 
Elegeion. 

Neben  diese  sakralen  Gesänge  trat  das  weltliche  Lied,  welches 
durch  den  Parier  Archilochos  eine  künstlerischen  Normen  entsprechende 
Gestalt  erhielt.  Während  bisher  in  der  Musik  nur  der  gerade  Takt  ge- 
herrscht hatte,  führte  er  nunmehr  auch   den  ungeraden  ^/h   Takt   ein  und 

')  Procl.  ehrest,  p.  245.     XQvao&e/nig   6  '.  lovTotg  fuXt]  negier i^eaay. 

KQf]<:  TiQühog  aroXri  x()i]a(i^eyog  exTigenei  xnl  \  *)  Plut.  de  mus.  c.  4. 

x(i^«(>«i'  (ii'aXaßüjy  eig  /utfit^aiy  tov  'A7i6XX<o-  ■  ^)  Athen.  XIV,  p.  025  E. 

vog  fxoyog  fjoe  yofioy  xai  evdoxtiiijaayiog  av-  ^)  Üher  diese  oXiyo^ogdia  vgl.  PJut.  de 

TOI»  diitfut'yet  6  TQonog  rov  (lytüyicfiaiog,  \  mus.  c.  18. 

'^)  Phit.    de   mus.  c.   ü.     eV  ro7g   yojuocg  ^  ")  Pollux  IV,  6(). 

ixccoTo)    dieriJQOvy    rijy    olxeiay    rdaiy.     dio  '  ^)  Plut.  de  mus.  c.  3  ff.  PoU.  IV,  79. 

xai  TC(VT7;y  ejiwyv^iay  ei/oy  xrX.  \  o)  Plut.  de  mus.  c.  28. 

•'}  Plut.  de  mus.  c.  J^     ol  noiovyreg  tnrj  \ 


GesohichtlicheB.  (§  198.)  857 

lehrte  die  Verbindung  der  verschiedenen  Rythmen  miteinander;  ferner  wird 
ihm  die  Erfindung  der  Parakataloge  beigelegt  d.  i.  der  melodramatischen 
Vortragsweise,  bei  welcher  die  Deklamation  einer  Dichtung  durch  die  Töne 
eines  Instruments  gehoben  wurde.  Er  wandte  hierbei  zur  Begleitung  den 
xksipiafißog  an,  während  er  sich  beim  Gesänge  der  lafißvxi]  bediente.*) 

Als  die  Normen  der  Aulodik  bereits  durch  Klonas  festgestellt  waren, 
wurden  die  Griechen  durch  einwandernde  Musiker  mit  der  phrygischeu 
Auletik  bekannt.  Dieser  neue  Zweig  der  Musik,  die  ipi^  avlr^aig,  fand 
in  Arges  die  Hauptstätte  seiner  Pflege  und  übte  durch  die  technische  Über- 
legenheit der  fremden  Auleten  grossen  Einfluss  auf  die  Entwickelung  der 
griechischen  Musik  überhaupt  aus.  Die  phrygischen  Auleten  brachten  neben 
den  beiden  nationalen  Molltonarten  der  Griechen,  der  dorischen  und  der 
äolischen,  zwei  neue  Durtonarton  zur  Geltung,  die  phrygische  und  die  lydi- 
sche.^)  Der  Name,  an  welchen  die  phrygische  Auletik  anknüpft,  ist 
Olympos;  dieser  gilt  als  der  Erfinder  des  enharmonischen  Tongeschlechts  ^) 
und  seine  ernsten  und  gemessenen  Weisen  wurden  viel  bewundert  und 
wegen  der  Beschränkung  des  Tonumfangs  gerühmt.*) 

2.  Die  weitere  Entwickelung  führte  den  Chorgesang  und  die  orche- 
stische  Musik  in  die  Eunstsphäre  ein.  Sparta  war  der  Mittelpunkt  dieser 
neuen  Kunstrichtung  und  der  Kreter  Thaletas^)  gab  der  Chormusik  feste 
Normen  und  verschaffte  ihr  einen  ständigen  Platz  in  dem  Agon  der  Gym- 
nopädien  (Ol.  28).  Die  lebhaften  Weisen  im  paeonischen  ^'s  Takte,  welche 
im  kretischen  Hyporchema  herrschten,  erhielten  durch  ihn  ihre  künstlerische 
Vollendung  und  begleiteten  die  Waflfentänze  der  spartanischen  Jugend, 
während  in  den  Paeanen  ein  ernsterer,  weihevollerer  Ton  waltete.  In 
gleichem  Geiste  wirkten  nach  Thaletas  Xenodamos^)  von  Kythera  und 
der  Lokrer  Xenokritos,')  welcher  aus  seiner  italischen  Heimat  die  lokri- 
ßche  Tonart  einführte.  —  Die  heitere  Weise  des  Volksliedes  schlug  der  in 
äolischer  Schule  gebildete  Alkman  an,  der  anmutige  Lieder  für  Jungfrauen- 
chöre komponierte  und  selbst  als  Chormeister  einübte.  —  Auch  anderwärts 
folgte  die  Entwickelung  des  Chorgesangs  dem  Vorgange  Spartas:  der  Hi- 
meräer  Stesichoros  und  der  Korinthier  Arion,  welchem  der  Dithyrambos 
seine  erste  künstlerische  Gestaltung  verdankte,  sind  Repräsentanten  dieser 
Bestrebungen. 

Auch  die  Solomusik  blieb  nicht  zurück:  die  Kitharodik  hielt  zwar 
im  ganzen  an  den  Terpandrischen  Satzungen  fest,  aber  sie  übernahm  von 
der  Auletik  die  phrygische  Tonart  und  eignete  sich  auch  die  von  Xeno- 
kritos  eingeführte  Lokristi  an.  Der  Aulodik  und  der  Auletik  erstanden 
grosse  Meister  in  Polymnastos  von  Kolophon  und  Sakadas  von  Argos.®) 
Dieser  war  der  erste,  welcher  (im  J.  586)  im  pythischen  Agon  mit  einem 
auletischen  Nomos  auftrat  und  ohne  Gesang,  was  der  Kitharode  durch  Worte 
darstellte,  durch  blosses  Flötenspiel  zur  Darstellung  zu  bringen  unternahm 


')  Athen.  XIV,  p.  636  B.  1  Athen.  XIV,  631. 

2)  Athen.  XIV,  p.  625.  «)  Plut.  de  mns.  9. 


^)  Plut.  de  mufl.  c.  7  und  11. 

*)  Plut.  de  mus.  c.  18. 

">)  Plut.  de  mus.  9.  42.    Strabo  X,  481. 


')  Poll.  IV,  65.    Plut.  de  mus.  10. 
8)  Plut.  de  mus.  8*>.  10. 


858  ^  Metrik,    e)  Anhang.    Die  Musik  der  Grieohen. 

und  es  erreichte,  dass  das  avkrjfia  forthin  einen  bleibenden  Bestandteil  des 
pythischen  Wettkampfs  bildete.  Der  aulodische  Oesang  hingegen  wurde,  weil 
er  einen  zu  traurigen  Eindruck  hervorrief,  von  den  Amphiktyonen  aus  dem 
Agon  ausgeschlossen.*) 

Ein  neuer  Zweig  der  musikalischen  Kunstübung,  welcher  in  dieser 
Zeit  aufkam,  ist  die  Kitharistik;  jedoch  konnte  sie  neben  der  immer 
mehr  aufblühenden  Auletik  keine  hervorragende  Bedeutung  erlangen. 

Das  weltliche  Lied  erhob  sich  auf  dem  sangreichen  Lesbos,  der 
alten  Pflegestätte  des  Saitenspiels,  zu  schöner  Blüte  durch  Alkaios  und 
Sappho  und  wurde  durch  diese,  welche  einen  zahlreichen  Kreis  von 
Schülerinnen  um  sich  scharte,  um  eine  neue  Harmonie,  die  mixolydische 
bereichert. 

3.  Seit  der  Pisistratidenzeit  wurde  Athen  der  Mittelpunkt  Griechenlands 
wie    für   die  geistigen   Interessen  überhaupt  so   auch    für   die    musischen 
Künste:  keine  Stadt  bot  so  viel  Anregung  und  Gelegenheit  wie  Athen  mit 
seinen  glänzenden  Festen  und  Agonen,  um  sein  Talent  zu  zeigen  und  seine 
Virtuosität    zur    Anerkennung    zu    bringen.      Hier    strömten     aus    allen 
Städt-en   von  Hellas  auch   die  Musiker   und  Virtuosen    zusammen   und  es 
entstanden   Musikschulen,   in   denen  die  jungen   Talente    unter   bewährten 
Meistern  sich  heranbildeten.    Der  hervorragendste  unter  den  Musikmeistern 
jener  Zeit  war  Lasos  von  Hermione,  welcher  als  der  Begründer  der  klas- 
sischen Periode  der  griechischen  Musik  gilt.  2)  In  dieser  erreichte  die  Chor- 
musik ihren  Höhepunkt  und  Pin  dar  und   Simonides   schufen    nicht  nur 
als   Dichter,    sondern   auch    als   Komponisten    Werke   von    hohem    Werte, 
welche    als    unübertreffliche  Muster  des  klassischen  Stils   von    den  Musik- 
kundigen der  späteren  Zeit  gepriesen  werden.  —  Neben  dem  Dithyrambus, 
welcher  alle  andere  Arten   des   Chorgesangs  in   den  Hintergrund    drängte, 
entwickelte  sich  in  dieser  Periode  die  dramatische  Chormusik,  die  bei 
ihren  ältesten  Vertretern    sich   vornehmlich   durch   die  grosse  Klarheit  der 
rhythmischen   Form   auszeichnete.     Phrynichos   und    Aeschylos   stehen 
als  Musiker  ebenbürtig   neben    Simonides   und  Pindar   und   sind    Vertreter 
des  erhabenen  Stils,  während  Sophokles  den  schönen   Stil    zur  Vollendung 
brachte.     Von  den  Komikern  gehört  der  älteren  Zeit  der  durch  seine  klang- 
reichen Melodien  ausgezeichnete  K ratin os  an;  auch  Aristophanes  ist  noch 
ein  begeisterter  Anhänger  der  alten  klassischen  Musik,  deren  Formenreich- 
tum er  mit  seltener  Virtuosität  beherrschte. 

4.  Aber  schon  in  Pindars  Tagen  begann  gegenüber  der  Strenge  der 
klassischen  Meister  ein  neuer  Geist  sich  zu  regen,  der  sich  über  die  bisher 
gezogenen  Schranken  hinwegzusetzen  versuchte,  und  je  mehr  die  musischen 
Wettkämpfe  die  Rivalität  steigerten  und  ein  musikalisches  Virtuosen  tum 
heranbildeten,  desto  mehr  kam  das  Bestreben  zur  Geltung,  die  Musik  von 
der  Dichtung  zu  emanzipieren  und  ihr  eine  unbeschränkte  Freiheit  zu  ver- 
schaffen; man  versuchte  durch  künstliche  Reizmittel,  Tonmalerei  u.  dgl.  die 

*)  Paus.  X,  7,  5.  I  xoXovd-tjijag  nXeioai  re  <p&6yyoig  xal  ^uqqiu- 

'^)  Plut.    de    nius.    c.    29.     Aäaog  .  .  sig  \  f^ivoig  xQTj(jafAr£yog   eig    fAsra&soiy   ttjy  rtQO- 

Tijy  d(Ov()((fÄßtxt]y    dywyfjy   fierccffrrjaag  tovg  ■  vTiaQ^ovaKr  tjyaye  fiovaixfjy. 

^vd^f^oiig  xui   Tfi  iwv  ttvXdiv  7ioXv(fOiyi(f  xara-  j 


TheoretisohM.  (§  199.)  859 

Gunst  des  Publikums  zu  gewinnen,*)  scheute  vor  Wechsel  des  Rhythmus, 
der  Tonart  und  selbst  des  Tongeschlechts  innerhalb  desselben  Musikstücks 
nicht  mehr  zurück  und  fand  Gefallen  an  verschlungenen  Melodien  und 
rauschender  Instrumentalbegleitung.  Der  Umschwung  ging  vom  Dithyram- 
bos  aus  und  ergriff  ebenso  den  altgeheiligten  Nomos  wie  die  Theatermusik. 
Allerdings  fehlte  es  nicht  an  Verfechtern  der  alten  strengen  Richtung  und 
selbst  die  Komödie  verschonte  die  neue  Musik  nicht  mit  ihrem  Spott,  aber 
bereits  Ol.  87  hatte  die  jüngere  Schide  die  Oberhand  gewonnen. 

Der  neue  Dithyrambos  fand  seinen  ersten  Vertreter  in  Melanippides, 
über  den  der  Komiker  Pherekrates  die  Musik  sich  beklagen  lässt,  dass  er 
sie  verdorben  habe;^)  sein  Nachfolger  Philoxenos  verband  mit  dem  Vor- 
trage der  kyklischen  Chöre  monodische  Gesänge;^)  als  schlimmster  Verderber 
der  Musik  aber  galt  den  Verfechtern  der  klassischen  Kunst  Kinesias,  der 
um  die  Gunst  der  Menge  buhlte^)  und  die  Zielscheibe  des  Spottes  der 
Komiker  wurde. 

Besonders  fand  im  Nomos  das  Virtuosentum  ein  Feld,  um  sich  bei 
den  Festagonen  durch  glänzende  musikalische  Leistungen  hervorzuthun. 
Die  alten  Satzungen  über  Tonumfang,  Wechsel  des  Rhythmus  und  der 
Harmonie  u.  dgl.  wurden  überschritten,  die  ruhige  und  gemessene  Haltung 
des  alten  Nomos  ging  verloren,  die  dithyrambische  Erregtheit  drang  auch 
hier  ein  und  es  kam  ein  völlig  neuer  Nomos  zu  stände.  Phrynis  war  der 
erste  Nomossänger  neuen  Stils, ^)  Timotheos  schloss  sich  ihm  an  und  gab 
dem  Nomos  die  forthin  geltende  Formation.^)  Beide  waren  Kitharoden.  Eine 
besondere  Bevorzugung  aber  erhielt  der  auletische  Nomos  in  dieser  Zeit, 
weil  der  Solovortrag  auf  der  Flöte  für  die  Mimesis  besonders  geeignet 
war  und  den  grossen  Festraum  leichter  beherrschte. 

Auch  die  scenische  Musik  konnte  sich  dem  herrschenden  Ge- 
schmacke  nicht  entziehen  und  musste,  je  mehr  die  Neuerungen  des  Dithy- 
rambos und  Nomos  dem  Publikum  zusagten,  dieser  Richtung  folgen.  Eu- 
ripides  gab  sich  gern  dem  neuen  Geschmacke  hin,^)  auch  Sophokles  folgte 
in  seinen  spätesten  Stücken.  So  findet  denn  die  neue  Musik  auch  in  der 
Tragödie  Eingang,  sowohl  im  Chorlied  als  besonders  in  der  Monodie,  welche 
für  die  effekthaschende  Mimesis  vorzüglich  geeignet  schien.  Als  Haupt- 
repräsentant dieses  Stils  gilt  in  der  Tragödie  Agathen.  —  In  dem  dithy- 
rambischen Stil  hat  die  Entwickelung  der  hellenischen  Kunstform  ihren 
Abschluss  gefunden. 

Theoretisches. 

199.  Töne  und  Intervalle.  Zwei  Töne  (y^^oy/oi)  sind  6fA6y>&oYYoiy 
wenn  sie  auf  gleicher  Tonstufe  (racig)  stehen,  oder  sie  bilden  ein  Intervall 
{diaarrjfia)  wenn  sie  verschiedenen  Stufen  angehören. 

Die  Intervalle  sind  teils  einfache  {mvvx^sto),  teils  zusammengesetzte 


')  PJut.  de  mus.  c.  12. 

')  Pherekr.  bei  Plut.  de  mus.  c.  80. 
ifiol  yaq  rJQ^B  rwy  xaxtoy  MeXaymnidrjg,  iy 
ToTai  TTQüirog  og  Xaßaiy  avijxi  [ab  xtX, 

^)  Plut.  de  muB.  c.  30. 

*)  Plut.  l.  J.  und  Plat.  Gorg.  502. 


^j  Procl.  ehrest,  p.  245,9.  Plut.  de  mus. 
6.  30. 

•)  Plut.  de  mus.  4.    Procl.  1.  c. 

'')  Es  hiess,  seine  Kompositionen  mache 
ihm  Kephisophon;  vgl.  Vita  Eurip.  und  Arist. 
Ran.  944.  1408.  1452. 


g(30  E.  Metrik,    d)  Anhang.    Die  Musik  der  Oriechen. 

{(jvvxJ^i^ta),  Zu  den  einfachen  gehören  das  Ganztonintervall,  rovogy  das  Halb- 
tonintervall,  ij^novior  (in  älterer  Zeit  dUaig\  und  das  VierteltonintervalL 
eraginoriog  dUcig  oder  dUaiq  schlechthin.  Zusammengesetzte  Intervalle  sind 
z.  B.  das  Quartenintervall,  to  diä  Teaadqfav^  das  Quintenintervall,  to  iw 
7tkVT€^  das  Oktavintervall,  to  Sid  natrwv  (sc.  x^Q^^^')-  —  Die  innerhalb 
der  üktave  liegenden  Intervalle  werden  auch  durch  folgende  mit  tarog 
gebildeten  Zusammensetzungen  bezeichnet:  ditovog  (grosse  Terz),  v^xoro; 
(übermässige  Quart  oder  falsche  Quinte),  TexQdtQvoq  (kleine  Sexte),  nfv- 
rdrorog  (kleine  Septime).  Grössere  Intervalle  als  die  Oktave  sind  z.  B. 
TO  itd  naawv  xai  did  tsaadquyv  (Undecime),  to  diq  did  Tratfwv  (Doppel- 
oktave) u.  a. 

Die  ein  Intervall  bildenden  Töne  sind  teils  symphonisch,  teils  dia- 
phonisch.  Zu  den  symphonischen  Intervallen  gehörte  die  Oktave,  die 
Quinte  und  die  Quart.  Die  Terz  rechneten  die  Griechen  nicht  zu  den  Kon- 
sonanzen, doch  mieden  sie  sie  keineswegs  und  empfanden  sie  wahrschein- 
lich nicht  viel  weniger  angenehm  als  wir.  Unter  naQdifwvoi  ^^o/yot 
verstanden  sie  Klänge,  welche  in  der  Mitte  zwischen  Konsonanz  und  Dis- 
sonanz liegen  und  zusammenangeschlagen  konsonierend  erscheinen,  wie  die 
übermässige  Quart  {f  h)  und  die  grosse  Terz  {g  h), 

200.  Die  Tonsysteme.  1.  Auf  ihrer  allerfrühesten  Entwickelungs- 
stufe  beschränkte  sich  die  griechische  Musik  auf  eine  Skala  von  vier 
Tönen,  ein  (rvarijfia  T^iQuxoQdo\\  und  zwar  bildete  der  tiefste  und  der 
ihm  nächstfolgende  höhere  Ton  ein  Halbtonintervall,  die  übrigen  Gauzton- 
intervalle: 

c  *   /'  1  //  1  a  a  \  h  \  c    \  d , 

2.  Aber  schon  vor  Terpanders  Zeit  erfolgte  eine  Erweiterung  dieses 
Tonsvvstenis:  man  verband  zwei  Tetrachorde  so  miteinander,  dass  der  höchste 
Ton  des  tiefer  liegenden  und  der  tiefste  des  höheren  zusammenfielen,  und 
Terpander  fand  bereits  zwei  Skalen  von  je  sieben  Tönen  (Heptachord- 
systeme)  vor: 

1.         V  \  (  \  (j  \  a  1  //  \  c    1   cX. 

IL         r.J  /•  1  g  r^T^  1  c    Cd. 

In  beiden  hiess  der  beiden  Tetrachorden  gemeinsame  Ton  (a)itifc(ri;,  der  höchste 
{d)  ri]it^  (i*ar/^),  der  tiefste  {(")  vtcuti]^  die  vier  andern  wurden  von  der 
Höhe  nach  der  Tiefe  zu  bezeichnet  als  7T(tQart]rr^  (c),  r^irry  oder  nagaiitc^ 
(h,  b),  /(^«log  (ry),  ttccqvttcci i^   T/). 

o.  Terpander  fügte  dem  ersten  der  beiden  Systeme  die  Oktave  des 
tiefsten  Tons  zu,  entfernte  aber,  um  die  Siebenzahl  nicht  zu  überschreiten, 
den  Ton  c'.  Das  Terpandrische  Heptachordsystem  hatte  also  die 
Oktave,  entbehrte  aber  der  Sexte: 

HI.     e  f  g  a  h  —  d  c. 
In  ihm  war  e    die  r/-i/^,  d  die  nagarrirrj,  h  die  rghi;. 

4.  Pythagoras  stellte,  indem  er  den  Ton  c  wieder  einsetzte,  das 
Oktachord  her: 

G  f  g  a  h  c    d  e. 
In  diesem  war  c   die  tQftr^  und  h  die  naQccjiu'atj, 


Theoretisches.  (§200).  861 

Die  vorterpandrischen  Heptachorde  waren  (fwi^fifiäva^  indem  die  fiacrj 
beiden  Tetrachorden  zugleich  angehörte,  das  Oktachord  war  die^evy^ 
fisrovy  indem  zwischen  beiden  Tetrachorden  ein  Ganzton  in  der  Mitte  lag. 
Da  das  zweite  Heptachord  (e  f  g  a  h  c  d)  neben  dem  Oktachord  im  Ge- 
brauch blieb,  unterschied  man  die  drei  höchsten  Töne  des  Heptachords 
(6  c  d)  und  des  Oktachords  {c  d  e),  welche  gleiche  Benennung  hatten, 
aber  unter  sich  verschieden  waren,  durch  den  Zusatz  (fvvrjii/xerwv  (sc.  x^Q' 
d(ov)  oder  Jttffvy^fVwr. 

Heptachord:  Oktachord : 


e 

i    f 

1  9 

1  o 

^\  b  \  c  \d 

e 

\fl 

g  l  a 

1  h 

1  c'  1  d'  1 7 

Ca 

55 

<2 

X 

•ft 

-55 

*:=^          55        *^ 

55, 

55 

<5 

a   -§ 

55 
55 

•^      a      'S 
'S.     R     -2^ 

-S          55        *^ 

;^ 

o. 

^ 

CS 

;^ 

Ä^ 

12 

^ 

§' 

^r> 

il' 

§' 

s^ 

-•?<, 
«i 

-?i 

-2i 

^^ 

-S 

«r!t 

(rvvrj/nfi6V(av. 

di€^€vyfiäv(üi'. 

5.  Aus  dem  Oktachord  entstand  durch  Hinzunahme  eines  dritten  Tetra- 
chords  tieferer  Lage,  welches  die  bisherige  vndrr^  als  Endton  benützte,  das 
Hendekachord.  In  diesem  führten  die  drei  neuen  Saiten  dieselben  Namen 
wie  die  des  mittleren  Tetrachords,  nämlich  inatr^^  nagvirart]  und  hjccvog^  aber 
man  unterschied  jetzt  vnunq^  TtuQVTtccTi^y  hxccvog  /xtcwv  und  vTiarrj^  naqvnavri^ 
Xixccvog  vndxoav  und  gab  den  drei  höchsten  Tönen  den  Zusatz  vt]%(t)v: 

H     c       d       e      f       g      a       h      c      d       e 

55.      'ö 

55, 


s» 

e. 

;ä 

S» 

s^ 

55 

55 

8- 

<5 

55 

Ä- 

-a 

5^ 

Ä- 

■ft 

;^ 

•^ 

;:^ 

^ 

5- 

55 

'S 
5^ 

55 

^ 
•^ 

«5J 

55 

--3 

*s 

55 

-25 

VTtttTcov  fiäffüDV  du^evyiiä' 

Durch  Hinzufügung  eines  tiefen  A  wurde  dieses  Hendekachord  zum 
Dodekachord;  der  neuhinzugenommene  Ton  hiess  7tQO(rkafxßav6i.uvog, 

6.  In  ähnlicher  Weise  wurde  auch  das  Heptachord  (II)  e  f  g  a  h  c  d 
erweitert,  zunächst  durch  drei  tiefere  Töne  zum  Dekachord,  dann  durch  den 
Proslambanomenos  zum  Hendekachord.  In  diesem  Hendekachord  hiessen 
die  drei  höchsten  Saiten  ^'yyrat  (rvvrjfifxhvcov  und  das  ganze  System  <rvvr^fifi€vov: 

AHcdefgabcd 

o 
c\ 
>-» 

55 


1'  « 

55 

-55 

55 

-a 

§^  1 

55 

^' 

<2 

55 

55 

■s        ^ 

o. 

-s 

;^ 

o. 

^» 

§' 

»n 

55. 

^r> 

-a 

.« 

vTtavcov 

H 

u'fXw 

V 

vrjT 

(ov  a 

ri'- 

rjfifievwv. 

7.  Dem  Dodekachord  wurden  noch  drei  höhere  Töne  (f  g  d)  zugefügt 
und  so  das  System  der  Doppeloktave  (ro  d\q  6id  naaüv  oder  nsvxaxm^ 
dsxdxoqdov  (TvaTv^fia)  gewonnen.    Die  neuen  Töne  führten  dieselben  Namen 


g62  £•  Metrik,    d)  Anhang.    l>ie  Musik  der  Griechen. 

wie  die  drei  höchsten  des  alten  Systems,  aber  mit  dem  Zusatz  v7t€QßoXaim\ 
Diese  Skala  nannte  man  das  vollständige  System,  räis^ov  cvcxr^^a: 
AHcdefgahcde     f     g      a 

ßoXaiwv. 

8.  Durch  Vereinigung  dieses  Systems  mit  dem  hendekachordischen 
Synemmenonsysteme  (6)  wurde  schliesslich  eine  Skala  von  18  Tönen  her- 
gestellt, ein  kombiniertes  Doppeloktavsystem.  Man  schaltete  nämlich 
hinter  der  ixtar]  (a)  die  drei  höchsten  Töne  des  Synemmenonsystems  (6  c  d) 
ein  und  Hess  dann  die  sieben  höchsten  Töne  des  vollen  Systems  (von  h  bis 
d)  folgen: 

AHcdefga\'bcd\hcde      f    g     d 

vnccKov       yLhCiüv  (fvvrjfi'  Sie^evy-  vtisq^ 

litviav  iiävvav  ßoXaiwv. 

Diese  Verbindung,  in  der  c  und  d  doppelt  erscheinen,  hatte  den  Zweck  alle 
Tonarten  in  den  verschiedenen  Transpositionsskalen  darstellen  zu  können. 
201.  Die  Harmonien  oder  Oktavengattungen.  1.  Auf  dem  voll- 
ständigen Systeme  (§  200,  7))  Hessen  sich  sieben  verschiedene  Oktaveninter- 
valle annehmen:  W — ä,  c — c',  d — d\  e— e',  f—fj  9^9 1  ^ — ^  oder  A—a, 
und  es  ergaben  sich  folgende  sieben  durch  die  Aufeinanderfolge  von  Halb-  und 
Ganztönen  verschiedene  Oktavenformen  {aQfioviaiy  eidr]  rwv  rov  did  Tracwr): 

1.  n.^c    d    e^    g    a    ä,      die  mixolydische, 

2.  c     d    c^    g    a    h^^c,      die  lydische, 

3.  d    e^^    g    a     h^    d\     die  phrygische, 
'^-      ^^    9    ^    Äv^c'    d    e,     die  dorische, 

5.  f    g    fi     Ji^^c     d    G^'y     die  hypolydische, 

6.  //     a     h^^c     d    c  ^f    g\     die  ionische  oder  hypophrygische. 

7.  \  I   rr'^  '      7  r  i    die  äoHschc  oder  hypodorische. 
\A  Jf^c      d     e^      g     «J  "^ *^ 

Ausser  diesen   sieben  üktavengattungen   werden    noch   folgende  vier 

namhaft  gemacht:   die   böotische  in  c,   die  syntonolydische   in  a,   die 

lokrische  in  a  und   die   syntonolokrische  in  t\   so   dass    im    ganzen   elf 

Oktavenformen  aufgezählt  werden. 

2.  Diese  elf  Oktaveneide  lassen  sich   auf   vier  Oktavenklassen  (ytM) 

zurückführen: 

I.  Dorisches  Moll,  ein  absteigendes  Moll  mit  fehlendem  Leitton. 

IL  Phrygisches  Dur,  ein  Dur  mit  kleiner  Septime. 

IIL  Lydisches  Dur,  ein  Dur  mit  falscher  Quarte. 

IV.  Lokrisches  Moll,  ein  dem  lydischen  Dur  paralleles  Moll. 

I.    Das  dorische  Moll  beruht  auf  dem  Dreiklange  a  c  e  und  heisst: 

dorisch  im  engeren  Sinne  {Swqktti),    wenn    die   Melodie   mit   der 

Quinte  {i>ndtrj)^)  abschliesst  {a  c  e); 

■)  Die  griech.  Theoretiker  bezeichnen  ]  vnujy-,  als  i';T«Tt;  schlechthin;  diese  Bezeicb* 
gewöhnlich  die  Klänge  so,  dass  sie  sie  mit  nung  heisst  orojjaaia  xard  dvvafny.  Bin- 
den Namen  belegen,  welche  sie  in  der  dori-  gegen  heisst  die  Bezeichnung  nach  derFunk- 
Bchen  Oktavengattung  haben,  also  «,  die  '  tion,  welche  jeder  Klang  in  der  betr.  Ha^ 
dor.  fjitat},   als  ^taiy  schlechthin,  c^   die  dor.  \   monie  hat,  oyo/naala  x«r«  Se'aiy. 


TheoreÜsohes.  (§  ^01.)  863 

äolisch  oder  hypodorisch  {aioXiffTi  oder  inodtaq^axi)^  wenn   sie 

mit  der  Prime  (ßs'ffrj)  schliesst  {a  c  e); 
böo tisch  (ßoicoriffti)  bei  Terzschlüssen  in  der  tqittj  {a  c^  e), 
IL  Das  phrygische  Dur  hat   zur  Grundlage  den   Dreiklang  g  h  d  und 
es  heisst: 
phrygisch  im  engeren  Sinne  {(pQvyiavi)  mit  Quiptschlüssen  (g  h  d); 
ionisch  oder  hypophrygisch  {xot^ocQci  laari^  dvsii^iävrj  latru)  mit 

Primschlüssen  {g  h  d); 
mixolydisch  oder  syntonoiastisch  mit  Terzschlüssen  {g  h  d). 
in.  Das  lydische  Dur  ist   basiert  auf  dem  Dreiklange  f  a  c  und   wird 
genannt: 

lydisch   im   engeren  Sinne  {IvökttC)  mit  Quintschlüssen  {f  a  c); 
hypolydisch    {xaXaQce   oder   äveifiävi]  Xvdusti)  mit  Primschlüssen 

syntonolydisch  {avvxovoq  Xviiatl  mit  Terzschlüssen  {f  a  c). 
IV.  Dem  lokrischen  Moll  liegt  zu  Grunde  der  Dreiklang  d  f  a;  es  führt 
den  Namen: 

lokrisch  schlechthin,  wenn  die  Melodie  in  der  Quinte  (d  f  a); 

syntonolokrisch,  wenn  sie  in  der  Terz  schliesst  {d  f  a); 
eine  Spezies  des  lokrischen  Moll  mit  Primschlüssen  kam,  so  viel  wir  wissen, 
nicht  vor. 

3.  Diese  elf  Harmonien  sind  nicht  alle  zu  derselben  Zeit  in  Ge- 
brauch gekommen,  sondern  erst  das  Ergebnis  einer  allmählichen  Ent- 
wickelung;  doch  gehören  sie  sämtlich  der  klassischen  Zeit  der  griechischen 
Musik  an. 

Terpander  kannte  bereits  die  dorische,  äolische  und  böotische  Har- 
monie, er  hat  also  in  dem  alten  nationalgriechischen  Moll  alle  drei  Melodie- 
schlüsse angewendet.  —  Die  Schule  des  Olympos  führte  aus  der  Fremde 
das  phrygische  Dur  mit  Quintenschluss,  die  (fQvyiaii^  und  das  lydische  Dur 
mit  Quinten-  und  Terzenschluss,  die  XvdiaTi  und  awravolvStari^  in  Hellas 
ein.  —  Die  ionische  Harmonie  wird  neben  der  dorischen  und  äolischen  zu 
den  ältesten  gerechnet  und  soll  zuerst  von  dem  ionischen  Dichter  Pyther- 
mos  angewendet  worden  sein.  —  Das  phrygische  Dur  mit  Terzschluss 
(mixolydisch)  wird  der  Sappho  als  Erfinderin  zugeschrieben.  —  Das  lokri- 
sche  Moll  mit  Quintenschluss  führte  der  epizephyrische  Lokrer  Xenokritos 
ein;  wer  zuerst  die  lokrische  Molltonart  mit  schliessender  Terz  gebraucht 
hat,  ist  nicht  bekannt.  -  Das  lydische  Dur  aber  mit  Primschluss  (die  xakaqd 
Xvdiari)  wurde  zuerst  von  dem  Athener  Dämon,  dem  Lehrer  Piatos,  zur 
Anwendung  gebracht. 

4.  Ethos  der  Harmonien,*)  Die  dorische  Harmonie  trägt  den 
Charakter  der  Einfachheit  und  Geradheit,  der  Ruhe,  Festigkeit  und  Männlich- 
keit, aber  sie  zeigt  auch  Härte  und  Strenge.  Plato  weist  ihr  in  der  Jugend- 
erziehung eine  bevorzugte  Stelle  an.  Sie  wurde  gebraucht  in  der  Eitharodik, 
Aulodik  und  Auletik,  in  der  Chorlyrik  und  der  Tragödie,  sowohl  im  Chor- 
liede  als  (besonders  in   der  älteren   Zeit)  in   den   Klagemonodien.  —  Die 

')  Plat.  Resp.  III,  p.  399.  Aristot.  Polit.  VIII,  5.  7.  Probl.  19,48.  Flut  de  mus. 
c.  14  sq.     Athen.  XIV,  624  sq. 


g()4  B.  Metrik,    e)  Anhang.    Die  Mnsik  der  Chriecheii* 

äolische  Harmonie  hat  etwas  Schwungvolles  und  Zuversichtliches,  sie 
zeigt  Fröhlichkeit  und  selbst  Ausgelassenheit  und  entspricht  dem  ritterlich 
aristokratischen  Wesen  des  äolischen  Stammes.  Ihre  Anwendung  fiand  sie 
im  kitharodischen  und  aulodischen  Nomos,  in  der  chorischen  Lyrik  der 
Dorier,  in  dem  äolischen  Liede  der  Lesbier  und  in  den  Monodien  der  Tra- 
gödie; vom  tragischen  Chorliede  war  sie  ausgeschlossen.  —  Die  phry- 
gische  Harmonie  bezeichnen  die  Alten  als  enthusiastisch  und  orgiastisch; 
sie  hatte  ihren  Hauptplatz  im  Dithyrambos,  der  Tragödie  aber  blieb  sie 
fremd,  bis  Sophokles  sie  in  Monodien  und  Threnoi  zu  gebrauchen  anfing. 
Die  lydische  Harmonie  hatte  einen  weichlichen  und  schlaffen  Charakter 
und  diente  hauptsächlich  dem  wehmütigen  Klageliede.  Plato  verschmähte 
sie,  Aristoteles  wollte  sie  zulassen.  —  Die  mixolydische  ist  wehmütig 
und  klagend,  sie  fand  in  der  monodischen  Lyrik  der  Sappho  und  im  tra- 
gischen Chorliede  häufige  Anwendung.  —  Die  ionische  und  die  hypo- 
lydische  nennt  Plato  weichlich  und  für  das  Trinklied  geeignet  und  wollte 
sie  von  der  Jugenderziehung  ausgeschlossen  wissen.  Sie  werden  im  tra- 
gischen Chorlied  nicht  gebraucht.  Die  lokrische  Harmonie  war  neben 
der  dorischen,  äolischen  und  phrygischen  in  der  Kitharodik  gebräuchlich, 
geriet  aber  nach  Pindars  und  Simonides*  Zeit  in  Missachtung. 

202.  Die  Tonoi  (Transpositionsskalen).  1.  Tonoi  oder  Traos- 
positionsskalen  hatte  die  griechische  Musik  anfangs  nur  drei:  den  dori- 
schen, den  phrygischen  und  den  lydischen;  später  fünf,  dann  sieben, 
nämlich  ausser  jenen  drei  noch  den  mixolydischen,  den  hypolydi- 
schen,  den  hypophrygischen  und  hypodorischen.  Diese  sieben  Tonoi 
entsprachen  unseren  7  Skalen  und  der  Skala  ohne  Vorzeichen  und  zwar: 
der  mixolydische  (hyperdorische)  Tonos  der  Skala  mit  67 
der  dorische  „         „         „„67 

der  hypodorische  „         „         „        n     4> 

der  phrygische  „  „  „        „     87 

der  hypophrygische  „  „  „„27 

der  lydische  „         „         „        „     1> 

der  hypolydische  «         »         »  ohne  Vorzeichen. 

2.  Aristoxenos    fügte   diesen  sieben    Tonoi    noch    sechs    neue    hinzu, 
darunter  vier  von  ihm  selbst  erfundene,  nämlich: 

den  hochmixolydischen  entsprechend  der  Skala  mit  lj{ 

den  tiefphrygischen  (iastischen)  ,,        »  »  2Jj 

den  tiefhypophrygischen  (hypoiast.)       ..        »  «  3Jt 

den  tief  lydischen  (aeolischen)  „       »         n  4^ 

den  tiefhypolydischen  (hypoaeol.)  „        «         „  SJ 

den  hyperphrygischen,  die  höhere  Oktave  des  hypodorischen,  47. 
Er  teilte  nämlich  die  Oktave  F  bis  f  m  12  Halbtöne  und  machte  jeden 
dieser  Halbtöne  zum  Proslambanomenos  eines  xovog  von  15  Tönen,  er- 
richtete also  auf  jedem  derselben  ein  volles  System  (§  154,  7).  So  ent- 
standen dreizehn  Tonoi,  von  denen  der  letzte  nur  die  höhere  Oktave  des 
ersten  ist: 


Theoretisches  (§  202.}. 


865 


F 


Fis 
Ges 


G 


41.      3#      21. 


o 

o 
3. 

CD 
O 

er 


ET. 
o 

CQ 
O 

er 


tr 

o 

GD 


ET. 


OQ 


Ais 
B 

61, 


H 


2#      31, 


Vi 

MO 

CQ 

g- 


PL. 

o 


g- 


ET. 

tr 


tr 


«3. 

CQ 
O 

er 


eis 
des 


Vi 

CD 
O 

tr 


11^ 

pu 

55* 
o 

tr 


es 


1«      4b 


5 
o 


VJ 

PL. 

CQ 

o 

er 


tr 

o 

o 

tr 

B 
o 


5^       2-      ^ 


Vi 

CD 
O 

er 


1- 

o 

er 


3.  In  der  Zeit  nach  Aristoxenos  kam  noch  die  höhere  Oktave  des 
zweiten  Tonos,  der  hyperäolische  (3Jt),  und  die  des  dritten,  der  hyper- 
lydische  (2t?),  in  Aufnahme,  und  so  ergaben  sich  im  ganzen  15  Tonoi: 
hypodor.  41.  hypophryg.  2  t.  hypolyd.  o.  V.  hypoiast.  3^  hypoaeol.  5Jf 
dorisch  5t.  phrygisch  3t.  lydisch  lt.  iastisch  2^  aeolisch.  4j| 
hyperdor.  6t.    hyperphryg.  4t.    hyperlyd.     2t.    hyperiast.  IJf    hyperaeol.  3J| 

4.  Jede  der  obengenannten  (§  155)  Harmonien  oder  Oktavengattungen 
konnte  nun,  wie  in  dem  hypolydischen  Tonos  ohne  Vorzeichen,  so  auch  in 
einem  der  anderen  Tonoi  gesetzt  sein,  also  z.  B.  die  dorische  Harmonie  im 
Tovog  XvSiog: 

a  h  c   d  e  f  g   a\ 


im  Tovog  (pQvywg: 
im  Tovog  ddqiog: 


g  OS  h  c   d  es  f  g\ 

f  ges  as  b  c   des'  es'  f. 

Harmonie 


ToDoi 

1.  tiefmixolyd. 

2.  dorisch 

3.  hypodorisch 

4.  phrygisch 

5.  hy^ophiTg. 

6.  lydisch 

7.  h)rpolydisch 

8.  hochmixolyd. 

9.  tiefphrygisch 

10.  tief  hypophryg.  3j(   -Fis 

11.  tieflydisch         4^    eis 

12.  tiefhypolyd.       5J}    Gis 


aeol.  I  mixol. 


6> 

31, 

2t, 

2« 


es 
B 
F 
c 
G 
d 
A 
e 
H 


f 
c 

G 

d 
A 

e 

H 
fis 
eis 
Gis 
dis 
Ais 


1yd.  I  phryg.  |  dor. 

ges  as  b 
es  f 
B        e 

f        9 
e         d 


hypoljd.  I  ion. 

ees       des     es 


des 
As 
es 
B 

f 
e 

9 
d 

A 

e 

H 


9 
d 

a 

e 
H 

fis 
eis 


a 

e 

h 

fis 
eis 
gis 
dis 


ges 
des 
cts 

es 

b 

f 
c 

9 
d 

a 

e 


as 
as 
b 

f 
c 

9 
d 

a 

e 

h 

fis 


9 
S 

a 

e 

h 

fis' 
eis' 
gis 


5.  Die  Tonoi  sind  nicht  alle  gleich  gebräuchlich  gewesen;  ihr  Ge- 
brauch richtete  sich  nach  den  verschiedenen  Kunstgattungen:  die  am  häu- 
figsten und  in  allen  Gattungen  angewandten  Tonoi  sind  der  lydische  und 
der  hypolydische,  die  seltensten  die  unter  8—12  aufgezählten,  unseren 
Kreuz-Skalen  entsprechenden,  von  denen  nur  der  hochmixolydische  und 
der  tiefphrygische  schon  vor  Aristoxenos  vorkamen. 

Anmerkung.    Dass  dieselben  Namen,  welche  die  Harmonien  tragen,  auch  bei  den 
noi  wiederkehren,  hat  darin  seinen  Grund,  dass  in  jedem  Tonos  ein  bestimmter  Abschnitt| 

QMidl^uob  der  kUae,  AltertiuMwlawuMichaft.  IL   2.  Aufl,  ^)!^ 


866  S-  Metrik,    e)  Anhang.    Die  Mnuk  der  Grieohen. 

nämlich  der  von  f  his  f  resp.  von  e  bis  e  die  Intervalle  der  betreffenden  Harmonie  er 

gibt  z.  B.: 

der  hypodorische  f    g^as    b    c^dea     es     f  (1,     V«>     1#     1»  V«.     h    1) 

der  tielhypophrygische      e  fis  gis^a    h     cis^^d       e  L       ^      j,      ^  ^      ,/       jj 

der  hochhypophiygische   /^    g     a^b    c       a^es      f  \  \ 

203.  Die  Tongeschlechter.  Ausser  der  oben  besprochenen  diato- 
nischen Einrichtung  des  Tetrachords  hatten  die  Griechen  noch  zwei  andere, 
nämlich  die  chromatische  und  die  enharmonische,  und  unterschieden 
dementsprechend  drei  durch  die  Grösse  der  Intervalle  und  die  Stufen  der 
Klänge  verschiedene  Tongeschlechter  {äquovixd  yivri).  Im  diatonischen 
Tongeschlecht  kommen  nur  Ganztöne  und  Halbtöne  vor  und  zwar  steht 
ein  Halbton  zwischen  zwei  Ganztönen.  In  den  beiden  andern  Tongeschlech- 
tern wurde  ein  Ganzton  weggelassen  und  ein  der  Skala  fremder  Ton  an 
anderer  Stelle  eingefügt,  und  zwar  fQgte  man  entweder  nach  dem  Halb- 
intervall einen  zweiten  Halbton  ein,  z.  B. 

h  c  eis  —  e  oder  a  b  h  —  d; 
dies  war  das  Chroma;   oder  man   schaltete   innerhalb   des  Halbtoninter- 
valls  einen  unserer  Musik  fremden  Viertelton  ein,  so  dass  der  Halbton  ge- 
rade in  der  Mitte  geteilt  war,  z.  B. 

h  h*  c  —  e  oder  a  a*  h  —  d. 
Dies  war  das  enharmonische  Tongeschlecht.    Die   Chromatik   liess  also 
nach  zwei  Halbintervallen  die  kleine  Terz  eintreten,  die  Enharmonik  nach 
zwei  Vierteltonintervallen  die  grosse  Terz. 

Diatonische  Oktave:  AH  c  de  f  g  a 
chromatische  Oktave:  AU  c  eis  e  f  fis  a 
enharmonische  Oktave:  A  H  II*    e  e  e*  f  a. 

Man  bezeichnete  im  Chroma  wie  im  Enharmonion  das  durch  die  drei  dichter 
nebeneinander  stehenden  Töne  gebildete  Intervall,  z.  B,  H  e  eis  oder  H  H*  c, 
mit  dem  Namen  ro  nvxrov  und  nannte  innerhalb  desselben  den  tiefsten 
Ton  ßaQv/rvxvogy  den  mittleren  ixeaonvxvoQ^  den  höchsten  o^imvxvog. 

Das  diatonische  Geschlecht  ist  seinem  Ursprünge  nach  das  älteste  und 
aus  ihm  sind  die  beiden  anderen  abgeleitet,  das  enharmonische  ist  das 
jüngste  und  am  schnellsten  wieder  ausser  Gebrauch  gekommene,  denn  schon 
zu  Aristoxenos*  Zeit  war  die  enharmonische  Musik  im  Schwinden  begiiflfen. 
Er  bezeichnet  dieses  Tongeschlecht  als  das  schönste,  edelste  und  geord- 
netste von  allen  und  beklagt  sein  allmähliches  Abkommen. 

Anmerkung.  Im  diatonischen  und  chromatischen  ToDgcschlecht  unterschied  min 
noch  sogenannte  XQ^^^*  Färbungen  oder  Schattierungen,  nämlich  (nach  Aristoxenos)  in  dem 
ersteren  das  (futioyoy  xovixaov  (oder  avvtoyov)  und  das  ^inxopoy  fAaXttxoVy  im  chromatischen 
das  XQ^f*^  xoviuioy  (oder  avvioyov)^  das  XQ^f^^  TJfÄioXioy  und  das  /^cJ^«  fiaXaxoy,  Das 
diaioyoy  avvtoyoy  ist  oben  beschrieben,  dem  ifuhoyoy  fiaXaxoy  fehlt  das  auf  den  Halbton 
folgende  Ganztonintervall  und  statt  dessen  tritt  ein  um  eine  enharmonische  Diesis  tieferer 
Ton  ein,  z.  B.       ^  ab   »/4  h*   (c)   d. 

Das  XQ^t^^^  xoyittioy  oder  avyxoyoy  ist  das  regelmässige,  aus  zwei  Halbtönen  und  kleiner 
Terz  bestehende,  das  tjfiioXioy  und  fiaXaxoy  bringen  ähnliche  Intervalle  wie  die  enharmo- 
nische Diesis  zur  Anwendung. 

Die  Notenschrift/) 

204.  Die  griechische  Musik  hatte  besondere  Zeichen  für  die  Tonhöhe 


^)  Alypios   p.  3  ff.     Gaudent.   p.  22  ff.  Boethius  4,3.  i4.  is.   Anon.  p.  78  f.    Porphyr. 
5.  Ptol.  II,  5  ff.    Arifitid.  p.  15. 


Theoretisohes.  (§  203.)  —  Die  Notexuiclirifk.  (§  204.>  g67 

und  für  die  Tondauer,  jedoch  waren  die  letzteren  nur  von  geringer  Zahl; 
vgl.  §  6  und  8. 

Die  Tonhöhezeichen  umfassen  die  Töne  von  E  bis  g\  also  wenig 
über  drei  Oktaven  und  sind  für  die  Instrumentalmusik  und  den  Gesang 
verschieden,  und  zwar  besteht  jedes  der  beiden  Systeme  aus  70  Zeichen. 

1.  Das  System  der  Instrumentalnoten  {arnisiarr^q  xqovasiog)  ist  offen- 
bar das  ältere  und  in  seiner  ersten  Entstehung  wahrscheinlich  auf  Poly- 
mnastos  (§  198,2)  zurückzuführen.  Zu  Grunde  liegen  ihm  dreizehn  Zeichen 
eines  alten  Alphabets,  welches  des  Vau  entbehrt.  Diese  Zeichen  entsprechen 
den  Klängen 

AHcdefgahcde'f 
in  der  Weise,  dass  für  g  bis  A  abwärts  die  sieben  ersten  Buchstaben  jenes 
Alphabets  (a  bis  ij),  für  die  Töne  von  a  bis  f  aufwärts  aber  die  sechs 
folgenden  Buchstaben  (i5^  bis  v)  gesetzt  sind;^)  vgl.  die  Notentabelle  unter 
I.  Instrumentalnoten.  Erste  Grruppc.  Es  wurde  also,  wie  es  scheint,  die 
jUficn;  (g)  mit  a,  die  6  tieferen  Töne  mit  ß  bis  i;,  die  sechs  höheren  mit  x/- 
bis  V  bezeichnet. 

Diese  Zeichen  wurden  aber  nicht  nur  als  oqd^d  d.  h.  in  ihrer  gewöhn- 
lichen Stellung  als  Noten  gebraucht,  sondern  auch  als  dveaTQafifxäva  d.  h. 
von  unten  nach  oben  gerichtet,  z.  B.  LU  U. ,  und  als  aTretrTQafi/xeva  d.  h. 
von  der  Rechten  zur  Linken  gewendet,  z.  B.  3  ^,  und  zwar  bezeichneten 
die  äveCTQafifiäva  die  Erhöhung  um  einen  Viertelton,  die  aTteCTQafifieva  die 
Erhöhung  um  einen  Halbton,  während  die  oQd-d  unseren  Noten  ohne  Vor- 
zeichen entsprachen,  also  z.  B. 

E  =  c,    üj  =  c*,    3  =  eis. 
Vgl.  die  Tab.  unter  I.  Erste  Gruppe  2.  und  3. 

Bei  einer  späteren  Erweiterung  der  Tonreihe  durch  das  tiefe  G  einer- 
seits und  die  beiden  Töne  g  und  K  andrerseits  benützte  man  für  diese 
drei  Töne  die  drei  letzten  Zeichen  des  Alphabets,  nämlich  (T  für  G,  t  und  v 
für  g'  und  A';  s.  Tabelle  I.  Zweite  Gruppe  1.  oqO^ü.  —  Auch  diese  drei 
Zeichen  wurden  nicht  nur  als  oQ^d,  sondern  auch  als  dvcfftQafifiäva  und 
dnscTQafifjiäva  gebraucht;  s.  Tabelle  I.  Zweite  Gruppe  2.  und  3. 

Bei  einer  nochmaligen  Vermehrung  des  Umfangs  der  Skala  durch  die 
sechs  höheren  Klänge  h'  c"  d"  e  f  g'  bediente  man  sich  keiner  neuen  Zeichen, 
sondern  benützte  die  Zeichen  der  um  eine  Oktave  tieferen  Töne,  indem 
man  ihnen  einen  diakritischen  Strich  zufügte.  Vgl.  Tab.  I.  Dritte  Gruppe 
1.  hqy^d.  Auch  jedes  dieser  sechs  Zeichen  hatte  eine  dreifache  Stellung  als 
oQx^ai'j  ttveCTQafifjievov  und  dneCTQafinbvov. 

2.  Das  System  der  Gesangnoten  ist  späteren  Ursprungs,  da  es  die 
24  grossen  Buchstaben  des  neuionischen  Alphabets  verwendet.  In  diesem 
Systeme  wurde  der  Ton  fis  mit  A  bezeichnet  und  mit  den  folgenden  Buchstaben 
des  Alphabets  die  tieferen  Klänge  bis  f,  so  dass,   indem  für  jeden  tieferen 


')  Um  die  richtige  Deutung  der  alten 
Notenzeichen  hahen  sich  nach  Westphal 
besonders  Deecke  und  K.  v.  Jan  verdient 
gemacht^  namentlich  durch  das  Erkennen  der 
Zeichen  des  a,  cT  und  i.  Das  Zeichen  für  den 


Ton  a  aber  wird  schwerlich  etwas  anders 
als  ein  (geändertes)  9  sein.  Auch  in  Bezug 
auf  die  Wichen  für  G,  g  d,  welche  hier  als 
<r,  r  und  v  gedeutet  werden,  gehen  die  Mei- 
nungen auseinander. 


ggg  E.  Metrik,    e)  Anhang..  Die  Musik  der  CMeolieiL. 

Viei-telton  ein  neues  Zeichen  verwendet  wurde,  die  24  Buchstaben  dieses 
Alphabets  in  ihrer  Reihenfolge  genau  den  24  Instrumentalnoten  von  fis  bis 
entsprachen.  Vgl.  Tabelle  II.  Gesangnoten  erste  Gruppe  und  atjfuTa  «-c 
Xä^aoaq  2.  Z.,  (fijfisTa  rrfi  xQOvaeoog  2.  Z. 

Für  die  tieferen  und  höheren  Klänge  wurden,  als  sich  das  praktische 
Bedürfnis  geltend  machte,  dieselben  24  Buchstaben  in  geänderter  Stellung 
und  Form  (besonders  umgekehrt  und  zum  Teil  verstümmelt),  aber  in  der 
gewöhnlichen  Ordnung  verwendet,  nämlich  für  die  tieferen  Klänge  von  eis 
bis  6r  die  18  Buchstaben  von  Alpha  bis  Sigma,  für  die  höheren  Klänge  die 
6  Buchstaben  von  Tau  bis  Omega.  Vgl.  die  Tab.  II.  Gesangnoten  zweite 
Gruppe  und  cr^piata  rf^g  Xä^ewg  1.  und  3.  Zeile. 

Für  die  noch  höheren  Klänge  von  A'  bis  g",  für  welche  die  Instm- 
mentalnotierung  den  diakritischen  Strich  gebraucht  hatte,  wurde  dasselbe 
Auskunfsmittel  auch  im  Gesangnotensystem  angewendet,  also  entsprach  dem 
A  =  fis  ein  A  =  fis'\  dem  0  =  ä  ein  0  =  h'  u.  s.  w.  Vgl.  Tab,  IL  Ge- 
sangnoten, dntte  Gruppe, 

Der  späteste  Zuwachs,  welchen  beide  Notensysteme  erfuhren,  nmfasste  die  Klänge 
von  E  bis  Fis  (Ges),  für  welche  die  6  letzten  Buchstaben  des  Alphabets  in  verschiedener 
Stellung  (meist  liegend)  gewählt  wurden;  vgl.  Tab.  I  und  II.  Vierte  Gruppe.  Das  Prinzip 
der  Instrumentalnotierung,  dasselbe  Zeichen  in  verschiedener  Stellung  für  die  drei  Klänge 
des  nvxvöy  zu  verwenden,  ist  hier  durchbrochen. 

Die  musikalischen  Instrumente/) 

205.  Die  Griechen  besassen  eine  nicht  geringe  Zahl  verschiedenartiger 
Saiten-  und  Blaseinstrumente. 

1.  Die  Saiteninstrumente  wurden  sämtlich  entweder  mit  den  Fingern 
gespielt  oder  mit  dem  Plektron  geschlagen;  jenes  hies  ipdXk^iv^  dieses 
xQovsiv,  XQ6X61V,  TtXiflaeiv,     Streichinstrumente  blieben  ihnen  fremd. 

Das  alte  nationale  Saiteninstrument  war  die  Lyra,  Xvqa^  bei  Homer 
x(i>ctqig  oder  (fOQfxiY^  genannt,  der  Sage  nach  von  Hermes  erfunden.  Sie 
war  klein  und  einfach  und  diente  dem  täglichen  Gebrauche,  insbesondere 
beim  Unterrichte  der  Jugend.  Die  Kithara,  xiO^ccQa^  welche  zuerst  von 
Terpanders  Schüler  Kepion  gebraucht  worden  sein  soll,  ist  das  jüngere, 
grössere  und  entwickeltere  Instrument  und  fand  im  festlichen  Agon  seine 
Anwendung. 

Die  Einrichtung  beider  war  im  wesentlichen  übereinstimmend,  nur 
waren  bei  der  Lyra  alle  Teile  kleiner  und  handlicher,  sowohl  der  —  ur- 
sprünglich aus  der  Schildkrötenschale  und  darüber  gespanntem  Tierfelle 
hergestellte  —  Resonanzkasten  {rixeiov),  als  die  aus  Ziegenhörnern  gebildeten 
Arme  {^fiX^ig)  und  das  sie  verbindende  Joch  (^vyov)]  bei  der  Kithara  alles 
umfangreicher  und  auf  Verstärkung  des  Tones  berechnet,  so  besonders  das 
von  Holz  angefertigte  gi'osse  Schallgehäuse  und  die  breiten  ausgehöhlten 
Seitenteile.  —  Die  Saiten  {xoQÖai)  waren  aus  Därmen  oder  Sehnen  gedreht 
und  wurden  mittels  der  Wirbel  {xoXXoTieg)  am  Joch  befestigt  und  gespannt. 
Ein  Griffbrett,  wie  bei  der  Guitarre,  gab  es  nicht  und  jede  Saite  gab  nur 


')  PoUux  IV,  70.  80.    Athen.  XIV,  36.- 


Die  griechischen  Notensysteme. 

C9-x;  o.>T|£(i)3|HyHi  hx  ri:Eiu3;  Hj-h  i  ri_i :  a*  a.^ 

F  Ü.1  :C  W  5  i  K  ^  >l  n  <  A  :  <  >•  >  :  C  U  3  :  N  /  \ 
|ZXX:V\K>||Ri>j:n<Ä  :<v^.  £0  3;  N7\:Z 

ii^X:  -a-<H|3bU;  9AVM:  WViC:  -/Kh:  7FV:  IRV  IflM'X 

<I>YT;  CPÜi  OENi  MAK:  I  ©H:  ZEA  :  TBA 

lUihXi^Ail  ÖlN;  MÄiC:  T0H:  ZEÄ  i  rBÄiÜ 


I.  Instramentalnoten. 

Erste  Gruppe.  Zieeite  Gruppe. 

1.    OQ&ä. 


HhEhrA'FCKn<CN 
^    HcdefgahC    d'    e'  f 


£  ...Z  v\ 

(«r)      (t)  (.0 
6f   ...if'    c' 


2.  ttvem qanfisva. 


ü 


Ul  XU 


U.  wr   ^  <   V     U  / 


OJ...  X  K 


Dritte  Gruppe. 


K  n    <   C    N  z 

A'   c"   (V*   &*  f  g" 

i  <    V   u     7 


A    U    e    d  e   f     g    a    h  &  d'     e   f 
ces  fes  ces*  fes" 

3.  anfCTQafifiäva. 


G        g*    a' 


h'    &*    d"    (^'   f' 


ceft 


n 


fes" 


Hrl3Hl^lD>IA>3\ 

Ä  is  His  cisdiseis  fis.  gisais  his  eis'  dis'  eis'  fis' 
B        des  es     ges  as  b       des'  es'       ges' 


3  ...  A   N 

(iis     gis'ais' 

As       fis'  h' 


>l  A    ^     3     \ 

his'cis"dis"eis"  fis" 
des"  es"        ges" 


Vierte  Gruppe, 

c:    9-     X  i     0.>  T 
E.        Eis       F.      Fis. 

Ges 

n.  Qesangnoten. 

Erat«  Gruppe, 

ßi|i  X:  <D  YT  .  cpn:  OH  N:  MA  K 

g     gis     a     ais     h       Jus    c'      eis' 
as  b  des* 

Zweüe  Gruppe. 

9AV  Mi  WV:^  :  -Ah:  7  F  V 

A     Ais    H.    His     c      eis      d      dis 
Ji  des  es 

Brüte  Gruppe, 

ÖHN:  MÄ  KiTÖR:    ZEA:fBÄ:lf 
h'     his'    e"    eis"    d"   dis"    e"    eis"    p'     fis"    g" 

des"  es"  ges" 

Vierte  Gruppe. 

E        Eis     F      Fis. 

Ges. 


fis 
ges 

3büi 

G      Gif 
As 


I  eH 

d'      dis' 
es' 

1  R  V 

e       eis 


ZEAi  PBA 

e'     eis'    f     fis' 

ges- 

Urh  Xi^Ai 

g*     gis'    a*    ais* 
as'  h* 


Die  musikalischen  Instrumente.  (§  205.)  —  litteratnr.  869 

einen  Ton  an.  Das  Plektron,  ein  Stäbchen  aus  Holz,  Elfenbein  oder 
Metall,  war  an  der  Spitze  blatt-  oder  herzförmig  gestaltet. 

Das  Barbit on,  besonders  von  den  Lesbiern  und  Anakreon  benützt, 
war  eine  Abart  der  Lyra  und  unterschied  sich  von  ihr  durch  schlankere 
Seitenarme  und  längere  Saiten.  Es  diente  vornehmlich  bei  fröhlichen  Ge- 
lagen und  Schwärmereien. 

Unserer  Harfe  ähnlich  waren  das  —  aus  Syrien  oder  Phrygien  stam- 
mende —  Trigonon  und  die  Sambyke,  beide  von  dreieckiger  Gestalt, 
jenes  durch  tieferen,  diese  durch  höheren  Ton  charakterisiert.  Vielsaitig 
waren  die  Magadis  und  das  Simikion,  jene  hatte  20,  dieses  35  Saiten. 

2.  Die  Blaseinstrumente  werden  im  allgemeinen  mit  dem  Namen 
avXoC  bezeichnet.  Im  engeren  Sinne  war  der  Au  los  ein  unserer  Oboe  oder 
Klarinette  ähnliches  Instrument,  welches  mittels  eines  Mundstücks  i^i-iiog) 
geblasen  wurde  und  den  Ton  durch  ein  vibrierendes  Blatt  (yXwxto)  hei*vor- 
brachte.  Die  avXoi  waren  verschieden  nach  ihrer  Grösse  und  der  Zahl 
ihrer  Tonlöcher  {TQ^fiara,  tqvnri^ata),  deren  es  anfangs  nur  3 — 4,  später 
mehr  gab.  Statt  der  Klappen  dienten  bewegliche  Metallreifen,  durch  deren 
Drehung  man  die  Löcher  öffnen  und  schliessen  konnte.  —  Die  Alten  pflegten 
zwei  solcher  avXoi  zusammenzublasen. 

Die  Syrinx  oder  Pansflöte  bestand  aus  einer  Anzahl  (7—9)  Röhren 
von  abnehmender  Länge;  sie  fand  künstlerisch  keine  Verwendung. 

Auch  die  Blechinstrumente  {aaXniYyeq)  standen  ausserhalb  des 
Kunstbereichs. 

Quellen.  Antiquae  musicae  auctores  Septem  gr.  et  lat.  Marcus  Meibomius 
restituit  ac  notis  explicuit.  Amstelod.  1652.  2  voll.  4.  (Inn.:  Aristoxeni  Harmon.  elem.  libri  III. 
Euclidis  introductio  härm.  Nicomachus.  Alypius.  Gaudentius.  Bacchius.  Marciani  Ca- 
pcllae  de  musica  libr.  IX). 

Aristoxenus:.  Die  harmon.  Fragm.  des  A.  griech.  u.  deutsch  hgg.  von  P.  Mab- 
QUABDT.  Berlin  1868.  —  Aristoxene,  Elöm.  harmoniques  trad.  en  fran^.  p.  Gh.  £m.  Ruelle. 
Paris  1870.  —  Aristoxenus.  Metrik  u.  Rhythmik  des  klass.  Hellenentums,  übers,  u.  erl. 
V.  R.  Westphal.  Leipz.  1883.  Vgl.  K.  v.  Jan,  Die  Harmonik  d.  Aristox.  inPhilol.  XXIX 
(1869)  p.  300  ff.  XXX.  p.  398  ff.  u.  die  Harmonik  d.  Aristox enianers  Eleonides.  Landsbg. 
a.  W.  1870. 

Aristides  Quintilianus  de  musica  libri  III  ed  A.  Jahvius,  Berol.  1882  und  krit. 
Material  bei  Studekund  in  Breslauer  Philol.  Abhdlg.  I,  3  p.  121—152. 

Plutarch  nsQi  fjLovcixijg  von  R.  Yolkmank.  Lips.  1856;  hgg.  griech.  u.  deutsch 
mit  Erläuterungen  v.  R.  Westphal.    Breslau  1865. 

ClaudiiPtolemaei  Harmonie,  libii  III.  rec.  et  notis  iUustr.  J.  Wallis.  Oxon.  1682.  4. 

Anonymi  scriptio  de  musica.  Bacchii  senioris  introd.  artis  musicae.  ed.  Fb. 
Bellebmann.    Berol.  1841.    4,  —  Westphal,  Gr.  Metrik  I.*  Suppl.  p.  46  ff. 

Tres  canones  harmonici  ed.  Ad.  Stamm  in:  Studemund,  Anecd.  Varia  I.  p.  1  fg. 
Berol.  1886. 

Manuel  Bryennius:  W.  Chbist,  Über  die  Harmonik  d.  Manuel  Bryennios  u.  d. 
System  der  byzant.  Musik.    München  1870  (Akad.  Abb.). 

Martianus  Gapella  rec.  Fbanc.  Eyssenhabdt.    ups.  1866. 

Boethius,  De  institutione  musica  libri  V.  ed.  G.  Ibiedlein.  Lips.  1867.  --  Fünf 
Bücher  üb.  d.  Musik  übertr.  u.  sachl.  erkl.  v.  Ose.  Paul.    Leipz.  1872. 

Bearbeitungen.  Allgemeineres:  vgl.  die  Litteraturübersicht  in  Boeckh's  Ency- 
klop.  d.  philol.  Wissensch.  Leipz.  1877.  2.  A.  1886.  —  J.  Wallis,  Appendix  de  veterum  har- 
monica  ad  hodiemam  comparata  in  s.  Opn.  mathem.  tom.  III.  Oxon.  1699.  fol.  p.  153—182. 
--  Marpubo,  Krit.  Einleitung  in  d.  Gesch.  d.  alten  und  neuen  Musik.  Berl.  1759.  4.  — 
Bübney,  History  of  music.  London  1776—89.  4  Bde.  —  A.  Boeckh,  Übersicht  üb.  d.  alte 
Harmonik  in  d.  Sehr.:  Über  die  Bildung  der  Weltseele  im  Timaeos  des  Piaton.  1807. 
Kl.  Schriften  HI,  136-180.  De  metris  Pindari.  Lips.  1811.  lib.  IH.  ep.  VH-XH.  —  C. 
Fobtlaoe,  Das  musik.  System  d.  Gr.  in  seiner  Urgestalt.  Leipz.  1847.    Ders.  in  Fault's 


g70  I'«  Metrik,    e)  Anhang.    Die  Musik  der  Griechen« 

Realencyklop.  d.  klass.  Altert.-Wi88en8ch.  VI,  1.  Abth.  (1852)  p.  593-610  u.  in  Ersch  n. 
Gruber's  Encyklop.  (Griech.  Musik)  1868.  —  R.  W^tphal,  Harmonik  n.  Melopöie  d.  Gr. 
in:  Rossbach  u.  Westphal,  Gr.  Metrik  II,  1.  Abt.  Leipz.  1863.  Ders.,  Geschichte  der  alten 
u.  mittclaltorl.  Musik.  Breslau  1865  (unvollstfindig).  Ders.,  Griech.  Rhythmik  and  Har- 
monik in:  Gr.  Metrik.  2.  A.  I.  Leipz.  1867.  3.  Aufl.  Leipz.  1886.  Ders.,  Die  Musik  d.  griech. 
Altertums.  I^eipz.  1883.  —  0.  Paul,  Die  absol.  Harmonik  d.  Gr.  Leipz.  1867.  4.  —  C. 
Lang,  Kurzer  Überblick  üb.  d.  altgriech.  Harmonik.  Heidelbg.  1872.  Progr.  —  W.  CBA^ 
FELL,  tlie  bist,  of  music.  I.  London  1873.  —  F.  A.  Gevabrt,  Hist.  et  thöorie  de  la  musiqne 
de  Tantiquitä.  Gand.  1875.  81.  2  Bde.  —  A.  W.  Ambros,  Geschichte  d.  Musik.  3.  Aufl.  L  Bd. 
von  B.  V.  SoKOLowsKY.  Leipz.  1887.  —  K.  v.  Jan  in  Baumeisters  Denkmälern  (Artikel 
Musik)  p.  974—983. 

