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Full text of "Grimmelshausens Simplicissimus und seine vorgänger. Beiträge zur romantechnik des siebzehnten jahrhunderts"

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PALAESTRA LI. 



UNTERSUCHUNGEN UND TEXTE 

AUS DER DEUTSCHEN UND ENGLISCHEN PHILOLOGIE, 

heransgegeben von Alois Brandl, Gustav Boethe nnd Erich Schmidt 



Qrimmelshausens Simplicissimus 
und seine Vorgänger. 



Beiträge zur Romantedinik des siebzehnten lahrhunderts. 



Von 



Carl August v. Bloedau. 



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BERLIN. 

MAYER & MÜLLER. 
1908. 



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Weimar. — Dnick von R. Wagner Sohn. 



Vorwort. 

Was ich hiermit vorlege, sind, wie Lessing sagte, mehr 
Kollektaneen zu einem Buche als ein Buch selbst. Auf 
ein erschöpfendes theoretisches und historisches Werk über 
den deutschen Koman und seine Technik wartet die deutsche 
Literaturgeschichte immer noch. Wenn in meinen Unter- 
suchungen dem künftigen Verfasser dieses wünschenswerten 
Werkes einige Anregungen gegeben und Zusammenhänge 
gezeigt sind, so glaube ich, daß meine Arbeit ihren Lohn 
empfangen hat. Was freilich die Zusammenhänge angeht, so 
bin ich mir wohl bewußt, an manchen Stellen mit einiger 
Kühnheit vorgegangen zu sein. Insbesondere verhehle ich 
mir nicht, daß die Kombination dreier verschiedener Pläne 
des Simplicissimus, die sich immer wieder aus dem Gewebe 
der Tatsachen und Untersuchungen abhebt, auf Widerspruch 
stoßen wird. 

Die Anregung zu dieser Arbeit danke ich meinem 
verehrten Lehrer Erich Schmidt. 

Die ersten vier Kapitel haben im Jahre 1906 der 
philosophischen Fakultät der Berliner Universität als Doktor- 
dissertation vorgelegen. Den Rest habe ich seitdem unter 
mancherlei Unterbrechungen gründlich umgearbeitet und 
den Abschnitt über die Nebenpersonen hinzugefügt. 

Erst während der Drucklegung meines Buches kam mir 
R. M. Werners Aufsatz über die Chronologie bei Grimmeis- 
hausen (in Schicks Literarhist. Studien Bd. 8, Heft 1) zu 
Gesichte, dessen Inhalt sich wesentlich mit dem Schlüsse 
meines vierten Abschnittes deckt. 



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PALAESTRA LI. 

UNTERSUCHUNGEN UND TEXTE 

AUS DER DEUTSCHEN UND ENGLISCHEN PHILOLOGIE, 

heransgegeben von Alois Brandl, Gustav Boethe und Erich Schmidt 



Qrimmelshausens Simplicissimus 
und seine Vorgänger. 



Beiträge zur Romantechnik des siebzehnten lahrhunöerts. 



Von 



Carl August v. Bloedau. 






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MAYER & MÜLLER. 
1908. 



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PALAESTRA LI. 

UNTERSUCHUNGEN UND TEXTE 

AUS DER DEUTSCHEN UND ENGLISCHEN PHILOLOGIE, 

heransgegeben von Alois Brandl, Gustav Roethe und Erich Schmidt 



Qrimmelshausens Simplicissimus 
und seine Vorgänger. 



Beiträge zur Romantertinik des siebzehnten lahrhunderts. 



Von 



Carl August v. ßloedau. 



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BERLIN. 

MAYER & MÜLLER. 
1908. 



— 6 — 

Lebensauffassung, nicht mehr um eine einzelne interessante 
Begebenheit wie die tragische Liebe Calistos und Melibeas, 
Also in Stoff und Stil verließ der pikarische Roman die Bahn 
des Vorgängers. Mehr noch, er suchte zugleich eine eigene 
Form: der Held erzählt seine Schicksale selbst. 

Wenn nun auch hie und da die Dialogform der „Celestina^^ 
im pikarischen Roman wieder zum Vorschein kam, wie 
im „Alon90, mo90 de muchos amos", oder wenn z. B. Solor- 
zanos „Garduna de Sevilla" in der „Er"-Form erzählt wurde, so 
nahm die Entwicklung der neuen Gattung im ganzen doch 
ihren eigenen Weg, und die autobiographische Form ward 
typisch. Von ihr gingen die formalen Anregungen aus, die 
der pikarische Roman anderen Literaturen gab. 

Am selbständigsten hat sich der Anfang der novela 
picaresca ausgebildet. Der PIcaro eröffnet die Erzählung 
mit der Geschichte seiner Eltern. Dieser der Autobiographie 
natürliche Einsatz übertrug sich sogar auf die in dritter 
Person erzählte „Garduna", womit ein schon in der Icherzählung 
nicht ganz vermiedener übelstand noch mehr zutage trat: 
die allzu große Selbständigkeit der Vorgeschichte. Als 
„Lazarillo de Tormes" 1553 die Gattung schuf, hatte er sich 
in diesem Punkte noch kurz gefaßt; allein in den späteren 
Werken, in Alemans „Guzman de Alfarache" (1599), in 
übedas„Plcara Justina" (1605), im „Pablos deSegovia" Quevedos 
(1 626), im „Soldado Pindaro" von Cespedes y Meneses (1626) u. 
a. m. erzählte der PIcaro so ausführlich von seinen Eltern 
und besonders von ihrer Jugend, daß man ihn selbst nur 
gar zu leicht vergaß, trotzdem er sich dem Leser durch das 
yo und mi seiner Erzählung immer wieder aufdrängte. Blieb 
nun gar das yo und mi weg, so verschwand die Person des 
Helden völlig aus der Vorgeschichte. 

Dennoch bestand ein innerer Zusammenhang zwischen 
Vorgeschichte und Gesamtinhalt: aus der Herkunft ließ 
sich bequem das Vagabundentum des PIcaro ableiten. Der 
Vater des PIcaro hat durchweg einen bürgerlichen Beruf, 
bald in sozialer Niederung wie Lazarillos Vater als Müller, 



— 7 — 

Buscons als Barbier, Justinas als Gastwirt, bald auf höherer 
Stufe, wie im „Gregorio de Guadana*', wo der Vater Arzt ist, 
oder wie die reichen und vornehmen Väter des Soldado 
Pindaro und Rufinas, der Garduna de Sevilla*). Doch 
die Unehrlichkeit der Plcaros ist ererbt, denn ihre Väter 
haben eine bewegte und an Possen und Schwindeleien reiche 
Jugend hinter sich. Galeere oder Gefängnis ist den meisten 
von ihnen nicht fremd geblieben. Davon erzählen die Söhne 
zwar getreu, sie bemühen sich aber doch, die väterlichen 
Sünden in milderem Lichte darzustellen*). 

Eine sorgsame Erziehung genießt der Plcaro nicht; 
doch wächst das Maß des zu diesem Punkte Mitgeteilten im 
Laufe der Zeit stark an. Wenn in früheren Werken, wie 
„Lazarillo" und „Guzman", die Erziehung mehr auf pikarisches 
Leben vorbereitet, so erzählen spätere Romane, wie der 
„Buscon", der „Soldado Pindaro" und der „Estevanillo Gonzalez", 
von den Lehrjahren des angehenden Landstreichers in Schule, 
Handwerk und Studium*). 

Der frühe Tod des Vaters oder auch beider Eltern 
treibt den Plcaro in die Welt, sei es, daß der elterliche 
Hausstand sich auflöst, wie im „Guzman" und in der „Justina", 
sei es, daß die überlebende Mutter den Esser los zu werden 

*) Lazarillo de Tormes ed. Foulche-Delbosc. Bibl. hisp. Bd. III 
S. 3, Z. 6, Kap. 1. — Quevedo, Historia del Bascon, Qaragoga 1626 
Bl. la, Bach I, Kap 1.— Ubeda, La Picara Justina Diaz Teil I, Buch I, 
Kap. 3, Bd. XXX ITT S. 70 der Biblioteca de Autores Espanoles. — 
Antonio Enriquez Gomez, Gregorio de Gnadaüa Bd. XXXIII S. 257 der 
Bibl. de Aut. Esp. — Cespedes y Meneses, Varias Fortunas de! Sol- 
dado Pmdaro § 1, Bd. XVIH S. 277 f. der Bibl. de Aut. Esp. — 
Solorzano, La Garduna de Sevilla Kap. 1, Bd. XXXUI S. 169 der 
Bibl. de Aut. Esp. 

«) Lazarillo de Tormes, Bibl. hisp. III S. 3, Z. 13, Kap. 1. — 
Guzman de Alfarache Teil I, Buch I, Kap. 1. Bd. III S. 188 der 
Bibl. de Aut. Esp. 

») Historia del Buscon Qar. 1626 Bl. 3, Buch I, Kap. 2. - 
Estevanillo Gonzalez Kap. 1, Bd. XXXni S. 288 der Bibl. de Aut. 
Esp. — Soldado Pindaro § 1, Bd. XVHI S. 278 der Bibl. de Aut. Esp. 



— 8 — 

sucht, wie im „LazariUo" *). Notgedrungen sieht sich der junge 
Auswanderer nach Broterwerb um. Leichte Handlanger- 
und Bedientenstellen fallen ihm zu, die er sogleich zu 
eigener unerlaubter Bereichening nutzt 

Freilich ist die erste Erfahrung gewöhnlich unglücklich. 
Den arglosen Lazarillo stößt der heimtückische Blinde mit 
dem Kopf gegen den Stein, und seine Lehren bleiben dem 
Knaben dauernd in Erinnerung*). Guzman wird unterwegs 
alsbald in Wirtshäusern betrogen*); Buscons Schulzeit ist 
reich an Hunger und Prügeln*). Das unstäte Leben ergänzt 
die von den Eltern vernachlässigte Erziehung, und die neuen 
pädagogischen Ziele sind List und Verschlagenheit. 

Damit gelangt der Picaro in seine eigentliche Bahn. 
Als mo90 de muchos amos, wie der „Ä.lon9o" von Jeronimo 
de Alcala geradezu im Titel sagt, schlägt er sich durch. 
Eine Folge nur lose miteinander verknüpfter Schwanke 
bildet den weiteren Lihalt des Komans, und schwer war es 
ein so lockeres Gefüge abzurunden ^), Jmmer neue Schelmen- 
streiche konnten gehäuft werden, immer wieder der Picaro 
seine alte Lebensweise aufnehmen. Alle Autoren sind an 
dieser Klippe gescheitert. Einige wie Aleman oder Cespedes 
y Meneses versprechen eine Fortsetzung, die zuweilen gar 
nicht, zuweilen aus unberufener Feder erschien"). Dies 
Schicksal teilte z. B. „Guzman" mit dem „Don Quixote". Beide 
rechtmäßige Autoren straften die literarischen Räuber in 

^) Gnzman Teil I, Buch 1, Kap. 3, Bd. III S. 195, der Bibl. de 
Aut. Esp. — Justina, Teil I, Buch I, Kap. 3, Bd. XXXIII S. 74 
der Bibl. de Aut. Esp. — Lazarillo, S. 5, Z. 20, Kap. 1. 

*) Lazarillo. S. 6, Z. 9, Kap. 1. 

•) Guzman, Teil I, Buch I, Kap. 3ff., Bd. III S. 195ff., der 
Bibl. de Aut. Esp. 

*) Historia del Buscon, Buch I, Kap. 2—5. 

») Payer (Öst.-Ung. Revue Bd. III, S. 292) hält eineü 
zwingenden Schluß sogar für unmöglich, da ein Rückfall des 
Picaro in sein früheres Leben stets eine neue Reihe von Schwänken 
eröffnen könne. 

«) Guzman, Teil I, Buch HI, Kap. 10, Bd. III S. 262 der Bibl. 
de Aut. Esp. Soldado Pindaro, § 28, Bd. XVIII, S. 375, Nachwort. 



— 9 — 

gleicher Weise. Quevedo gab am Schluß des „Buscon" 
wenigstens einen Ausblick'); der einzige wirklich ab- 
geschlossene pikarische Roman ist der „Lazarillo de Tormes" % 
Der Fahrende wird endlich seßhaft, die pikarische Unruhe 
weicht bürgerlicher Bequemlichkeit, Freundschaft und Wohl- 
wollen treten an die Stelle von Haß und Neid, der Leicht- 
sinn des Einzelnen wandelt sich in die Pflicht, eine Familie 
zu erhalten; das Ende des Picaro muß unpikarisch sein, um 
zu überzeugen. Aber nur „Lazarillo*' hat diesen Schluß erreicht. 



Der pikarische Roman drang bald in andere Literaturen 
ein. Spanische Texte wurden in den wichtigsten Kultur- 
ländern gedruckt und in sechs fremden Sprachen erschienen 
zahlreiche Übersetzungen, Bearbeitungen und Nachahmungen 
des Schelmenromans*). 

Es genügt hier ein rascher Blick auf die Leistungen 
der Franzosen und Italiener, die den Deutschen die Kenntnis 
der neuen Gattung zum Teil vermittelten. 



») Buscon, Bl. 101b 

') Ein widriges Geschick hat auch den „Lazarillo** entstellt 
überliefert, so daß man ihn wegen des Versprechens einer Fort- 
setzung lange Zeit für unvollendet gehalten hat. S. Ticknor, Ge- 
schichte der schönen Literatur in Spanien, dtsch. v. Julius, 
Leipzig 1852. Bd. 11 S. 212, Payer, Öst.-Ung. Revue Bd. VH S. 289. 
Perd. Wolf, Wiener Jahrbücher für Literatur, Bd. CXXII S. 100. 
Stahr, Deutsche Jahrbücher für Politik und Literatur Bd. III S. 420. 
Dunlop- Liebrecht, Gesch. d. Romans, S 336. Navarrete, Einleitung 
zu Bd. XXXIII der Bibl. de Aut. Esp. S. LXIX. Erst als Wilhelm 
Lauser gefunden hatte, daß das Versprechen einer Fortsetzung un- 
echt sei (Der Schelmenroman von Lazarillo, Stuttgart 1889, S. 153 f. 
und dazu die Neudrucke von Foulche-Delbosc Bibl, hisp. III S. 72, 
Anhang 6 und von Butler Clarke, Oxford 1897) wurde es möglich, 
die Abgeschlossenheit des Werkes zu erkennen. 

•) Ich benutze für die folgenden Angaben die Bibliographie 
am Ende von Chandlers Buch über den pikarischen Roman, der 
ich nur eine niederländische Übertragung von Loubayssin de La- 
marcas Enganos deste Siglo, Ware History der Bedrigeryen dezer 
eeuw Nieulijx uit hat Spaensch door D. V. R. Amsterdam 1645 
(Königl. Bibl. Berlin XI 3808), zufügen kann. 



— 10 — 

Frankreichs Anteil ist stärker und dauernder als der 
der Italiener, die außer den „novelas exemplares" des Cer- 
vantes, deren drittes Stück ein treffliches Bild pikarischen 
Lebens bietet, nur vier Romane sich aneigneten: „Lazarillo", 
„Guzman", „Justina", „Buscon". Die ziemlich treuen Über- 
setzungen aus dem Zeitraum von 1615 bis 1630 entstammen 
der Offizin des Mailänders Barezzo Barezzi, der selbst bei 
der Arbeit mit tätig war^). 

Weit mehr boten die Franzosen. Vom „Lazarillo" sind 
aus den Jahren 1561 bis 1698 Bearbeitungen in sechzehn 
verschiedenen Drucken bekannt. Der „Guzman" ward schon 
ein Jahr nach seinem Erscheinen von Chappuis ins Französische 
übertragen und zwei weitere Übersetzer, Chapelain und 
Bremond, steigerten die Zahl seiner Drucke bis 1700 auf 
elf^). Noch größerer Beliebtheit erfreute sich Quevedos 
„Buscon", der von 1633 bis 1671 in der Übertragung des 
Sieur de la Geneste vierzehn Mal gedruckt wurde. 

Die drei anderen französischen Übersetzungen pikarischer 
Romane, der „Justina", der„Garduna" und des „Marcos Obregon", 
blieben mit nur je einer Auflage weit hinter solchen Erfolgen 
zurück. Im allgemeinen übersetzen die Franzosen etwas 
freier als die Italiener. Ihre Arbeiten wollen mehr dem 
einheimischen Publikum gefallen und verständlich sein, als 
die Vorlagen genau wiedergeben. Daher hatte schon La 
Geneste den Schluß des „Buscon" nach Lazarillos Muster ge- 
ändert, und d'Ouville versah die „Gardufia" mit Spitzen gegen 
diePreziösen oder erklärte zu besserem Verständnis spanische 
Gebräuche'). 



M über Barezzo Barezzi s. Adam Schneider, Spaniens Anteil 
an der deutschen Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts. Straß- 
burg 1898, S. 233. 

*) über Guzman in Frankreich s. Oranges de Surgeres im 
Bulletin du bibliophile 1885, S. 289. Von den Übersetzungen ins 
Französische war mir vom Lazarillo gar keine, vom Guzman nur 
die späte Bremondsche erreichbar. 

•) Über d'Ouville und seine Übersetzung s. Körting, Geschichte 
des französischen Romans im 17. Jahrhundert Bd. II S. 267. 



— 11 — 

Zu diesen Vermittlem gesellt sich in Deutschland selbst 
zuerst der herzoglich bayrische Sekretär Aegidius Alber- 
tinus ^). Im Dienste der katholischen Kirche hat er ein gut 
Teil spanischer Erbauungsliteratur, besonders Guevaras Werke, 
den Deutschen zugänglich gemacht, und so mag auch der 
,,Guzman" durch die moralisierenden Partien ihm für seine 
gegenreformatorischen Bestrebungen geeignet erschienen 
sein. Er übertrug, „mehrte und besserte" ihn*). 

Albertinus sprengte freilich die pikarische Form, indem er, 
je weiter er in seine Vorlage eindrang, um so mehr die Hand- 
lung hinter unepischen moralisierenden und lehrhaften Par- 
tien sich verlieren ließ. Schon den ersten drei Kapiteln, der 
gekürzten Einleitung, läßt er als weitere zwei „Diskurse" 
folgen. Kapitel 6 — 16 halten sich wieder mehr an die Vor- 
lage, wenn auch mit einigen Auslassungen. Die nächsten 
drei füllt eine für die Geschichte ganz gleichgültige Be- 
schreibung der Kirchen Roms, und fortan schrumpfen die 
Abstände zwischen den Diskursen immer mehr zusammen. 
Die Kapitel 21-24, 27-30 und besonders 32—44 bilden 



*) Über Aegidins Albertinus s. Liliencron in der A. D. B. 
Bd. I S. 217 und in Kürschners Nationalliteratur Bd. 26; femer 
Keinhardstöttner im Jahrbuch für Münchner Geschichte Bd. II, 
S. 32, 1888. 

*) Bayer (Oest.-Ung. Revue Bd. VII S. 296) meint wohl mit Un- 
recht, daß schon vor Guzman eine Lazarillo-Ubersetzung erschienen 
sei. Bayer legt die erste Ausgabe des Guzman ins Jahr 1616, an- 
statt 1615, 9 Jahre vorher, also 1607, sei TJlenharts Lazarillo er- 
schienen. Bayer täuscht sich in den Zahlen: nicht 1607, sondern 
erst 1617 erschien der Lazarillo. — Bayer ist auch sonst ungenau 
in Zahlen. Nicht 1659, sondern erst 1668, wie Kögel in der Ein- 
leitung seiner Ausgabe des Simplicissimus Halle 1880 S. XIX nach- 
weist, erschien Grimmeishausens Hauptwerk. 1659 entstand wohl 
aus der lange angenommenen Zahl 1669 als Erscheinungsjahr des 
Simplicissimus. Freilich auch dann stimmt noch nicht, daß zwischen 
Guzman (1616) und Simplicissimus (1659) etwa 30 Jahre vergangen 
seien, wie Bayer erwähnt. — Nach Bayers Wortlaut (S. 292) müßte 
man Broximus und Limpida für zwei verschiedene Romane von 
Grimmeishausen halten. 



— 12 — 

geradezu geschJossene Diskursgruppen. In den übrigen 
sechzehn ist vor lauter Reflexionen ein Fortschritt der Er- 
zählung gar nicht mehr zu spüren. Wie wenig Albertinus um 
die Handlung besorgt ist, erhellt z. B. daraus, daß er einmal 
den Sprecher eines Diskurses abweichend vom Original un- 
eingeführt läßt*). 

Noch stärker als im ersten Buche tritt Albertinus' Ten- 
denz im zweiten hervor, das auf jede Handlung verzichtet. 
Ein Einsiedler belehrt Guzman ausführlich über Reue, Beichte, 
Buße und empfiehlt ihm eine Pilgerfahrt, deren Ausrüstung 
allegorisch beschrieben wird. Vielleicht hat Albertinus hier 
eine katholische Analogie zur lutherischen Figur des christ- 
lichen Ritters schaffen wollen ; die vielberufene Epheserstelle 
und ihre Auslegung kannte der fromme Katholik natürlich, 
wie ja auch das zehnte Kapitel von Lucifers Königreich 
beweist. 

Der buchhändlerische Erfolg seiner Bearbeitung, die von 
1615 bis 1622 fünf Auflagen erlebte^), trieb einige Frankfurter 
Spekulanten zu elenden Nachahmungen, einem dritten Teil 
des „Gusman" und einer Übertragung der ,,Plcara Justina''. 
Diese, nach einer gemeinsamen Vignette zu schließen^), wohl 
in der gleichen Druckerei hergestellten Werke behielten die 
Richtung des Albertinus bei, gaben auch spanische Herkunft 



*) Der Landtstörzer Gusman von Alfarche oder Picaro ge- 
nannt, . . . dnrch Aegidinm Albertinum . . . verteutscht theils ge- 
mehrt vnd gebessert. Getruckt zu München, durch Nicolaum Hen- 
ricum Anno MDCXV (Gusman 1615) Buch I Kap. 4 u. 5. 

*) s. Schneider, Spaniens Anteil etc. S. 205 f. Schneider druckt, 
S. 209, merkwürdigerweise ohne Quellenangabe, einen ganzen Ab- 
satz aus Bobertag, Geschichte des Romans in Deutschland, Bd. II, 
S. 24 f. über Aegidius Albertinus' Bearbeitung ah. 

») Der Landtstörtzer Gusman von Alfarche oder Picaro ge- 
nannt Dritter Teil Auß dem Spanischen Original erstmals anjetzo 
verteutscht durch Martinum Prewdenhold, Franckfurt MDCXXVI 
(Frewdenhold) Vorrede Bl. 2. — Die Landtstörtzerin Justina Dietzin 
Picara, Franckfurt am Mayn MDCXXVI u. MDCXXVII (Land- 
störtzerin Justina) S. 3. 



— 13 — 

vor, sind aber im Grunde nur aus fremden Bestandteilen 
jämmerlich zusammengestoppelt, wozu offenbar weder Ver- 
fasser noch Verleger sich öffentlich bekennen wollten. 
Der Name des unfähigen Gusmanfortsetzers „Martinus Frew- 
denhold" ist gewiß ein Pseudonym, und der Bearbeiter der 
Justina nennt sich gar nicht. 

Wenden wir uns zunächst dem dritten Teil des Gus- 
man zu. Ein Recht auf diesen Titel kann man dem Buche 
kaum zugestehen. Die Hauptperson führt zwar den Namen 
Gusman, hat aber mit dem Gusman der Albertinusschen 
Bearbeitung, geschweige denn mit dem Alemans, nichts gemein. 
Der industrielle Autor zeigt in . der ersten Hälfte seinen 
Helden auf einer Reise nach dem Orient, Japan und Amerika, 
deren Beschreibung er ohne Skrupel wörtlich aus dem Reyß- 
buch des Heyligen Landes abdruckt^). Die zweite Hälfte 
enthält ein Reihe von Diskursen über Gusmans jeweiligen 
Berufswechsel, und unvermittelt schließt das Buch mit einer 
Bekehrung. Von eigentlich Pikarischem steht also nichts in 
dem Machwerk, und selbst der marktschreierische Hinweis 
des Titels auf ein spanisches Original ist falsch. Einzelne 
Wortformen lassen vielmehr auf italienische Vorlage schließen, 
wenn man das Ganze nicht lieber als eine Kompilation aus 
deutschen Werken betrachten will. Von künstlerischer An- 
ordnung ist natürlich keine Spur zu finden. 

*) Frankfurt 1584. fol. Wie Frewdenhold compiliert, zeigt 
folgende Vergleichnng : S. 25—65 und 69—96 stammen ans 
Johann Helfferichs Bericht (EL 390a— 396a und 380a— 383b), 
S. 96—131 aus des Bruders Felix Beschreibung derEeise des Johann 
Werli V. Zimber und Genossen (Bl. 161a-166a). Von S. 140 bis 
223 ist die Darstellung des bekannten Arztes Leonhard B^uwolf (Rauch- 
wolff. S. Ratzel A. D. B. Bd. XX VIT, S. 462) benutzt. (Bl. 285 b bis 
349a jedoch mit starken Auslassungen). Für die Schilderung Amerikas 
und J^pan^ist die Quelle unbekannt. Bartbema (Goedeke, Grundriss 
Bd. I S. 377) für Japan und Schmiedel, Federmann oder Stade 
für Amerika kommen nicht in Betracht, da die bei Frewdenhold 
vorkommenden Jahreszahlen 1582 (S. 271 für Japan) und 1599 
(S. 256 für Amerika) nicht zu ihnen passen. 



— u — 

Ahnlich, wenn auch etwas besser, steht es mit der 
Bearbeitung der „Justina". Ihr erster Band folgt im ganzen 
Barezzos italienischer Übersetzung; der zweite dagegen ist 
eine Sammlung von Novellen, für die ich auch italienische 
Herkunft vermute und die sich zum großen Teil, nur anders 
geordnet, in einer Boccaccioübersetzung von 1646 wieder- 
finden'). Zu einem Abschluß kommt das Werk nicht Wie 
der „Gusman" ist es reich an Moralisationen und lehrhaften 
Partien. 

Dieser unkünstlerisch auflösenden Eichtung gegenüber 
vertritt ein einziger Mann das Interesse der Erzählung, 
Nicolaus Ulenhart*). Er gab 1617 bei Nicolaus Heinrich 
in Augsburg, wohl demselben, der 1615 als Nicolaus Henricus 
in München den ,,Gusman" des Albertinus gedruckt hatte, eine 
Übertragung des „Lazarillo'* und des „Rinconete y Cortadilla" 
von Cervantes; beide Werkchen erfreuten sich einer Reihe 
von Auflagen'). 

ülenhart legt mit einem gewissen Recht größeres Ge- 
wicht auf die Novelle des Cervantes. Nicht nur, daß er 
damit der deutschen Literatur eine wertvolle Neuheit ein- 
verleibte, die bisher nur spanisch und italienisch erschienen 
war, sondern, indem er diese Gaunemovelle in dem ihm 

*) Ducento Novell a, Zweihundert newer Historien, Frankfurt 
Schön wetter 1646. s. Bobertag Bd. I S. 89, Anm. 1. 

*) Zwo kurtzweilige, lustige vnd lächerliche Historien, die 
Erste, von Lazarillo de Tormes . . . Auß Spanischer Sprache ins 
Teutsche gantz trewlich transferirt. Die ander, von Isaac Winckel- 
f eider vnd Jobst von der Schneid, . . . Durch Niclas Vlenhart be- 
schriben gedruckt zu Augspurg, durch Andream Aperger, In Ver- 
legung Niclas Heinrichs MDCXVII. — Über ülenhart ist 
bisher nichts bekannt geworden. Doch erlaubt sein Buch manche 
Schlüsse. Die Vorrede (Bl. 4 b.) lehrt, daß er katholisch, aber 
tolerant gegen die Lutheraner war. Er verstand Lateinisch (s. den 
in der Vorrede zitierten Vers 343 der Horazischen Ars poetica) und 
Böhmisch (S. 243). Wegen der Kenntnis Prags halte ich ihn danach 
für einen Deutschböhmen und glaube nicht, daß man ihn mit Hein- 
hardstöttner (A. D. B. Bd. XXXIX, S. 183) in Augsburg suchen darf. 

•) S. Schneider a. a. 0. ö. 210. 



— 15 — 

wohlbekannten Prag ansiedelte, wurden mancherlei Um- 
arbeitungen nötig, denen er sich mit Geschick unterzog. 

Formal weit wichtiger aber ist die Wirkung des „Lazarillo'* 
gewesen. Das unorganisch angehängte Kapitel von LazariUos 
Umgang mit den deutschen Landsknechten, in Wahrheit der 
mitgeschleppte Anfang einer frühen unberufenen spanischen 
Fortsetzung, verschmelzt Ulenhart dadurch mit dem Ganzen, 
daß er verstärkend den ersten Schluß wiederholt. Läßt das 
Original Lazarillo als ruhigen Kleinbürger enden, so verall- 
gemeinert Ulenhart LazariUos Ansehen bei den Landsknechten 
so weit, daß der ehemalige PIcaro mit der Hoffnung abtreten 
darf, dereinst noch Bürgermeister zu werden^). Man sieht, 
Ulenhart komponiert bewußt. 

Im ganzen also ist das Sciiicksal des pikarischen Romans 
in Deutschland nicht das beste gewesen. Fremden Zwecken 
unterworfen, hat er seine typische Gestalt nur zum Teil er- 
halten und Realismus und Yolkstümlichkeit, die ihm in 
seiner Heimat Erfolg beschert hatten, gänzlich eingebüßt. 
Seine neuen Bestandteile haben zwar auch auf Grimmeis- 
hausen gewirkt, der alten pikarischen Form aber blieb der 
stärkere Einfluß vorbehalten. Sie zeigte sich in ülenharts 
„Lazarillo" und in französichen und italienischen Übersetzungen. 

Nur am Schlüsse hat des Albertinus Richtung den 
pikarischen Roman formal bereichert. Der unfähige Martinus 
Frewdenhold hat seinen dritten Teil des „Gusman" wirklich 
zu Ende geführt, indem er, wenn auch ungeschickt, den 
Helden sich bekehren läßt. 

Der verlorene Realismus und die kräftige Volkstümlich- 
keit in pikarischer Form erstanden neu, als Grimmeishausen 
im großen Kriege ähnliche Zustände sah, wie sie die Ver- 
fasser der novela picaresca nach den Maurenkämpfen in 
Spanien angeregt hatten. 



») Ulenhart. S. 179. 



IL Die pikarische Form bei Grimmeishausen. 

Die pikarische Form tritt im Simplicissimus deutlich 
hervor, und besonders scheint mir „Lazarillo" fonnale Ein- 
flüsse auf Grimmeishausen ausgeübt zu haben. War doch von 
dem trefflichen Werk noch 1656 eine Übersetzung bei dem 
bekannten Nürnberger Verleger Michael Endter erschienen *). 

Nach spanischen Mustern erzählt auch Simplicius sein 
Leben selbst, beginnend mit der Schilderung des Eltern- 
hauses. Lazarillos Beispiel befolgt er, indem er nicht aus- 
führlich die Schicksale der Eltern vor seiner Geburt berichtet, 
sondern nur darstellt, was er selbst miterlebt hat. Die 
listige Unehrlichkeit der spanischen Picaros wird zur un- 
gebildeten Derbheit der deutschen Bauern, die in den Augen 
des deutschen Publikums wohl ebensosehr einer Beschönigung 
bedurfte, wie die Gaunerei in denen der Spanier. Grimmeis- 
hausen verwendet hierfür die Form ironischer Lobrede und 
berichtet in dieser Form auch noch über Simplicius' Er- 
ziehung. Durch diese Zusammenfassung vereinfacht er die 
Exposition vorteilhaft, ohne sie doch durch zu große Kürze 
zu verflüchtigen. Über seine Erziehung selbst faßt sich 
Simplicius kurz, wiederum gleich dem sparsamen Lazarillo, 
im Gegensatze zu späteren pikarischen Romanen wie „Justina'^ 
„Buscon", „Estevanillo". Der Überfall des elterlichen Hofes 
treibt den Knaben im zarten Alter, wie die Picaros, in die 
Welt, und wie sie macht er trübe Erfahrungen in Hanau^ 
bevor er lernt, sich in das Leben zu schicken. 