Spezielleres.  A.  J.  H.  Vincent,  Notations  scientifiques  ä  Tdcole  d*Alexandrie 
in:  Revue  archdolog.  Janvier  1846.  —  Fr.  Bellermakk,  Die  Tonleitern  und  Musiknoten  d. 
Gr.  Berlin  1847.  4.  —  A.  Zieoler,  Unters,  auf  d.  Gebiete  der  Musik  d.  Gr.  Czu  Ptolemlas 
ovofjaaicc  xnxit  &^aiv),  Lissa.  1866.  Progr.  -  J.  Papastamatopülos,  Studien  z.  alten  gr. 
Musik.  Bonn  1868.  —  H.  Guhraueb,  Der  pyth.  Nomos  in:  Jahrb.  f.  klass.  PhiloL  8.  Sappl- 
Bd.    1876.   p.  311-351.  —  Zur  Geschichte  der  Aulodik.    Waidenburg  i.  Schi.  1879.  Progr. 

—  Ern.  David  et  M.  Lussy,  Hist.  de  la  notation  musicale.  Paris  1882.  —  H.  RxniAjrF, 
Studien  zur  griechischen  Musikgeschichte  I  (Nomos).  Ratibor  1882  II  (Prosodien).  Glatz 
1885.  —  D.  Sakellabios,  Die  musikalische  Jugendbildung  im  griechischen  Altertom. 
Athen  1885.  —  H.  Guurauer.  Musikgeschichtliches  aus  Homer.  I.  Lauban  1886.  —  Ed. 
LObbebt.  Melet.  de  Pindari  studiis  Tcrpandreis  Bonn  1886.  4.  Ders.  De  Pindarioorom 
carminum  compositione  ex  nomorum  historia  illustranda.  Bonn.  1887.  4.  —  K.  v.  Jas, 
Die  musischen  Festspiele  in  Griechenland  in  Verhdlgg.  d.  39.  Pbilol.Vslg.  (Zürich).  Leipng 
1888.  p.  71 — 89.  —  0.  Crusius,  Über  die  Nomosfrage,  ebenda  p.  258 — 276  and  in 
Wochenschr.  f.  klass.  Philol.  II  (1885)  p.  1293  ff.  IV  (1887)  p.  1380  ff.  —  E.  Grap,  De 
veterum  ro  musica.    Marburg  1889. 

Mnsikreste.  Vino.  Galilei,  della  musica  antica.  Fiorenza  1581.  —  Athahasiüs 
KiRCHER,  Musurgia  universalis.  1650.  I.  p.  622  f.  (Melodie  zu  Pindar.  Pyth.  I.).  —  Die 
Hymnen  des  Dionysius  u.  Mesomedes.  Text  u.  Melodieen  bearb.  v.  Fb.  Bellermasi. 
Berlin  1840.  -  -  C.  Behaohel,  Die  erhaltenen  Reste  altgriech.  Musik.  Heidelbg.  1844.  Progr. 

—  R.  Westphal,  Gr.  Metrik  V  Supplem.  p.  49-65  (1867).  —  C.  Lako,  Alt^'ech.  Har- 
monik (1872)  Beilage  b:  ,die  antiken  Musikreste*.  —  R.  Westphal,  Musik  der  Gr.  (1883). 
Anhang  p.  324.  341.  Die  Hymnen  des  D.  u.  M.  u.  die  Beisp.  des  Anonymus.  —  F.  A 
Gevaert  I  374.  445  ff. 

Instrumente.  A.  Boeckh.  De  metris  Pindari  p.  258  sq.  —  K.  v.  Jan,  Die  griech. 
Saiteninstruni.  in  Archäol.  Ztg.  XVI.  (1858)  p.  181  —  190.  Ders.,  De  fidibus  Graecorum. 
Berol.  1859.  diss.  —  R.  Gräbner,  Do  organis  veterum  hydraulicis.  Berol.  1867.  —  J. 
Sommerbkodt,  Die  Flöte  im  griech.  Altertum  in:  Scaenica.  Berol.  1876.  p.  295—311.  — 
Fr.  Esmann,  De  organis  Graec.  musicis.  Rost.  1880.  —  Gevaert  II,  p.  243  ff.  —  K.  v.  Jak. 
Die  griech.  Saiteninstrumente.  Leipz.  1882.  Progr.  v.  Saargemünd.  Ders.,  Die  Musikinstr. 
d.  Gr.  u.  Römer.  Landsbg.  a.  W.  1884.  Festschr.  Ders.  in:  A.  Baumeister,  Denkmäler 
d.  klass.  Altertums  I.  p.  553—569  und  III.,  p.  1539  ff. 

Abbildungen  von  Saiteninstrumenten  bei  Baumeister  Denkm.  nr.  1603 — 1608  und 
nr.  18.  82.  83.  104.  118.  120.  492.  495.  848.  1652.  1809;  von  Flöten  und  Flötenbl&sem 
nr.  590-598  und  422     -24.  479.  1052.  1712.  1800. 

über  die  neueren  Erscheinungen  auf  dem  Gebiete  der  griech.  Musik  berichtet 
II.  GuuuAUER  in  Iw.  MüUcr's  Jahresber.  1885.    p.  1  ff. 


Nachtrag  zu  S.  885. 


Infolge  eines  Versehens  sind  die  Nachträge  und  Berichtigungen  zu  Bogen  23  und  24 
der  lateinischen  Formenlehre  in  das  erste  Verzeichnis  nicht  mehr  aufgenommen  worden. 
Einige  früher  übersehene  Druckfehler  haben  sich  bei  der  Anfertigung  des  alphabetischen 
Index  ergeben  und  sind  gleichfalls  im  Folgenden  verzeichnet.  Endlich  habe  ich  auch  noch 
die  mir  bis  Mitt«  September  d.  J.  bekannt  gewordene  Litteratur  aufgeführt ;  besonders  wün- 
schenswert erschien  es  mir  aus  dem  wichtigen  Buche  von  J.  Schmidt  ,Die  Pluralbildungen 
der  indogermanischen  Neutra,  Weimar  1889**,  das  ich  im  Folgenden  kurz  mit  «Schmidt, 
Pluralbild/  bezeichne,  die  auf  das  Lateinische  bezüglichen  Stellen  in  aller  Kilrze  auszuheben. 

S.  246  zum  Kapitel  «Afrikanisches  Latein*^  vgl.  den  Aufsatz  von  Wölfflin  im  Arch.  f.  lat. 

Lex.  6,  1  ff. 
S.  257  Z.  19  V.  u.  vgl.  wegen  aries  auch  Schmidt,  Pluralbild.  173,  und  füge  mit  Rücksicht 

auf  die   Ausführungen   des  eben  genannten  Gelehrten   a.  a.  0.  lat.  assir  (asser 

Gloss.  Labb.,  Löwe,  Prodr.  142)  neben  gr.  tag  hinzu. 
S.  2C0  Z.  22  V.  0.  vgl.  wegen  des  auslautenden  indog.  öu  auch  Bartholomae  Bezz.  B.  15, 

17  Anm.  1;  wegen  der  indog.  Dative  auf  -ö  jetzt  auch  noch  Schmidt,  Pluralbild. 

234  Anm. 
S.  263  Z.  1  V.  0.  ist  zu  peluis  zu  bemerken,  dass  dasselbe  von  Schmidt,  Pluralbild.  68  aus 

*pelovis,   vgl    skr.  pälavi,  hergeleitet  und  somit  als   eine  selbständige   Bildung 

neben  pelvis  (=  gr.  neXXig  S.  61)  betrachtet  wird.  Über  den  Ablaut  u  u  ^  ders.  219. 
S.  264  §  16  füge  man  hinzu :  sica  (=  *seC'ä),  sacena  dolabra  pontificalis  Festus  318,  saxum, 

vgl.  Schmidt,  Pluralbild.  204. 
S.  270  Z.  29  V.  u.  bemerke   man,  dass  Schmidt,  Pluralbild.  148  wegen  peiero  ein  -iürare 

ansetzt,  wozu,  wie  mir  scheint,  keine  Nötigung  vorliegt. 
S.  272  §  31.    Nach  Schmidt,  Pluralbild.  407  Anm.  enthalten  atistia,  ausculari,  ausciUum, 

aureaSy  aureax,  aunga  indog.  au,  zu  welchem  ös  =  *ö%^  im  Ablautsverhältnis 

stehe,   vgl.  auch  221.    Bezüglich   des  Überganges  von  au  in  o  führt  Becher, 

Arch.  f.  lat.  Lex.  6,  84  an,  dass  Bx^cheler,  Rh.  M.  11,  510  f.  aus  Giceros  Briefen 

pollulum  und  oricula  nachgewiesen  habe. 
S.  273  Z.  20  V.  u.  lies  ,prän.'*  statt  «päl.* 
S.  274  Z.  19  V.  o.  1.  ,,noenum'^  statt  ^noenom'^ ;  ib.  Z.  18  v.  u.  ist  vor  fl(*co-ept)*   „coepi* 

einzuschalten 
S.  276  Z.  15  V.  u.  1.  Jocent"  statt  ^docBnt." 
S.  277  Z.  23  V.  o.  sei  erwähnt,  dass  über  das  Verhältnis   der  lat.  Formen  des  Lehnwortes 

Hercules  zu   der  griechischen  eine  ganz  andere,   die  lat.  Beton ungsverhältnisse 

nicht  berücksichtigende  Ansicht  Meister,  Griech.  Dial.  2,  94  vorbringt. 
S.  279  Z.  12  V.  u.    Über  den  zweiten  Bestandteil  des  Komp.  acci-piter  handelt  Schmidt, 

PluralbUd.  173  ff. 
S.  281  Z.  14  V.  0.  bemerke,  dass  die  von  Schmidt,  Pluralbild.  90  Anm.  1,  145  aus  Priscian 

bei  Keil,  Gr.  L.  126,  18  und  134,  15  belegte  angebliche  Form  compös  -=  compSs 

nach  dem  WorÜaute  nur  das  Adj.  compos  sein  kann. 
S.  283  Z.  3  V.  0.  1.  j,irdyamäna'*  statt  „irayamäna-'^ , 
S.  284  Z.  23  V.  u.  bemerke,   dass  nach  Schmidt,   Pluralbild.  178  lai  -ur  =  skr.  -rt,  lat. 

»er  =  skr.  -ar  ist. 
S.  285  Z.  22  V.  0.  bemerke  ich,   dass  tero  ganz  wohl   der  lat.  Repräsentant  von  skr.  ved. 

tdrati  sein  kann,  vgl.  Hoffmann,  Das  Präsens  der  indog.  Grundsprache  38.    Das 

Perfektum  trt-vi  gehört  zu  dem  mit  tero  gleichbedeutenden  *trio  aus  *tr-ii-o;  ib. 

Z.  27  V.  o.  1.  ^cre-scere*^  statt  ^cri-scere*. 


872  Nachtrag  zu  S.  385. 

S.  286  Absatz  2  ist  zu  bemerken,  dass  auch  Babtholomae  Bezz  B.  15,  36  Anm.  3  kibemus 
in  der  im  Texte  ausgeführten  Weise  erklärt,  tüber  erklärt  derselbe  Gelehrte 
aus  einer  ursprünglichen  Flexion  *tümer  *tübri8  (=  *tumris).  Bei  gener  denkt 
er  an  volkstümliche  Anknüpfung  an  gens. 

S.  287  §  45.  sine  (Neutrum  wie  pote)  stellt  ders.  Gel.  ib.  S.  16,  Anm.  2  zu  idg.  sty  si^n- 
in  skr.  sanitär  mhd.  sunder;  t  für  c  erklärt  er  durch  Proklise.  Weniger  wahr- 
scheinlich ist  die  S.  450  dieses  Bandes  stehende  Erklärung  von  Schmalz. 

S.  288  Die  ursprünglich  stammabstufende  Deklination  der  Participien  auf  -ont  ^ent  sucht 
SciiKiDT,  Pluralbild.  422  ff.  ausführlich  darzuthun;  desgleichen  nimmt  sie  Hoff- 
MAKN,  Das  Präsens  d.  idg.  Grundspr.  22  f.  an. 

S.  293  FuBsnote  1.  Gegen  Bbuomann*s  Ausführungen  über  -s  handelt  ausführlich  Schhiot, 
Pluralbild.  357  ff. 

S.  294  Z.  13  V.  o.  1.  r.gh"  statt  ,gī. 

S.  296  Z.  8  V.  u.  ist  wegen  fhefhaked  auch  zu  vergleichen  Schkidt,  Pluralbild.  435,  der 
übrigens  vJievhaked  transkribiert,  wenn  er  auch  JflH  für  das  pränestinische  Latein 
in  der  Geltung  von  f  nicht  anzustreiten  scheint. 

S.  299  Anm.  1  bemerke  ich,  dass  diruo  nicht,  wie  Schmidt,  Pluralbild.  201  will,  für  die 
Herleitung  von  ver  aus  *v^r  bez.  *vezr  ins  Feld  geführt  werden  kann,  diruo  er- 
klärt  sich  von  demselben  Gesichtspunkte  aus,  der  S.  307  für  divello  dlvergo  auf- 
gestellt worden  ist. 

S.  300  §  60  vgl.  betreffs  des  für  den  Wechsel  von  ve-  (vo-)  und  ü-  angenommenen  Ab- 
stufungsverhältnisses jetzt  auch  Schmidt,  Pluralbild.  204  f. 

S.  301  §  62,  2  vgl.  zum  Wechsel  von  ps-  und  sp-  kypr.  anavoy  •  &€g  SaXafilyioi  und  {nouy 
ipavtoy;  Meister^  Griech.  Dial.  2,  258. 

S.  302  Z.  16  V.  0.  ist  hinzuzufügen  pendo  skr.  spdndate  , schüttelt,  zuckt*,  vgl.  die  ältere 
Litteratur  bei  Vanicek,  Et.  W.*  334,  und  neuerdings  M.  Müllbb  nach  Arch. 
f.  lat.  Lex.  6,  284  und  Hoffmann,  Das  Präsens  d.  idg.  Grdsnr.  59. 

S.  303  Z.  14  v.  0.  ist  wegen  crepusculum  auch  Schmidt,  Pluralbild.  3o5  f.  Fussnote  2  zu 
vergleichen,  der  allerdings  das  Verhältnis  von  lat.  er-  zu  gr.  xv-  in  xyiipag  oder 
\p  in  \fji<pag  auch  nicht  aufzuklären  weiss. 

S,  305  Z.  16  V.  u.  ist  zu  streichen  ,-6/-  =  -/f-'. 

S.  306  Z.  4  y.  o.  lies  ^Bartholomae  K.  Z.  29,  576"  statt  ,29,  156*  und  füge  hinzu  ,= 
Bcitr.  z.  Flexionslehre  156.*  ib.  Z.  11  ist  zu  bemerken,  dass  die  von  Schmidt, 
Pluralbild.  174  als  möglich  hingestellte  Erklärung  von  proptervus  aus  *proptergvos 
jcdesfalls  recht  zweifelhaft  ist,  vgl.  S.  290,  §  47  Anm.  2. 

S.  308  Z.  8  V.  0.  ist  „disiungere'*  zu  streichen,  ib.  Z.  10  v.  u.  ist  zu  bemerken,  dass  päla 
plla  richtiger  aus  ^pag-sla,  *pigsla  gedeutet  werden,  wie  Schmidt,  Pluralbild. 
144  filum  aus  *figs-lum  herleitet,  wobei  er  figs-  als  den  schwächsten  Stamm 
betrachtet  neben  figür-a.  päla  und  jnla  würden  dann  unter  den  gleichen  Ge- 
sichtspunkt gerückt  sein,  wie  die  S.  310  erwähnten  Bildungen  mit  Suffix  -shl. 

S.  310  Z.  15  f.  bemerke  ich,  dass  Schmidt,  Pluralbild.  174  penna  und  annus  aus  *petna 
und  *atnus  erklärt.  Mag  auch  sein  Zweifel  an  der  altlateinischen  Form  pesnis 
gerechtfeiiigt  sein,  so  würde  sich  doch  aus  den  eben  angeführten  Grundformen 
wegen  des  S.  Sil  auseinandergesetzten  Lautgesetzes  *pefida  und  *andu8  wahr- 
scheinlicher Weise  ergeben.  Es  erscheint  sohin  gerechtfertigt  die  von  mir  an- 
genommene Bchandliuig  der  Lautgruppe  'tsn-  =  -nn-  als  die  lautgesetzlich  ge- 
rechtfertigte anzusehen,  ib.  Z.  20  v.  u.  vgl.  zur  Behandlung  der  Lautgruppe  -cn- 
Schmidt.  Pluralbild.  205  Fussnote,  woselbst  auch  salignus  larigneus  aufgeführt 
sind.  ib.  Z.  17  v.  u.  ist  einzufügen  Signum  =  *s€q-no-m  (Brugmann,  Ber.  d.  kgl. 
Sachs.  Ges.  d.  W.  1889,  49). 

S.  311  Z.  23  V.  u.  Zu  -Id-  =  -11-  vgl.  noch  Pollüces  aus  *Polduces  (von  mir  aufgeführt 
S.  319  §  73,  1),  pollux  für  *pohi-dex,  worin  polu-  =  gr.  nolv  (?)  und  haüux 
„grosse  Zehe*  aus  hahi-  oder  hali-  aksl.  golemü  „gross*  -|-  *doix  ahd.  zeha 
nach  Schmidt,  Pluralbild.  183. 

S.  318  Z.  2  v.  o.  füge  hinzu  anculus  aus  *amh(i)'quolo-s  =  gr.  tcfjKplnoXog  nach  Osthoffs 
einleuchtender  Deutung  Bezz.  B.  15,  316.  ib.  §  Q^.  Nach  Schmidt,  Pluralbild. 
248  enthält  lade  aus  *laC't-i  die  beiden  Bildungssuffixe  t  und  i.  mel  gilt  ihm 
als  Rückbildung  von  Gen.  mellis  aus  *meld-es  *melid-es;  dasselbe  könne  bei  fei 
der  Fall  sein  (vgl.  meine  Angaben  S.  311),  Ebenso  sollen  as  far  (S.  314  §  07) 
aus  den  Genetiven  rückgebildet  sein,  eine,  wie  mir  scheinen  will,  nicht  nötige 
Annahme. 
S.  315  §  69,  1  Ende  bemerke  ich,   dass  mox  auch  von  Schmidt,  Pluralbild.  185  Fussnote 

in  der  im  Texte  angegebenen  Weise  erklärt  wird. 
S.  316  Z.  5  V.  o.     Die  Annahme  von  Babtholomae  Bezz.  B.  15,  18,  dass  cUioquin  dasselbe 


Nachtrag  zu  S.  385.  873 

Suffix  enthalte,  wie  gr.  Ttt'diy  osk.  hürtln  ist  mir  namentlich  mit  Rücksicht  auf 
die  Herleitung  des  einfachen  quin  aus  ^qui-ne,  die  doch  wohl  als  sicher  gelten 
darf,  sehr  zweifelhaft. 

S.821  Z .  7  y.  u.  füge  ich  zur  Aufklärung  hinzu,  dass  uvidus  selbstverständlich  als  Neu- 
bildung von  uveo  aus  betrachtet  werden  muss,  während  üdtis  die  alte  lautgesetz- 
liche Form  darstellt,  welche  Thatsache  auch  bei  Schmidt,  Pluralbild.  204  Aus- 
druck findet. 

S.  322  Z.  22  V.  o.  ist  das  Sternchen  vor  ager  zu  tilgen. 

S.  323  Fussnote  1.  Gegen  die  dortsclbst  erwähnten  Ausführungen  von  Danielsson  wendet 
sich  Schmidt,  Pluralbild.  51  f.;  er  erklärt  genfi,  pecü  als  alte  Plurale,  die  an 
die  Stelle  der  urapiünglichen  Singulare  getreten  seien,  da  auslautendes  ü  im  Lat. 
durchweg  geschwunden  sei  (S.  49).  Vgl.  Nachtrag  zu  S.  343.  ~  Als  Reste  urspr. 
Nom.  Akk.  des  Duals  bezeichnet  derselbe  Gelehrte  S.  71  f.  ducenti  =  skr.  ave 
säte,  vielleicht  auch  lumbt,  frenl  (neben  frmum).  Jedoch  ist  ducenti  wegen  du- 
sicher  lat.  Neubildung  und  kann  der  aufgeführten  altindischen  Form  nicht  un- 
mittelbar verglichen  werden. 

S.  324  Absatz  4.  Nach  Schmidt,  Pluralbild.  52  f.  sind  das  idg.  neutr.  *pe£u,  aus  dessen  Nom.- 
Akk.  Stamm  lat.  pecud-  herrühre,  und  idg.  *pekä  (kollektives  Femininum  aus 
*p€kua)  und  idg.*peko8  =  gr.  to  ti^xos  ,  Vlies"  zu  einer  Einheit  verbunden  wor- 
den, gewiss  eine  ziemlich  verwickelte  Annahme. 

S.  325  Z.  12  V.  0.  Über  noct-  nocti-  (idg.  Neutrum  *nokti  vgl.  lade)  noctur-  vgl.  jetzt  auch 
Schmidt,  Pluralbild.  207,  212,  254;  über  lezteres  auch  Babtholomae  Bezz.  B.  16, 
20,  der  es  als  Lokativ  fasst.  ib.  Absatz  4  ist  wegen  auris  zu  bemerken,  dass 
ScMMiDT  251  einen  ursprünglichen  Nom.  Akk.  gen.  neutr.  *ausi  ansetzt. 

S.  326  Z.  3  v.  0.  1.  ^durmanas'^  statt  ^dürmanas'^ .  Femer  erwähne  ich,  dass  Schmidt, 
Pluralbild.  144  als  kürzeste  s-Stämme  auch  lix-a  neben  liquös,  *fig8',  erschlossen 
aus  filum  (vgl.  oben  Nachtrag  zu  S.  308),  neben  figür-a,  379  is-ca,  enthaltend 
*eds-  lit.  edes-is  Frass,  und  apus  neben  osk.  ups-annam  aufführt.  Zu  Fussnote 
1  sei  darauf  hingewiesen,  dass  auch  Schmidt  a.  a.  0.  84  hinsichtlich  vetus  mit 
Bbugmann  übereinstimmt.    Bezüglich  sedes  vgl.  den  Nachtrag  zu  334. 

S.  327  Z.  23  V.  0.  l  Jemo"  statt  ^te(g)mo\ 

S.  238.  Versuche  die  eigentümliche  Flexion  der  indog.  r-Stämme,  bez.  ihren  Wechsel  mit 
n-Stämmen  (lat.  femor-  fernen-  u.  s.  w.)  zu  erklären  finden  sich  jezt  auch  noch 
bei  Babtholomae  Bezz.  B.  15,  39  f.  und  Schmidt,  Pluralbild.  217  ff.  säl  erklärt 
der  letztere  Gelehrte  ib.  182  ans  *8äld:  warum  aber  nicht  *8alli8,  wie  8allere, 
mellis  fellis?  In  i'*r-e«  sieht  Schmidt  384  f.  einen  Rest  der  schwachen  femini- 
nen Stammform  zu  skr.  vdyas.  Als  Reste  von  i-Stämmen  verzeichnet  Schmidt  61 
in  Ableitungen  cali-go,  cani-cula,  genetn-c-  iünt-c-. 

S.  329  Der  Übergang  von  adjektivischen  o-Stämmen  in  t-Stämme  ist  etwa  nicht  durch  laut- 
lichen Wandel  zu  erklären  (daran  habe  auch  ich  nicht  gedacht),  sondern,  wie 
jetzt  Schmidt,  Pluralbild.  61  ausdrücklich  erklärt,  durch  die  Vermittlung  des 
Femininums  auf  -r,  das  freilich  im  Lat.  nicht  mehr  nachweisbar  ist;  vgl.  suävis 
u.  s.  w.  Allerdings  sind  aber  darunter  und  ganz  besonders  in  der  Komposition 
selir  viele  Analogiebildungen.  Von  t4  Stämmen,  die  in  die  Analogie  der  o-Stämme 
umgeschlagen  sind,  sind  noch  zu  nennen  erus  av.  oAü,  mergus  skr.  madgü- 
(Schmidt,  Pluralbild.  78  f.). 

S.  330  Über  die  römischen  Eigennamen  auf  -a  vgl.  Zimmebmanit,  Arch.  f.  lat.  Lex.  6,  269  f. 

S.  333  ist  bezüglich  des  Weges,  auf  dem  die  lat.  dreigeschlechtigen  Adjektive  dazu  kamen, 
den  Nom.  d.  Sing.  gen.  masc.  auch  fürs  Neutrum  zu  verwenden,  neben  Thub- 
MEYSENs  keineswegs  sicherer  Hypothese  auch  auf  Bbugmann,  K.  Z.  24,  42  f.  zu 
verweisen;  vgl.  dazu  Schmidt,  Pluralbild.  403. 

S.  334  Zur  Bildung  des  Nom.  Akk.  d.  Flex.  d.  Neutr.  Nach  den  überzeugenden  Nachweisen 
von  Schmidt  ist  nicht  zu  zweifeln,  dass  die  Neutra  plur.  wenigstens  zum  Teil 
ursprünglich  kollektive  Singulare  gen.  feminini  waren,  vgl.  z.  B.  lat.  opera  neben 
opu8.  Die  ursprachliche  sing.  Flexion  von  *iugä  *iugä8  »das  Gejöche*  wurde 
durch  die  pluralische  *iugä  *iu§öm  verdrängt  (Schmidt  a.  a.  0.  20),  ein  Vorgang, 
der  übrigens  nur  dann  begreiflich  ist,  wenn  es  neben  diesen  kollektiven  Singu- 
laren  auch  pluralisch  flektierende  Neutra  gab,  als  welche  etwa  Formen  wie  skr. 
hhdniHÜ  gr.  ^sQoria  u.  s.  w.  zu  betrachten  sind.  Diese  Bildung  der  Neutra  plur. 
als  ursprünglicher  kollektiver  Sing.  gen.  fem.  ist  bei  den  appellativen  Substan- 
tiven aufgekommen  und  „allerdings  schon  in  der  Ursprache  beginnend**  von  diesen 
auf  die  Adjektive  übertragen  worden  (Schmidt  a.  a.  0.  35).  Ich  muss  mich  an 
dieser  Stelle  begnügen  auf  Schmtdt's  Ausführungen  ganz  im  allgemeinen  zu  ver- 
weisen. Im  einzelnen  scheinen  mir  manche  seiner  Ansätze  recht  zweifelhaft,  so 
z.  B.  ob  i}l€b€8,  sedes,  nübEs  (145),  8oror  (24)  u.  a.  Formen  dieser  Art  wirklich 


g74  Nachtrag  zu  S.  385. 

ursprüngliche  P]urale  sind.  Auch  halte  ich  nach  wie  vor  das  -i  des  Altindischen 
und  -tt   des  Griechischcu   für  den  Repräsentanten  von  idg.  -9. 

S.  335  Anm.  Schmidt,  Pluralbild.  60  Anm.  nimmt  wegen  filie  neben  fili  Kontraktion  von 
auslautendem  -ie  zu  -i  im  Lat.  an,  was  mir  wenig  wahrscheinlich  klingt. 

S.  336  §  83.  Wegen  der  Formen  -os  und  -es  des  Genetivsuffixes  vgl.  auch  Schmidt,  Plo- 
ralbild.  115  Anm.  und  die  dortselbst  angeführten  Gen.  phryg.  inschr.  maiereZf 
aksl.  matere. 

S.  337  Z.  11  V.  0.  bemerke,  dass  Schmidt,  Pluralbild.  49  nox  aus  *noxu  *noC'Su  (Lot  d. 
Plur.)  erklärt. 

S.  342  Z.  23  V.  0.  1.  „Benventod'^  statt  ^Beneventod' . 

S.  343  Z.  2  f.  V.  0.  Gegen  Osthoff's  im  Texte  zitierte  Ansicht  betreffs  des  indog.  Instro- 
mcntalsuffixes  wendet  sich  neuerdings  Schmidt,  Pluralb.  41  Fussnote.  —  Den  Dai 
Abi.  der  o-Stämme  fasst  Schmidt  49  als  Lokativ,  also  lat.  equis  =  skr.  äivefu; 
desgleichen  ist  ihm  devas  Cortiiscas  (S.  344,  Z.  13  v.  o.)  Lokativ  aus  *deväsu 
u.  s.  w.  Ausser  dem  bereits  erwähnten  mox  sind  nach  Schmidt  auch  i-minus 
und  cöm-minus  erstarrte  Lok.  d.  Plur.     Vgl.  Nachtrag  zu  S.  323. 

S.  348  Z.  2  V.  0.  1.  »gut-*  statt  y,qui'' ;  ib.  Z.  4  v.  o.  ist  zu  erwähnen,  dass  auch  Schmidt, 
Pluralb.  43  quia  als  Akk.  plur.  zu  quid  fasst.  Das  von  Schmalz  S.  501  beige- 
brachte quiapropter  spricht  gleichfalls  für  diese  Auffassung,  wenn  auch  lauthch 
und  sprachlich  meine  im  Texte  vorgetragene  Ansicht  möglich  ist 

S.  349  Z.  10  V.  o.  füge  nach  Neutrum  hinzu  »^wai  CIL.  1.  198,  24  quae  neben  si  qua,  ali- 
qua*.  Über  die  Natur  dieses  suffixalen  -t,  das  keinen  pluralischen  oder  kollek- 
tiven Sinn  hat,  wie  ja  auch  seine  Verwendung  bei  der  Bildung  von  Singnlar- 
kasus  der  geschlechtigen  Pronomina  zeigt,  vgl.  Schmidt,  Pluralbild.  236  f.,  244. 
ib.  §  91  ist  bei  der  Zahl  drei  zu  bemerken,  dass  in  historischer  Zeit  auch  das 
Zahladverb  ter  im  ersten  Gliede  der  Kompp.  verwendet  ist,  daher  tervenefice 
(Plaut.  Bacch.  813),  tervium  CIL  IX,  2476  D.  Das  erstere  verdankt  seine  Ent- 
stehung dichterischen  Redewendungen  wie  ter  quaterque  beati,  letzteres  ist  ledig- 
lich Analogiebildung.  In  dieser  Weise  sind  die  von  Fukck,  Arch.  f.  lat.  Lex.  6, 8 
gegebenen  Ausführungen  richtig  zu  stellen.  Z.  7  v.  u.  1.  ^petara'^  statt  ^etorch* 
und  füge  hinzu  ])€tirop€rt. 

S.  350.  Über  die  Flexionslosigkeit  der  Zahlen  5  bis  10  in  der  indog.  Grundsprache  vgl. 
Schmidt,  Pluralbild.  292.  Mit  Rücksicht  darauf  sind  alle  Zahlen  der  Zehner  von 
50—90  als  Analogiebildungen  nach  qundräginta  zu  bezeichnen  (ib.  297). 

S.  351  C.  hlni  identifiziert  Schmidt,  Pluralbild.  205  Fussnote  mit  lit.  dvynii,  eine  Erklärung, 
die  die  im  Texte  gegebene  an  Wahrscheinlichkeit  übertriflPt.  ib.  D.  Schluss 
vgl.  neuerdings  Schmidt,  Pluralb.  295  wegen  der  Zahladverbien  auf  -iens. 

S.  353  Z.  17  v.  o.  sei  erwähnt,  dass  Bartholomae  Bezz.  B.  15,  36  brüma  zu  av.  mrüra  z.  B.  mrürö 
ziä  „starrer  Frost"  stellt.  Diese  sehr  ansprechende  Zusammenstellung  ergäbe  ein 
neues  Beispiel  des  Übergangs  von  anlautendem  mr-  in  br-,  vgl.  S.  384  Nachtrag 
z.  S.  303  Anm.  17.  brfitus  von  Bügoe,  K.  Z.  29,  446  auch  zu  dieser  Wurzel  ge- 
stellt, haben  wir  2<>4  mit  gr.  ßQt-  zusammengestellt;  ib.  Z.  27  v.  o.  1.  ,infimo' 
statt  Jyifimo'^ ;  ib.  Z.  28  v.  o.  \.-* y.ul-timo'^  statt  „ultimo-'^. 

S.  354  Z.  21  v.  u.  1.  „in  privativum*  statt  y^inprirativum'^ .  ib.  Z.  12  v.  u.  ist  statt  des 
Satzes  „Wie  echte  Komposita  u.  s.  w."  der  folgende  zu  schreiben:  „Vorauszu- 
setzende *miri{s)modls  *muUJ(s)modis  gingen  in  mtnmodis  multXmodls  über  durch 
analogische  Einwirkung  echter  Kompp.  mit  wurl-  mulVl-,  darnach  auch  owniwo- 
dis,  vgl.  Danielsson,  Studia  grammatica  p.  51." 

S.  355  Fussnote  2.  man-  als  Thema  wird  nachgewiesen  von  Duvau,  M^m.  d.  1.  S.  d.  1. 
G,  220  auf  Grund  des  umbr.  Acc.  plur.  manf  (vgl.  nerf  S.  336). 

S.  356  Z.  13  V.  o.  1.  „attributiver**  statt  „attributiver*:  Z.  18  v.  o.  ,,Viocurus*  statt 
j^viocurus*.  Zur  Litteratur  über  die  Nominalkomposition  füge  hinzu:  L.  Schrö- 
der, Über  die  formelle  Unterscheidung  der  Redeteile  im  Griechischen  und  La- 
teinischen mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Nominalkoraposita,  Leipzig  1874. 
Über  das  angeführte  Programm  von  Dräoer  (Aurich  1888)  vgl.  Arch.  f.  lat.  Lex. 
6,  292. 

S.  358  Z.  12  v.  0.  ist  das  Sternchen  vor  Grdf.  zu  tilgen.  Bezüglich  des  Ausgangs  der  3. 
sing.  vgl.  man  auch  Schmidt,  Pluralbild.  178  Fussnote  2,  der  Buoqe  beistimmt, 
und  desselben  Gelehrten  Ausführungen  ib.  180  gegen  die  von  Bezzenbkrgeb  in 
seinen  Beiträgen  14,  176  f.  aufgestellte  Ansicht,  dass  bereits  indog.  Doppelfor- 
nien  auf  -t  und  -d  existiert  hätten. 

S.  359  zur  3.  plur.  Der  Gedanke,  dass  idg.  *bh€ront  *bheront'i  den  Stamm  des  Particips 
enthalte,  scheint  zuerst  von  Brugmann,  M.  U.  1,  137  ausgesprochen  worden  zu 
sein.     Vgl.  übrigens  auch  Schmidt,  Pluralbild.  237  Fussnote. 


Nachtrag  zu  S.  885.  875 

S.  3G1  Anm.  1  vgl.  wegen  Zimmeb^s  Ausführungen  Ober  die  3.  plur.  auf  -nti  und  -r  ßhd- 
ranti  und  vtdür)  auch  Babtholomae  Bezz.  B.  15,  41  Fussnote  4.  Zur  Bildung 
der  Präsensstämme  vgl.  jetzt  auch  Hoffmann,  das  Präsens  der  indog.  Grundsprache 
in  seiner  Flexion  und  Stammbildung,  Göttingen  1889.  Das  Buch  gewährt  im 
allgemeinen  einen  guten  Überbuk  über  den  behandelten  Gegenstand ;  im  einzelnen 
freilich  sind  mancherlei  Annahmen  z.  B.  hinsichtlich  der  Personalendungen  und 
andere  namentlich  das  Lateinische  betreffende,  in  demselben  enthalten,  die  ich 
nicht  als  richtig  betrachten  kann.  Auf  einiges  werde  ich  noch  im  Folgenden 
verweisen. 

S.  362  Z.  26  V.  0.  1.  ,rföm*  statt  ,d<w»" ;  ib.  Z.  14  v.  u.  ^concreduo*  statt  „concredio^ 
Zur  Aufhellung  der  lat.  Flexion  dieses  Yerbums  mag  das  von  Hoffhann  S.  93 
angeführte  vedische  dä-ti  auch  hier  angeführt  werden.  Die  von  demselben  Gelehrten 
S.  131  ff.  vorgetragene  Ansicht,  dass  sämtliche  mt-Präsentia  mit  Ausnahme  von 
skr.  dädämi  und  dädhämi,  welche  von  den  Perfekten  dadäü  und  dadhCm  aus- 
gegangen seien,  von  verschiedenen  Aonststämmcn  aus  gebildet  worden  seien, 
kann  ich  nicht  für  hinlänglich  begründet  halten.  S.  131  ff.  hat  Hoffmann  den 
in  Fussnote  6  erwähnten  thematischen  a-Aonst  in  ausführlicher  Weise  behandelt, 
ohne  dass  ich  dadurch  besser  von  dessen  Existenz  überzeugt  worden  wäre. 

S.  363  Z.  11  V.  u.  1.  „aiem*  statt  ,«tcm*;  ib.  Z.  4  v  u.  ^Grundr.*  statt  «Grundz." 

S.  365  §  105  Ende.  Betreffs  der  namentlich  unter  b)  berührten  Verba  der  Nasalklasse  vgl. 
auch  Hoffmann  a.  a.  0.  S.  59  f.  und  128. 

S.  366.  Hoffmann  setzt  in  dem  angezogenen  Buche  -sJch-  nach  dem  Vorgänge  von  Bab- 
tholomae als  indog.  Suffix  der  Inchoativklasse  an.  Nach  dem  Sachverhalt  be- 
sonders im  Griechischen,  wo  für  idg.  -skh'  unbedingt  -<r/-  zu  erwarten  stünde, 
'         ist  diese  Ansicht  abzulehnen. 

S.  371  Ende.  Als  interessantes  Beispiel  fortwuchernder  Perfekt-  und  Supinbildung  im  Spät- 
latein vgl.  abscondo  Arch.  f.  lat.  Lex.  6,  165  ff.  (nach  Thielmann,  dem  Verf. 
des  Aufsatzes,  eine  ^speciell  lateinische  Kombination  aus  ahdo  und  condo'^). 

S.  373  Z.  23  V.  0.  1.  ,*we-mn-wd*  statt  ,*me-wn-<o<i'* . 

S.  374  Z.  22  V.  u.  1.  „{f)6idei(j)lr]y  statt  „(^)eidi{a)lr]y\ 

S.  375  Fussnote  5  ist  zu  bemerken,  dass  nach  mündlicher  Mitteilung  Paulis  die  Schale 
unzweifelhaft  echt  ist ;  derselbe  Gelehrte  hat  durch  den  Augenschein  festgestellt, 
dass  carefo  geschrieben  ist,  nicht,  wie  früher  gelesen  wurde,  karefo. 

S.  377.  Die  von  Hoffmann  a.  a.  0.  10  vorgetragene  Ansicht,  der  lateinische  Konjunktiv 
sei  ein  alter  thematischer  a-Aorist,  ist  durchaus  unbegründet. 

S.  378  Z.  6  V.  u.  f  8tä  können  ursprünglich  sein,  vgl.  gr.dor.  Uxrnr  und  Bbuqmann  oben 
S.  172.  Ob  das  von  Hoffmann  82  verwertete  e^ft  Arist.  Wolken  633  unmittelbar 
gleich  lat.  %  ist,  kann  bezweifelt  werden. 

S.  379  Z.  16  V.  u.  1.  ^XsyifAEyui*  statt  j,X^y€fAeyai'^ , 

S.  380  Z.  16  V.  o.  bemerke,  dass  wegen  dari  S.  116  zu  vergleichen  ist. 

S.  381  oben.  Von  V.  Henby,  Esquisses  morphologiques  V.,  welche  ausführlicher  über  die 
Bildung  des  lat.  Inf.  handeln,  habe  ich  zu  spät  Kunde  bekommen,  um  sie  noch 
benützen  zu  können. 

S.  383  Nachtrag  zu  S.  261.  Dass  auch  Schmidt,  Pluralbild.  147  Fböiide*s  Ansicht  über  so- 
des  billigt,  macht  mir  dieselbe  nicht  wahrscheinlicher. 

S.  385  Nachtrag  z.  S.  313.  Da  trotz  mehrfacher  Korrektur  das  KuRSCHAT^sche  durchstri- 
ebene  l  nicht  richtig  hergestellt  worden  ist,  wähle  man  die  ScHLEiciiEB'sche 
Schreibung  elkstiis,  ib.  Z.  3  v.  u.  1.  ,*«7/if7o-'*  und  ,*«i;ftf*|o-*  statt  ^*sfiilclO'*  und 
und  ,*iytfZö-*. 

Zum  Schlüsse  bemerke  ich  noch  bezüglich  der  Bezeichnung  der  Vokallängen,  dass 
ich  nicht  beabsichtigt  habe,  alle  Längen  ausdrücklich  zu  bezeichnen,  sondern  nur  jene, 
ibei  denen  mir  die  Bezeichnung  aus  sprachwissenschaftlichen  Gründen  notwendig  erschien. 
Ich  bedauere  jetzt  nicht  alle  Längen  bezeichnet  zu  haben,  da  dadurch  Inkonsequenzen  ver- 
mieden worden  wären,  die  jetzt  da  und  dort  vorkommen  mögen  und  die  ich  zu  entschul- 
digen bitte. 

Skr.  e  und  o  habe  ich  ohne  Bezeichnung  der  Länge  gelassen,  da  sie  als  Diphthonge 
immer  lang  sind. 

Innsbruck,  Mitte  September. 

Fr.  Stolz, 


Alphabetische  Indices. 


Inhalt. 

A.  Grammaiische  Indices. 

I.  Sachvcrzeichnifl  zu  Brugmaun's  griechischer*  und  Stolz'  und  Schmalz'  lateinischer  (^nunmatik,  bearbeite 

von  Fr.  Stolz. 

a.  Griechische  und  lateinische  Formenlehre. 

b.  Griechische  Syntax  und  lateinische  Syntax  und  Stilistik. 

11.  Griechisches  Wörterverzeichnis  zur  griechischen  und  lateinischen  Grammatik  von  K.  Brngmano. 

III.  Lateinisches  Wörterverzeichnis  zur  griechischen  und  lateinischen  Grammatik  von  Fr.  Stola. 

IV.  Verzeichnis  der  nichtlateinischen  italischen  Dialektwörter  ven  Fr.  Stolz. 

B.  Sachregister  zur  liexikographie  und  Rhetorik,  zusammengestellt  von  L.  Hahn. 

C.  Sachregister  zur  Metrik  und  Musik,  von  Gleditsch. 


A.  Grammatische  Indices. 


Die  ZifPom  bedeuten  in  allen  folgenden  Indices  die  Seiten. 

I.    Sachverzeichnis 

zu  Brugmann's  griechischer  und  Stolz'  und  Schmalz'  lateinischer 

Grammatik,  bearbeitet  von  Fr.  Stolz. 

a.  Griechische  und  lateinische  Formenlehre.*) 


Accent  siehe  Betenung. 

Accius,  lat.  Dichter  und  Grammatiker  239 ; 
versucht  den  Gebrauch  der  Zeichen  r, 
k,  q  zu  regeln  251 ;  führt  zur  Bezeich- 
nung der  Länge  die  Gemination  der 
Vokale  ein  252. 

Adiectiva,  griech.  auf  'to^rjg  109;  lat.  auf 
.Ctc-,  -ir-,  'ÖC'  325 ;  auf  -er  (für  -e»)  326; 
auf  -w,  -e  329;  auf  -ii-  (-eu-)  entweder 
zu  i'Stämmen  weiter  gebildet  oder  in 
die  o-Deklination  übergegangen  329. 

Adverbia,  griech.  auf  -«  (-({),  -f}  123; 
-«/,  -ofc  im  lon.-Att.  121 ;  -xt  131 ;  -w, 
'tag  120,  123 ;  lat.  auf  -e,  -ed,  -o  343 ; 
'im  344;  -tus  344;  mit  den  Formen 
dos  Verb.  Unit,  in  der  einzelsprachlichen 
Entwicklungsperiode  verwachsen  141 
Anm. 

Alphabot,  lat.:  Bestand  und  Herkunft  249 
f. ;  Geschichte  250  f. 

Analogie  (Analogisten)  5,  239. 

Anomalie  (Anomalisten)  5,  239. 

Analogiebildungen  (Formassoziation,  As- 
soziationsbildungen) 12;  infolge  der  durch 
Lautwandel  hervorgerufenen  Formzer- 
splitterung 90 ;  der  griech.  Nomina  pro- 
pria  auf  -trjg  111;  im  Gen.  d.  Sing,  der 
ff -Stämme  119;  der  männlich  geworde- 
nen «-Stämme  120 ;  der  weibl.  cf-Stämme 
120;  des  Gen.  Dat.  des  Duals  auf  -oiy 
124;  der  Dat.  des  Plur.  von  konson. 
Stämmen  auf  -ois  127  flF. ;  des  Akk.  des 
Plur.  der  kons.  St.  auf  -ays  im  Kreti- 
schen 126;  auf  'Saat,  -eagfi  111;  eines 
Systems  nach  einem  Kasus  (Nom.  oder 


Akk.)  im  Griech.  115,  131 ;  im  Lat.  324; 
des  Gen.  des  Sing,  der  lat.  u-Stämme 
338  f. ;  der  Nom.  des  Plur.  der  o-Stämme 
auf  -eHf  -eis,  -w  im  Lat.  334;  des  Dat. 
des  Plur.  der  Pronomina  auf  -btia  349; 
der  diphthong.  Stämme  im  Lat.  338,  340 ; 
beim  Komparativ  im  Lat.  354 ;  bei  Zahl- 
wörtern im  Griech.  136,  137,  im  Lat.  349, 
350,  351,  352;  in  der  Nominakomposi- 
tion im  Griech.  139.  im  Lat.  355;  der 
Verba  auf  -aw,  -^w,  -dw  nach  den  un- 
thematischen Verben  im  Äol.  und  Ar- 
kad.  159;  auf  -C«  160  f.;  auf  -fit  151, 
152,  154,  155,  158;  der  denominativen 
Verba  im  Griech.  160;  der  themavoka- 
lischen Präterita  auf  -a  157;  beim  sig- 
matischen  Futurum  im  Griech.  171 ;  beim 
sigm.  Aorist  im  Griech.  168,  169  f. ;  der 
Konjunktive  der  unthematischen  Verba 
im  (5riech.  171 ;  des  Perfekts  im  Griech. 
146,  166,  im  Lat.  371. 

Anlaut,  absoluter  und  bedingter  im  Griech. 
75. 

Aoriste  siehe  Verbalflexion. 

Apex,  Zeichen  der  Länge  im  Lat.  253. 

Apokope  von  -«,  -e,  -o  im  Griech.   78  f. 
von  -S,  -I,  -Ö,  'ü  im  Lat.  315,  318. 

Apollonius  Dyskolus  5. 

Archaismen,  lat.  in  der  Dichtersprache  er- 
halten 245;  durch  Nachahmer  246;  de- 
cken sich  mit  Vulgarismen  246. 

Asper,  lat.  Grammatiker  239. 

Aspiratae  siehe  Konsonanten. 

Aspiration  in  der  Schrift  unbezeichnet  bei 
den    griech.   Aspiraten    im    alten    und 


*)  Vier  Stellen  sind  des  Zasammenhanges  halber  aus  der  lateinischen  Syntax  in  dietefl  Yerzeldmit 
aufigcnommeu  worden  (Ennius,  Latein  (Geschichte  desselben,  sUbemes),  Vnl^&rsprache). 


880 


I.  SaohveneiohniB  zur  griechisohen  nnd  lateinisolieii  Chmmmatik. 


vulgären  Lai.  251 ;  in  der  Schriftsprache 
ste^  bezeichnet  251 ;  h  nach  falscher  Ana- 
logie zu  r  hinzugefügt  in  gallischen  und 
echtlateinischen  Wörtern  252. 

Assimilation,  progressive  und  regress.  der 
Vok.  im  Griech.  37,  im  Lat.  270  f. 

Augment  siehe  Verbalflexion. 

Auslaut,  absoluter  und  bedingter  im  Griech. 
75,  im  Lat.  315. 

Auslautsgesetze  im  Lat.  315  f. 

Aussprache  des  Griech.  und  Lat.  siehe 
Lautzeichen. 

Bailly  244,  siehe  Br^al. 

Bocker  K.  F.  6. 

Betonung:  griech.  81  ff.;  beruht  auf  den 
Angaben  der  Alexandriner  87;  des  les- 
bischen Dialekts  87;  des  dorischen  87; 
ältere  Bet.  des  Ijat.  nachweisbar  durch 
den  Schwund  der  Vok.  der  3.  oder.  4. 
als  der  nachtonigen  Silbe,  durch  Bet. 
der  drittletzten  Silbe  bei  langer  Pänul- 
tima  und  durch  die  Vokalisation  der 
nachtonigen  Silbe  319  ff.;  Accent,  in- 
dog.  seinem  Wesen  nach  dargestellt  82 ; 
des  Altgriechischen  wesentlich  musika- 
lisch oder  chromatisch  81 ;  im  Griech. 
durch  Analogiewirkung  gestört  86;  des 
Lat.  wesentlich  exspiratorisch-energisch 
317;  Wortaccent  der  idg.  Urzeit  frei 
84 ;  indog.  im  Griech.  noch  festgehalten 
84,  aufgegeben  85;  griech.  durch  das 
Dreisilbengesetz  beschränkt  84 ;  lat.  durch 
das  Dreisilbengesetz  und  die  Länge  der 
Pänultima  318;  scheinbare  Ausnahmen 
von  dem  letzteren  Gesetz  durch  Apokope 
oder  Synkope  zu  erklären  318;  Accent 
im  Vokativ  zurückgezogen  im  Griech. 
117,  im  Lat.  335;  Accentbezeichnung, 
überlieferte,  des  (4riecb.  berücksichtigt 
den  Silben-,  Wort-  und  Satzaccent  81  f. ; 
Akut  und  Zirkumflex  aus  der  idg.  Grund- 
sprache ererbt  82;  Acutus  im  Lat.  318; 
Gravis  im  Griech.  83,  im  Lat.  319;  Zir- 
kumflex, sclileifender  im  Griech.  aus 
der  Grundsprache  erer)>t  82,  rocessiver 
und  Kontraktionszirkumflex  83 ;  Zirkum- 
flex, lat.  walu*scheinlich  eine  Fiktion 
der  Grammatiker  318;  Dreisilbengesetz 
im  Griech.,  Entstehung  desselben  85,  im 
Lat.  318,  319  Anm. ;  Barytonesis  im 
Lat.  318,  Euklisis  und  Prokliais  319, 
Exspirationsintensität  und  -extensität  318, 
Prosodia  media  319. 

Bröal,  Dictionnaire  etymologique  244. 

Brugmann,  Grundriss  der  vergl.  Gramm.  244. 

Büchelers  Arbeiten  auf  dem  Gebiet  des 
alten  Latein  243. 

Cäsar,  Staatsmann  und  Gelehrter  239. 

Claudius,  Appius,  verbessert  das  lat.  Al- 
phabet 239,  250. 

Claudius,  Kaiser,  vermehrt  das  lat.  Alpha- 
bet um  drei  Zeichen  251. 

Cookson  243. 


Corssen  und  seine  Verdienste  um  Erfor- 
schung des  Lateinischen  242,  255. 

Curtius  G.  Arbeiten  zur  vergl.  Gramm,  des 
Griech.  und  Lat.  243. 

Deecke's  auf  das  Italische  bezOgliche  Arbei- 
ten 243. 

Deklination  der  Nomina  im  Griech.  99  ff., 
im  Lat.  323  ff. ;  der  Pronomina  im  Griech. 
129  ff.,  im  Lat.  848  f.  t-Deklinadon 
und  deren  Einfluss  auf  die  »-Stfinune 
im  Griech.  103;  ü-Dekl.  u.  d.  Einfl. 
auf  die  u-Stämme  im  Griech.  103. 

Deponentia, lat.  mit  passi  vischerFlexion360. 

Dialekte  des  Griech.  16  ff. ;  arkadiach-kj- 
prischer  20 ;  elischer  20 ;  painphylischer 
21 ;  homerischer  Kunstdialekt  21 ;  dori- 
sche Gruppe  18  f. ;  ionisch-attische  17  f.; 
nordostgriechische  (äolische)  19  f.;  nord- 
westgriechische 19 ;  des  Italischen  247  f.; 
des  Lat.  246  f.  Anm.  2. 

Dialektmischung  11;  in  griech.  Litten- 
turdenkmälem  21. 

Diomedes,  lat.  Granmiatiker  240. 

Dionysius  Thrax  5. 

Diphthonge  siehe  Vokalverbindungen. 

Donati  ars  240. 

Doppelformen  eine  Folge  der  satzphone- 
tischen Gesetze  76,  81,  315  Vorbem.; 
Verallgemeinerung  derselben  77 ;  bei  den 
Neutra  auf  -al,  -ar  und  den  Adjektivc^i 
auf  -w  -e  im  Lat.  315. 

fidon  über  die  Aussprache  des  Lat.  255. 

Eigennamen  (griecn.)  anders  betont  denn 
als  Appcllativa  86. 

Elision  im  Griech.  in  der  Schrift  unter- 
blieben 76 ' ;  von  auslautendem  -e  im 
ersten  Gliede  der  Zusammensetzung  im 
Lat.  276  Anm. ;  des  schliessenden  Vokals 
in  der  Nominalkomp.  im  Lat.  355. 

Ellipse  6. 

Enallage  6. 

Ennius  Dichter  und  Grammatiker  239,  24o: 
Sprachbildner  386;  führt  die  Gemination 
der  Konsonanten  ein  253. 

Epenthese  im  Griech.  49;  des  i  nach  r 
und  Q  (und  /^V)  68;  des  u  fraglich  32, 
68;  im  Lat.  nicht  mit  Sicherheit  nach- 
weisbar 278  f.,  364*. 

Ersatzdehnung  im  Griech.  49,  68  f.:  im 
Lat.  281,  308  f. 

Etrusker  247;  ihre  Sprache  gehört  nicht 
zum  Italischen  248. 

ixv^oXoyitt  5. 

Flavius  Caper,  lat.  Grammatiker  239. 

FlaviuH  Soöip.  Charisius,  lat.  Gramm.  241. 

Flexion  der  Nomina  durch  Analogie  vom 
Akk.  ausgegangen  im  Griech.  115,  131; 
vom  Nom.  im  Lat.  324. 

Flexionsendngen  89. 

Formen  aus  falschem  Sprachgefühl  abstra- 
hiert (gr.  «rra,  ovvsxa)  81. 

Futurum  siehe  Verbalflexion. 


a.  Orieohiadhe  und  lateinische  Formenlehre. 


881 


Georges,  Lexikograph  244. 

Götz,  glossematische  Thätigkeit  248. 

Gräko-italische  Hypothese  16,  247. 

Grammatik,  griech.  und  lat.  im  Verhältnis 
zur  vergleichenden  (indog.)  Sprachwissen- 
schaft 8;  historische  8,  241;  griech., 
Aufgabe  derselben  6;  Geschichte  7;  lat. 
von  Staatsmännern  und  Dichtem  beein- 
flusst  289 ;  unter  dem  Einfluss  und  nach 
dem  Muster  der  griech.  ausgebildet 
289  f. ;  im  Mittelalter  240 ;  in  der  neueren 
Zeit  241  f.;  unter  dem  Einflüsse  der 
vergl.  und  der  sogenannten  historischen 
Grammatik  241. 

Grammatiker,' lat.,  Charakteristik  ihrer 
Thätigkeit  240. 

Haase*s  Vorlesungen  241. 

Halsey,  Ch.  144. 

Hauchdissimilation  im  Griech.,  progressiv 
und  regressiv  78  f.;  widersprechende 
Formen,  einzel dialektische  Neuoildungen 
73 ;  Hauchdiss.  inredupliziertenFormen74. 

Henry  Pröcis  etc.  248. 

Hermann,  G.  6,  241. 

Herodian,  griech.  Grammatiker  5. 

Herzog  243. 

Heteroklita  im  Lat.  824. 

Hiatus  im  Wortinnem  nicht  aus  der  indog. 
Grundsprache  87;  in  der  Fuge  der  No- 
minalkomposita uridg.  87 ;  im  Lat.  durch 
spätere  Neubildung  entstanden  855. 

Iberier  247. 

Imperfekt  siehe  Verbalflexion. 
Infinitive  siehe  Verbalflexion. 
Interaspiration   der  Kompositionsfuge  im 

Griech.  66. 
Italiker  247  f. 
Iterativ  formen  siehe  Verbalflexion. 

Japyger  247. 

Jordan's  Arbeiten  zur  lat.  Grammatik  248. 

Keltische  Sprachen  können  eine  engere 
sprachliche  Einheit  mit  dem  Italischen 
ausmachen  247. 

King  243. 

Komparationsformen  im  Griech.  184  f., 
im  Lat.  352  ff. ;  ursprüngliche  Bedeutung 
der  komparativen  Suffixe  185. 

Komparativ,  Deklination  im  Griech.  112  f., 
im  Lat.  826  f. ;  Neubildungen  von  Kom- 
parativen im  Lat.  853. 

Komposita  beeinflussen  die  Form  des  Sim- 
plex im  Lat.  257,  265;  mit  dis-  307  f. 

Komposition  stört  die  lautgesetzliche  Ge- 
staltung der  nachtonigen  Vokale  im  Lat. 
269. 

Konjugationen  nach  den  lat.  National- 
grammatikem  861,  Vorb.  und  Fussnote  1. 

Konsonanten  28;   indog.   unverändert  im 
urgriech.  Auslaut  77;   idg.  z  64,   298; 
idg.  'Z  im  Attischen  77. 
Handbuch  der  Umb.  Altertnmswlneiuchaft.  IL    2. 


Aspiratae :  Mediae  aspiratae  indog.  wechseln 
mit  Tenues  285 ;  Med.  asp.  indog.  im  Lat. 
294  ff. ;  mediae,  griech.  in  /,  ^,  qp  über- 
gegangen 52;  in  tönende  Spiranten  51  f. 
Tenues  aspiratae,  idg.  51 ;  urgriech.  laut- 
mechanisch in  Tenues  übergegangen  58, 
nicht  in  Mediae  58;  griech.  in  tonlose 
Spiranten  verwandelt  52;  im  Lat.  ver- 
treten durch  Cfj),  t2bl  f.;  im  Lat.  296  f. 

Tenues,  aspiriert  im  Griech.  50;  vor  ^  in 
Aspiratae  verwandelt  60. 

Tenuis  und  Media  im  Wechsel  schon  indog. 
51,  291,  298;  durch  analogische  Über- 
tragung im  Griech.  51. 

Verscnlusslaute :  tonlose  und  tönende  haben 
im  Griech.  und  Lat.  die  Artikulationsart 
der  idg.  Grundsprache  50,  288;  Artiku- 
lationsart 24,  50;  Artikulationsstelle  24, 
58  ff;  dentale  im  Griech.  58,  im  Lat.  291  f. ; 
labiale  im  Griech.58,  im  Lat.  292  f.;  palatale 
im  Griech.  58,  im  Lat.  289  f. ;  volare  im 
Griech.  54  ff.,  im  Lat.  289  f. ;  griech.  fallen 
ab  im  Auslaut  77  f. ;  mit  Verschlusslauten 
verbunden  56  f. ;  lateinische  assimilieren 
sich  in  gewissen  Fällen  folgendem  Ver- 
schluss- oder  Reibelaut  805  f. ;  gleichen 
sich  Verschlusslauten  an  805. 

Griechische:  geminierte  nach  einem  vor- 
ausgehenden oder  vor  folgendem  Nasal 
vereinfacht  72;  geminierte  im  absoluten 
Anlaut  und  nach  Konsonanten  80;  durch 
Assimilation  entstanden  und  schon  im 
Urgriech.  vereinfacht  80.  ß  übergegangen 
in  t7  52 ;  y  in  die  Spirans  j  gewandelt 
51;  -yz'  (urgr.)  neben  -xg  77;  -yv-  aus 
urgriech.  -r^n-,  -r^m'  59.  d  =  urgriech. 
di-  65;  =  idg.  du-  82;  auslautend  = 
idg.  -z  (gortyn.)  77 ;  auslautend  nicht  = 
•?  78;  ^  in  ^  übergegangen  (dial.)  51, 
285;  in  C  (eleisch,  ark.)  51 ;  cf,  *,  r  nicht 
zu  a  geworden  vor  ^  60;  -cW-  (kret.) 
aus  -yd'  57;  -cW-  (anl.  <f)  ^  C  (kret., 
lak.,  megar.,  böot.,  el.)  59;  -(Tcf-  {-&-)  aus 
urgriech.  -zd-  (lakon.,  kret.)  67.  f  bei 
Homer  angeblich  Aeolismus  80;  in  an- 
und  inlautenden  Konsonantengruppen  81 ; 
Übergangslaut  88;  durch  ß  dargestellt 
52;  =  idg.  su-  82;  Schwund  desselben 
80;  /^f  bei  Homer  (?)  81;  fh  88.  C, 
Lautwert  66  f.;  =  idg.  j'  64;  aus  ur- 
griecL  g^i,  gi,  dj  59;  für  -rr-  geschno- 
ben im  Kret  58,  59.  *  =  idg.  dhv;  82; 
in  a  verwandelt  (lak.)  52;  in  tp  53;  -i> 
(kret.)  =  -f  77;  -»»-  (kret.)  aus  -a»-  64; 
^v,  vS^Q  durch  ry^  vxq  ausgedrückt  (gor- 
tyn.) 58.  -X  aus  urgriech.  -xg  11  \  -xx- 
(lak.)  aus  -<rx-  64;  ^  idg.  £tf  82;  xr 
56  f. ;  -xr-  neben  ai.  H  60.  A-  bei  Homer 
verdoppelt  81;  auch  auf  etymologisch 
nicht  berechtigte  Wörter  ausgebreitet  81 ; 
=  urgriech.  «2  68;  A  in  ^  übergegangen 
(spontan)  42,  durch  Dissimilation  72; 
vor  Kons.  =  if  im  Kret.  42 ;  auslautend 
=  -g  im  Gortyn.  77 ;  -^-  hervorgegangen 
aus  'dX'  60,  aus  -Ay-  70,  aus  -Ijc  49;  aus 

Aufl.  ^)^ 


882 


I.  SaohverseiohniB  zur  grieohisohen  und  lateinisohen  Chrammatik. 


'Xy-  50,  aus  -Atf-  im  Attischen  60;  ver- 
einfacht mit  Dehnung  des  vorausgehenden 
Vok.  70;  -Ä*-,  -At-  im  Dorischen  =  -vd-, 
-IT-  42 ;  -X<j'  im  Inlaut  63.  /a-  bei  Homer 
verdoppelt  81;  /Aßg,  fdßX  aus  m/,  mr  49; 
-fm-  62;  aus  -ßfA-y  -Ttfi-^  -(pu-  59;  aus 
-/iv-  (dial.)  40;  aus  urgriecn.  -y/a-  40; 
vereinfacht  mit  Dehnung  des  voraus- 
gehenden Vok.  70.  /Ay-  aus  ui^ech. 
bn-  59.  y-  bei  Homer  verdoppelt  81; 
-V  =  idg.  -m  78;  nach  Analogie  ange- 
treten 78;  einzeldialektisch  verwandelt 
in  andere  Konsonanten  77 ;  y  i(peXxvaTt- 
xoy  80;  ausgefallen  ohne  Dehnung  und 
Diphthongierung  bei  urgriech.  nSj  nz  -j- 
Kons.  69 ;  -yd-  (pamphyl.)  aus  intervoka- 
lischem  -yi-  60 ;  ydg  aus  nr  49 ;  -yy-  62 ; 
aus  -y/'-  70,  aus  -yjr  (lesb.)  49;  verein- 
facht mit  Dehnung  des  vorausgehenden 
Vok.  70;  yy-f  y-  aus  urgriech.  *n-  62; 
VC  -j-  Kons,  (einzeldialektisch)  69;  ur- 
griech. -ni-  aus  idg.  -my  40,  49;  ur- 
griech. -wÄ-  aus  idg.  -ms-  40;  urgriech. 
-nt-  aus  idg.  -mt-  40.  C  64.  n-  =  idg. 
pyL-  32;  abgefallen  in  *;it^-  81;  durch 
Analogie  eingeführt  in  die  Formen  des 
Frage-  und  Indefinitpronomens  130;  -nn- 
=  idg.  fcu  32;  -nn-  (lesb.)  aus  -/?/u-,  -n/n-, 
-(ffA-  59  f.;  Tir  56;  aus  urgriech.  />](  59. 
^-  aus  /p-  42 ;  aus  urgriech.  »r-  42,  63 ; 
für  X  durch  Dissimilation  72;  -q  (gortyn.) 
=  -tf  77;  -Q  (eleisch)  =  idg.  -z  77;  ^q- 
=  fQ-  nicht  urgriech.  81;  aus  -Qf-  70; 
im  Lesbischen  aus  -q^-  49 ;  im  Attischen 
aus  -Q<T-  60,  63;  vereinfacht  mit  Deh- 
nung des  vorausgehenden  Vok.  70;  -ga- 
im  Inlaut  63.  a  tönend  63  f.;  tonlos 
60  f.;  unursprünglich  64;  schwindet  in 
den  Lautgruppen  gq,  aX  63;  vor  Kons, 
verdoppelt  60;  inlautend  einem  Nasal 
assimiliert  62;  aus  urgriech.  -nsi-  61 
intervok.  in  q  gewandelt  (Eretria)  59 
-<r-  (-/i-)  aus  -ti-  im  Lakon.,  Kypr.  59 
auslautend  aus  urgriech.  -xg  77;  =  idg 
-.y.»?  77;  dialektisch  nicht  geschrieben  77 
-at-  aus  -Ti-  hl;  ad  lesbisch  für  C  59 
67;  au-,  ap-  61,  62;  at}  durch  ^d^  aus 
gedrückt  im  Gortyn.  53;  -a^-  scheinbar 
aus  Dental  +  ^  57;  ad^  in  ax  überge- 
gangen im  Boot.  53 ;  a^-  erhalten  oder 
zu  IX-  (,",w-)  vereinfacht  61;  -a/i-  durch 
Analogie  entstanden  oder  aus  -ism-  her- 
vorgegangen 62;  -anai  u.  s.  w.  im  pas- 
siven Perfekt  94;  aa  64;  aus  Guttural 
-f  /  57  f.,  aus  urgriech.  -/j-,  -thi-  58; 
-aa-  (-a-)  aus  vorgriech.  U  64;  vereinfacht 
zu  -a-  61;  at  56  f.;  scheinbar  aus  xt 
57.  X-  =  idg.  ttjL-  32;  auslautend  nicht 
=  vorgriech.  -s  78;  r'  verallgemeinert 
in  den  Formen  des  Artikels  79;  -r^-  aus 
-a.^-  (böot.)  64;  -xx-  aus  -xr-  (kret.)  57; 
aus  -nx-  (kret.)  57,  (thessal.)  57,  81; 
aus  -aa-  (böot.,  kret.)  64;  aus  -ax-  (lak., 
böot.,  kret.)  64;  im  Kret.  für  ^  geschrie- 
ben im  An-  und  Inlaut  58,   67.     -9^- 


57.    -/-  durch  Analogie  entstanden  1$2; 
-/*-  57;  1^  64. 
Lateinische:  geminierte  urBprOnglich  nidit 
geschrieben,  erst  seit  Ennios  258  f.;  aus- 
lautende assimiliert   an  den  konsonanti- 
schen Anlaut  des  folgenden  Wortes  317; 
auslautende  fehlen    in    der  Schrift  316. 
h  =  idg.  bh  295;  =  idg.  dh  295;  b-  aas 
du-  302;  nicht  aus  indg.  g  290;  aas  j> 
durch  Assimilation  293,  in  griech.  Lehn- 
wörtern 293,  vor  tönenden  Lauten  ent- 
sprungen und  verallgemeinert  293;  aas 
-gb'  306;   in  v  übergegangen  255,  294; 
-br-  aus  -ar-  im  Inlaut  309.    c  bezeiduet 
auch  vor  hellen  Vok.  bis  zom  6.  nach- 
christl.  Jahrhundert  einen  Ar-artigen  Laut 
256;  aus  qu  vor  u  und  Kons.  269,  302: 
aus  ^  291 ;  ohne  sprachgeschichtliche  Be- 
rechtigung für  qu  288;  nicht  geschwun- 
den vor  Uj  V  290;  auch  für  g  verwendet 
250;   nicht  mit  im  Latein  entwickeltem 
velarem  Nachklang  289;    -cc-   aus  -be-, 
-de-,  -tc-  305,  306;   -cf-  aus  -cgf-  306; 
er-  nicht  mit  Sicherheit  in  cn-  fiberge- 
gangen 303.    d'  =  idg.  dh'  (anL)  295: 
auslaut.  geschwunden  nach  langen  Vok. 
316;  aus  du-  302;  aus  l  283;  aus  r  292: 
aus  -zd-  307;   für  t  292;   wechselt  im 
Auslaut  mit  -t  316;   dl-,  dr-   nicht  mit 
Sicherheit  nachzuweisen  303.    f  =  idg. 
gh,  ah  294;  =  idg.  dh  295;  =  idg.  W 
295;   aus  bhu-,  dhu  303;    aus  -sf-  302; 
dialektisch  für  2»  im  Inlaut  295,  296: 
=  gr.  tp  292;   -ff-  aus   -bf-,   -pf-  306; 
fr-  (anl.)  aus  sr-  304.    g  =  idg.  gk,  gÄ 
294;   g  und  k  nebeneinander  in  griedi- 
Lehn Wörtern    290,    infolge    archaischer 
Schreibung   291;  g  aus   k   in   gewissen 
Lautgruppen  313;  ^  nicht  mit  im  Latein 
entwickeltem   velarem   Nachklang  289; 
-gg-   aus   -bg-,   -dg-    305;    -gn-   aus  -cn- 
810.    h  —  idg.  gh,  qh  294;  im  An-  und 
Inlaut  geschwunden  300  f. ;  Unbeständig- 
keit  der  Setzung   und   Weglassung  in 
arch.  und  vulg.  Lat.   301;    h   nicht  aus 
j  hervorgegangen  297, 301 ;  ä  und  /"neben- 
einander als  Vertreter  der  indog.  Aspi- 
raten 294,  295,  296.   j  =  idg.  },  j  297; 
in  einen  Spiranten  verwandelt  255;  aus 
di-  302.    k  nur  in  wenigen  Wörtern  er- 
halten  251.     l  aus  d  292;    aus  gl  anl. 

803,  inl.  308;  aus  hl-  nicht  nachweisbar 
308;    aus  pl-  fraglich   308;    aus  sl  anL 

804,  inl.  309;  aus  spl-.  Ml-  304;  aus  il- 
808;   aus   vi-   304;   durch   Dissimilation 
aus  n  286,  aus  r  283 ;  mouilliert  in  der 
spätlat.  Volkssprache   284;    -V-   =  -dl- 
810;    =  -Id-  311;    ==  -In-  308;    =  -U- 
811;  =r  .//.  311;  =  -l^-  (unsicher)  308;     ^ 
--=  -nl-  308;   =  -rl-  308;  -In-  aus  -Izn-     f 
318;   -Is-  aus  -les-,  -Igs-,  -Us-  312,  314: 
-Jt-  aus  -Ict-  312.     m  im  Auslaute  sehr 
reduziert  316;  aus  -bm-,  -dm-^  -gm-  309; 
aus  sm  anl.  304,  inl.  309,  310;  lantge 
setzlich  geschwunden  286;  für  b  (volks- 


&.  äriecliiKhe  and  lKt«itiiBche  Pormenlshrft. 


etymologisch)  294  Anm.;  nicht  aus  f,  e 
286;  -mn-  ans  -po-  310;  -mpl-  aus  -ml- 
308;  -mp»;  -mpt-  ans  -ms-,  -mt-  312; 
-mp-,  -mB-,  -m(-  aus  -mbp-,  -mba-,  -mbl- 
313;  -mr-  QWgegangen  in  -6r-  286.  » 
aus  I  283;  aus  m  285  f.;  aua  r  durch 
DiasÜD.  283;  aus  en,  gn  anl.  303,  inl. 
31Ü;  aus  -dn-  309;  aus  s»  oul.  304,  inl. 


',  310; 


.  -mir-  312;     nd-  , 
-mi- 


-rfB-, 

aus  -rfn-  (dial.)  310, 
■nd-  312,  aus  -r»-  (dial.  n.  vulg.)  308; 
-HH-  aus  -tirfs-,  -nts-  314;  auslaut.  nach 
Thumeysen  352;  -nt-  aus  -nct-  313.  j) 
vertritt  nicht  idg.  q  in  echt  iat.  Wftrtem 
290;  für  ß  in  griech.  Lehnwftrt«ru  293; 
auapy-  303;  -pp-  aus  -6/j-,  -dp-  305; 
-pt-  aus  -it^-  307.  g  Zeichen  fflr  die 
gutturale  Tenuia  vor  dunklen  Vok.  288; 
aus  p  durch  Assimilation  289,  293.  r 
durch  Dissim.  geschwunden  283;  ohne 
etym.  BegrQndung  283;  fDr  n  283;  ans 
d  291  f;  aus  interrok.  «  297  f.;  aus  vr- 
304;  r  und  l  nebeneinander  (idg.  Doppel- 
fonnen)  283;  vertauscht  in  aufeinander- 
folgenden Süben  283;  r  aus  /  durch 
Dissim,  282,  283;  -rc,  -rd-  ans  -rrfc-, 
-rzrf-;  -rm-  aus  -rpm-  313;  -rn-  kaum 
ans  -an-  298;  aus -rcn-,  -*-;«-  313;  -rr- 
aus  ■I-«'  311  f.;  ■(■«■  aus  -rea-,  -rrfa-, 
-rs*-313; -rt-  aus -rc(- 313,  314;  -n- 
nicht  aus  -rgV.  290;  -rr-  aus  -zv-  307. 
H  t«nloB297 ;  intervokal,  nicht  geschwun- 
den 299  Anm.  1 ;  im  Auslaut  nicht  laut- 
gesetzlich  zu  r  geworden  299;  ausl.  nicht 
geschrieben  317;  fUr  griech.  z  im  Anlaut 
a-il;  aus  jw- 301;  aus  -ab-  306;  aus  «j-, 
sif-  303;  aus**- 302:  aus -r«- 2a3,  312; 
aus  -a"-  298  ff.;  aus  at-  802;  a-  und  ac- 
nebeneinander  302;   -»<'-  aus  -W-,  -csc- 


306. 


-  313; 


-ap-  i 


-f-'/i-  313;  -aa-  fili 
aoi;  aus  Denta!  +  *  auü,  au»  i.,  aus 
Dental  +  «306.  314;  aus  -ma-  312;  at- 
aus  pat-  301,  aus  j**-.  sp-  302,  inl.  aus 
-(.«/-,  -caf-  306,  -j«-/-  307,  -»«(-,  -rat-  313. 
f  aasibiliert  vor  t  255,  291;  auslautendes 
abgefallen  (spBtIat.  und  faliskiach)  317; 
UM  pt-  301;  aus  /«-  303;  für  (/  292. 
i'  —  idg.  gA  mit  Labialisierung  295;  in 
die  Spirans  verwandelt  255;  aus  u  300; 
nicht  aus  g  entwickelt  300;  nicht  in  f 
übergegangen  300;  wechselt  mit  b  300. 
-X  aus  -cta  314.  z  als  Schriftzeichen  im 
alten  Alphabet  vorhanden  250 ;  fCir  a  251 ; 
zu  Auguatus  Zeit  unmittelbar  aus  dem 
Griech.  entlehnt  2.^1 ;  apttÜat.  für  j  297. 

Konsonantendehnung,  im  Lat.  279  f. 

Konsonanz,  dreifache  im  Griech.  erleichtert 
durch  Ausfall  van  a  und  2  71;  durch 
Schwund  des  ersten  Kons.  72;  im  LaL 
im  Auslaute  vereinfacht  313  f.,  314.  Aus- 
serdem siehe  Konsonanten. 

Kontrahierte  und  unkontrahierte  Formen 
im  Griech.  37. 


Kontraktion,  urindog.  36;  urgriech.  36  f.; 

einxeldialektiBChe  37 ;  griech.  (Krasis)  79 ; 

lat  275  f. 
Kosenamen,  grieoh.  96. 

Lachmann,  Kommentar  zu  Lucretius  242. 

Latein,  afrikanisches,  gallisches  246,  silber- 
nes 388. 

Lateiner  248. 

Lateinische  Sprache  in  den  verschiedenen 
Perioden  ihrer  Entwickltmg  244  ff.,  386  fT. 

Laute,  tfinende  (stimmhafte)  23;  tonlose 
(stimmlose)  23;  Dauerlaute,  ZwiUings- 
laute  254. 

Lautgesetze,  Begriffsbestimmung  10  ff.; 
Allgemeingiltigkcit,  Chronologie  1 1  ff; 
Ausnahmen  erkl&rt  11  f. 

Lautstand,  indog.  23;  lat.  im  Vergleich 
zum  indog.  254. 

LautveraetEung  74. 

Lautwandel,  analogischer  12;  lautmecha- 
nischer 12. 

Lautzeichen  (Buchstaben),  Aussprache  der 
griech.  22  f.,  der  lat.  254  ff. 


Lig 


r  247. 


Liquid  ao,  indog.  als  Konsonanten  im  Griech. 
42,  im  Lat.  282  f.;  als  Sonanten  und 
zwar  kurze  im  Griech.  vertreten  durch 
■a%-,  -la-,  •ag-,  -p«-  43,  anlautend  immer 
«p-  80;  im  Lat.  durch  -or-,  -ur-,  -0I-. 
-ul-  284  f.;  als  lange  im  Griech.  durch 
-piu-,  -üip-,  -l«.,  -all-  43  f.,  an),  durch 
dp-  80;  im  Ut. durch  -Id-,  -rd-  im  Wurzel- 
auslaut  285,  durch  ar-  im  Anlaut  284, 
inlautend  -al-  284.  Sonantiechee  lat.  r 
stets  durch  er  vertreten  285.') 

Livius  Andronicus  hfilt  für  das  Epos  am 
Suturnier  fest  245. 

LQwe,  glossographische  ThBtigkeit  243. 

Lokativformen  zu  StBdtenameu  geworden 
122,  341  f. 

Lucilius,  Dichter  und  Grammatiker  239; 
versucht  die  beiden  verschiedenen  i-Laat« 
durch  ei  und  1  wiederzugeben  252,  273. 


Marser  248. 

Mediae  siehe  Konsonanten. 

Medium  siebe  Verbalflexion. 

Merguet,  Formenbildung  243. 

Metaplasmen  im  Lat.  324. 

Metathesis  von  Kons,  im  Griech.  meist 
nur  infolge  falscher  Beurieiinng  ange- 
nommen 75;  von  1  und  x  161;  im  l^t. 
265  Anm  ;  von  Vok.  im  Griech.:  quan- 
titative (Umspringen  der  Quantität)  im 
Ion. -Attischen  38  f. 

Heyer,  L.,  vergl.  Gramm,  des  Griech.  und 
Latein.  243. 

Modi  siehe  Verkalflexion. 


FODklloD  alabe  i 


884 


I.  Sachyeneiohnia  tat  grieohiBohett  und  lateiniaohen  Grammatik. 


Nasale,  indog.  als  Eonsonanien  im  Griech. 
39,  im  Lat.  285  f.;  als  Sonanten  und 
zwar  kuize  im  Griech.  vertreien  dm'ch 
-«-,  -av-,  'tt/Ä'  41,  im  Lai  durch  -en- 
(-tn-),  -«n-  (-im-)  287  f. ;  lange  im  Griech. 
inl.  durch  -a-,  anl.  durch  yä-  41,  im  Lat. 
anl.  durch  om-,  auslautend  durch  -nä  288. 
Nicht  geschrieben  im  Griech.  40,  im  Lat. 
281,  286.  In  vorhistorischer  Latinität 
ausgeworfen  vor  a  314.  Reduziert  aus- 
gesprochen im  Griech.  40,  im  Auslaut 
78;  im  Lat.  286.  Einzelmundartlich  im 
Griech.  an  den  folgenden  Anlaut  assimi- 
liert 78.  Der  ^ttnrale  durch  y,  y  be- 
zeichnet im  Gnech.  39,  40,  durch  g,  n 
im  Lat.  312.  Vor  Konsonanten  in  den 
homorganen  verwandelt  im  Lat.  312.*) 

Nasal is  sonans  im  Attischen  42. 

Nasalvokal  (langer)  im  Griech.  68;  im  Lat. 
281,  286  f. 

Nomina  abstracta  idg.  baryton  110^;  n.  agen- 
tis  idg.  oxyton  110*;  griech.  masc.  auf 
-6üf  100  f.,  auf  'Xd'^  97;  fem.  auf  -o» 
100;  lat  masc.  auf  -a  330  und  -w  325  f. 

Nomina  ohne  stammbildende  Suffixe  im 
Griech.  (Wurzelnomina)  114  ff.,  im  Lat. 
324   f.;    mit  ursprünglicher  Abstufimg 

114  f.,    ohne   nachweisbare   Abstufung 

115  f.;  als  hintere  Kompositionsglieder 
1 16 ;  mit  stammbildenden  Suffixen  91  ff. 
Durch  Hypostase  gebildet  im  Lat.  324. 

Nominalkasus: 
Nominativ:  Bildung,  im  Singular  der 
Masc.  mit  dem  Kasussuffix  -9  (sigmati- 
sche  Bildung)  im  Griech.  116,  im  Lat. 
332 ;  Stamm  als  Nominativ  (asigmatische 
Bildung  nach  älterer  Terminologie)  im 
Griech.  116  f.,  im  Lat.  332;  der  griech. 
Masculina  auf  -a  ursprünglich  Vokativ 
117;  der  lat.  Masc.  und  -f«-Stämme  auf 
-a  332 ;  der  Feminina  auf  -ecr,  -i«c  griech. 
Neubildung  117;  der  Neutra  (zugleich 
Vok.  und  Akk.)  im  Griech.  119,  im  Lat. 
332  f.  Dual:  mit  Suffix  -e  123;  bei  den 
o-Stftmmen  123  f.;  wahrscheinlich  plu- 
ralisch fungierend  bei  den  ä-Stämmen 
im  Griech.  und  Lat.  124,  334;  Rest  der 
urspr.  Bildungsweise  erhalten  in  pi-xaxi, 
ti-gintt  123»,  323,  350.  Plural:  Masc. 
und  Fem.  mit  -es  im  Griech.  124  f.,  mit 
'fs  im  Lat.  333  f.;  mit  -e  im  Griech. 
und  Lai  125,  334;  lat.  -es  von  den  »- 
Stämmen  auf  die  kons,  übertragen  333; 
lat.  '18  keine  eigene  Bildungsweise  333 ; 
lat.  -08  der  ä-Stämme  334;  lat.  -e«,  -e««, 
'i8  der  o-Stämme  Analogiebildungen  334 ; 
Neutra  mit  Suffix  -a  im  Griech.  126; 
mit  -ä  (gekürzt  ä)  im  Lat.  334;  der  o- 
Stämme  auf  urspr-  -ä  im  Griech.  und 
Lat.  126,  334  f.;  Rest  urspr.  Bildungs- 
weise tri-ginta  126,  334. 
Vokativ:  Sing.:  Bildung  im  Griech.  117  f.. 


*)   Oriech.   Qud    lat.   KjmIo   in    kouüotuuitiflcfaer 
Sanktion  siehe  tuitcr  KoototMoten. 


im  Lat.  335.    Plur. :  durch  den  Nomina- 
tiv vertreten  im  Lat.  335. 

Akkusativ:  Sing.:  Bildung  durch  Suffix 
-m  (nach  Kons,  griech.  -a,  lat.  -em)  im 
Griech.  118  f.,  im  Lat  335;  der  Neutra 
im  Griech.  119,  im  Lat.  332  f.  Dual: 
durch  den  Nom.  vertreten  im  Griech. 
123.  Plural :  durch  Suffix  -n»  (griech.  -a;, 
lat.  '€8  nach  Kons.)  125  f.,  385  f. ;  durch 
den  Nom.  vertreten  im  Griech.  125,  im 
Lat,  335;  -ia  und  -w  nebeneinander  im 
Lai  336;  -äs  der  ä-Stämme  vielleicht 
ursprünglich  336. 

G  en  e ti V :  Sing. :  Bildung  mit  den  Suffixen 
-Off,  -ff  im  Griech.  119,  120,  -m,  -t«,  -# 
im  Lat.  336,  337;  mit  -es,  -is  im  Lat 
336  f.;  mit  Suff,  -(a)^  im  Griech.  120: 
kypr.  auf  -toy  120;  lat  auf  -i  der  o- 
StlUnme  und  -äs,  -ä\,  -ae,  -^ttes  der  ä- 
Stämme  337  f.;  der  lat  e-St&mme  338; 
kein  Suffix  -so  und  -fo  im  Griech.  120 
Anm.  Dual:  im  Griech.  124.  Plural: 
mit  Suffix  -üty  (wahrscheinlich  von  den 
o-Stämmen  übertragen)  im  Griech.  126; 
mit  -am,  -um  im  Lat  339;  bei  den  ä- 
Stämmen  im  Griech.  und  Lat  nach  der 
pronominalen  Dekl.  126,  339  f.,  ebenso 
bei  den  o-  und  e-Stänmien  im  Lat.  339; 
-tum  im  Lat  auf  kons.  Stämme  über- 
tragen 339. 

Ablativ:  Sing.:  Bildung:  nur  von  ^-Stim- 
men in  der  indog.  Grundsprache  120, 
342;  im  Griech.  nur  bei  Prenomina  mit 
Sicherheit  nachweisbar  120,  zum  Teil 
zusammengefallen  mit  dem  Instrumental 
121;  im  Lat  342  f.;  der  Abi.  der  kons. 
Stämme  auf  -^  urspr.  Instrumental  343, 
ebenso  die  Adverbia  auf  -Ö  343.  Plural 
(nur  im  Lat,  zugleich  Dativ)  mit  Si^ix 
-bus  344;  -ibus  von  den  f -Stämmen  auf 
die  kons,  übertragen  344;  bei  den  ä- 
Stämmen  durch  den  Instrumentalis  ver- 
drängt 344. 

Dativ:  Sing.:  Bildung:  im  Griech.  echte 
Dative  nur  die  Inf.  auf  -r»  und  bei  den 
0-  und  ä-Stämmen  121;  im  Lat  340  f.; 
bei  den  lat  a-  und  f-Stämmen  verdrängt 
durch  den  Lokativ  340,  341;  Dativ  der 
t-Stämme  lat  Neubildung  341;  D.  auf 
-M  der  14-Stämme  urspr.  Instrumentales 
und  Lokative  341.  Dual:  im  Griech.  124. 
Plural:  im  Griech.  durch  den  Lokativ 
vertreten  126  f.,  im  Lat  mit  dem  Abi. 
gleichlautend  3^  f. 

Lokativ:  Sing.:  Bildung:  mit  Suffix  -i 
(vieUeicht  idg.  I  und  i  122)  im  Griech. 
121,  im  Lat  341;  Lok.  der  o-Stfimme 
im  Ark.,  Kypr.,  Boot,  Nordwest^riech. 
in  dativischer  Funktion  121 ;  desgleichen 
die  der  ex-Stämme  im  Boot ;  de^eichen 
die  der  übrigen  Nominalstämme  allge- 
mein griech.  122;  die  griech.  und  lat 
Lok.  der  ä-Stämme  vielleicht  einzel- 
sprachliche Neubildungen  121  f.,  841; 
Lok.  der  t-Stämme  urspr.  ohne  Suffix 


a.  Orieohisohe  nnd  lateinische  Formenlehre. 


885 


auf  -^122,  342 ;  desgleichen  ohne  Suffix 
von  kons.  Stämmen  122,  842;  die  lat. 
Lok.  auf  i  urspr.  Ablative  842.  Plural: 
im  Griech.  mit  Suffix  -<r/,  -tny  126  f., 
-oiai  129;  -eaaij  -aaat,  (herakl.)  Neubil- 
dungen 127. 
Instrumentalis:  Sing.  :BildungmitSuffix 
-a  128;  nur  in  adverbieller  Erstarrung 
erhalten  im  Griech.  128,  im  Lat.  in  abla- 
tivischer und  adverbialer  Funktion  848. 
Plural:  in  dativischer  Funktion  bei  den 
o-Stämmen  auf  -ot;,  -la  ausgehend  im 
Griech.  und  Lat.  128,  848;  darnach  auch 
der  Dativ  des  Plur.  der  ä-Stämme  im 
Griech.  und  Lat.  unabhängig  voneinander 
neugebildet  128,  848 ;  im  Lat.  auch  aus- 
gehend auf  -e«,  -eis  844;  vielleicht  dia- 
lektisch die  lat.  Bildungen  auf  -o«,  -as  844. 
Reste  untergegangener  Kasus:  im 
Griech.  Kasus  auf  -fft^(v)  bei  Homer  128  f. ; 
83ni  taktische  Funktion  211  f.  Im  Lat. 
Adverbia  auf  -im  (Instr.?)  844  Anm.  1, 
und  -tus  (Ablat.)  844  Anm.  2. 

Nominalkomposition  (Form  und  Bedeu- 
tung) im  Griech.  188  ff.,  im  Lat  854  ff. 
Vier  Klassen  von  Komposita  in  den  idg. 
Sprachen  188,  854;  werdende  Komposita 
138;  Unterscheidung  zwischen  einheit- 
licher Zusammenseizung  und  syntakti- 
scher Wortverbindung  138;  das  1.  oder 
2.  Glied  im  Übergang  zu  einem  präfi- 
xalen  oder  suffixalen  Element  188  f.; 
Komposita,  deren  1.  Glied  der  Stanmi 
eines  dekl.  Nomons  oder  Pronomens  ist, 
im  Griech.  130  f.;  der  Stamm  durch 
Kasusformen  im  ersten  Gliede  verdrängt 
140;  verbale  Umdeutung  des  1.  Gliedes 
im  Griech.  140  f.,  im  Lat.  355;  Kompo- 
sita mit  einem  nur  in  der  Komposition 
auftretenden  Wort  im  1.  Gliede  141; 
Komposita  mit  einem  (auch  selbständigen) 
adverbialen  Worte  im  1.  Gliede  141; 
Komposita  mit  einem  Kasus  oder  erst 
im  Griech.  zum  Adverb  gewordenen 
Worte  im  1.  Glied  141  ff.;  Juxtaposition 
im  Lat.  354;  echte  Komposition  vm.  Lat. 
354  f.;  Kasuskomposita  im  Lat.  855  f.; 
Bedeutung  bei  der  Stanunkomposition 
nur  aus  dem  Sinne  zu  erschliessen  142; 
der  Gegensatz  von  unterordnenden  und 
beiordnenden  Kompp.  aus  der  idg.  Grund- 
sprache ererbt  143 ;  unterordnende  Kompp. 
im  Griech.  143,  im  Lat.  356;  keine  alle 
unterordnenden  Kompp.  richtig  unter- 
bringende Klassifikation  mögl.  148  Anm. ; 
beiordnende  Komposita  im  Griech.  143  f., 
im  Lat.  356;  mutierte  Kompp.  im  Griech. 
144,  im  Lat.  856;  nicht  mutierte  Kompp. 
im  Griech.  144,  im  Lat.  356;  Pseudo- 
kompp.  141  Anm. ;  Einteilung  der  Kompp. 
im  allgemeinen  856  Anm.  1;  Einteilung 
der  lat.  nach  den  alten  Granunatikem 
356  Anm.  1;  die  lat.  Sprache  arm  an 
Nominalkompp.  856  Anm.  2. 

Nominalstämme  (nominale  Stammklassen) 


im  Griech.  90  ff.  (siehe  Suffixe),  im  Lat. 
828  ff.;  idg.  i?-Stämme,  Flexion  102. 
-cf-Stänune  in  der  Deklination  mit  den 
t-  u.  t-Stämmen  vermischt  110;  t-Stämme, 
Flexion  102;  Neutra  auf  -{xa,  Deklina- 
tion 98;  a'-Stänmie  und  deren  stammab- 
stufende Deklination  108  f. ;  -ov-Stämme 
(Masc.)  in  die  Deklin.  der  -oi^T-Stänmie 
übergegangen  105;  ^-Stämme  mit  stamm- 
abstufender Deklination  106  f. ;  cr-Stämme 
mit  abstufender  Deklin.  110  f.  Yoka- 
lische  zu  konsonantischen  abgestumpft 
im  Lat.  828,  828  f. ;  a-,  o-,  u-  und  kon- 
sonantische Stämme  in  der  Zusammen- 
setzung in  f-Stämme  übergegangen  829 ; 
ä-Stämme  880  f.;  Dentalst.  325;  diph- 
thongische 881 ;  e-St.  831 ;  Guttiiralst.  325 ; 
t-St  328  f.;  -ie-St.  idg.  i-St.  881 ;  Labialst. 
825 ;  Liquidast.  mit  Spuren  urspr.  Stamm- 
abstufung 828;  Nasalst,  mit  urspr.  Ab- 
stufung 327  f. ;  r-Stämme  im  Wechsel  mit 
n-St.  328;  -io-,  o-St.  330;  «-St.  und  zwar 
mit  Abstufung  -cw-,  -es-  325  f.,  in  »-St. 
übergegangen  oder  ursprüngliche  Dop- 
pelst. 826,  auf -w-,  'U8  326;  M-St.  829  f. 
Im  1.  Gliede  der  Zusammensetzung  im 
Griech.  189,  im  Lat.  854  f.  T*-St.  im 
Griech.  in  der  Komposition  an  den  <r- 
Aorist  angelehnt  100. 

Neue,  Formenlehre  248. 

Neuschöpfungen  des  Griech.  16,  des  Lat. 
357. 

Nigidius  Figulus,  lat.  Grammatiker  289. 

Orthoepie  256  Anm. 
Osker  248. 

Päligner  248. 

Partikeln  im  Griech.:   -y  182;  im  Lat.  -ce 

847;  -ew,  -om  847*;  -?  (stammerweitemd) 

849;  -met  848  Anm.  8;  -pte  347*;  sed-, 

86'  346. 
Partizipien  siehe  Verbalflexion. 
Passivum  siehe  Verbalflexion. 
Patronymica,  griech.  109. 
Paul,  Prinzipien  der  Sprachgeschichte  7. 
Pauli,  Arbeiten  über  die  italischen  Sprachen 

248. 
Perfekt  siehe  Verbalflexion. 
Personalendungen  siehe  Verbalflexion. 
Personennamen  im  Griech.  ursprünglich 

Nominalkomposita  142. 
Philologie,  Aufgabe  ders.  8  f.;  alexandri- 

nische  5,  lat.  289  f. 
Picenum  248. 
Pleonasmus  6. 

Plusquamperfekt  siehe  Verbalflexion. 
Pomp  eins,  lat.  Grammatiker  240. 
Positionslänge  im  Lat.  unterblieben  278 

Anm. 
Präpositionen  im  Griech.  durch  Apokope 

oder  syllabische  Dissimilation  verändert 

79;  lat.  sed  846. 
Präsens  siehe  Verbalflexion. 
Priscianus,  lai  Grammatiker  240. 


886 


I.  Sachyerzeichnis  der  grieohiachen  nnd  lateimsclieii  OrammatiV. 


Pronomina,  gescbleclitige  im  Griecli.  129 ff., 
im  Lat.  346  ff. ;  Deklination  in  der  Ghrond- 
sprache  fast  in  allen  Kasus  abweichend 
von  der  der  Nomina  129;  im  Griech. 
hauptsächlich  im  nom.  acc.  sing,  neutr. 
129;  Dekl.  im  Lat.  348  f.;  Stämme  im 
Griech.  129  ff.;  im  Lat.  346  ff.;*)  For- 
men der  lat.  Pr.  in  späterer  Zeit  348 
Anm.  4;  Personalpronomina  im  Griech. 
131  ff.,  im  Lat.  (ungeschlechtige)  345  f.; 
die  ursprünglich  singulare  Flexion  auch 
des  Plurals  im  Griech.  noch  erkennbar 
131;  Stämme  im  Griech.  131  f.,  im  Lat. 
345;  Deklination  im  Griech.  132  f.,  im 
Lat.  345  f. ;  Reflexivum  im  Griech.  133  ff. ; 
Possessiva  im  Griech.  134,  im  Lat.  346 
Anm.  1  und  2. 

Principienlehre  der  Sprachwissenschaft  7. 

Beduplikationssilben  12. 
Reduplizierte  Nominalbildungen  im  Lat 

271. 
Reinach,  lat  Grammatik  244. 
Reisig,  Vorlesungen  über  lat.  Sprachwissen- 

schaffc  241. 
Rhotazismus  im  Griech.  60,  61;  im  Lat. 

297  f. 
Ribbeck'242. 
Ritschi,  Begründer  der  sog.  historischen 

Gramm,  des  Lat.  241  f. 
Romanische  Sprachen,  Verh.  z.  Lat.  246. 
Ruddimanus  241. 

Sabeller  248. 

Sanctius  241. 

Satzphonetik  75  ff. 

Scaliger  241, 

Schriftsprache,  allgemein  griech.  21 ;  lat. 
245. 

Schuchardt  7. 

Schweizer-Sidler,  lat.  Grammatik  244. 

Schweisthal,  über  Ausspr.  d.  Lat.  255. 

Seelmann,  über  Ausspr.  d.  Lat.  255. 

Sergius,  Kommentator  240. 

Servius,  Konunentator  240. 

Silbenverlust  durch  Dissimilation  imGriech. 
74;  im  Lat.  314  f. 

Sonanten  23. 

Spiritus  asper  {H)  65;  ans  tonlosem/?  ent- 
standen 65;  aus  i  65;  aus  ante-  undinter- 
Bonantischem  «  61 ;  aus  urgr.  s  ,  «j[-,  ^- 
62,  65;  aus  unurspr.  8  66;  durch  Form- 
assoziation eingeführt  66;  aus  der  Ver- 
bindung mit  den  vorgesetzten  Artikel- 
formen entstanden  66;  aus  unaugmen- 
tierten  Formen  in  augmentierte  einge- 
drungen 150;  geschwunden  durch  Dissi- 
milation 66;  dicdektisch  geschwunden  66; 
fiheytiXov  und  ähnliches  81;  gh  (kork.) 
42);  fhf  ÄA,  fjih,  yhf  ^Ä  65;  A  nach  ^- 
Zeichen  der  Tonlosigkeit42;  Spir.  lenis  65. 


*)  Dio  eiii/oloen  Formen  sind  im  alphabetischen 
Wortiodex  oachztueheo,  aas  dem  ich  sie  hier  sieht 
wiederholen  will. 


Sprachforschung,  historische 6 f. ;  bei  den 

alten  Griechen  5. 
Sprachwissenschaft,  vergleichende  (md<v 

germanische)  nnd  ihre  Aufgabe  8. 
Stamm  als  Wort  89. 

Stammabstufung  aus  der  idg.  Urzeit  er- 
erbt 89;  eine  Folge  von  BetonungsT-er- 

schiedenheiten  90;  im  Lat.  in  der  Rege] 

zu  einem  einheitlichen  Paradigma    aus- 
geglichen 323. 
Stellung  des  Griech.  im  Kreise  der  indoe. 

Sprachen  16;  des  Lat.  247  f. 
Stoiker  und  ihre  Stellung  zur  Sprachwissen- 
schaft 6. 
Suffixe:  Zur  Bildung  von  Nomina,  Begrvff»* 

bestimmung  91. 
Indogermanische:*) 

-f-  99. 

-»-,  -i^-  101. 

-f-,  -ijf-  103. 

'ich,  -lio-,  -to,  -iiä  92. 

'ien-,  -in-  (verallgemeinert)  105. 

-K«-,  -tK»-  112. 

-je«-,  -iifs-  112  f. 

-ifUhf  -mo-,  -mö,  -Inä  93. 

'iqo-  99. 

-«-  112. 

'isto-  98. 

-ftt-  100. 

-u-  100. 

-ti-,  -t«tf-  103. 

-1^-,  -^ä  93. 

-y«i-,  'UH'  105. 

-ttent-,  -if^-  109,  288. 

-tf««-,  -uet-  113  f. 

'U^o-  97. 

-uq<h  99. 

-en-  104. 

•er-  106. 

-ero-y  -erä  95. 

-I».  110. 

-eti'  100. 

-o-  91  f. 

'Öj^  (nicht  erwiesen)  100. 

-(mo-  93. 

-aqo-  99. 

'ä  91  f. 

'98'  111  f. 

'ni'  99. 

-UM-  101. 

'fto-,  nä,  'i^no-f  -^nä  93,  278. 

-nt'  108  f. 

-mi'  100. 

-men-  105  f. 

-menO'f  -menäj  -mno-^  -mnä  94. 

-mo-f  -mä  94. 

'titno-y  'ifino-  94. 

'rginio-  97. 

-i^itnO'  354. 

-ri'  100. 

-ri4-  101. 

-ro-,  rä,  'fro-y  -frä  94  f. 

*)  Die  Anordnung  der  einzelnen  BnchdUben  (aI 
getroffen  nach  der  von  Brugmaun  S.  2-{  gej(eboo»>Q 
Einteilung. 


a.  Griechische  and  lateinische  Formenlehre. 


887 


-/o-,  -lä,  -Uo-,    IIa  95  f. 

-00-,  -oÄ-  98. 

-Jb-,  -kä'  98. 

-/-  107  f. 

'ti-  100. 

-tu-  101. 

-ter-  106. 

-^pro-,  -^erÄ  95. 

-^o-,  -/ä  96  flf. 

-/«/-,  -/«/*-  97,  108. 

-^ro-  95. 

-fro-,  -trä  92. 

-^i^mo-  287. 

-fh-,  tld  92,  291. 

-6Ä0-,  bhä  96. 

-xmo-  94. 

-«Jo-,  'sfcä  99. 

Europäische: 

-e/Äro-,  -e/Ära  96,  295. 
'dhlo-,  'dhla-  96,  295. 

Arische: 

-ana-y  äna-  94. 
Altindische: 

'trand  94. 

Griechische:*) 
-atf-  109. 
-aiya  102. 
-wo-  93. 
-airego'  95. 
-«Afo-  93. 
-rcAo-  96. 
'Ctpo-  93,  278. 
-«vo-  94. 
-ttQo-  95. 
-aro-  98. 
-a(po-  96. 
-y-  110. 
-«o-  93. 
-eXo-  96. 
-6^0-  95. 
-earego'  95,  111. 
-/ar-,  -/fr-,  -fsyr-  109. 
-/TOT-  108,  113. 
-rj/sBvX'  109. 
-lyAö-  95. 
-jy^o-  95. 
-»sq  110«. 
-i^/ufi'-  106. 
»fAO'  94. 
-t«  102. 
-ttfto-  92. 
-txo-  99. 
-//4o-  94. 
-ivo'f  'iyo-  93. 
-MTXO-   99'. 
-l<XT€(fO-   95. 
-MTTO-    98. 

-X-  110. 
-x^o-  99. 
-xo-  98. 
-XXo-  96. 
-^yo  94- 


*)  Hier  habe  ich  auch  alle  sufflxartigen  Komplexe 
aufgeführt. 


-y-f  -ey-.-oy-^  'tjy-,  -«v-  104. 
-o/re^T-  109. 
-010-  93. 

OTttT'   108. 

-^  (-«p,  -w^)  106. 
-(»0-  95. 
•fffiey-  106. 
-ovy«,  -ovi'o-  93. 
-raro-  95,  97,  98. 
't€0'  (Verbaladjektive)  93. 
-rct^ce  102. 
'xego-  95. 
-riy^-,  -ro^-  107. 
-xtJQiO'  93. 
-riyCf)  96». 
-r^fv-  106,  108. 
-rfdo-  94,  108. 
-r(>t«  102. 
-Tv{g)  101. 
-vxo-  99. 
vXo'  96. 
-vAAio-  96. 
-v^o-  95. 
-ü»  100. 
Lateinische: 
-äc-  325. 
-fl/t-,  -ort-  282. 
-6/0-,  'bro-,  277,  282. 
-6ii»rfo-  381. 
-r/o-  277,  282,  291. 
-rro-  282,  291. 
-CO-  330. 
-cundo-  381. 
-en-  328. 

-fit»  (Distribntivzahlen)  351. 
-ensimo'  353*;  -fw^timo-  351 ;  -isimih  351. 
-ii;.  325. 

-ient'  (Grundform  -int-)  352. 
-mä,  'ino-  278. 
-*n^MO-  288. 
-io»-  327. 
-io-  330. 
-ror  352. 

-iÖ8-  (Nom.  *-»?»),  if«-,  -w-  352. 
-issimo-  353,  354  Anm.  2. 
-istimo-  353. 
-W/0-  353'. 
-iewro-  381. 

-/o-  330,  Deminutiva  bUdend  285. 
-men  287,  327. 
-meno-y  -mno-,  -mön-  381, 
-mew-,  -mön-  327  f. 
-ment<h  327. 
-mo-  330,  353. 
-ik/o-  381. 
-HO-  330,  351. 
-wf-  381. 
-o-  330. 
-öc-  325. 

-^«o-  288,  298,  330. 
-ro-  330. 

-80-  (nicht  zu  erweisen)  306. 
-tat-,  -tätü  325. 
-<fro-  291,  353. 
-tu  291,  323. 


888 


L  SaohTerzeichniB  cur  g^eoldsclieB  Tmd  lateiniflohen  Grammatik« 


'timo-,  'tumo'  351,  353. 

'tio-  330. 

-tion-  327. 

'tlo-  277. 

'tO'  291,  330,  351,  353,  381. 

-tor-  291,  328. 

'fro-  330. 

•tuden-  327. 

'türa-  381. 

-<a<.,  -fürt-  325. 

'VO'  300,  330. 
-  hypokoristische    bei    ZDBammengeseteten 

Personennamen   im    Gnech.    142.     Zur 

Bildung  von  Adverbien  griech.  -^ey  133, 

-g  121;  lat.  -s  292. 
Supinum  siehe  Yerbalflexion. 
Synkope  der  Vokale  im  Lat.  321  f. 
Syntaktische  Funktion  einer  Form  (imma- 
nente und  zufällige  Bedeutung)  14. 
Syntax,   Aufgabe   der  historischen    13  f.; 

des  vedischen  Dialekts  13. 

Tenues  siehe  Konsonanten. 

Terentius  Scaunis,   lat.  Grammatiker  239. 

Umbrer  248. 

Uniformierung  der  Formensysteme  90, 323. 

Y  a  n  i  6  e  k ,  eiym .  Wörterbuch  der  lat.  Sprache 
244. 

Yarro,  Antiquar  und  Grammatiker  239. 

Yelius  Longus,  Grammatiker  239. 

Veränderungen  des  lat.  Yerbalsystems  im 
Vergleich  zu  dem  der  idg.  Grundsprache 
und  Gründe  ders.  357;  satzphonetische 
in  vorhistorischen  Perioden  76. 

Yerba. 

Griechische  auf  -aito  158;  -«w,  -ito,  -o«, 
-t;<u,  «CO,  'ijtOf  'tooi  159;  -tt^oi  und  -lio) 
109,  160;  -ayta^  -uyta  163;  -evo)  mit  der 
Bedeutung  einer  regelmässigen  beruf- 
lichen Thätigkeit  160;  -C»  und  -rrm 
(-ffffcü)  nebeneinander  158;  -«crw  bezeich- 
nen einen  krankhaften  (tadelnswerten) 
Zustand  160;  -/crxa)  99,  162;  -ocu  haben 
faktitive  Bedeutung  160;  -axta  161  f. 
Lateinische  auf  -ao,  -eo,  -io  wechseln 
miteinander  367;  -ao,  -eo,  -*o,  -uo  367; 
'ä8C0y  'iscOj  -escOt  -feco,  -isco  866;  -eo, 
auf  io- Yerba  zurückgehend  367;  -esso 
375  Änm.  2 ;  -io,  Flexion  ders.  366  f.,  in 
die  Analogie  der  abgeleiteten  auf  -io 
übergetreten  366;  -oo,  nur  in  spärlichen 
Resten  erkennbar  367. 
causativa  im  Griech.  161;  denominativer 

Ursprung  nicht  erweislich  161. 
denominativa  im   Griech.  159;  lateini- 
sche auf  -ao  und  -eo  mit  bestimmt  ge- 
schiedener Bedeutung  367. 
inchoativa  im  Lat.  von  Nomina  abge- 
leitet 366 ;  mit  kausativer  Bedeutung  im 
Vulgärlatein  366. 
intens] va  im  Griech.  159. 

Yerbalflexion  im  Griech.  144  ff.;  im  Lat. 
356  ff. 


Aorist,  starker,  des  Akt.  im  Griech.  152  ff, 
156  f.;  starke  akt.  Aoriste   auf  -a  der 
Flexion  des  <r- Aorists  angeschloseen  153; 
starker  akt.  Aorist  der  themat.  Verba 
aus  einem  einzigen  Paradigma  mit  dem 
Präsens  entsprungen  156  f.;  redapL  akt 
Aorist  157;  Reste  des  starken  aJbt.  Aor. 
im  Lat.  dem  Präsenssystem  einverleibt 
357,  362.    Sigmatischer  Aor.  im  Griech. 
167  ff.;  Anfügung  der  Personalendnngeo 
ursprünglich  unmittelbar  167;    a  analo- 
gisch eingedrungen   167;  s  unmittelbar 
an  den  Stamm  gefügt  167  f.;   zwischen 
Wurzel  und  -«-  erscheint  -*-  168  f.;  Vo- 
kalisation  der  Verbalstammailbe  167  f.; 
Aoristbildung   der  denominativen  Yerba 
aus  vorgriechischer  Zeit  168;  Aoriste  auf 
'^a   und   -ifaa   durch   Fonnübertragnng 
weiter   ausgebreitet   168,    169;    aigmat. 
Aoriste  nach  Analogie  der  theniaÜscheo 
Konj.  169  f.  Sigmatischer  Aorist  im  LatL 
erbäten  im  Perfekt  auf  -si  370 ;  in  den 
Modi   des  Perf.,   Plusquamp.,    Fntanim 
exact   373  ff.;   auch   der  coni.    imperf. 
ein  Best  des  sigm.  Aorists  375.  ;v-Aoiist 
nicht  nachgewiesen  362*. 

Griech.  Passivaorist  auf  -17»^  153,  auf 
'9f]y  153  f. 

Augment  im  Griech.  149  f.;  im  Lat.  ver- 
loren 357 ;  ursprünglich  ein  selbstfindigi^ 
Wort  149;  bei  vokahsch  anlaatenden 
Verben  149;  bei  Verben  mit  or^rflng- 
üch  konsonantischem  Anlaut  150;  Aug- 
ment 17-  und  dessen  Erklänrng  150; 
arbiträre  Weglassung  bei  Homer  149. 

Futurum,  idg.  auf  -siö  im  Lat.  nicht  er- 
halten 357,  im  Griech.  nicht  sicher  nach- 
zuweisen 171  Anm.  Sigmatiaches  im 
Griech.  nach  drei  Bildungstypen  170  C 
vielleicht  Konjunktiv  des  a- Aorists  171 
Anm.;  Futura  vom  Perfektsstamm  171. 
Lat.  auf  -bo  Neubildung  357,  375  f.:  auf 
'am,  -es  u.  s.  w.  ursprttnglich  Optativ« 
bez.  Konjunktiv  376,  378. 

Futurum  exactum  im  Griech.  171,  im 
Lat.  374. 

Imperfekt,  lat.  auf  -bam  Neubildung  376; 
emfaches  Imp.  nur  eram  376;  archaisch- 
lateinisches  auf  -am  376  Anm.  1. 

Infinitive:  erstarrte  Kasus  174;  griech. 
auf -er»  116,  121;  auf -^at  174;  auf  -fity, 
-fjiByai  106,  175;  auf  -^eyai  105,  17.^; 
auf  'Hy  105,  175;  auf  -fieiy  175;  auf 
'fifjy  (gortyn)  104;  auf  -v  (dor.,  ark.)  17o, 
auf  '0ai  175.  Lat.  sämtliche  aktive  mit 
'9e  gebildet  379  f.;  altüberkommen  nur 
die  Formen  auf  -er«  und  vielleicht  dur 
380;  Kasus  von  ««-Stämmen  326;  letz- 
teres vielleicht  gleich  griech.  dBt^m  374 ; 
die  passiven  und  deponentialen  auf  -i 
dativischen  Ursprungs  380;  passive  auf 
-ier  nicht  sicher  erklärt  380  f. 

Iterativformen  der  Präterita  im  Ioni- 
schen 162. 

Medium,  indog.  im  Lat.  nur  in  einzelnen 


a.  QriechlBche  und  lateinische  Formenlehre. 


889 


Spuren  nachweisbar  357,  360, 372 ;  wahr- 
scheinlich anch  als  Passivmn  fungierend 
360. 

Modi:  Bildung :  Imperativ  im  Griech.  172  f., 
des  Perfekts  165,  des  Akt.  im  Lat.  378  f., 
des  Pass.  360,  379.  Injunktiv  (unechter 
Konj.)  im  Griech.  172,  im  Lat.  378,  379. 
Konjunktiv  im  Griech.  mit  -o-,  -e-  von 
unthematischen  Verben  171,  mit  Suffix 
(0,  17  bei  thematischen  172,  des  Perfekts 
165;  im  Lat.  114  f.  Optativ  im  Griech. 
und  Lat.  mit  Suffix  -k-,  iyt-  -»-  173  f., 
377;  mit  Suffix  -|-  im  Griech.  und  Lat. 
174,  377  f.;  der  Opt.  des  sigm.  Aorists 
im  Griech.  eine  Neubildung  170,  174, 
375;  Opt.  des  sigm.  Aorists  im  Lat.  374. 

Partizipien:  Bildung:  im  Griech.  176, 
im  Lat.  381  (siehe  Suffixe);  des  aktiven 
Perfekts  im  Griech.  165;  stammabstu- 
fende Deklin.  desselben  113  f.;  in  die 
Analogie  der  themavokalischen  Präsen- 
tien  übergegangon  114;  Dekl.  der  griech. 
Part,  auf  -ir-  108  f.,  der  lat.  auf  -«/- 
287  f.,  325;  Nom.  des  Sing,  der  griech. 
Part,  auf  -oyt-  109.  Part,  des  akt.  Per- 
fekts im  Lat.  nicht  sicher  nachgewiesen 
380;  d.  sigmat.  Aorists  375  Anm.;  Part, 
des  Perf.  pass.  bez.  Supinum,  Bildung 
298, 306  f. ;  Part,  necessitatis,  Bildung  311. 

Passivum:  im  Lat.  eine  Neubildung  357 , 
359  f.;  Formen  vom  sigmat.  Aorist  374; 
der  Passivexponent  r  nicht  aus  8  hervor- 
gegangen 300. 

Perfekt:  Bildung:  Reduplik.  im  Griech. 
163,  im  Lat.  368.  369.  Fehlen  der  R. 
seit  idg.  Urzeit  114,  164,  368;  AbfaU 
im  Lat.  368.  Stammbildung  durch  Ab- 
stufung im  Griech.  164  f.;  im  Lat.  368  ff.; 
Perf.  auf  -«»,  -r»,  -ui  im  Lat.  370.  An- 
fügung der  Personalendungen  ursprUngl. 
unmittelbar  an  die  Wurzelsilbe  165,  373; 
im  Griech.  scheinbar  themat.  Flexion  mit 
-«- 165  f.;  Flexion  und  Personalendungen 
im  Lat.  372.  Die  aspirierten  Perf.  im 
Griech.  166;  die  Perf.  mit  -<r^-  166;  das 
x-Perf.  153, 167.  Übergang  in  die  präsent. 
Flexion  im  Griech.  166  f.,  im  Lat.  373. 
Synkopierte  Perfektformen  im  Lat.  373. 

Personalendungen:  Unterscheidung  in 
primäre  und  sekundäre  144;  speziell  per- 
fektische 145;  des  Akt.  im  Griech.  145  f., 
im  Lat.  315,  358  f.  (Präsens),  372  f. 
(Perfekt),  378  f.  (Imperativ) ;  des  griech. 
Med.  147  ff.;  des  lat.  Pass.  360  f. 

Plusquamperfekt  im  Griech.  170,  im 
Lat.  374. 

Präsens:  Bildung  der  Stämme  im  Griech. 
150  ff.,  im  Lat.  361  ff.  Themavokallose 
Stämme  im  Griech.  151  ff.,  im  Lat.  362  ff.; 
Übergang  der  themavokallosen  Stämme 
in  die  thematische  Konjugation  im  Lat. 
361  f.  Themavokalische  Stämme  imGriech. 
156  ff.,  im  Lat.  364  ff.  Präsensstamm 
—  der  einfachen  Wurzel  im  Griech.  151, 
im  Lat.  362  ff.;  =  Wurzel  (starke  oder 


schwache  Form)  -f  themat.  Vok.  im 
Griechischen  156  f.,  im  Latein.  364  f.; 
=  Wurzel  -f  ^  im  Griech.  153;  =  dem 
redupl.  Yerbalstamm  im  Griech.  154  f. ; 
=  redupl.  Yerbalstamm  -+-  them.  Vok. 
im  Griech.  157,  im  Lat.  365;  =  der 
schwachen  Wurzelform  -f-  vv  :  vv  im 
Griech.  155,  durch  «>  erweitert  155;  = 
schwacher  Wurzelform  -f-  *'«  *  ^^  i™ 
Griech.  156;  =  Wurzel  -\-  no  :  ne  (zum 
Teil  mit  Nasalinfix)  im  Griech.  162  f., 
im  Lat.  365  f.  (dazu  Verba  auf  -ayto^ 
-ino);  =  Wurzel  (starke  oder  schwache 
Form)  ■]-  i^  '  i^  im  Griech.  157  f.,  im 
Lat.  366  f.;  =  redupl.  Wurzel  -f  ^o  :  j^c 
im  Griech.  159;  =  Nominalstamm  4- 
ioiie  im  Griech.  159  f.,  im  Lat.  367; 
=  der  hochstufigen  Wurzelf.  -f  eip :  eie 
im  Griech.  161,  im  Lat.  367;  =  Wurzel 
-^  to  :  te  im  Griech.  161,  im  Lat.  365; 
=  Verbalstamm  -f  sJeo  :  ske  im  Griech. 
161  f.,  im  Lat.  366;  =  dem  redupl.  Ver- 
balstamm  -f  cxo  :  axe  im  Griech.  162; 
=  der  schwachen  Wurzelform  -f-  »'/o  • 
yf6  im  Griech.  163;  =  der  Wurzel  -h 
do  :  de  im  Lat.  365.  Scheinbar  unthema- 
tische Präsensformen  im  Lat.  364  Anm. 
Aorist-  und  Imperfektpräsentia  365.  Präs. 
und  starker  Aorist  nur  syntakt.  unter- 
schieden 150. 
Supinum,   Kasus  eines  /u-Stammes  329. 

Verbalstämme,  primäre  und  abgeleitete, 
wechseln  im  Präsens  und  in  der  Tempus- 
bildung im  Lat.  367  Anm. 

Verrius  Flaccus,  Antiquar  und  Grammatiker 
239. 

Verschlusslaute  siehe  Konsonanten. 

Vestiner  248. 

Vokal,  thematischer  264,  362' 

Vokalablaut  (-abstufung)  im  Griech. 44ff., 
im  Lat.  263  ff.,  285  Anm.;  scheinbarer, 
durch  lautgesetzlichen  Wandel  entstanden 
im  Griech.  90;  unursprünglicher,  durch 
analogische  Neubildung  entstanden  im 
Griech.  46  f.,  im  Lat.  265 ;  Ablaut  e :  ^ 
bei  den  e- Wurzeln  im  lat.  Perfekt  369, 
€ :  ä  370. 

Vokale:  idg.  als  Sonanten  im  Griech. 
24  ff.,  im  Lat.  256  ff.  und  zwar  i,  i  24, 
258  f.;  M,  ü  24,  259;  e,  i  25,  256  f.; 
0,  ö  26,  258;  a,  ä  27,  256;  9  27  f.,  259 
Anm. ;  in  nachtonigen  Silben  267  f.  Als 
Konsonanten  im  Griech.:  1  28  ff., 
78,  tf  30  f.,  78;  im  Lat.  j  260  f.,'*  u  261. 
idg.  u  und  v  nicht  zu  unterscheiden  65. 
Griechische:  a  in  o  übergegangen  im 
Boot,  und  Thess.  48 ;  =  idg.  -i^,  -^  78 ; 
«  aus  tti{f),  nicht  vor  o- Vokalen  38; 
durch  Ersatzdehnung  entstanden  71;  s 
in  a  übergegangen  im  Eleischen  25,  im 
Lokrischen  26;  in  *  im  Kypr.  48;  in  e*, 
i  (dial.)  38;  neuion.  fo  =  urgriech.  tjo 
20;  e  offen  in  ion.  Bta  39;  bezeichnet 
geschlossenes  e  in  Keos,  Naxos,  Amor- 
gos  27;  fj  aus  d  im  Ion.,  Att  27;  in  a 


890 


I.  SacliTerzeicliiiia  zur  griechischen  und  lateinischen  Oramma^ 


übergegangen  im  Eleischen  26,  in  si  im 
Boot,  und  Thess.  26,  in  t  26;  offenes  B 
in  Eeos,  Naxos,  Amorgos  27;  nenion. 
fjo,  eo)  =  urgriech.  do  20;  »  aus  -tyr- 
70;  aus  v  durcli  Dissimilation  72;  %  aus 
V  fraglich  72;  -t-  im  Plural  der  Prono- 
mina 129;  -t  kaum  lautgesetzlich  elidiert 
79;  f  subscriptum,  Verstummen  dess.  36; 
0  in  tt  (v)  übergegangen  im  ÄoL,  Arkad., 
Kypr.  und  Pamph.  26;  w  in  ü  {ov)  im 
Thess.;  t;  =  tf  bei  Dichtem  33;  vo  aus 
vv  nicht  sicher  72;  u-Laut  im  Griech. 
in  ü  übergegangen  25.  In  konsonanti- 
scher Funktion :  i^Übergangslaut  im  Kjpr. 
und  Pamphyl.  29;  durch  y  ausgedrückt 
29;  i  =  ii  bei  Homer  30;  \f  durch  y, 
Q,  r  ausgedrückt  30. 
Lateinische:  a,  e  neben  f,  a  anderer 
ital.  Dialekte  oder  verwandter  Sprachen 
257;  a  und  o  nebeneinander  (Ablauts- 
verhältnis?)  264  Anm.;  a  Übergegangen 
in  e,  t,  u  267,  270;  in  ö  268,  ä  in  « 
270;  e  übergegangen  in  t  250  f.,  267, 
270;  in  o  257,  266,  267;  in  w  268;  svara- 
bhaktisch  277;  ^übergegangen  in  i  257, 
270;   ♦  =  ii  261;  i  übergegangen  in  e 

266,  267,  269;  t  und  e  wechsehi  in  älte- 
rer Zeit  268;  i  longa  253;  t  svarabhak- 
tisch  277;  -t-  in  der  Deklination  der 
Pronomina  349;  -n-  dissimiliert  zu  -ie- 
271;  i  =  ei  264;  o  in  a  übergegangen 
258;  in  au  272;  in  e  258;  in  t  270;  in 
u  in  griech.  Lehnwörtern  und  in  lat.  Wör- 
tern 267,  269,  270;  in  ü  268;  o  svarab- 
haktisch  217;  o  neben  griech.  v  266;  -oi», 
UO'  (unbetont)  =  ü  262;  nicht  aus  an- 
lautendem vo-  300;  'Ofh  in  -av-  überge- 
gangen 258;  -quo'  in  -cü-  übergegangen, 
nicht  in  -quu'  289 ;  -vo-  in  -vu-  übergeg. 
268;  ö  ini*  258,  267;  -öi?-  in  -äv-  258; 
u  in  t  (fl)  266;  in  -o-  (archaisch  und 
vulgär)  266  f.;  u  svarabhaktisch  277; 
u  lautgesetzlich  nicht  geschwunden  nach 
g  und  im  Lat.  nicbt  entwickelt  nach  c, 
g  288  f. ;  ü  in  ^  übergeg.  in  der  Komp. 

267,  270;  ü  =  «jw,  oi  264;  ü  256, 
266,  267,  268;  y  urspr.  durch  u  (»,  oe) 
wiedergegeben  251 ;  zur  Zeit  des  Augu- 
stus  unmittelbar  vom  Griech.  entlehnt 
251.  In  konsonantischer  Funktion  261  ff.; 
e  in  Hiatusstellung  263;  i  261  f.;  tf  262; 
i  geschwunden  261 ;  u  nach  c-  geschwun- 
den 290. 

Vokale,  anaptyktische  (svarabhaktische)  im 
Griech.  49,  im  Lat  277  f.;  assimiliert 
an  den  Vokal  der  vorhergehenden  oder 
folgenden  Silbe  im  Lat.  269,  270,  277, 
278;  an  den  Vokal  des  Nom.  in  den 
abhängigen  Kasus  267,  268;  gedehnt  im 
Anlaut  des  zweiten  Kompositionsgliedes 
im  Griech.  46';  vor  gewissen  Konso- 
nantengruppen im  Lat.  281  f.;  im  Perf. 
und  Supinum  durch  Analogie  282;  ge- 
kürzt vor  Vokalen  im  Griech.  38.  im 
Lat.  279;  Vor  i,  if  Nas.,  Liqn.  -f  Kons. 


im  Griech.  47  f.,  im  Lat.  279;  im  Lar. 
wegen  Verschiebung  des  Hochtons  2^J : 
im  Auslaut  279;  -t  im  gen.  sing,  gekfirzt 
im  Lat.  338;  geminierte  im  Lat.  zur  Be- 
zeichnung der  Länge  252  f.;  geachwfteht 
in  der  Zusanunensetzung  im  Lat.  269  IT.  : 
prothetische  im  Griech.  42,  48,  67:  im 
Lat.  278;  durch  Synkope  geschvnmdes 
im  Lat.  321  f.;  im  Auslaut  abgefaUen 
im  Griech.  78  f.;  im  Lat  315,  318.  Be- 
sonderheiten in  der  Aussprache  im  Lat. 
in  älterer  Zeit  255  f. 

Vokalverbindungen  (Diphthonge):  idg. 
im  Griech.  24  ff.,  im  Lat.  259;  mit 
langem  erstem  Komponenten  36,  260. 
Griechische:  at  fibergegangen  in  tu,  fj 
im  Boot.  35 ;  in  £»  im  Thess.  und  ander- 
wärts 35;  av  33;  et  34;  =  ?  im  Korinth. 
und  Attischen  34;  in  »  gewandelt  35; 
ffir  0  ün  Attischen  37;  ev  33;  daf&r  ion. 
60  34,  kret.  ov  34;  ot  übergegangen  in 
oe,  V  im  B5ot.  und  anderen  Mondarfcen 
35;  in  i  35;  in  vi,  im  Kret.  und  Lesb. 
35;  ov  33;  =  ü  im  Ion.  34;  rc  durch 
Konsonantenschwund  und  Kontraktion 
entstanden  35.  Diphth.  als  Konti:aktion9- 
produkte  38;  »^-Diphth.  im  Auslaute  78; 
et  und  ot),  durch  Ersatzdehnung  ent- 
standen, keine  Diphthonge  71. 
Lateinische:  ai  übergegangen  in  aei,  ae, 
e  271  f.;  in  %  Endsüben  259;  für  e  ge- 
schrieben 271,  für  tf  272;  =  -aii-  272; 
ae  übergegangen  in  i  270;  au  überge- 
gangen in  a  272,  in  o  272,  in  ü  270; 
ei  nicht  sicher  als  Diphthong  nachweis- 
bar 272;  übergeg.  in  %  und  e  273;  in 
%  264;  für  %  und  €  geschrieben  273;  = 
t  pinguis  252;  =  -eii-  273;  eu  in  ou^ 
Ä,  ö  übergeg.  275;  in  i  273,  274  Anm.  1 ; 
oi  übergegangen  in  oe,  ü  264,  274;  in 
e  274,  in  f  in  Schlusssilben  259,  260. 
schwerlich  in  Tonsilben  274  Anm.;  ou 
in  ü  (ö)  übeigeg.  275. 

Vokalverschleifung  im  Lat.  316,  317 
Anm.  2. 

Volsker  248. 

Vossius  241. 

Vulgär  Sprache,  lat.  245  f.,  386  f. 

Wegener  7. 

Wölfflin,  Archiv  f.  lat,  Lexikographie  und 

Gramm.  244. 
Wurzeln,  Zweisilbigkeit  derselben  28. 

Zahlwörter  (Numeralia):  Cardinalia  nnd 
Ordinalia  im  Griech.  135  ff.;  Ordinalia 
auf  -To-  98;  Zahladverbia  auf  -xi*'  131; 
Cardinalia  im  Lat  349  f.,  Ordinaha  350  f., 
Distributiva  351,  Multiplicativa  351  f., 
im  ersten  Kompositionsglied  im  Lat  349  f. ; 
Zahlwortkomposita  im  Griech.  141,  im 
Lat  354. 

Zahlzeichen,  lat,  zum  Teil  aus  den  Bnch- 
stabenzeichen  der  griech.  Aspiraten  ent- 
sprungen 250. 

Zerdehnung,  epische  38. 


I 


1>.  OriechiBohe  Syntax  und  lateinische  Syntax  und  Stilistik« 


891 


b.  Griechische  Syntax  und  lateinische  Syntax  und  Stilistik. 


Ablativ,  Adverbialkasus  429  ff.,  absolutus 
485  f. ;  nur  aus  einem  Partizip  bestehend 
398  Anm.  2;  causae  429  f.;  compara- 
tivus  430  f.;  umschrieben  durch  a  und 
de  481 ;  instrumenti  482 ;  bei  verbis  copiae 
et  inopiae  483;  loci  (scheinbar)  482; 
mensurae  481;  modi  480;  pretii  480; 
qualitatis  481  f.;  respectus  480;  separa- 
tivus  (Gebrauch  bestritten)  484;  bei  ut&r 
fruor  u.  s.  w.  432,  usus  est  482,  opus 
est  488;  bezeichnet  die  Ausdehnung  in 
der  Zeit  414;  der  Ortsruhe  bei  den  Städte- 
namen 488  f.;  von  Ort  und  Zeit  435  f. 

Adjektive  im  Griech.  212  f.;  nicht  scharf 
geschieden  ^om  Substantiv  212;  schein- 
bar beim  Verbum  212;  substantiviert 
212;  imLat.:  attributive  bei  einem  sub- 
stantivierten Adjektiv  537;  mit  einer 
Beifügung  nachgestellt  im  klassischen 
Latein  559;  stehen  regelmässig  vor  dem 
Substantiv  558;  copiae  et  inopiae  mit 
dem  Genitiv  oder  Ablativ  483;  kompara- 
tive mit  quam  504;  gen.  masc.  und  fem. 
im  Sing,  mit  dem  genet.  partitivus  419; 
gen.  neutrius  am  liebsten  in  den  als 
neutral  erkennbaren  Kasus  substantiviert 
537;  als  Akkusativobjekte  415;  im  Abi. 
absolutus  436;  mit  genet.  quäl.  419;  im 
Sing,  mit  Substantiven  verbunden  im 
Sinne  einer  Mehrheit  589  f.;  mit  dem 
Genetiv  420 ;  mit  prae-  und  per-  zusam- 
mengesetzte gesteigert  542 ;  prädikative 
nachgestellt  im  klassischen  Latein  559; 
pronominale  in  stilistischer  Hinsicht  549 ; 
substantiviert  536  f. ;  statt  eines  Adverbs 
539. 

Adjektive  und  Adverbien  in  parallelen 
Satzgliedern  im  Lat.  579  Anm.  3. 

Adverbiale  Ausdrücke  pleonastisch  gesetzt 
im  Lat.  574. 

Adverb  ienim  Griech. :  erstarrte  Kasus  200  f. ; 
in  der  Form  des  Akk.  als  Akk.  der  Be- 
ziehung zu  deuten  205;  lokativische  210; 
ursprüngliche  Instrumentales  210  f.,  211; 
präpositionale  als  Konjunktionen  verwen- 
det 283;  im  Lat.:  attributiv  gebraucht 
410  f.;  aus  Akkus,  entstanden  418;  aus 
erstarrten  abl.  absol.  898  Anm.  2;  des 
Ortes  mit  dem  gen.  part.  419;  der  Zeit 
420;  komparative  mit  quam  504;  zur 
Steigerung  der  Adjektive  540;  vom  Ad- 
jektiv getrennt  559;  geben  ein  Urteil 
über  die  Handlung  statt  der  Art  und 
Weise  der  letzteren  an  581. 

Akkusativ,  ein  rein  verbaler  Kasus  zur 
Modifikation  des  Prädikats  418;  Objekts- 
kasus im  Griech.  203,  205;  Kasus  des 
allgemeinen  Objekts  im  Vulgärlatein  424; 
bei  Verben  im  Griech.  203;  im  Lat.  bei 
Verben  der  Bewegung  414,  bei  medialen 
(bes.  des  Bekleidens  und  Entkleidens) 
415,    beim   indirekten    und   kausativen 


Medium  413;  nach  Adjektiven  im  Lat. 
415;  mit  einem  Substantiv  verbunden 
nur  im  archaischen  Latein  415;  mit  dem 
Genmdium  im  Nominativ  415;  bei  em 
583;  absoluter  nur  der  Vulgärsprache 
angehörig  415,  565  Anm.;  der  Ausdeh- 
nung im  Griech.  204,  im  Lat.  414;  der 
Beziehung  im  Griech.  204  f. ;  des  Inhalts, 
des  Resultats  203;  des  Zieles  204;  des 
Maasses  im  Lat.  431;  exclamationis  416; 
doppelter  imLat.  418,  416;  des  Plurals 
für  den  Nominativ  im  Griech.  203;  als 
Subjekt  nur  in  der  spätlat.  Bauemsprache 
412. 

Akkusativ  mit  dem  Infinitiv  im  Griech. 
195  f.,  im  Lat.  478  flF.;  als  Subjekt  nach 
unpersönlichen  Verben  im  Lat.  487,  nach 
adiect.  neutra  mit  esse  487,  nach  subst. 
abstr.  mit  est  488;  bei  den  verba  impe- 
diendi  486,  cogitandi  declarandi  und  sen- 
tiendi  483;  bei  den  Verben  des  Veran- 
lassene u.  s.  w.  487,  des  Wollens  485, 
des  Beschliessens  485,  des  Bittens,  Er- 
mahnens,  Fordems  485  f.,  des  Affekts 
483;  nach  non  dubito  und  dubium  non 
est  484;  bei  videri  484;  nach  der  Ana- 
logie der  verba  declarandi  487 ;  bei  quia 
501,  quod  499,  quam  in  der  erat,  obli- 
qua  512,  quaniam  514. 

Aktionsart  des  Verbums  im  Griech.  179. 

Aktiv,  kausativ  gebraucht  im  Griech.  179. 

Allitteration  im  Lat.  576  f. 

Anakoluthe  im  Lat.  565. 

Analogie  bei  Neubildungen  von  Wörtern 
im  Lat.  568. 

Anaphora  im  Lat.  556. 

Angemessenheit  des  Ausdrucks  im  Lat. 
569  ff. 

Anschluss,  relativischer  im  Lat.  495;  in 
klassischer  Zeit  inmier  mehr  ausgedehnt 
498. 

Aorist  bezeichnet  die  eintretende  Handlung 
179;  ingressiv,  effektiv,  resultativ  184; 
in  Gleichnissen  und  Sentenzen  185;  kon- 
statiert das  Faktum  184;  auch  von  in 
der  Vergangenheit  wiederholten  Hand- 
lungen 184;  Tempus  der  Erzählung  im 
Griech.  geworden  185;  bei  temporalen 
Konjunktionen  185;  futurisch  gebraucht 
185;  passiver  auf  -rjy  aus  intransitiven 
Präterita  erwachsen  177;  auf  -^y  178. 