>) S. Schneider a. a. 0., S. 210. 



— 17 — 

Allein zwischen dem Bauemieben und der Ankunft in 
Hanau steht, seltsam abstechend gegen die derbe Umgebung 
von Krieg und Pagenschwänken, das friedliche Einsiedler- 
idyll. Der fremden Sphäre des idealistischen Romans ent- 
stammend, hat es, wie sich noch zeigen wird, seinen be- 
sonderen Vorläufer in den Anfangspartien eines Romanos 
von Balthasar Kindermann, der 1660 erschienenen „Unglück- 
seligen Nisette"^). 

Im Kontrast zu dem bisher Erzählten stellt es gleich- 
sam eine Wiederholung des pikarischen Anfangs im Stil des 
idealistischen Romans dar. Simplicius wächst bei dem Ein- 
siedler, seinem leiblichen Vater, auf — freüich ohne ihn. als 
solchen zu erkennen — bis dessen Tod und der Kriegslauf 
den Knaben zum zweiten Male in die Welt stoßen. Nun 
erst gelangt er nach Hanau. 

Also eine Wiederholung desselben Motivs unter anderen 
Gesichtspunkten. 

Ahnlich steht es um den Schluß des Ganzen, nur daß 
hier naturgemäß der heutige Schluß den anderen, wohl 
ursprünglich geplanten verdrängt hat. Aber noch ist auch 
dieser in kleinen Resten erkennbar. 

Vom fünften Buche an soll Simplicius im behaglichen 
Familienkreise dem Kriegsleben für immer Lebewohl gesagt 
haben. Daher der Ankauf des Gütchens im Schwarzwald, 
die kriegerischen Mißerfolge und die Heirat. Diesen Schluß 
ändert Grimmeishausen jedoch um. Das vom berichtete 
Eremitentum des Vaters wird auf den Sohn übertragen, und 
mit diesen Einflüssen der „Nisette" treffen noch solche von 
Erewdenholds „Gusman^', der gleichfalls in Reue und Bekehrung 
endet, und von Philander von Sittewaldt zusammen, den 
eine unechte Frankfurter Fortsetzung, 1644 bei Schönwetter 
erschienen, Mönch werden ließ^). 



^) S. unten S. 26 ff. 

^) Gegen diese sowie andere Raabdrucke seiner Schriften wandte 
sich Moscherosch im siebenten Gesicht des zweiten Teiles der 
Straßburger Ausgabe von 1650 und besonders Schönwetter griff er 

Palaestra LI. 2 



— 18 — 

Die Ehe stellt sich bald als unglücklich heraus; Frau 
und Kind und auch der treue Hertzbruder sterben rasch 
dahin, und Simplicius selbst nimmt sein leichtsinniges und 
sündiges Leben wieder auf, nicht ruhebedürftig, sondern 
„curiös", eine seinem Charakter bisher fremde Eigenschaft. 
Er sucht nun geradezu Abenteuer, während er sie früher 
nur nicht gescheut hat, und bevorzugt jetzt die wunder- 
baren und ausländischen, wie die Erforschung des Mummel- 
sees, die Reise nach Rußland und dem fernen Osten. Von 
der Nichtigkeit des Lebens durchdrungen, zieht er sich nach 
seiner Heimkehr in den Wald zurück. 

Ein echt pikarischer Schluß also wird umgestaltet nicht 
ohne Einfluß des idealistischen Romans, jedenfalls aber in 
seinem Stil. 

Die Frage drängt sich auf, ob nicht der doppelte Ein- 
gang, der gleich dem Schlüsse Elemente des pikarischen 
Romans mit solchen des idealistischen mischt, gleichfalls in 
zwiefacher Konzeption entstanden ist. Und dem scheint 
wirklich so, wenn man den Faden betrachtet, der über das 
Ganze hinw^eg Anfang und Schluß besonders verknüpft: 
der Knän erscheint gegen Ende des Romans wieder und 
klärt Simplicius dahin auf, daß er nicht sein, sondern des 
Einsiedlers Sohn sei. Spuren finden sich, daß an Stelle 
dieses Motivs ursprünglich eine echte Anagnorisis durch 
ein bisher verborgenes Merkmal geplant war, wie sie im 
idealistischen Roman nicht selten ist, z. B. auch in der 
Nisette. Der Knän berichtet von etlichen „Paternoster, 
Edelgesteinen und so Geschmeiß", die Simplicius' Mutter 
bei der tödlich verlaufenden Niederkunft den Bauern für 
ihr Kind gegeben^), und bei dem Überfall kommen diese 



schon im sechsten Gesicht des ersten Teiles dieser Aasgabe als 
Hübstwetter an nnd rechnete ihn und andere Nachdrucker zn den 
Höllenkindem. (Bd. I S. 377.) 

>) Simplicius Simplicissimns, Buch V, Kap. 8, S. 400, Z. 34. 
Ich zitiere den Simplicissimns nach der Ausgabe von Koegel, 
Halle 1880, Nr. 19—25 der Neudrucke deutscher Literaturwerke 



— 19 — 

Pretiosen wieder ans Licht: der Schatz des Enän sei an 
Gold, Perlen und Kleinodien viel reicher gewesen, als man 
hinter den Bauern hätte suchen mögen ^). Ja, Simplicius er- 
zählt dem Einsiedler sogar von diesen Kostbarkeiten'). 
Liegt da der Gedanke an eine früher geplante echte Ana- 
gnorisis durch ein Schmuckstück nicht nahe? Aber Grinmiels- 
hausen hat das für den pikarischen Roman unwahrschein- 
liche Motiv abgeschwächt : an einer leicht sichtbaren Warze 
erkennt Simplicius den Knän wieder, und zu größerer 
Glaubwürdigkeit offenbart der Alte, nachdem ihm Simplicius 
mit Wein die Zunge gelöst hat, das wichtige Geheimnis, 
ohne zu ahnen, mit wem er spricht Der Leser freilich ist 
auf diese Enthüllung schon längst vorbereitet durch die 
Erzählung des Pfarrers*) und durch immer wiederkehrende 
Anspielungen auf Simplicius' ihm selbst doch unbekannte 
edle Abkunft*). Für uns ist es überflüssig, daß Simplicius 
sich seinen Pflegeeltern gegenüber nochmals durch ein 
Muttermal auf der Brust legitimiert, ein Zug, der wohl der 
alten Anagnorisis entstammen kann*). 

Eine ähnliche Abschwächung der Effekte zu größerem 
Realismus hat aber auch die Kgur des Einsiedlers erfahren. 
Während Kindermann nur die Mühseligkeit und die Welt- 
flucht einsiedlerischer Lebensweise betont, beschreibt 
Grimmeishausen auch noch in einem eigenen Kapitel 
realistisch, wie Simplicius mit dem Eremiten den Tag ver- 
bringt und wie sie ihren Lebensunterhalt gewinnen, nämlich 
auch mit Feldarbeit, nicht nur mit Beten*). 



des XVI. and XVII. Jahrhunderts, die übrigen simplicianischen 
Schriften nach der Aasgabe von Knrz, Leipzig 1863/64, Bd. 3^6 
der Deutschen Bibliothek. 

>) Simpl. I. 4, S. 17, Z. 8. 

«) Simpl. I. 8, S. 25, Z. 6. 

•) Simpl. I. 22, S. 59 f. u. I. 23, S. 63 f. 

*) So Simpl. n. 25, S. 167, Z. 8, lEI. 12, S. 239ff., m. 17, 
S. 261, 25. 

*) Simpl. V. 8, S. 401, Z. 22. 

•) Simpl. I. 11, S. 29ff. 

2* 



— 20 — 

Diese Anpassungen idealistischer Motive lassen zum 
mindesten die Priorität eines pikarisch-realistischen Planest 
erschließen, und die kleinen Reste früherer Ausgleichs- 
versuche legen den Gedanken an doppelte Konzeption 
sehr nahe, zumal auch die heutige Form noch verwickelt 
genug ist Bei einem Vergleich mit der „Landstörtzerin 
Courasche" gewinnt diese Vermutung an Wahrscheinlichkeit. 
Simplicissimus trägt die Spuren der Verschmelzung. Wie 
die gemeinsame Konzeption eines pikarischen Anfangs und 
einer Enthüllungsgeschichte aussieht, zeigt die Einleitung 
der „Courasche'', die freilich weniger sorgfältig und geschickt 
als die des Simplicissimus ist Die pikarische Form bleibt 
nur zum kleinen Teil erhalten: Courasche erzählt selbst, be- 
ginnend mit ihrer Kindheit im Hause der Kostfrau. Von 
Anfang an habe sie gewußt, daß diese nicht ihre Mutter 
sei. Niemand erstaunt nun mehr, im zehnten Kapitel, ohne 
alle Umschweife und ohne daß geheimnisvolle Andeutungen 
vorhergegangen wären, zu erfahren, daß Courasches Eltern 
ein Graf und eine ,Staads-Jungfer' seiner Gemahlin sind. 
Das einzige Mittel der Spannung, Courasches Neugier auf 
ihre Abkunft, versagt, da der Leser genug daran weiß, daß- 
Courasche zwar fern von ihren Eltern, aber doch wie reicher 
Leute Kind erzogen wird. Die im Simplicissimus so wirk- 
same Enthüllung hinterläßt in der „Courasche" keinen Ein- 
druck, weil sie nicht genügend ausgearbeitet ist. Die Ver- 
schmelzung zwiefacher Konzeption gebot notwendig bedächtige 
Arbeit; die einfache Konzeption der „Courasche" dagegen 
verführte zu schnellerer Erledigung. 



War am Anfang dadurch, daß alles auf die pikärische 
Erzählung abgestimmt erschien, Harmonie gewonnen, so ist 
am Schluß nur technische Einheit erreicht Der Bruch in 
Simplicius' Charakter, der jähe Übergang vom altmodischen 
Plcaro zum curiösen Reisenden blieb, und die Wandlung 
erhielt sich auch in dem nachgetragenen sechsten Buch, 



— 21 — 

das den bindenden Schluß des fünften Buches wieder zu 
nichte machte. An der Echtheit dieses Buches zweifelt 
heute niemand mehr, doch geht Tüngerthal*) zu weit, wenn 
er es zum ursprünglichen Plane schlägt. Setzt doch der 
Schluß des sechsten Buches den des fünften technisch 
geradezu als bindend voraus: Grimmeishausen hat von Ulen- 
hart gelernt, ein bereits abgeschlossenes Werk nochmals zu 
beenden. Wie Ulenhart verstärkt Grimmeishausen Motive 
vom Finale des fünften Buches, um dadurch dem des sechsten 
höhere Gültigkeit zu verleihen. Das Einsiedlerleben im 
Schwarzwald war noch nicht weltfern genug gewesen; 
darum führt Grimmeishausen seinen Helden auf eine ein- 
same Insel und erfindet so die erste Robinsonade der 
deutschen Literatur. Am Anfang seines Erstlingswerkes, 
des „Fliegenden Wandersmannes nach dem Mond", dem eine 
französische Übersetzung des englischen Originals von 
Francis-Godwin zugrunde lag^), war das Motiv schon an- 
gedeutet, sodaß Grimmeishausen nur einige Änderungen 
vorzunehmen brauchte, um die echte Robinsonade zu er- 
reichen; denn das war die Vorlage noch nicht. Domingo 
Gonsales, der fliegende Wandersmann, wird mit einem Ge- 
fährten auf St. Helena ausgesetzt. Den curiösen Reisenden 
Simplicius aber konnte, abenteuerlicher und daher besser, 
ein Sturm auf die einsame Insel verschlagen. Aus dem 
Diener des Gonsales wird der Schiffszimmermann im Sim- 
plicissimus. Die Schilderung der Insel aber konnte bis in 
Kleinigkeiten hinein bestehen bleiben. 



*) Programm der städtischen Realschule zu Bielefeld 1902, S. 13. 
*) S. Kurz in semer Einleitung zu den simplicianischen 
Schriften, Bd. I S. XXV. 



IIL Vorfabel, Nachholungen und Wiederholungen. 

Am Anfang und am Ende des Simplicissimus sahen 
wir Elemente des pikarischen und des idealistischen Bomanes 
sich mischen, aber trotz des Sieges pikarischer Form über den 
fremden Inhalt blieben dem Einsiedleridyll Reste idealistischer 
Komposition. 

Der idealistische Roman liebt es im allgemeinen nicht, 
wie der pikarische, die Vorgeschichte gleich an den Anfang 
zu stellen, sondern er holt sie meist nach. Das Verfahren 
ist alt. Im griechischen Roman findet es sich vereinzelt^), 
in den mittelalterlichen Epen nicht selten, und die modernen 
Romane bilden es fort. Huet, der erste Theoretiker der 
Gattung, ein Zeitgenosse des historisch galanten und des 
Schäferromans, hielt es daher für das einzig richtige ^). Dem 
allerdings gewichtigen Vorteil des Zurückdrängens der Vor- 
fabel bei dieser Technik stand doch die Gefahr gegenüber, 
daß man Vorfabel und Haupthandlung nicht genügend 
schied und diese wesentiich schädigte, indem man ihren An- 
fang abschnitt und nachholte. Auch Barclais Geschick- 
lichkeit hat diese Gefahr in der „Argenis" nicht überwunden. 
Zu Anfang des Romans, nicht erst nachholend in seinem 
Verlauf, mußte geschildert werden, wie Poliarchus und 
Argenis einander kennen lernen. 



*) S. Rohde, Der griechische Roman und seine Vorläufer, 
2. Aufl. 1900. S. 474. 

2) Huet, Traite de POrigine des Romans, der Zayde von M^ de 
Lafayette als Vorrede beigegeben. 



— 23 — 

Die regelmäßige Form solcher Nachholungen war die 
eingeschobene ausführliche Icherzälilung, indem entweder 
eine Hauptperson des Bomans eigene Schicksale berichtete, 
wie in der , JSJisette'^ *), der „Eosemund" Zesens*), oder indem, 
wie in der „Argenis"'), in Zesens „Assenat"*), im „Francion'' von 
Charles Sorel*), in Grimm elshausens „Proximus und Lympida"®), 
ein Diener, eine Freundin, die Geschichte des Herrn, der 
Herrin vortrug. Das Ende der Icherzählung hebt gerne der 
Anschluß an die Haupthandlung ausdrücklich hervor. 

Schob man solche Nachholung weit in den Roman 
hinein, wie Barclai in der „Argenis'' oder Assarini im „De- 
raetrius" und in der „Stratonica", so mußte ein großes Stück 
in sich selbst begründet sein, also auf die Vorgeschichte ver- 
zichten. So entwickelte sich die bequemere Form, gleich 
nach der ersten Szene die Vorfabel zu erzählen. Man 
konnte dann den Leser in medias res führen und mit einem 
kräftigen Effekt das ganze Werk eröffnen, wie es in Sorels 
„Francion", in der „Arcadia" oder in der „Nisette" geschah. Der 
nun folgende Bericht brachte in übersichtlicher Geschlossen- 
heit die Vorfabel, ohne das auf der Schwelle eroberte 
Interesse allzusehr von dem eigentlichen Boman abzulenken. 
Hierbei verfiel man freilich leicht in den Fehler einer 
allzuschweren Belastung des Portals. Bedurfte nur die 



») Kurandors Vnglückselige Nisette o.0. 1660, Buch I, Kap. 2, S.9. 

^) Phil. V. 2jesen, Die adriatische Bosemond ed. Jellinek HaUe 
1899. Neudrucke No. 160-163, S. 38ff. 

^) Jüan Barclai Argenis Verdeutscht durch Martin Opitzen. 
Amsterdam, Bey Johan Jansson 1644, Bd. I, Buch HI, Eap. 7, 
8. 328 ff., Buch IV, Kap. 9 S. 496. 

«) Eilips von Zesen Assenat Nürnberg 1672, S. 23 u. S. 55. 

*) „Wahrhafftige vnd lustige Histori, Von dem Leben des 
Erancion . . . MDCLXII", davor ein Bildertitel, „Lustige Histori von 
dem Leben des Erancions (so) Eranckfurt. In Verlegung Thomas 
Mathias Götzens Anno 1663''. (Königl. Bibl. Berlin Xx 3984. In 
Goedekes Grundriß nicht verzeichnet.) Buch 11, S. 138. 