Apposition  im  Lat.  steht  hinter  dem  Be- 
ziehungswort 559;  statt  des  partitiven 
Genetive  411 ;  zu  einem  Satz  im  Akk.  411. 

Archaismen  im  Lat.  568  f. 

Archaisten  im  Lat.  569. 

Artikel  im  Griech.  214. 

Assimilation  der  Kasus  des  Relativpro- 
nomens im  Griech.  230,  im  Lat  497 ;  des 
genus  verbi  bei  coepi  desino  (queo  nequeo 
possum)  an  den  abhängigen  Passivinfini- 
tiv 410. 


892 


I.  SaohTeneiclmiB  cor  grieclüsclieii  und  latemischen  GramiiiaÜk. 


Assonanz  im  Lat.  576. 

Asyndeton  besonders  häufig  in  der  lat. 
Umgangssprache  und  bei  den  Annalisten 
457,  bei  Ennius  561;  überschwänglich 
in  der  silbernen  Latinität  458;  bei  allit- 
terierend  beigeordneten  Wörtern  577; 
formelhaftes  zweier  Satzglieder  573, 581  f. 

Attraktion  des  Subjekts  aus  dem  Neben- 
satze als  Objekt  in  den  Hauptsatz  im 
Lat.  564. 

Attribut  im  Lat.  aus  Substantiv  mit  Prä- 
position oder  dem  Adverbialkasus  allein 
bestehend  411;  substantivisches  411. 

Ausdrucksweise  der  römischen  Dichter 
569  f.;  der  Prosaisten  570  f. 

Ausrufesätze  im  Griech.  230. 

Bedingungssätze,  griech.  mit  el^  «^ grös- 
stenteils Wunschsätze  192;  mit  ei  {idy) 
c.  coni.  aor.  =  lat.  si  c.  fut.  exacto  186. 

Begriff,  spezieller  durch  einen  andern  er- 
klärt im  Lat  574. 

Beiordnung  siehe  Parataxe  und  Satzver- 
bindung. 

Chiasmus  im  Lat.  556. 

Comparatio  compendiaria  im  Lat.  580. 

Consecutio  temporum  durch  die  psycho- 
logische Betrachtung  wesentlich  verständ- 
licher 493. 

Dativ,  echter  im  Griech.  208,  im  Lat.  424; 
mit  Instrumentalis  und  Lokativ  ver- 
schmolzen im  Griech.  207  f.,  mit  dem 
finalen  Lokativ  im  Lat.  424;  Kasus  der 
beteiligten  Person  oder  Sache  424;  beim 
Passivum  zur  Bezeichnung  der  handeln- 
den Person  im  Griech.  211,  im  Lat.  (dat. 
auctoris)  426  f.;  des  Standpunktes  im 
Griech.  209,  der  Relation  im  Lat.  426; 
zur  Bezeichnung  der  beteiligten  Person 
(ethicus)  im  Griech.  209,  im  Lat.  426; 
bei  Adjektiven  im  Lat.  428;  beim  Kom- 
parativ im  Spätlatein  431;  bei  Verben 
im  Griech.  208  f. ;  adnominaler  im  Griech. 
209;  instrumentaler  im  Griech.  210  f., 
lokativischer  209  f.;  commodi  im  Lat. 
425;  finalis  427  f.;  possessivus  425;  prä- 
dikativ konstruiert  426;  bei  einem  ver- 
balen Personalsubstantiv  426. 

Deklination,  griech.,  griech.  Eigennamen 
dringt  seit  Quintilian  in  die  Prosa  ein  566. 

Deponentia  im  alten  Latein  häufig  in  ak- 
tiver Form,  ebenso  bei  den  Archaisten 
und  im  Sj^ätlatein  409  f. 

Diminutiva  im  Lat.  574  f. 

Doppelfrage  im  Lat  456 f.;  indirekte  476  f. 

Doppelpräpositionen  im  Lat.  454. 

Dual  im  Gnech.  schon  zu  Beginn  der  Ober- 
lieferung im  Niedergang  begriffen  198; 
mit  dem^Plural  verbunden  199. 

Einfachheif^des  Ausdrucks,  EigentQmlich- 

keit  des  alten  Latein  579  ff. 
Ellipse  des  Prädikatwortes  im  Lat.  399; 


von  esse  399  f.;  des  Verbums  in  Eon- 
sekutiv8ätKeninderUmgang88praclie5I8; 
stilistische  Bedeutung  580;  mit  Uiurecbt 
angenommen  bei  ^^m  503  f. 

Figur a  etymologica  im  Lat.  575  f.;  beson- 
ders begünstigt  durch  griech.  und  he- 
bräische Vorbilder  576. 

Frage,  indirekte  im  Altlatein  noch  häufig 
im  Indikativ  474. 

Fragesätze,  indirekte  im  Griech.  231  f.. 
233;  latein.  entweder  Ergänzungsfiragen 
(Yerdeutlichungs-)  oder  Best&ügiuigs- 
454  f.;  letztere  ursprünglich  nur  durch 
die  Betonung  vom  BehauptongssatE  ver- 
schieden 455 ;  mehrere  zu  einem  einheit- 
lichen Satze  vereinigt  564;  mit  FiiuJ- 
Bätzen  mit  ut  verbünd^  518. 

Fragewörter  zur  Einleitimg  der  einfachen 
mdirekten  Frage  im  Lat  475  f. 

Fremdwörter,  griech.  von  denröm.  Schrift- 
steilem  im  fldlgemeinen  gemieden  o66; 
durch  christliche  Schriftsteller  eingef&hit 
567 ;  keltische  567 ;  semitische,  besonders 
im  Gebiet  des  sog.  afrikan.  Latein  567  f. 

Futurum  hat  ursprünglich  voluntative  Be- 
deutung  (?)  187;  nach  ov  fiij  195;  -^lytf- 
Fut.  dem  -rja-Fut  nachgebildet  178;  gno- 
misches Tempus  im  alten  Latein  405. 

Futurum  exactnm  im  Griech.  189;  ein  ein- 
faches Fut.  180;  im  Lat  406. 

Gegensatz  durch  ipse  bezeichnet  545. 

Gemination  der  Wörter  ün  Lat.  573. 

Genetiv,  ein  grammatischer  Kasus  416  ff.; 
auf  'og  und  -äs  hat  seit  nridg.  Zeit  auch 
Ablativbedeutung  205 ;  echter  im  Griech. 
206,  ablativischer  bei  Verben  und  beim 
Komparativ  207,  lokaler  und  temporaler 
206,  absoluter  echt  oder  ablativisch  197; 
im  Lat. :  attrib.,  Stellung  559 ;  comjpara- 
tionis  kein  Gräzismus  431;  definitivua 
417,  423;  exclamationis  424;  obiectivus 
418;  partitivus  419,  mit  dem  substant. 
neutr.  plur.  verbunden  537;  possessoris 
417  f.;  prädicativus  420;  pretii  422;  qua> 
litatis  418;  subiectivus  418;  nach  den 
adiect.  relativa  420  ff.;  bei  Verben  ge> 
richtlicher  termini  technici  421  f.,  des 
Erinnems  und  Vergessens  422,  bei  un- 
persönlichen Verben  423;  eines  synony- 
men Substantivs  bei  einem  Subst  Eigen- 
tümlichkeit der  afrik.  Latinität  417. 

Genetive,  abhängige,  gehäuft  im  Lat  418. 

Gerundium,  Genet.  nach  den  adiect  rela- 
tiva 421 ;  definitiv  gebraucht  417  Anm.  1 ; 
als  gen.  qualit  418;  final  420;  Dativ 
bei  Adjektiven  und  Partizipien  429;  Abla- 
tiv modal  gebraucht  430,  temporal  435 : 
selten  in  der  Apposition  411 ;  drängt  den 
Gebrauch  des  Infinitivs  zurück  481. 

Gerundivum  beim  Dativ  der  entfernteren 
Beziehung  425;  beim  dat  finalis  428; 
selten  in  der  Apposition  411;  mit  seinem 
Nomen  nicht  übereingestimmt  403  Anm.  1 


b.  Orieohische  Syntax  und  lateinische  Syntax  und  Stilistik. 


893 


Geschlecht  der  Substant.  im  Griech.  197  f. 
Gräzismenin  syntaktischen  Konstruktionen 

567;   im  Gebrauche  des  Nom.  mit  dem 

Inf.  488. 

Handlung,  abgeschlossene  181;  dauernde 
181. 

Hauptsatz,  unpersönlicher,  an  den  Neben- 
satz angeglichen  im  Lat.  564;  unmittel- 
bar aufs  Relativum  folgend  564. 

Hendiadyoin  im  Lat.  572. 

Hintersätze  im  Griech.  228. 

Hyperbaton  558. 

Hypotaxe  siehe  Unterordnimg. 

Hypothetische  Perioden  im  Griech.  522  ff. 

Imperativ  im  Griech.  193;  futurum  Lat.  409. 

Imperative  ohne  Verbindung  nebeneinander 
gestellt  im  Lat.  458. 

Imperfekt  im  Griech.  bezeichnet  die  Hand- 
lung in  ihrer  Entwicklung  182;  schildert 
vergangene  Ereignisse  188;  bezeichnet 
die  wiederholte  Handlung  184;  die  Be- 
deutung de  conatu  nicht  ausschliesslich 
dem  Imp.  eigen  im  Lat.  405. 

Indikativ,  alleiniger  Träger  der  Zeitbedeu- 
tung 180;  Modus  der  verstandesmässigen 
Betrachtung  193;  irrealer  im  Griech. 
198  f.,  optativischer  198  f.;  des  Fut.  im 
Altlatein  mit  weiterer  Gebrauchssphäre 
408  f.;  des  Imperfekts  in  irrealen  Be- 
dingungssätzen 528  f. ;  eines  Präteritums 
im  Nachsatze  hypothetischer  Perioden  bei 
konjunktivischem  Vordersatz  524;  lat. 
Ind.  statt  des  deutschen  Konjunkt.  408  f. 

Infinitiv  als  nomen  agentis  gegen  die  Dia- 
thesis  von  Haus  aus  indifferent  178; 
sekundär  ans  verbum  finitum  angeglie- 
dert 177;  futuri  griech.  Neubildung  188; 
Gebrauch  im  Griech.  195  f.;  der  finale 
und  imperativische  Gebrauch  auf  die 
Dativform  zurückgehend,  lokativische 
Funktion  nicht  mit  Sicherheit  nachzu- 
weisen 195;  epexegeticus  im  Griech.  195; 
des  Präsens  im  Griech.  als  Vertreter  des 
Impcrf.  in  der  orat.  obl.  188  f. ;  des  Aorists 
ohne  Zeitbeziehung  186;  des  Perfekts 
187;  nach  nQiy  (naQog)  196;  im  Lat.: 
als  Subjekt  481  f.;  mit  Attributen  ver- 
bunden 481 ;  als  Objekt  und  mit  Präpo- 
sitionen Verbunden  479;  in  imperativi- 
scher Bedeutung  408  Anm.  2;  final  ge- 
braucht 478  f.;  historischer  408  Anm.  2; 
präs.  nach  memini  484;  fut.  nach  «/><>rOy 
iurOy  minor j  polliceor  484;  perf.  statt 
des  inf.  präs.  (aoristischer  Gebrauch)  489, 
490;  perf.  d.  coniug.  periphr.  als  Ver- 
treter d.  Irrealis  beim  acc.  c.  inf.  525; 
bei  Adjekt.  429;  bei  Verben  des  Könnens 
und  der  Möglichkeit  481 ;  bei  unpersön- 
lichen Verben  482,  578  Anm.  2;  in  miss- 
billigenden Fragen  457 ;  ausgelassen  beim 
acc.  c.  inf.  490. 

Ingressive  Bedeutung  im  Lat.  umschrieben 
durch  coepi  405  f. 


Kasus,  Grundbedeutung  nicht  ermittelt  1 99  f  . ; 
von  mehreren  Formkategorien  ohne  Kasus- 
zeichen 200;  lokale  und  grammatische 
200;  synkretistische  entstanden  durch 
Annäherung  der  Bedeutung  und  Zusam- 
menfall der  Form  201;  im  Lat.  ange- 
glichen an  den  Akk.  einer  vorausgehen- 
den orat.  obl.  581. 

K  a  s  u  s  a  s  s  i  m  i  1  a  t  i  0  n  (progressive  und  regres- 
sive) im  Relativsatz  im  Griech.  280. 

Kasus  formen  auf  -^ey  mit  Genetivbedeu- 
tung 205;  auf  -(piy  bei  Homer  211  f. 

Kasussuffixe,  Ursprung  unklar  199  f. 

Kirchensprache,  lat  888  f. 

Komparationsgrade  verlieren  ihre  urspr. 
Bedeutung  im  Lat.  542. 

Komparativ  mit  atque  460;  mit  quisque 
542  f. ;  substantiviert  im  neutr.  sing.  587 ; 
umschrieben  540  f.;  gesteigert  durch 
Adverbia  541 ;  vertauscht  mit  dem  Super- 
lativ 542;  doppelter  bei  quam  infolge 
formaler  Ausgleichung  508. 

Kongruenz  der  Genera  im  Griech.  freier 
197;  des  Prädikats  bei  mehreren  Sub- 
jekten im  Lat.  400;  bei  mehreren  Sub- 
jekten im  gleichen  Geschlecht  401;  bei 
sächlichen  Substantiven  als  Subj.  401; 
mit  einem  mit  dem  Subjekt  verglichenen 
oder  mit  cum  angefügten  Substantiv  400 ; 
bei  einem  Relativ-  oder  Demonstrativ- 
pronomen als  Subj.  402  f.;  hinsichtlich 
der  Person  402;  unmöglich  beim  histo- 
rischen Infinitiv  408  Anm.  2 ;  unterbleibt 
408. 

Konjunktionale  Verbindungen,  abundante 
im  Lat.  468. 

Konjunktionalsätze  im  Lat.  498  ff.;  ver- 
einigt mit  Fragesätzen  564;  asyndetisch 
angefügt  in  der  historischen  Periode  562  f. 

Konjunktionen  der  Beiordnung  auch  in 
untergeordneten  Sätzen  dienend  im  Griech. 
285;  im  Lat.:  ablativische  580  f.;  akku- 
sativische  498  ff.;  lokativische  510  ff.; 
korrespondierende  468  f. ;  modale  529  ff. ; 
pleonastisch  gesetzt  574;  ungleichartige 
zusammengestellt  468  f. ;  antequam  506  f. ; 
cum    584;    zurückgeschoben    557;    dum 

509  f.;  donec  514  f.;  etiamsi  527;  etsi 
527 ;  posfquam  505  f. ;  priusquam  506  f. ; 
qiMm  in  Korrelation  mit  tarn,  beim  Kom- 
parativ imd  Superlativ,  bei  komparativen 
Begriffen  und  Zeitbestimmungen  502; 
quamquam  507;  quamvin  507;  quando, 
quandoque  508 ;  quasi  528 ;  quaten  us  52 1  f. ; 
quia  kausal  501  f.;  statt  des  acc.  c.  inf. 
nach  den  verba  sent.  584;  quin  529  f.; 
quo  580;  quoad  521;  quod^  kausal  und 
erklärend  500;  in  Verbindung  mit  Prä- 
positionen 500  f.;  statt  des  acc.  c.  inf. 
nach  verba  sent.  584;  immer  weitere 
Ausbreitung  in  späterer  Zeit  500;  quom 

510  ff.;  quomodo  statt  des  acc.  c.  inf. 
nach  den  verba  sent.  584;  quoniam  518  f. ; 
statt  des  acc.  c.  inf.  nach  verba  sent. 
584;  »i  ursprünglich  demonstrativ  durch 


894 


I.  Sachverzeiotmis  zur  griechisclien  und  lateiniBclien  Ghrammatik. 


Korrelation  mit  sie  tum  igitur  hypothe- 
tisch geworden  522;  zur  Bezeichnung 
wiederholter  Handlungen  524;  nach  Ver- 
ben des  Affekts  525,  des  Versuchs  und 
der  Erwartung  525;  fragend  525  f.;  si 
quidem  kausal  528;  tamenetsi  527;  ubi 
temporal  520;  tU  ursprünglich  relativ 
515  f.,  kausal  nur  bei  den  Komikern 
516,  temporal  517,  konsekutiv  517  f., 
final  518  f.,  konditional  518;  nach  facio 
und  verwandten  Verben  519;  nach  un- 
persönlichen Ausdrücken  519;  erklärend 
519;  nach  Verben  imd  Substantiven  der 
Willensrichtung  519  f.;  vor  qui  in  fina- 
len und  konsekutiven  Relativsätzen  im 
AlÜatein  493;  nachgesteUt  557 ;  statt  des 
aoc.  c.  inf.  nach  verba  sent.  584. 

Konjunktiv  im  Griech.  in  voluntativer  Be- 
deutung 190  f.,  in  deliberativer  191,  in 
futurischer  181,  191;  im  Lat:  nimmt 
ursprünglich  teil  an  der  mdikativischen 
Bedeutimg  der  Tempora  493;  vereinigt 
die  Bedeutung  des  Konj.  und  Optativs 
406  f. ;  als  Jussivus  408 ;  in  optativischer 
Funktion  407;  als  Potentialis  408;  prä- 
sentis  statt  des  coni.  imperf.  im  alten 
Latein  407;  futuri  nicht  vorhanden  493; 
imperfecti  in  irrealen  Bedingungssätzen 
528 ;  bezeichnet  den  irrealen  Wunsch  407 ; 
perfecti  und  plusquamperfecti  d.  coniug. 
periphr.  als  Vertreter  des  Irrealis  525; 
hypothetischer  408;  der  Wiederholung 
bei  quam  512;  Modus  der  Abhängigkeit 
im  untergeordneten  Satze,  später  wieder 
vielfach  vom  Indikativ  verdrängt  492; 
in  missbilligenden  Fragen  457;  in  der 
indirekten  Rede  als  Regel  anerkannt  im 
klassischen  Latein  475. 

Konstruktion  tino  xoirvov  im  Lat.  582. 

Konzinnität  des  Ausdrucks  ein  Gesetz  der 
klassischen  Latinität  578. 

Kopula  mit  folgender  Negation  im  Lat.  458. 

Kürze  des  Ausdrucks  eine  Eigentümlichkeit 
des  alten  Latein  579  ff. 

Ländernamen  selten  im  Ablativ  ohne  Prä- 
position 434. 

Lehnwörter,  griech.,  im  Lat.  565  f. 

Lokativ  im  Lat.  437;  finaler  128;  mit  dem 
Dativ  zusammengeschmolzen  424. 

Lokativformen  auf  -oi  für  den  Genetiv 
gebraucht  im  thess.  Dialekt  205. 

Mannigfaltigkeit  der  Darstellung  im  Lat. 

572  ff. 
Medium,  kausativ  gebraucht  179. 
Metaphern  im  Lat.  575. 
Mo  dal  Partikeln   im   Griech.:    «V    189  f.; 

xit^  189  f.,  194. 
Modi    des  Präsens  im  Griech.    und  deren 

Bedeutung  183. 

Heben  Sätze,  lat.,  mit  ne  478. 
Negation  durch  eine  folgende  nicht  aufge- 
hoben, sondern  verstärkt  im  Lat.  461; 


beim  Imperativ  409;  in  Wunsclis&izec 
407. 

Negationspartikeln,  griech.  ov  und  w^ 
189,  194. 

Neologismen  (Neubildungen)  im  Lat.  56><. 

Nomen  beim  Relativum  altlateinisch  496. 

Nomina,  allitterierende  beigeordnet  im  Läi. 
576  f. 

Nominalstamme:  a-Stänmie  gen.  masc.  und 
o-Stämme  gen.  fem.  griech.  Neuerung  197. 

Nominativ  als  Subjektskasus  im  Griech. 
202  f.,  im  Lat.  412;  des  Plurals  &ber- 
nimmt  die  Funktion  des  Akk  im  Griech. 
203 ;  des  Plur.  gen.  neutr.  mit  dem  Prä- 
dikat im  Sing,  im  Griech.  199;  statt  des» 
Vokativs  im  Griech.  202,  im  Lat.  412; 
nicht  einbezogen  in  die  Konstruktion  im 
Lat  412;  absoluter  im  Lat.  565  Anm.  1. 

Nominativ  mit  dem  Infinitiv  beim  Passiv 
der  verba  sentiendi  und  declarandi  im 
Lat.  488;  sehr  ausgebreitet  in  der  spä- 
teren Latinität  489. 

Objekt,  inneres  im  Lat.  414;  persönliches 
oder  mindestens  substantivisches  statt 
einer  präpositionalen  Wendung  581;  zu 
zwei  Verben  nur  einmal  gesetzt  580 ;  bei 
zwei  Verben  wiederholt  im  Vulgärlatein 
580. 

Optativ  bezeichnet  den  Wunsch  und  hat 
Potentiale  Bedeutung  191  f.;  auf  die 
Vergangenheit  bezogen  192;  der  indi- 
rekten Rede  griech.  Neuerung  192 :  fatori 
Neubildung  188;  präsentis  als  Vertreter 
des  Imperfekts  in  der  orat.  obL  188  f.; 
desgleichen  des  Aorists  als  Vertreter  des 
Indikativs  ohne  Zeitbeziehung  186;  des 
Perfekts  177. 

Oratio  obliqna  im  Lat.  491. 

Parataxe  im  Lat.  bei  den  verba  sentiendi 
und  dicendi  471,  bei  den  Verben  des 
WoUens  472,  des  Bittens  und  Ratens 
472;  Übergangsform  zur  Hypotaxe  vor> 
zugsweise  nach  den  Verben  der  Willens- 
richtung bemerkenswert  472. 

Parataxen,  einfache  mit  zahlreichen  Asyn- 
deta bei  Tibull  561. 

Parataktischer  Satzbau  der  vorklassischen 
Prosaiker  562,  der  Historiker  563. 

Parataktische  Satzfägung  vAi  Vergil  und 
Tacitus  bevorzugt  562. 

Parenthesen  im  Lat.  458,  564  f.;  durch 
qiiod  oder  id  quod  eingeleitet  546 ;  durch 
uf  eingeleitet  516. 

Partikeln,  vorgriech.  aus  der  idg.  Grund> 
Sprache  ins  Griech.  Übergegangen  221  f.; 
aus  Adverbien  und  Verbalformen  ent> 
wickelt  im  Griech.  221  ff.;  etjrmologisch 
aufgeklärte  im  Griech.  zur  Funktion  als 
Partikeln  gekommen  224  f.;  ohne  An- 
knüpfung an  verwandte  Sprachen  und 
etymologisch  nicht  genügend  klar  225  f. 
satzverbindende  im  Griech.  227;  verall- 
gemeinernde im  Lat.,  im  Alt-  und  klassi- 


b.  Chrieolüsche  Syntax  und  lateinische  Syntax  nnd  Stüietik. 


895 


sehen  Latein  nur  mit  dem  Indik.  ver- 
bunden 495;  beim  Partizip  439  f.;  in 
stilistischer  Hinsicht  553  ff. 

Partizipien  sekundär  ans  Verbum  finitum 
angegliedert  177;  ursprüngliche  Bedeu- 
tung der  Part,  auf  -fjievoq  und  -to^  179 ; 
des  Aorists  sehr  häufig  gebraucht  186; 
des  Futur,  im  Griech.  hat  meist  volun- 
tativen  Sinn  188 ;  griech.  des  Passivums 
haben  zuweilen  den  Urheber  der  Hand- 
lung im  Genet.  bei  sich  196 ;  ans  Ver- 
bum angeschlossen  196  f.;  ih  Verbin- 
dung mit  Hilfszeitwörtern  196;  wieder 
zimi  Nomen  geworden  196;  im  Latein.: 
437  ff. ;  attributiv  an  einen  Kasus  ange- 
fügt 437;  bezeichnen  nur  die  Zeitart 
437 ;  in  firgänzungsfragen  455 ;  substan- 
tiviert 537 ;  gehäuft  in  der  historischen 
Periode  563;  mit  einem  Nebensatz  vor- 
angehend in  der  hist.  Periode  562,  mit 
einem  Objektssatz  angehängt  563;  ab- 
solute und  konjunkte  parallel  gesetzt 
563;  zum  Hauptsubjekt  konstruiert  in 
der  Konstruktion  des  acc.  c.  inf.  564; 
zur  Wiederholung  des  vorausgehenden 
verbum  finitum  gesetzt  574;  futuri 
activi  im  alten  Latein  und  in  der  klas- 
sischen Sprache  noch  nicht  attributiv  an 
einen  Kasus  angeschlossen  438;  nicht 
substantiviert  vor  dem  silbernen  Latein 
538;  praesentis  mit  dem  Genetiv  421; 
im  Anschluss  an  einen  Objektsakkusativ 
438;  activi  auch  für  das  Medium  ge- 
braucht 438;  passivi  (Gerundivum)  be- 
kommt Futurbedeutung  438;  perfecti 
der  Deponentia  mit  passiver  Bedeutung 
410,  436 ;  gleichbedeutend  mit  dem  Part, 
präs.  438;  der  Deponentia  und  Semide- 
ponentia  beim  abtat,  absol.  436;  pas- 
sivi im  masc.  sing,  in  klassischer  Zeit 
kaum  substantiviert  537,  ebenso  im  Plu- 
ral 538;  im  Neutrum  häufig  substanti- 
viert 538;  in  der  Bedeutung  eines  Ge- 
rundivums  oder  eines  Adjektivs  auf  -W- 
Us  539;  dixxl 'bundus  A\b ;  futuri  perf. 
pas8.  praes.  pass.  bei  einem  Sub- 
stantiv vertreten  einen  deutschen  Satz 
439. 

Passiv  um  ohne  besondere  Form  in  den  in- 
dogermanischen Sprachen  177;  aus  dem 
Medium  entwickelt  409 ;  persönlich  kon- 
struiert im  Lat.  424;  zusammengesetzte 
Formen  mit  eaiie  und  fitiase  405. 

Perfekt  um  im  Griech.  bezeichnet  die  abge- 
schlossen vorliegende  Handlung  179;  die 
vollendete  Handlung  186;  hat  intensiven, 
bez.  iterativen  Sinn  186 ;  historisches  der 
klassischen  Zeit  fremd  187 ;  logicum  im 
Lat.  ein  gnomisches  Tempus  405;  um- 
schrieben 405. 

Periode  im  Lat.  begünstigt  in  ihrer  Ent- 
wicklung durch  tragische  und  epische 
Poesie  561 ;  erhält  durch  Cicero  ihre 
Vollendung  und  kunstvolle  Ausbildung 
562 ;  deskriptive  562 ;  historische  562  ff., 


durch  Livius  zur  höchsten  Vollendung 
gebracht  563. 

Perioden,  Arten  derselben  im  Lat.  561; 
des  Caesar  ermangeln  der  Abrundung 
und  Geschlossenheit  563 ;  grössere  von 
Nepos  vermieden  563;  sorgfältig  ange- 
legt und  ausgeführt  von  Sueton  563. 

Periodenbau  logisch  bei  Catullus  und  Lu- 
cretius  561 ;  verfällt  im  nachklassischen 
Latein  562,  563. 

Periodische  Gruppierung  eine  Eigentüm- 
lichkeit der  lateinischen  Sprache  561. 

Periodisierung,  kunstvolle  bei Tacitus 563. 

Periphrastische  Formen  406. 

Personalendungen:  Grundbedeutung  der 
medialen  nicht  bekannt  178. 

Pleonasmus  bei  Caesar  584. 

Plural  bei  kollektiven  Begriffen  im  Griech. 
198;  maiestaticus  198. 

Plusquamperfektum  im  Griech.  187;  ein 
einfaches  Präteritum  180 ;  statt  des  Per- 
fekts oder  Imperfekts  im  Lat.  404. 

Positiv  mit  zwei  steigernden  Adverbien  im 
Lat.  541;  bei  quisque  543. 

Prädikat  im  Lat.  399  f.;  abnorm  gestellt 
557  f.;  mit  der  Apposition  übereinge- 
stinunt  401,  mit  dem  genus  des  Eigenna- 
mens 401 ;  bestehend  aus  esse  mit  Ad- 
verbien 399 ;  umschrieben  durch  ein  part. 
praes.  mit  esse  399. 

Präpositionen  vorgriechische  in  die  spe- 
ziell griech.  Entwicklungsperiode  über- 
gegangen 218  f.;  stehen  ursprünglich 
nach  dem  zugehörigen  Kasus  215,  453; 
im  Griech.:  echte  214  f.;  unechte  (syn- 
taktisch isolierte  Kasusformen)  217  f.; 
mehrere  zusammengerückt  218;  mit  Ver- 
ben verbunden  216;  lat.  (ursprünglich 
Adverbia)  mit  dem  Ablativ  448  ff. ;  mit 
dem  Akkusativ  440  ff.;  mit  dem  Akk. 
imd  Abi.  451  ff. ;  zwischen  Attribut  und 
Substantiv  gestellt  559. 

Präsens  bezeichnet  die  dauernde  Handlung 
179;  Indikativ  an  und  für  sich  zeitlos 
181 ;  futurisch  gebraucht  im  Griech.  182, 
im  Lat.  404;  gnomisches  im  Lat.  405; 
historisches  im  Griech.  181,  im  Lat. 
404;  mit  ;r«A«t,  ntigog,  noxi  zur  Be- 
zeichnung der  Vergangenheit  181  f. 

Pronomina  im  Griech.  213  f.;  satzverbin- 
dende 227;  im  Lat.:  Stellung  derselben 
559;  pleonastisch  gesetzt  573  f.;  zwei 
zusasimengestellt  zur  Hervorhebung  581 ; 
demonstrative  im  Griech.  214;  im 
Lat.  545  f. ;  ersetzen  den  Artikel  im 
Lat.  546;  indefinite  im  Lat.  in  stili- 
stischer Hinsicht  547  f.;  interroga- 
tive im  Griech.  213  f.;  ipse  bezeichnet 
den  Gegensatz  545;  persönliche  im 
Griech.  213;  heben  das  Subjekt  hervor 
im  Lat.  397;  reflexive  im  Griech.  213, 
im  Lat.  543 ;  in  objektiven  Nebensätzen 
544,  mit  ipse  vertauscht  544;  posses- 
sive im  Lat.  544;  durch  ipse  verstärkt 
545;  statt  des  genet.  obiect.  418;  Re- 


806        !•  fiachTeneiclmis  snr  griechischen  und  lateinischen  Arammaük« 


lativpronomen,  lat.,  aus  dem  adjek- 
tivischen (in  der  ältesten  Sprache  auch 
aus  dem  substantivischen)  Interrogati- 
vum  hervorgegangen  494 ;  in  stüistischer 
Hinsicht  546;  verallgemeinernde  im  Alt- 
und  klassischen  Latein  nur  mit  dem  In- 
dikativ verbunden  495,  in  stilistischer 
Hinsicht  548 ;  innerhalb  desselben  Satzes 
durch  ein  Demonstrativpronomen  aufge- 
nommen 498;  Kasusassimilation  beim  Re- 
lativpronomen 497 ;  tritt  von  der  ersten 
Stelle  zurück  557;  zum  Anschluss  der 
Sätze  verwendet  495,  498;  in  massloser 
Weise  zur  Einleitung  der  Sätze  von 
vulgär  schreibenden  Autoren  579  Anm. 
Prosa,  klassische  im  Lat.  387. 

Be  ich  tum  der  Darstellung  im  Lat.  572  iF. 

Reim  im  Lat.  577  f. 

Reinheit  der  Sprache  im  allgemeinen  sorg- 
fältig beobachtet  von  den  römischen 
SchnftsteUem  560. 

Relativsätze,  lat  494  ff.;  Entstehung  494; 
begründende  496;  finale  mit  dem 
Konjunktiv  496  f.;  kausale  in  klassi- 
scher Zeit  gewöhnlich  mit  dem  Kon- 
junktiv 497;  konsekutive  teilweise 
im  Indikativ  497 ;  stehen  im  Konjunktiv 
im  Anschlüsse  an  ein  gleichartiges  Ad- 
jektiv, Partizip  oder  Apposition  497  f.; 
mit  Konjunktional-  oder  Fragesätzen  ver- 
einigt 563. 

Reziprokes  Verhältnis  im  Lat.  durch  inter 
se  ausgedrückt  544  f.;  bei  Caesar  584. 

Rückbeziehung  auf  das  Hauptsubjekt  durch 
is  ausgedrückt  543. 

Rhythmus,  poetischer,  von  der  Prosa  zu- 
rückgewiesen, aber  doch  nicht  immer 
vermieden  560. 

Sache  gesetzt  für  das  Urteil  über  dieselbe 
im  Lat.  580  f. 

Satzbau  des  Sallust  steif  und  einförmig 
563;  von  vollendeter  Einfachheit  bei 
den  augusteischen  Dichtem  561. 

Satzreim  (Gliederreim)  im  Lat.  578. 

Satz-  und  Periodenbau  im  Lat.  560  ff. 

Satzverbindung  im  Griech.  ursprünglich 
nur  durch  den  Sinn  bestimmt  226  f.; 
ohne  hinweisendes  Wort  227;  herge- 
stellt durch  ai  und  ei  (rj)  232  f. ;  durch 
Fragepronomina  231  f.;  durch  Relativ- 
pronomina und  -adverbia  229  f.;  kor- 
relative bei  parataktischer  S%^fügung 
233  f.,  bei  hypotaktischer  234;  beiord- 
nende (parataktisch)  bei  Homer  nicht 
treuer  erhalten  228  f.  Anm.;  imterord- 
nende  (hypotaktische)  bereits  indoger- 
manisch 227;  im  historischen  Griech. 
durch  Konjunktionen  weiter  gekennzeich- 
net 227  f. 

Sätze  im  Lat. :  einfache  397  ff.,  zusammen- 
gesetzte 457  ff.;  mit  qtiam  attrahiert 
an  den  acc.  c.  inf.  490  f.;  mit  quod 
vertreten  ein  direktes  Objekt  499 ;  sub- 
jektslose 397  f.,  583. 


Schriftsprache,  lateinische  386  f. 

Semitismen  des  afrikanischen  Latein  567  f. 

Singular  im  Griech.  kollektiv  gebraucht 
198;  mit  dem  Plural  verbunden   199. 

Städtenamen,  lat.,  im  Ablativ  433  f. ;  mit 
Präpositionen  434. 

Stilgattungen,  lat.,  verwischen  ihren  Un- 
terschied 571. 

Stilistik,  Aufgabe  der  lateinischen  bS2. 

Subjekt  im  Lat.  397  f.;  durch  m  aiifg€»- 
nonunen,  manchmal  verstärkt  durch  dr- 
muni  oder  vero  398 ;  regelwidrig  gestellt 
557 ;  substantivisches  bei  der  ersten  and 
zweiten  Person  398. 

Subjektsakkuaativ  ausgelassen  beim  acc. 
c.  inf.  im  Lat.  490. 

Substantive,  lat  abstrakte  von  CioMt»  an 
vermehrt  534 ;  in  konkretem  Sinne  5S^i : 
im  Subjekt  vermieden  535;  statt  eine« 

Sersönlichen  Sahst.  535;  im  Plural  (bei 
en  Dichtem  auch  mit  steigernder  Be- 
deutung) 535 ;  verbalia  auf  -^ia  kommen 
im  späten  Latein  wieder  auf  534;    auf 
'io  haben  aktive  mediale  mid  passive 
Bedeutung,  b^eichnen  die  Art  und  Mög- 
lichkeit 534;   auf  -tos  nehmen   in   der 
Zeit  des  VerfaUes  zu  534 ;  auf  -tor  536 ; 
auf  -tudo  von  archaisierenden   Schrift- 
steilem  aufgegriffen  534;  auf  -/i»  und 
-sus  mit  denen  auf  -io  vermischt  5^i4: 
pluralia  tantum  535  f. ;  anfänglich  durch 
Verba  umschrieben  werden  immer  häu- 
figer   und    verdrängen   andere    Wörter 
534 ;  diminutiva  mit  einem  adiect.  dim. 
verbunden  575 ;  mit  genet.  subiect»  und 
obieci  durch  den  Gebrauch  von  Präpo- 
sitionen gemieden  418;  griechische  ge- 
steigert 212. 

Substantivierung  durch  Ellipse  im  Lat 
538  f. 

Suffixe,  stammbildende  mit  Ausnahme  von 
'O-  und  -ä  an  sich  indifferent  gegen  da« 
Geschlecht  197. 

Superlativ  im  Singular  bei  quisqtu  542: 
gesteigert  durch  Adverbia  541  f. ;  um- 
schrieben 540  f. 

Supinum  auf  -tum  ein  Akkusativ  414;  auf 
'U  428  f.  (vgl.  341);  in  separativer  Be- 
deutung 434  f.;  nachgestellt  557. 

Synesis  des  Genus  beim  Prädikat  im  Lat. 
401  f. ;  des  Nimierus  400  f. ;  bei  Genn.H 
und  Numerus  401 ;  beim  Attribut  nur 
vulgär  411. 

Synonyma  zur  Bezeichnung  eines  Begriffes 
verbunden  im  Lat.  572  f. 

Syntax,  Aufgabe  der  lateinischen  389. 

Tempora,  bezogener  Gebrauch  derselben  in 

abhängigen  Sätzen  492  f. 
Titulatur,  offizieUe,  im  Lat  535. 
xjÄtjaig  215  f. 
Transitive  und  intransitive  Bedeutung  177. 

Unterordnung  (Hypotaxe)  im  Lat.  ans  der 
Beiordnung  herausgebildet  470;  durch 


n.  ChneoMsohesWOrterverseiohnisnirgrieohiBohenn.lateinisohen  Grammatik.  897 


Personen-  und  Tempusverschiebung  471 ; 
ohne  Pronomina  oder  Konjunktionen  470 
f.;  mittels  Relativpronomina  und  Kon- 
junktionen 491  ff. ;  mittels  Konjunktionen 
bevorzugt  von  den  klassischen  Dichtem 
472. 


Variation  in  parallelen  Satzgliedern  im 
Lat.  578. 

V  e  r  b  a ,  intransitive  aus  transitiven  im  Griech. 
177,  im  Lat.  416,  551 ;  im  Lat. :  transi- 
tiver und  intransitiver  Gebrauch  413; 
mit  dem  Dativ  oder  Akkus,  verbunden 
424;  mit  dem  Genetiv  konstruiert  nach 
Analogie  der  Adjektive  423;  des  Affekts 
und  des  prädizierten  Machens  und  Ge- 
schehens mit  quia  501 ;  des  Abhaltens, 
Abwehrens,  Wegnehmens  mit  dem  Dativ 
425;  exspectandi  mit  dum  510;  kausa- 
tive mit  dem  Infinitiv  479;  prädizierte 
des  Machens  und  Bewirkens  mit  quod 
499;  sentiendi  und  declarandi  mit  quia 
501,  mit  qtiod  499;  des  Streitens  mit 
dem  Dativ  bei  Dichtem  424;  timendi 
473  f.;  des  Wollens  mit  dem  Infinitiv 
480  f.;  composita  552;  mit  einer  zwei- 
ten Präposition  verbunden  552  f. ;  in  der 
Bedeutung  gleich  der  der  Simplicia  553 ; 
sehr  häufig  gebraucht  in  der  sinkenden 
Latinität  553 ;  frequentativa  in  der  alten 
Sprache  gröstenteils  im  Sinne  der  ein- 
fachen Verba  gebraucht  551 ;  des  Sagens 
und  Mcinens  in  indirekten  Fragesätzen 
pleonastisch  gesetzt  574 ;  simplicia  statt 
der  composita  552;  allitterierende  bei- 
geordnet 577 ;  esse  abundant  gesetzt  bei 
den  Komikern  399 ;  an  Pronomina  ange- 
lehnt bei  Cicero  557. 

Verbalformen  mit  aktiven  Personalendun- 
gen bezeichnen  den  Vorgang  schlechthin 
177;  haben  an  sich  nicht  die  Bedeutung 
der  relativen  Zeit  180;  reduplizierte  haben 
kontinuativen  Sinn  181 ;  mit  -ffxoß  haben 
inchoativen  181;  Neuerungen  im  Ge- 
brauche im  Griech.  234. 


Verbalsystem  aus  verschiedenen  Wurzeln 
mit  verwandter  Bedeutung  zusanmien- 
gesetzt  179. 

Verbindungen,  reimende  577  f. 

Vokativ  im  Griech.  202;  durch  cJ  verstärkt 
202;  prädikativ  gebraucht  202;  durch 
den  Nominativ  vertreten  202;  statt  des 
Nominativs  im  Lat.  413;  in  die  Rede 
eingefügt  557. 

Vordersätze  im  Griech.  228. 

Wechsel  der  Wörter  zum  Ausdruck  des- 
selben Begriffes  besonders  der  silbernen 
Latinität  eigen  579. 

Wiederholung  derselben  Wörter  im  Lat. 
eine  Nachlässigkeit  im  Ausdruck  579. 

Wiederholung  derselben  Konstruktion  in 
aufeinandeifolgenden  Sätzen  vulgärlatei- 
nisch  579  Anm. 

Wörter  ergänzt  aus  korrespondierenden  Satz- 
teilen 580;  syntaktisch  zusammengehö- 
rige oder  zusanmiengesetzte  mit  Rück- 
sicht auf  den  Wohlklang  getrennt  556  f. ; 
zusammengehörige  getrennt  in  beigeord- 
neten Satzgliedern  durch  Zwischenstel- 
lung des  Gemeinsamen  557. 

Wortschatz  dos  Ammianus  584;  des  Ennius 
583. 

Wortstellung,  eigentümliche  der  Dichter- 
sprache 560 ;  grammatische,  gestört  durch 
den  Gegensatz,  durch  Tonfall  und  Wohl- 
klang 555 ;  okkasionelle  und  traditionelle 
555  ff. 

Zahlen,  unbestimmt  grosse  oder  kleine  im 
Lat.  550;  von  Dichtem  zerlegt  550  f. 

Zahlwörter,  Stellung  derselben  559;  distri- 
butive an  Stelle  der  Kardinalzahlen  550, 
584. 

Zeitbestimmungen  durch  verschiedene 
Kasus  ausgedürückt  211  Fussnote. 

Zeitstufen  179. 

Z  eugma  582. 

Zwischensätze  im  Griech.  228. 


n.   Griechisches  Wörterverzeichnis 

zur  griechischen   und  lateinischeyi   Grammatik,  von  K,  Brugmann. 


«-,«»-Cun-')  141,218. 
4  kret.  123. 
4  herakl.  129. 
dßdvtaaiy  (Hesych.) 

127. 
aßarog  96. 

a>'rxTo>' (Hesych.)  297. 
aßXijga  31. 
dßQoros  31. 
aydyoxa  dor.  46. 


dytt»6g  138. 
uya/jtai  153. 
UyafLii/jtytoy  74. 
dyayyigjos  62. 
dyao/ÄM  153. 
«yi?  220,  224. 
dyBlgio  54. 
UyiXttog  139,  140. 
dyiQaaxog  97. 
dyBg  172. 


dyijytoQ  46,  106. 
dyijoxa  74. 
ayiog  92,  176. 
dyxtav  54. 
dyfjLog  59. 
dyyog  28,  176. 
dyyvfii  155. 
dyyonog  141. 
dyQorsQog  135. 
dygorijg  97. 


Handbuch  der  klass.  Altertiungwiaseiwcbaft.  II.    2.  Aufl. 


dyvta  114. 
nyxavQog  107. 
dyxi»f  39. 
dyta  27,  46,  53. 
ddducetog  96. 
ddeAffidioy  92. 
ddevfpial  kret.  19,  42. 
d^ijy  55. 
ädrjy  27. 
ddtTcijei  lesb.  159. 


898 


tt.  GrieolüsoheB  WOrterr^rBeichBia 


adtxijf^eyog  ark.  156. 
ddvs  dor.  27. 
^cfcü  36. 
udoiQa  144. 
dei  38. 
deldio  72. 
delQü)  157. 

dixaactt  (Hesych.)  109. 
»eAAa  31. 
aBQioixog  138. 
diQQb)  lesb.  157. 
äsQaa  kret.  48. 
Ji<rXQ(^y^(xs  böot.  20, 

35. 
uBXfAa  106. 

a€TOff  38. 

UfXtSyi  kret.  33. 

ff/^Toff  kret.  33. 

aCouai  59. 

di^ocJ  117. 

ffjy^fc  31,  48,  153. 

«jye  106,  107. 

yli>a>'«e(i)a   korinth. 

271. 
*J&av€ioy  böot.  35. 
ä;>«i  121. 
'A&ijtt^e  61,  69,  204. 
^jaijyM  122. 
'J^yrjcv  127,  201. 
«*Äo*'  36. 
fti>^oo;,  «t^^oo;  73. 
a£  192,  225,  232. 
«£  83,  129. 
Mayjs  199. 
JiyoanoKc/nittjg  138. 
aideo/nca  111. 
ama^y  178. 
atcTft)  böot.  20,  35. 
«tcTtJff  45,  111. 
«ta  27,  111. 
aUy  104,  112,  122. 
a^ff  111. 
aifei  38,  47. 
«l'^^e  226. 
ai^Q  94. 
a?^o»/;  114. 
aX»Qa  94. 
ai&via  114. 
al'^w  27,  295. 
nixvoy  68. 
«?Ao?  kypr.  20,   29, 

49,  68. 
aiXoxQia  el.  49,  68. 
aifiicsüjy  lesb.  26. 
alfioßacftjg  103,  139. 
«t()w  157. 
cf/a«  259. 
Jiciodog  26. 
«(Ww  hom.  38,  159. 
ttiruQ  kypr.  236. 
ainog  57. 

"^/j"*?  08. 

«^wV  27,  38,  47,  104, 

105. 
(tlu)Qn  38. 


dxdxovxo  157. 
dxeiofjiai  hom.  160. 
oxfcrTo;  97. 
«xxo^  lak.  64. 
dxfÄO&eroy  139. 
ttXfiioy  39. 
«Jxoi;  31. 
ccxorffiff  66. 
dxovü)  31,  219. 
dxQeutjy  106. 
ax^o;ro^;  139. 
dxxTy-  105. 
nxjtJQ  107. 
axofi'  (ö)  18. 
dXöijcxü)  162. 
«Acyfti'off  49. 
ttXeig)a   106. 
dXei<p(tQ  106. 
«AftVöi  48,  50,  80. 
«Vo»'  kypr.  32,  50. 
«AiJ^Wß  29,  102. 
dXtj&iyog  93. 
[«JÄaoff  arg.  29. 
dXiyto  42. 
ttXi^nna  lesb.  59. 
ttXlaxofitti  162. 
'jXxd»oog  139. 
'jXxifAidtoy  141. 
dXxlfpQtay  139. 
'AXxfAÜy  dor.  87. 
«Axt'cüV  66. 
«AA«   83,   221,   224, 

227. 
«;aä  lesb.  123. 
«AA«?  kret.  123. 
ffAAfcüi'  (gen.)  ion.  65. 
aAAi;xrof  42. 
ffAAo(f«;r6?  129. 
äXXo&ey  133. 
crAAoro^  93. 
rVAAo^^  (acc.)  el.  201. 
aXXog  27,   29,  49,  92, 

234. 
dXXoxBQQog  lesb.  49. 
ttXX6TQi,og  95. 
«AAv  ark.  20,  26. 
äXXtog  220. 
äXova  kypr.  32. 
«lo;fo?  26,  54,  73. 
dXvlu}  lesb.  29,  33. 
dXqxtyu}  56. 
dXüin?]^  98. 
«>«  114,    123,   211, 

220,  224,  234. 
ftfidydccXog  72. 
ilfAttQxdyü)  163. 
dfjdo)  285. 
(CfAßQOTOg   31,   49. 

«^£  dor.  böot.  131, 132. 
\4 fxHyoxXeTog  böot.  70. 
dfieiyoregog  95. 
d/neiytoy  70. 
«^^A;^a>  42,  48. 
dfjiigyb}  42. 
«^^?  dor.  17,  132. 


'Jfitjyiag  ark.  70. 
UfitjyUa  kypr.  70. 
dfiijrog  265. 
dfjii&Qog  74. 
dju^ai  (Hesyck)  48. 
«Iu^€   lesb.  20,    131, 

132. 
a^/u6  thess.  20. 
(tfifÄsg  lesb.  132. 
aufjisaiy  lesb.  133. 
«^^4(1^)  lesb.  133. 
dufÄog  lesb.  134. 
«Jum  55,  290. 
coio-  («fwJff)  41 ,  45, 131 . 
€tu6&By,  dfAo&Bv  73. 
o^o;  dor.  222. 
cr^o;  dor.  134. 
«^<3Pt  217,  218. 
dfjifpiiyyvfAi  70,  155. 
dfKfinBgl  218. 
dfjLfplcxtti  (Hesych.)  73. 
d/Ä<pito  171. 
d/Ä<poQBvg  74. 

UfjKpOTBQOg  86. 

dufpoi  96. 

«V  189,  220,  221. 

«y  225. 

«>'«  voc.  118. 

«V«  204,  216,  218. 

dyaßitoaxofiai  162. 

dyayijg  110. 

dyayxaltj  ion.  92. 

dyayQtt(pijaBi  kret.  18, 

171. 
dyaldBta  102. 
dy-aifx  og,  dy-alfi,  o)»'!  03, 

139. 
dyaiQeQtjuca  164. 
dyayxfu  kret.  171. 
^Ayhn^lXBfa  65. 
dyaQaiQtjfjiat   164. 
dyaroXrj  54. 
«Vcf«  kypr.  221. 
«i'cfaCw^at  kret.  58. 
dyd^dyQitt   139. 
dydQcenoda  140. 
«(y)cf|pt  I  «(>')Ta>'  kypr. 

20.  ^ 
«(y)(fipitwi'a  pamph.  40. 
«ycTjpfxdf  99. 
«ycTjOoyvi'Of  143,  144. 
dyB&Blxttiy  thess.  147. 
dyBfiog  28. 

«Ver,  «Vfv*',  «Wüf  218. 
dyeiptog  48,  57. 
dysM^a  150. 
dyijyvTOi  97. 
«Viye  39,  48,  106, 107. 
dy^Qtj/btai  164. 
dy&Qüinijog  93. 
«Vt?  dor.  218. 
dyyioiTO  kret.  50. 
«Vrt  207,  217,  218. 
dyriu)  170. 
dytXdü)  291. 


avtXfjy  ayrXoy  40,  92, 

286 
ayxQfonoy  kret.  53. 
ayvd^og   141. 
aKt*ac^   100. 
dyvttia   161. 
dyvto   155. 
dytpora^og  lokr.  48. 
«»'öl  70,    163. 
aytayuy   aytoyat  167. 
äyatyoy   170. 
dytatBQUi  95. 
d^iofctg   100. 
a^öi»'  27,  60. 
dodfiag  141. 
«oCoff  141. 
doidog  72. 
doiyog  141. 
doQXiJQ   258. 
aoroV  ion.  34. 
«71«!   45,    114,    135, 

140. 
an^aoTos*   57. 
^JneiXtoy  kypr.  49,  68, 
cmeiui  182. 
diiBiQwy  105. 
aTTcAAai  lesb.  50. 
UneTltoy  ark.  etc.  49. 
dnrjvQa  153. 
0710    (ano)    27,    214, 

218. 
oTrccffli;  ion.  35. 
dnoBQüB  811. 
d7tofBind&&to  kret  64. 
'vl;roAAaiWcf(rtt;  ark.  38. 
dnoQQfjTog  31,  42. 
dnotiyoiay  el.  25. 
dnoTiaig  141. 
ft;7oi>^<r^  31. 
«rrv  ark.  kypr.  20. 
cc;Tv<rre'iUtrKro;   thess. 

26. 
«;it'<rroff  56. 
dnvTBUKo  ark.  158. 
«e  43,  221. 
«^«  221,  227,  234. 
«V«  kypr.  236. 
«p«  221. 
aQaQicxüi  162. 
ce^n^vm  165. 
aQyaXeog  72. 
«p>^V  108. 
«^/iJ^wi'    (gen.    sg.) 

kypr.  20,  120. 
rt^yt'^pof  96. 
a^dt^vaai^o;'  138. 
dQsitpaTog  138. 
'jQBTivla  49. 
ocQBaxog  99. 
dqiaxbi  161. 
«^frjy  97. 
«ViyycüV  103,  105. 
'jQtjiXvxog  138. 
dQtjiKpaio^  138. 
«ev»'  65,  103,  101 


rar  griechisoben  nnd  lateiniachen  Grammatik. 


899 


ttQidsUerog  97. 
ccQi^fiog  94. 
(eQtartio}  160. 
aQUfTBQog  95,  135. 
*jQUiToytT6yiog    böot. 

35. 
*jQtüT6&oeyog  bÖot.  20, 

35. 
uQLaroy  31. 
aQxe&^tjQog  73. 
aQxrog  43,  60,  80. 
aQXTvXog  96. 
aQfÄSvog  167. 

UQfÄoCtO   161. 
UQ/ÄOTTO}    161. 

n^ydai  103. 
agyvfAM  43. 
ff^ov^a«  kypr.  34. 
fr^oa>  282. 
n^;rr^(a>  160. 
«^71«^   110. 

«^piy»'  60,  63. 
aqqrjxog  31. 
«(MTjy»'  60,  104. 
c7(icrj7?  lak.  117. 
'JhQciioy  ion.  65. 
«()t;rai  161. 
itQx^Tiohg  139. 
dgj^v&itüQog  140. 
dg^f'^extiay  140. 
ttQX^'^toXirttQxdtrcog 

thess.  57. 
ae;fw>'  108,  196. 
«ff  (^wff)  dor.  109. 
«<r^  287. 
d(rxdXtt(fog  96. 
daxttQi^io  67,  219. 
ttOfieyog  196. 
danaiQü}  67,  157,  219. 
uanacfjia  106. 
danacrvg  101. 
fianidrjfpoQog  139. 
danidioy  92. 
ftffffa   («rr«)   48,   58, 

81,  131. 
«ffffov  58,  69. 
«ffraxri  122. 
«<rr«ff  epidaur.  70. 
liaxaj^vg  67. 
icareQOBidijg  140. 
dariJQ  67. 
dcTQdTitto  59,  161. 
«ari;  30,  65,  101. 
a<rv^£t  121. 
«a<jpe,   «ff^?!  losb.  68, 

134,  346. 
r<<r^o(fo>to>'  56. 
VlT«Aff(>')Ti7  40. 
dtaXiifpQVjy  141. 
CC7CC(>   221. 

«Tf  224. 
«Tf  dor.  123. 
dr«ÄiJy  kypr.  118. 
dtsQ  218,  221. 
dtiQttfjLyog  28. 


'^T^dvetTOff  thess.  57. 
«T*  kret.  224,  230. 
dzQaxTog  55,  235. 
dzQBxeg,  dxQBxiiag  55, 

235. 
'l^T^fvff  lesb.  87. 
dxxtty  8.  «a<ra. 
iixxaci  lak.  64. 
^rrai  38. 
aS  27,  221,  224. 
rnJarai' Find.  30  (2mal). 
aveXXa  lesb.  31. 
avxd  kret.  42. 
avAetoff  212. 
avXtjQoy  31. 

«VTlJ'Off    141. 

«rp«  107. 
avQTjXTog  31. 
avQioy  63. 
ffvff  dor.  131. 
«t»croff  kret.  19,  42. 
avre,  avxig  27,  221. 
avTst  dor.  207. 
«Jr^rff  böot.  35. 
ai'xtj  47. 
dvxfjirjy  106. 
avxoloiQ  el.  124. 
«JroV  131,  210,  213. 
«vroi;  (adv.)  207. 
ttvcD  («t/öl)  73. 
«roiff  lesb.  31. 
dtpiiüxa  26. 
d(pXoiau6g  67. 
*J<poQdi,xa  219. 
dfpQoyita  160. 
dtpQüjy  45,  104. 
Uxcci/iog  kypr.  38. 
dxttQiaxBqog  95. 
dx&f]du}y  109,  110. 
«/pe,  «;|f^tff  225,  233. 
«V»  121. 
dtatoy  46. 

/Ja^^dff  96. 

/Src^^o»'  96. 

iS«iVw  41,  49,  55, 157. 

Bttxsvftti  böot.  33. 

ßdxxQoy  293. 

/9«AÄai  05aÄfrv)  43,  55, 

156. 
ßa/Äßaiyto  159. 
/J«!/«  böot.  41,  55. 
ßdqayxog  49. 
ßdga^Qoy  55. 
ßdQßKQog  53,  293. 
ßttQsta  101. 
ßagydfjisyog  kork.  43, 

156. 
/»«evff  43,  55,  100. 
ßttciXäeg  el.  26. 
ßttCiXiog  dor.  ion.  38. 
ßaaiXevxegog  212. 
ßdaxta  161. 
ßttaxtt^a}  297. 
/Jardff  41,  96,  97. 


/Jcf^oi  71. 
ßeßdttüi  ep.  166. 
ßeßttQrjtSg  113. 
ßeßtttig   (ßeßtaaa)   41, 

114. 
ßeiXofisyog  böot.  55. 
ßiXBfiyoy  94. 
ß^XXeixei  {ßeXXofieyog) 

thess.  35,  50,  55. 
/JeAoff  55. 
ßiXxsQog  (ßiXxaxog)  98, 

354. 
ßeXxiüJxeQog  112. 
jSfj'fai  el.  56. 
ßiyxiaxog  dor.  18. 
ßijaexo  hom.  169. 
iSt«  55,  116. 
ßlßttyxt  dor.  154. 
jSti?«?  154. 
ßißQtoaxü)  43,  55. 
/Jtcffot,  j9((ft'o(  lak.  113. 
jSti'^ai  55. 
jStoff  55. 
^/^V  55. 

ßioTtj,  ßioTog  97. 
ßuSyai,  153. 
jSA«/9}7  51. 
ßXoatfQtJTJig  103. 
ßXfo&Qog  43. 
/?Aaiaxa>  49,  162. 
ßotjyofiog  140. 
ßoixlaq  el.  30,  51. 
/9oA];  55. 
ßoXXofjtat  lesb.  44,  50. 

ßoXofJLM  44. 

ßooxXetp  140. 
/Jo<rxJ7  99. 
/Jdffxw  46,  161. 
BoanoQog  115. 
/Jdrpvff  101. 
/9ot>  (gen.)  34. 
ßovXtjaofÄM  187. 
ßovXofjLai  44,  50,   55, 

70,  162. 
/SoüV  26,  47,  55,  87, 

115. 
/J^aCw  158. 
ßgatdöto  el.  59,  67. 
/J^«^at  282. 

iS^«;r«'f  293,  295,  384. 
ßQfjxojQ  lesb.  31. 
ßgiffda  lesb.  31. 
/J^ovfiy  40,  97. 
iS(>ordff  49,  381. 

ßQ0)T1]Q   43. 

/JwCiyy,  /JwCoV  63. 
ßtoXfjfieyvg  pamph.  26, 

156. 
ITai^^^a  lak.  93. 
i?(ü^<r^a  lak.  93. 
ßtoxütQ  46. 

y«  dor.  etc.  221. 
yayyaXiCo}  72. 
y«Äa,  ydXaxt'  49,  77. 


yafjLßgog  286. 
yttfufmyv^  46. 
y«^  78,  220,  221. 
/«^^^ai^oi  159. 
y«^y«Äifai  72. 
yttQynqitoy  283. 
TaQVfoyfjg  chalk.  33. 
yaartjg  107. 
yccxdXtti  (Hesych.)  30. 
y^  220,  221. 
yeydttCi  ep.  166. 
yeyaxa  Find.  41,  47. 
yiya/ÄByy  ysydxrjy  45, 

165,  170. 
yeyaaig  41. 
y^yo»'«  90,  165. 
ycyo»'«/'«  102. 
yeyoyeiy  rhod.  167. 
yeyQdtpaxai    herakl. 

166. 
yeXayijg  Find.  111. 
y^Acüff  111. 

yey^&Xtjf  yiye^Xoy  96. 
yeyeuiaxio  161. 
yeyBxij  97  (2  mal). 
yfi'friy^  28,  107. 
yeyixTjg  97  (2  mal). 
yeyixiag  107. 
yiyoixv  kypr.  20, 
y^j'ro  40. 
y^^'vff  100. 
yeQalrsQog  95. 
;/^(>«ff  111,  112. 
y^^oi»'  108. 
y^ro^  (Hesych.)  30. 
yevyvSy  (Hesych.)  68. 
yfvo»  31,  264. 
y€(pvQ6to  160. 

y^e«f  111»  112. 
yf]Qdax(a  161,  162. 

yiyyofiai  59,  157,  196. 

;'ty>'w<rxa>  26,  162. 

yiyiovfjisyoy   böot.  70, 

155. 
ylyofiai  59,  70. 
yiryvuiytcv  thess.  70, 

155. 
yiytoffxio  59,  70. 
yXaiyog  158. 
yÄar^  dor.  87. 
yÄ^i'Off  111,  158. 
yXvxvniXQog  144. 
/At'^poi  156. 
yXtaylg  105. 
yyovfjLag  thess.  27. 
ywl  99. 
yytofjLav  el.  25. 
yyaiaig  100. 
yyviaxta  epir.  162. 
yoyyv^to  56. 
yoV«Ta  70. 
;^d*'i'a  lesb.  70. 
rdyy'o»  thess.  70. 
yoüi'a  ion.  7(^  100. 
ygdfjifjia  59. 

^1* 


900 


n.  GrieohiBohes  WörterveneioliniB 


yQttfi/ÄaTiddta  böot.  20. 
yQ€t<prjyTimess.  18, 171. 
yqäqxü  156. 
yQttip((y&(o  böot.  146. 
ygTpog  (Hesych.)  31. 
yQonnctxa  Balbilla  59. 
yvvat  77,  118. 
yvytj  56. 


dafioy  46. 
cr«C«*(^)«*   kret.   19, 

64. 
daiJQ  38,  106,  107. 
(f«t  225. 
dMddXXo)  159. 
6aiTv/Ä(6y  106. 
daifo  46. 
(fax»'!»*  41,   162. 
dttXQiioeiy  neutr.  119. 
ddxtvXog  74,  99. 
da/ÄiOQyog  48. 
dttfjuijioyxeg  böot.  159. 
dd/Liytjf^v  156. 
d<ifAo\'i^  arg.  18. 
dctfJLoxiXriv  lesb.  118. 
cf«Vo?  27,  46,  111. 

dandyt]  310. 

cfwTrecfoj'llö,  120,  139, 
140. 

cfa^i>«V&i  284. 

öuQtog  43. 

daofjLog  62,  94. 

cfaffi'?  329. 

ddrra&{&)ca  kret.  19, 
64. 

d"€  55,  221,  225,  227, 
229    234. 

<f^  (db^i/tff)  204,221. 

cff'dV«  165. 

dedieirjp  174. 

dedie'yca  175. 

dsdiüxo^ca  162. 

dedoay&t  böot.  146. 

dedoixct  32. 

dedQoixiug    (Hesych.) 
32. 

dtdiüxa  167. 

dedtoxay  dor.  165. 

cTetcT^/ftr«*  hom.  164. 

deldifiey,  deldi&i  hom. 
32,  165. 

(fftcTw  hom.  29,  165. 

deixvvfxi  155. 

(fftÄtj'd^  93. 

öelXofica   lokr.  delph. 
50,  55. 

dsi/naXeog  96. 

deiyog  32. 

dsiTtyoy  68. 

deix^V^^^^  ^or.  178. 
dVx«  41,   53  (2  mal), 

137. 
<ffx«T6'ro^fff(acc.)delph. 

19,  203. 
(f6x«To?  98,  137. 


cfex«ff  110. 
dexdxiXoi  hom.  137. 
dexoTog  lesb.  ark.  41, 

137. 
(feAAoi  ark.  51,  55. 
deXfpttxiyf}  24,  93. 
cffA^jp«!  99. 
deXfpiy,    deXgjig    105, 

322. 
JfÄ<3pot  122. 
de/Ättg  111. 
cfc^t«  (subst.)  212. 
cf^off  25,  29. 
dige&Qoy  ark.  55. 
deanoyrjaiy  ion.  127. 
dean6tf]g  69,  90,  115, 

120,  141. 
devQOf    devQta,   devQBj 
dBvqill,  116,222. 
^61'?  böot.  59. 
cffVTC  222. 
(ffrTC^o^  136. 
dixofJLM  50. 
Jfeiylag  korinth.   18, 
32. 

(Tiy  225. 

djytoff  46. 

dijXofiat   dor.  44,   50, 
55,  162. 

drj/Liog  383. 

JrjfjLoa&dg  142. 

cfiy»'  224. 

.^^»'a  kret.  19. 

cfvi'off  71,  111. 

drjQog  224. 

cT^T«  225. 

dl-  'zwei'  136. 

(ft«  204,  217. 

diaxocLOL  41. 

diaxoaioaxog  98,  137. 

cTtarrdcü  58. 

(ftd'rtflrxco   162. 

dvdeovüttu  delph.  154. 

didrjfii  154. 

did6&&(o  kret.  19,  53. 

didovy  175. 

dtdgdaxü)  162. 

dld(ü&i  hom.  154. 

didioacj  hom.  154. 

dV^  xt  thess.  231. 

JieiTQSCffjg  115,  140. 

dieXiyr}y  (3.  plur.)  kret. 
47. 

dieXe/r^y  178. 

dlsfittt  158. 

Jifei&sjtiig  kypr.  115, 
236. 

^f/rt  30. 

diCtj/ncti,  di^TJao/nM  1 54. 

cf««  pamph.  29. 

duTiertjg  hom.  115. 

cTixaVcfft)  kret.  19,  59. 

d'txer'Cai  109,   160. 

dixaiog  93. 

cfVxa(r77oAo;  69,  140. 


<KxJ7»'  217. 
difuiolg  kypr.  59. 
cft^dff  58,  99. 
JioyivBiy  böot.  118. 
dioysyrjg  86. 
Jioyiyrig  86. 
(ftdCoTO^  61,  63. 
Jioidoxog  böot.  115. 
cftoVcfoTo?  63, 138,141. 
Jioaxovgetoy  138. 
Jioffdyeiog  böot.  19. 
cfeTrAcr  kret.  121. 
(ftV  32. 

cftcrxoff  71,  99. 
dKfOog  99. 
cfti//«  58. 
cfn/'jji'  159. 
cftöi  158. 
dnoxto  158. 
dita^ig  158. 
cfoaV  224. 

dofBVM  kypr.  105, 121, 
175. 

doxi/Äaddo)  böot.  59. 

doxifid^oyti,  dor.  161. 

doXi^og  87. 

doXfpog  55. 

dd^fi'  89,  122. 

dofiByav  106. 

cfo>i7i'  kret.  106,  122, 
175. 

cfdl«  58,  72. 

doQifiaxog  140. 

cfo?  172. 

d'oroV  28. 

cfoi'Adat;»'©?  93. 

cToiV  175. 

d0VQLXTf]T0g   141. 

dlparo?  43. 
dgenayoy  93. 
dglcpog  syrak.  74. 
dgofjKüy  105. 
dgvfid,  dg V flog  94. 
dgvffaxTog  72. 
d^^öJ  158 
d(>a>>  39,  49. 
(fr£  lak.  124. 
d're/V  91,  124. 
dvfdyot,  kypr.  33. 
d'rVw  163. 
cTiio  80,  124,  136. 
dvoloig  el.  124. 
dvQo/btca  220. 
d'üVycü  (Hesych.)  162. 
dvarjxeaxog  46. 

dva7]xrj?  46. 
(TrcrxÄ^?  111. 
crt»<r^c*^'?26, 110, 141. 
dvfXtrjyog  27,  93. 
dvcxsQijg  111. 
dvcxifiog  50,  53,  115. 
d'i;«  'zwei'  33,  135. 
dvuidexcc  141. 
cTcJcrfx«  32,   135,  141, 
143. 


JtotXog  b5oi.  20. 
dcJxot  kypr.   167. 
dioofjiey  bom.  171. 
(foid;  kret.  59. 
diüQoy  26,  46. 
diativti  105. 
cffurt;  100. 
cfcJroi^  90,  106,  107. 


«  33,  134. 

ea  (=  tri?)  el.  20,  26. 

In,    la;    Herodot   38, 

152. 
kdXtay  150,  153. 
idv ;225. 
eavd;  94. 
iagldgentog  141. 
ittQiyog  93. 
laat  41,  146,  151. 
Ia<i<ra   dor.  102,    108, 

151. 
I«T6  Herodot  152. 
eavTov  183. 
i/9a;ii7»'  153. 
ißdXoy&o  böot  146. 
ißdefiaiog  epid.49,94, 

136. 
ißdefdijxoyra    herakL 

delph.  49,  94. 
ißdofdarog  98. 

ißdofAog  49,   94,   135, 
136. 

eßTjyy  Mßtite  41,  153. 

ißXdtnrjxa  164. 

ißXaaxoy  161. 

e/?Ai7>',  fjSXiyro  153, 178. 

iyyvfj  56. 

^;/yi'f  121. 

iyiXaaaa  111. 

iyeyoy&o  thess.  20, 146. 

i}^Qav  153. 

fyxv'ai  302. 

eyyüjy  153. 

eyQccxxai  kret.  57,  72, 
164. 

iygdtl^ay&o  böot.  20. 

^yw,    ^/cuV    53,    131, 
132,  213. 

eywye  220. 

^ycüVi7  132,  222. 

sdayog  93,  94. 

6cf«(>  (Hesych.)  32. 

edccfpog   111. 

iddlrjxai  kret.  57. 

ecr6;>;io»'  73,  96. 

fV«  193. 

ede^a  ion.  35. 

^(fiydWff  113,  164. 

edf^eyat  175. 

f cf»'oi'  53. 

sdofiai  171,  182. 

edofiey  152. 

sdoyxeg  lesb.  325. 

id'oi'xae»'  thess.  147. 

Icforxf  thess.  20,  27. 


BOT  grieohisohen  und  lateinisohen  Grammatik. 


901 


edQttXoy  16,  43. 
s^gay  153. 
M(üxa  152,  167. 
ie  hom.  134. 
ieixoai  hom.  137. 
leinov  157. 
hig  Hesiod  135. 
iiqari  hom.  48,  80. 
i/:€Qy€ecaro  150. 
Ef&e[tog]  korinth.  33. 
eff)€^tt  kypr.  31,  50. 
ifgtjxdaaxv  kypr.  31, 

150. 
eHfiv  153. 
^i;:o^ft6  03,  157. 
trjxtt  152. 

I17*',  irja^a  hom.  164. 
I^^fffi'  böot.  37,  146. 
sH^  73. 
iaeXoyti  122. 
(&efÄ6y  152. 
e'^f»'  134. 
6;^xrt  152,  167. 
i»Qvßfjy  53. 
i&toxazt.  (Hesych.)  146. 
£n92,220,225(2mal), 

227,  228,  229,  232, 

234. 
el  30,  145. 
EiavToy  inschr.  38. 
e?(f«p  hom.  32, 97, 105. 
elMtjy  169,  174. 
elSiyM  105,  175. 

6^(f6W,    6/cf(J    168. 

etdo/uey  hom.  165. 
€«(fwV  114. 
£76*^  147,  173. 
6iey  (Partikel)  225. 
eirjy,    BitjfABv  29,    90, 

151,  173. 
eX»B  220. 
et^itiov  150. 
iixaadü)  lesb.  59. 
£rxoai30,41,57,124,137. 
«/xocrrof  98,  137. 
uxToy  164. 
fi'xiJ  117. 
Bixiag  114. 
fi^i^Aov^rc  hom.  26, 34, 

165. 
BtXrjtfa  164. 
slXxoy  150. 
£i^o/«  52. 
eUoi  50,  70. 
Biua  70,  97. 
6r^fft  («'»7/wO  165. 
Bifiat  (BiyvfÄi)  70. 
el]ua(>r««  164. 
etfiecy  rhod.  175. 
€/^f>'   (1.  plQF.)   24. 

B^iy  70,  151. 
BiuBy  (inf.)  175. 
ef^tifi'  (1.  plur.)  152. 
Bifiig  dor.  151. 
«i'^i  34, 62, 85, 151, 196. 


slfii  25,  34,  150,182. 
Elfiovysiog  thess.  35. 
«/i'  hom.  68,  219. 
iiy  böot.  132,  134. 
BiyarBQBg  285. 
elVexa  31. 
eiyl  hom.  68,  78. 
BVyvfiiß2,  70,  155. 
Bioixvitti  hom.  164. 
e«;r«  153. 
6^71^  224. 
BiTiBiy  72. 
{irro»'  157. 
EiQag}Utirtjg  96. 
BiQya^ofÄtjy  150. 
«iipf/xff  164. 
Cf^O^  111. 
Blqnoy  150. 
e^ff  (^?)    12,   76,  216, 
^   219. 
Big  (Big)  145. 
A  (unus)  lesb.  71. 
Big  40,  87,  114,  135. 
BiaBKpqrjXtt  153. 
Bial  151. 
(fiaxw  71,  162. 
BUsnofATjy  (^Q^  150. 
BtiSfpQTJyai  153. 
€?ra,  fZrfi'  225,  232. 
«rrat  ifBif-)  166. 
6i:cu;>«  164. 
^x,  6*1  71,  77,  83,  121, 

214,  219. 
kxdg  33,  217. 

BXttTO/Aßrj   115,   139. 

fWö»/  41,  50, 53, 137. 
Bxttxoyrdxig  137. 
BxarooTog  98,  137. 
ixdiJfABy  hom.  38. 
^xf/Voff  130,  214,  227. 

BXBIQO    167. 

fxeAcfa  167. 
BXBQOa  167. 
'Ex^^vAo^  delph.  73. 
ixBx^iQto  73. 
IxiyTi  217. 
kxxttlSBxa  71. 
BxofjLBv  (Hesych.)  152. 
Bxoyti  122. 
ixoToyßoia  ark.41, 137. 
cx7r«yÄof  72. 
ExnB^og  71. 
ixQvflrjy  53. 
BXxafiBy  153. 
^xroff  56,  57,  73. 
fxTof  71,  98, 135, 136. 
kxvqog  86,  139. 
Bxvaaa  163. 
BxtpQTjrai  153. 
cxftiV  65, 108, 109, 196. 
^Xaa  38. 

iXa&Qog  (Hesych.)  56. 
iXdaaai  169. 
^Aff(T<ro>^e(  (acc.)  ach. 
203. 


iknatrioy  56,   58,   69, 

113. 
^Xacpog  50,  96. 
iXatpQog  41,  56. 
(?A«/iV  42,  48,  56, 287, 

295. 
iXiario  lokr.  19,  53. 
iXBv&BQog  295. 
iXijXByf^ai  59. 
^Ai^Av^cr ,    iXijXv&fABy 

165. 
iA;>f  rcu^  (Hesych.)  173. 
iXlxrj  283. 
iXixiotp   114. 
iAxvffat  156. 
«Axai  30. 
m«  lak.  60,  95. 
iXXog  50,  96. 
i'XfAig  100. 

fATTlCo)    160. 

^Arw  257,  262. 
ifidytjy  153. 
iuttvrov  133. 
e^^  182. 
i?.a€>f  132,  221. 
ifÄ^&By  133. 
ifjtB^a^tjy  112. 
i^e?  dor.  132. 
iuifjirjxoy  170. 
6^61'  (inf.)  152. 
i/i^*'  (1.  plur.)  152. 
ijiBy  *me*  132. 
BfiByai  152. 
^eoff  dor.  133. 
BfiBxogy  ifjLBTog  97. 
^^fcu  153,  257. 
ifiBüJvxov  herod.  133. 
^^i  thess.  152. 
ifÄiy  dor.  132. 
ifilyt]  tarent.  133. 
^^t  lesb.  62. 

Bfl/ÄOQB  62. 

ifÄoi  132. 
ijÄog  134. 
Bfinay    Bfinavy   Bfinag, 

Bfxnrjg  224. 
iunairoyrm  kret.  67. 
B(fi)nttciry  40. 
iundo)  el.  225. 
BUTlB^Oy  141,  205. 
l)u;iA}7>'  226. 
i*'  19,   83,   204,  214, 

216,  219. 
iyaytloy  217. 
^yftrog  98. 
ii'cffa  27. 
Ii'cfoy  221. 
lyBifAa  70. 
I'i'cxa  31,  217. 
iyBtpayiaaoBy  thess. 

147. 
iytj  39. 

^i^/Ja;afelak.l8,59,66. 
^yrjfia  dor.  70. 
Iy*a  256,  296. 


iy&ovina<ru6g  94. 
Ii't,  iyl  78,  214,  219. 
Mxa^  lak.  66. 
iyintb}  161. 
^r»'^«  137. 
kyyia  herakl.  137. 
iyysia  inschr.  38. 
BvyBxa  lesb.  31. 
lyyBoy  62. 
ByyBTTB  289. 
Byytj(pt>  212. 
ByyvfjLi  30,  62. 
iyoixodofiBixoyxBffCi 

thess.  114. 
cVoff  285. 
^i'ff  12,  204,  219. 
iVff  kret.  114,  135. 
ByGBin  kret.  32. 
Byxaaai   herakl.   108, 

127. 
I»^£  lokr.  delph.  226. 
lEyxBQoy  95,  135. 
lyxBg  dor.  151. 
iyrBxgdyai  71. 
cVrt  dor.  151. 
^iTog  214. 
i^,  8.  ^x. 
i-l  33,  77,  136. 
i^dyw{y)di  pamph.  60. 
i^aitpytjg  68. 
B^axoacoi  136. 
i^«crt  136. 

i^avcM  (Hesych.)  300. 
B^Blfil  182. 

I^cri'  175. 

i^tjxoyxa  137. 

Hoxog  141. 

cicü  73. 

i'loMrt  kypr.  20. 

loe^  hom.  151,  174. 

koT  hom.  134. 

BoiyfjLBy  165. 

lotxa  164. 

601'  151. 

BOQy  BOQBg  (Hesych.) 

107. 
Bog  134. 
ioig  134. 
^or<r«  102. 
inaxxtJQ   107. 
6;raV  225. 

BTiBL  225,  232,  234. 
^jretcfjj  234,  513. 
InBixa,  Irretrfi' 225,232. 
htim&fiBy  165,  170. 
ininXrjyoy  166,  170. 
inkg  ark.  218. 
BTiBaoy  169. 
inBtai  25. 

BTXBxov  dor.  lesb.  156. 
inBv^rjfxiyoy  149. 
BTtßfpyoy  56,  157. 
hii(pvxoy  170. 
^jy  el.  225. 
M  204,  216,  219. 


902 


IL  OriechisoheB  Wörterrerzeichnis 


inittQog  el.  43. 
^Eniaaaa  151. 
inißifttt  51. 
inlyatog  141. 
inl&eroc  141. 
intfjieXtj&rjaevvn  rhod. 

18. 
htiaaa  99. 

initädovfia  kret.  34. 
irtitQvaaeiy  lak.  235. 
eTrAcro  54. 
inXrjfirjy  153. 
inoi/irji  arg.  38. 
inoirja  ol.  66,  167, 
inofiM  54,  55. 
inonotog  140. 
Itto?  30,  55,  65. 
inQid/Äijy  54. 
^TTT«   136. 
Irrriyi'  153. 

f?  («e')  kypr.  221. 
^Qttfittiy  igccTog  152. 
^^nri'o;  hom.  93,  111. 
I^cfcü  71. 
igeßog  42,  55. 
igelxü}  309. 
'EQBfjtijg  49. 
^(»ff^oV  64,  282,  310. 
iqevyofXM  54. 
^(»6tJ;?cu  264. 
iql^ayxBg  dor.  161. 
ept?  99,  109,  110,  329. 
*EQfAij(rttydQog  141. 
'EQfAtjoidyfc^  141. 
'EQ/LifjüiXeiog  141. 

Ipi'Of    111. 

*EQOToxXiag  thess.  48. 

f(»7I£Td>'   97. 

'EgQccq)S(j}Tag  lesb.  96. 
iQQtjyeTa  herakl.  165. 
iQQVfjy  153,  178. 
I^pwy«  165. 
iQQOjfAsyeateQog  95. 
ep<r»;  80. 

e^(T?yy  ion.  kret.  105. 
igv&gtyog  93. 
^()r^(»oV42  (2  mal),  48, 

53,  94. 
igvxftxe'eiy  157. 
^ei|o^«t  42,  48,  80. 
iQvaaai  156. 
igiOEO)  258. 
e^w?  111. 

i?  12,69,76,  83,219. 
^f  (r=r  ^^)  ark.  etc.  71. 
iadeXXü)  ark.  71. 
£(T^t   151. 

ioxfj&exdTt]  böot.  71. 
^cr^^*'  12  (2  mal),  70, 

90,  151. 
taTTCtan,  icTTSi-iTuai  64, 

69,  72. 
eanByaa  kret.  64,  72. 
fansQog  60,  6ß. 
ia7i6fj,rjy,  eanoiro  6ß. 


icTiQififÄitTBy  kret.  40, 

6'7. 
f<r<rcf  151. 
iaaicHiy  thess.  20, 35, 

175. 
tccBx^a  153. 
^<r<r^  hom.  syrak.  145. 
Bü<fy  (3.  Person)  lesb. 

151. 
icüorjfjiiyoy   (Hesych.) 

161. 
iaatay  ion.  113. 
eaxa  el.  225,  226. 
kaxairjy  174. 
laxaütty  hom.  168. 
earä<n  166. 
icTTawff  93,  113,  165. 
I<rr€  225,  233,  234. 
kcxetag  113. 
l<rr£cJ<ra  114. 
karBtat'  39. 
^EatfB\y)duvg  pamph. 

21,  22,  29. 
iätrjxa  165. 
hftriv  152. 
Icrnylo)  171. 
^«rriywV  93,  113,  165. 
Büu  12,  25,  57. 
iatittüjj  iarioto  160. 
iintondfAcjy  dor.  139. 
iaTQttiBvtt&rj  böot.  146. 
^«TTwV  113. 
iaitoaa  114. 
^crrcur-  39,  83,  85. 
ecr/«  1.57. 
eaxoy  63,  156. 
BTttlga  102. 
iratgog  113. 
ird^aiy  thess.  147. 
cri^jyy  73. 

BXBXOy   156. 

^rfoV  29,  94. 
Ir?y?  197. 
er«  57,  220,  222. 
hl&Biy  154. 
iroV  28. 
Irrf  böot.  64. 
hvfiog  94,  101. 
ev  38. 

EvßdXxrjg  lak.  33. 
Evßaydgog  dodon.  33. 
BVBQyBxig  thess.  69. 
Bv&tjytü)  93. 
Ev&ovfiog  böot.  25. 
fi>^',  fi'^i'f  201. 
€r\!^r,/«  102,   105. 
Bv&vyto  105. 
fvt(foy  äol.  19,  31,  33. 
EvXi]Qa  31. 
Bvyig  99. 
BtyodffTBQog  95. 
Bvyovg  86. 
fv7r«if/p«  102,  107. 
er7r«r(ü^  45. 
BVQdfifjy  157. 


ffv^/jrxw  162. 
BVQvona  118. 
ffr^vf  31,  83,  48. 
BVQtüBVg   109. 

BvcaßBoi  el.  25. 
fvrc  226. 
ct;r^«;TeAoc  96. 
Bvxovfirjy  149. 
£v/aiXa  kypr.  236. 
ftJcü  (evai)  d6,  264. 
itpayygiyd'Biv  thess. 

35,  146,  148. 
i(pdnrB<nrj  böot.  53. 
itpBXfirj  94. 
^<p^By/Äai,  59,  72. 
Bg>&BQca  hom.  60. 
i9?(  50. 
i(fioQxito  50. 
i(pvr]y  45. 

lyvi',  iffVfjiBy  45,  153. 
?;r««  31,  150,  153. 
I;iffi;a  153. 
iX»alQ<a  43,  160. 
i/*^f  67. 
iXoXta&rjy  178. 
l/w  65,  73. 
Crw  66,  73. 
lai  151,  171. 
itii&iyog  93. 
#wxa  165, 
itoQaxa  164. 
icaQüiy  150. 
ewff  *aurora*  110. 
I'ftif  *quamdiu'  109, 222, 

229. 
ecüvroi;  ion.  36,  133. 

CttfÄiav  ark.  20,  120. 

Ce  el.  51,  67. 

CeXXio  ark.  51,  55,  67. 

^e'QB^Qoy  ark.  55 

Z€t7  82. 

ZEv^Ug  142. 

ZftJlK  142. 

ZftJ?  26,   36,  45,  47, 

59,  82,  115. 
ZBvg  lesb.  87. 
Cf  w  64. 
CA  56. 
C^^^i  153. 
Zi^y  115. 

^Ixttiog  el.  20,  51. 
Ci(fvioy  el.  29. 
ZfxvQva  60. 
Corp'oij'fp  lak.  25. 
Cv^'o»/  16,  24,  50,  64, 

67. 
tivfjLf]  297. 
Cco  158. 

CcjyyvfÄi  63,  155. 
Cioatog  26. 
Cww  158. 

fnydxoi  (du.)  arg.  124. 
fdfjyoy  el.  48. 


^dQyfor  b&ot.  30. 
fdtnv  30. 
/r^  32,   134. 
^eavrov  kypr.  133. 
/fe/fvxoyo/4et6»^6»y 

böot  113,114,167. 
/r«C<wV  el.  20,  51. 
/ssixari    dor.  30,  124. 

137. 
fhcx«dafÄO€  bdoi  3-% 

65. 
/?£xcrV  32. 
/^«I  3.3,  136. 
fe^xotrra  kret  137. 
finua  kypr.  38. 
/r^off  30. 
/Tf/Aoi  dor.  50. 
f^fda  dor.  70. 
f^fJtag  kret  102. 
/:Ufiai  hom.  158. 
fixaaiog  böot  98,  137. 
flxatt  dor.  böot  30, 57, 

123,  124,  137,139. 
fixarinedog  herakLl  14. 
/?tK  kret  134. 
/:LC/foy  kret  19,  HO. 
fuixBi  korinth.  158. 
fot  32,  62,  134. 
foTxog  30. 

/^ort  lokr.  134, 223,232. 
fQdxQa  el.  31. 
mit?  lesb.  31,  46. 
f^tag  kypr.  31. 
^vxt«  böot  35. 
fuig  hom.  134. 

j^  (=  tti)  böot  225. 
17  Venn'  kret.  etc.  91, 

123,  225,  226, 232. 
17  207,  220,  222,  227, 

233,  234. 
17  'sprach'  77,  152. 

rj  'eram'  152. 

w  (Partikel)  222. 

17  (ri)  kret  123. 
»J  83. 

^  123. 
n  123. 
^a  hom.  26,   36.  61, 

152. 
5«  29,  151. 
ijaxai  hom.  41. 
rjßd<rx(ü  161. 
rjßovXöfAt^v  150. 
rjyayn  1.57. 
rjynyoy  157. 
YjyBfAüiy  106. 
'Hyv'Äof  96. 
ijcfe  222. 

flcfea  28,  168,  170. 
^cfe*!/  169. 
^cfi?  222,  225. 
ijdunog  98. 
iJdiW  112. 


mr  griecluBohen  nncl  lateinischen  Qramtnatik. 


Ö03 


233. 


^doyij  93. 
^dvenijg  139. 
fjdvydfÄTjy  150. 
i6vg  33,  62,  103. 
^^83,  220,  222, 
ijeidfj  hom.  150. 
gBiy  151,  169. 

fjev  152. 

^fjy  hom.  164. 

17t  böot.  20,  35. 

ma  hom.  151,  169. 

lyt^eoj  295. 

ijxa  SLOT.  152. 

^xcu  167. 

'HXexTQvcjyog    Hesiod. 

33. 
rjXlxos  99. 

jXi^  99. 
^ATTiCa  157. 
i]Xvyrj  56. 
w^at  66,  152. 

j^ttQ  95,  106. 
i7/iff^roi/  163. 
f]uäg,  fifxag  132. 
^/ti^«?  131,  132. 
lOtJ^Btg  17,   66,  70,  71, 

132,  213. 
^fAelioy  hom.  133. 
^jLieXXoy  150. 
lyu^i'  222. 

ijficy  (inf.)  kret.el.  175. 
^^^p«  66,  95. 
fjfAiqan  hom.  64,  72. 
^jAixBQog  95,  134,  135. 
ijfjirjy  (inf.)  kret.  175. 
ty/it  'spreche*  152. 
^/ufc-  39. 
ijfÄi&eaiya  102. 
i^^r*',  ^lUti'  87,  133. 
fjfdiy  84,  85. 
ij/tioff  hom.  109,  222. 
iqfAcpUafjLai,  12,  62,  70, 

166. 
fjfAioy  85. 
i|y  (idy)  225. 
«*'  *eram'  152. 
V  'erat'  152. 
r  *erant'  dor.  152. 
fjy  'sprach*  152. 
ijyav  ark.  175. 
^yeyxa  153. 
^yBixtt  153. 

?'yefi6€ig  46 
i't'^o*'  dor.  42. 
^Vwro  155,  163. 
^og   hom.    109,    222, 

229. 
^naQ  28,  43,  54,   97, 

105,  106. 
^Qtt  lesb.  dor.  221. 

^QttQB   157. 
ly^feiraaTo  111. 
fl^yaafjiai  164. 


'Hg^aoioig  el.  32. 
mtJQBta&a  145. 

^pt  107. 
fJQnafftt  168. 

^j  'erat*  dor.  77,  149. 
^j  'unus*  dor.  68. 
i^aay  152. 
^(r«j'  168. 
ijtf^a  145,  152. 
na^ag  146. 
««r^y  178. 
rjars  12. 
riavxnlxBqog  95. 

lyre  12,  90,  152. 
lyTi/y,  rjxoy  90,  152. 
^i'Tf  222,  226. 
fjfpeqa  157. 

^/«  166. 
iJXayBy  294. 

17/t  224. 

^üiff  47,  110,  111. 

d^ttyaxrjffoQog  139  (2- 

mal). 
&ayBTy  56. 
»tt^Qia  63. 
i^r^^vy'o;  74. 
t^orroi»  gen.  112. 
&drt(ay,   ^uaütov   58, 

113. 
SavfÄaatog,  d-avfjitnog 

97. 
;»e*/MoV  lak.  lokr.  73, 

94. 
»Blyo}  56. 
^Biog  235. 

^5>«y  rhod.  19,  175. 
»ifAig  100,  112. 
OeoxxcJ  142. 
SBOQ^oxBiog  thess.60. 
^ioqxog  44. 
»Bog  11,  56. 
^^eoircforof    60,    138, 

141. 
&Bovdfjg  hom.  32. 
»Bqdnaiya  101. 
»iqfAayaig  12,  69. 
*€e^6ff  56,  94. 
^f'^off  56. 
»iqaog  lesb.  60. 
»Bafdog  94. 
»eacttcSai  73. 
^erdf  28. 

t^«i'/€(r%^at  kret.  42. 
t^er^df  ion.  39. 
QrjßaiyByfjg  121. 
^>ai  257. 
^xjy  98. 

&ijXBit(  neutr.  126. 
^Aiy  42,  95. 
^y  226. 

^'o^€K  hom.  87, 171. 
^V  108. 


.9fj<yaa  101. 
Si^B&Sai  kret.  73. 
^ftdff  böot.  lak.  38. 
Siotpearog  53. 
;»At/Jüi  259. 
&yaiaxtü  äol.  162. 
^yfjaxtü,  d^yjjaxii}  162. 
öd«y  118. 

^oewi'aff  kypr.  235, 236. 
^ogyvfAai  44. 
^gdyog  101. 
öpcrarAof  96. 
&QaavfABfAy(oy  74. 
i^(»at;Ad;  63. 
^(»arcrroV  272,  305. 
SQB<T7i(orioy  dodon.  74. 
SgijtxBg  114 
^grjyvg  hom.  101. 
^(«7irxw  162. 
V^^t'l,  rpt/df  73. 
^Qoyog  93. 
^Qüiaxct)  (&g(^axü>)  44, 

162. 
»vyiixTiQ  28,    86,   90, 

106,  107. 
^vijftff  109. 
V^uiieAiy  96. 
^^fxoy  266. 
^ü/udff  24,  50,  94. 
^vuog  lesb.  87. 
Svy«Qx<>^  böot.  20,  35. 
&vyBto  155. 
^Vw  163. 
d-voaxoog  264. 
&vQttf(6y  kypr.  236. 
^•(>a<Tt  127,  201. 
^'eda  ark.  221. 
^'(Mxof  305. 
^vQoiy  236. 
;h;w  295. 
&(OQijaa(o  160. 

^  'und*  (?)  kypr.  226. 
-t  (Partikel)  222. 
ia   hom.  lesb.   thess. 

135. 
la^og  kork.  43,  94. 
mirt  41,  146. 
iaxQog  107. 
Ä«rr^<  kret.  102,  151. 
iaxot  157. 
idä  'und*  226. 
Aft^  123. 
tdfÄBy  (1.  plur.)   164, 

165. 
td/uByai  106,  121,  175. 
^oii'  106. 
iöov  225. 

IdQvaBiatg  inschr.  38. 
l&vitt  24,  38,  114, 165. 
idvioi,  moi  113. 
^ii^y  hom.  174. 
XBiy  154. 
feii«*  (?)  154. 
iiym  175. 


tecrcra  (Hesych.)  151. 

UQBoiavya  93. 

iBQrjtBvxari  phok.  146. 

fepo?  66. 

iCcu  63    67,  157. 

VtjfÄi  TS,  154,  297. 

i»i  24,  172. 

t»fÄa  106. 

^^i;  201. 

^^?  64,  72,  201. 

Uagoiift  pamph.  29. 

iiaxfJQay  kypr.  29. 

txayuy  (Hesych.)  137. 

Ixuyta  163. 

ixxo;  32. 

Uxig  67. 

lAao;  hom.  93. 

IXdaxofÄM  161. 

i^6o;  kret.  93. 

IXBiüg  39. 

iXr]/:og  lak.  93. 

Ui7/ut  63,  154. 

^^«V  24. 

ludaato  59. 

IfAoyvd  24. 

^j'  ark.  kypr.  20,  48, 

131. 
Xya  220,  221,  226. 
%y)&B  kypr.  236. 
ßoi/  hom.  169. 
XofiBy  hom.  172. 
eovioi  böot.  25  (2 mal). 
ink^  lesb.  25. 
InnaycDyog  78,  139. 
'Innaxog  99,  142. 
Inmxog  99. 
Vnniog  92. 
IhTfoff  32,  54,  66. 
^'Innog  142. 
Innoxa  97. 
tnnoxTig  325. 
"JriTrvAÄoff  142. 
Innoiy  105. 
tff  24,  115. 
/<raiai  158,  159. 
i^criit  dor.  166. 
Ja«»'  166,  168. 
taarr^  dor.  166. 
Xaaai  147,  166. 
Jitr^t  'wisse*  63. 
fo^t  'sei*  63,  67,  68, 

151. 
'la^uoi  82,    84,   121, 

201. 
lafABy  24,  166. 
iaoQonog  31. 
iaoQQonog  31. 
Jirof  110. 
laxäy&(0 ,    Urrdy&my 

böot.  phok.  173. 
l^rrcKTxoi'  162. 
urroTo»  ark.  37,  171. 
Ärre  57. 
Xaxrjfjn  154. 


904 


n.  GrieohisoheB  WOrterrerseiclmiB 


latog  46. 

uiTWQ,  laTtaQ  107. 

itXny(a  163. 

tax^  73,  159. 

ÄTwc  220. 

Xxxfo  böot.  64. 

Ivyri  297. 

itp&ifÄog  56,  67. 

'Ifpixgäxfjg  140. 

'/^Jtff  142. 

^/*t;f  67,  68,  115. 

IX^vciXfjuni^Q  141. 

ixyevtoy  Pind.  33. 

ii/zoc  lesb.  25. 

?a»  172. 

^  hom.  kret.  135. 

iwxij  158. 

^V,  (a>V  bdot.  51, 132. 

Xto^is  158. 

imxf^og  158. 

xa  r=   x^i'   dor.    etc. 

^  189,  226. 
xd  =■  xatd  79. 
xd  =  xtti   kypr.  79, 

223. 
xadaXijfÄCyog  el.  156. 
xd^XM  90,  152. 
xa^^ro  174. 
xa>of  (Hesych.)  298. 
Ttal  220, 223,  227, 234. 
xalylta  (Hesych.)  70. 
xaiyvfÄM  155. 
xaiy<a  49. 
xat'oi  38. 

xaxxsioyxBg  hom.  171. 
xdXafpos  96. 
xaXeiueyog  delph.  lokr. 

19,  156. 
xaXioy^i  b5ot.  146. 
xaA^<rx€ro  162. 
xaXeaffM  169. 
ITaAAicri;  ark.  20. 
xaXoxdya9la  138,  143. 
xttuxlßos  58. 
xo^a  97,  105. 
xdqayoy  105. 
xagdia  43. 
xttQijxofiotiiyTig  138. 
xtt^xiyog  283. 
xagnos  54. 
xdQQcay  dor.  113. 
xa^rdc  284. 
xdqxtiy  kret.  72,  113. 
xdtsavfAtt  97. 
KdaroQt  199. 
xaT  79. 
KOTci  219. 
xaiaHyfieyog  53. 
xorayr^ojct'  74. 
xara^iatg  el.  69. 
xttteirxBvfaae  kypr.  33. 
xatiixQ€tvau€  e 
xtfr^oTTTov  74. 
ircm^  ark.  219. 


ypr.JK 
l  48. 


xcrvAoV  329. 
xftctf  38. 

x^  hom.  etc.  189,  226. 
xiarai  hom.  148. 
xf/$Af7  95. 
xiyxQog  74. 
xeddyyvfu  76. 
xeiarai  hom.  29,  148. 
xecjuae  152. 
xc^y'o;  ion.  70,  93. 
x€tVoc  130,  214. 
xixafjLfAat  59,  72. 
XfxaofAiyog  166. 
x€x)le^iitiVmeas.51y  165, 

166. 
xexXiTo  157. 
xexXfjyoyres  hom.  114, 

167. 
xBxXotpa  26,  166. 
xixfiipos  165. 
xexrpfitjy  174. 
xffAcviui'at  ark.  20,  68. 
x^Aiyc  108. 
xmoi  220. 
x^y  189,  226. 
xeyeog  ion.  29,  93. 
xeysv^oy  kypr.  93. 
xeyetiy  105. 
xei'Of  93. 
xeyotegag  70. 
xivcai  hom.  69. 
xiyxttVQog  68. 
xiyi(OQ  74. 
x^^ct;  111,  112. 
XBQdaxrig  97. 
xegdaiym  160. 
xBQotpoQog  140. 

xiqx^^  74. 
x€<rrc)ff  69,  71. 
X€v9dyo}  162. 
xsv&fAiay  106. 
xeipaXaQyia  72. 
xf^oAi;  95. 
xextfQV^Bfiey  hom.  171 . 
xeyXddB^y  Pind.  167. 
xijXrj&fÄog  94. 
xijXfj&Qoy  96. 
xi7yoc  dor.  lesb.  130. 

XrjQBITKpOQOg  141. 

xijQBaaiq>6gtf[os  141. 
xif^rl  99. 
xi^ro»»;  109. 
xiorrat  kret.  148. 

xiyx^y^  163. 
xldya/AM  80. 
Kixvyyoi  121,  201. 
xev^oi  155. 
xiyvfAM  155. 
xioxgayoy  139. 
xtoyoxgayor  139. 
xigatpog  96. 
x/^K^/it  156,  236. 
xiV  (=  riV)  thess.  54. 
xec  103,  115. 
xix^y^  168. 


171. 
18. 
19. 


xixvf^t  154. 
xixvofÄBy  hom.  1*3 
xAai«  29,  38,  68 
xila^»eiv  phok.  1: 
xXdccatt  hom.  311 
xAda>  29,  38. 
xXipdtjy  51. 
xXifjLua  59. 
KXBOfAfjLiq  142. 
xAifoff  30,  31,  111. 
xA^rft)  42. 
xAgff  36. 
xXtfjia^  45. 
xÄti^  24,  45. 
xXlyyu  lesb.  158. 
xAiVoi  158. 
xAoro$'  93. 
nv^/yiy  142. 
xAvrof  24,  96. 
xiloiCo)  258. 
xXvmdofjiai,  45. 
xÄiü>  45,  116. 
xyaia  158. 
xi'^i^pa;  303. 
XVrjfATI  303. 

x»^'ai  384. 

xo-  (xo^fi')  ion.  54. 

xd;//of  297. 

xo^ai  258. 

xor^off  258. 

xotfiijS^ga  96. 

xoeKOff   49,   68,  220, 

302. 
xdAa^o;  96. 
xoAoii'd;  308. 
xofiixxdfjLByog  böot.  20, 

58,  64. 
xofÄTiog,  xofinog  110. 
xdv  (Hesych.)  152. 
xoyiaaaXos  33. 
xoWct»  159. 
xoTfBg^  lesb.  49. 
xogaxtyog  24,  93. 
xo^al  258. 
xd^ff^o;  96. 
xogiywfit  155. 
xog4axta  161. 
xogila  kypr.  235. 
xdo/<«   thess.  (?)  27, 

31,  50,  70. 
xd^iy  27,  32,  70. 
xogfAog  kret.  60,  62. 
xd^iri?  43,  60,  63, 110. 
xd^v^oc  109. 
xogvq>ij  96. 
xotfxvil^ara  297. 
xwTfJLog  69. 
xorvAi^cfoi'd^thom.  104, 

128. 
xovgBvg  63. 
xov^f^  ion.  31,  70. 
xgadcf]  43. 
xgdvöy  284. 
xgaxBgos  95. 
ngdricfi  hom.  128. 


x^w  28,  111,  112. 
x^Ei^ddxo;  140. 
xgBiTriay,  xQ€iif^my  59, 

68,  113. 
xgBud^ga  96. 
xgBfiauat  153. 
xgBfAayyvfU  70. 
xgBfidtiy  xgefAtü   170. 
xgifA^aXoy  ^2. 
xe^ri^cki  thess.  20,  48. 
xgBodoxog  140. 
xgBüütiy  59,   113. 
x^t  78. 
xpfr^'  64. 
xglyyta  lesb.  20. 
x^tVflti  158. 
xg6ta<pog  96. 
xgvntta  161. 
x^t'9)^  123,  211. 
x^Coi  258. 
xraiytü  lesb.   157. 
xrayBiy,    xrecrmr   41. 

156. 
xmVfti    29,    49,    70, 

157. 
xre'w«  lesb.   29,  49, 

157. 
xtita^Bv  hom.  47. 
KTfjQißtddfjg  eretr.  59. 
xvafiog  32. 
xvayoxaira  118. 
Kvayotf/ttiy  32. 
xv^  22*5. 
xoxAo;  55. 
x»xA^  (adv.)  210. 
ITvxack»«/'  114. 
xvUI  290. 
xvydfivia  139. 
xvi'^ct»  163. 
xvrrf^o;  95,  212. 
xttyxBgioTBQog  95. 
xfJoi'  (voc.)  39. 
Kvngoyiytj  (voc.)   118. 
xvpoc  225. 

XVTOC  310. 

xvoiy  24,  32,  103,  104. 
xai^a  dor.  70. 

Äir/Joy  syrak.  18,   173. 

174. 
^«jj^ßf  99, 
Xhttßtiy  aegin.  65. 
Xdßf^aiy  Chics  171. 
AiT'cr^d;  46  (2  mal). 
Ad.*»^«  211. 
;i«wff  27,  38. 
Aarr^a  106. 
Aaiftf  158. 
Adxxo;  32. 
it<xJU<rrf^oc  95. 
XafATidg  109. 
yfd(^)7ra>i'  40. 
Xffi'^ffi'ai  162. 
XandCwt  Xandmtd  161. 
Aannalwt  40. 


2ar  grieohischen  und  lateinisohen  (jhrammatik. 


Ö05 


Xda»M  (Hesych.)  158. 
Xaaiaiy  105. 
Aar«!  110. 
XargaitüfÄey-  el.  48. 
Xaxorjy  lesb.  173. 
X^mra  105. 
Af/9i7ff  108. 
Xe'yio  42. 
Xeiayai  71. 
A£t/Süi  264. 
A^rxi'o»'  74. 
A€/>«|  99. 
Xeifdoiy  106. 
Xclnoi  42. 
Ae^^d;  264. 
Xetipot'^Qi^  140. 
Ac'xro  hom.  71,  167. 
XexTQoy  92. 
XeXaßea&tti  157. 
AfAaxoi^o  170. 
AeAfcxvra  165. 
XeXaafjtai  166. 
Af'Afy«  165. 
Af'A^^«  165. 
XeXoyxccai  hom.  146. 
Af'lfo  hom.  169. 
XeoTiaQ^og  105. 
A^ffjfiy  162. 
Aexxiyaiog  thess.  57. 
AevxoV  42,  259. 
yievtvxi^fjs  ion.  39. 
A^jlfoff  54. 
X^toy  105. 
XM(oy  65. 
AfwV  92. 

Ai7>ai  42,  63,  80. 
Xri&dyti}  162. 
Aijrf  dor.  158. 
AtjTußy  ATjttü   100. 
Aißvxos  99. 
Aiyyuff  101. 
ÄtdaCw  160. 
Xi&idü}  160. 
XixQicpig  hom.  128,201, 

212. 
XiXaiofÄM  159. 
At^iyV  106. 
XifATidyto  162,  163. 
AdTia  48,  80. 
Xiaaofxm  59. 
Xlaawuey  (Hesych.) 

157. 
Xo^w  258,  264. 
Xoiyog  264. 
Ao^oV  267,  297. 
Ai^VI  116. 
Xvxußag  139. 
Xvxaiya  102. 
Avxo;  55. 
.«it'xdirov^a  141. 
^tixcüv  105. 
XvfAaQ  106. 
At;ir«<rTcü  el.  53. 
Avttioi,  kret.  57. 
Ä^  dor.  158. 


fdd  *aber'  thess.  223, 
fÄit  (beteuernde  Parti- 

^  kel)  226. 
fia  el.  26. 
fdttdcitü  256. 
fAttlyofdai  157. 
fjtattvQ-  kret.  72. 
fxdxttiqa  68. 
fAUXKQg   117. 

fxaXttxtttta  160. 
fjaXaxiüjy  105. 
^aA£cJrf(»o;  112. 
lUnAAoi'  354. 
fÄiiXoy  dor.  256. 
/uai'  el.  25. 
^«y  dor.  hom.  226. 
fiayrevouai    160    (2- 

mal). 
^«KTtff  57,  100. 
fxuytoavyr}  93. 
fiaQfialQü)  159. 
fAaQfJLaQil^iO  159. 
fÄUQyafAM  43,  156. 
fXttQ-nxig  57. 
jLidaavay  58,  113. 
fjtdtBiaa  lesb.  71. 
f4€(TT]Q  dor.  17,  27. 
^^  132. 
^^ya  adv.  205. 
fAheydXov  65. 
fxiyag  105. 
fAE^toy  113. 
lUf^r  100 
fie&viü)  lesb.  29. 
fjtB^va&tjy  lesb.  175. 
fi€&vax(a  161. 
fAe&vat  159. 
^«(faoi  61,  76,  80. 
^etCw»'  68,  113. 
fjteiXica<a  160. 
/if/V«  böot.  20,  26. 
Mhel^iog  kork.  65. 
^eiov  gen.  112. 
fABiqdxtoy  99. 
^f />«!  98  (2  mal),  99, 

110. 
jueiV   ion.  meg.  etc. 

47,  111,  117. 
fAfXa&Qoy  96. 
//Acfw  62. 
fisXedaiyj   fÄeXedaiyfo 

109,  110. 
fdsXiaaa  59. 
^fAAöiy  109,  196. 
fiefidaai  ep.  166. 
fjiifjLttfjieyy  fiefÄdto}  165. 
fjieuatoT'  113. 
fieußXextti  hom.  167. 
f46urjXB  47. 
fÄffÄTjya  47. 
fiSfiyjjjLirjy  174. 
fÄEfjtoQ&M    lesb.    43, 

48. 
/u^,/  220, 222, 226,  227 

(2  mal),  234. 


Sandbucb  der  klasü.  AUertumswisBenschalt.  II.    8. 


^^y  *me'   kypr.   132, 

133. 
/M^yrot  227. 
fiiQifiya  102. 
jLieafjcig  109. 
fieaodfAfj  116. 
fÄEGog,  fxiaaog  58,  92. 
fAsanodi  thess.  226. 
fÄiaaarog  98. 
lUfirr'  ark.  226. 
lU^irr«  kret.  225,  226. 
fAiatpa  hom.  226. 
^€r«  216,  217,  219. 
jtihacacu  99,  235. 
jtiereQQog  lesb.  49. 
^^fTf?  kret.  53, 64, 226. 
^6t»ff  el.  117. 
^f/p^  i"<r?*ff  121, 226, 

233,  234. 
/ii?  27,  189,  228,  229. 
^jy*'  'mensis'  26,  111, 

117. 
^^K  (Partikel)  226. 
fAtjyyog  lesb.  47,   62, 

110. 
/"'7''o?  (gen.)  62. 
luiyyfft  kret.  64,  68,  72, 

127. 
/iiyj  herakl.  117. 
fxfiai  61,  64,  72,  127. 
fAijatioQ  107. 
MijatüiQ  107. 

fJitJTBQ   85. 

/"»yTiy^  17,  39,  86,  106, 

107. 
fATjriha  118. 
fjtrjTioeig  109. 
^ijrtj  141. 
ufizQondtoi^  104,  106, 

107. 
^t  kypr.  132. 
li/a  45,   61,  76,   101, 

114,  135. 
fAiaqog  95. 
^(>a  217. 
fAiydCofAtti  160. 
/weyrrj  109. 
fiiyda  217. 
fAiyyvfdi  51. 
fjLixxog  32. 
fiixQog  76,  80. 
fjtifiytuaxct)  äol.  162. 
fÄifiyijiJxw,   fdifÄy^cxü} 

162. 
fjtifiyü)  157. 
£4fV  131,  223. 
fÄiyv&(ü  155. 
fÄiQydßcDQ  (Hesych.)  60. 
fxlüyto  162. 
^/ir^oV  63. 
fjLiao^Byog  140. 
fAydofxav  55,  59. 
fÄyijacD  39. 
fÄoyoaroxog  69. 
Tiol  132. 
Aoil, 


ludÄw/Soj  303. 
^/oAvxof  99. 
3fdÄi'|  99. 
fAOQyyvfJLi  48. 

fAOQflVQÜ)    159. 

jtioQTog  49. 
(AovaiddBi  lak.  18,  25. 
f^o^ot  kypr.  235. 
|Ui;C«w  292. 
^i'Cw  366. 
^i»r«  259. 
fAvXto^Qog  96 
fAVQioatog  137. 
^i;?  77,  115,  116. 
fAva(p6yog  140. 
fAv^Xog  310. 
fÄVXoireQog  95. 
/uwcuV  116. 
fÄtoyv^  46,   114. 

Nafnaxriioy  lokr.  33. 

»/«t  27,  223. 

yat/fc  224. 

yao?  (gen.)  lesb.  31. 

ydnotyog  dor.  141. 

vavxAa^o;,  i^avx^a^o; 

72. 
^«voff  lesb.  31. 
i'«»?  27,  47,  115. 
yavridü)   160. 
yeaWaj  92,  197. 
veuylaxog  99. 
»'cal  98,  99. 
yeaQog  95. 
»'^«f  Herodot  38. 
i'frxAoi'  74. 
yeitfBi  56,  62. 
yixvia  101. 
y^xw?  103,  285. 
A>/i^^  (adv.)  210. 
yiofAM  182. 
K^off  223. 
yetfÄtt  264. 
vi^off  39. 
K«üi>'  38. 
yewaoixoi  141. 
j/17  223. 
y^i^fti  257. 
r^tj  116. 
ytjxe^dijg  41. 
yrjXiTfoxtdßXeniXaiog 

143. 
i^/i«  26. 

Kf/TItOf  32. 

nycxrcydof  140. 
»^iro<r  92,  287. 
»^^ira«  41,  102. 
»'lyvff  hom.  36,  115. 
ytjvg  47. 

WC«  56,  59,  67,  157. 
yixdü)  99. 
yt,xrj(p6Qog  139. 
Sixojuag  142. 
NixöfÄax^g  139. 
iV/xvAAoc  96. 


906 


n.  GriechiBohes  WOrterveneichnis 


Wv  78,  131,  223. 
vlnTOfiai  161. 
pinxQoy  54. 
yiaoiÄtti,  yiaffOfAtti  61, 

159. 
ritpa  56,  62,  80,116. 
yi(pei  56. 
yitpoßoXog  140. 
yoTjfAttf  yoTjfxtoy  106. 
yofxi^u}  109,  160. 
yofAog  285. 
yoaitüy  yoaooi  160. 
yoarifAog  94. 
yooTOff  96. 
yovfAt^yia  82. 

yovyexfjs  140. 
yovysxoyra)s  141. 
KOüff  34. 
yv  223. 

yvfÄ(pa  (voc.)  27. 
yv(jn)^  40. 
KiV,  i'vV  24,  223. 
i^'l  55,  108,  290. 
yvrr/  kret.  53,  57. 
yvx^f^BQoy  143. 
yoi  124,  131,  132. 
vcJe  Korinna  132. 
ytoi  hom.  132,  222. 
yaity  hom.  124,  133. 
yt^y  133. 
yvJyvfAyog  45,  104. 

Ifri'oj  ion.  31,  70. 
Ssy/fdQBOQ  el.  31,  70. 
Seyfioy  korinth.  18. 
^t'yyog  lesb.  31,  70. 
Seyyu)  142. 
^e'yog  31,  70. 
I^yo?  dor.  70. 

^KpTjCpOQOg    140. 

It'qpof  74. 
^vßßdXXea&av  40. 
|iV  220. 

o  lesb.  otc.  65. 

o  (o)  61,  65,  83,  129, 

202,  214,  228,  230, 

234. 
0  (Partikel)  223,  229, 

232. 
oßeXog,  oßoXog  55,  235. 
oydoog  136. 
oyduixoyra  137. 
0{y)xct{y)tog  kypr.  40. 
oyxog  54. 
otfri^  99,   109. 
0Ö6  129.  214,  221,  227. 
oVc/V,  otff/V«  129,  130. 
dtff  AoV  delpli.  gort.  55, 

235.  ^ 
odeQog  95. 
ocf/ii;  94. 
ocfovV  109. 
6dvQOf4(a  220. 
pcfwV  ion.  109,  116. 


oeiyijy  lesb.  155. 
oCog  'Ast;  63,  67. 
oCoff  (=  ocog)  kret.  19, 

58,  59. 
oCü>  46. 

of  (nom.  plur.)  83, 129. 
ol  (dat.  poss.)  209, 213. 
ol  33,  62,  65,  134. 
otyyvfÄi  155. 
oiöa,  oide  26,  50,  114, 

164. 
oiCvQog,  oiCvQog  95. 
oixcf  herod.  114. 
oixadB  114. 
oMfft  91,  121. 
oixlttv  ark.  120. 
otjfoft  82, 121,201,210. 
oJxog  30,  65. 
or/icr»  228. 
oiyecSy,  oiyoiy  105. 
oiViy  135,  259. 
oiyoffXv^  55,  56. 
oti'o«//  114. 
©roff  30,  229. 
oig,  oig  24,  99. 
oh^a  50,  145,  165. 
ola&ag  146. 
o'xa  dor.  223. 
ox£AAcu  220. 
oxQig  100. 
dxrcrx6(r£ot  136. 
oxränovg  136. 
oxrd  böot.  124,  136. 
oxtai  136. 

dxrw  herakl.  G6,  136. 
6xT(ox6aioi>  lesb.  136. 
dx/o^  52. 
d^e^^o?  96. 
oXel^vjy  113. 
dAfWcü,  oXtaacci    169, 

170. 
dAiw  170. 
dA^>'o<Jrdi^  98,  137. 
öXlog  tarent.  51. 
oXXvfAC  50. 
oXoXvCf^  267. 
?;Aof  32,  70. 
6X6tt]g  108. 
dAw  170. 

dWAüi  syrak.  18,  167. 
ofiaXog  96. 
6fiix£(o  48. 
ofiixXt]  48. 
d,a^»  46,  54,  59. 
ofiyv&(>  172. 
ofjiyvovQug  eretr.  59. 
ofio^v^  116. 
o^uoxXfj  116. 

OfAOncetlÜQ,  6f407l€iTQIrOg 

92,  139,  144. 
ofiogyyv/Ai  42,  48,  155. 
d|ud?  45. 
d^otj  127,  214. 
ofiovfAM  hoin.  28, 170. 
d^9Pf<Ad>  267,  295. 


218. 
20. 
20, 


64. 


yiwff  221,  225. 
oy  lesb.  etc.  48,  : 
'OyaaayoQav  kypr, 
6yyQ(etpeiy   thess. 

35,  175. 
oy'f  thess.  20. 
dWa  lesb.  48. 
oi'o/ia  41,  97, 105,205. 
oyof^ai  153. 
oyofÄaxXirrog  139. 
oyofÄaajl  122. 
oyoff  278. 
dw|  (d»'!»/-)  51,  56, 

297. 
oisia  neutr.  126. 
o^vQBnijg  31. 
6n^  dor.  232. 
oTifr  kret.  121,  232. 
d-niy  kret.  91,  123. 
onrjXlxog  232. 
onia&ey  214. 
oniaig  kypr.  54. 
oTfiT&oriXay  böot. 
d;id^ev  232. 
oTrdao;  232. 
d;rd7a()o$-  el.  48. 
6n6r€Qog  231. 
onoxtog  kret.  19,  58, 

64. 
d;rdrro(  böot.  20,  58, 

64. 
onov  228,  231. 
onnä  lesb.  123. 
onnaxtt  lesb.  59. 
onniog  hom.  78. 
dTirw  el.  136. 
oTTt;*  kret.  35  (2  mal). 
071  ti)  kret.  120. 
oTKu  lokr.  120. 
onvjg  134,  231,  232. 
d^/«w  44. 
oQeyyvfit  155. 
df^>'a>  282. 
oQsareQog  95. 
d^/o?  kork.  18. 
6Q.96g  32,  44,  80,  93. 
oQiCtoy  196. 
oQyi&ioy  92. 
oQyvfii,  44,  155,  258. 
0^0?  (masc.)  herakl.  30. 
d(>o?  30,  66. 
öqtit]^  43. 
d^^o^  63,  82. 

OQtV^  98. 

oQvytj  51. 

d(>d<j(yw  42,  48,  157. 

OQcpayog  295. 

c()a>(>6rrr£  hom.  167. 

oQüigi/axai  166. 

Öf    (demonstr.)    129, 

228,  231. 
ög  (suus)  134,  213. 
0?  (qui)  28,  65,   130, 

228,  229,  230. 
oofjifj  94. 


wfog  58,  229. 
oaae  58,  99. 
oaaog  58. 
wrrt^  230,  231. 
oxa  lesb.  223. 
ore  223. 
o  x€  adv.  282. 
drct^  kret.  54,  130. 

0  r»  adv.  223,  232. 
oxvfjii,  kret.   129,  131. 
oTt^  223,  228,  231. 
oxQvyta  220. 

öxxi  hom.  78, 134,  232. 
oxxag  kret.  58.  59. 
ov  34,  189,  220,  221, 
226,  236. 

01  {ol  i)  213.      . 
ov  adv.  229. 
ovaxa  31. 
or(fa>^  böot.  25. 
oS^ag  43,  97,  106. 
ov&eig  52. 

ovxt  131. 

ovxovy  220. 

ot]Ai7  böot.  25. 

odAd^evo;  50. 

ovXog  'ganz'  hom.  32, 

oiTAo;  'kraus*  43,  50. 
ovuB  böot.  132. 
ovfiig  böot.  25,  132. 
ovy  220,  226. 
ovysxa  81. 
ot;^«  63,  82. 
ov^ay l(oy  lOSAOiylOb. 
ovaa  102. 
orra  hom.   153. 
ovxig  141. 

orro,  ovxoy  böot.  130. 
ouro?    130,    214,    220, 

224,  227,  234. 
ovxoci{y)  222. 
ot/rco,  ot'Tcü^'  120,  234. 
ot;>t  224. 

o(paxa  (Hesych.)  56. 
6(f€XXia  220. 
6(peXoy  225. 
OifXmxdyü)  163. 
dqpWf  99. 
dfjp^a  226. 
dy^ü?  24,  45,  50,  53, 

103,  115. 
6x£(o  26,  161. 
oxog  264,  294. 

TT«,  n^  dor.  210. 
71^    (enkl.    Partikel) 

kypr.  225. 
nalöita  lak.  59. 
nai&iaxog  99,   162. 
TiafTTnAilai   159. 
naig  33,  36,  38,  87. 
nalaa  lesb.  33. 
7i€a<pdaa(o  159. 
71  aW  181. 


snr  grieohiBohen  nnd  lateinisohen  Orammatik. 


907 


naXait€Qog  95. 
naXalto  158,  159. 
ndXto  71,  167. 
TidfÄa  dor.  32. 
7ittf4(faiyü),  7ittfi(payd(a 

159. 
Tiäv  119. 
naydttfÄaTCDQ  28. 
nftydrjjLiel  121. 
-navrjfA.uQ  141. 
üayotl^ut  32. 
ndyaa   kret.   18,    58, 

64,  72. 

TTff*^-   41. 

ndyxeg  (acc.)  mess.  203. 

TTwi'rß  201. 

Trdj't;  224. 

iidQ  =  TTf^t  el.  4S. 

Tiagd  219,  284. 

7ra(>a^fftVwpt>/eretr.  59. 

naga&aXdcffiog     138, 

141. 
Tramal  121,  219. 
71  ageiay  böot.  152. 
nagiadü)  lesb.  63. 
TTw^of  181,  219,  225. 
ndg  32,  87,  108,  225. 
ndca  58,  71,  72. 
ndaT}itti  kret.  171. 
ndaaaXog  58. 
ndffaaty  113. 
nda/ü)  162. 
naraQa  lokr.  48. 
TTttTiy^  27,  45,  50,  53, 

90,  106,  107. 
TidxQiog  92. 
naxqotpoyog  139,  140. 
ndiQcjg  93,  101. 
Tiar^oj  27. 
naffiia  kypr.  29. 
7Ta(püiy  (Hesych.)  157. 
na^vXog  96. 
Tra/üV  287,  295. 
TTfd«  äol.  dor.  etc.  114, 

123,  217. 
TTfCoff  59,  67,  92,  114. 
7161  dor.  55,  121,  130, 

210. 
7tei&ü)  34. 
TiBiyrjy  159. 
neigay^og  70. 
7ieiQaiytü  105. 
7i€TQaQ  97. 
Tretet-  78. 
neigi&oog  70. 
TTf/^CU  284. 

TtBiaBi  kypr.  35. 
71  eicfAtt  69. 
7i6XT(ü,  Ttexreio  161. 
JIeīCy*xdf  60. 
7ie;i«f  226. 
7tiXexxoy  32,  100. 
TieÄ/oV  257. 
7rf;t;io?  308. 
JleXonoyyrjaog  62. 


7t6jLl7ldg  54. 

7i^|M7iroff  39,  54,  136. 
TiBfdTftißoXoy  54. 
7re(i')(f6xa((ff  ira  pamph. 

21,  40,  60. 
Tiiv&og  45. 

TlfKTaXOCTiOf    136. 

Tteyrdg  54. 
TTfVtf  39,  54,  136. 
TrfKnyxoiT«  126,  137. 
Ti^KTo?   kret.  57,   72, 

136. 
TieyttiißoXoy  54. 
TieTta&tua  113,  165. 
TteTtttTtti  kret.  171. 
7it7iia&i  165. 
TjenXBx«  165,  166. 
TtBTiXrjQüixfoy  lesb.  114, 

167,  176. 
7tB7ioijxü)y  lesb.  19. 
TiBTXoi&ofABy  hom.  165. 

TreTTTOff   54. 
7l67tt(0    161. 

TifTTTCüxa,  TfBTirrjüjg,  tib- 

Titüig  165. 
TfBTiv&oiaro  157. 
TiBTimy  289. 
Til^  (Partikel)  223. 
Ti^pdtl  99. 
Tiig^ai  hom.  71. 
7ie(>t,  TT^^t  78,  83,  214, 

216,  219. 
Tre^txcrAAi;;  223. 
Ti^^el  99. 

TiBQiTiXöfÄByog  156. 
TiBQiaaog  99. 
7iBqyT}iÄi  156. 
7iiQgaxa  lesb.  97. 
TiiQQoxog  lesb.  68. 
Tie^ff^oÄtff  140. 
TjBQtitfioxB  pamph.  219. 
Ti^Qvai  139. 

TlBaoVfAM   169. 

Txiaafo,  Tiixxoi  55,  58, 

157. 
TiiavQBg  lesb.  55,  136. 
IlBXttyBixyiog  (koisch) 

217. 
TiixaXog  95. 
TtBxdyyvfAi  155. 
TiBXQterog  böot.  55. 
TiixxuQBg  böot.  32,  55, 

136. 
TtBv&ofAai  25. 
TfBvaofAai  73. 
TiBcpdy^ai,   7ii(pay&e 

71,  148,  174. 
nifpaafjiM  166. 
7ii(fBvytt  165. 
7iB(pf]a6xai  hom.  47. 
7tt(pya)  157. 
7tBq)vyfiäyog  hom.  165. 
JTf^wcJr-  hom.  113. 
7117,  ;ffl  123,130,210,211. 
Tjtjyyvfii  51,  155. 


TtijXlxog  99. 
TT^yoff  41,  80. 
TirjTioxu  lak.  91,  123. 
nrjQL&oog  dor.  70. 
TiTJ^vg  100. 
niaiyta  104. 
TfiaXog,  Ttt-aXBog  93,  96. 
Trm^  94,  106. 
7ie«(>oV  41,  94,  95,  96. 
;r*eCw  63,  219. 
TtcBQog  95. 
m'fl  171. 
UixgdxTjg  219. 
TilXyafAai  50,  156,  236. 
jrdj'dff  50,  308. 
TitfÄBXij  96. 
TiijLinXayü}  163. 
nlfjmXtjfjn  1.54,  163. 

7tlf47lQr]Ul    154. 

J7mxi7ff  219. 
Tiiyvxog  27. 
;ft0|ua*  171,  182. 
mof  n.  111. 

7tl7lXT]j[lt    154. 

TtiTtgr^iui   154. 
71171X0}   157. 

TTiffoff  299. 
Titartj  73. 
7tlavQBg  hom.  136. 
7flxyrjuif   7tixyü),   ntr- 

»'«01 156, 162, 236, 

311. 

71(011'  105. 
TrAdCo)  67. 

iTAaraear«;  (adv.)  210. 
JlA«rat«<ya27,201,210. 
7iA«Ti;V  43,  100,  303. 
TiXiydtjy  51. 
TiA^fff  hom.  112. 
TiÄeu'  compar.  113. 
TiAftirrof  47,  112. 

7lXBVf4tOy  283. 

ttAi^V  226,  233. 
7tXiJQt]g  75,  111. 
7tXijaiog  226. 
ttA^to  75. 

TiA/airt  kret.  103,  113. 
TiA/fff  kret.  112. 
71  Am  kret  112. 
TiXovtsiog  57. 
7rAot;ro;  96. 
TiXvyxrJQ  303. 
TiAüiV  107. 
nyBVfjuay  283. 
ny'iytü  47. 

710-  (TTo^ey)  54,  130. 
7ro(to7ioV129, 138, 141. 
Tio&rjyBfxog  46. 
7io6r>'  38. 
7rd^6  kypr.  236. 
Tidd«!'  133. 
Trd^oj  73. 
TTor  121,  210. 
7toixiXog  291. 
TioifAaiyta  104. 


TTo^/iiyV  104,  106. 
7ioif4yT],  7iolfjiyioy  104. 
Tro^riJ  26,  54. 
Tioroff  130. 
Tioicpvaan}  159. 
;7dx«  dor.  223. 
Tidxxt  thess.  130,  223, 

224,  231. 
TidAfp  eL  48. 
7ioXidoxog  102. 
TtoXiijxfjg  102. 
UoXiovUyog  böot.  20, 

25. 
7rc'Ar?,'  TrdAif  102,  103. 
rroAAorx»  131. 
;roAA(Mrrd;  98,  137. 
TidAoj  54. 
7toXvßovxTjg  97. 
UoXvdBvxfjg  72. 
7roAt'(fi7i/ea    (Hesych.) 

111,  139. 
7roAi;^tCo;,  7roAv^^tCoc 

31. 
7ioAi;^^i7y  31. 
7roAt;7Aa^  45. 
noXv(fqdüfjL(ay  106. 
71  oyrjQog  95. 
nooidayog  lak.  57,  66. 
7ioqydfABy  (Hesych.) 

156. 

7t6QQ(0,    7j6Q<JtÜ    219. 

7ro^rt  kret.  219. 
7ro(>9)t;^(o  159. 

Tidj   (=    TTOVC)    114. 

7idff  (Präpos.)  ark.  kypr. 

78,  219. 
üoffBidday  57. 
Tiöcr^  272. 
Jlomdijiog  57. 
Hoaoiddyog  ark.  57. 
7rdiroff  130. 
Tidra  lesb.  223. 
TtoxafAog  lesb.  87. 
7ioxdofAai  45. 
Tiorl  181. 
7rdrff  223. 

JIoxBitfdy  korinth.  34. 
noxBiddtay  böot.  57. 
TioxBQoy  {noxBQo)  25, 

234. 
7t6xBQog  *uter*  95,  231. 
TTore^o;  *iitervis'  84, 85. 
7fori7V  108. 
TTori  219. 
Tioxyia  102. 
Uoxotddtxog  böot.  57. 

TIOTOV  46. 

TToi;  133,  210,  231. 
TioüAv-  hom.  70,  100. 
JIovXvddfAÜ  voc.  118. 
TTorV  114. 

7iQdddB&&ai  kret.  158. 
7iQa^60}  dor.  29,  170. 
71^«!'  dor.  98,  135. 
Tiqdcov  311. 


d08 

Tiqaaaoyraaai  herakl. 
18,  127. 

UQUCGüi   99. 
ngatog  dor.  98,  135. 
TTQsyyevral  kret.  64. 
nQsCßBvtrjg  60. 
ngetaßvg  112,  225. 
Ttgeiayvg  112. 
ngely  kret.  113,  225. 
ngicßa  56. 
TtQscßvg  56. 
nQBayevtai  kret.  64. 
71  QBoyvg  56. 
TiQij^oiaiy  Chios  171. 
itQtjacü)  ion.  17,  18. 
Ti^tV  113,  225,  233. 
Trpo  207,  214,  219. 
TtQoßXrjg  107. 
nQ6&&tt  kret.  64. 
Uqofxrj^Bvg  41. 
nqofAog  94. 
ngo^ey/fog    kork.    18, 

31,  50,  70. 
7r(>oV  58,  78,  216,  219. 
TtQoaeaneQog  141. 
ngoaUfier  (Hesych.) 

151. 
nQoaatOf  ngoau)  58, 219. 
7r(>dran;  135. 
Ti^oTe^o^  95. 
TT^on  219. 
TT^iJraj'tf  135. 
nQ(ot]y  98,  135. 
IlQiarealXttog  141. 
TTQiJTOg  98,   135. 
TT  r  «()e/V,7i  r«(>(oV43, 1 56. 
■ntitQvvfjiai  71,  301. 
Tire^*/«  47,  71,  102. 

TITf^O»/    95. 
7ll€QV^    110. 

Tizea^ac  150. 
nrtjyog  94. 
miaaü),  nrlzTio  Ol. 
TiTosü)  2H4. 
TiToXifi  kypr.  230. 
7rri'(iw  301. 
TiTi/'w  59,  72. 
nvavog  32. 
nvyfjidxog  140. 
JIv^ci'  ion.  39. 
nvi>/A9Jy  311. 
TTvAfvpof  39. 
nvXotyeytjg  121,  140. 
TivXioy  230. 
nvy^a^  53. 
Tivy&dyofAac  103. 
llvQfog  korinth.  18. 
71  VQLtjxrjg,  TtVQiTiyoog 
141. 

7lVTlC(J)    74. 

TTtJ  (imper.)äol.epir.l72 

TTWAO?  308. 
TiwAi;-  dor.  70,   100. 
710) fxn  40. 
TiüinoTe  91,  123. 


n.  Grieohisohes  WörterrerBeiolinis 


Trwj  dor.  114. 
7itordof4ai  45. 

^«  43,  221. 

^«1  304. 

^«TiTw  256,  304,  366, 

382. 
^if-^Qoy  96. 
^^€t,  ^5cü  25,  42,  63. 
^^Cw  75,  157. 
^er&Qoy  96. 
l^fjyfjuy-  105. 
^ijyyvfu  155. 
^ijaxofÄtti  162. 
^'r(>«  31,  42,  92. 
^ly'rcü^  27,  107. 
^ryoff  111,  259. 
^LTiTaaxoy  162. 
^o(fo(fttXTt;Ao;  144, 212. 
Qhofiaiai  kork.  30,  42, 

65. 
^017  26. 
^ooff  80. 
^oTirog  56. 
^v'Cw  366. 
^vo/iae  42,  48,  80. 
^vofÄog  94. 
^vToV  179. 
^üiyyvfÄt  155. 
^cJl  116. 
^ü}7tijetg  109. 

«X«  megar.  58,  80, 131. 
aaiQü)  366. 
aaxBOfpoQog  140. 
<j«Ao?  33,  61,  02. 
<j«AT7(Ca>  07,  09,  100. 
aftknixTTJg  07. 
<r«w  58. 

aßiyyvfAi  63,  155. 
<re  32,  132. 
aeaviov  133. 
at'ßofAfu  55,  58,  64. 
ffa^fi/  133. 
«retw  32. 

fffArtV*'«  lesb.  62. 
a€Xaa(p6Qog  140. 
ffcA/yi'i?  02,  70,  93. 
aefÄvog  59,  170. 
aeviü  31,  58,  80. 
asMvtov  lierod.  133. 
arjfjidyTiOQ  107. 
<ri«Aof  33. 
aiyt]  33. 
aiytjXog  90. 
alyofÄai  (<rtV>'o/i«tlo8b.) 

158. 
<Jto-  lak.  18,  52. 
fft?  kypr.  55,  57. 
<jx«AAw  29,  43,  157. 
axdXoxl)  302. 
axdyöctXoy  00. 
axaTiTcj  161. 
ax6Ö(<yyvfii  76,  236. 
(Txe^^oV  73,  96. 


axinjofAai  75,  161. 
irxciiy  264. 
axiaqog  95. 
axidyrjuiyaxldyafÄM  80, 

156,  236. 
axiCQog  95. 
<rxtoetv  neotr.  119. 
axi(pog  lesb.  74. 
axv7tq)og  52. 
irxw^j  302. 
irxcJi//  45. 

a/LiegdaXeog  61,  76. 
(r|U*x(>off  76,  80. 

GfAVX^  76. 

<yo^6(ü  58,  161. 
ffoi  (dat.)  132. 
adff  134. 

ffoiVdVxoj  böot.  25. 
<Trr«t>(ü  29,  43,  60. 
aTiaqydto  302. 
CTtaqyog  302. 
<J7täQToy  284. 
iTTiactf  61,  80. 
<T7f6vd(a  302. 
OTfXfjy  304. 

OTfo/fMcy  kret.  33,  34. 
anov&tj  34. 
a7iov6fi  (adv.)  211. 
ardd^fAfj,  arab'fxog  94. 
ajäjLiyog  94. 
craytü  163. 
ataalagxog  140. 

<rr£«e  31,  97,  105, 106. 
areyayog  93. 
ffTf;/i'd?  93,  176. 
<TT6>0f  70,   80. 
«jTffyoV  ion.  70. 
arf'A^w  157. 
ctifjtßü)  53. 
arfj/dre^jo?  70. 
axiyu)  302. 
<jr6()coV  29. 
areglaxü}  102. 
aieq^aycjiTü}    delph. 