") Proximus und Lympida. Gesamtausgabe 1695, Bd. m, 8. 370, 
Buch n, Kap. 1. 



— 24 — 

erste Szene einer nachträglichen Aufklärung, so war damit 
ein Anlaß zur Exposition des Ganzen noch nicht gegeben, 
und wie sehr man in diesem Punkte der Anlage schaden 
konnte, zeigt der „Francion", der zwar gut und flott erzählt, 
aber ungeschickt komponiert ist^). Den eigentlichen In- 
halt bildet ein Novellenthema, Francions Liebe zu der 
schönen Nais, aber dahin führt erst eine lange, überladene 
Exposition, die von den zwölf Büchern sieben umfaßt Die 
erste Szene, ein derber Schlager, dient ohne Zusammenhang 
mit. dem Ganzen nur als Notnagel für die Vorgeschichte. 
Ihr realistischer Inhalt ist dem Autor wichtiger als Francions 
spätere Liebe, und nur die Tradition des galanten Romans 
ließ ihn wohl noch diese idealistische Erotik anhängen, die 
formal doch das Hauptthema ausmacht^). 

Ein solche konventionelle und bequeme Form wurde 
manchem Stoff wider seine Natur aufgezwungen, so dem 
Josefstoff in Zesens „Assenat'\ Zesen führte mit der „Rose- 
mund'' die Form auch in den Problemroman ein, in dem sie 
durch Vorwegnähme von Resultaten leicht der spannenden 
Entwicklung Abbruch tat. Assariiii, dessen „Stratonica" jenes 
antike Thema von der Liebe des Königssohnes zur Stief- 
mutter behandelt, hatte das Problem selbst chronologisch 
angelegt und nur den damit verquickten politischen und 
historischen Intrigenroman in später Nachholung exponiert'). 
Grimmeishausen, dem später in „Dietwald und Amelinde" die 
organische Verbindung von Problem und Geschichte miß- 
lang, verfuhr gleichfalls chronologisch. Zesens Streben zielte 
wegen der inneren Entwicklung auf den Problemroman. 
Er trat 1644 als Erzähler auf mit der Übersetzung von 



*) Vgl. Lansons treffendes Urteil in seiner Histoire de la 
litterature fran^aise, 5. Auflage 1898, S. 385. 

*) Daß die ersten sieben Bücher, die 1622 in einer ver- 
schollenen Ausgabe allein erschienen, einmal zu strengerer Einheit 
gefügt gewesen seien, widerlegt Emile Roy, Etüde sur Charles 
Sorel, Paris 1891, S. 62. 

») Verteutschte Stratonica, Amsterdam 1666, S. 176 und 234. 



— 25 — 

d'Audiguiers „Lysander und Kaliste", gewiß nicht blind gegen 
d^n entstellten sittlichen Konflikt. Schon ein Jahr später 
erfaßte er in der „Rosemund^' ein Problem deutlicher und 
vollzog den technischen Fortschritt, die übliche Form der 
Nachholung der Vorgeschichte ohne Schaden für das Pro- 
blem anzuwenden: wir hören sogleich von Markholds und 
Rosemunds Liebe, aber erst die Vorgeschichte, die Markhold 
erzählt, stellt das Hindernis der Liebe und damit das Problem 
klar. Auch in Zesens reifstem Werke, der „Assenat", interessiert 
ihn das Problem von Sefiras unglücklicher Liebe zu Josef am 
meisten, und er widmet dieser Schilderang das ganze dritte 
Buch, das beste des Romans; aber sein formaler Gewinn 
von der „Rosemund^' her blieb hier verborgen, da Sefira keine 
Hauptperson war. 

Gern wurde die Vorgeschichte unterbrochen, nicht nur 
damit der Leser die Haupterzählung festhalte, sondern auch 
um einzelne Teile der Vorfabel klar voneinander abzu- 
heben. Darin ist Barclais „Argenis'' musterhaft, die zwei 
große Berichte dem früheren Schicksal der Hauptpersonen 
widmet: von Argenis' Standpunkt aus teilt ihre Pflegerin 
Seienisse dem werbenden Könige Radirobanes mit, Avas sich 
seit Poliarchus' Ankunft zwischen Argenis und diesem be- 
geben hat; Poliarchus' Kindheit erfährt sein getreuer Freund 
Arsidas, als er ihn sucht, durch einen Schiffskapitän ^). 
Selenisses Vortrag zerfällt durch Unterbrechungen wieder 
in vier Abschnitte: 1. Theocrines Erlebnisse bis zur Ankunft in 
Sizilien, von Seienisse derTheocrine selbst in den Mund gelegt; 
Icherzählung in einer anderen Icherzählung. 2. Theocrines 
Heldentaten. 3. Theocrines und Poliarchus' Identität. 4. Poli- 
archus' Auftreten als Mann bis zur Abreise aus Sizilien. 
Nach dem zweiten Abschnitt ist die Unterbrechung stärker, 
und die Liebesszene zwischen dem plötzlich eintretenden 
Poliarchus und der Argenis macht den folgenden Aufschluß, 



») Argenis in. 7 ff., S. 328 nnd IV. 9 ff., S. 496. 



— 26 — 

Theocrine sei Poliarchus, um so wirksamer. Außerdem 
werden dadurch Poliarchus' Erlebnisse in seiner Mädchenrolle 
und als Mann besser geschieden. 

In dem zweiten großen von Poliarchus allein handelnden 
Bericht macht der Zuhörer durch Einwürfe den Leser auf 
alle Ähnlichkeiten zwischen den Schicksalen des Astiorist 
und denen des Poliarchus aufmerksam und bereitet so die 
Entdeckung ihrer Identität vor^). 

Auch die Vorgeschichte unmittelbar nach der ersten 
Szene konnte in mehreren Abschnitten gegeben werden. 
Sorel im „Francion'^ sucht ohne rechten Erfolg der Über- 
lastung des Eingangs zu begegnen, indem er Francions lange 
Erzählung durch die Geschichte Laurettes unterbricht. Der 
Hauptfehler, daß Vorgeschichte und Eoman in ihren Ele- 
menten nicht zusammenstimmen, blieb. 

Barclais geschicktere Anordnung nach Gruppen fand 
manche Nachahmer. Zesen disponierte die Vorfabel der 
„Assenat", Kindermann die der „Nisette" durch Zerlegung in 
zwei Abschnitte nach dem Beispiele der „Argenis"^). So 
entsteht eine parallele Anordnung. Josef erfährt im ersten 
Buch Assenats Leben, im zweiten deren Freundinnen die 
Geschichte Josefs'). Kindermann teilt nicht nach einzelnen 
Personen, sondern nach Paaren: Artafemes und Nisette, 
Pasimethes und Hypsipile. Die Geschichte des ersten Paares 
gibt Artafemes, die des zweiten Hypsipile; beide Vorträge 
sind durch Begegnungen motiviert*). Auf die erste müssen 



^) Z. B. Argenis S. 497. S. 513. 

^) Die Nisette ist in Stoff und Ban abhängig von der Argenis. 
Beide Romane spielen zu gleicher Zeit, nnd behandeln Aufstände 
in Sizilien, wobei die Führer der Aufrührer einander stark ähneln, ganz 
besonders in einer Rede, die sie vor der Entscheidungsschlacht 
an ihre Truppen halten. Femer stimmen kleinere Züge überein, 
wie der Abschied der Argenis von Poliarchus zu dem der Dorisophe 
von ihrem Geliebten, und die E«ttung des Poliarchus von einem 
Felsen im Meer zu der des Seusippus. 

') Assenat S. 23 und S. 55. 

*) Nisette I. 2 und 4, S. 9 und S. 31. 



— 27 — 

wir etwas näher eingehen, da sie das Muster für Simplicius' 
Zusammentreffen mit seinem Vater geworden ist. Hier wie 
dort wird ein Einsiedler von einem nahen Verwandten im 
Walde aufgefunden. Beide Einsiedler erstaunen über die 
Ankömmlinge, Simplicius' Vater über den Ton der Sackpfeife, 
Nisander über menschliche Stimmen und das Pferd; die 
beiden Verirrten fallen in Ohnmacht, Simplicius vor körper- 
licher Erschöpfung, Artafemes vor Liebeskummer; in beiden 
Szenen wird ohne Wissen des Sängers ein Lied belauscht 
In der „Nisette" führt es das Zusammenfinden herbei; aber 
weshalb weiß Grimm elshausens Einsiedler nicht, daß Simplicius 
ihn hört? Man hat den Eindruck, auch im Simplicissimus habe 
das Lied ursprünglich die Entdeckung bewirken sollen. Ganz 
klar wird die Ähnlichkeit im Bau beider Szenen durch die nun 
folgende Vorgeschichte, besonders die Exposition der Szene. 
Artafemes erzählt in wohlgesetzter längerer Rede dem Bruder 
sein Lehen, und damit gewinnt der Anfang der „Nisette" die 
typische Form. Simplicius dagegen, das verängstete und 
hilflose Kind, kann unmöglich so zusammenhängend be- 
richten; deshalb löst Grimmeishausen seine Erzählung in 
Dialog auf, der im ganzen Roman der Zeit seinesgleichen 
nicht hat^). In der uns vorliegenden Fassung gibt dieser 
Dialog nur eine Wiederholung bereits geschilderter Tatsachen, 
und zwar die ausführlichste unter den wenigen, die Grimmeis- 
hausens sichere Technik passieren läßt. Weiter in den 
Roman hineingeschoben, würde eine so breite Wiederholung, 
gliche sie auch an Reiz diesem entzückend frischen Gespräch 
zu viel Raum einnehmen; und Grimmeishausen wagt sie 
darum nicht zum zweiten Male. Weshalb jedoch wagt er 
sie hier? Weshalb läßt er nicht den Helden, der allge- 
meinen und seiner eigenen Technik gemäß, mit kurzen, 
dürren Worten nur sagen, daß, nicht aber wie er dem Ein- 

*) Zn vergleichen an Kiiappheit m Rede und Gegenrede ist 
höchstens die grobe Scheltszene zwischen Mann nnd Weib in 
Moscheroschs Gesicht „Weiberlob^*, wo gleichfalls Erzählung in 
dramatischen Dialog übergeht. Bd. II, 344 ff. der Ausgabe von 1650. 



— 28 — 

Siedler in seiner kindlichen Art sein Unglück erzählt habe? 
Die Anfangsszene der „Nisette" wird diese Wiederholung herbei- 
geführt haben. Und wie es wahrscheinlich ist, daß das 
Lied vom Morgenstern einst Yater und Sohn vereinigte, so 
mag auch dieser wiederholende Dialog in glücklicher An- 
passung an Simplicius' kindlichen Charakter aus einem ge- 
schlossenen Bericht mit schon bekanntem Inhalt, wie er 
im idealistischen Roman typisch war, entstanden sein. Die 
pikarische Urform nach Art des „Lazarillo" wäre dann in 
einer neuen von der „Nisette" abhängigen Phase überflüssig 
geworden, und erst ein drittes Stadium hätte beide Formen 
verschmolzen. Also auch hier eine Absch wächung idealistischer 
Motive zugunsten der Wahrscheinlichkeit. 

In der ,,Nisette" wie im Simplicissimus wird aber die 
Vorfabel noch vervollständigt; dort durch die Geschichte 
des zweiten Liebespaares, hier durch den Bericht des 
PfaiTers in Hanau über den Einsiedler und seine Gemahlin^). 
Beide Romane enthüllen dazu gegen Ende verwandtschaft- 
liche Beziehungen, was in der Nisette als echte Anagnorisis 
erscheint, im Simplicissimus als solche noch aus Spuren 
älterer Entwicklungsstadien zu vermuten ist^). Die Ana- 
gnorisis gehört ja zu den Hauptrequisiten des idealistischen 
Romans. In der „Arcadia", der „Argenis'', der „Nisette" findet 
sie sich, und es ist deshalb wahrscheinlich, daß Grimmeis- 
hausen dies dem pikarischen Roman fremde Motiv, ehe er 
es umarbeitete, aus jener Sphäre entlehnt hat. Wie 
Grimmeishausen dem Realismus seines Werkes zu Liebe 
das abenteuerliche Motiv wahrscheinlicher gestaltete, ist oben 
gezeigt worden. Der Leser ahnt den Zusammenhang 
zwischen dem Einsiedler und Simplicius, längst ehe die Er- 
zählung des Knäns es ihm bestätigt. Die beiden Berichte des 
Pfarrers über den Einsiedler und seine Gattin zusammen 
mit einer Menge von Anspielungen auf Simplicius' adelige 



1) Simpl. I. 22 u. 23, S. 59 u. 63. 
«) S. o. S. 18. 



— 29 — 

Abkunft^), die Abschiedsworte des sterbenden Einsiedlers 
„Mein lieber und waarer einziger Sohn (dan ich habe 
sonsten keine Creatur als dich, zu Ehren unsers Schöpffers 
erzeuget)'^ ^), Simplicius' Ähnlichkeit mit der Schwester des 
Gouverneurs, eben der Gattin des Einsiedlers,- die ihn den 
beiden Männern so lieb macht'), lassen den Leser die Ent- 
deckung geradezu verlangen. Der idealistische Eoman be- 
reitete nicht so sorgfältig vor. Das Kästchen der Hyanisbe 
in der „Argenis"*), des Gobrias' Erzählung*) tun doch nicht 
die gleiche Wirkung, denn sie stehen zu vereinzelt und 
wirken zu direkt. Gerade die Mischung von Natürlichem 
und Geheimnisvollem im Simplicissimus zeigt Grimmeis- 
hausens Kunst. Auch in der „Nisette" war die Vorbereitung 
minder berechnet. Abgesehen von der Ungeschicklichkeit, 
dem Leser durch das Personenregister vom jede Spannung 
des Erratens zu rauben**), ist auch hier die Vorbereitung 
zu massig, und deshalb wirkt die Prophezeiung des Alten 
in der Höhle nicht geheimnisvoll'). Gerade sie hat freilich 
trotzdem Grimmeishausen beeinflusst. Auch Simplicius er- 
hält, unter die Erdoberfläche vorgedrungen, eine plötzliche 
Nachricht über seine Abkunft^), und gleich Artafemes erstaunt 
er, nicht der zu sein, für den er sich hält. Bei Grimmeis- 
hausen ist diese Szene nur das Glied einer Kette und verliert 
dadurch an Wirkungskraft. Gleichwohl wäre für ihn eine 
rasche Enthüllung unvermeidlich gewesen, wenn er nicht 
gerade hier, bei der stärksten Vordeutung, sagenhafte und über- 
sinnliche Elemente eingeschoben hätte. Im Augenblick der 
Prophezeiung steht Simplicius auf dem Gipfel seines Lebens 
als Jäger von Soest. Er verkehrt nicht mit seinen Kameraden, 

>) S. o. S. 19, Anm. 4. 

«) Simpl. I. 1^, S. 34, Z. 18. 

») Simpl. I. 23, S. 63, Z. 31. IL 14, S. 134, Z. 2. 

*) Argenis n. 11, S. 193 f. V. 18, S. 728 f. 

^) S. o. S. 25, Anm. 1. 

®) Nisette letztes Blatt vor S. 1. 

') Nisette Buch IH, Kap. 3, S. 280. 

8) Simpl. in. 12, S. 239, 13ff. 



- 30 — 

sondern mit seinen Vorgesetzten; sein verheißungsvolles 
Streben geht auf eine Offizierstelle und auf Ruhm. Wäre 
jetzt dem stolzen Jäger vornehme Herkunft glaubwürdig 
nachgewiesen, er hätte den Adel aufgenommen, sich durch 
eine Enthüllung nicht mehr überraschen lassen, und der 
Aufklärung zum Schluß würde die Spitze abgebrochen 
worden sein. Aber was achtet der tatkräftige Reiter auf 
Sagen, auf Erzählungen von Bauern ? Trotz augenblicklichen 
Staunens hat er sie bald vergessen, und niemand erwartet 
eine baldige Hebung des Schleiers. 