159. 
arijttQ  (atsTao)  106. 
atfjofiey  hora.  37,  171. 
ItrjaayoQTjg  140. 
SrtjalxoQog  140. 
(xrtCw  157. 

arogyvfAi  43,  47,  155. 
aTQcißioy,  IfQaßiay  103. 
azQccyyeviü  287. 
ar^«>^  287. 
ajQartjyog  40. 
(xr^rrrdf  45. 
ar^ord?  böot.  43,  48. 
<xr()dro?  lesb.  43,  48. 
aTQüjyyvfii   155. 
aT()a>rdf  43,  45,  371. 
arvyiog  170. 
irri;;'»/df  59,  93,  176. 
crriJAo?  95. 
<rrr^  110. 
atvQßdCü)  302. 


axvüi  46. 
ai;  131,  132,  213. 
avayxog   139. 
ut'Cwyo^  67,  69. 
urCvl  116. 
avXrjotrjsg    pbok.    19, 

159. 
üvXkiya»  Ih. 
uvfifAty«  217. 
«Ji;V  210,  216,  220. 
avyax^ijoovm   dor. 

170,  171,  178. 
avy^BTog  28. 
avyiay  el.  25,  146. 
cvy€adMu  kret.  158. 
avydijyat  el.  93. 
«rvrae^eiro^  thess.  108. 
avyxL&tjat  (2.  sg.)  epi- 

daur.  145. 
avoxrd^'o;  139  (2  mal). 
avQiy^  58. 
«yvff  33,  62. 
(TvaxevaCcu  69. 
avffoqßog  139. 
afpdyioy  92. 
a^aAAoi  51,  297. 
a(pdTTtü  158. 
«rycrff  134. 
<r^6e;  (dat.)  ark.  134, 

236. 
aifsydoyt]  302. 
«r^edff  134. 
cfpitBQog  134. 
<y(^'l  302. 
<y<3P(,  aqrtV  129,  134, 

213. 
<ryou  134. 
ff^pd/yof  302. 
ffqpi'Cw  157. 
ff^xJ  96,  132. 
«rqpwf  hom.   132. 
aqxoi  hom.  152. 
aqxüiy,  atpt^y  133. 
ax^Qog  95. 
<y/6V  172. 
<T/£V(?  28,   100. 
<x/froV  28,  97. 
axi^ixi  230,  297. 
cXoit]y  174. 
(r^C<o  36. 
JcuiÄoff  96. 

r«  *hier'   kypr.  283. 
T«/V  236. 
T«xf(>dff  27,  46. 
TttXTJyai  27. 
r«Aa^  45. 
rrcAat'^ifyof  31. 
xafAuy,  rafjuay  41, 156. 
rdfiyta  dor.  hom.  I60. 
rdfioy  thess.  222. 
rdfiog  dor.  222. 
rayaog  93. 
rai-yt  ark.  20.  130. 


zur  griechischen  und  lateiniachen  Grammatik. 


909 


jctyvyXfoaaog  41,  140. 
xavvainteQog  140. 
Tayvafftti  156. 
Tuyvrcti  24,  39,  41, 

155. 
rayvü)  155. 
ruQitaatii  58. 

TitQßoq  284. 

TttQTtjfioQioy  (Hesych.) 

43,  72. 
T«roV  41. 
ravrä  dor.  123. 
Tavrt],  tttVTfi  210, 211. 
TttrroV  129. 
zavQog  68. 
T«/«  220. 
T«/(WJ'   113. 

ff  25,  54,  221,  223, 
227, 229,  233,  234. 

ti  *te'  dor.  32,  132. 

TByytü  256. 

Ttyoc  76,  80. 

te(hixayii  dor.  146. 

Tf^^dff  Find.  73. 

li^vufAsv  166. 

rf^j'wi'Kt  175. 

re&yetüca  114. 

rc^i'ewr-  38. 

xcihyrj^ü)  171. 

Tf^yiyw«  hom.  37. 

xe^yrjttir-  hom.  113. 

xi^Qinnoy  60. 

ret  dor.  132. 

TfiV  hom.  133. 

rcToi/  kret.  130. 

Teiactfieyog  86. 

x$7xog  294. 

T€/w  ark.  29. 

r6xr«(j'«  41, 101,  104. 

rexralyvj  29,  33,  41, 
160. 

xixjijoy  60,  104. 

leXafAüjy  28,  106. 

TeA6f^f  109. 

reXelo)  hom.  29,  160. 

reXrjeig  109. 

Tf'AAw  289. 

TiXaoy  60. 

TfAcJ  160. 

T€f4eysg  ark.  111. 

xifAyto  163. 

Tfy^üi  (dor.  reyio))  170. 

r6o  hom.  54,  91,  130, 
133. 

fforo  hom.  133. 

x$6g  hom.  dor.  134. 

xeog  dor.  133. 

rtor  Archil.  130. 

xeovg  dor.  133. 

XBQa/LKoy  28. 

X^QfiCt,    XtQfHOV    106. 

TsQontüv  49. 

X£Q7ta)   53. 

x^Qaouttt  311. 
x^Qxog  lesb.  136. 


X£Q\pif4ßQ0t0l    140. 

x€<r<raQeg  32,  54,  136. 
Tfirire^orxoi^a  ark.  32. 
xiccegeg  ion.  32,  136. 
xixaxxoi  ark.  20. 
xexctQnexo  157. 
xexagxog  43,  98. 
reT£ilf  t)7axot'<rer$' delph. 

114. 
xixXttfjLBv,  xixXa&^  165. 
r^ro^eff  dor.  32,  136. 
rer^ftx*»'  dor.  131. 
xiXQttai,  hom.  32,  71. 
xexQ€(xog  43,  98. 
xixQ(x(fa  90.  165. 
xixQ€tx[Jioy  74. 
r  £r  ^(JxoiTCK  hera 

137. 
r6rTffpfV32,  136. 
xevjLidofiai  58. 
T6i;r«Cw  58. 
«/vi;  256. 
r^cüff  109,   223,   230, 

234. 
rij  (Partikel)  123,  223. 
Xfjyayoy  51. 
riy'xw  46. 

TrjXiuaxog  el.  140. 
TrjXoxQixog  141. 
r^iuoff  hom.  109,  222, 

223. 
Ti}»'«   kret.    19,    59, 

67. 
T^i'off  dor.  131. 
rijoj  hom.  109,  223. 
rijff  Sophron  223. 
Tt  77. 

Tt  (Partikel)  223. 
xiaeaat  37,  146. 
xi&eTfÄey  86. 
T£^f«V  175. 
xidsTci  86. 
rt^fo)  153. 
xi&ijfjteyai,  xi&^fisyog 

hom.  154. 
W;?j7^t  50,  73,  154. 
xidrjyji  mess.  18,  37, 

171. 
xlxxw  74,  157. 
xifidfcca  pamph.  109. 
Ti^(i(y)dQa  40. 
rt^iy  94. 
xifjttjeig  109. 
xi/bKOQog  139. 
rtV  dor.  132,  133. 
rtViy  tarent.  133. 
xiyoiay  el.  147. 
xi,yvfABytti  155,  163. 
rtVw  70,  163. 
xioiai>  lesb.  130. 
Tc^  el.  20,  61. 
xig  54,  83,  131,  213, 

228,  231. 
xiüig  54,  100. 
xixaiyct)  159. 


xnvaxofAai  71,  162. 
rtcü  157. 
xiM  lesb.  130. 
TXttalttfo  kork.  120. 
TXrjynoXBfxog  287. 
TAjyrd?  303. 
xyaxüiy  kret.  53. 
rd  129. 
ro>«  230. 

Toi  (Partikel)  132,  225. 
rot  'tibi'  dor.  132. 
xot  el.  222. 
xoiog  234. 
ror^  el.  61,  69. 
xorad€a(ay  hom.  129. 
rdx«  dor.  223. 
xoXfAtt  102. 
ToVe  thess.  1  '0. 

XOQyBVXoXvQaüTitdoTlT]' 

yoi  143. 
xoGog,  xoaaog  58. 
roTf  234. 
xovy  böot.  132. 
roi;»^  lak.  132. 
xovxti  böot.  20,  25. 
xocpQtt  226,  230. 
T^aytAayof  144. 
xQdnBl^tt  43,   55,   72, 

81. 
xgdnio  dor.  156. 
XQtt(pog  herakl.  74. 
XQdx(o  dor.  156. 
r^e  (Hesych.)  30,  32, 

132. 
xQ€ig  29,  99,  136. 

XQBTTtO    55. 

XQTjyaXeoy    (Hesych.) 

30. 
x^Q(oy  63,  70,  103. 
XQidxoyxa  126. 
xQiaxoaxog  98,  137. 
XQijJQrjg  111,  212. 
r^jui'ff  kret.  125,  236. 
r^ixrrV  101. 
xQi^og  ion.  58,  99. 
XQinovg  139  (2  mal). 
TgmxoXofÄog  56.  • 
r^r^  herakl.  etc.  124, 

125,  136,  201. 
XQiAsaog  99. 
xQixaxog  98. 
T^trrt'f  101. 
r^^rv;  101. 
xQ^xdixeg  hom.  114. 
xQoaaeff&at  kypr.  235. 
XQvycSy  105 
T^vcjpaAcea  55,  72. 
TTiJy«  kret.  19,  59, 67. 
xroXiagx^  thess.  57. 
rt  dor.  131,  132. 
rvtde  lesb.  35. 
xvytj  hom.  132,  222. 
xvnxto  161. 
xv(p<o  47. 
r^  adv.  234. 


xiSde  120. 

xtoy&Btoy  Alkaios  129. 
xtoyl  arkad.  20,  130. 
xiog  224. 

V-    (Präpos.)   kypr. 

pamph.  219. 
vtixt^y^og  98. 
'YßQeaxug  thess.  48. 
r^^/f  220. 
vyyefAog  kypr.  235. 
i5ye«  27. 
v^Qog  94. 
vcfcup  25,  94,  106. 
i'eaig  30. 
iV«*ff  kypr.  219. 
v&Xog  96. 

v^iJc  kret.  29,  100. 
vlvg  lak.  29,  100. 
vXrj  266. 
t'ÄAoj   60. 
vfAcig,  vfiag  132. 
v^€  dor.  132. 
vfiiag  132. 
v;/i6rff  28,  132,  213. 
vfislbty  hom.  133. 
vfi^g  dor.  132. 
vfiixBQog  134,  135. 
r^5>'  29,  62,  66. 
t'/i/V,  r^w'  133. 
vfifABg,  vfAfAB  lesb.  132. 
vjLific(y)  lesb.  133. 
vfAfiog  lesb.  134 
i5/ioV  dor.  134. 
«Vwf  99. 
voaxvafdog  141. 
vTT«  el.  lesb.  220. 
vnadvyioig  el.  67. 
vTiaani&vog  141. 
t-TT^x  218. 
i'7i£(>  hom.  68,  78,  95, 

214,  220. 
vnBXTiQo^iB^y  hom.  218. 
v7tBX(fvyBBt,y  hom.  218. 

t;7I^^,     V7IBQ    2b,    95, 

220. 
xm^qa  95. 
vnigfxoQoy  141. 
vnBQoy,  vnBQog  95. 
vTiBQKfiaXog  32,  45. 
vnriqixi^g  46,  47. 
t;7ivof  39, 44,  93,  330. 
rnd,  VTTo  24,  25,  116. 

210,  211,  220. 
vQiyy«  kypr.  235. 
lg  33,  61,  115. 
va&og  lesb.  63. 
vafiiy-,  vafÄiyrj  105. 
wffTiAiyl  219,  220. 
vcxBQOfABiyyia  thess.  20. 
üVrfpoff  25,  220. 
vcxQixBg  219, 
vaxQog  95. 
rt»<r  100. 
vq>ttying  69. 


910 


IIL  LatemischeB  WOrierrerseiolmis 


v^Q6g>ijg  46. 
vipixeQwg  112. 
v^lregos  95. 

tpäyaiya  101. 
gxtiSojy  109. 
(paeiyo^  93. 
(fttiyta  6^,  152. 
^a^a  dor.  27. 
^«jUi  dor.  27. 
(päyeaxs  162. 
^ffvi^crerv  dor.  170. 
fpa^ay^  110. 
q>ttQt]y  el.  48. 
(fttQxrofiai  161. 
ffttqvy^  309. 
9a<rxtti  161,  162. 
^rrnc  57. 

(parog  'getötet'  56. 
ffttx^ia  72. 
^arAo;  72. 
^ec^  tiiess.  26. 
(peoyeiy  ion.  34. 
960?  dodon.  53. 
(fi^e  89,  225. 
(pBQiü&to   (3.   plur.) 
kork.  173. 

fpSQSTQOy,    (p^QTQOy  92. 

(piqoyxoy  lesb.  173. 
fpiQXttxog  98. 
^«^roV  96. 
9^^011  42. 
fpcvysaxe  162. 
(pev^ovfiM  170. 
9>i7  224. 
tptjywog  93. 
tptfXtjT^g  302. 
9)7/ut  85,  152. 
fpdtciQoi  dor.  157. 
9^aKtti  70.  71,  163. 
^^e/po)  29, 49,  56,  70, 

157. 
€p&£QM  ark.  167. 
fp&sQQia  lesb.  29,  49, 

157. 
9)^e<»  ark.  29,  49,  70, 

157. 
ipd^ietai  hom.  172. 


^^t^^'^oi  155,  163. 
<p9iy(ü  56,  163. 
q>&tcifißQotog  140. 
9^01;  26. 
#(a^€tV  51. 
(piSdxyti  302. 
fplxari  pamph.  65. 
(piXolrjy  174. 
g>iXofdf4et&ijg  61,  62. 
9>(V  lak.  134. 
(plyxaTog  dor.  42. 
^erv  72. 
9PrTt;ff  101. 
(pXa^y  306. 
(pXavQos  72. 
9>Jt/V/  55. 
g>Xvxtig  55. 
qpo)9^iü  161. 
qpoiVer  Alkman  53. 
90V0;  56. 
tpoQXog  96. 
9e«<y^'  103,  126. 
(pQaofÄOffvyTj  106. 
(fQuaffü)  295,  366. 
(pgaxtiq  106. 
(pQaxtJQ  dor.  107. 
(pQdxfoQ  106,  107. 
9>^^;  153. 
ipQijttxa  hom.  105. 
qp^V  45,  104. 
q>qoyitol  kyr.  59,  66. 
g>Qovdog  60. 
tpQvyia  266. 
9>üCa  102. 
yvfi;  kypr.  29,  173. 
9t;?öi  lesb.  29, 35, 157. 
9PVÄ17  95. 
91/AAoy  295. 
^vAoy  95. 
tpvüa  51. 

97i><JK  45. 

qfv(a  157. 

qpiJfti  (=  ih'fti)  dodon.  53. 

fpiayri  46. 

9>af^  45,  116. 

Xai-giy^yfjg  140. 
XaaaV^eot  el.  72. 


XttXdnxia  59,  161. 

XäXii  297. 

/«Ä*?  294. 

/ff^ac  115. 

X«QiW  160. 

/a^ti'  214,  217. 

Xtt^ixBQ  (acc.)  el.  203. 

Xdaxta  161. 

/fCw  157. 

/f  (A«o*  ion.  63, 70, 137. 

/euitiy  103. 

/et^  111. 

XBXidwy  256. 

/^;U^ot  lesb.  63,  137. 

X^ge^es,  x^9^^^^  bom. 

112. 
X^Qj'^ß'  54,  116. 
XevfÄa  105. 
/6<ü  182. 

/iJAeo*  lak.  63, 70, 137. 
Xfjy  71,  116,  117. 
X^y  lesb.  87. 
Xnffl  72,  127. 
/^aiiffiloc  115. 
X»iiiy  63,  78,  115. 
/ttto«  64,  137. 
XiXiocxos  98. 
/wüV  78,  115. 
xXaTya  49. 
/oAo;  294. 
X^ifitay  105. 
/^  116. 
XQß^dof  meg.  59. 
Xgijd^tn  kret.  64. 
XQijtaxofiai  162. 
XQtjfJinxoig  el.  98. 
X^<f^a  153. 
XQV^y  hom.  158. 
/^((ü  294. 

/(jo/UÄcfoff  109, 110,311 
XQovt^  ^adv.)  211. 
XQtHfoxofÄijs  144,  212. 
XQvcovg  86. 
/^<ü  158. 

/Vj"«>  /v'/Mff  106. 

i/;a/fti  158. 
ijl/orAr^»«  102. 


V'«?  301. 

«it'^  svrak.  74,  134. 
tffCvodyyeXog  140. 
ipBvirjgy  ifßcvdo^  110. 
ip€wriaxv^  116. 
i/;i7Jlfr^ai  301. 
%lH&v^6g  72. 
i/;(;ioa>  301. 
tf}Ovdia  kret.  84. 
Vw'AAa  301. 


cJ  (Interjektioii)  202. 

lu  'sim*  151. 

(J  (abl.)  kret  120. 

J  (abl.)  lokr.  26,  120. 

(Jeff  120,  129,  224. 

ojd^c  105. 

lalyyvyxo  hom.  155. 

ÄccavoV  94,   189,  220. 

taxetXa  167. 

iaxvg  100. 

oiit^Ki;  308. 

(JUov  rHe^ch.)  50. 

tmoß^g  107. 

(u^oc  46. 

my  ion.  etc.  226. 

(ooy  258. 

WQOQB   157. 

iJ^t^  220. 
wQvyr^y  51. 

tOQVOfÄM  220. 

Ol?  (satzrerbindend) 
220,  224,  228, 
229,  232. 

(J;  (Wonschpartikel) 
232. 

(6s  'ungefthr*  224. 

(6s  (Präposition)  216. 

£g  {ftSs)  224. 

WS  *so*  129,  224,  234. 

taiffios  94. 

(StpeXs  225. 

(a(p€Xeto  220. 

ui^eJto»'  193. 

10  V^  46,  114,  265. 


ni.  Lateinisches  Wörterverzeichnis 

zur  griechischen  und  lateinischen  Grammatik,  von  Fr,  Stolz, 


a  293,  448. 

ah  27.  218,  293,  315, 

448. 
abdrcet  320. 
ahdere  362. 
ahdömen  383. 
abei  362. 


a2>»?.9  281. 
abiet'  325. 
a!>M^e  262. 
abietis  268,  271. 
abimuSf  abU  275. 
liMn  309. 
abiürant  270. 


dblacuari  289. 

ablaqueare  289. 

<i6Z«o  262. 

abnu^re,  abnuere  367. 

abolere  258. 

(i&jt  293,  314.  337,  448. 

cibacondo  875. 


od^ffi«  863. 
oi^^^M^  451,  583. 
oft^fem»«  380. 
abst^rgo  285. 
a&^u/it  806. 
ru;  289.  815. 
aecesti*  878. 


2nr  griechischen  und  lateinischen  Grammatik. 


911 


accipiter 219,  S2S,S12. 
accnssdsse  298. 
äcer  265. 
acerhus  288,  321. 
acerpus  307. 
acetare  268. 
acetai  291. 
Ächaia  252. 
Achivi  273. 
«rieÄ  102,  256,  264. 
acinns  278. 
Acmemeno  (prän.)  278, 

319. 
ac  si  528. 
actuaris  330. 
dr^Mm  281,  305. 
Äcuino  288. 
^cwm<'  278. 
acuo  264. 
acupedius  100, 265, 330. 
acupenser  289. 
«CM«  265,  310,  329. 
arf  292,  315,  440. 
adagium  270,  294, 330. 
Adelphoe  334. 
a</^;>Ä  283. 
adessini  375. 
adgrediri  366. 
adgretus  305. 
adhuc  554. 
adiese  271. 
aditus  101. 
adiumenium  308. 
adiuero  322. 
adiüro  322. 
admtntum  309. 
a<;»itti7  262. 
ad»ür»7  262,  371. 
adolescens  267. 
adolesco  264. 
arfor  328. 
adpetissis  375. 
a(^«  (^=  a^^u€>  316. 
adiemiare  312. 
adulescens  99, 267,  270. 
adtdteTf  -are  318. 
aduncus  264,  356. 
advenat  366. 
adver sus  447. 
advosem  312. 
Aecetiai  288. 
cwcMj<  289. 
a^rf^«  27,  295,  326. 
aedUuos  354. 
fli'rfjVM«  262. 
a<'rfi/,v  295. 
aegrötus  159,  367. 
Aegupto  251. 
AemiUiis  271. 
Aenoharhus  355. 
aefii*.f  271. 
aequiparo  321. 
aequipero  269,  321, 
aequor  328. 
aer^  256,  343. 


a<»i'u«  336. 
««»if,  aw  326. 
Ae8cl<ipio  277. 
Aescolapins  277. 
Aesculapius  277. 
aescuhut  306. 
Aesiona  383. 
ff^«/flw  259,  305. 
flk?«/imo  268,  306. 
aestumo  268. 
of-^/M«  265,  305. 
ff^OÄ  262,  321. 
a(^m  262. 
aeviias  261. 
aeviternus  261. 
(i^-om  27,  38, 112,259, 

261. 
aevum  262. 
fl/-  293,  448. 
a/fer«  378. 
a^a^o  299. 
agceps  312. 
rt^e  256. 
a^^ca  267. 
agedum  268. 
flf^^WMÄ  285,  308,  322. 
a^er285,314,322,330. 
a^f^r^;,  «^?,  fl^j<?r  380. 
oi7^<^  254,  305. 
aggulus  312. 
agidum  268. 
öi/tV«  265,  329. 
a^tÄ  294. 
rt^mf»  309,  321. 
or^r»«  297,  310. 
agnosco  310. 
a^fiWÄ  55,  290. 
a^ö  27,  256,  265,  290, 

357,  364. 
agolum  268. 
agricola  330,  354,  355. 
Agrigentum  290,  320, 

324. 
a^^ro«  314. 
Agusius  272. 
aheneus  297,  301,  309. 
ai,  aw  379. 
a*c?^«  259. 
aiiehas  253. 
öio  272,  294,  296,  309. 
aiquom  259. 
aiquos  289. 
ainrf  271,  342. 
a*>  271. 
Ä/a  281,  310. 
a/acfr  270. 
flto/>a  269,  270. 
rtZit'o  161. 
aZfcerf  367. 
^/6^«wi  286. 
albicapiUus  356. 
albogalerus  354. 
-4/6i*»  (Aequiculer)  322. 
albücus  264. 
a7<;e{/o  66. 


Alcumenaa  338. 
rt/<?6rw  329. 
Älemöna  381. 
a/i'r«?  264. 
^/«•m  283. 
Alexander,  -drus  330. 
aZia«  554. 
a/fciiW  290. 
alicunde  290. 
alienus  330. 
rt/tt  349. 
alimönium  381. 
a/k>  340. 
a/io-  347. 
alioqui  (alioquin)  316, 

872 
a/»/;^«  283,  355. 
aliqua  348. 
aliquanti  549. 
aliquis  547,  551. 
aliquod{=  aliquot)  316. 
o/w  92,  276,  330,  334. 
(i/»7uum  339. 
«Zjwä  27,  92,  261,  283, 

549. 
o/eii«  —  aZtu^  234. 
AlUentrom  (prän.)  267, 

320. 
AUxentr[osJ      (prän.) 

292. 
^//tV«w  286. 
fl/iiWÄ  308,  313. 
a/o  364. 
a/«i  313. 
aZ/i-r  353,  549. 
a//^ro-  347. 
alierplex  285,  322. 
altUonus  356. 
flr//Wm  312,  344. 
alirinsectis  312. 
a/Mf  371. 
a/wm  300,  309. 
alumnus  278,  381. 
alveolus  268. 
animus  330. 
auguratus  267. 
awö  276,  379. 
amäbam,  amäho  376. 
amamini  381. 
amämus  276. 
aman<  276,  359. 
amare  276. 
amässem  375. 
amassim,  amanso  374. 
am<K/  322. 
amÄfc  379. 
amdr»  371. 
amavimus  371. 
ambäbu^  344. 
ambäges  265. 
amhas  334. 
ambissU  374. 
ambUiis  218,  295. 
amfto  295,  323. 
amböbus  133,  344. 


ambrices  295. 
ameiseruftf  273. 
ainenty  ames  378. 
-<Sm«n  321. 
ämentum  309. 
atnfractuA  295. 
amicire  366. 
ammentum  309. 
aninegare  310. 
amnuere  310. 
amö  276. 
ampendices  313. 
amphonim  340. 
amploctor  266. 
ampotis  288. 
amsedentes  313. 
amsegetes  313. 
amtermini  313. 
amurca  267,  290. 
a«  189, 221,455, 456  f., 

465  f.,  476. 
rtMor«  278,  288,  329. 
anatis  269. 
ancaesa  313. 
a»r<:?)j?  321,  322. 
anchöra  320. 
ancipes  321. 
ancluhris  277. 
anclare  291. 
flwr/o  277. 
ancora  267. 
anculo  277. 
omcw/m«  277,  872. 
am?wj?  54,  264,  313. 
anglus  322. 
anflfö256,285,294,365. 
anguis  294. 
angulus  313. 
angugtus  326. 
a«Äc/Är^  218, 270,320. 
Anienicola  355. 
animadvertere  354. 
animare  367. 
animus  28,  259. 
anites,  anitis  269. 
(miiofta  309,  385. 
an»i*«  310,  872. 
anqutna  274. 
aiiser  300,  328. 
an^rt^  288. 

a«/e  217, 218, 269, 442. 
an/^a  442. 
antemnae  385. 
antennae  310. 
antequam  506. 
antestaminö  360. 
anftcus  264. 
antioper  314. 
Antipho  324. 
antistet'  325. 
an/w^o  281. 
antruare  313. 
a»ff^  332. 
anxius  326. 
ap-  292, 


912 


HL  Lateinisohes  Wörterverzeicknifl 


apage  292. 
4pelUnem  327. 
aperio  292. 
apica  270. 
apiscor  366. 
aplustrum  283. 
Apolenei  272,  327. 
^jpoZ/o,  -f«w  327. 
Apolloni  327. 
Apohnes  327,  336. 
öipor  292. 
appellamino  361. 
aj^rüMU«  310. 
ajpA  292. 
apscede  305. 
apsterserunt  305. 
ai>tti2  292,  441. 
opur  383. 
opw/  316. 

a^ua«  (dreisilbig)  263. 
aquagium  855. 
aguifoUtis  289. 
aquihx  355. 
a^ip«<^itfm  289. 
aquipenser  289. 
ar  292,  383. 
arare  256,  282,  367. 
aratrum  330. 
arW<«-  292,  328. 
arbüro-  264. 
orfeor  326. 
arfto«  299. 
arbosem  297. 
arbutum  269. 
arcessere  292. 
crct«  289. 
^rdea«  323. 
ard«-i?  298. 
ardor  321. 
arduius  354. 
ardum  322. 
arrffio«  32,  44, 93, 261, 

295,  284. 
arc^iM  298. 
ar(2ttti«  330. 
are,  ar(i  376. 
ar«-  380. 
areho  376. 
arere  307. 

argentum  287, 290,330. 
Qrger  292, 
Ariadine  278. 
artto  257,  281,  871. 
arieU  262. 
or*<?^w  268,  271. 
armus  285. 
Arpinäs  318. 
Arpocrates  301. 
arqukenes  286,  289. 
ar«  285,  314. 
arW  312,  313. 
^rfamo  271. 
or^are,  ar/»V«  367. 
Artavassdis.  "sdis  251. 
ttru9pices  301. 


arrom  261. 
armim  300. 
a«  313,  872. 
a«a  307. 
a^eea  268. 
ascia  268. 
ascendiderat  371. 
Asculum  272. 
AsiageneSf  -us  354. 
a^ftw^  278. 
aspdrgo  320. 
(ispeUere  306. 
asporto  306. 
o^^er  871. 
asaiduus  306. 
a^jwV  328,  871. 
a««o/rf  270. 
o^^uto  307. 
assümenta  97. 
a««u«  307. 
o«/  463. 
a«/a  301. 
astasent  374. 
o^fe«;  358. 
o^^w/a  307. 
oj^^M^i^  306. 
a^  315,  463. 
af  (^=  ad)  317. 
a^atn»  269. 

^teito  308. 
Athamans  287. 

^Mo  324. 

Athonis  324. 

^/?an«  287. 

o/^M«  315,  460. 

atqui  464. 

a/^m'ft  316,  464. 

attendo  305. 

o^tw^o  270,  305. 

attollo  305. 

a^uZa^  357. 

aU'  293. 

atic^Zto  272. 

auceps  321,  354. 

aucfd«;-  325. 

audacter  322. 

awi^re  272,  321. 

audeire  273. 

aiKil  276,  379. 

audiam  376. 

audiemus  378. 

att(2tV^  378. 

aw^ffre  259,  307,  380. 

audirem  375. 

atwifrl  380. 

atM?^^  818. 

audUe  379. 

audiunt  859. 

aiirfm  371. 

auferere  363. 

oii/>ro  270. 

^u/^io»  340. 

^u/i(2f4«  296. 

aufugio  272. 

oti^^o  259. 


ai4^er  267. 
augmen  309. 
auto  310. 
aulla  272. 
aura«  338. 
aurea,  aurei  263. 
atireae  272. 
aureas  871. 
aureao?  276,  871. 
aureficina  355. 
aur^K«  261. 
aurichaJcum  272,  276. 
awr^a  272,  871. 
aiir«259,264,325,873. 
attrö^-a  110,  259,  326. 
aurufex  355. 
ausculari  272,  871. 
aM«<ni7to  259,  307, 325. 
Ausculum  272. 
ausculum  871. 
auspex  321. 
auspicis  344. 
aw^^imwe  298. 
aii^jfu«  298. 
a«Ä/tfr  259,  306. 
aiwrta  272,  871. 
a«<  27, 221,  315,  464  f. 
au^m  27,221,259,464. 
aut ernst  317. 
autumare  321. 
af7ßAi^  269. 
averta  258. 
averuncassere  374, 380. 
ap>6«<«  344. 
awKa  55,  290. 
avanculus  267. 
ararc  294. 
a:rf2to  310. 
axw  27,  60. 
axites  375. 
ooro  374. 

öaü<;a  254. 
baculum  293. 
haetere  264. 
holairones  278. 
fra^Z^ii^  283,  293. 
balineae  319. 
balin^um  273. 
balneum  279,  319. 
-fram,  -fro  261. 
&ar&a  295. 
barbarus  269,  283. 
bardus  285. 
^o^iMm  299. 
J?e7ma  301. 
bellipotens  356. 
2)eUo  340. 
6e27tim  302. 
j^e/oto»  286. 
6a7Ma  309. 
Z»ewe  343. 
benficium  319. 
benignus  281. 
I  6enf>o{t(9  320. 


\  Benrentod  319. 
^9  302,  349. 
2^^»a  309. 
^rf*/#i«  271. 
W-  136. 
biber  380. 
&»^mu«  260. 
bibö  103,  293,  365. 
bhorpar  326. 
2»{</efi«  349. 
^tcfuttin  349. 
bigae  261. 
bime^ris  313. 
Wmi«  275,  302,  327. 
Mut  351,  874. 
bipUx  302. 
Wrrws  293. 
bis  351. 
&tö/ia  309. 
6toe9U«  290. 
blandüocus  356. 
BMieola  293. 
&dfru«  331. 
fcoere  290. 
Bonifacius  291. 
BonifaHus  291. 
6oifOjr  882. 
6offu«  302. 
6ös  260,  290,  331.. 
boum  331. 
ftopifruw  331. 
fröre«  (Akk.dPlur.)  125. 
bovid  342. 
6of^  321. 
bovis  (Nom.)  331. 
froiTom  331,  339. 
ftrei?w293, 295.329,384. 
bretOer  354. 
brisa  300. 
Brttt»  267. 
brüma  322,  353,  874. 
Ärwa»»  267. 
brmus  264,  874. 
frufro^u«  300. 
bubiU  300. 
^lifrofia  300. 
bubulcus  300. 
frOnna  293. 
5u/i4#  295. 
-bundus  811. 
Burredius  311. 
&ur/*ii«  293. 
Äwrrt«  252,  393. 
buxun%  298. 


ca^nimefi  309. 

cadärer  381, 

edJa  265. 

caduceus  292. 

ea<2ariM  ;?ß4. 

ca«rii5  259. 

eaeflfo  259,  265,  279, 

297,  302,  364. 
Catician[m]  271. 
CaeicUim  271. 


Cor  grieohisohen  und  lateuuschen  Qrammatik. 


913 


Caeidia  271. 
caementum  309. 
caef'uleuM  283. 
caemries  259,  299. 
caeslus  299. 
(•aesnaa  302. 
Caesaria  267. 
Caesaru  336. 
caesum  305. 
calamitas  283. 
ralamiiosus  315. 
r«/a;v  285,  367. 
raiceus  268. 
ai/JM^  311,  322. 
calecandam  277. 
calendae  367. 
calfacere  322. 
caligo  873. 
rcr/ü:  290. 
rnZ/e^-e'  367. 
ca//i>  311. 
crt/or  325. 
Calrenet[i\is]  278. 
Cahjpsonis  324. 
roür  251, 297, 322, 384. 
camnra  267. 
Camhriamis  308. 
C'«f/i^»a  281,  298,  309. 
camera  267. 
CampAns  318,  323. 
Campatis  (Neutr.)  333. 
Cancer  283. 
r«»r.s  333. 
canicula  873. 
crtww  258,  290. 
canistrum  320. 
cnnnahis  269,  270. 
Canopua  293. 
ran/e  322,  364. 
canum  (gen.plur.)  328. 
rdwt*Ä  298,  309. 
capedö  110. 
ca;>^rt'  289,  366,  368. 
capessOy  capissam  375. 
capiUus  310. 
capimus  366. 
capiOf  -iunt  367. 
f  «/>/>,  ra;>/<  261,  366, 

382. 
capitale  265. 
CapUodium  283. 
Capitülium  265. 
ctt^Avo  374. 
capfirus  330. 
cajmlutn  265. 
c«^w^  302. 
carbasiis  293. 
carcares  267. 
cwr^^/b  (fal.)  375,  875. 
Carmen  298. 
ccrrnw  264,  327. 
caro  264,  327. 
carpebam  376. 
car/>ö  54. 
Carthagini  342. 


crtri*Ä  329. 
ror,yrt  298. 
casciis  309. 
Casenterfa]  (prän.)  292. 
caseus  290. 
CasmenafeJ  298,  309. 
casMs  298. 
CoHtoriis  336. 
rtfÄ^w^  1^59,  297,  305. 
^(Iämw  307. 
catapulta  268. 
ffl/<>//i^  285. 
catlaster  277. 
ca^M/M.»»  277,  286. 
at/w«  153,  259,  265. 
crtMrfa  272. 
caulae  321. 
caw/w  329. 
caimdlcus  258. 
caussa  298. 
cauium  321. 
cautus  272. 
Cavaturine^  344. 
catvrt  268. 
car<'o  258,  264. 
cam-^  289,  302. 
caverna  298. 
Crtrm  (fal.)  262. 
catHtianem  321. 
caüitum  321. 
cacw«  258,  289. 
c«?-  130. 
-(ce)cHlit  369. 
ctdere  265. 
cfd»/o  272. 

c«>rfol30,167,172,362. 
cerfo  364. 

ctfrfr^  272,322,364, 373. 
Cctwa  (prän.)  272. 
c«riV  259. 
ci'^fcer  269. 
c^/^5ri>  309. 
c^/er  283. 
celerissimus  354. 
-c£'//«r«?  264. 
re/ö  264. 
-cf»  328. 
ci'Ha  302. 
-r«'Mrfi  370. 
censento  379. 
censeö  69. 

censere,  censlri  367. 
censoor  (fal.)  252. 
censum  306. 
censiis  287. 
centem-f  centi-,  centu-f 

centum-  351. 
centeni  351. 
centensumus  351. 
centesimO'  351. 
c<?/i/wm  50,  286,  287, 

289,  312,  350. 
ce/>»  265. 
ccröWMÄ  269. 
Orea/w  299. 


Handbuch  der  klaas.  AltertamswiBseuflchAlt.  II,    2. 


cerebrum  309,  326. 
C<>re/7v*  336. 
CVr«-i*,?  336. 
Cer^'Ä  *?84,  326,  332. 
cfr/KJr^«  282,  289. 
c<?rno  285,  365. 
cernuiis  313. 
cerriUis  311. 
certiorare  270. 
cerrix  284. 
cermiH  264. 
cesoris  333. 
cessum  307. 
C<?^/a  272. 
ceteroqui  (ceteroquin) 

316. 
ceterum  464. 
Cethegus  252. 
rf«c  305,  321,  362. 
cew  273,  315. 
Chalchadona  271. 
Cherronensi  383. 
<-/i<W8  275. 
cicindela  270. 
cicuris  268. 
cilium  257. 
ci7/o  365. 
cineris  267. 
ciniflo  355. 
cim«  326. 
cinisculum  267. 
CiM/*  (^=  (>iitn^i)  289. 
cJrca  342,  446. 
circUer  446. 
circum  446. 
m  337,  445. 
ci>  (^=  r/rw>)  262. 
c?i7er,  -ior  353. 
c/fÄflrra  269. 
ci^ö  343. 
ctVra  445. 
r»7rw^  292. 
citumo-  353. 
cimbus  326. 
clriciis  99. 

fir»/«f*Mm  108,325,339. 
civitaUim  108,  325. 
f/örf^«  285,  311. 
c/rtw  264,  453. 
clarimum  353. 
rWrwx  285. 
claudere  272. 
r/aMf/o  279,  321,  365, 

384. 
[cljaussum  298. 
claustrum  309. 
clariger  321. 
cWWä  256,  329. 
<?Zf?w<fw»  283,  325,  381. 
clepere  292. 
clcpimuSt  clipitf  clepait 

369. 
c/(;pö  42. 
c?te/i»  266. 
-cZfwÄre  158,  865. 

Aufl. 


cUngere  384. 
Cloetemeatra  274. 
clostra  272. 
clouacas  275. 
cUicidattis  290. 
c/w<'a/  259. 
cluens  266. 
f/M^o  r<*/Mo;  283. 
cluere  264. 
r/Mer«»  367. 
c/wnw  283. 
f/i<o  259,  260. 
clupeus  266. 
clustrum  283. 
Clustumina  282. 

CO-,  cow-  286. 
coacervo  276. 
coäctus  276. 
coagito  276. 
coaglari  322. 
coalesco  276. 
roc-^i«  179,  289. 
cö^/ff  272. 
coc^i  276. 
coeliins  344. 
Co^Z/i*«  274. 
coepere^coepiam^  coepiat 

368. 
co<:/>i265,274, 276,368. 
coerare  274. 
coerceo  301. 
coetiift  274. 
cogendei  337,  382. 
co^jVo  276. 
cognatus  286. 
cognecto  303. 
cognomen  303. 
cögnömenta  97. 
cogo  276. 
coherceo  301. 
coÄ/ftfo  276,  286. 
cohors  264. 
cot'c/o  261. 
coirare  274. 
Co/r(ir>;  338. 
roiwjf  286. 
colesco  276. 
colina  267. 
coUega  265. 
coUiciae  289. 
foW/flfo  270. 
Collum  311. 
coluber  269. 
coWw  308,  329. 
ro/o  54,  257,  289. 
ro/j^a  267. 

columen  28,  259,  358. 
columna  28,  278,  328. 
colurniis  283. 
com-  267,  302,  ."^08. 
combretum  295. 
comburere  276. 
comductam  312. 
comere  276. 


m.  latainiaoli««  VOrtervonaiehnii 


eomeHtun  305. 
eomftuont  312. 
commem  314. 

eommimU  «74. 
eommifeium  257. 
nymmodf,  -o  343. 
eomniiigfnlo  367. 
.-orxoiHrw  ^&d,  274. 
eomparo  321, 
eomptdh  269. 
ram^Hrc  366. 
comiiencfre  366. 
(■OMjw»  329,  »71. 
eomprometi^st  273. 
cmnplioHali'  276. 
comralem  313. 
roBinna  (fal.)  512. 

ronf  Iiin  320. 
canciliabolum  277. 
ro«ro,«  3M. 
(HMcrfrfuo  3S2. 
conetionr  öVi. 
e<nictOK  261. 
<vnrH6lMn  32r>. 
eoHfujoM'o  366. 
tfmdfimto  270. 
cOKdrmpHirfiU  308. 
fONi^rJT  362. 
eoudüriblliK  9fi. 
/■üHi/omno  '270. 
ra»<^?fa  286. 
confKlat  275. 
onnfe^tim  30.5, 
fOH/irifl  320. 
fO«/frfo  258. 
ro»/;V*  U20. 
ro«fioro«t  262,  264. 
roHfivgnf  2W). 
coHfli'Df  290. 
(■ö»/!iw  2SH). 
«-./■«ffi  2.'>9. 
etmgtHuvln  277. 
tonger  285. 
congiart  275. 
roBffi'u»  297. 
rougruo  2.jl».  260,  364 
conifflnnf  367. 
n)».»,-  824. 
ronlaHgerr  216. 
rmt/i'Hj:  116,  314. 
rox/Kr  116. 
ronifto  29.'), 
(vw.VffY  290. 
rOHf'j-i  290. 

foti/irffvel    Ümunda 


™n^<-,.Hrf«  269,  :S20. 

MNWH/W  363. 
COni^Hi   179. 


Mfre  266. 
. „.utero  270. 
i-ofuirfurfa  304. 
conxilium  271. 
CoujiIto,  6i(i;  257. 
coH^ttrnare  301.  362. 

in*«!  ÜU,  328. 
,Jn«M/o  270; 
tontages  26a. 
rontamimu-t  309. 
rOHfctNfin  385. 
/■nntempxi  312. 
Ciiaterchromia  355. 

n«;iVis(vi*n  366. 
.i.«/;o«r2fi2. 
roHlra  444. 
■oiili-lre  2«6. 
rwHfjwwma  283. 
ruNfuic^'Niuw  269,270. 
conrertuU  371. 


rojria  275. 
(•«j)in/n  322. 
roptamuH  'ilü. 
eoputa  276. 
ciMfuo  289,  293. 
cor  314,  332. 
(wni«  275,  450. 
Comnorm^  339. 
«r<ie.rof«(>  274. 
coreodiUus  283. 
rorcodilii."  2X5, 
eorndiim  US. 
r(*,rf-43.284,291,325. 
rordoHitm  35.5. 
(^itiatki),  Carinto  252. 
(.•./r.'uffl  302. 
C'orHf;;«  276,  830. 
rornifroHs  356. 
fo)-«iwn»  874. 
corKiJ-  96.  327. 
rtii-»i(  264,  2H4.  323, 
329. 


coi-HHx  284. 
corpiiUnlnx  'J 
rorjiw  284. 
roM  275,  30< 
eorlex  2B4. 
Coiiona  285. 


«  302. 
*  258. 


CO?AKO  250. 
craftro  285,  309. 
cracrHrc»  2^1. 
crrifüo  "291. 
üntiwiptg  268. 
CrasKHpf»  268. 
(rrd/fK  285. 
crrbeueo  283. 
crebrewo  283. 
crird*Tc  362. 
credit  UM  264. 
mrfo  295,  298. 
trniun™  362,  377. 
ereduin,  rrtduU  362. 
(■(■ifrnf  295. 
Ci-rfsifn    (pT&n.)    273, 

292. 
CTvjmrf  282,  364. 
crepiculnm  291. 
rrciAJo  320. 
errpitulum  291. 
criyMi  371. 
cr(yH,'<rH/i»»  303,  872. 


eriri  285,  371. 
rrlmrK  285. 
Crhida  (prfto.)  273. 
eriiumre  298. 
erötio  258. 
cfocodiUu»  283. 
crocodriUim  283. 
rr»o,'  112.  264. 
c-»-  303. 
ri.«™  288. 
rM«Hrf(.  (fal.)  288. 
ruU  290. 
-TMfc.-  348. 
cMriB.«  278. 


fuiuiii  349. 
cuiH«  348. 
(-)((' Msri'worfi  288. 
cMfiNn   267.  281,  310. 
fufffus  308. 
eulmen  264. 
r»/rnM»  264. 
rM/;.n  267. 


■ruhu 


284. 


-cuHni**!  263,  312. 
cunta  313. 
CunpufJ  289. 
eu^   (fal.)  317. 
eupitf  366. 
rMjjfri"  371. 
euppa  279. 

Ü.-.l,  319. 

cur  2Sa.  475. 
mrrulio  290. 

284,  311. 


curfH«  284. 
turrug  284. 
ciiatOd-  325. 
<-u8f(M  305,  332. 
cufM  302. 
Cydoniug  292. 
fgpariMi  319. 

da  378. 

rfn^rumo  256. 268, 292. 

rfnc,  </o  263. 

Dal  mal  ia  267. 

(I(int(^(ini  312. 

damdum  312. 

damnajt  314,  323. 

ifntnHHi»  310. 

dümtu  27,  265,  362. 

rfanrfiM  311. 

dattunt  365. 

rfop.  325. 

Daphine  278. 

./«)■<■  291.  362,  380. 

dnrei  380. 

üarfiM  273. 

darl   116.  3S0,  8Tä. 

/)«ri(M  273. 

(Ms  362. 

daxi  297. 

datr  379. 

ijdfiü   105. 

i/il/is  362. 

dalod  379. 

rf«(Ör  264,  331. 

dalör-  328. 

diilönm  264. 

diitöriH  107. 

rfii^j-jj-  102.    107,  264. 

.f<./iM27,  28.  259,265. 

330,  381. 
rfiir/r  371. 
Dinmiu 


;.  449. 


116. 


dearliia  'Uli. 
dfWo  276. 
rf^fc.7  328. 
debilitart  315. 


r  grieoblBohen  nnd  Utsmiioheii  Grammatik. 


291. 
decemmodiua  355. 
dtfeyno  322. 
decft  268. 

drrimHH  (decmH,')  351. 
Drcmbrt*  322. 
detmuH  322. 
deeolor  %>A. 


derbiojius  261. 
,    rfcnV  275. 


d/mri*  268. 
diereint  278,  285. 
rfft-ujt  299,  SlO,  325. 
(/n/o  370,  372. 
ilrdf,  dfdi  372. 
rfedw  2B7. 
dedrri  373. 
dfihrllin  377. 
(Wf/  (fal.)  372. 
rfrtrt  26.5,  372. 
drdicait  322. 
dn/imuM  370. 
rffrfiV  3.58. 
rf^rf«  372. 
rfrfr«/  322,  372. 
drf engt  rix  313. 
difrtigare  270. 
dtfrütum  2K0. 
dffHntwt  313. 
rfi^f»*-/-  326.  332. 
rf*^  276,  320. 
deijnnerf  264. 
rfriT'iNo  309,  365. 
rfcAJiic  554. 
rf«-  334. 

dehrre  23Ö,  25Ö,  261 
rf^»/<i  261. 
diikro  280. 
rffiB«  273. 
deinde  344. 
rffi«  344. 
rfrtVoN  262, 

273,  344. 
deirem  375. 
drlenlo  270. 
detibatre  264. 
dW/n/a  257.  270. 
drIUUcerf  366. 
IMmatri»  344. 
Delmiitia  267. 
./™  377. 
demrdinm  320. 
denniium  339. 
rfewi  310,  351. 
rffdMO  262,  275. 
rfri»!  264,  291,  325. 
deumre  367. 
(/fHoiM  2»7,  329. 
(/fn/io  315. 


272, 


./mfi 


t  263. 


dfjMngn  321. 

dejmluK  306. 
deranat  275. 


■  Hfi.'i. 


.(^-f  275. 
delrlmentiim  285. 
rfciw  11,  262.  291. 
ri'-iM  263. 

rf.rn«26a,273,344,874. 
</c-j(rr  2Ö7 
dtJTlimo-  353. 
(bx/rn  322. 
dexirnritui»  262. 
dfjimrorsum  262. 
rf<  334. 
(«■n/w  279. 
DioHf  272,  340. 
dir  315.  378. 
rf-V--  31. ^ 
direbo  376. 
riircrr  258.  289. 
dirertm  375. 
rffci  3«0. 
-dtro  258. 
rfifo  frf?fc-J  3M. 
dirom  358. 
dirtfitored  342. 

271. 
rfirfici  368. 
rffrfiViV  369. 
AWi/  271. 
dir  (fJen.)  338. 
</ic  (Lok.)  342. 
rf.V,  </iVm,  rfiü»  260. 
diet  252. 
difqitinte,  -i  341. 
diererlf  262. 
rflM  279. 

rfiVN(Noni.d.Sing.)332. 
rfiV"  (Uon.)  338. 
rf<i'H(Nom.d.Plur.)338. 
rfi(>K(Al[k.d.Pliir.)814, 

336. 
I>iMpif<r302.881,854. 
Diegptr  322. 
diftidtHM  263. 
diffiälU  307. 
rf;/7rfj(/  315. 
diffirultrr  822. 
rftyi/M«  74,  350. 
(/(^HU«  310. 
diiuHga  308. 
rfiVoriH  349. 

::   ä20. 


rfirr«  264,  302. 
dix  32.5. 
iW«  331. 
diwipuli 

■Wo  -iiy^  .106. 


F.  ao9. 

»  :1Ü9 
diitux  302. 
>fjnat  262,  272. 
dingua  292. 
/Morfi  341. 
f^/ori  331. 
rf.V/feö  308. 
diritno  298. 
</Iri«)  872. 


277. 


•lii'liw^ro   ä07. 

./,>.•(■;-.  ;ii;iN. 

^li'h'm/rn-  216. 
(/;-..r-,/<.  3(IH,  309. 
dinpennilr  312. 
dixpexcere  366. 
dUrumpetur  308. 
</iwr».;«  308. 
iffD«(^  268. 
dinmihfHdri  382. 
ifüfrnoiri'  312. 
(/MJHM  298. 
dUturbäl  318. 
rf.iv/-  325. 


(fOtNHHR    278. 

</offlo/<  (Gen.)  338. 
(/ömu.{Perf.)262,371. 
ffowHi'«  337. 
domM  258,  264. 
doncuiu  315. 
rfoncf  315.  348.  514. 
rfon<c«m263.315,515. 
doniqae  315,  51.5. 
i/ÖnuM   26,  258,   265, 

330. 
dormio  284. 
doftum  312. 
rfö<  265,  320. 

-.  312. 

doucil  34,  263.  275. 
drachmtti, 


dntc 


diliii 


262. 


Dile  335 
ditinnimui'  353. 
.»«  224. 

liiuru  f=  deomin)  262, 
(/fucnuM  298. 
rit««  337. 
diu«  279. 
Diiiturnii  302. 
i/JärnrnHK  280. 
rftrrf^o  3U7. 
rfircryo  307. 
dirldo  364. 
dIvo  253. 
dirom  262. 
rfin«  262,  273,  291. 
rffj-c  374.  380. 
rfirm  374. 
dixfriim  374. 
dixerim  374. 
(ftr«ro  190,  374. 
rfUrtrlmM«  174. 
dirl  263,  370. 
rfürim  374. 
dixln  318. 

diringe,  dixitatm  374. 
rfirirti  372. 
(fb-i;  186. 
rftrti  372.  373. 
dixo  374. 
doctam  376. 
rfoe*«!«  276. 
i/oeenr  276,  359. 
doceö  3.5,  263,  367. 
dodran»  322. 
dogmam  324. 
rfo/arc  367. 
(fofco  284. 
rfo?fK«(  359. 
doiirf  367. 
domatu»  371. 
rfomi  121.  341. 
dominiia  278. 
rfomi/ör  28,  259. 
domUu*  268. 


X  324. 


rfrnrumn  278. 

.JudbiM  344. 

duof  334. 

(/mAim  261,  349,  376. 

duc  315,  378. 

<Wf-  259,  324. 

dure  315. 

rföcm  263. 

durtni  351. 

iluctHleni  351. 

rftirf»»  350,  873. 

(fllCMIIHHI    351. 

dne«  259,  364. 
(in,-//»/« 


ÜhWob 


t  338. 


Atenos  2 
duictnmis  302    349. 
rfuirfcM  302,  349. 
duim  167.  362,  377. 
rfui*  302.  351. 
didcioreloquiis  356. 
cfion  224,  348,  509. 
dummetum  309. 
dummodo  510. 
DuMHOrix  310. 
rftun  lame»  510. 
(/»tniid  309. 
rfHnc  315,  514. 
rfuo  260,  261.291,323, 

duShifi'm.  344. 
ifiWfrim  141, 143,269. 
261, 302, 339. 
dupitx  302,  325,  849. 
dupUx  332. 
duplas  325,  352. 
duriaea  366. 
diinoio  3 


349. 


«  449. 

ni  260. 
mm  376. 
f6/-irtn»  268.  271. 
mi»tor  346. 
348,  416. 
re  342. 


916 


HL  Lateinisches  WOrtervenBelolmis 


ecferri  306. 

ecfodUo  306. 

Ecuba  301. 

eaui  262,  289. 

edepol  416. 

edere  264,  291. 

edi  164,  368. 

mm  363,  377. 

egfnus  309. 

«»^es/a«  305,  309. 

Ä/i  265,  368. 

i-^o  132,256,316,345. 

egregiissima  354. 

^/r»i  416. 

cm,  ft«  (Dat. -Abi.  d. 

Plur.)  347. 
ei,  eeiSf  eis  (Nom.  d. 

Plur.)  347,  349. 
ei,  eire,  eis,  eit,  eitur 

362. 
eiei  347. 

eIivs,  kiIvs  253. 
eis  (Nom.  d.  Sing.)  347, 

385. 
eis  (Gen.  d.  Sing.)  348. 
eis  (2.  sing.)  263. 
eisdem  (Nom.  d.  Sing.) 

385 
fjW  27*3,  347,  348. 
elegans  270. 
eligantia  270. 
l%o  310. 
eWam,  -«m  348. 
Elle-spontum  301. 
elogium  266. 
eluäcrus  262. 
fw  (Acc.  sing.)  347. 
m  (Part.)  416,  583. 
emem  347. 
-m,  -ow  263,  347. 
emerut  373. 
«mt  368,  370. 
iminus  874. 
emo  287. 
empos  288. 
empsim  370. 
emptus  312. 
cn  (Part.)  583. 
f»  (Präp.)    219,   256, 

451. 
eie-  (priv.)  288. 
endo  221,  256,  451. 
enfUiare  288. 
cnfcö  269. 
enim  466. 
inormis  310. 
enojT  346. 
e»«  363. 
<»«Äi«  287,  297. 
eo  (pron.  Advorb)  468. 
eo  {1.  sing.)  261,  263, 

362. 
eorundem  312. 
epistula  318. 
epohnas  268. 


i^pd^a  290. 

fgrttÄ-  27. 

equahiis  344. 

fguJjT  336. 

cjvc  118. 

<»gii<?f-  325. 

equidem  346. 

cjtt*/a  268. 

equinus  330. 

equirine  346. 

<»?«»»  343,  874. 

equiso  299. 

tf^rwrtw  270. 

fjMom  118,  335. 

cguo«  116,  261,  289. 

eqtws  835. 

f^u^  268. 

«giiu«  256,  262,  289, 

330. 
eram  376. 
erant  77. 
jEr<?i</<»«  301. 
erga  448. 
er^o  467. 
^ö'o  (ergo)  318. 
<TM,  pt-i/  376. 
«•0  151,  190,363,376. 
eiTor  311. 
Erucinä  (Dat.)  340. 
erügere  264. 
^M^^  54. 
«TM«  330,  873. 
<»«  (2.  sing.  V.  esse)  313. 
is  (2.  sing.  v.  mw)  362. 
is  (Imp.)  378. 
^«,  esse,  est,  -e,  ~is,  -o 

(edo)  363. 
caa  297. 
cwa  306,  873. 
escas  338. 
e««V  363,  366. 
espiritum  278. 
e««<?  379. 
essis  375. 
c^^um  298. 
est  (3.  sing.  v.  ew^»)  25, 

263,  297,  314,  362. 
est  (3.  sing.  \. edere)  305. 
este  (Imp.)  379. 
«•«^i*  363. 
estis  (2.  plur.  v.  crfcr<») 

305. 
esiod  379. 
C9fim  358. 

et  222,  315,  458,  459. 
etenitn  467. 
^Mim  554. 
etiamsi  527. 
<^**  527. 

Euander,  -drus  830. 
ei4m  260. 
ew»/  362. 
eunfis  362. 
Euretice  292. 
Eurydice  292. 


<?r«ia/  366. 
car  219,  314,  337,  449. 
exadversum  447. 
exaesiimo  270. 
excdans  300. 
exämen  309. 
«•irciföö  365. 
excidere  253. 
execiae  288. 
exemplaris  282. 
exemplum  308. 
exercitüm  339. 
eafarrj  306. 
«ir/ifrfo  879. 
exfodiri  366. 
cxfM/#  305. 
eximius  176. 
expando  321. 
expendo  321. 
expUnunt  365. 
exsugebo  376. 
cjr^a  306. 
extempulo  277. 
exterus  353. 
extorris  264. 
cx^ra  316,  445. 
ifirtrcwf  316,  342. 
extrimo-  353. 
extumo'  353. 
earwif,  -ar«  328. 
ftnvÄi^o  379. 

/«fca  295. 
fabäginus  354. 
/a^>fr  295. 

Fahrecio  (prän.)  268. 
/'o^^ruw  339. 
/ttfttt/a  27. 
^oo  315,  378. 
/acc  315. 
/ocerc  295. 
facesso  375. 
fa<ri«f  (Dat.)  341. 
faciendus  311. 
facieum  340. 
/•ootj  338. 
/Victfe  315. 
faeiUimus  :?54. 
facilumld  120,  343. 
faWö  28,  264,  362. 
facioni  358. 
f(w»7iw?  258,  379. 
/ff<?tiZ  315. 
facuUas  322. 
fa«7MÄ  295. 
faenisicei  343. 
fäginus  93. 
/rt^tt«  295. 
Föf/cr«  266. 
Fa7c*rc  (fal.)  334. 
Fa/wfi  294. 
Faliscus  266. 
/b/fo  302,  365. 
/a7ar  314. 
fSmö  27,  265. 


/ami/»a  271. 
familias  338. 
Aiotm/  323. 
famultas  322. 
famutus  277. 
/anttiw  264,  295. 
far  314,  326,  872. 
farrfo  295,  866. 
farfarus  269. 
/iiifcri  269. 
/ttri  27,  256,  265,  295. 

361. 
fariofus  294. 
farreum  295. 
farreus  311. 
/a»  325. 
/oÄcw  306. 
fastigium  313. 
/•tt^cor  265,  365. 
fatiscor  365. 
Fo^uö«  261. 
Faustulus  309. 
/aiwfiM  321. 
/au/um  321. 
/«Mar  329. 
/opi  371. 
favis€te  258. 
/awYor  321. 
/aar  264. 
/aa?W  374. 
/oarim  374,  377. 
faxitur  374. 
/aa?o  190,  374. 
/oxor  874. 
/aar««8  382. 
/cfrrw  295. 
februus  309. 
/eccii  358,  372. 
feceram  374. 
fecerim  374. 
/«ccro  374. 
/Ä?t  265.' 
/«:W  358,  372. 
/lictf  167,  369. 
/ccf  322. 

fefeUi  267,  320,  870. 
fei  294,  314,  327,  872. 
fiUtre  42,  95,  257, 265. 

295. 
Felena  (prän.)  296, 301. 
pelIoI  258. 
fmws  257. 
/c«w  311. 
fernen  328. 
/cm«»-  873. 
femina  257,  265.  29o. 
feminur  328. 
/Wwor-  873. 
femoris  328. 
/ciiittr  284. 
/cmi«  328. 
-/cifd;  370. 
fendo  364. 
fenebris  309. 
i  -^cr  356. 


zur  griechischen  und  lateinischen  Grammatik. 


917 


fer  294,  363,  378. 
fcrä-y  fer  äs  172. 
feriim,  ferat  176, 
ferascit  366. 
ferbeo  300. 
ferbui  300. 
7'V;r/<'.y(prän.)296,301. 
fereulum  92,  321. 
fere  256,  554. 
feri-f  feres  172. 
ferehant  146. 
fvrentf    Ps,  -et,  -emun, 

-dis^  -etit  376, 377. 
ferendufi  311. 
/•«T^wx  332. 
ferent'  287. 
//';•<?.•<  274. 
fcrirulutn  321. 
ferlnunt  365. 
ferire  264. 
/Vr/.v,  feritis  363. 
/•^rwf  322,  353,  554. 
/•ero  26,  42,  145,  256, 

263,  295,  358,  363. 
Feronia  260. 
/•«•;y  311,  379,  380. 
ferrl  116. 
fern  314,  363. 
/Vr/  314,  363. 
ferte  379. 
/Vr/i7w  278. 
fertin  363. 
fer  und  un  385. 
/Vn<;ir  26,  39. 
ferunto  173. 
/•«^/•M.-?  265. 
/Vrr^/v  300,  364. 
ferrere  364. 
fescennhtoe  334. 
fett  las  297. 
fei<su.s  265. 
/V^/rn  320. 
/'e'/f/Mi*  264,  313. 
-/•('x  325. 
FHEFHAKED  (prän.) 

296,  368,  369,  872. 
/?a  284. 

flhula  281,  306. 
^rf<?  343. 
fiele  (Dat.)  341. 
/?^ri  341. 
fiim  (Dat.)  341. 
/irf/  (Gen.)  338. 
fldi  368,  369. 
fides  (Sait€)  302. 
/7^t'Aj  258,  263. 
fides  (Gen.)  338. 
fidustus  326. 
/7(/o  263,  364. 
/if/T  380. 
fierel  380. 
/•/>?•/  279. 
fierJ  261,  380. 
fif/arus  360. 
figilinae  211, 


flgere  290. 

/•f^o  257. 

/?5fwra  872,  873. 

/i/^»«!  259,  268. 

filei  334. 

/?7W/?/*7  268. 

flli  92,  335,  874. 

filia  268. 

/?/iV  335,  874. 

filiohis  268. 

/•i/ii^  257. 

/i/mw  295,  872. 

fimunty  -US  266. 

findere  259. 

/i7i(/o  365. 

/?»<»  (Präp.)  451. 

fingere  302. 

/?/iflro  294. 

finio  260,  261,  311. 

finis  311. 

^/iiÄ   (Nom.   d.   Plur.) 

333. 
finltimO'  353. 
/•iö  72,  279,  302. 
fiunt  279. 

firmus  256,  285,  330. 
/?ÄrMÄ  306. 
ftsus  305. 
/^It'ffr^  290. 
fixi  290. 
//a^ro  285. 

/7<iw<'w  281,  309,  328. 
fiamma  285,  309. 
flamonium  328. 
^Ä/'f  264. 
Flaus  262. 
^rtr^r^  367. 
F/firw,«*  262. 
flävus  285. 
^«v/o  365. 
fleo  260. 
/r^rt'  264. 
/r«>r*  371. 
fiejranimus  355. 
flexuntes  287. 
^i^^Ttf  259,  368. 
//l^^o  364. 
floccus  306. 
F/öra  326. 
^ö,y  264,  325. 
flocius  267. 
/Ti^'/T  262,  264,  290. 
flü/nen  264. 
Flusase  342. 
/rwriMÄ  267,  290,  330. 
fluxi  290. 
/•ori/Ä  264. 
fodare  367. 
/•o(/rr£f  265,  367. 
fddi  265,  370. 
/•ö(//o  364,  370. 
foedifragus  355. 
/VWm*  274,  326. 
foideratei  263. 
/biV/t'/v  259    263. 


folium  266,  295. 
/f>/i«.y  294. 
Folvliis  267. 
forare  264. 
/'orrt^m    (prän.)    296, 

301. 
forhea  295. 
/V>rr^</.v  284,  295,  296, 

313. 
forde utn  295. 
/•ort/M.»?  295. 
före  380,  406. 
/br<'w  406. 
fors  266,  302,  329. 
foresio  286. 
/bn>  (Präp.)  451. 
formonsus  298. 
formosus  286,  330. 
/brwM«  284,  294. 
/brwior  282. 
fornus  294. 
/•or*  263,  284. 
forsam  317. 
forsitam  317. 
/b;fi>  284,  295,  813. 
fortuifu  343. 
Fo«7/m«  309. 
/b^^ia  295. 
fW/u;?  277. 
forea  257,  258. 
/"or*  371. 
fragare  283. 
froglare  283. 
fragrare  283. 
fragum  304. 
-frägns  265. 
/•rfl/f'r  328. 
/^r^^i  265,  369. 
fremere  312. 
/•r^»(/o  312,  364,  365, 

385. 
/•rfJ/ii  873. 
/•r^M»  285. 
frigdaria  322. 
/"ri^f^rfo  307. 
/^r/^WwÄ  281,  307. 
/•ri^ro  266. 

frlgus  111,  259,  304. 
/•rw  294. 
froHS  314. 
fructus  (Nom.  d.  Plur.) 

322,  333. 
fructus  (Akk.  d.  Plur.) 

b35. 
frugiferd*  340. 
/^rüm^M  309. 
fruiminö  360. 
früniscor  310,  365. 
/•rwÄfrö  272,  342. 
frmtum  272,  305. 
/"wa^  263. 
fäcii^s  302. 
/•«rfi  369. 
fu^  263,  372. 
/"w^ya  259. 


fugam  118. 
fügere  265. 
/•r<(/i  265,  368,  369. 
/•m/  295. 
fiii  259. 
fulmus  262. 
/-M/r/o  282. 
fulgeo  285. 
fuigerafor  268. 
/•w/i/fTc  367. 
/•«/ty/fr  285. 
fuiguris  268. 
fulgurifas  334. 
fiümentum  313. 
/'m/.v/  313. 
/•«ZrM/j  285. 
/•wwö  260. 
/•amM-y  24,  94. 
funanibulus  355. 
functus  313. 
/"Mwr/ci  267,  302. 
fundare  367. 
fundatid  379. 
/•i/wt/r/v  294,  367. 
Fw«r/i  342. 
funditHs  268,  344. 
f und  US  311. 
funehris  309. 
/'M/K'rw  298. 
funestus  298. 
/^MM^ri/j?  267,  302. 
/Vir  116,258,263,267, 

295,  328. 
/•«rm  264. 
furnacalihus  267. 
furnus  284. 
/•//rrw^  298,  307. 
/^M.'jrMÄ  298. 
fusdn  305. 
/•mm^'iV  369. 
füvimus  262. 

Gfl/iw  250,  262,  272. 
gaUlna  325. 
gaude.o  365. 
gaudere  295. 
^(•/w  290. 
i^<'/»i  (Gen.)  336. 
gemisco  366. 
gemma  308. 
gemmasco  366. 
gemmesco  366. 
</e«er  286,  872. 
generä  334. 
generis  25. 
genetlvus  267. 
genelrlr-  873. 
genetrLr  267. 
geniculo  277. 
^fw*7or  28,  107,  259. 
^£»n*/MÄ  97,  268. 
<7Cf#o  365. 
flrrmr  288. 
//fw/i-  327. 
^<fntf  290,  323. 


918 


nL  LateimsclieB  WOrterverseiclinia 


genü  873. 
genua  70,  261. 
genxta  262. 
^?«M«26, 119,256, 262, 

263,  332,  371. 
-ger  356. 
gero  298. 
gerro  284. 
getitus  297. 
gihbus  254. 
gigno  157,  263,  865. 
^/a6^r  295. 
glans  290. 
glauciimam  824. 
^/fr<Ȁ  325. 
^/wro  366. 
^Zm*9  299. 
glöcio  258. 
glocire  282. 
gl^us  280. 
gJorificus  354. 
^/^tf  325. 
^/il*«f  264. 
^rZöfwa  281,  309. 
<7^M«»ri?  (glütire)  279. 
(rwaeö  26. 
Gfirw^w«  250,  262. 
Gnaivöd  26,  120,  205, 

250,  262,  308. 
gnanus  303. 
i^«<Jri«  265,  285,  288. 
(g)nascor  366. 
(g)Hätio(n)  327. 
^rna/tt«  263,  i85,  288, 

303. 
gnarare  303. 
j^nio?»  303. 
gnobllis  303. 
gnoritur  375. 
^fiö-  290. 
gnÖHcere  265. 
gnoscier  303. 
^iiöwö26,39,162,366. 
^HOt'iV  303. 
^o6»M«  290. 
gondecorant  (fal.)  290. 
gonlegium  (fal.)  290. 
Gracchus  252. 
gracilis  291. 
gracillare  282. 
^rarfior  294,  364. 
gragulwt  290. 
örtfü  262. 
gralare  310. 
gralator  310. 
^rra/Zrtf  310. 
gramiae  282. 
gränum  285. 
^r(Z/ti9  285,  294. 
gravastellus  303. 
grarido  307. 
^rarw  259,  290,  329. 
Gri-rirt  (pran.)  272. 
grfA9us  265. 
^reyc  54. 


groma  283. 
grundio  812. 
grunnio  312. 
^rw«  290,  329. 
guhernatar  290. 
^M/a  290. 
gumincLsium  '278. 
gummi  290. 
gurges  290. 
gurgulio  271,  283,  290. 
^u^ua  309. 
gtUturis  268. 

Aa&a  295. 
Aa2>M  297. 
Ärt^cr  380. 
habetod  379. 
Äa«»«!  848. 
haedlnus  24. 
Afik?<;ttjr  259,  295. 
haerere  259. 
Ä<M»«  298,  370. 
Aa/are  300. 
Ao/Zua;  872. 
hamotrahonea  355. 
hanulum  295. 
Aara  264,  294. 
harena  295. 
Harpage  335. 
Ao^a  264,  298,  306. 
Äaw  316.  553. 
Äflttrf  189,  264,  553. 
Äaiirio  259,  300. 
haustum  305,  806. 
Ä<iM^  316,  553. 
Äe  (fal.)  347. 
A(?5f/M  269. 
Äe6f-w  295. 
Ä<ft  (fal.)  347. 
Ä«V^  347. 
Ä«rW  273. 
AH8  849. 
heUtores  266. 
Ap/im  294. 
Mfwa  266,  297. 
A<;7f70«  261. 
Aem  416. 
A^miMt  327. 
Aemo  287. 
hemonem  271,  327. 
Ai;r6o  295. 
HerceU  277. 
i/^rc?e«  277,  818. 
herctum  301. 
Hercules  277,  871. 
Afr?,  -f  342. 
Herucina  301. 
hesternus  302. 
Aew  278,  416. 
A^M«  273. 
Ai  274. 

hihernus  286,  871. 
Af&M«  349. 

Ale  315,  347,  348,  545. 
hJce  167. 


hiem-  115. 

hiemps  314. 

AtVm«  286,  294,  314, 

327,  332. 
hietare  268,  271. 
A»torw  269. 
hilum  295. 
Af»r  344,  468. 
(h)ir  328. 
hirnndo  256,  282. 
Aw  274. 
Aürro  365. 
höc  281,  305,  348. 
AorfiV  847,  354. 
holera  266. 
hoUrot^um  839. 
Ao/i4«  294. 
hamicida  327,  355. 
hominum  839. 
Aomd26, 117,271,  327, 

332. 
homuüus  308. 
honestas  305. 
honorus  386. 
Aono«  299. 
horctus  296. 
hordeum  295,  818. 
hordus  295. 
horitur  322. 
hornus  261. 
Aonvo  367. 
horreum  295. 
horrificus  355. 
horsutn  847. 
hortesia  286. 
Hortionius  292. 
Aorfor  322. 
hospes  322. 
Ao«pt7w  270. 
Ao«^/a  295. 
hosticapas  332. 
Ao9fK<r  100,  294. 
Aö<?  258,  267. 
A«w  349, 
Amw   (Gen.    d.  Sing.) 

Auiu«  848. 
huiusque  288. 
Aum?  341. 
Aumi/M  278,  329. 
Aumu  843. 
Aumu«  294,  830. 
Hgdf^unfum  324. 

♦  378,  875. 
»a<?<Ti?  366. 
iflm  225,  848. 
ianditdum  312. 
»a»«7r»cM  285,288,297. 
»6»  347. 
Ido  876. 
i!»ti«  849. 
iccirco  806. 
Wrirco  306,  468. 
M/irm  263,  807,  347. 


irfem  (leidem)   (Nentr.) 

347. 
tV;<90  468. 
idiM  265,  829. 
*ä:i  265. 

iecinoris  54,  328. 
iecoris  828. 

M?cttr284,290,297,328. 
iecusculum  828. 
iW,  im  (Nom.  d.  Plur.) 

347. 
i>w(Dai-Abl.d.Plur.) 

847. 
Xens  362. 
lenuarius  267. 
»>ram  374. 
^V«r  320,  467. 
ignarus  303. 
ignifer  355. 
^»M  287,  332. 
ignium  389. 
ignosco  810. 
ignötus  141. 
»/reo  270. 
ilignus  310. 
«T/oi;  349. 
i«fl«?  347. 
lÄJ  347,  545  /". 
»7/f  274. 
t7/j&f<«  349. 
iUic  318,  319. 
»«fo  274. 
imus  279,  848. 
«72o  349. 
Ulöc  267. 
ittw<?  267. 

iüttstris  306. 
im  (<=  ,„;  317. 

im  (Akk.  d.  Sing.)  347. 
imber  287,  329. 
fim?-  353. 
impedio  306. 
impedlre  367. 
impeirator  273. 
impflimentum  292. 
impetrare  367. 
impetrassere  374. 
impetrire  367. 
Impetus  269. 
«mpi^wo  262. 
impoene  274. 
impünis  274. 
imudarii  292. 
fmu«  384. 

t«(Prap.)219,256,285. 

451. 
fV  308. 
tu-  (priv.)  288. 
m  f7j»ff<>  809. 
inceideretis  273. 
incertus  285. 
fficirfo  270. 
inciens  302. 
incUega  257. 
indmo  24. 


snr  griechischen  und  lateinischen  Grammatik, 


Ö19 


inclüdo  270. 
inchäus  24,  96. 
incohare  264. 
incmnma  257. 
im/^  256, 296, 385, 468. 
imlex  350. 
indicare  258. 
indXco  263. 
indigeto  320. 
indignus  354. 
indoles  264. 
tm/w  221,  256,  451. 
iw^uo  262. 
indupedat  367. 
indusium  299. 
in  fern  277. 
inferwr  353. 
iM/VrwÄ  296,  353. 
i«^/wMx  296,  353. 
i/i//Wflr<?  270. 
iw/-rö  342,  384,  446. 
infringo  321. 
ingenilsco  162. 
ingeni  275. 
i«//fr  378. 

i«f/Mf/f  55,  287,  328. 
intecehrae  270. 
/«owt  324. 
«iz/Mcrm  289,  377. 
tnquw  OH, 
ifiqumnusr)4,2bl. 2S9, 

320. 
inquiro  259. 
f'n^uo  377. 
inrogasit  375. 
inatanus  354. 
insece  263. 
insectiones  289. 
inseque.  289. 
inaerinuntur  365. 
iMÄt'j-iV  289. 
ihäW^/  270. 
insidianies  262. 
in,«?M/i  287. 
insultum  270. 
i«^  362. 
<*f/<?(7er  269. 
intercedeto  268. 
intef'ieisH  373. 
interim  344. 
»w^rÄ  95,  445. 
infraßj  316. 
intumO'  353. 
iwrJ/MÄ  290. 
Wfwr  266. 
ioiidcx  275. 
ioudicium  275. 
ioudko  275. 
iourare  275. 
WW5  264,  275. 
ioM^*  275. 
7otY  (Dat.)  340. 
lorer  um  331. 
ioW  261,  331. 
/opi>  (Nom.)  331. 


/m'oä  331. 

»>^  258,  347,  544  f., 

551. 
ipsibus  349. 
ipsiüüimus  348. 
j/?«OÄ  347. 
i;wMrf  347. 
ipsum  347. 
ipsuüne'ü  309. 
iracundus  381. 
jrro  256,  257. 
w  347,  543  f.,  546. 
w  (Nom.  d.  Plur.)  349. 
Ucolasiicus  278. 
wrni>/rt  278. 
wrf^m  347. 
i>Mf  309. 
mrt  306. 
issuliis  306. 
w/ff  347. 
iVt/a^  349. 
/.v/ff^c  347. 
istärum  339. 
w/f  291.  347,  545  f. 
w/iV  318. 
lÄ/i/MriV  372. 
w«MÄ  348. 
istörum  339. 
w/wrf  347. 
lÄ/Mm  39,  256. 
/.«f^MÄ  347. 
ifa  347. 
//<i/«i  300. 
itaque  269,  467  /". 
itaque  318. 
tfrwf  317. 
iVf  379. 
Hern  347. 
iVfw^nVr  328. 
»Vmfr  328. 
itineris  328. 
iV^T  328. 
iterum  25,  347. 
f/wm  263,  362. 
iiihar  328. 
iMÄari>  267. 
iuhere  279,  296. 
lö^^j-  307,  355. 
iudicare  (^=  iudicari) 

380. 
iudicationem  327. 
iuenfa  262. 
»«i/rl  126,  334. 
iugare  367. 
iügeraj  -ibus  111. 
Uigere  297. 
iö^/>  264. 
iuglus  322. 
iugulandffi  211. 
iugiim  16,  24,  64,  119, 

264,  297,  330. 
ivLio  253. 
lülus  321. 
iamentum  281,  309. 
iö«-;  luren-  825. 


ifltfJr-  873. 
iuficta  383. 
iuncfus  313. 
lungere  297,  366. 
iiin^o  365. 
iunior  35'J,  354. 
iuniperuH  330. 
iunipiruH  268. 
iMMxJ  370. 
/i/i^iVtfr  302.  331. 
/i<7>/;//^/-  331,  335, 354. 
iurgare  322. 
iW  (Rocht)  259,  264, 

325. 
iTw  (Brühe)  297. 
iimurandum  354. 
iji.^*»/  279,  306,  383. 
iintaitiir  374. 
iusfifium  355. 
Liturna  302. 
JMrrt^v  265,  368. 
iMrf-  368. 

*MmicMÄ  98,  287,  289. 
iuvems  259,  269. 
iuventa  97. 
iurenum  328. 
/r*r»  265,  371. 
/lo^^fr  319,  442. 
iuxtim  443. 

Jugere  297. 

kadamitaa  283. 
Ä'«^«©  299. 
Kalandae  271. 
Ä*ö'^>i*/  251. 
k-areffsento  354. 

Mfei  304. 
Ixthiemis  330. 
/ff«»/M/w  293. 
lahosus  299. 
/«r  303,  313,  332. 
/cr<?ff/w  258. 
/acfr  304. 
lacöna  267. 
lacrima  268. 
lacruma  101,  292. 
/«f/  313. 
/«<?/-  325. 
/flfc/«-  314,  872. 
Ladinel  341. 
Ixidinod  283. 
/rtfrfo  279,  364. 
/at'wa  303. 
/a^^M^'f  303. 
/nepo.<»  27,  38,  304. 
laeviis  259. 
/(Sma  310. 
/Jh«  4:5,  285,  304. 
lancea  268. 
Ijangensium  289. 
languere  304. 
Langueses  289. 
lanterna  281. 


/a#w:  303,  314. 
/rtj)/  329. 
lapld-  325. 
lapiderum  329. 
lapidf^^co  366. 
/flfjy///iw  310. 
/«/>*>«?  329. 
lapsum  307. 
laqueus  289. 
L<lr  328. 
/a/Y/MW  322. 
/(/ri;fM,v  303. 
/«/•/V/mx  303. 
larigneus  872. 
/rtr»;r  292. 
Uirihis  276. 
/«rra  298. 
hftciruü  283. 
Lff.«**?.»?  297. 
/(//<'r<'  291. 
/ö/f-rMn  281. 
/flf/iV-  110. 
Lütium  303. 
iMfonatt  338. 
/d/rmcf  262,  275. 
W/M.V  303. 
/rt/i«  (breit)  304. 
/4/M.v  263,  285,  303. 
hudantor  379. 
landare  380. 
/ai/(Mr*  380. 
hiidarier  380. 
laudalor  379. 
iMudicaes  272,  338. 
/ai/n/,«»  278,  292. 
/ffM/M.?  272. 
laracrum  291. 
/rtr«re  367. 
Utvatrina  262. 
^rfr^  258,  264. 
laverna  298. 
Ixivernai  338. 
/f/ri  371. 
iMviniaque  262. 
/aar  289. 
/oa-M«  46,  383. 
I^ftro  273. 
legamini  361. 
/c^yi»  379. 
legiham  376. 
legem  hl  i  361. 
Zf^ertf  267. 
legere  mini  361. 
/«»i^^rw  360. 
/tf^ye«  378. 
/^i  265,  369,  370. 
/f^/mtni  360,  379. 
legimur  360. 
/«'i/rw  358. 
/^i/rr/  358. 
/<?i/i7<»  268,  379. 
legitimo-  353. 
legitim wi  319. 
?^pi7o/^  379. 
/eyifur  360, 


020 


in.  LateiniflcheB  Wörtenrelrzeiclmifi 


\ 


Ugö  42,  265,  364. 

legor  360. 

leguniur  360. 

Leiher  (prän.)  273. 

leibereis  334. 

leigibiis  273. 

LeireJio  (fal.)  272. 

lemures  282. 

lina  46,  303,  310,  383. 

lenis  329. 

/^on»s  324. 

Lepareses  286. 

Z^-j»««  286. 

Leucesie  259,  273. 

teW  285,  371. 

««rfor  353. 

levir  259,  261,  292. 

levirum  268. 

/«?w  287,  295,  329. 

lex  314,  332. 

-/ea:*  370. 

libella  322. 

;»&<?;/<d  105. 

Jiber  273,  274,  295. 
/ifter<flw  285,  299,  322. 
libertär fusj  294. 
libet  266,  274. 
/i2»o  264. 
libs  322. 
/♦c«r«  367. 
«ce/orf  379. 
licinus  384. 
-/f<?ft«  289. 
lien  294, 304, 316, 328. 
Hgnum  256. 
/i7inum  283. 
/»/tum  283. 
limpa  266. 
Umpidus  256. 
IrmMJT  384. 
lincunt  289. 
Kn^ire  289,  366. 
/iif^ua  287,  292. 
linguere  289. 
»nd  42,  365. 
linguere  366. 
^'nguiA  289. 
7tn9i4»7  163. 
linquitis  289. 
Zm^ti^  42,  283. 
linquont  289. 
Kn/er  266,  303,  328. 
fiquere  289. 
/{<2fii»  369. 

li^iritia  289,  303. 
/»g«ö«  873. 
lis  304. 
;»f^t/«  303. 
lixa  873. 
^MTu/a  289. 
locasifU  375. 
/oca^io  258. 
loeuplH'  325. 
toctt«  304,  330, 
locu^a  803. 


locüiwt  288. 
/ofrfiÄ  274. 
loeheriatem  274. 
Zowfo»  264,  274. 
7otoni  282. 
l&ngJsco  366. 
longiter  354. 
longtis  303. 
lopades  266. 
2ogut  264. 
loquuntur  289. 
Z^rMm  265,  304. 
;o«na  263,  275,  310. 
loucarid  342. 
Loucetios  275. 
Loucinai  340. 
loumen  275. 
/ii*f/  266,  274. 
lubricus  293,  304. 
/ii2)«  322. 
/a<?-  324. 
Luceres  333. 
{uoerna  259,  263. 
Lucienus  330. 
lUcifugus  140. 
Zurmt«  278. 
/tk;/«  263. 
Lmciu«  273. 
lucrum  282. 
luciäentus  283. 
LucuUus  274. 
lucunj»  287. 

/a<;o  364. 

/a<ft<«  264,  274,  292. 
ZiK?**e  262. 
%er«  264. 
luiiurus  381. 
/iim2»i  873. 
/wm&tijr  295. 
lumemulia  355. 
?«mpa  266. 
lumpatietis  283. 
lumphieis  286. 
/a«a  263,  281,  310. 
/ufif^  266,  303. 
/iip«  256. 
lAiqorcoa  288, 
/arWu«  264. 
/öa?  42. 

/wari«  267,  297. 
lympha  252. 
lymphaticiM  283. 

MaarcuH  281. 
mäcerare  310. 
nKichina  268. 
tna^ruZa  804. 
rmirf^o  256,  367. 
modus  (mattwt)  322. 
mo^t;  269,  317. 
wöprw   112,  269,  294. 

317. 
magisfer  353. 
magisterare  277. 
maglijsteratua  277. 


magistratuos  262, 336. 
magistratuum  389. 
mngistreis  (fal.)  334. 
magistreSf  -is  334. 
magmentum  310. 
magnanimus  356. 
Magolnia  288. 
maiestas  327. 
maiiores  253. 
mator  272,  281,  309, 

327,  352. 
Afaior»;  327. 
Maiugena  355. 
ma»M,<(  327. 
irklZd  310. 
ma/^  343. 
malfacia  322. 
tnalignus  263,  281. 
m«riim  377. 
mallurium  328,  355. 
mato  276,  363. 
ma/fo«  264,  284. 
tMd/«m  256. 
m/lZu«  292. 
mätnUla  280. 
mdmnta  280. 
manceps  270,  328, 355. 
meiHOup^  270. 
maiufiSwZtim  96. 
maneo  257. 
manifestus  313. 
3fa9i»o9  (prftn.)  269. 
man^iie«  323. 
maM«iM*^u«  323. 
maMtor^  307. 
manu  343. 
mcrnum  335. 
mdMumt««!«^  355. 
mawM«  323. 
manu«  (Nom.  d.  Plur.) 

833. 
Maq(olnia)  288. 
Marcipor  823. 
mar«f  342. 
maredus  291. 
margo  257. 
mdrmori«  268. 
Jtfar/f  272. 
MarspUer  313. 
JlfaH*;  (Dat.)  340. 
Martses  (mars.)  344. 
Ma^iter  313. 
MassUia  320. 
masturhare  302. 
mÄfw  39,  256,  328. 
mäteriSs  102. 
materiera  322. 
matrem  42. 
matrona  (Nom.  d.Plur.) 

334. 
«TMfu/a  286.      . 
maturrimus  354. 
mo/u«  (mattus)  305. 
Afa/fi/a  260. 
Jtfafiifa  (Dat.)  340. 


Afa«»-f^  272. 
mareliSf  matdo  304. 
ifaror«  272. 
moxtmu«  96,  307, 319» 

353. 
lf<m>t9to  (fal.)  353. 
m«  345. 
m<;  (Dat.)  345. 
m^  (Dat.)  340. 
imM  345,  346. 
mediaUs  292.  ^ 
mediaximus  353. 
mediterraneus  355. 
i»k?rfit«  261,  285,  295. 
me(f»M«  rFi<l»M,t>  262. 
Megalesia  286. 
m«A€  345. 
mW  (Gen.)  345. 
m«  (Voc.)  335. 
meiere  366. 
m«7»a  279,  350. 
meio  273,  294. 
m^/  313,  332.  872. 
MeJerpania  294. 
m^»9  311. 
melior  854. 
meüum  256. 
m€^m  353. 
memhrum  279.  309. 
m«m^M^ö  165, 263, 287. 

873,  378. 
mementote  378. 
m^mi»«"!!«  373,  38  K 
meminit  369. 
memordi  368. 
m«»or  304. 
memaris  268. 
Menerra  256,  263. 
Menervai  340. 
menetrix  283. 
3fimotorii«  267. 
m4>fijr  263,  287. 
m^Jn««  26,47, 285, 297. 

325,  346. 
m^ft^i;»  (Abi.  d.  Plur.) 

128. 
menstruiM  325. 
m4*it«um  (Wt«Mm,j  339. 
Mentarittes  344. 
mentum  256,  284,  287. 
-m«^M/f4,<»  287. 
mercSd'  325. 
merces  323. 
merda  304. 
merentesaemo  354. 
mer^re  364. 
merges  257. 
mergo  298. 
mergu»  873, 
meridies  291. 
m£T«  314,  322. 
mertare  307. 
mirto  322. 
m^rx  314,  323. 
mesaru(m)  339. 


cur  grieohiaohen  nad  lat«üusoh«n  Orammatik. 


ntf^u!  306.  372. 

fflOBÄ  379. 

musii'««  273. 

ntpSt-  325. 

nient  (•=  me  egi)  817. 

moNfO  161,  260.  263, 

muitum  305. 

nfpdji.  325. 

-mrf  348. 

367. 

mö/o«  275. 

»igue  289,  315,  458 

«ititre  365. 

möfo  280. 

462. 

mito  265,  285. 

moHirfM  375. 

miaoniatax  280. 

Mfoueo  362. 

meug  261,  346. 

moH^ri  380. 

mufuM  261. 

»ri  275.  :i35,  345. 

mo««,-  379. 

n«r*  2.57,260. 265, 304 

«KVfl  .S04. 

monfnifH/Hm  267. 

nae  27.  223,  259. 

JVrrf«i»'r»  262. 

.«/ff»  335. 

mo««  264. 

A'o*-iwr  319.  338. 

ne«cio  189. 

n>lgmrf  290. 

,»o««,-  371. 

Naeri,^  303. 

nMC.7  275. 

»»■*,■  .■145. 

Rom  46C. 

nfse<VC=Mi-e8<-<0  3ü3 

mihei  345. 

mora  304. 

namque  458. 

nesei  346. 

mrti  271,  295,  345 

mfwiMS  295. 

noxfiu  313. 

HM/  450. 

milt»  292. 

mon/M  264,  369. 

naxus  303. 

nc.<  273,  315. 

w.V;n  318,  350. 

mordere  304. 

nanxtfor-  374. 

«eu„l  359,  362. 

mau  350. 

martoi-  261.  284,  285. 

..nrc  304. 

»i„ter  273. 

morUurua  381. 

narux  303. 

nfutiquam  273. 

mi»in  318,  350. 

mor»  284. 

«*s.  325. 

H.,,(n  349. 

rniUm  256. 

mor««»J  307. 

«asci  303. 

««■,?  317. 

m,7j<i«.  M.7rH«  263. 

fflw^t«.  284,  305. 

„a^a  305. 

««■/«  364. 

minn  278,  318. 

mortw  262,  275. 

«««««»<  299. 

»«■««  364. 

»liNcrt  256.  257.  264. 

moHum  381. 

nmun,  299. 

HM  314. 

miHfrimim  3r,2. 

«.w  325. 

«<i»i«  299. 

««r«i  372. 

Jtfi«r(Ta256,298,307. 

MosMlarin  286. 

HiUa  265. 

ni  526. 

miHoert  366. 

Hd^io  288. 

Nicfjw/-  330. 

mingö  48,  294. 

mOHtrarr  286. 

nidor  303. 

miHi»citur  256.  257. 

moKiralor  286. 

«ä(r£j-  265. 

HirfH«  263,  307. 

m.Hi»:rtMM«  3.'>4. 

möfum  275. 

»nu-  279,  355. 

H.A.7  271,  315. 

«linWer  352,  3.->3. 

moreo  264. 

naufragm  272. 

Hikilun,  315. 

itf/BOnM  324. 

«OM-  371. 

naugalorian  272. 

H//  275,-300. 

Mi«o(»)  327. 

ffliu;  315, 554. 872,  874. 

Hau!;,»  2ti2. 

Him»  271,  352. 

tntHiM  96,  352. 

mox  qunm  .507. 

«amfol  342. 

ningues  295. 

Mirqurhs  (prftn.)  256, 

moj-  ul  517. 

«arnrc  367. 

H<»trt/  294,  366. 

257.  288. 

mufrii'«  296. 

nArnn  115. 

ninguU  294. 

mlriMmodh  354,  874. 

»<t]<f>0  259.  366. 

navir,  367. 

nmj7«;i  351. 

miViw  304. 

mugirt  367. 

nÄf.;»  27,260, 821,331. 

H»  346. 

mis  345. 

«H/teo  282,  284. 

«ariw  803. 

ni»e  346. 

mtwfo  306,  366. 

Maleiftr  295. 

Hf    (Fragewort)    455, 

Hiwi  346. 

mixer  299. 

muWru™  313. 

475. 

«ißi  271,  346,  526. 

«MWjVor«  356. 

muielM  267. 

ni-  280. 

«fei  fortf  526. 

muliehri*  309. 

HÄ  üa)  223. 

»t«j  gi  526. 

.»»/»«  306.  ' 

mu/ifr  292. 

Hehrundina     (lanov.) 

HMi  uf  518. 

»1(7«^  35J*. 

294. 

Hl«/  («ro  526. 

M.7ft<«)  366. 

muM  312. 

n»  289,  315,  461  f. 

»U  362. 

MUhrhMtH  267. 

i»»fHU«  284. 

net-  3:i4. 

«tfi  303. 

m.u«  346. 

muUa  284. 

nutrim  347. 

Hive  526. 

rnUltm  3ü6. 

muUaHgulus  35.5. 

»«r/fJC«»  291. 

«iri»  295. 

morfw/MS  326. 

«reo  264,  285. 

Hfr//  364. 

morf.«m  339. 

»uiltibibu»  103. 

«Ktari»  267 

«ix  116,  304,  325. 
nöblx  346. 

modd  123,  343. 

«erto  303,  365. 

morfiM  326. 

mullipl^j-  355. 

««;««  5  0. 

Hoct'rc  264,  367. 

moinelpium  259. 

«,"/(.(sM.orfw  354. 

nefarinti  298. 

noreo  161. 

mt»-«!/«  344. 

muUolirni,  352. 

»«/ii»  298. 

HW(-  325,  873. 

moeuilum  274. 

.»ä/i»  310. 

[nefjaxiwl  269. 

nocii-  325,  873. 

«rwjorHi«  274. 

«VMIAM    254. 

«rfrones  (prSn.)  294. 

melknlor  356. 

».(.«■Hv.  274. 

muHtrigtruhia  355. 

«Vrj,o  291. 

»or/(«m  325. 

moii-os  274. 

».H»irr/w  355. 

«^  276,  294,  320. 

HW/«r-  873. 

»io?*r  266. 

muxiiv  274. 

HfgotiHHi  291. 

HöcfHrnK«  298.  325. 

möUii  3-20. 

M»n/i<  283. 

««i  273. 

Hoem,m  276,  31:.. 

mÖlftlw  326. 

ixtl«  11 6, 259, 322. 32.5. 

Hrf>  378. 

HÖqaK  272. 

moI/M  284,  28.%  Sil. 

mü«<>j  259. 

nimen  26. 

HO/Hf   351. 

möm«,  321.  327. 

mM«««rrf«  282. 

Nemetoiia  340. 

HO/»f  272. 

momeHliim  Z'21. 

mä^ipiüa  140,  355. 

«mo275. 300,327. 549. 

noiti  378. 

momoriVimu»  284. 

w  ««•«/«-  290. 

HrmHS  285. 

Hö/i  378. 

momonlit  369. 

mmimo  (mutmo)  278. 

«cpo«  285. 

Holim  »77. 

«Biidbiicli  dir  klu«.  A 

*illL 

-yiff* 

922 


HL  Lateinisohes  WOrterrerzeichnis 


noUtfj   nolito,   nolitote 

379. 
nolo  363. 
noltis  364. 
nomen  287,  303. 
-Homenclator  277,  355. 
nomenculatof'  277. 
notninl  341. 
Hominis  278, 
tiömmu^  119. 
nömus  375. 
noM  274,  315. 
nondinum  21  h, 
non  €0  quia  502. 
nongenti  813,  350. 
nonne  455,  476. 
nofi  ^uia  502. 
nonus  351. 
norimus  877. 
no*  131,258,265,285, 

346. 
noscere  303. 
nö5(?ö  39,  258. 
nOÄf^  95,  265,  346. 
Nostius  353. 
nostrif  -orurHj  'Um  346. 
noundinum  275. 
not'a  92. 
norm  137,  257,  261, 

287,  350.- 
novini  308. 
Novensides  292. 
N<wen»ile8  292. 
Novios  269. 
now/ÄÄ  108,  116. 
wocom  92,  119,  333. 
fforo^  92. 
novtia  257. 

ftoar  266,  314, 337,  874, 
naxa  264. 
noa-e  266,  290. 
nubis  295,  326,  873. 
nubs  322. 
nt/^ftu«  279. 
nüdus  321. 
nü^a^  272,  384. 
nuges  344. 
nu»  371. 
nuiturus  381. 
nwWo  349. 

«««u«  276,  348,  549. 
numen  331. 
n«m  223,  455,  476. 
Numa»ioi  (prän.)  260, 

340. 
nümen  264. 
nwmer«,?  267, 277, 330. 
numicJatori  319,  327, 

355. 
numnam  456. 
numne  456. 
numquam  276. 
tti4>iruj90  269.  319. 
nundimim  275. 
fiMo  263. 


»iMra«  324. 
nurua^  324. 
nurus  304. 
nutiquam  276. 
ttti^rix  315. 
nymphat%cu8  283. 

0  416. 

o6  219,  293,  315,  443. 
ob-  305,  306. 
oWcw  367, 
ohlnunt  365. 
obiurigandum  322. 
[objlatud  269. 
oft/ft^uo«  289,  384. 
obliftcier  262. 
oblongus  354. 
oboedire  270. 
O&scu«  306. 
obsetrix  302. 
obstinet  306. 
obstrudant  306. 
obtinere  305. 
obtrdctat  320. 
oeceisus  273. 
orcuto  264. 
occw/^M«  264,  284,  381. 
occupare  367. 
occupo  268. 
öctor  258,  265. 
ocri«  100,  264. 
oc^dtm«  258,  351. 
oc<»-  350. 
octingenii  350.    • 
oirfö  66,  258,  260,  350. 
octöginta  276. 
octoni  351. 
oc/ii«  350. 
Öculus  265. 
örf*  265. 
Ödium  265. 
orior  46. 
odorisequus  355. 
oenigenos  274,  349. 
ö/'e7/a  280. 
o/fa  280. 

o/7ict»a  306,  321. 
ojtia  349. 
a*no  259,  274. 
otno^rn^  349. 
oino«  135. 

oJ«rörm259,319,349. 
o^/iZe  274. 
oZ^a  266. 
oleäginus  354. 
o;<;o  367. 
o?^ro  301. 
o/er«  258. 
ölfa^ere  322. 
o/tm  344,  347. 
o?*t'a  266. 
oKa  272. 

oUa  (Pronom.)  347. 
oUe  258,  347. 
olleis  347. 


oKk!  347. 
ollus  347. 
o/«a  (fal.)  272. 
oloes  274,  343,  347. 
oJopantus  267. 
olorum  339. 
Olu(mpio)  251. 
om^ft  309. 
Omentum  257,  309. 
omnei  343. 
omneis  335. 
omnia  262, 
omnimodis  354,  874. 
omnis  310. 
oitcw  267. 
op-  293. 
Op«  (Dat.)  340. 
opero  873. 
operio  219. 
opirf  (fal.)  340,  342. 
opificina  321. 
öpi/to  267,  319. 
Opw  323. 

öpi/<?r  272,  319,  355. 
opitumus  319,  353. 
op&rtum  est  363. 
opo9  258,  269. 
oppidum  268,  291. 
oppodum  271. 
opra  322. 
op«  314,  332. 
Ops  323. 
Opscus  306. 
ops<'<?ro  293,  305. 
opstiterü  293,  305. 
optimiis  319,  358. 
optrudere  293. 
opMÄ  336,  873. 
oquoUod  288. 
oqupaium  288. 
orfeiw  295. 
ordeum  301. 
<J7-dtffW  281. 
orrfö  110. 
örme  272. 
orichalcum  272. 
oricula  871. 
ortör  258. 
oi*iiindi  262. 
oriturus  381, 
Orphaeus  273. 
orrent  301, 
oa  313,  325. 
ö«  325,  871. 
osren  354. 
Oj»Mi/um  272. 
Oäcm«  306. 
osmen  309. 
ospieatur  272. 
OMor  298. 
oa«u  325. 
OÄ*i<o  307,  325. 
08<en(/o  306. 
oj<o  262. 
ovi  (Dat.)  835,  341. 


Oveo  268. 

ores  260,  329,  333. 

ovibus  205. 

om  24,  99,  116,  261. 

262. 
Ovius  268. 
öfmm  258. 
(mm«  319,  353. 

paastores  252. 
iwl<?-  324. 
päcare  265. 
paciscor  291. 
^>a/-ö  364. 
pacunt  291. 
paenula  268. 
pa^-  291. 

l>ö/a  281,  308,  872. 
palam  450. 
/)aZ«i  277. 
PoZtVfa  283. 
pallidus  257,  308. 
paipare  301. 
po/Mf-  325. 
püUumbes  290. 
JM9/W9  310. 
Pam2a  311. 
pandana  311. 
pando  311. 
pangere  366. 
panis  329. 
^HMU«  41,  310. 
'panxi  370. 
papäver  381. 
Paperius  268. 
Papisim  299. 
Po^utu«  289. 
pareui  370. 
parare  367. 
parotis  302. 
parentatid  379. 
parare  366,  367. 
IKirfe  383. 
paretes  262. 
paricidas  332. 
parito  281. 
jwrtrtw  268,  271. 
Porj/w  283. 
pario  257. 
parra  301. 
/Mir«   264,    285,    288, 

322.  323. 
/)ar*i  370. 
/Mzratim  307. 
jpartu  (Dat.)  340. 
jwirte»  343. 
prtrfi  323,  327. 
partim  335. 
partus  323. 
parrolus  268. 
jMwro  366, 
/»a«<:uw«  307. 
p<wwr  302,  328. 
passum  275. 
passüm  339. 


rar  grieohiachen  nnd  lateiniscbra  Orammatik. 


923 


pauma  305. 
paftim  307. 
mtr  259,  204,  291, 

292,  ;i28,  333. 
patfruHK  330. 
palior  291. 
jmtr  322. 
;)n(rrt"  341. 
palrl  341. 
Palrkolen  277. 
ptilrin  119. 
^(Hns  92.  261,  330. 
paucifHK  352. 
^HCHH  27,  330. 

/HlHÜHfr  308. 

pauper  259. 

pauperlfs  331. 

j«rrfo  264. 

/>Ar  2Ü5. 

prt-rnlH».  367. 

j«cfo  300. 

prcori»  324. 

jwrfen  328. 

jiwfo  OWi. 

peea  292,  324. 

/wdJ  873. 

ptrud-  873. 

pecuda  324. 

jMvurfnn  209. 

peciliUn  324. 

pefui*  324. 

jK'ciiii  324. 

iifrf*'  343. 

jjfrf^m  2t<7. 

j)ft/fr«  264. 

jW^s  333. 

Pfdis  (Akk.  d.  Pliir.) 

336. 
pedeulrU  309. 
ptdicavd  322. 
Tjfrfi»  203. 
pedineqxtoa  382. 
jwrftVüt  270. 
/iftfö  71,  307. 
PfjrntKN  269. 
pi4]i  265,  370. 
/«■i?ro  267.  268,  270, 

280.  320.  871. 
peilurun  270. 
prior  273,  352. 
jteiiirare  Ü70. 
jtrioffB»  269.  333. 
PeUgriHus  282. 
ptUeaHina  355. 
jWJi*  308,  321». 
iwHo  365. 
pdlueium  310. 
PcffipM  314. 
^jf/Hw  2Ö3.  871. 
ptM»  329,  871. 
pindere  264. 
iw«rfn  364.  872. 
jJMi#»  ;M2,  442. 
piHis  281,  309. 
penna  310,  872. 


penaum  307. 
pepedl  309. 
jiependi  369. 
prptrri  267,  ,'120,  370. 
jw/wri  267.  3T0. 
iwp^i  369. 
pepngi  368. 
/ifjiNftV  369. 
jiequhlu  288. 
pequlalUH  343. 
prquiiiit  289. 
pi-r  315,  428. 
i)fr-  -223. 

ji>^r«(te  285,  Sil,  365. 
/Vrct-niiH)!  810. 
j/erdoltaeit  366. 
prregre  342. 
prrmnUitrvua  356. 
jx-jv«  291. 
jier^MM  378. 
perierat  270. 
ptriüro  270. 
ptrlongmi  356. 
pentiitie»  286. 
perna  313. 


jiiHpo  291. 

pi«j;uw  287,  294.  329. 

pJHnn  310. 
pi(n)sarf,      pi(H)»tre 
368. 


iV  338. 


J'frp,;„>a  308. 
j>eriitti  270. 
perpellK  270. 
pei-ptovere  262. 
prriJbuj^  293,  381. 
^),-,y.>(.  219 
ji*.  114.  110,  26!i.281. 

292.  314.  832. 
PenceniafH  338. 


pextimo-  353. 
pp^Au'uin  306. 
jw*.m/i«  268. 


pestulam  306. 
petasm  269. 


p««  275. 
jiWJn  308.  371. 
pi-/fl  257,  364. 
pfj-ui  372. 
phalariea  252. 
phalerae  267. 
i%r«w  275. 
/iidcft  277. 
placlnm  291. 
pinculum  291. 
picus  302. 
pic/n»  268,  271. 
pigntfHlum  281. 
pignosa  297. 
/.(/o  808,  872. 
i-«««  801,  367. 
Pilolaern»  267. 
pf/«m  281,  309. 
iti/«mn(w  274,  334. 


i)/«, 


ö  61. 


jjwrc  299. 
piatum  313. 
pUnim  299 
j)i(M  302 
j>toror<'  26.5 
;»i<[wr^  2b  ■) 
yi/äjja  92    205 
plango  265 
jrfowj-i   )13 
yn(fn  271    279 
jilauilo  3b4 
;iBtf/io»  209 
HöH^wt  272 
p/*-  75. 
/if«6n»i  376. 
ju?f6ci  2.'^>2. 
/!/<*#»  326.  873. 
l>/rfj-  (Gen.)  338. 
^/f&o  376. 
plfhs  314. 
■i)?*r-  325. 
plecio  30.'i. 
pU-lb[ffJ  273. 
/V#(N«  (fal.)  273. 
«f«w  (fal.)  273. 
y^Ht«  170.  330. 
i»/ro  301. 

piförts  90.  26-',  352. 
/J*7-e  265. 
plenw  111. 

/>'«■■ 

plir, 

plZ 
ploU 
plör 

plormit  375. 
Plöltui  272 
ploHrumn  352. 
ji/oi«  H6,  352. 
piHfre  262.  28 
pliima  309. 
j>/ii  mbHtn  303. 
ptürimm  96.  352,  353. 
plHriora  354. 
jjfils  96.  352. 
)iHlr.V  369.  371. 
pf>.  293. 
PoWic«!  275. 
pobticu»  383. 
/wrotom  277. 
pörulum  200. 
jwrffr  264. 
pofttialin  .344. 
poemalorum  339. 


^jDfHn  274.  290. 

Pwni  2.J1,  274. 

poinas  338. 

jio/rfr  267. 

/m7(0  293,  315. 

pollfn  327. 

pollrj-  (üben  /ftlschlich 

;)1)//hj-1  872. 
PoUaee«  319.  872. 
poUuJiim  871. 
/«/(«  353. 
PoZ/mj-  319. 
pomi'riMirt  270,  274. 
pOHd6  326. 
/»nrfi«  264,  326. 
/«>Hf309. 31.5.316,442. 
poittris  335. 
pon(fi"  275. 
ponUffx  268. 354. 355. 


i  96.  307.  352. 

352. 

'«■274,334,352. 


356. 


,1  339. 


jioplicod  275. 
PopUiol«  293. 
po^icu»  293.  383. 
lM>plot  274.  277,  3;«. 
jao/-iuj<  277. 
popiinKl  369. 
pnpulUi  260. 
^^H?ö  (Dat.)  260. 
popiibii  340. 
populun  277. 
jior-  2  9,  284. 
jiofr«  284. 
j.orerf  276,  293. 
Porcohei-a  285. 
porgam  322. 
/wrcHM  284,  311. 
Pnr»en«a  (Porirna) 

279. 
jwrta  284. 
porltndn  284. 
tjortio  264,  285.  288, 

327. 
poiioriiim  315. 
porta«  284. 
i«M  316. 
jKMrn  306. 
ponrere  313.  366. 
joncft  44,  281.  284, 
potitil  372. 
poneirei  371. 
;»«»  371. 
/^wiün  267. 
potiiHfrium  278. 
ptwi'  372. 

jwtidM  293.  315,  322. 
poniri  372. 
^N^uam  316. 
pogge  306.  363. 
podgfm  363. 
jHMWsfrü:  310. 


924 

jHKialf  ("=  poguil)  372. 
pottilur  363. 
pogt  316,  442. 
iioitte  316. 
j«w(roc  347. 
jHMfrrf  316. 
posttrior  (Neutr.)  327. 
ptwrtcru«  353. 
po^qiiam  233,  505. 
poetremior  354. 
poatrtmissimttfi  354. 
poülrimo-  353. 
pontridU  341. 
postridie  quam  507. 
jioalumo-  353. 
poriw  322. 
JMS«!  372. 
jwsiiej;   372, 
jw(«  269,  317. 
;io/e  «8  f«f  363. 
potfH«  363. 
poteralur  363. 
potatan  305. 
jmteetur  363. 
jiü»»  309. 
yo/iri  367. 
jxrfi»  269,  292,  317. 
jio/i>e8eitwe«f  Mu»(863 
pofiaiV  363. 
poiime  polimft  363, 
jxi/(fHr  367. 
jwtiVi^  363. 
polui  363. 
jKi^HK  260,  293. 
jMmbVfom  27.'). 
PuuifuVi'unnm  339. 
prae  2  9.  2j9,  450. 
proebro  276. 
prnrberr  3U0. 
praff-fjm  321. 
profcipes  321. 
pracfato  379. 
prafffrieuiHHt  92. 
prarfi-fi-iai  321). 
prnehiheo  270,  320. 
praenfii»  276. 
/>™m  321,  337. 
praexeeat  269. 
praestni'  203. 
prnfnilium  21*2. 

pntfuliglat  283. 
jjracstriyiatar  2S3. 

praeter  446. 
praetor  270. 
praecidett  321. 
praidad  342. 
jTiMrfi  370. 
prandiiim  203. 
precor  44,  264. 
prehendo  294.  3«4. 
j.r«?H™  281.  30«,  309. 
prendere  275, 
prriido  300. 


m.  LateiniflclieB  WOrterverzeiobiuH 


presgi  812. 
prea»um  307. 
jwi-  3.'J2. 
prtrf^M  347. 
prIrfrV  341. 
pritlie  quam  507. 


/»■,-..i,.,y  :?s     309,  350. 
/■rinetys  321,  325. 
prfor  352. 
prlacua  11-2.  3."i2. 

,,n,-irlo.s  344. 

prMgnus  281. 
iiro  450. 

j>fö  (beim  Ausruf)  416. 
pro-  280. 
jirofcÄ  343. 
proiw«  300. 
pr(o)boam  275. 
j.ro6«8  329. 
Pfw/iie  278. 
Procabrra  285. 
jirorOfMuI  324. 
proeiil  451. 
.  procu»  264. 
^«rf.  280. 
prode  sunt  .%3. 

priihi'be«  T.i'i.  3'2(J. 
prohihtgsial  374. 
proientad  379. 
proinde  468. 
jwo/m  21.'>,  292. 
proBtelh  3tt5. 
prommerrnt  256. 
promere  276. 
prommma  294. 
promakum  291. 
proniiilifare  291. 
prönun  309. 
propaijmfn  309. 
i)r»i>^  284,  289,  443. 
prnpedat  307. 
prnpiitquHn  288. 
propia«  443. 
projw.»  293. 
prOjrortio  324. 
j/ropttt  aai   443. 
propterea  468. 
jirt^rn«  306,  872. 
Proqilia  288. 
jsrw  292. 
j)rofSHj  2'i.'i. 
prmperuK  324. 
prosUarier  209. 
prMpife»  378. 
protereu«  !}06. 
prorinrh  27.'J. 
7ij-(Wi»(.'  443. 


^Hiff^n«  321. 
jirKin«  299. 
jirilRUin  308. 
Prurigo  299. 

i-WHrfo/H»  208. 

^iiiiertiw  299. 


■  3;J5. 


I.  319. 


puerpera 
puertiae  'ä'l-i. 

,mln-nh,.<,-  ii54. 

fHicAf^r  üö-i,  a67. 
;>uf^j:  301. 

;iu»iM  (jung)  308,  310. 
j>uI/k«  (rein)  308. 
uh//»8  (schwara)  267, 

308. 
jtuimo  283,  327. 
puf«  314. 
jih/#iik  284. 
pM/mre  307. 
puirtf  326. 
jiurnrx  302, 
^»iiVh»  309. 

PUHQO    365. 

päHtrf  274. 
■jiH»m'  370. 
puplkm  383. 
yKpuffi  368,  369. 
purime  353. 
pur;>Mra  271. 
pö*  275,  325. 
j)*»H»  305. 
^H/cr?  291. 
ptHexro  283. 


go.  288,  348. 
qtoloHia)  288. 
<(Kn  2H9,  348. 
gutl-  13(1. 
qiuidragintn  291. 
(/Hflrffi"-  291. 
qundrigeii  344. 
rpiadrilihrin  356. 
qiindringenti  350. 
(/HnrfrM-"  220.  349. 
^Hof  348. 


w  298. 
ir  322. 


iiuaentut  322. 
i;Hn/  (Nvutrum)  874. 
qiiath  348. 
(/Ma/H"  298,  310, 


/«»■OJ 


■r  3.54. 


.   319. 


»<y.-<  .',ü7. 


qmimUhet  .)08. 
quim'/uaiii  WT. 


qucnde  312. 
juafufo  348,  508. 
quandoc  347. 
quandone  315. 
quandoquf  S08,  554. 
fUliNMi  298.   312. 
guanfiu  549. 
quapropter  468. 
OHörtaa  338. 
giuir^iM  98,  257,  2Ö5. 

351,  386. 
gna*«  298,  528. 
quaMUu«  298. 
quaanum  307,  312. 
guofrnos  269. 
7U(K«iiu«  268,  521  f. 
'/unter  351 

qU.lti»UJ<   2G8. 
./unMof  262. 
.ju«(i-/»«or  :i49, 
oi(a«(«>r257.  ail.322. 

333. 
7i(nff«or  262. 
7i(n/fiM  350. 
}«<  25,  54.  223,  ffi«, 

45" 


.   d.  Sing.) 

tfwri  (Lok,l  34*', 
queiitores  272. 
(jB«  261,  289.  362. 
gunwrfu/a  289. 
7«r,-<-f««  289. 
gHrrcHtr  285,   289. 
guwrtn  281,  309. 
querella  :H]9. 
quernun  313. 
queror  289. 
querqueru»  289. 
ryi(«-M  347. 
^MM^rti  2«2. 

^HMCUlH^lW  348. 
que.i-datn  348. 
^HfftfM«  289, 
i/KfjiV  202. 
7«i    (Nom.    d.    Sins.i 

289,  348,  475. 
giii    (Nom.    d.   Plur.i 

274. 
qut  (Lok.)  ;M8.  47.1. 
9«r  C=  qua)  349, 
g«f-  131. 
7MJ»  348,  5ul,  874. 

quirinam  4d6. 

qiiibo  370, 

7H(Ai(H  348, 

quirifunm  ;-!IJ6. 

■/"'■'■'/'"  :?'>'■■ 
I  quifiimqvf    -.,-, 
i'/uW  77.  129. 

quill« m  307. 
]  qiiidpUim  30 
'qi,ldq«am  3( 
;  qvidqm  30tv 
r  (CiV"  331. 


■>48, 


zur  griechischen  nnd  lateinischen  Grammatik. 


925 


quin  315,  529  f. 
quincio  313. 
Quinclus  313. 
quln(c)tiis  289,  383. 
quincu-  350. 
quindecim    281,    320, 

350. 
quingenti  350. 
quini  281. 
quinquagesies  351. 
quinquagies  351. 
qulnqiie  54,  256,  281, 

285,  289,  293,  350. 
quinquennis  356. 
qulntus  136,  281,  313, 

351,  383. 
quippe  305,  467. 
quippe  (cum)  513. 
quippiam  305. 
quippini  268,  306. 
</!«>  54,  289, 348.  475. 
5WW  274. 
quispiam  547  f. 
quinquam  547. 
quisque  548. 
quisquiliae  271,  297. 
quisquis  548. 
quium  348,  349. 
quixit  262. 
(?M0  258,  340,  530. 
quoad  520. 
quoadusqtie  521. 
f;»*orf  ("=  (?MOt^  315. 
^Morf  289. 
(jruoc^    (Konjunktion) 

498  f. 
qtiodannis  292. 
qiiodratu^  258. 
quoiei,  quoii  349. 
quoiquoimodi  349. 
quoius  289,  348. 
(ytMwi  289,  309,  348, 

510  ff. 
r/Möw  (Praep.)  288. 
f^KO  minus  530. 
quomque  V63,  289. 
gwomaw  286, 308, 513f. 
^t/or  289,  475. 
quorsum  262. 
^Mor/ff  258. 
quörum  289. 
gMO  setius  531. 
(/MO^  315,  348. 
quotiens  352. 
quotumO'  353. 
quotumus  315. 
quotus  315,  348. 
quousque  521. 
qurarerunt  288. 

rabies  (Gen.)  338. 
racemus  803. 
rflcf^r«  265. 
rrt^Jr-  259,  325. 
rödw:  285,  304. 


ra<7o  364. 
rarfu/a  310. 
rrt<;c?a  271. 
ra//rt  (tunica)  310. 
ra//um  310,  330. 
rJmeti/Mm  309. 
Ramnes  333. 
r<J»a  310. 
r«/)/o  256. 
rapsare  307. 
ratiönem  264. 
rafi/«  265. 
ravistellus  303. 
r«  260. 
re  (Dat.)  341. 
rl-  280. 
reapse  275. 
rwirfi  320,  368. 
recensUus  367. 
reciprocus  356. 
recferf  (fal.)  343. 
rectum  281. 
r^rf-  280. 
redamptruet  313. 
r«</rfo  321,  362. 
redSmpfus  281. 
r^rfi«Y  373. 
refertm  313. 
refriva  263. 
re^/-  324. 
regem  257. 
rc^iMa  259,  325. 
r^»«  264. 
Begium  252. 
r^^»o-  327. 
re^o  264,  282. 
reguii  371. 
reliciae  288. 
relinquunt  289. 
rellqui  265. 
reliquos  265. 
rem  260,  335. 
remures  282. 
r^M«  281,  282,  310. 
ren  316,  328. 
repango  321. 
reparo  321. 
repere  304. 
refaum  320,  368. 
requaerens  270. 
requireres  270. 
reri  265. 
rÄ*(Nom.d.  Sing.)  260, 

331,  332. 
re«  (Nom.  d.  Plur.)  275, 

333. 
re«  (Akk.  d.  Flur.)  314, 

336. 
resicare  269. 
resina  300. 
respublica  354. 
re;?/w  305. 
r^^  304. 
rff/ii//  320,  368. 
re^Wi  27o. 


rftr»  370. 

i2Äa<»/#  252. 

rÄ^rfa  252. 

i?Ä«*M^  252. 

rigare  384. 

rfma  281,  309. 

rm^i  309. 

rfjoa  264. 

riVe  342. 

rö%o  264,  275. 

rödere  265. 

rörfo  364. 

r(J^«n  309. 

rogare  264. 

Äotw«  304. 

i?omai  340,  341. 

Bomanoi  340. 

Bomanom  339. 

rorarius  303. 

roresco  266. 

röÄ  258,  325,  382. 

ro«a  252,  300. 

ro«a  335. 

rosam  335. 

rotundus  367. 

rM6<T  42,  94,  264,  282, 

330. 
rubicare  381. 
rubicundus  381. 
rubrO'  295. 
rwrfm  371. 
rwdo  364. 
rw^r«  303. 
Äö/o  103. 
rö/'w«  103,  296. 
rw^r/o  366. 
rügire  264. 
rumen  304. 
rümentum  281,  309. 
rumpii  163. 
rumpo  365. 
rwna  303. 
rwwcö  42,  48. 
rur«»,  rwrl  342. 
rMr«Mw  262. 
russum  312. 
BusHus  353. 
rii^um  312. 
rw<i7i*«  291. 
rutundus  271. 

SABELIO  254. 
Äiftmj  310. 
aabulum  301. 
sacerda  324. 
sacerdös  264, 285,  322, 

355. 
sacratissima  340. 
sacrifejc  355. 
s]aecl[ares  277. 
saeclum  277. 
saeculum  271. 
«flf^a  259. 
SaeturnuH  271. 
sägax  256. 


9^1^  265. 

«a/  328,  332,  872. 

8alapitta(8alaputtium) 

278 
»«/£>  328,  329. 
Hallgnus  872. 
Äa/*o  256,  366. 
«aZir^  367. 
«a/iic  283. 
«a//o  311,  365. 
saloute  275. 
salsum  307. 
»a/Mi  367,  371. 
salum  304. 
Äa/M^e«  336. 
«aZt?o«  261,  284. 
«a/f««  282,  300. 
.wm  229,  346. 
Sarnnfo  318,  319. 
Samnium  310. 
.«fam?«  314. 
sänctus  383. 
sanguen  328,  332. 
sanguittolentus  268. 
sanguis  328,  332. 
sanguisuga  355. 
Sanqualis  289. 
«öm/o  313. 
«ff/j/o  293. 
«cr/?^<rrt  346,  347. 
«arcio  256,  304,  366. 
«ar/o  366. 
sarmentum  313. 
sarpö  43. 
sarpta  313. 
sartus  313. 
ÄÄ«  229. 
»<ifT«  309,  315. 
«a/i«  27,  352. 
Äff/wr  27. 
satura  268. 
«öfu«  46,  259,  265. 
Savinus  294. 
scabellum  293. 
scabere  264. 
«cö6#  256,  369. 
«rafco  293,  297,  364. 
scaena  271. 
scaevus  259. 
scaina  271. 
«cdto  281,  309. 
scamnum  310. 
scandi  370. 
scando  24. 
scapres  293. 
Scaptensula  287. 
scaj^iito  265,  293. 
«cÄ/>M«  265,  293. 
w«fo  364. 
scecidi  368. 
scelestus  97. 
«f<'/Mi<  296. 
Schema  324. 
«cmrfo  302. 
scibam-,  sdbo  37^. 


926 


m.  LateiniBohes  Wörterverseichnis 


sciciderat  368. 

scicidi  368. 

scidi  368,  369. 

scies  :86. 

scindo  236,  265,  297, 

365. 
scirpua  302. 
8cli8  291. 
8clappu8  291. 
9co&»9  264. 
seöpae  265. 
scapulus  268. 
scortutn  285,  302. 
«corwci«  302. 
«coru^cu«  302. 
«(?r»6a  330. 
j^cri^o  264. 
scripae  374,  380. 
scriptum  305. 
acrobs  314. 
«crö/i»  281,  295. 
«eriWa  285. 
8c%dp9i  313. 
A(;a/Mm  264,  301. 
««  304. 

se  (=  8%)  326. 
secare  364. 
8ecerno  259,  285. 
8ecordi8  271. 
secundum  447. 
secundus  311. 
-«£iM<Ä  289. 
«fci«  312,  346,  447. 
«ceÄfii»  288. 
ife<2   (Eonjnnkt.)    346, 

458,  463. 
9^c;  346. 
8ed  (Präp.)  346. 
««</-  346. 
sedecim  350. 
M<f^o  256,  263,  265. 
8Mi8  326,  873,  875. 
8idi  265. 

«prfttwÄ  281,  306,  326. 
sidimtis  369,  372. 
9#d»/  369. 
8edülo  268. 
sedidus  324. 
sedum  315. 
M^r^/w  269,  270. 
s^mentum  281,  310. 
m  346,  522  ff. 
«»>  346. 
Seiapttei  257. 
.w7  377. 
.•»^/to  95,  310. 
sem-  287,  297. 
«^mW   135,   287,   349, 

351. 
sSmen  265. 
semermis  355. 
««mi-  39,  257,  265. 
semigraeciis  356. 
«<rmo?  287,  315,  351. 
semper  219,  287. 


sempitet'nus  283. 
««mti{  351. 
senati  389. 

senatarbus,  -ibus  344. 
8^Mo/u  (Gen.)  336. 
8enatud  342. 
senatueif  -i  341. 
Senat ui8  337. 
senatuos  336. 
senec-  325. 
seneces  325. 
«if««r  39,  285,  297. 
a^Mi  310. 
aenica  268. 
aenicia  325. 
aensum  807. 
-«en^-  287. 
aententiaat  317. 
sentina  287. 
«^»^io  365. 
seor«um  262. 
«<fp«e  347. 
«epfem  287,  291,  292, 

350. 
aeptemfluua  355. 
aeptemtrio  324. 
«<!p«-  350. 
aeptimei  341. 
aeptimua  94,  351. 
aeptingenti  313,  350. 
aeptu-  350. 
aeptuagenaumfumj  268, 

351. 
Septumulenus  286. 
Septunolena  286. 
aeptua  350. 
aepuUua  284. 
wgfwere  258,  360,  379. 
«egrttf  179,  297,  380. 
aequitur  25. 
aequor  54,  289. 
-aequoa  289. 
aerenaa  326. 
«<;r<»r^  (reihen)  304. 
«<?r^<f  (säen)  297. 
aerimua  361. 
aerior  353. 
»^rt7«  268. 
«enwo  327. 

«ifro(8äe)  154,266, 361, 

365. 
aerpere  292. 
»frp*i  313. 
«err<Ici4m  311. 
aervare  282. 
aervUium  330. 
aerpua  290. 
aeacentae  306. 
aeacenti  350. 
Äe«^/i  (fal.)  345. 
aescuncia  350. 
9^«9«m  281. 
aeaaita  H05. 
aeatertium  339. 
S^ftM  281,  306. 


«ef  (<=  «erf;  317. 

5«fu/r  251. 

»eM  273.  315,  526. 

»ea?  304,  350. 

aexcenti  350. 

aexiena  351. 

5eafit4«  306. 

«ex^tw  98,  351. 

«eru«  323. 

«•  260,  304,  346,  476, 

522  ff. 
»tfr«  345. 
«i6^»  345. 

«W  271, 295,  304, 345. 
aibÜtta  295. 
m6u«  381. 
««;  346,  522. 
»l<?a  257. 
aiccua  306. 
8ictt/u«  268. 
»fdö  61,  157,  263, 281, 

307,  365. 
«icfu«  304. 
«t<p<;  358. 
*iwi  145, 151, 173,257, 

261,  363,  377. 
«»fe  26,  377. 
«X  377. 
«mf  147,  377. 
«i/fiar«  295. 
W/!/f4«  295. 
aigiUum  271,  308. 
aignum  872. 
-«»  365. 
^eo  260. 
mVmo«  263. 
ailm  266. 
«♦m  377. 
aimilat  268. 
aimile  315. 
«tmt7w  96,  278,  329. 
«t  mmu«  526. 
aitnitu  299. 
9tm$/wr  299. 
si  modo  528. 
Wmp/«r  140,  287,  349, 

352. 
aimpludiarea  308. 
aimtd  451. 
aimulat  268. 
aimuUaa  322. 
9imuZ  tif  517. 
««m«^  (^=  «umu9^  266, 

363. 
«in  315,  526. 
aine  450,  872. 
aineto  268. 
aingillatim  351. 
aingolo-  351. 
*»«^tt/f  277,  287,  313, 

349,  351. 
aingtüum  351. 
ainiatimo»  353. 
«ifio  365. 
Mn<  377. 


^  quidem  528. 

airempafe)  315. 

airpua  302. 

rt«  276,  345,  346, 

««  ^=  «  rMr>  261. 

MMirum  267. 

«ww  267. 

ai  —  aiee  527. 

aiatimua  265,  361. 

»«rf(J  154, 164,361,365, 

^mi«  24,  173,  377. 

aU  276,  377. 

ai  tarnen  528. 

jTtto^^  317. 

aitia  306. 

*tfw  377. 

«tfMm.<r^  317. 

aitust  317. 

Ww  317,  465.  526. 

ai  —  re  527. 

«p«  —  ve  527. 

«r«  —  r«/  527. 

«;i«  304. 

aobolea  271. 

«odrtwiM  309. 

90&ri9  330. 

aohriua  271. 

«öc  224,  229,  346. 

socei  334. 

»oc^  257,  289. 

aoeeri  267. 

«öci^flw  268,  271. 

aocim  261,  289. 

aocora  271. 

«ocra  324. 

aocrua  329. 

aodala  324. 

«d<f^ff  261,  283. 

*oda/w  257. 

9d2  328. 

«o/<;um  822. 

aolea  292. 

aoHnunt  365. 

«d/ium  263,  292. 

aoUemnia  308. 

aoUennia  308. 

aolliatimo'  353. 

aolHatimtta  306. 

aolstitium  355. 

j?o/tM  348. 

«oiro  262, 266, 283, 300. 

«omfit«  39.  257,  310, 

330. 
«om/MttM  308. 
«owartf  367. 
«oiMTf  367. 
aona  363. 
»on/  267,  363. 
aonticua  363. 
«OHM»  367,  871. 
aonus  257,  330. 
«orÄeo  282,  284.  304. 
aordea  298. 
aordidua  304. 
Äoror  304,  328,  873. 


snr  grieohisoh«!!  und  lateinischen  Grammatik. 


«o«  284. 

sHmulux  281,  309. 

«m/(w  261. 

/anfftH  318. 

>,ortus  266,  320. 

«iinyuo  289,  290. 

M4mtAkk.d.8ing.)229. 

taniui,  347. 

*&.  229.  346. 

glip.  325. 

346. 

i'Hr<r«(u««  268,  320. 

sonpi»  257. 

Blipulare  277. 

»«m(l.aiiig.)358,363. 

larmts  a57 

*wm  257. 

s/(>cu8  256. 

sämfn  309. 

tarptsitn  285, 

ioro-  134,  257,  262. 

s/(/i  368. 

aummo-  853. 

eoTöm  257. 

»/ia/«8  304. 

»«•»»tu«  309,  353. 

rnrsum^nnus  285. 

«<mM  134,  297. 

atlembus  304. 

gump»i  312. 

r<7*««  268. 

aplen  304. 

g(iw  291,  304. 

««BJ/rfU8    312. 

(a«n«t  278.  302. 

«p/irnJ«  303. 

BLOCHS  304. 

,mmtum  312. 

te  303.  345. 

iparii  313. 

^tlnppH,  291.  304. 

»umi«  263,  278.  363. 

feba  306. 

»patiartu  360. 

mmachitx  269. 

Snnii  (I/»k.)  341. 

f«:Ai«a  278. 

«päfiu>»  265. 

slttrox  266. 

«ini  267,  363. 

r<n:i(»iMS((  278. 

»iwere  302. 

»ior«!  263. 

»uHtod  379. 

tid  345,  346. 

»p«w  161. 

Hiranguiare  287. 

fuom  262. 

(^rt-  (Nom.  legte)  325. 

xfnlfHx  43,  263,  285. 

suorelaurilia  355, 356. 

(«ffrti«  270. 

rtrnri  371. 

s«p-  293. 

ttglariux  322. 

>,2>elu>,ca  290. 

Mridi  370. 

luper  220,  293,  300, 

(ejjme«  309,  321. 

i-pepomU  368. 

«(r<j,«w  302. 

315.  45;). 

tfgo  264,  290,  302. 

gptre«,  -ibus  381. 

rtrinjfo  287. 

supera  211. 

rf£,o(.>  268. 

Hpernari  362. 

atrUovwt  304. 

»uptrbm  263,  329. 

liguUi  264. 

*pernert  362. 

sfrurrf  263.  290. 

»uperior  353. 

/fjjum^«  309. 

«pfi-No  365. 

straxi  290. 

.fa;>er«e  315. 

leguriHm  271, 

sp««  26.'),  381. 

«(ud«-e  302. 

supera$  353,  376. 

t«fru»  283. 

«1^  (Gen.)  338. 

«fumv»  302. 

«u;>ra  293,  446. 

»r«  310. 

«^  (Nom.  d.  Plur.) 

™oJ  304.  346. 

suprimo-  353. 

Itüu»i  310. 

333. 

»uadeo  265,  364. 

gup^teme  293. 

TeH«mo  281. 

ViVfo,  ipirit  257- 

(iwIWriir  27. 

«Urem«  293. 

Ullu»  308,  326. 

VOBrf«  369. 

maH  298. 

«uryo  322. 

«iuw  310. 

iponderit  37  . 

sud*w»i  304,  305. 

tvrrupere  270. 

temfrt  256. 

«uanum  (sorden)  298. 

sarniplum  270. 

femHo  365. 

»j«i7«.«rfi  368. 

«uarior  ;i53. 

»urBUffl  293. 

«mo  281,  310,  327. 

»popondit  369. 

-«aris  256,  261,  265, 

so»  61,  115,297,  329, 

tempere,  -i  326. 

»jwrfn  284. 

304,  329. 

332. 

temperier  102,  331. 

aporlula  284 

aub  24,  293,  300,  315, 

««r-  293. 

tempeslas  326. 

«j-rtri  285,  371. 

452. 

siucijiio  306. 

(«mpf»/a/c5iM259,268 

»jjß-Ho  264,  302. 

SHb.  305,  306. 

auno  283. 

tempealulem  325. 

»p»o  303. 

jiiibaquilw,  356. 

gui^icio  257. 

(fmj./Mm  308. 

«M  37«,  875. 

^ui«n.;^  .'i.'J4. 

«iwsHm  312. 

temporis  268. 

flabiliti  278. 

«Hi«iffT  3.54. 

»mum  312. 

*(«i«;««  295. 

iubolt«  270. 

si««».  303. 

(fmj*«*  326. 

tlämen  265. 

«Mt«.  314. 

guam  (Gen.  d.  Plur.) 

(^Arff-re  291. 

«Mn  297,  362. 

339. 

(Mdo  157,  311,  365. 

glarrm  375. 

-Hirf*/  270. 

sui«  257.262,297,544. 

l,..,-h;:  -2^:..  309. 

»ffl/im  327,  335. 

(*«(^/-e  364. 

Ktatim  quam  507, 

xiiW^r  305. 

labelai  277. 

tetHitur  312. 

»(n(«M  M(  517. 

bhWiI«  257. 

(nfcf«-«  277. 

((«or  325. 

utalio  27,  327. 

gitbfitifierf  305. 

tabolam  277. 

leniare  312. 

(rfoforf  .'J79. 

»Ät««  329. 

(oftute  277. 

(enfio  287,  381. 

Slätor  265. 

mtdor  304. 

fffri^n  309. 

lenlui  287. 

sro/HÖ  46.  260. 

j>iWuA  276. 

fnyam  357. 

(fHKi   .371. 

slalm  27. 60, 259, 265. 

«M<-re  303. 

(«yrt(  265,  364. 

fenuioe  353. 

a/fUi  302,  308. 

»»nix,  .»r»  329. 

iagit  357. 

fenuis  261,  287,  329. 

rf*m  377. 

«MM(Nom.d.Plar,}333. 

/(lyo  357. 

te»m  325.  451. 

»ItrcuK  289.  302. 

««f8{Dat.d.Pliir.)344. 

lalenlum  266. 

/enifw  262. 

««■Nf*■«^  263,  362. 

s«A.(Akk.d.Pliir.)335. 

/o(^  302. 

tepor  257. 

Mernimui  362. 

»ue»cere  304. 

/«H»  347. 

/fr  351. 

rfwno  361,  365. 

sue»eo  366. 

taius  310. 

(er-  874. 

sUniHö  71,  301,  361, 

««i8{Gen.d.Sing.)261, 

Inn.  346,  502. 

Terebonio  277. 

365. 

329,  330. 

tarne  346. 

(«■«■e  257. 

»»ffio  302. 

(«mrfiu»  298. 

teret-  (Nom.  (er«)  325. 

sierlirr  364. 

»H/rire  295. 

inmenetsi  527. 

reryere  302. 

««.■  308. 

'ujfragor  265. 

lergo  285. 

titftimM  37Ü. 

*ui  345. 

ta»»«  308. 

f^rjfiH  283. 

«(Mutr  309. 

SufaPW«  277. 

lermiw  323. 

928 


m.  LateiniBches  Wörterverzeichnis 


terminus  278,  291. 

term(i)nus  328. 

termen  328. 

terntentum  285. 

termo  328,  331. 

terni  136. 

tero  264,  285,  871. 

ten^a  264,  311. 

ierrdi  340. 

ferrere  311. 