Hat sich also die Entdeckung von Simplicius' wahrer 
Abstammung, ursprünglich eine echte Anagnorisis, bis in 
Einzelheiten der Vorbereitung vom idealistischen Roman, 
speziell von Kindermanns „Nisette", abhängig erwiesen, so ist 
wohl anzunehmen, daß sie zugleich mit anderen Motiven 
dieses Stoffkreises aufgenommen ist und dem ursprünglichen, 
rein pikarischen Plane gefehlt hat. Dazu paßt auch die Ver- 
mutung, daß Simplicius' Vater, der Einsiedler, wie oben ge- 
zeigt*), mit allen Beziehungen erst einer zweiten Konzeption, 
wieder unter Einfluß der „Nisette'', entstammt. Demnach wäre 
Simplicius im ersten Plane wirklich ein Bauernsohn gewesen, 
und ganz passend hätte er auch als Landmann sein Leben 
beschlossen. In dem ersten Entwurf brauchte also der Knän 
die Vernichtung seines Hofes nicht zu überleben Damit würde 
einerseits der Anfang dem des pikarischen Romans angenähert, 
anderseits der Anschluß an eine literarische Quelle des Über- 
falls wahrscheinlich, nämlich an Greflingers Schicksal, das uns 
die Celadonische Musa berichtet. Der spätere Eibschwan 
und Ordensgenosse Kindermanns hütete als Knabe die Schafe, 
als sein elterliches Gut ütyörfallen und geplündert und sein 
Vater erschossen wurde.*) Der Einwand, Grimmeishausen 
schreibe im„Ewig-währenden Calender" dieses Jugenderlebnis 
sich selbst zu, scheitert daran, daß die Kalendemotiz nur 

») S. o. S. 18 f. 

*) Oettiiigen, Über Georg Greflinger von Regensburg, Straßburg 
1882(Qr.6d.49) S.ö und Celadonische Musa. ColnmbmBBegleit^edicht. 



— 31 — 

auf Simplicius, nicht auf den Verfasser bezogen werden 
darf und daß mit ihr nur die Entführung durch Kroaten, 
nicht der Überfall des väterlichen Hofes gemeint sein kann^). 



Auch Bestandteile der eigentlichen Fabel wurden wohl 
in Icherzählungen erst nachträglich mitgeteilt, und die 
Schwierigkeit lag dabei im Streben der Autoren, zwei Ich- 
erzählungen in Parallele zu setzen, ohne Bekanntes zu 
wiederholen. Denn da der Leser bei der beliebten Moti- 
vierung durch ein Zusammentreffen fast stets den einen 
Erzähler bis zur Begegnung verfolgt hat, durften dessen 
Erlebnisse nur ganz kurz wiederholt werden, und die ver- 
schiedene Länge beider Berichte störte den Parallelismus. 
Kindermann in der „Nisette" z. B. hebt ihn gänzlich auf, 
indem er die zweite ganz kurze Erzählung der Nisette- 
Seusippus mit schon bekanntem Inhalt unter der Wucht 
des ersten, durch die Geschichte des Albertus überladenen 
Berichtes des Artafernes erdrückt*). Weit geschickter ist 
der offenbar bewußte Verzicht Zesens auf Parallelismus in 
der „Rosemund" ^). Durch eine Mittelsperson, den Diener, 



1) Ewig -währender Calender 1670, S. 46 Kol. 2. Die Be- 
ziebnng nur anf Simplicius ergibt sich ans der Überschrift, die der 
„wabrbaffte Bericht vom Erfinder dieses Calenders, samt etlichen 
Instigen Erzeblnngen, die er von Simplicissimo, der diesen Calender 
geschrieben, gesamblet and hiemit dem cnriosen Leser wider 
mittbeilef' trägt 

») Nisette Buch ü, Kap. 8, S. 196-217. Der Znsammenhang 
der Geschichte des Albertus mit dem ganzen Boman läßt sich nur 
ahnen. Albertus wird im Personenverzeicbnis des Eomans als ein 
„vermeinter deutscher von Adel" genannt. Den Namen Albertus 
aber trägt auch unter den gegen Ende des Eomans von der Lao- 
dicea aufgeführten Kindern des Leontes eins, das sonst nirgends, 
fiicht einmal in der Anagnorisis des Schlusses, erwähnt wird. 
Man kann also wohl annehmen, daß jener vermeinte Deutsche 
von Adel des Personenverzeichnisses der Sohn des Leontes ist. 
Dann würde Artafernes der Nisette von dem Ende ihres ihr un- 
bekannten Bruders erzählen. 

*) Adriatische Bosemund S. 87. 



— 32 — 

dem er über sein eigenes Leben keine Rechenschaft schuldig 
ist, erfährt Markhold von Eosemunds Schäferleben. Zesen 
zog dem wohl möglichen schriftlichen Bericht (der Diener 
bringt Markhold einen Brief Rosemuuds) den traditionellen 
mündlichen vor. D'Audiguier in „Lysander und Kaliste" hat 
bereits früher selbst berichtet, was sich mit jedem der 
beiden Freunde Lysander und Kleander vor ihrer Begegnung 
im Kloster begeben hat, und kann deshalb den Parallelismus 
durch zwei kurze Rekapitulationen in indirekter Rede wahren*). 
Die echte Icherzählung hat als Vorbild gedient, aber der 
Ersatz kommt ihr an Gewicht nicht gleich. 

Am geschicktesten hilft sich Grimmeishausen, indem er 
zwei verschiedene Begegnungen mit einander in Parallele 
setzt^) und sich dadurch Simplicius' Antwort auf Oliviers und 
Hertzbruders parallele Darstellungen erspart Beider Schick- 
sale und Charaktere dienen Simplicius als Spiegelbild und 
als Kontrast. Schaudernd erkennt er an Oliviers Ver- 
worfenheit, wie tief er selbst gesunken ist; und Hertz- 
bruders Bravheit führt ihn zur Reue. Den Olivier läßt 
Grimmeishausen zur stärkeren Wirkung mit den Schand- 
taten seines ganzen Lebens prahlen; Hertzbruder dagegen 
erzählt bescheiden nur von dem Verluste seines Beines, wobei 
seine Tapferkeit sich offenbart. Olivier erhält als erster das 
Wort und berichtet ausführlicher als Hertzbruder. Dennoch 
leidet der Parallelismus nicht unter dem verschiedenen Um- 
fange der Erzählungen, da sie einander nicht unmittelbar 
folgen. Olivier bringt das pikarische Element reiner als 
irgend sonst im Roman zur Geltung; Hertzbruder bleibt bei 
dem alten soldatischen Motivkreise. Oliviers Geschichte ist, 
abgesehen von Unterbrechungen durch Simplicius, die an 
die Situation mahnen, auch sonst geschickt in das Ganze 
versponnen: der alte Bandit und Übeltäter enthüllt sich 



^) Liebes-begchreibnng Lysanders und Kalisten. Amsteldam 
bey Ludwig Elzevieren. 1644. Buch V, S. 139. 

») Simpl. IV, 18ff., S. 345ff. und IV, 26, S. 368, Z. 39ff. 



— 33 — 

nicht nur zu Simplicius' Erstaunen als der siegreiche Eival 
Hertzbruders vor Magdeburg und als Anstifter des Gaukel- 
spiels, durch das Simplicius Freund als Dieb des goldenen 
Bechers dargestellt wird, sondern ist zu des Lesers Über- 
raschung auch der Jäger von Werle gewesen, dem Simpli- 
cius eine derbe Lektion erteilt hat. Hertzbruders kürzere 
Erzählung bedarf so effektvoller Verknüpfung nicht. Die 
beiden Freunde sind sich nie unerkannt entgegengetreten, 
und so kann Grimmeishausen auch durch einen Hinweis 
Hertzbruders auf seine Mitteilungen beim letzten Zusammen- 
treffen die Ausführlichkeit vermeiden. 

Hatte Grimmeishausen nun auch glücklich den Parallelis- 
mus erreicht, so blieb die bekannte Gefahr in den Antwor- 
ten Simplicius', wenn auch geringer, bestehen. Es genügt 
ihm aber nicht, sich mit der üblichen wohlfeilen Bemerkung 
seines Helden „Auch ich erzählte nun meine Geschichte" 
aus der Schlinge zu ziehen, sondern Hindernisse für Sim- 
plicius' Erzählungen erwachsen aus der Situation: Simplicius 
hebt gerade zur Erwiderung auf Oliviers Bericht an, da 
lenkt die ei'scheinende Kutsche die volle Aufmerksamkeit 
der Straßenräuber auf sich^); und zwischen Hertzbruder und 
Simplicius macht das Ab- und Zugehen des Wirtes eine 
vertrauliche Unterhaltung unmöglich^). 

So wichtig und so eng verknüpft mit dem Ganzen ihre 
Bollen auch sind, unterscheiden sich Hertzbruders und Oliviers 
Erzählungen doch von denen des idealistischen Romans merk- 
lich durch ihre große Selbständigkeit. Die Berichte dort 
können wirklich Tatsachen der Fabel selbst bringen, aber 
■die Ichform des Simplicissimus verlangt, daß diese Erzählun- 
gen nur als Episoden erscheinen, deren Resultat für den 
Roman bedeutsamer ist als ihre Entwickelung. 

Der pikarische Roman hatte in diesem Punkte schon das 
Beispiel gegeben. Die nicht gerade häufigen Icherzählungen 



») Simpl. IV. 23, S. 358, Z. 32 ff. 
*) Simpl. IV. 26, S. 367, Z. 32ff. 

Palaestra LI. 



— 34 — 

darin, wie Sayavedras Lebensgeschichte im „Öuzoian"*) oder 
der Bericht des Hidalgo im „Buscon"*), haben mit der 
Haupterzählung kaum etwas zu tun. Der Schritt von der 
Icherzählung zur eingelegten Novelle, begünstigt auch noch 
durch die spanische Neigung, vollzieht sich in der novela 
picaresca sehr schnell. Auf Parallelismus wurde dabei natür- 
lich nicht hingearbeitet. 

Im idealistischen Roman entstand durch solche Ver- 
wendung nachholender Icherzählungen eine Anordnung, die 
Cholevjus mit Recht episodisch nennt*). Der Roman löst 
sich in eine Reihe von Einzelereignissen auf, die der Autor, 
um die Darstellung abzuwandeln, nicht alle selbst erzählte^ 
wohl aber durch Parallelismus verbinden konnte. Die Freude 
am Formenspiel ist unverkennbar, denn ein in der Fabel 
enthaltener Grund zu solcher Anordnung fehlt. 

Doch mangeln auch Fälle nicht, in denen zu stärkerem 
Effekt die Nachholung mehr als bloße Form war. Freilich 
tritt dann der Charakter der Icherzählung lange nicht so 
stark hervor. Der Umfang ist geringer, und der Haupt- 
akzent fällt auf den Inhalt, nicht auf die Form des Mitge- 
teilten. Wenn z. B. Stratonica nach dem jähen Ende de& 
Ballfestes dem Antiochus meldet, nicht sie, die Antiochus 
liebt, sondern der König sei erkrankt*), so löst sich mit 
dieser Erzählung eine Spannung, nicht nur für den Königs- 
sohn, sondern auch für den Leser, und nur um diese Span- 
nung ist es dem Autor bei seiner Anordnung zu tun. Ähn- 
lich liegt es in der „Nisette", wo durch die Erzählung des- 
Alten in der Höhle die Spannung erst en'egt wird*). Daß 
von hier aus sich ein Faden zu Grimmeishausen spinnt, ist 



^) Guzman de Alfarache, Teil II, Buch II, Kap. 4; Bd. IH.^ 
S. 297 ff. der Bibl. de Aut. Esp. 

«) Historia del Buscon, ^aragoija 1626, Buch I, Kap. 13, Bl. 52ff. 

') Cholevius, Die bedeutendsten deutschen Bomane des sieb- 
zehnten Jahrhunderts, Leipzig 1866, S. 15. 

*) Stratonica, Buch III, S. 204 ff. 

») Nisette, Buch III, Kap. 3, S. 277. 



\ 



— 35 — 

schon gesagt worden ^). Allein Orimmelshausen drängt im 
Gegensatz zu Bandermann die prophezeiende Sage vom 
Soester Schatz in indirekte Rede zurück*) und legt sie, ähn- 
lich wie späterhin die Mummelseesagen*), mehreren Bauern 
in den Mund, nicht einem individualisierten, wie der Greis 
in der „Nisette'' es ist. Leider hat Grimmeishausen in die 
Ausgabe von 1671 einen verbreiternden und ganz über- 
flüssigen Nachtrag eingeschoben*). 

Den Inhalt des bäuerlichen Berichts schweißt Grimmeis- 
hausen, aus mehreren Sammelwerken schöpfend, selbständig 
zusammen. Am meisten verdankt er Goularts „Thr6sor 
d'histoires admirables et mömorables", dessen Straßburger 
deutsche Übersetzung von 1613 folgende zwei Geschichten 
nebeneinander bot^): Ein junger Mann findet hinten im 
Garten einer Höhle eine gekrönte Jungfrau mit schlangen- 
haftem Unterkörper; eine Figur, die Grimmeishausen später 
im „Vogelnest" verwandte*). Sie gibt sich dem Eindringling 
als verzauberte Prinzessin kund, die nur durch drei Küsse 
von einem reinen Manne erlöst werden könne. Zum Lohne 
erhalte er den Schatz in der eisernen Truhe da. Der Jüng- 
ling küßt die Prinzessin zweimal, flieht aber vor dem dritten 
Kusse, da sie sich gar zu unsinnig gebärdet Die Höhle 
findet er nicht wieder. „Die Jungfrau war ein teuflisches 
Gespenst," fügt Goulart hinzu. Als seine Quelle nennt er 
Stumpfs Schweizerchronik '). 



») S. o. S. 29. 

*) Simpl. in 12, S. 242, Z. 18. 

») Simpl. V 10, S. 405, Z. 2 ff. 

*) S. die Ausgabe von Kurz, Deutsche Bibliothek Bd. m, 
S. 297, Z, 9 ff. 

•) Goulart, Schatzkammer VberNatürlicher, Wunderbarer vnd 
Woldenckwürdiger geschichten. Straßburg, MDCXTTT Bd. 11, S. 96 ff. 

•) Vogelnest, Zweiter Teil, Kap. 3; Simplicianische Schriften 
ed. Kurz, Bd. IV, S. 25, Z. 23 ff. 

^) Diese Geschichte steht auch in Talitz von Liechtensees 
Kurtzweiligem BeyBgespahn, von dem die Königliche Bibliothek 
in Berlin eine bei G^oedeke nicht erwähnte Ausgabe von 1647 be- 

3* 



— 36 — 

Die zweite Geschichte entstammt nach Goulart dem 
zweiten Buche von Johannes Wiers De praestigiis daemonum 
cap. 5: im Jahre 1530 zeigte der Teufel einem Pfaffen 
bei Nürnberg einige Schätze. Der Geistliche gräbt nach 
und stößt auf eine Truhe, die ein schwarzer Hund bewacht 
Als er trotzdem weiter vordringt, stürzt das Erdreich über 
ihm zusammen und erstickt ihn. 

Obgleich diese beiden Erzählungen lauter allgemein 
bekannte Züge enthalten, läßt doch der Umstand, daß drei 
von Grimmeishausen übernommene Motive so dicht beiein- 
ander stehen, auf Goulart als Grimmeishausens Gewährs- 
mann schließen. 



Werfen wir noch einen kurzen Blick auf Grimmeis- 
hausens Technik, Icherzählungen aus Scheu vor Wieder- 
holung zu unterdrücken. 

Daß er sich bei Simplicius' Antworten auf Oliviers 
und Hertzbruders Erzählungen geschickt zu helfen wußte, 
haben wir oben gesehen i). Ähnlich, nur etwas konven- 
tioneller muß sein Pfarrer den Gouverneur über Simplicius' 
merkwürdiges Benehmen im Tanzsaal aufklären^). 

Simplicius selbst kann einige Wiederholungen bringen, 
solange er in kindlicher Unerfahrenheit sich stark gegen 
den gereiften Erzähler abhebt und die Dinge in neuem 
Lichte zeigt. So wird der große Dialog zwischen dem Ein- 
siedler und Simplicius möglich^), und so- der etwas kürzere, 
von der Erzählung minder losgelöste zwischen Simplicius 
und dem Gouverneur*). Immerhin ist Grimmeishausen mit 
diesem Mittel sparsam umgegangen. Simplicius' Naivetät 



sitzt, als Appendix znr dreinndsiebzigsten Geschichte. Talitz nennt 
als Quelle Grass „in sao Itinerario fol. 51^^, der die Geschichte 
ans Stumpf und Zwinger habe. 

^) S. o. S. 33. 

*) Simpl. n 3, S. 98, Z. 12ff. 

») Simpl. I 8, S. 23 ff. 

*) Sünpl. n 3. S. 99, Z. 8. 



— 37 — 

zeigt sich auch bei seiner Ankunft in Hanau, aber eine 
Wiederholung fällt fort^). Das so lieblich gemalte Wald- 
idyll und die ehrwürdige Figur des Einsiedlers wollte 
Grimmeishausens Takt wohl nicht ins Komische ziehen, und 
deshalb muß der Pfarrer den Gouverneur belehren*). 

Später, als Simplicius weltklug und erfahren ist, legt 
ihm Grimmeishausen Rekapitulationen nicht mehr in den 
Mund. In der Verhörszene ^) dient die Barschheit des 
Auditors dem Autor als Ausweg; und bei der Ankunft in 
Villingen*) wird Simplicius von zwei Behörden vernommen, 
so daß seine ohnehin knappen Bemerkungen auch noch 
zersprengt werden. 



^) Simpl. I 20, S. 54, Z. 14. 

«) Simpl. I 20, S. 57, Z. 7. 

3) Simpl. n 26, S. 173, Z. 34 ff. 

*) Simpl. IV 25, S. 365 Z. 14 ff. u. Z. 33 ff. 



IV. Hauptpersonen. 

Dem epischen Einheitsbedürfnis wird am einfachsten 
entsprochen, wenn man den gesamten Inhalt auf eine 
Person bezieht und die Wechselwirkungen zwischen ihr 
und den dargestellten Ereignissen zeigt. Hebt man schon 
aus dem Gewirr der dem Helden begegnenden Figuren nur 
die für die Handlung wichtigen heraus, so kann noch 
eine engere Wahl stattfinden. Zwei Lebensläufe können 
durch Verwandtschaft, Freundschaft oder Liebe so eng ver- 
kettet sein, daß ihre beiden Träger zu Hauptpersonen des 
Romans werden, und diese Zahl läßt sich noch weiter er- 
höhen. Wächst die Zahl der Helden zu sehr, so verlieren 
die einzelnen an Bedeutung. Die künstlerische Einheit 
braucht darunter nicht unbedingt zu leiden; ein durch- 
gehendes Motiv, eine allen Figuren gemeinsame Bewegung, 
eine Stimmung kann, die Hauptperson ersetzend, die Ein- 
heit herstellen, wie es im Schildbürgerbuch, in Lenaus 
„Albigensem" oder in Hauptmanns „Webern'' geschieht 

Trotz des Schildbürgerbuches war das siebzehnte Jahr- 
hundert weit entfernt von dieser Technik. Wickrams „Gute 
und schlechte Nachbarn" im sechzehnten Jahrhundert schildern 
zwar die Geschichte einer Familiengemeinschaft, enden aber 
so sehr in der eines Paares, daß diese beiden Personen 
zum Schluß die vorigen Generationen ganz in Vergessenheit 
geraten lassen; Cervantes gab in „Rinconete j Cortadilla" 
Bilder aus dem spanischen Vagabundenleben, ohne eine 
wirklich handelnde Person; der Roman des siebzehnten Jahr- 
hunderts aber bleibt bei der einfacheren Art 



— 39 — 

Der pikarische Roman, als Anfangsform des realisti- 
schen Romans noch ziemlich primitiv, führte auch die Ein- 
heit des Helden streng durch. Dem war die Ichform schon 
günstig, die von selbst alles auf den Erzähler beziehen ließ. 
Freilich hat spätere Entwickelung auch im Ichroman Er- 
zähler und Hauptperson zu trennen gelernt, wie z. B. Tur- 
genjew, Heyse, Storm oder gar Vischers „Auch Einer" zeigen. 
Die Anfänge dieses Wandels sind wohl in Werken wie „Don 
Quixote'' zu suchen, wo der Verfasser in der Fiction des 
Manuskripts eigene Erlebnisse zu erzählen scheint und etwa 
die Stellung eines Nacherzählers einnimmt; oder auch Ich- 
erzählungen, wie die der Seienisse und des Gobrias in 
Barclais „Argenis"^), des Dieners in Zesens „Rosemund ^)", 
wo Zeugen der Ereignisse berichten. 

Von dieser Weiterbildung der Ichform ist aber im 
pikarischeri Roman kaum etwas zu spüren. Sind auch in 
der Vorgeschichte des Erzählers Eltern die Hauptpersonen, 
der eigentliche Mittelpunkt des Romans bleibt der erzäh- 
lende plcaro, wie Lazarillo, Buscon, Guzman oder Justina, 
und niemand kann neben ihnen aufkommen. Nur die 
Nebenpersonen in der „Gardufia'' mögen der Rufina viel- 
leicht den Rang streitig machen, da sie ihre Schicksale 
durchweg teilen. 

Der idealistische Roman nach älteren Traditionen war 
reicher entwickelt. Auch hier noch ist eine Hauptperson 
beliebt. Markhold, der Held der „Rosemund", Josef, 
Francion, Poliarchus in der „Argenis" nehmen das Haupt- 
interesse wesentlich für sich in Anspruch; aber wie häufig er- 
scheinen nicht die Hauptpersonen paarweise, als Freunde 
wie Mussidorus und Pirocles in der „Arcadia", als Liebende 
wie Proximus und Lympida oder Dietwald und Amelinde*). 



») Argenis in 7, S. 328ff. und IV 9, S. 496ff. 

«) Rosemund S. 87. 

«) S. Cholevius a. a. O. S. 7, 



— 40 - 

Im Simplicissimus ist pikarischem Vorbilde getreu die Ein- 
heit des Helden streng gewahrt, und der idealistische Roman, 
sonst von starkem Einfluß auf Grimmeishausen, brachte hier 
keine Störung. Interessante Weiterbildungen aber bieten die 
übrigen simplicianischen Romane, in denen neben der 
eigentlichen Hauptperson Simplicius selbst, Grimmeishausens 
erfolgreichste Figur, stets mitwirkt. Dadurch daß Courasche 
ihre Geschichte Simplicius zum Trotz erzählt, bezieht sich 
alles Erzählte auch auf ihn; und im „Springinsfeld" ist die 
Erzählung des Lebenslaufes gleichsam nur ein Ereignis bei 
dem Wiedersehen des lahmgeschossenen Soldaten mit dem 
berühmten Simplicissimus, der durch allerlei Merkwürdig- 
keiten das Interesse an sich fesselt. Die beiden „Vogel- 
nester" verzichten auf Simplicius' Mitwirkung; aber im 
„Rathstübel Plutonis" versammelt Simplicius alle wichtigen 
Figuren der simplicianischen Schriften um sich als um den 
Mittelpunkt des Kreises^). 

Die Einheit der Person genügt allerdings noch nicht; 
eine logisch fortschreitende Entwickelung, eine Handlung 
ist vielmehr zu wahrer künstlerischer Einheit erforderlich. 
Damit ist es freilich im siebzehnten Jahrhundert nicht zum 
Besten bestellt. Der historisch -galante Roman strebt in 
erster Linie nach bewegter Aktion und findet sie im Über- 
winden äußerer Hindernisse, im Erreichen sichtbarer Ziele 
durch seinen Helden. Daher die Neigung zu starken Ef- 
fekten, die Vorliebe für äußerliche Verwickelung und Lösung, 
daher stets ein glücklicher Ausgang und die Unmöglichkeit 
tragischen Erliegens für eine Idee. Der Held kämpft nur 
gegen die Hindernisse seiner Verbindung mit der Dame 
seines Herzens. Eine psychologische Entwickelung und innere 
Motivierung fehlt meist gänzlich. 



*) Freytag, Bilder aus der deutschen Vergangenheit (Werke 
Bd. XVni, S. 306) vermutet, doch wohl zu künstlich, daß die Er- 
innerung an eine Gesellschaft des heiligen Bitters Simplicius, ge- 
gründet 1403 in der hessischen Buchenau, Grimmeishausen „in der 
Seele lag, als er seine Romangestalten zu einem Vereine gesellte". 



— 41 — 

Als fertige Menschen treten daher die Personen vor 
uns hin, und kaum wird zu zeigen versucht, wie vorhandene 
Charaktere sich gebildet haben. Der idealistische Roman 
führt als Jugendgeschichte gewöhnlich nur vor, wie sich 
das äußere Leben des Helden gestaltet hat, ohne Ausbeutung 
für die innere Entwickelung. In den Abenteuern der 
Kindheit wird wie bei den Amadisromanen ^) meist auch 
die spätere Anagnorisis begründet. Poliarchus z. B. wird 
im zartesten Alter vertauscht und später seinen Pflegern 
entführt^); Artafernes verläßt die Heimat, um seine auf der 
Jagd verirrte Geliebte wiederzufinden ^). Der Josefstoff kam, 
für die Figur Josefs wenigstens, dem Autor entgegen. Die 
Bevorzugung Josefs durch Jakob und der Neid der Brüder, 
des schönen Jünglings Träume und seine als Hochmut auf- 
gefaßte Auslegekunst ergeben in der biblischen Novelle 
schon ein entwickeltes Bild. Zesen behält es bei und stellt 
ihm in der Figur seiner Assenat eine glückliche Probe 
eigenen Gestaltungsvermögens zur Seite. Dem feinen und 
zierlichen Wesen Josefs entspricht Assenats zarte Scheu, 
begründet durch klösterliche Erziehung. Ihre Einsamkeit 
und ihre fast melancholische Zurückhaltung verbieten Zesen, 
ihr das neugierige Interesse der Damen am ägyptischen Hofe 
für Josefs Schönheit zu verleihen, von dem der vorbereitende 
Autor sie durch Briefe ihrer Freundinnen unterrichten läßt. 
Aber gerade weil ihr Geselligkeit stets gefehlt hat, erklärt 
sich ihre Neigung für den schönen Josef, den ersten Mann, 
der ihr entgegen tritt*). 

„Francion'", realistisch dem Inhalt, idealistisch der Form 
nach, zeigt doch in der langen derben Vorgeschichte einige 
Exposition der Charaktere, und besonders wird Agathes und 
Laurettes Sinken ausführlich geschildert*). 



1) S. Cholevius a. a. O. S. 2. 

*) Argenis Buch IV, Kap. 9 und 11. 

•) Nisette Buch I, Kap. 2, S. 19. 

*) S. auch Cholevius a. a. O. S. 87. 

») Prancion Buch H, S. 88ff. und S. 138ff. 



— 42 — 

Der Realismus drängte ja zur Motivierung, und der 
pikarische Roman zeigte darin zwei schon oben ^) beleuchtete 
Züge: die Unehrlichkeit der Eltern und die zu Anfang der 
pikarischen Laufbahn gemachte schlechte Erfahrung. Am sorg- 
fältigsten wird in der Garduna Rufinas Charakter motiviert Zur 
Abstammung von einem Spieler und Tagedieb kommt der 
Mangel an Überwachung nach dem frühen Tode der selbst- 
losen Mutter und ein starker Hang zur Eitelkeit Leicht- 
sinn und Sinnlichkeit fiühren in der unglücklichen Ehe des 
jungen Mädchen mit einem Greise zu Fehltritten. Nach 
dem jähen Tode ihres Mannes steht die verzärtelte Frau 
allein da, und an den Verkehr mit Liebhabern gewöhnt, 
sucht sie reiche Männer zu kapern. Der Schritt zur pfcara 
ist getan*). 

Auch in der Jugend der plcaros, wie in der der Helden 
des idealistischen Romans, fehlen tief einschneidende äußere 
Ereignisse nicht Verwaisung treibt sie aus der Heimat 
und modelt so die Lebensweise der kaum halbwüchsigen 
Knaben völlig um. Im weiteren Verlauf ändert der picaro 
sich innerlich so wenig, daß wir ihn am Schlüsse kaum 
reifer finden als am Anfang. 

Diese ewige Jugend sichert ihm die Sympathie des 
Lesers. Dem erfahrenen kräftigen Manne würden die 
Schwanke und Betrügereien nicht anstehen, die des picaro 
körperliche und wirtschaftliche Schwäche ausgleichen müssen. 
Ein humoristischer Zug kommt durch den Sieg der List 
über die Gewalt in den Roman. Daher mißfallen uns bei- 
nahe die elegische Stimmung des erwachsenen Andres in 
der „Desordenada Codicia" von Carlos Garcia"') und be- 
sonders die fast läppisch erscheinende Spitzbüberei des 
Obregon von Vicente Espinel. 



») S. S. 6 u. 8. 

•) La Garduna de Sevilla Kap. 1-4, Bd.XXXHI, S.169ff. der 
Bibl. de Aut. Esp. 

') Neudruck in den Libros de Antano Bd. VII. 



— 43 — 

Beim echten picaro sind wir erstaunt, wenn er un- 
mittelbar nach Jungenstreichen Liebesabenteuer besteht. 
Plötzlich ist er herangewachsen. 

Nur der „Lazarillo" macht eine Ausnahme. Diesen 
Helden sehen wir wirklich werden. Der Vorzug des Buches 
besteht in dem einheitlichen Grundplan. Der Tjandstörzer 
geht trotz mancherlei pikarischer Abenteuer der bürger- 
lichen Gesellschaft nicht verloren, sondern nach anfangs 
ständig wachsenden Stürmen treibt sein Lebensschifflein 
schließlich in den Hafen eines allerdings etwas hausbackenen 
Spießbürgertums. Dieser Rettung wegen durfte der Verfasser 
pikarisches Leben nicht zu stark auf seinen Helden wirken 
lassen. Daher sucht er, freilich ohne rechten Erfolg, die 
Stationen des Landstreichertums zu differenzieren. Er führt 
den Knaben zuerst zu dem Blinden. Lazarillo haßt ihn 
wegen seines Geizes, vor allem wegen seiner Bosheit und 
verletzenden Schadenfreude, die dem armen Kinde manchen 
Schabernack spielen. Den Haß überträgt er auf den Küster, 
seinen zweiten Herrn, dessen noch weit größerer Geiz ihn 
beinahe Hungers sterben läßt und seinen Scharfsinn in 
tausend Listen hervortreibt. 

Bittere Menschenverachtung und Verzweiflung aber 
bleiben dem Knaben fremd infolge des Umgangs mit seinem 
dritten Herrn, dem gutmütigen, armen Hidalgo, der sich 
seines Dieners mitleidige Anerkennung erwirbt. Dadurch 
wird ein versöhnender Abschluß des Ganzen möglich. 

Diese drei Abschnitte gliedern sich nicht zu deutlicher 
Entwickelung, weil der Autor, seinem neuen Stoffe zu Liebe, 
die Wirkungen auf Lazarillos Charakter und dessen Wand- 
lungen zurückschiebt gegen die Bilder des Hungers und 
der Verschlagenheit. Das wird noch fühlbarer dadurch, 
daß sich nun nicht gleich der Aufstieg anschließt, sondern 
erst noch zwei unorganische Kapitel, vom Bettelmönch und 
vom Ablaßkrämer, sich eindrängen. 

Der ganz kurze Abschnitt vom Bettelmönche charakteri- 
siert wenigstens Lazarillos Armut mit der Bemerkung, daß 



— 44 — 

der Schelm hier die ersten Schuhe erhält. Die lockere 
Episode des buld^ro aber fällt auch stilistisch ganz aus dem 
Rahmen. Während Lazarillo nämlich seine Lebensweise 
meist in allgemeinen Zügen schildert und Einzelerlebnisse 
nur kurz und gleichsam illustrativ einflicht, wird das Kapitel 
vom Ablaßkrämer durch ein einziges Ereignis breit ausgefüllt. 

In der Stellung eines Wasserträgers beginnt Lazarillos 
Dasein sich dann wieder zu heben, und hier tritt der Plan 
des Werkes deutlich hervor: „Este fu6 el primer escalon que 
yo subi para venir a alcanzar buena vida"'). In knappster 
Darstellung endet das Ganze damit, daß Lazarillo sich zu 
geordneten Verhältnissen emporarbeitet. Er gelangt in eine 
Vertrauensstellung bei einem Erzpriester, dessen Geliebte er 
heiratet; allgemach wird aus dem unstäten plcaro ein be- 
häbiger Familienvater und loyaler Staatsbürger, bei dem 
ein Rückfall nicht mehr zu befürchten ist. „Pues en este 
tiempo estaua en mi prosperidad, j en la cumbre de toda 
buena fortuna''^) sind die letzten Worte des Romans. 