/^r/a  307. 

f<»i-/M#w  99,    136,   285, 

351. 
terttis  313. 
terrenefice  874. 
terrium  874. 
T*»«!*/«)»  301. 
festamentum  313. 
lestimonium  267. 
teatumonium  267. 
/f»f<^(/»  369. 
^^iniV  369. 
/ffuZt  268. 
/e<i*/i7  369. 
^&r*  370. 
fexwj  372. 
/^a^i«  306. 
Thalassio  252. 
thensaurus  287. 
/i6^  345. 
/i7^<'*  345. 

/i6/  128,  271,  303,  345. 
tiblcen  275,  354. 
tigillum  271. 
//>;Mm  256,  310. 
tilia  301. 
timedus  268. 
liniere  256. 
//;;r/ii,s-  289. 
//n^o  256. 
//w^//o  289. 
^/>  345. 

/w  f=  /Mw;  262. 
tii<ana  301. 
ra/^'Ä  333. 
^0/"*/^  295. 
^o^^ff  264. 
töU'H  809. 
^>/*  267. 

loUo  263, 283, 285, 365. 
Tolomaid  301. 
/r>;m/-f  302. 
/o;i(/fo  369. 
t andere  312. 
tonyent  264. 
longionem  (prän.)  264. 
fonores  266. 
tofiotru  271. 
tonsiUae  309. 
tonst  rix  313. 
/oi^i^cr  305,  314,  346. 
torrulus  96,  290. 
torpeo  264. 
tonjueo  2G4. 
torreo  367. 


torrere  311. 

/or*i  313. 

^oWi«  313. 

/orwm  329. 

/oruÄ  263,  302. 

^orrwÄ  284,  290. 

<o«  346. 

^oä/m^  284. 

/o^  315. 

totiena  352. 

totidem  315. 

fo/on(fi7  369. 

to/MÄ  315,  348,  549. 

tovfamj  257. 

Mro-  131. 

^otYW  134,  291. 

^rflfc*  257,  322. 

/ro^M/a  294. 

fraha  294. 

trahere  294, 

^ra»«  314,  447. 

transferr  380. 

^rea  349. 

trebihos  344. 

trecenti  350. 

tridecim  307, 350, 354. 

tremesco  (tremisco)  366 

tremonti  359. 

^r^n»  285. 

^rfe  260, 275, 291, 333, 

349. 
tressis  349. 
frta  349. 
/n^a,9  337. 
//•#(?rt^  264. 
friceps  356. 
trichilino  278. 
tricies  351. 
tricitinium  278. 
/rico  264. 
trien»  351. 
^rli/riw/rt  126,  276,  334, 

350. 
<riw«  285,  351. 
/Wo  302,  308. 
/r/;M^  139. 
tripodare  263. 
triquetrus  289. 
triresmom  310. 
/rw  335. 

trisaedisenex  356. 
trist ific US  355. 
//•/.v/W  329. 
tritams  304. 
trituH  285. 
//•/»///<  261,  339. 
trinmpe  293. 
triumphans  252. 
friuniphus  293. 
triumvir  324. 
//•7r/  264,  285,  871. 
Troiugena  355. 
/;•!(«  220,  303. 
trüdere  264. 
/;•/(//(/  220. 


fru/iita  268. 
/u  345. 

/öft^T  281,  286,  872. 
tubulustrium  355. 
tugurium  264,  271. 
/u/  345. 
/u/i  267. 

/ww  309,  347,  462. 
tumulxis  286. 
tundere  302. 
/wwica  267. 
turanne  251. 
/wrfta  302. 
turbasftitur  374. 
iurhinis  333. 
/«rfco,  -itft>  327. 
Tiirfto,  -ö«i«  327. 
/wn/MÄ  302,  313. 
/ur^^re  284,  302. 
turrim  335. 
/wr/Mr  328. 
/M5  251,  275,  325. 
Tiiscolana  277. 
Tm^cmä  313. 
/M/wrfi  147. 
/u/ik/f,  /M/tk/t  369. 
/M/M<///  269. 
tutudisse  380. 
/w?i^  257,  291. 

il6<?r  284,  295,  328. 

Mft^r/a«  299. 

übet  273, 

M^;i  12Ö,  290, 348,  520. 

ubicumque  520. 

i*///i/?>»  520. 

üdus  281,  321,  873. 

Ufens  296. 

w/riix  257. 

m/<>  292. 

Ulixes  292. 

I///0  r=  ii^so)  374. 

t///i<,<»  308, 32 1,348, 547. 

ulmus  284. 

w/««  308,  321. 

w/.^  337,  347,  444. 

ultimo-  353. 

M//r(Z  342,  347,  444. 

ultus  313. 

uluJare  267. 

umbilicus  267,  295. 

Mw/>o  267,  327. 

umeruA  46,  267,  277, 

330. 
unanimus  354,  356. 
w/i<?m  267. 
unctus  383. 
uncula  351. 
uncuH  54,  267. 
M/i(/ri  311. 
I  i/wr/<'  290. 
undecini  269.  320. 
underiginti  354. 
*/;ii/f'////  289. 
*/w^M<'/i  290,  327,  328. 


unguentum  327. 
M>i^M«r   56,   267,  29; 

329. 
unguo  289. 
unitas  325. 
u»o-  349. 
uMOi'^um  312. 
utio^<;  312. 
önM«  135,  274,  348. 
üpilio  267. 
upupa  271. 
Mr6«  314,  332. 
urceus  313. 
mV^^o  257,  300. 
urgere  289. 
urguere  289. 
Äritia  300,  325. 
wr»a  313. 
örö  66,  264,  364. 
wri»M«60, 267, 284,312 

313. 
usce  288. 
usiö  332. 

M^^M«  226,  451.  584. 
tissi  370. 

ussurae  298,  305. 
M^/Mr«  306. 
tisurpo  322. 
ü^(.*¥  305. 
u/  315,  515  ff. 
lUarus  360. 
M/  (cum)  513. 
utcumque  516. 
M/<?i  348,  515. 
i//<T  290,  353. 
uterque  548. 
M/i  315,  348. 
ntito  379. 
m/  «<'  518. 
utor  365. 
utpote  (cum)  513. 
1//  (/!<«  516. 
»</  ^MO/w  516. 
utro'  348. 
utrum  455. 
utrum  —  fZM  234. 
M/  .v/  528. 
f//M/  516. 
Mrn  295. 
urere  290. 
uriduH  873. 

ra ratio  258. 

raratum  367. 

racirus  258. 

rar u US  25?<.  2»>2.  :>no 

rrti/-  325. 

rädere  265. 

r(if/o  364. 

rädum  265. 

rfff  416. 

f'rt/r/*'  311.  321. 

m/frt'  290. 

rrf/rr/  335. 

Valesius  299. 


znr  griechischen  und  lateinischen  Orammatik. 


929 


valgua  282. 
vapor  290. 
variegare  268,  271. 
Varro  279. 
Varus  279. 
rasndum  257. 
rassa  299. 
rasum  299. 
rf  83,  465. 
-re  222. 

-r^ re  233. 

vectigaliorum  339. 

recfwm  301,  305. 

regere  257. 

rez/^/M«  269,  270. 

r^-Äöri«  360. 

vehemens  325,  381. 

vehere  264. 

vehittir  360. 

reÄw  145. 

vehitis  359. 

r^'Äi'^ö  26. 

reÄo  294,  364. 

reicus  264. 

reiginti  350. 

f?ew  364. 

veivont  264. 

rW  378,  465. 

r£>/-  284. 

iW*m  363,  364,  377. 

F«f/t7ra«  342. 

r«?//a  310. 

rtfi/f311,363,364,379. 

vellere  290. 

uifWo  365. 

veUus  285,  304. 

tv/öc-  325. 

vilum  (Flosa)  310. 

r#/Mw  (Hülle)  309. 

relutsi  528. 

1?^»!^««  275,  300. 

venefcus  315. 

F(pM^r<?m  267. 

Veneres  336. 

Venerus  119. 

f?e*fi  186. 

r««/a  257. 

renimus  369. 

r<>«iö   55,    261,    286, 

308,  366. 
venire  290. 
rinire  354. 
r^noi»  258,  269. 
r«>/wi<;a  287,  299. 
renier  328. 
fviiAMm  286,  287,  812 
re»tHi<  265,  279,  362. 
renum  257,  309. 


Venus  257,  326. 
1?^  257,  299,  328. 
verher  257. 
t7^r&uw  282. 
Verecunnus  312. 
vereor  257. 
r^r^er^  282,  364. 
r^rmi»  100,  285,  290. 
verna  2bl,  298,  384. 
vero  464. 
r^rrer«  290,  311. 
verres  311. 
rersurn  807. 
versus  447. 
veriehra  96. 
m-/^rö  28,  259. 
Vertex  258. 

pfTfw^f  28,  259. 
rcr/o  258,  284. 
r^rw  290,  323. 
verum  464. 
vervix  111. 
vesica  299. 

Vesper  60,  257. 

vespertilio  286. 

F^»/a  2^7,  298. 

F^«/er  258,  346,  353. 

vestihulum  315. 

r^5<w  257,  297. 

vestriy  -orumf  -um  346. 

rf/rtr<?  258,  364. 

r^^r  326. 

veternus  298. 

F<^Mria  258. 

re/i*5  291,  326,  873. 

rex*  301. 

via  294. 

rm«  338. 

viceni  351. 

vicensimus  307. 

vicesimO'  351. 

ric^imu^  137,  305. 

nV^^ma  322,  351. 

rjc»  186,  370. 

WctV«  351. 

vicis  259. 

rtc^oric  340. 

victorius  330. 

ricMÄ  264,  274. 

vicvs  253. 

victriC'  325,  328. 

vldün  309,  315. 

videram  374. 

rT(ftve  259,  265,  291. 

rW^im  374,  377. 

viderlmus  169. 

rkf^ro  169,  190,  374. 

W<// 186, 265,  368, 369 


vidimus  809,  372. 

vidua  262. 

viduertas  299. 

viduus  295. 

f?ie»  344. 

W^#7  257,  323,  328. 

rtViV»  328. 

vigintl  30,    123,  137, 

287,  323,  350. 
viglias  322. 
vllic^is  310. 
rf«i»  309. 
r»//a  310. 
r»m  118,  335. 
vinclum  277. 
vindemia  320. 
vindex  356. 
vindiserit  375. 
n'wm  268. 
vinofentus  268. 
t?i»ö^»«<  109. 
r?»Mm  264,  274. 
Viocurus  355,  356. 
wo/ar«  367. 
viölasit  375. 
Violatod  379, 
fMö?f«Ä  367. 
nrco  291. 

r«v^  325,  328,  873. 
vir OS US  305. 
rir/M/fi  343. 
rfrujj  259,  333. 
in«  24,  115,  118,  259, 

328,  332,  835,  337. 
vis   (Nom.    d.   Plur.) 

333. 
vis  (2.  sing.)  364. 
visere  365. 
visne  309. 
w««e  365. 
t?iīo  298. 
Vistula  277. 
TtVorm  (prän.)  306. 
vitta  310. 
nVu/w»  277,  300. 
vius  262. 
rirefeo  376. 
vJvere  264,  300. 
r»ro«  55,  290. 
vivoiis  275. 
t^>«Ä  262. 
vix  315. 
t'ijrj  300,  383. 
vixt  322. 
röfc?«  346. 
rör-  324. 
vocatio  258. 


vocem 


5. 


roctf«  (Acc.  d.  Plur.) 

336. 
vocihus  344. 
vocivus  258. 
roco  257. 
roct/m  339. 
roruu«  258. 
vois  364. 
ro^  284. 

fotom  (Eonj.)  364. 
volare  290. 
Volaterrae  257. 
volimus  (=  volumus) 

278,  364. 
roZ/iws  304,  308. 
ro/o  363,  364. 
volt  363,  364. 
voUis  363,  364. 
volucer  269. 
Volumnius  257. 
voluntarius  315. 
ro7uo  262. 

ro/ui>  257,  277,  315. 
voluptatei  341. 
-po/«j?  290. 
ro/co  257,  262,  300. 
row<T  326. 
vomis  326. 
row»«  (2.  Sgl.)  259. 
vomo  257. 
t'oo/Mm  (fal.)  252. 
vopfe  307. 
vorare  258. 
ror»u«  284,  312. 
vortex  258. 
vortimus  284. 
ror^o  258. 
-vorus  290. 
röÄ  346. 
i?05<<fr  258,  346. 
votare  258. 
Voturia  258. 
t?orw  56. 
twj  371. 

röjr  116,  263,  332. 
t?oa?or  300. 
Villgus  333. 
vulnificiis  355. 
vulpiö  105. 
vulsus  284. 
rw/^  314. 
t?M/fMr  328. 

Zanuari  297. 
zenaiuo  (fal.)  336. 
Zfw/  250. 
Z^arfo^  (fal.)  337. 
Zoi»Äi«e  297. 


Haiulbucb  der  klaf».  Alicrinniawiraenschaft.  II,    2.  Aufl. 


\Ä 


930 


IV,  VerEeichnis  der  nichtlateimschen  italischen  BialektwOrter. 


IV.  Verzeichnis  der  nichüateinischen  italischen  DialektwOrter 

von  Fr.  Stolz. 


Ahelanüi  (osk.)  260. 
Abellanüls  (osk.)  343. 
abrons  (umbr.)  335. 
Adef'l  (osk.)  308. 
afded  (päl.)  293. 
ahesnes  (volsk.)  309. 
aidüi»  (osk.)  333. 
a%808  (marruc.)  344. 
Alies  (piceü.)  330. 
amfret  (osk.)  295. 
amprufid  (osk.)  343. 
an-  (osk.-umbr.)  288. 
anafriss  (osk.)  287. 
aprof  (umbr.)  335. 
ar  (volsk.)  292. 
arfertur  (umbr.)  292. 
arpatitu  (volsk.)  257. 
asignas  (marruc.)  334. 
asnata  (umbr.)  304. 
avti  (osk.)  221,  315. 
a£  (osk.)  292. 

Bantins  (osk.)  323. 
benust  (umbr.)  290. 
herus  (umbr.)  290. 
bipus  (osk.)  290. 

cadeis  (osk.)  283. 
casnar  (päl.)  309. 
ccw^rorÄ(osk.)120,337. 
censamur  (osk.)  360. 
censaum  (osk.)  367. 
censiur  (osk.)  333. 
cerfum  (päl.)  339. 
cnatois  (päl.)  344. 
caisaiens  (päl.)  274, 305. 
com  (umbr. -osk.)  49. 
comohota  (umbr.)  275. 
camparascuster  (osk.) 

374. 
covortuso  (umbr.)  374. 

dat  (osk.)  316. 
deded,  ^edet  (osk.)  372. 
des  (päl.)  325. 
deve  (volsk.)  340. 
Diumpals  (osk.)    128, 

266,  283,  343. 
Diüvei  (osk.)  341. 
dupursus  (umbr.)  349. 

ecuc  (päl.)  348. 
<'^mazwm(osk.)300,340. 
Hte  (päl.)  362. 
eka  (osk.)  348. 
eituas  (osk.)  338. 
eizuc  (umbr.)  347. 
emantur  (umbr.)  360. 
etnpratois  (päl.)  343. 


en  (umbr.)  256. 
ere  (umbr.)  347. 
erek  (umbr.)  347. 
erietu  (umbr.)  257. 
estud  (osk.)  379. 
etatu  (umbr.)  379. 
fa^efele  (umbr.)  295. 
fakust  (umbr.)' 369. 
famel  (osk.)  277. 
fasena  (sab.)  295. 
fefacid  (osk.)  379. 
fefacusi  (osk.)  369. 
fefure  (umbr.)  372. 
feliuf  (umbr.)  257. 
ferar  (umbr.)  361. 
ferenter  (marruc.)  861. 
feret  (=  fert  marruc.) 

363. 
feHlid  (päl.)  278,  342. 
flusare  (sab.)  342. 
frater  (umbr.)  333. 
Fuutrei  (osk.)  328. 

Gaaviis  (osk.)  262. 

Herclo  (vest.)  277, 340. 
Hereclüi  (osk.)  277. 
Herentaiei  (osk.)  341. 
Herentateis  (osk.)  337. 
herter  (umbr.)  361. 
hipid  (osk.)  379. 
homonus  (umbr.)  327. 
hondamu  (umbr.)  353. 
hostatir  (umbr.)  264. 
hurtüi  (osk.)  340. 
kürz  (osk.)  314,  323. 

ii  (umbr.)  347 
Ha  (osk.)  347. 
Ikuvins  (umbr.)  323. 
inumk  (umbr.)  347. 
Javias  (marruc.)  338. 
Jories  (mars.)  344, 
iovila  (osk.)  321. 
Joviois  (päl.)  344. 

kahad  (osk.)  264. 
kapres  (umbr.)  337. 
katles  (umbr.)  277. 
keenzstur  (osk.)   ;J05, 

306. 
kerreia-  (osk.)  299. 
KUpiis  (osk.)  330. 
Koisis  (umbr.)  330. 
krustaiar  (osk.)  361. 
kümbened  (osk.)  290. 

lex-e  (päl.)  256. 
Ukitud  (osk.)  379. 


Loucies  (päl.)  330. 
Lurfreis  (osk.)  274. 
lürkan-  (osk.)  273. 

mais  (osk.)  112. 
manf  (umbr.)  874. 
manuv'€  (umbr.)  256, 

342. 
meddix  (osk.)  326. 
medicatinom  (osk.)  327. 
mtdicim  (osk.)  92. 
medikeU  (osk.)  336. 
meds  (umbr.)  326. 
meiiai  (osk.)  295,341. 
mehe  (umbr.)  295,  345. 
memnim  (osk.)  263. 
tnesene  (sab.)  342. 
mestru  (umbr.)  352. 
minstrels  (osk.)  352. 
müinikei  (osk.)  341. 

neip  (umbr.)  289. 
nerf  (umbr.)  336. 
nesimei  (umbr.)  343. 
nesimo  (umbr.)  383. 
Niumsieis  (osk.)  277. 
Niumsiis  (osk.)  330. 
nomner  (umbr.)  278, 

328. 
Nüvfanüm  (osk.)  339. 
Nüvlanüs  (osk.)  334. 

ocre  (umbr.)  342. 
onse  (umbr.)  277. 

Pacries  (mars.)  330. 
pa{  (osk.)  348. 
Paiana  (osk.)  311. 
paterei  (osk.)  341. 
pegetom  (umbr.)  367. 
peku  (umbr.)  324. 
peraknem  (umbr.)  335. 
p€rkedne[i8]{o8\iJ)  310. 
persklum  (umbr.)  277, 

291. 
persnimu  (umbr.)  366. 
-pert  (umbr.-osk.)  219. 
pestlom  (osk.)  277. 
pestlüm  (osk.)  291. 
petiropert  (osk.)   219, 

314,  874. 
petora  (osk.)  257,  349. 
petur  (umbr.)  257. 
peturpursus    (umbr.) 

349. 
pihaclo  (umbr.)  277. 
pihafi  (umbr.)  297. 
pihaklu  (umbr.)  291. 
pihaner  (umbr.)  311. 


pikaz  (umbr.)  314, 22S. 
pis  (osk.)  348. 
pis  (umbr.-osk.)  289. 
pisest  (umbr.)  348. 
po-  (umbr.-osk.)  389. 
poe,  poei,  poi  (umbr.  I 

348. 
pomp-  (osk.)  3^0. 
pople (r)  (umbr.)  344. 
popler  (umbr.)  337. 
poplom  (umbr.)  277. 
posmom  (osk.)  353. 
pretra  (umbr.)  353. 
prismu  (päl.)  309. 
pristafaiacirix   (päl.) 

291. 
pritrom  (pael.)  353. 
promom  (umbr.)  94. 
puf  (osk.)  290,  348. 
pufe  (umbr.)  290,  348. 
pui  (osk.)  348. 
puklois  (päL)  344. 
pümpaiianeis    (osk.) 

337. 
pumpe   (umbr.)   263. 

350. 
Pupdüs  (osk.)  275. 
pupäike  (umbr.)  275. 
puple(s)  (umbr.)  344. 
puplu(m)  (umbr.)  339. 
purdofntu  (umbr.)  167. 
pure  (umbr.)  349. 
puri  (umbr.)  349. 
pu8  (umbr.)  316. 
pusi  (umbr.)  349. 
pusme  (umbr.)  347. 
pütiad  (osk.)  358,  363. 
püiürüspid  (osk.)  290. 

Rufries  (päl.)  330. 

sacaracirtx  (päl.)  291. 
Safinim  (osk.)  310. 
sakahiter  (osk.)  361. 
sakarakleis  (osk.)  3^7. 
sakaraklom  (osk.)  277. 
sakaraklüm  (osk.)  291. 
sakarater  (osk.)   300, 

361. 
scensas  (sab.)  302. 
sefei  (päl.)  345. 
seni  (umbr.)  41,  363. 
sei  (osk.)  363. 
seraknim  (umbr.)  335. 
s4fH  (osk.)  295,  345. 
siom  (osk.)  345. 
sipus  (osk.)  381. 
akriftas  (osk.)  334. 
snata  (umbr.)  304. 


IV.  Terzeictmis  der  niohüateinischen  italischem  Dialektwörter. 


931 


socie  (mars.)  384. 
soloiM  (päl.)  343. 
siaßarem  (umbr.)  295. 
siahu  (umbr.)  297. 
Step} ata  (umbr.)  277. 
suhocnu  (umbr.)  370. 
sum  (osk.)  358. 
i*Hoh  (päl.)  343. 
srai  (osk.)  225,  346. 
sve  (umbr.)  346. 

Tafanii's  (volsk.)  330. 
tafle  (umbr.)  277. 
tatKjinom  (osk.)  264. 
tapistenu  (umbr.)  257. 


tefe  (umbr.)  345. 

ierel  (osk.)  121,  341. 

tiom  (umbr.)  345. 

TtaHe  (umbr.)  303. 

totdM  (umbr.)  120. 

tote  (umbr.)  340. 

torer  (umbr.)  257. 

traf  (umbr.)  309. 

treheit  (umbr.)  257. 
'  trihriifine  (umbr.)  327. 
■  trifor  (umbr.)  337. 

trllhom  (osk.)  257. 

trliuper  (umbr.)  314. 

trhtaatnentud    (osk.) 
313. 


Trutith  (umbr.)  330. 
Turscum  (umbr.)  313. 
tursituto  (umbr.)  311. 
tutaf  (umbr.)  336. 
tHtaru(m)  (umbr.)  340. 
tHtan  (umbr.)  338. 
tuten  (umbr.)  344. 
tuva  (umbr.)  261. 
tuvai  (osk.)  257. 

iihUm  (osk.)  349. 
tUttluf  (osk.)  332. 
uWes  (umbr.)  335. 
umen  (umbr.)  290. 
nnu  (umbr.)  349. 


üpsannam  (osk.)  311, 

322. 
upsaseter   (päl.)    322, 

361. 
Uranias  (päl.)  838. 
urfatt  (umbr.)  334. 
Ute  (umbr.)  315. 

re^etom  (umbr.)  367. 
Veleatrom  (volsk.)  339. 
rescfa  (umbr.)  257. 
Vesune  (mars.)  340. 
viai  (osk.)  341. 
vhss  (osk.)  336. 
vitluf  (umbr.)  277. 


\Ä 


B.  Sachregister  zur  Lexikographie  und  zur  Rhetorik. 


actio  675. 

Aelius  Dionysius  590. 

Aelius  Stilo  608.  610. 

aywysg  656. 

dyiovunixrj  Xi^ig  671. 

aUij  at^ag  606. 

Ailios  s.  Aelius. 

nlintadcTy-Lexikon  595,  1. 

aiTioy  651. 

Alexander  Niunenii  648. 

Allegorie  664. 

Allgay  er  s.  Krebs. 

allgemeine  Hilfsmittel   der  Rhetorik  645. 

amhiguitas  652. 

Ambrogio  da  Calepio  612. 

Amerias  589. 

Ammonios  589.  592.  593. 

iifÄ(ftßoXia  652. 

dfKpidioQ&Mafg  668. 

icyadlnXuxng  666. 

c(yax6(pf(Xaiü}atg  658. 

(iyccxolyioatg  668. 

Anaphora  666. 

Anastrophe  665. 

Anaximenes  640. 

Andrews  617. 

Angemessenheit  des  Ausdruckes  062. 

Anonymus  Segueri  657. 

icyTnynxXaatg  607. 

Anthypophora  008. 

((yre'yx'ATjjUtt  052. 

ayTi^saig  052.  057.  008. 

((rTiXrjxIfig  952. 

ceyrt^ern&eoig  067. 

ayriyouitt  052. 

Antiphrasis  004. 

€lytloi€toig  652. 

Antisthenes'  /«^«xr^^ff  rov  Xoyov  041. 

Antistrophe  000. 

Antonomasie  004. 

Aphthonios  045. 

Apion  588.  589. 

Apollodoros  von  Porgamon  043. 


ApoUodoros  von  Cyrene  589. 

Apollonios  Archibiu  588. 

Apollonios  Sophista  588. 

Aposiopese  668. 

anoaxQotprj  668.        .     • 

Apsines  644. 

Aquila  Romanus  644. 

Archedemos  von  Tarsos  650. 

ctgextd  rrjg  Xi^etag  662.  673. 

Ajevalo  609. 

argumentatio  656. 

Aristides  643.  673. 

Aristophanes  von  Byzanz  589. 

Aristoteles'  Rhetorik  u.Tf;|f*'cJ*'  ovyccytayrj  040. 

—  Topik  050. 

d'Arnis  s.  Maigne. 

Artemi doros  589. 

aaiaalaattt  051. 

(cffvyderoy  000. 

Asystata  053. 

Athenaeus  Rhetor  649. 

Atti  eisten  591. 

Auffindung  des  rednerischen  Stoflfes  (ei^eatc. 

inventio)  047.  048. 
Aufgabe  des  Redners  048. 
Aurelius  Opilius  008. 

Bachmann's  Lexikon  594  f. 

Baebler  009. 

Bailey  010. 

Bakchios  589. 

Basilidos  588. 

Beispiel  050. 

Benseier,  G,  E  003. 

beratende  Beredsamkeit  059. 

Bestand  der  Frage  050. 

Beweis  050. 

Birrius  015. 

Boeckh  030. 

Boethos  589. 

Bonneil  018. 

Budaous  (Budö)  013. 

Blicheier  030.  031. 


B.   Sachregister  vor  Lexikographie  and  znr  Rhetorik. 


933 


Burer  614. 
Bursian  611.  614. 
Bursian-Müller  616. 

Caecilius  von  Calacte  590,  643. 

Caelius  Secandus  Gurio  614. 

Calepinus  612,  613. 

capitula  finalia  659. 

Catholicon  610. 

causa  649. 

catisativum  litis  651. 

XaXvvoi  670. 

XttgaxTtJQeg  671. 

Chirius  Fortunatianiis  641. 

Choiroboskos,  Georg.  594. 

XQtiifia  654. 

Cicero  622,  623. 

circumlocutio  664. 

circumstanHa  649. 

color  654. 

communicatio  668. 

comparatiOy  compensatio  652. 

complexio  666. 

concJtisio  058. 

condupHcatio  666. 

confessio  668. 

congeries  666. 

constitutio  causae  652. 

—  turidicialis  652. 

—  Script i  et  voluntatis  raciocinatira  652. 
controtersia  641. 

Corradini  617. 
Curio  s.  Caelius. 
Cyrillus  595. 

Damm  COl. 

decimator  614. 

Definition  der  Rhetorik  649. 

detyoTTjg  671. 

declamationes  644. 

SrjfirjyoQia  659. 

Demetrios  -n^Qi  iQfxtjyeiccg  641. 

Demetrios  Phalereus  640. 

Demetrios  6  Dvxrtjg  589. 

Demetrios  Ixion  589,  590. 

Demokritos  588. 

deprecatio  652. 

Deutlichkeit  des  Ausdruckes  662. 

De-Vit  617. 

diaigsaig  661. 

Dialektglossen  589. 

dianoQTjffig  666. 

Didot,  Firmin  602. 

Didymos  /aAx^irf^off  590. 

Didymos  Areios  589. 

Diefenbach  615. 

Svrjyrjüig  655. 

dixaioXoyltt  652. 

Diodoros  589. 

Diodoros,  Val.  591. 

Diogeneianos  592. 

Dionysios  von  Halikamass  589.  643. 

DiosKorides  d.  J.  589. 

direkte  Widerlegung  658. 

Dirksen  619. 


Doederlein  617.  619. 
Dorotheos  590. 
Dositheos  593. 
Ducange  615. 
ductus  654. 
SvgitQoqiOQa  670, 

intp^Yi  607  n. 

Ebert  608. 

Eckstein  609. 

egressio  655. 

Einfluss  der  Aristotelischen  Rhetorik  auf  die 

Folgezeit  641. 
Einfluss  der  Stoiker  auf  die  Rhetorik  641. 
Einleitung  der  Rede  655. 
Einteilung  der  Rede  658. 
Einteilung  der  Rhetorik  645. 
Eirenaios  591. 
iXiov  stgßoXrj,  ixßoXij  658. 
Empedokles,  Erfinder  der  Rhetorik  639. 
iydgyeia  663. 
Eniliymem  656. 
enumeratio  658. 
Epanaphora  ß^Q, 
indvooog  658. 
effodog  655. 
Epicheirem  656. 
epideiktische  Rede  659. 
intdioQ&oiaig  668. 
Epikles  589. 
Epilog  658. 
Epitherses  591. 
iniTQOTiij  668. 
Erasmus  611. 
Emesti  601. 
Erotianos  589. 
Erzählung  655. 
Estienne  612. 

Etymologicum  Magnum  596. 
Eudemos  656.  593.  595. 
Eudemos  aus  Augustopolis  594. 
Eudokia  595. 
Euphemismus  664. 
i^egyaola  661. 
expolitio  der  Chrie  661. 

Faber  614. 

Fabricius  612. 

Facciolati  616.  618. 

Favre  615. 

Festus  608. 

Figur  665. 

figura  causae  653. 

firmamentum  651. 

Fleckeisen  630. 

Forcellini  616,  617,  626,  628. 

Franz,  Jo.  601,  602. 

freni  671. 

Freund  617,  628,  630. 

Furlanetto  616,  617. 

Galenos  589. 

Gedächtnis  (Gedächtnisörter^Gedächtnisbilder, 

674,  675. 
Geier  618. 


934 


B.  Sachregister  zur  Lexikographie  nnd  znr  Rhetorik. 


Geiger  611. 

Gellius  609. 

Genethlius  644. 

genus  causae  653. 

Georges  616,  617,  618,  624,  628. 

Gerichtliche  Beredsamkeit  648. 

Geschichte  und  Einteilung  der  Rhetorik  639. 

Gesner  614,  615,  616,  626,  628. 

Giovanni  de  Balli  610. 

Glaukias  589. 

Glossarium  eroticum  619. 

glossarum  Über  595. 

Glossen  587  f. 

Götz  609. 

Gorgias  639. 

Gorgias  d.  J.  643. 

gradatio  666. 

Gräfenhan  608. 

grammatische  Korrektheit  662. 

yQttfpixTJ  Xe^ig  671. 

Gröber  634. 

Grunderfordemisse  der  rednerischen  Dar- 
stellung 662. 

Grundformen  des  rednerischen  Ausdruckes 
673. 

Gürtler  616. 

Gundermann  609. 

Haase  609,  611,  635. 

Halm  630. 

Hand  618. 

Harper  Gl 7. 

Harpokration  589,  590. 

Hederich,  B.  601. 

Heerdegen  621. 

Helladios  aus  Alexandria  593. 

Herschel  615. 

Herakleides  Pontikos  589. 

Herennios  Philon  592. 

Hermagoras  642,  647,  648,  650. 

Hermogenes  643,  645,  651,  658,  673. 

Hermolaos  594. 

Hermonax  589. 

Herophilos  589. 

HevSse  619. 

Hesychios  aus  Alexandria  594. 

Hesychius  Milesius  ülustrius  594. 

Heumann  619. 

Hiat  670. 

Hudemann  618. 

Hühner  616. 

Htiser  618. 

Hugutio  610. 

Hutchinson  615. 

Hypallage  663. 

Hyperbaton  665. 

Hyperbel  664. 

vnodetTig  649. 

vnoxQiat^g  676. 

Hypophora  668. 

Hysterologie  665. 

Jacobs  u.  Ukert  610. 

Jakobitz  603. 

tdem  Tov  Xoyov  673. 


Ullis h  664. 

incrementum  666. 

indirekte  Widerlegung  658. 

insinuatio  655. 

intellectio  648. 

Joannes  Januensis  610. 

Joannes  Philoponos  594. 

Johannes  de  Garlandia  609. 

Johnson  615. 

Ironie  664. 

Isidorus  609. 

iaoxatXoy  667. 

iteratio  666. 

iudicatio  651. 

Julianus  591. 

K&rcher  628. 

xttxoCtjXov  662. 

xafinij  670. 

Katachrese  665. 

xaranXoxij  t^g  ägfioylag  674. 

xaraaxevtj  xBtpaXamy  656. 

KeU,  K.  603. 

Kleitarchos  589. 

Kleitarchos  aus  Aegina  594. 

xXTfitt^  666. 

Klotz  617,  618. 

Koeler  626. 

Koffmane  618. 

xoivog  ronog  658. 

xoivoivla  668. 

xtaXay  xojLtfittta  669,  670. 

Komposition  und  Rhythmus  der  Rede  669 

Korax  639. 

KQteTr]g  von  Mallos  589. 

Kratinos  588. 

Krebs- Allgay  er  618. 

Kreusser,  0.  603. 

XQlVOfJLBVOV   651. 

Kumanudes  603^). 

Künstlerische    Gestaltung    des    sprachliche 

Ausdnickes  647. 
Künstlicher  Beweis  656. 
Kunstberedsamkeit  645. 
Kyrillos  594,  595. 

Law  615. 

leg  es  contrariae  632. 

XeifAüjy  des  Paraphilos  592. 

Lexicon  catholicon  616;   Baclvmanni   594  f 

Vindobonense  596;  griech.  Lex.  597  ff 

griech.  Speziallex.  603  ff. 
Xe^tg  eiQoueyf],  xareoTQnu^syTj  Uy  negtodot 

669. 
liber  glossarum  595. 
licentia  668. 
Litotes  664. 
locus  communis  658. 
Löwe  609. 
Xöyog  TJoXcTixog  672. 
Xoyov  öBfJLyorrjg  663. 
Longin  643,  644. 
Lübker  618. 
Lünemann  617,  625. 
Xvavg  657. 


B.  SachregiBUr  inr  Lexikograpliie  and  snr  Bhetorlk. 


Hai  (!10. 

Maigne  d'Amis  615. 

MarcellinuH  644. 

Menander  ntpi  ^tAwrtJiiüf  044. 

Mcrcier  009. 

Mersuct  618, 

fietuXiitfiit  (ststus)  t}51. 

ficttihixpii  (tropuB)  064. 

Metapher  (i03. 

uciäaiains  652. 

Meihodios  595. 

Metonymie  6G3. 

Mever  iW.)  610. 

Miüne  0011.  015. 

Hischlencoa  bm. 

Moiris,  Ailioa  591. 

Morhuf  012,  (iU. 

Mtthlmnnn  018. 

Müller  IC.  0.)  609. 

Mülk-r  (Luciftn)  OOSt. 

Nauknitos  ■OSO. 

Noiikk'n  II. 'i7 

Nooiitiil.'iJKis  aiifl  l'orium  :««*. 

jNicoliiis  (114,  Ol«. 

Kikandros  nun  Tliyateira  590. 

Nikolaus  >iir>. 

vitjuii  04tj. 

Noiiius  Mari^ellus  009. 

Nürnberg.  Gymnaa.  597. 

occaUiilio,  amiK*io  6ü9. 
Ol  verkütat?  000  n. 

aixayofiiit  661 

öfiiiiÖTiiiitxw,  i^outiXtiioy  l>f>7. 
OnomatopoSsie  605. 
Opiliua  s.  Aureliua. 
ordo  HoDiuricufi  059. 
Onlniing  der  Wörter  070. 
Ordnung  and  Dispositiun  dea  Stc 
Orion  von  Theben  593  f. 
OroB  591. 

OHtern  010. 
Oxymoron  664. 

nttXtXknyiii  666. 

Palm,  Fr.  603. 

PampliitoH  ans  Alexandria  592. 

Papo,  W.  WS. 

Papille  009. 

no^äX>iilni,  Tiu^aaiÜTti,aii  00!t. 

itnQtKflHaiq  05-*). 

ParentlK-niti  005. 

Pareua  014. 

ncigiaoi;  -naQÖftoiair  007. 

Pumienon  589. 

Puronomasie  GÖ7. 

THIQQIfllll    068. 

pnrlen  uunilriidi  059. 

parlUio  0.1.J,  tj58. 

PaSHow.  Fr,  001  f.,  60;l,  (i2«. 


Paulus  009,  610. 
Pauaanias  590. 

ticfil  i'ijroi';  043. 

Periode  699. 

PeriphraaiH  064. 

ne^('«roaif,  Tjtffiararixn  049. 

permhuia  ÖOf*. 

peroruliu  658. 

Perotti  011. 

Peter  Ferd.  603. 

Phavorinua  (Cuarini)  597,  598. 

Philomim  aus  Athen  590,  ."töl,  .'>9.5. 

Philetas  588. 

Philon,  Herennios  592. 

PhiloBtrat<Hl  ö  Ti'piot  591. 

Philoxenue  595. 

Philoxonou  aus  Alexandriu  5S9.  595. 
I  Photioa,  Patriarch  SÖ4. 
]   PhrynichoB  o  'AgüßtiK  591. 
I    Jlr'oKK  aiex^ol    ivii][''°'  650. 

I  Planudes  044,  656. 

Piatos  Vßrhttltms  zur  Rhetorik  040. 

noidir;;  t)51. 

Pollux,  jQlias  592. 
'    Polyptflton  006. 
1   ^olvtiirattar  Ö66. 
j    I'orphyrios  044 
'   praeaiim/ilio  OOÖ. 

PriiktiKclio  Boredaamkeit  045. 

Praktiuclie  lliStigkeit  der  Khetorcn  044. 

Praktische  llieson  649. 

Priscian  045. 

prubalio  650. 

TieodidpSiuai;,  n^oSeQantla  00^<. 

Pi-ogymnaamtn  042. 

i'rokatalci.Hla  OOS«. 

ngoxutitaxtvij  658. 

proormittiH  t(55. 


pMoiidu-Dositlii'ns  Magiat<'r  593. 
purgatio  052. 

quaeniio  049. 

guaexlionea  acliiinin,  eogHitioni»  049. 
Quellenachriften  für  Rhetorik  045. 
^nicherat  019. 
(jointilian  025. 

Ramhoch  Ol!). 

Ramnhom  619. 

Rodncriüchcr  Auadruck  062. 

Rednerischo  F«rtiK;koit,  wodurcii  bedingt  648. 

K«dneriHulio  ..  beripgi'nhoit  de»  Demoathenea 


6+2, 
Reihenfolge  der  Progyn 
Reinig  635. 
rflaHo  rrimmi»  652. 
remlx^io  rrimini»  052. 
rtnim  repttUio  656. 
Reuchlitl  011. 
Reyher  014. 

rhetorira  ad  Aluxandrum  640. 
Rhetorische  Figuren  005. 
Rhetoriijcho  Frage  008. 


043. 


936 


B.  Sachregister  znr  Lexikographie  und  znr  Rhetorik. 


Rhetorische  Lehrhücher  640. 

Rhetorische  Progprmnasinen  642. 

Rhetorische  Thätigkeit  in  Pergamon  641. 

Rhythmus  der  Rede  070. 

Ritechl  630. 

Rönsch  619. 

Romanos  594. 

Rost,  Val.  Chr.  ¥r.  602. 

Ruhnken  626. 

Rutilius  Lupus  643. 

Saalfeld  619. 

Salutato  597. 

Sarkasmus  664. 

Scapula  600. 

Scheler  609. 

Scheller  616,  617,  625,  626. 

c/ijfia  654. 

ax^fiu  irvfioXoyixoy  667. 

axtifJittiiafjLog  654. 

Schmalz  618. 

Schneider  Saxo,  Jo.  Ge.  601. 

Schneidewin,  M.  603. 

Schuliz  619. 

SeUer  603. 

Semasiologie  606  n. 

sermo  figuratus  654. 

Sinnfiguren  665,  668. 

Sopater  644. 

Specht  609. 

axdaig  649. 

aräatg  xaia  ^tjroy  xal  vne^aigeroy  652. 

Status  649,  651. 

Statuslehre  642. 

Stephani  599  f.,  602. 

St<>phano8-Glo8sar  594. 

Stephan  US  Byz.  iun.  594. 

Stihirten  671. 

Stilo  8.  Aelius. 

aio/aofiog  651. 

suasoria  641,  659. 

Suhle,  B.  603. 

Suidas  595. 

Sulpitius  Victor  641. 

avXXoyiafiog  652. 

Symploke  666. 

Synchj^sis  665. 

avy/iuQtjaig  66S. 

avyyytüLiT]  652. 

avya&Qoia^uog  666. 

avyt/oy  651. 

Synekdoche  66'^. 

Syrianus  644. 

Tti^ig  661. 

Taylor  615. 

Teile  der  Gerichtsrede  <J54. 

Teile  der  Rhetorik  647. 

rexiutJQioy  656. 

T€hj  der  Rhetorik  646. 

Telephos  aus  Pergamon  590  f. 

TsXiX(<  xetfäkaitt  659. 

Tlioma  der  Rede  658. 


Themata  der  Deklamationen  644. 

Theodoretos  593. 

Theodoros  aus  Pergamon  043. 

Theodoros  aus  Soloi  589. 

Theodoros  Ptochoprodromos  593. 

Theon  645. 

Theon  Alexandrinus  590. 

Theon  Smymaeus  589. 

Theophrast  640,  662,  671. 

Theoretische  Thesen  649. 

thesaurus  linguae  Latinae  620,  62t>,  630.  t 

633,  634,  635. 
^iaeig  noXiuxai  649. 
Thesen  des  Aristoteles  041. 
aeaig  649. 
Tiherius  643. 
Timachidas  589. 
Timaios  589. 

Timotheos  von  Gaza  593. 
Tisias  639. 
Tmesis  665. 

Topik  der  Beweise  656. 
tractatio  656. 
translatio  651. 
Trebellius  614. 
Tropen  und  Figuren  663. 
Tryphon  589,  644. 

Ukert  s.  Jakobs. 
Unktinstlicher  Beweis  650. 

Valerius  Pollio  591. 

Valla  611. 

Varro  608. 

Verbindung  der  Wörter  670. 

Verrius  Flaccus  608. 

Vestinus,  Julius  591,  592. 

Vortrag  675. 

Walch  612. 

Weise  619. 

Widerlegung  der  Gegner  655,  657. 

Wölfflin  615,  619,  621,  631,  032,  033. 

Wolf  616,  625,  627.  630. 

Wortfiguren  665. 

Xenokrates  von  Kos  589. 

Zegabenos  593. 

Zehetma>T  618. 

Zehnzahl  der  attischen  Redner  042. 

Zenobios  593. 

Zenodoros  588. 

Zenodütos  Eph.  589. 

i^tjnjuuTtc  uavaraTa,  avysaxitixct  051. 

^rjiijuccTa  noXirixä  648.  649. 

Zeugma  666. 

Zoilos  654. 

Zonaras,  Jo.  596. 

Zopyrion  592. 

Zopyros  650. 

Zweifel  (Figur)  668. 


C.  Sachregister  zur  Metrik  und  Musilc. 


Accius  842. 

Ädiectio  681. 

Adonion  755,  850. 

Aeschylos  711,  729,  733,  736,  748,  750,  768, 

770,   787  ff.,   792  ff.,  795,  797  f.,  801, 

803,  858. 
Agathon  859. 
dytayti  688,  752. 
Agon  807,  809. 

Alexandriner  fDichter)  711,  718,  818. 
Alfios  Avitus  841. 
Alkaios  742  f.,  760,  775  f. 
Alkaikon  dekasy Ilabon  756;  hendekas.  757. 
Alkman  709,   719,  734,  741,  743,  748,  764, 

781  f.,  857. 
Allitteration  817,  834. 
ttXkoioaxQoqia  706. 
aXoyog  690,  694,  754. 
Alypios  854. 
Amoibaia  786,  801. 
Anaklasis  740  f.,  846. 
dyaxXiöfASva  743. 
Anakreon  710,  719,  728,  741  f.,  747,  756  f., 

759,  777. 
Anakreonteia  741. 
Anakreonteion  782,  836,  842. 
Anakrosis  695. 
dvaxvxXrjaig  703. 
Ananios  710,  728,  734. 
Anapaest  693. 
Anapaesto  720  ff.,  790,  799,  802,  805,  829  ff., 

849. 
Andronikus  823. 
Annianus  819,  841. 
dyofiOMCjQoq>a  706. 
Anonymus  de  musica  683,  854. 
dyranodoaig  703. 
Antepirrhema  727,  807  ff. 
dynßdxxeiog  744. 
dyriXaßtti  806. 
Anthemalied  782. 
Antipnigos  809. 
Antode  808,  810. 
Antisyntagma  809. 
dotdol  771,  856. 
Apel,  J.  A.  683. 

Hftndbuoh  der  kliSB.  AltertamswiaseDflcbAft.  II.    2. 


Aphaeresis  692,  769. 

dnXovy  808. 

dnoXeXv/jiiya  705  f.,  775,  778,  799. 

Apothesis  700. 

Archeboleion  757. 

Archüochos  708,  711,  718,  727,  732  f.,  785, 

746,  770,  773,  777. 
Ardalos  856. 
Arion  783,  857. 
Aristarchos  681. 

Aristides  Quintilianus  682  f.,  686,  853. 
Aristophanes   719,    729,    736,    741,    742    f., 

748,  770,  810. 
Aristophaneion  722. 
Aristoteles  853,  869. 
Aristoxenos  680,  686,  853,  869. 
Arsis  688. 
AÄklepiadeia  757,  776,  836,   843,  84?^,  850, 

852. 
Asynari»ten  700,  703,  721,  731,  747,  753. 
Atnenaeus  852. 
atfAtjTa  706. 
Auflösung  694. 
Auflösungen  824. 
Augustinus  819. 
Aulodia  855  f. 
avXtjfAa  858. 
avXtjaig  855  f. 
avXrjTijg  856. 
Auletik  857. 
Ausonius  839  f.,  847. 
Avienus  839. 

Babrios  712,  734. 

Bakcheios  (Musiker)  683,  869. 

Bakcheios  (Fuss)  693,  744. 

Bakchien  830  f.,  834. 

BakchyHdes  710,  750,  764,  779,  784. 

Barbiton  869. 

ßagvnvxyog  816. 

ßdais  702,  721. 

Basis  717,  754  f.,  777,  847. 

Begleitung,  musikalische  778. 

Bellermann,  Fr.  854. 

Bentley,  R.  683,  823. 

Bibacidus  818. 


AiiA. 


^^ 


Caesuren  714,  825,  837. 

CalvuB  818. 

Cantica  d.  röm.  Trag.  817,  833  flf.,  849  f. 

—  d.  röm.  Kom.  825  ff. 
rantore»  Euphorionin  838. 

CatulluB  781.  818,  837,  840,  842,  844,  846  f. 
Choliamb  713.  734,  738,  841,  846. 
thor,  kj-kliaehi-r  783, 

—  drniimtisclior  785  f.,  806. 

Cboreuton  785  f. 

Chorführer  785  f..  806. 

Chorgesang  770,  785,  806,  811,  855  f. 

Choriamben  785,  832. 

Chorika  811,  epeisodiache  787,  T9S. 

Chorlieder  785. 

ChorljTik  778. 

Chonnuaik  858. 

Christ,  W.  685. 

Chroma  866. 

Chronoi  695. 

Chronos  protos  688. 

Cinna  818. 

ClHudianus  842. 

Cummodiouua  ^19. 

ronHnm'tioiifii. 

.■„nlimu.li.,  700. 

Cornelius  Gallus  844. 

Daktylen  713  ff.,  781,  790,  793,  802,  8.12. 

—  aeolische  753;  logaoediBche  753. 
Daktyliker  836. 

Daktylo-Epitriten  746,   778,  783,   787,  790, 

Dnktyloa  Ö93  f.,  713;    kykliacher  713;    tpt- 
Daktylo-Trochäen  746,    749  ff.,   777  f.,  782, 


Dochmien  7<!5  ff.;  790,  793,  798 
DodHkBcliüni  t*iil. 
Doppeloktavsystem  862. 
Drama,  BriBchiHches   725;    römit 
DuMt  KUl. 
Dortonarten  857. 

ciiat  xm»  iäxTvXov  719,  775,   7 
tiioi  KCl'  tvörtltoy  775. 

Einiugalieder  787  ff. 
Klegeion  706.  718,  775.  818. 
Elegie  772  f„  844. 
Elegiker  769. 


Y.\m 


1  692,  ' 


Embaterien  722  f.,  780. 
ißfÄ^Ula  781. 

Enharmonik  866. 

Enkomion  784. 

Knneaayllabos  jilknikoa  761. 

Ennius  817,  836  ff.,  839,  842. 

Enoplios  722,  781. 

htrj  806. 

Epeisodia,  trag.  786,  802  ff.,    i 

813  f. 
Epbymaien  704,  770,  779,  793, 
Epichaimos  710,  723. 
Epigramm  718,  844. 
Epinikien  750,  784. 
inia>yiic6v  nolvaxvf""^*" 
Epiporodoa  791. 
Epiphonem  779. 
Epirrhoma  727.  807.  810. 
Epirrhemation  808,  810. 
iniai-yStta  702,  746. 
Epithalamien  781. 
Epitrite  749  ff. 
cTtos  717. 
inmJinör  700, 
in>pi6s  773. 


759. 


C.  Sachregister  zur  Metrik  and  Masik. 


939 


Flötenbegleitung  770,  772,  779  f.,  783,  784  f., 

801,  805  f. 
Flötenspiel  855  ff. 
Füsse  ()92  ff. 
Fu8s  688,  695  (avy&erog). 

Galliamb  711  f.,  742,  836,  852. 

Gaudentios  854,  869. 

Gegenstrophe  704. 

yeVjy,  aQjnonxd  866;  ^vbfii»«  694. 

Gesang  770 ;  855  f. 

Gesangnoten  867  f.  und  Tab. 

Gevaert,  F.  A.  855. 

Glykoneion  755  f.,  761  f.,  776,   847  f.,  850. 

Gregor  von  Nazianz  712. 

Grundzeit  688. 

Gymnopädienfest  857. 

yvfAyoTjaidixij  781. 

Halbchöro  786. 

Halbchorführer  806. 

Harmonien  862  ff. 

Harmonik  680,  853. 

Haupt,  M.  684. 

Hebung  688. 

Heliodor  681  f.,  686. 

Hemiamben  732,  841,  850. 

Hendekachord  861. 

Hendekasyllaben,    alcäischa  757,    776,    848; 

phalac.  757,  776,  819;  sapph.  757,  776, 

847,  850- 
Hephaestion  681  f..  686. 
Hephthemimeres  716  f.,  837 ;  (im  Trim.)  732, 

825,  839. 
Heptachord  890. 
Hermann,  G.  683,  823. 
Hexameter,    daktyl.  708,    714  f.,   717,   769, 

772.  817  f.,   836,  842,  851 ;   im  Drama 

718,  850. 
Hexametron,  perittosyllabes  747. 
Hexapodie,  logaoed.  757,  776. 
Hiatus  692,  769;  schwacher  692. 
Hinkverse  728,  734,  773. 
Hipponakteion  728,  734. 
Hipponax  710,  734. 
Hochzeitsgedichte  781,  847. 
Hörschelmann,  W.  686  f. 
Horatius  818,  837  f.,  839  f.,  843. 
Hostius  817. 
Hymenäen  781. 
Hymnen  778. 
Hypate  860. 
Hyperkatalexis  699. 
Hypermetra  701 ;   anapaest.  723,   799,   803, 

805,    813,    849;    dochm.    767;   glykon. 

759,  761,  778,  847;  iamb.  735;  ionische 

742,  776.  846;  troch.  728  f.,  778. 
Hyporchema  743,  747,  781  f.,  786,  857. 

lambelegus  750. 

lamben  730  ff.,  782,  790,  793,  825  f.,  827  f., 

844,  851. 
lambographen  732. 
lambos  693. 
lambo-Trochäen  737,  778,  796,  802. 


lambyke  773,  857. 

Jan,  K.  V.  855. 

Ibykos  719,  764. 

Iktus  688. 

imitatio  681. 

Instrumentalbegleitung  855. 

Instrumentalnoten  866  f.  u.  Tabelle. 

Instrumente,  musikalische  868  ff.,  870. 

loniker  739  ff.,  776  f.,  785,  790,  793,  846  f. 

lonikus  (Fuss)  693  f.,  738. 

Irrationalität  694,  695,  731,  739,  754,  766. 

Isylloa  742. 

IthyphaUikon  726,  728,  777,  829. 

luba  682. 

Kallimachos  712,  747. 

Kallinos  708,  773. 

xaraxeXevafiog  808  f. 

Katalexis  697  f.,  713  f.,  726,  730,  753. 

Kinesias  859. 

Kithara  774,  801,  868. 

Kitharodik  855,  858. 

Klaganapaeste  723,  784. 

Kleomacheion  741. 

Klepsiambos  773,  857. 

Klonas  856. 

Klotz,  R.  687,  886. 

xoiyd  706. 

Kola   695  ff.;    anapaest.  721;    daktyl.  714, 

iamb.  730;  ion.  739;  logaoed.  697,  752; 

troch.  725. 
Kolon  689,  699. 
xofifAdrioy  808  ff. 
Kommoi  724,  786,  796  f.,  801. 
Komödie  806  ff. ;  Metra :   724  f.,  727,   744, 

747,  750,  761,  767,  813. 
Kompositionsform  705  f.;   stichische,   syste- 

mat.,  freie  705  f. ;  epirrhematische  797  ff., 

897  ff. 
xovxovha  743. 
Krasis  692,  796. 
Kratineion  756,  758. 
Kratinos  747. 
Kretiker  743  ff.,  831. 
Kretikos  693. 
Kroxos  783. 
Kriegslied  780. 
xQovaig  855. 

Lachmann,  K.  684. 

Laevius  841  f.,  843,  846. 

Lamprokles  680. 

Lasos  680,  710,  783,  855,  858. 

XeTfjfitt  691. 

hx^yog  860. 

Lied,  aeolisches  775 ;  ionisches  777. 

Likymnios  783. 

Logaoeden   697,    747,    752,    777,    782,    790, 

793,  799,  802.  ^         ^  ,  ^ 

Xoyaotdixu  TiQog  dvoiy,  TiQog  XQialv  753,  764. 
Xoyotr  iioycxoi  740. 
Xoyog  nodixog  693. 
Longinos  682. 
Lucilius  817,  837  f. 
Lucretius  817,  837  ff. 


Marschlieder  722,  780. 

Martialis  839,  841. 

Martianus  Capella  683,  839.  854,  869. 

Matius,  Cn.  841. 

Mehrstimmigkeit  der  Musik  855. 

Meibom,  M.  854. 

Melanippides  750,  783,  859. 

fiiXtj  ano  axrjy^g  786,  801   f.,  806. 

Melodram  s.  Vortrag. 

Melopöie  853. 

fie'Xos  855. 

Messung,  dipodische  721,  731. 

fi6aa}dix6v  700. 

Mesomedes  854. 

fieoonvxyog  866. 

Metra.    Einteilung   702;    anapaest.  720  ff.; 

choriamb.  738;   daktyl.   713  ff.;   iamb. 

730  ff.;    ion.   738  ff.;   logaoed.  752  ff.; 

trochäische  725  ff. 

adonium  755. 

alcaicum  756,  848. 

anacreonteum  741,  842. 

archebuleum  Tbl. 

aristophaneum  722  f. 

asciepiadeum  843,  846,  848. 

cratineum  758. 

cleamacheum  741. 

elegiacum  717  f. 

elegiambicum  845. 

encomiologicum  750. 

eupoUdeum  758. 

euripideum  726. 

gaUiambicum  742,  842. 

glyconeum  Ibh. 

heroum  111, 

hipponacteum  728. 

iambeleg.  750,  845. 

messeniacum  780. 

fitjTQioaxoy  742. 

phalaeceum  151, 


Musikreste  854,  870. 
Musiknoten  866  ff. 
Mystenchor  780. 

Nachsatz  der  Periode  699. 

Nebenagon  809. 

Nebenchor  806. 

yfjrrj  860  f. 

Nomos  771,  856,  859;  auletisch« 

discher  775,  856;  kitharod 

856. 
Nonnos  712,  715,  716  f. 
Noten,  griechische  866  ff. 
Numerus  italicus  820. 

Oden  der  Parabase  808,  810. 
olxoi  743. 
Oktachord  860. 
Oktavengattungen  862  ff. 
Oktonar,  anapaestischer829 ;  iaml 

trochäischer  828. 
oXoddxrvXog  716. 
oXoanoydeiog  716. 
Olympos  857,  863. 
6fi(paX6g  IIb, 
oQxrjfig  781. 
Orchestik  680,  770,  778. 
oQd^iog  novg  697. 
Oros  682. 
(oaxoq)OQixd  770. 
9vidius  818,  837,  844. 
o^vnvxyog  866. 

Paeane  779. 

Paeon  693. 

Paeone  743  ff. 

naitoy  inißarog  697,  775. 

Palimbakcheios  693,  744. 

Parabase  723,  727,  807,  810. 


.«««rv     »         frmts        rmr\r% 


C.  Sachregister  snr  Metrik  un^  Mnsik. 


041 


Penthemimeres  (Caesur)  im  Hexam.  714;  im 

Trimeter  733. 
percussio  688. 
Perikope  705,  810. 

Periode,  metrische  701 ;  rhythmische  689, 699. 
neQioQtcfiog  706. 
permittcUio  681. 
Pervigilium  Veneria  840. 
Petronius  839,  841  f. 
Phaedrus  817,  840. 
Phalaikeion  757,  842  f. 
Phallophorenlied  700. 
Phemios  856. 

Pherekrateion  755  f.,  762,  836. 
Philoxenos  750,  783,  859. 
Phokylides  718. 
Phorminx  772,  784,  868. 
Phrynichos  727,  803,  858. 
Phiynis  859. 
Pindaros  710,   744,   747,   750,  764,   779  f.. 

783  f.,  858. 
Plautus  824. 

nyTyos  701,  724,  808  fr.,  810. 
Tiodes  692  ff. ;  ^rjroi  693  f. ;  äXoyoi  694  f. 
Polymnastos  857,  867. 
Polyschematismos  756,  760,  777. 
Porcius  Licinus  840.  • 
Person,  R.  683. 
Pratinas  747. 
Praxilleion  740,  757,  776. 
Priapeion  756,  758,  778,  843. 
Proagon  809. 

IVocessionslied  722,  779  f. 
Prokeleusmatikos  693. 
Prolog,  trag.  780,  802  f.;  kom.  812. 
Proodikon  700. 
Proportius  818,  844. 
Proslambanomenos  861. 
Prosodia  779. 
TiQoffodiaxoy,  anap.  722,  789,  833,    logaoed. 

755,  759,  761,  780;  vTioQxVf^^^^'^ov  747. 
71  Qoa^eaig  691. 
TiQojaaig  699. 

Prudentius  839  f.,  841,  843. 
Ptolemaeus  853,  869. 
Publilius  Syrus  817. 
nvxvoy  866. 
Pythormos  863. 
Pyrrhiche  781. 
Pyrrhichios  693. 

Quantität  689  f.,  769,  851. 
Quatet^narhiH  iamhinis  829.  836,  841. 

Eecitativ  770,  801. 

Refrain  770,  781. 

Reiz,  J.  W.  683. 

Responsion  der  Dialogpartien  806. 

Rhapsoden  772. 

Rhythmongeschlechter  694. 

Rhythmiker  686. 

Rhythmizomenon  688  f. 

Rhythmus  688  f.,  694. 

Ritschi,  Fr.  684  f.,  821,  823. 

Rossbach,  A.  684,  686  f. 


I 


Saiteninstrumente  868  ff. 

Saitenspiel  775,  778,  855  ff. 

Sakadas  857. 

aaXniyyeg  869. 

Sapphikon,  hendekasyllabon  757;   fünfeehn- 

flilbiges  758. 
Sappho  728,  740  f.,  743,  747,  757,  759,  775  ff., 

863. 
Satire  817. 
Saturae  818. 
Satumius  820  ff. 
Satyrdrama  733. 
Schauspieler  785. 
Schema  2o<jpoxAftov  733. 
Schmidt,  J.  H.  684,  687. 
SchoUa  Hephaestionea  682,  686. 
Semasie  688. 

Semiquinaria  825,  837,  839. 
SemUernaria  837. 
Semineptenaria  825,  837,  839. 
Senar,  iambischer  825,  836,  839 ;  puru8  839 

s.  auch  Trimeter. 
Seneca  819,  838,  842,  847. 
Senkung  608;  unreine  824. 
Septenar,  anapaestischer  829,   836,   840  ff.; 

iambischer  826  f.,  836.  840 ;  trochftischer 

819,  826,  836,  840,  850. 
Septimius  Serenus  81 9,  840  f. 
Sernwnes  des  Horaz  818. 
Silben,  lange  691;  kurze  691  f.;  xoivai  691; 

ddia(poQoi  692. 
Silbenmessung  der  lat.  Sceniker  823. 
Simikion  869. 
Simonides  von  Keos  710,  747.  750,  764,  779, 

784.  836,  842. 
Skazonten  728,  734. 
Skolia  784. 
Solomusik  857. 
Selon  718,  724,  773. 
Sophokles  711,  733,  736,  747,  750,  770,  788, 

792,  795,  799,  858. 
Sphragis  775,  809  f. 
anoydetog  693;  fiei^oiy  696,  771:  nagd  rä^ty 

TtQoaXa/jßayofjieyog  754. 
anoydctdCoity  716. 
Spondiaci  838. 
Stasima  der  Tragödie  787,  791  f. ;  der  Komödie 

811. 
Statins  848. 

Stesichoros  719,  750,  764,  778,  857. 
Stichomythie  805  f. 
atlxog  701. 
Stroplie  703  ff. 
Strophen,  aeolische775  ff. ;  alküisolie  760 f.,  776, 

848 ;  anapaestischo  724  f. ;  asklopiadeische 

848;daktylische719ff.;daktylo-trochäi8che 

748;  daktylo-epitri tische  750;  dochmische 

767;  glykoneische  761 ,778 ;  iambische  735 ; 

iambo-trochäischc  737;   ionische  742  f.; 

lügaoedische  759;  päonischc  745  f.;  aap- 

phische  760,  776,  847;  trochäischo  729, 

849,  852;   viorzeiligo  760  f.,  775,  847  f. 
Strophenbildung  705. 
Studemund,  W.  685. 
Syllaba  anceps  692,  7(i\. 


042 


C.  SackregiBter  zur  Metrik  und  Musik« 


Symmetrie  805. 

Synaloiphe  692. 

0vytta>tta  700.  ^ 

Synekphonesis  692. 

Synizesis  692,  769.   * 

Syntagma  809. 

Syrinx  869. 

System  689,  701,  703. 

avatrjfÄit  t^Xeiov  862. 

awsxfJiÄaxa  «nsQioqiaxa  706 ;  H  ofAoiutv  705 ; 

777/781. 
Systeme,  metriache  681 ;  diatichiache  844  f., 

852;  alkmaniaches  844 ff.;  arcfailochiache 

844  ff.;  anapaeatisclie  723  ff.,  830,  849; 

glykoneiache   759  ff.;    hipponakteischea 

845;  iambiacbe  735,  844;  ionische  846; 

kretische  745;  pythiambiache  845,  vgl. 

auch  Hypermetra. 

Tanzkmist  853. 

Tanzlied  748,  781,  796. 

Teleatea  750. 

Terentianus  Maunw  682,  686,  819,  842. 

Terentius  824. 

Terpandriden  772. 

Terpandrofl  709,  784,  856,  860,  863. 

Terzett  801. 

Tetrachord  860. 

Tetrameter,  anapaest.  722;  bakcheischer  831 ; 
daktyl.  850;  iambischer  734,  773;  ioni- 
scher 740;  kretischer  744,  831;  trochäi- 
scher 727,  802;  troch.-päon.  745;  skazon 
728,  841. 

Thaletas  709,  744,  779,  782,  857. 

Theognia  71«. 

Theokritos  719,  747. 

Thesis  688. 

Threnoi  784,  786,  794  f.,  796. 

Tiberianus  840. 

Tibullns  818,  844. 

Timokreon  729,  742,  784. 

Timotheos  783,  859. 

Töne  859  f. 

To/ii7  703. 

Tongeschlechter  866. 

Tonoi  864. 

Tonsysteme  860. 

Tractatus  Harleianus  868. 

Tragödie,  griech.  710,  727,  729,  736,  748, 750, 
762,  766,  773,  786;  röm.  818  f.,  837  f. 

Transpositionsskalen  864  ff. 

Tribrachys  693. 


Tricha  682,  686. 

Trigonon  869. 

Trimeter,  dochmiacher  766;  iambischer  7:^2. 
738.  773,  802,  811,  813;  ion.  740;  kaU 
lekt.-iamb.  734,  747;  skazon  7:34. 

Tripodie,  iambische  829. 

Trochäen  725  f.,  790,  793,  826,  828  f. 

Trochäns  694  f. 

rvQßaoia  783. 

Tyrtaios  718,  722,  773,  780. 

Tzetzes  682. 

Varro,  M.  681.  687,  817  f.,  830  f.,  841,  84*>. 

Varro,  P.  Atacinns  818. 

Vergilius  818,  837,  839. 

Vers,  politischer  712,  fonfzehnsilbiger  7:V>; 
achtailbiger  741 ;  zw5l£sübiger  734.  7:^^. 

Verse  s.  Metra. 

Versknnst  s.  Metrik. 

Versgrappen  808. 

versus  701,  alcmanios  844 ;  anacreonteos  741 : 
archilochicus  747, 845;  asclepiadeos  84»»: 
aristophanens  846;  elegiamb.  845;  galJ- 
iambicns  842;  hipponactens  841 ;  hyper- 
meter  839;  iambelegicns 845;  longusKJT: 
phalaeceus  842;  priapeus  843;  quadratns 
826;  Reizianns  833;  satmmius  820  ff: 
sapphicns  maior  846;  sotadeos  817,  ^^'k 
841;  spondiacus  838. 

Vokalmusik  854  f. 

Vokalverschleifung  692. 

Vorsänger  783. 

Vortrag,  melodramatischer  771,  773;  rhap- 
sodischer 772;  derEphymnien  794:  der 
Epirrheme  809;  der  Exodoi  805;  der 
Kommoi  797;  der  Parabase  811;  der 
Stasima  794. 

Voss,  J.  H.  683. 

Waffentänze  857. 

WaUis,  J.  854. 

Wechselgesänge  786,  796,  801  ff.,  806. 

Westphal,  R.  684,  686  f.,  854,  870. 

Wortaccent  823,  839. 

Xenodamos  744,  779,  782,  857. 
Xenokritos  857,  863. 

Zitherbegleitung  770,  779,  801. 
Zusammenziehung  694. 
Zwischenscenen  '812. 
Zwischensysteme  724,  788,  794. 


l    »1.           > 

l^&l 

.''^%    ^/^>^1/-' 

'      '^   '  ^  .'/^^i ,    r. 

>».  ^-v           «*     ■ 

tX  I  ■  ,'■ 

ViiV-    -^-  ,'   ^    f*^ 

■/^♦'^    ^•''■' 

"VV  r*^^ 

a''>>A(/     »    .i- 

■          .           r            '^             / 

.». . 

-?..;  - 1'/-' .-^s^  4 

r'^M^'^S,    ;-,"> 

B 

1 

HSU'ßl 

,       OCTP  0,974 

FA 

•;\..^C;'. 

="^5-, 

-V/-'      r 

/f:^ 

r'-^'HA                  ■       1 

|/-  .:x- 

STANFORD  UMVERSITY 

"/.>yl;' /?':'=- 

LIBRARY 

1'                   • 

Stanford,  California 

^^ 

^^^^