Die Entwickelung führt also über eine Reihe von 
Stufen, deren jede durch die Umgebung in bestimmter Art 
auf Lazarillos Charakter einwirkt ; mit Ausnahme jener bei- 
den Entgleisungen vollzieht sich mit jedem Milieuwechsel 
ein Fortschritt der inneren Handlung. Das Einzelerlebnis 
tritt zurück hinter der Gesamtcharakteristik ganzer Ent^ 
Wickelungsabschnitte. 

Noch besser als das Original verdeutlicht ülenharts 
Bearbeitung die Einheit des Planes; wenn auch das Ver- 
dienst des Deutschböhmen wohl nur in der glücklichen 
Erfindung des zweiten Schlusses bestand^), denn Bettel- 
mönch und buld^ro fehlten wohl schon in Ülenharts Vorlage*). 



*) Lazarillo de Tornes ed. Foul che Delbosc. Kap. 6, S. 63, Z. 7 f. 
*) Lazarillo de Tormes ed. Foulche Delbosc. Kap. 7, S. 67, Z.8f. 
Siehe dazu auch oben S. 9. 
3) S. o. S. 15. 
*) S. Schneider a. a. O. S. 212 und Lauser S. 171. 



— 45 — 

Bei der Gleichmäßigkeit der Voraussetzungen für die 
pikarischen Charaktere, bei ihrem Auftreten in stets ähn- 
lichen Situationen ist es natürlich, daß die einzelnen pfcaros 
nur sehr wenig individualisiert sind. Kleine Züge bloß unter- 
scheiden sie voneinander; Lazarillo mag gutmütiger, Guz- 
man nachdenklicher. Andres melancholischer sein, im großen 
und ganzen gleichen einander alle picaros. Stets bereit, sich 
mit Schabernack und Schelmenstreichen unrecht Gut zu er- 
werben und damit vornehm und verschwenderisch aufzutreten, 
sind sie im Grunde doch ohne persönliche Würde und feig. 

Immerhin sind diese Charaktere noch interessanter als 
die der idealistischen Eomane, deren großes Personal fast nicht 
nach Charakteren, sondern nur nach Namen zu unterscheiden 
ist. Eine Figur kann deshalb sehr wohl unter verschiedenen 
Namen auftreten; ja selbst ein Mann als Weib oder, was 
seltener ist, umgekehrt. Auch sind die picaros wegen der 
glücklichen Mischung von sympathischem Humor mit un- 
moralischen Zügen wahrscheinlicher als die abstrakten, meist 
einseitig guten oder schlechten Helden des historisch-galanten 
oder des Schäferromans. 

•Von einer konsequenten Entwickelung kann bei diesen 
Figuren erst recht nicht die Rede sein. Äußerlich bestehen 
sie zum Teil dank wunderbaren Rettungen alle Gefahren 
und Mühsale, wie Schlachten, Schiffbrüche, Zweikämpfe, die 
besonders beliebt sind; innerlich aber wandeln sie sich 
nicht Tapfer und verliebt sind und bleiben sie bis zum 
Ende. Selbst die liebe, die letzte Ursache so mannigfacher 
Schicksale, bringt keine innere Entwickelung hervor. Wird 
sie doch selbst nicht motiviert. Auf der Schwelle hat der 
Held nicht selten seine Geliebte schon verloren, wie in der 
„Nisette" oder in der „Argenis". Die Liebe erwacht durch 
Erzählung von der Schönen oder durch Bilder, die dem Ritter zu 
Gesicht kommen wie im „Francion" ^) oder in der „Arcadia"*). 

») Prancion Buch III Ende S. 233. 

«) Arcadia der Gräffin von Pembrnck . . . H. Philipp! Sidney 
(deutsch von Opitz). Frankfurt 1630. Buch I S. 21 f. 



— 46 — 

Ein Fortschritt gegen dieses Haften am äußerlichen 
Ereignis ist im Problemroman getan. Auch hier, wie im 
historisch-galanten Roman, dreht sich die Handlung meist 
um die Liebe. Aber es stehen hier nicht mehr nur äußere, 
sondern sittliche Hindemisse der Vereinigung im Wege,' und 
so wendet sich der Gang der Handlung nach innen. Noch 
versteht man freilich nicht, das Problem zur alleinherrschenden 
Hauptsache zu machen, sondern erstickt es beinahe unter 
Abenteuern. Selbst Zesen in der „Rosemund" und Assarini 
in der „Stratonica" legen die schwere Rüstung des üblichen 
Romanapparates nicht ab. Zweikämpfe, gefahrvolle Jagden 
und eine Staatsintrige erdrücken fast das doch deutlich 
entwickelte Problem. Die Verschmelzung allgemeiner Cha- 
rakteristik und detaillierter Darstellung einzelner Abenteuer, 
die im „Lazarillo" mit dem Kapitel vom Ablaßkrämer wohl 
angestrebt war, gelingt nicht. Ja nicht einmal der im 
„Lazarillo" gemachte Portschritt der Charakteristik durch 
allgemeine Schilderung mit raschen Schlaglichtem wird 
angenommen. Der idealistische Roman war wohl zu stolz, 
für seinen vornehmen Kreis von dem schmutzigen und 
niedrigen pfcaro zu lernen. Zesen zeigt z. B. nicht- den 
Seelenzustand der Rosemund, sondern seinen Ausdruck, 
das schäferliche Kostüm; er malt nicht Sefiras Liebes- 
schmerzen an sich, sondern er zeigt wiederholt deren 
Symptome. 

Immerhin ist trotz dieses Mangels an Technik wenigstens 
eine Charakteristik versucht. Die Helden halten nicht mehr 
bloße Reden über ihre Leidenschaft, über die Vortrefflichkeit 
der Geliebten und den eigenen Unwert, sondern fühlen 
wirklich Schmerz und Trauer. Noch wagt man zwar nicht 
recht die Konsequenzen zu ziehen. Zesen vermeidet, Rose- 
munds tragischen Ausgang ausführlich zu schildern, und 
weist nur durch eine Parallelnovelle auf ein solches Ende hin. 
Assarini vereinigt Stiefmutter und Stiefsohn, obgleich diese 
antike Lösung seinem sittlichen Empfinden gewiß ebenso 
entgegen war wie unserm heutigen. Noch beschränkt 



— 47 — 

man sich auf ein seelisches Erlebnis, gerade wie die 
Novellen, die das Material zum historisch -galanten Roman 
häufig lieferten, nur ein merkwürdiges Ereignis schilderten. 
Aber man begnügt sich eben nicht mehr mit der bloßen 
Form des Abenteuers, sondern sucht schon nach einem 
persönlichen menschlichen Inhalt. Und schon sind Anläufe 
des Bildungsromanes, der Entfaltung eines Charakters, eines 
Menschenlebens da. In Zesens „Assenat" sind bereits alle 
wichtigen Figuren individualisiert, und der bei „Rosemund" 
nicht gewagte Liebestod wird hier wenigstens für Sefira 
durchgeführt'). 

Den entscheidenden Schritt zur neuen Gattung aber 
vollzieht schon zwei Jahre vor der „Assenat" Grimmeishausen 
mit dem Simplicissimus. Was dem „Lazarillo" und dem 
Problemroman nicht geglückt war, das organische Einfügen 
starker Effekte, das Verschmelzen äußerer und innerer Hand- 
lung, gelang im Simplicissimus. 

Nicht mehr um die Vereinigung zweier liebenden 
handelt es sich oder um die Schilderung seltsamer Abenteuer; 
nicht mehr wirkt ein einzelner sittlicher Konflikt auf einen 
bereits fertigen Charakter; sondern ein ganzes Leben wird 
vor uns aufgerollt. Abenteuerlich genug noch immer durch 
den bunten historischen Hintergrund; aber in erster Linie 
steht die psychologische Entwickelung. Simplicius' Charakter 
ist das Thema des Romans. 

Dreifach sind die Quellen dafür. Gab der picaro seine 
bekannten Eigenschaften: die Neigung zu Schelmenstreichen, 
die Freude am Wechsel, die gutgelaunte Elastizität im Er- 
tragen, die Großmannssucht, dazu die derbsinnliche Auf- 
fassung der Liebe, so stammte vom idealistischen Roman 
ein echter und starker Ehrgeiz und wahre Tapferkeit als dem 
pfcaro noch fremde Eigenschaften, die sich in der kriege- 
rischen Sphäre des Romans entwickeln mußten. Das Beste 



>) S. auch Cholevius a. a. O. S. 77. 



— 48 — 

aber fügte Grimmeishausens eigene geprüfte und reife Per- 
sönlichkeit hinzu. 

Im „Lazarillo" war ein Charakterbild entworfen worden 
ohne Rücksicht auf Gut und Böse. Dem unbekannten Ver- 
fasser lag nicht daran, die Menschen zu bessern und zu 
bekehren, wenn er sich auch wohl über ihre Scliwächen 
lustig machte. Nicht so Giinmielshausen. Er predigt eine 
Moral, er empfiehlt eine Weltweisheit. Leicht läßt sich aus 
dem Gange der Handlung die Erfahrung gewinnen, daß alles 
vergänglich ist und nichts dauerhaft als der Wechsel. 
Daher ist Überhebung und Stolz auf irdische Größe ohne 
festen Grund und verfällt der Strafe: ein Gedanke, den 
auch „Dietwald und Amelinde'' zum Thema hat. Langsam 
und überzeugend bilden sich diese Ansichten in dem Helden, 
und dadurch erhebt sich das Individuum Simplicius über 
seine spanischen Vorgänger zur höheren Warte einer Welt- 
anschauung und über die Menge der Nebenfiguren zu all- 
gemein menschlicher Bedeutung. Es ist die eigenste Er- 
fahrung Grimmeishausens, in einer literarischen Figur nieder- 
gelegt, Tendenz im besten Sinne des Wortes. Erst auf der 
Höhe seines Lebens, als Jäger von Soest, kann Simplicius 
diese Reife erreichen, da er sich im Besitze weltlicher 
Macht sieht und doch erkennt, daß das Glück ihn ebenso 
schnell stürzen kann, wie es ihn hoch erhoben hat. 

Im einheitlichen Charakter des Simplicius hat Grimmeis- 
hausen doch einige Widersprüche nicht vermieden. Die 
Absicht, sein Werk moralisch nützlich und praktisch zu 
gestalten, hat ihn verleitet, Simplicius schon als Kind mit 
einer gelehrten Belesenheit auszustatten, wie sie Grimmeis- 
hausen selbst nicht aus den Quellen, sondern nur aus Nach- 
schlagewerken erworben hatte. Was Simplicius dem Gou- 
verneur in Hanau an Beispielen aus alter und neuer 
Literatur, an Argumenten aus heiliger und profaner Ge- 
schichte vorbringt, kann schlechterdings keinen Platz haben 
in dem Kopfe eines zwölfjährigen Knaben. Grimmeishausen 
erachtet eine Motivierung dieser Weisheit freilich für nötig; 



— 49 — 

ein Zeichen, wieviel Wert er auf Begründung überhaupt 
legte. Aber ist es glaubhaft, daß Simplicius in den zwei 
Jahren seines Zusammenlebens mit dem Einsiedler, der ihn 
erst lesen und schreiben lehrt, neben der Arbeit zum 
Lebensunterhalt noch Gelegenheit, Zeit und Verständnis für 
so umfangreiche Lektionen gehabt habe? Der grobe Bauem- 
junge sollte eben einen exemplarischen Bildungsdrang zeigen, 
und Grimmeishausen wußte das nicht anders als durch 
Gelehrsamkeit auszudrücken. 

Weit störender ist es, wenn im fünften Buche der alte 
Soldat und praktisch denkende Meier plötzlich ,.curiös'^ 
wird, in den Mummelsee hinabsteigt, nach Rußland reist, 
dort kämpft und gefangen wird und schließlich wissens- und 
fast sensationslüstern den Orient durchwandert. Derartige 
Züge in Simplicius' Charakter sind unnütz, und Grimmeis- 
hausen hat die Wandlung auch gar nicht zu motivieren ver- 
sucht. Diktiert wird dieser, wie wir schon sahen ^), nicht 
ursprüngliche Schluß erst durch den Wunsch, eine positive 
sittliche Norm zu geben: da alles dies nicht dem Frieden 
der Seele dient, da allein die Religion dem Menschen Trost 
und Stütze sein kann, wird Simplicius Einsiedler. Im 
Grunde ist die hier gepredigte Weisheit vorbereitet in der 
Erkenntnis von der Vergänglichkeit auf der Höhe seines 
Glücks, aber wenn dort der künstlerischen Mittel wegen 
die Charaktereinheit nicht gestört wurde, so merkt man hier 
zu deutlich die moralische Absicht Wenn ein Satz nur 
in negativer Form ausgesprochen wird, so drängt man damit 
niemand positive Verhaltungsmaßregeln auf wie mit dem 
durch Simplicius' Einsiedlertum gegebenen Vorbild. 

Von diesen beiden Anstößen abgesehen, ist Simplicius' 
Charakter konsequent entwickelt. Grimmeishausen bleibt bei 
der Technik des „Lazarillo'', indem er längere Partien ganz 
der Darstellung einer Phase widmet, meist ohne darin schritt- 
weise abzustufen. Aber er sondert die großen Abschnitte 



>) S. o. S. 17. 

Palaestra LI. 



— 50 — 

besser voneinander als der „Lazarillo". Er wechselt zwar 
nicht die Umgebung, wohl aber betont er stärker die Sinnes- 
änderungen seines Helden. 

Die Unselbständigkeit und Torheit des Kindes schlägt 
in die List dessen um, den man zum Narren machen und 
seiner Persönlichkeit berauben will. Sobald Simplicius sich 
aber stark genug fühlt, um ohne solche List vorwärts zu kommen, 
traut er mehr seiner Kraft und seinem Ehrgeiz. Stolz und 
schlimmerer Hochmut treten in Westfalen an die Stelle 
pikarischer Kniffe, durch die der schwache Troßjunge sich 
seiner Haut wehren mußte. Nach dem Ende seiner Herr- 
lichkeit kann der Starke aber nicht wieder zu den Mitteln 
des Schwachen greifen: Gewalt und Kraft verbleiben ihm, und 
er wird Betrüger, Marodeur, Straßenräuber. Hertzbruder end- 
lich hebt den Verkommenen und führt ihn zu gutem Ende. 

Mancherlei im pikarischen Roman nur knapp Be- 
handeltes hat Grimmeishausen in rechter Schätzung seiner 
Wichtigkeit weiter ausgeführt. Der pikarische Eoman ver- 
zichtet, vielleicht aus Mangel an Yerständnis, fast ganz 
darauf, den picaro als Kind in der Familie auch mit kind- 
lichen Zügen auszustatten. Grimmeishausen widmet gerade 
dieser Partie besondere Liebe. Er zeigt uns das Kind 
Simplicius in seiner ganzen Unwissenheit, in aller Unkennt- 
nis der Gefahren und Angst des Alleinseins. Das dialogische 
Kapitel I, 8 faßt noch einmal Simplicius' ganze Kindlichkeit 
zusammen; nur deshalb durfte Grimmeishausen es trotz 
seines schon bekannten Inhalts stehen lassen^). 

Lernen die picaros meist nur aus einem einzigen ersten 
Mißerfolg ihres Lebens auf der Hut zu sein und praktisch 
ihre List zu betätigen, so läßt Grimmeishausen seinen Sim- 
plicius in Hanau eine Reihe von Enttäuschungen durch- 
machen, von dem Erstaunen des Knaben über Fluchen, 
Spielen, Saufen etc.^) samt den falschen Ratschlägen seines 



^) S. o. S. 27. 
'') Simpl. I 24. 



— 51 — 

Mitpagen ^) bis hin zur Einsicht, daß auch sein Gönner, der 
Gouverneur, nicht sein Bestes will, ja daß sogar sein Freund 
und Retter, der Pfarrer, sich von ihm loszusagen droht, 
wenn der Knabe in Ungnade fällt^). Reicher und vielseitiger 
also sind diese Erfahrungen Simplicius' als die der spanischen 
Schelme; sorgsamer wird entwickelt, gründlicher exponiert. 



Drei Motivkreise bedürfen genauerer Betrachtung: der 
pikarische, wegen seiner geschichtlichen Wichtigkeit, der 
erotische, der keinem Roman fehlen darf, und der kriege- 
rische, als dem Simplicissimus besonders eigentümlich. 

Trotzdem der Simplicissimus die spanische novela pi- 
caresca beerbt hat, sind rein pikarische Motive doch nur 
in geringem Maße vertreten. Kriegerische Elemente sind 
dem Berufe des Helden gemäß eingedrungen und über- 
wiegen weitaus. Und während diese sowie die erotischen 
Motive durch eine sinngerechte Entwickelung zusammen- 
gehalten erscheinen, sind die rein pikarischen Motive in 
ihrer Spärlichkeit nicht einmal miteinander verbunden. 
Siitiplicius ist eben Soldat und nicht echter plcaro. 

Daraus erklärt sich leicht die Benutzung pikarischer 
Elemente als Vermittlung bei starken Wechseln in Simplicius' 
Lebensumständen. Dem Waldidyll folgt der Ausmarsch des 
hungernden und hilflosen Knaben aus seinem zei*störten 
Lager, der mehr noch an den Auszug des plcaro erinnert 
als die Flucht des Bauemjungen •), und von hier leitet das 
pikarische Pagen tum*), das an ähnliche Stellungen Guzmans 
mahnt*), zum Narrenleben über. Selbst das Prellen und 
die nächtliche Teufelszene, die Simplicius seines Verstandes 



») Simpl. I 28, S. 78 ff. 
«) Simpl. n 3, S. 95, Z. 29ff. 
») Simpl. I 5, S. 17. 
*) Simpl. I 24 ff. 

») Guzman de Alfarache, Teil I, Buch III, Kap. 7 ff.; Bd. UI, 
S. 250 der Bibl. de Aut. Esp. 

4* 



— 52 — 

berauben soll, entstammen dem Guzman *). Das Vagabunden 
leben im Walde verbindet Hanau und die Kroaten mit dem 
Lager von Magdeburg und den beiden Hertzbrüdem. In 
Köln, der ersten Stufe merklichen Absinkens, fällt der Stolz 
des Jägers von Soest bis zu Schülerschwänken herab, und 
die Hungerpension hat ihr Vorbild im Francion und Buscon-). 
Auch Theriakskrämer — das Motiv gehört dem Guzman*) — 
ist Simplicius bloß in einem Übergangsstadium. 

So nehmen rein pikarische Motive als Bindeglieder 
nur eine geringe Stelle ein. Wie im „Lazarillo" wird 
hier die allgemeine Charakteristik bevorzugt, so der Ein- 
marsch nach Hanau über Grimmeishausens Heimat Geln- 
hausen, das Vagabundenleben im Walde, die Hungerpension 
und die Quacksalberei. Ausnahmen sind freilich die Teufels- 
szene und das Prellen, sowie der Schwank, durch den Sim- 
plicius seinen geizigen Kölner Kostherrn um einen Hasen 
beschwindelt. 

Es ist bereits gesagt, daß ein sorgsamer Plan die Mo- 
tive der zweiten Gruppe, die erotischen, miteinander ver- 
kettet. Gehört auch der Liebe in Simplicius' Werdegang 
kein großer Raum, tritt sie pikarischem Brauche treu erst 
spät auf, so ist doch das Bestreben, ihr Wachstum in 
Simplicius zu zeigen, unverkennbar. 

Was Simplicius zuerst von den Beziehungen der Ge- 
schlechter zueinander sieht, bleibt ihm unverständlich: 
jene derbe Szene im Gänsestall, über die der Kiiabe sich 
nachher vor dem Gouverneur zu aller Ergötzen so kindlich 
äußert^). Das nächste Mal findet die Liebe zwar nicht mehr 
solche Unkenntnis, aber doch kein Entgegenkommen bei 
dem Helden: die Rittmeisterin hat mit ihren Versuchen, 
den hübschen Knaben, der sie im Zofenkleid bedient, für 



1) Guzman de Alfarache, Teil I, Buch in, Kap. 1 ; Bd. III, 
S. 240 der Bibl. de Aut. Esp. 

*) Historia del Buscon, Buch I, Kap. 3, S. 7 ff. 
») Frewdenholds dritter Teü, Kap. 20, S. 320. 
*) Simpl. II 1, S. 92 ff. und U 3, S. 99, Z. 21 ff. 



— 53 — 

sich zu gewinnen, keinen Erfolgt). Grimmeishausen ver- 
wandte hier ein Motiv der „Arcadia": der alte König Basilius, 
der trotz seiner zweiundachtzig Jahre die Amazoue Zelmaua 
(in Wahrheit den Bewerber seiner Tochter, Pirocles) be- 
stürmt, ist zum Rittmeister gewordeu, der die hübsche ver- 
meinte Kammerzofe seiner Gattin mit Zudringlichkeiten ver- 
folgt; die Rittmeisterin, die „kein Kind mehr"^) ist, und 
dem von ihr in der Weiberkleidung erkannten hübschen 
Jungen „nur allzu Teutsch zu verstehen gibt, wo sie der 
Schuh am meisten drücke,"^) geht auf die Königin Gynecia 
zurück, die ebensowenig von der Amazonenkleidung des 
Pirocles getäuscht, mit Seufzern und Liedern um seine 
Liebe wirbt. 

In Westfalen beginnt die Liebe eine größere Rolle in 
Simplicius' Leben zu spielen. Gern hat Grimmeishausen 
hierfür Motive aus dem idealistischen Roman entlehnt und 
sie einem derben pikarischen Stil angepaßt. Planmäßig be- 
reitet er den Leser auf erotische Abenteuer seines Helden 
vor. Den eindruckslos verlaufenden Besuchen des Dragoners 
mit den Offizieren beim „Frauenzimmer"^) folgt die Mahnung 
der Hexe von Soest®); und nun erwacht in Simplicius selbst 
der erotische Trieb. Mit sechs jungen Schönen von L. 
bändelt er summarisch an®), so daß der Pfarrer von L. ihn 
„vor dem Thier, das Zöpffe hat", warnt '^), ein Bild, das viel- 
leicht aus Peter de Memels „Lustiger Gesellschafft*' stammt*). 
Dieser langsamen Entwdckelung widerspricht freilich die 
frühere Bemerkung Simplicius': „jetzt war es an dem, daß 



») Simpl. II 25, S. 168 ff. 

2) Simpl. S. 168, Z. 20. 

3) ebda. Z. 24 f. 

*) Simpl. in 11, S. 237, Z. 17. 
*) Simpl. III 17, S. 261, Z. 5 ff. 
«) Simpl. III 18, S 264, Z. 7 ff. 
■) Simpl. III 19, S. 266, Z. 20. 

^) Wieder emeuwerte und augirte Lustige Gesellschafft 
von Johanne Petro de Memel. o. 0. 1660, No. 1446. S. 508. 



— 54 — 

die Mägdlein selbst auß Liebe sich gegen mir vernarrten"^), 
allein das ganze Kapitel wird sich als Nachtrag herausstellen. 
Nach dieser Vorbereitung also führt Simplicius' erster 
größerer Liebeshandel sogleich zu seiner Heirat mit der 
Tochter eines reformierten Oberstleutnants. Mir scheint 
diese Partie zusammengeschmolzen aus drei Motiven, deren 
wichtigstes aus Zesen-d'Audiguiers „Lysander und Kaliste" 
entlehnt sein könnte. Wie Kaliste dort dem Lysander, ob- 
gleich sie ihn zur Nachtzeit eingelassen hat, die letzte Gunst 
verweigert^), so wagt auch des Simplicius namenlose 
Geliebte nicht, sich ihm, als er die Nacht an ihrer Seite 
verbringt, hinzugeben. Daß der Oberstleutnant eindringt 
und die Trauung des noch im keuschen Bette liegenden 
Paares unter wütigem Gepolter durchsetzt, geht vielleicht auf 
ähnliche Szenen in Parivals „Histoires fac6tieuses" •) zurück. 
Diese Zwangsehe braucht dem überrumpelten nicht heilig 
zu sein, und Grimmeishausen kann ihn in Paris schmählich 
der Verführung erliegen lassen. Das hierfür verwendete Motiv 
stammt von Bandello*), dessen Novellen Grimmeishausen 
wohl aus einer der zahlreichen Ausgaben der Belle-Forest- 
sehen Übertragung ins Französische kannte^). Es war die 
Geschichte jener Witwe, die sich in einen Kavalier ver- 
liebt und nach jahrelangem Zögern ihn des Nachts heimlich 
zu sich führen läßt. Einige Jahre genießen beide die 
Liebesfreuden, ohne daß er erfährt, wer sie ist. Kinder- 
mann hatte diese Novelle als Geschichte des Albertus 
ungeschickt seinem Roman eingefügt ®). Grimmeishausen, 
ihm folgend, machte besser, was jener nicht gekonnt hatte; 

1) Simpl. III 8, S. 223, Z. 28 f. 

2) Lysander und Kaliste, Buch II, S. 57 ff. 

•) Histoires facetieuses et moralles assemblees & mises au jour 
par J. N. D. P. Avec quelques Histoires Tragiques Leiden 1663. S. 82, 
No.57 (Die Widmung der Histoires tragiques ist Parival unterzeichnet.) 

*) Parte IV, Nov. 25 der Ausgabe London 1740; s. Bobertag, 
Gesch. des E-omans Bd. IIa S. 76. 

») S. Bobertag Bd. IIa S. 76. 

") Nisette, Buch II, Kap. 8, s. auch oben S. 31. 



— 55 — 

denn das Begebnis gehört wirklich zur Entwickelung als 
eine Stufe auf der absteigenden Bahn des Simplicius. Des- 
halb hat er, obgleich Einzelheiten teils zu Bandello (wie die 
Furcht des Eitters vor Yerrat, die Maskierung der Dame 
und sogar das Verlöschen des Feuers), teils zu Kindermann 
(so das Bad des Ritters vor der Liebesnacht und das Motiv, 
daß die Dame den Jüngling vom Bette aus zu sich ruft), 
stimmen, das Ganze mit neuem Geist erfüllt. Die bei Ban- 
dello geschilderte Liebe und Treue konnte Grimmeishausen 
nicht verwerten und ersetzt sie durch Lüsternheit Deshalb 
verstärkt er das Geheimnisvolle der Situation, indem er 
Simplicius einen langen Weg mit verbundenen Augen zurück- 
legen läßt und indem er andeutet, daß nicht eine, sondern 
drei Damen dem Beau Aleman ihre Gunst schenken ; Motive, 
die vielleicht der Novelle „Der Lustwandel des Guhts-muhts" 
in Zesens „Rosemund'' entnommen sind ^). Das Unwürdige 
der Situation wird durch die Schlußworte der Alten noch be- 
sonders hervorgehoben, die auf den Lohn aufmerksam macht. 
Erotische Motive treten dann im Simplicissimus für 
längere Zeit ganz zurück. Simplicius' nächster Liebeshandel 
ist die Bekanntschaft mit der Dame „mehr mobilis als 
nobilis", die sich hinterdrein als Landstörtzerin Courasche an 
Simplicius rächt. Jetzt dient sie nur dazu, seinen Rück- 
fall ins Weltleben zu illustrieren. Dies Kapitel-) ist demnach 
wohl jünger als der Plan eines Lazarilloschlusses, den ein 
solches Entgleisen des Helden nur stören mußte. Denn 
Simplicius sollte wie Lazarillo endlich im Familienleben 
gezeigt werden'). Seine Frau aus L. wieder auftreten zu 
lassen, scheint dem Zartgefühl Grimmeishausens wider- 
sprochen zu haben ; ein seltener Zug bei ihm wie bei seinen 
Zeitgenossen. Macht doch die Nötigung zur Heirat samt 
den Pariser Abenteuern die Ehe geradezu hinfällig. Wenn 
trotzdem die Wiederaufnahme der ersten Ehe ausführlich 



») Rosemund, Buch IH, S. 119 ff. 
«) Simpl. V. 8. 
3) S. o. S. 17. 



— 56 — 

vorbereitet wird, so möchte man schließen, daß die Hinder- 
nisse ursprünglich gefehlt haben. Mehrere Momente weisen 
nun ganz deutlich auf die Wiedervereinigung des Simplicius 
mit seiner ersten Gattin hin. Simplicius selbst äußert mehr- 
fach den Wunsch, zu seiner Frau zurückzukehren*). Nach 
Schönsteins Bemerkung bei seinem Zusammentreffen mit 
Simplicius, daß die junge Frau in L. „grossen Leibes" sei -), 
erwartet der Leser noch mehr von der ersten Ehe Simplicius' 
und von dem Kinde zu erfahren. Diese Vermutung bestätigt 
sich in der Szene, wo Simplicius den Tod seiner ersten 
Frau erfährt.*) Ganz offenbar drängt hier nämlich das 
sympathetische Nasenbluten des Simplicius und seines 
Sohnes auf eine Erkennung geradezu hin. Man ist er- 
staunt, daß es nicht dazu kommt. Aber sie würde durch 
Vereinigung von Vater und Sohn der vorzubereitenden 
zweiten Ehe widerstreben. Das für den Roman Wichtige 
dagegen tritt ganz zurück: die Nachricht vom Tode der 
Frau wird ganz knapp erzählt, ohne einer bestimmten Per- 
son in den Mund gelegt zu sein. Dazu spricht gegen die 
zweite Ehe selbst literarisches Herkommen. Kommt sie im 
pikarischen Roman vor, wie im „Guzman''*), so steht ihre 
Möglichkeit außer Zweifel. Die erste Ehe ist dann endgültig 
erledigt, dem geradlinigen Verlauf des pikarischen Romans 
durchaus entsprechend. 

So halte ich denn für wahrscheinlich, daß in einem 
früheren Plane die erste Ehe wieder aufgenommen werden 
konnte, daß also ihre Hindemisse, der Zwang bei ihrem 
Abschluß und Simplicius' Pariser Erlebnisse dort gefehlt haben. 

Nun ist gewiß auch die zweite so mühsam herbei- 
geführte Ehe einmal gültiger Schluß gewesen. Vielleicht 
kommt es daher, daß Simplicius' Frau sich aus dem ein- 



») Simpl.IV, 1, S. 291, Z. 34; IV, 2, S. 293, Z. 29; IV, 9, S. 318 
Z. 1; IV, 14, S. 334, Z. 3; IV, 25 S. 366. Z. 35. 
») Simpl. IV, 10, S. 323, Z 15. 
») Simpl. V, 15. 
*) Guzman de Alfarache Teil II, Buch III, Kap. 2 ff. 



— 57 — 

fachen Bauernmädchen ohne Arg, wie sie zuerst geschildert 
wird*), plötzlich niit Beginn eines neuen Kapitels*) in einen 
Ausbund aller Untugenden verwandelt*). Mit Berück- 
sichtigung dieser Veränderung würden sich wie bei den 
Anfangspartien drei Entwickelungsphasen scheiden lassen; 
1) die erste Ehe wird durchgeführt, 2) die erste Ehe wird 
den aus der „Nisette" und anderen idealistischen Romanen 
übernommenen Motiven zuliebe unmöglich und die zweite 
tritt am Schluß in ihre Stelle; 3) auch die zweite Ehe 
wird durch den Einsiedlerschluß umgestaltet. Zwischen 
Plänen 1 und 2, genau wie beim Anfang hätte ein Einfluß 
der ,,Nisette" stattgefunden, dort den Einsiedler, hier den 
Yenusberg herbeirufend. Also im ganzen eine Parallel- 
entwickelung beider Partien. 

Auch der dritte Motivkreis ist sorgfältig entwickelt und 
zeigt in der Anlage einige Ähnlichkeit mit dem erotischen. 
Der Baaernjunge. der nicht weiß, was ein Wolf ist, ver- 
steht den Krieg so wenig wie die Liebe. Besonders grausig 
sind seine ersten kriegerischen Erlebnisse, wie seine ersten 
erotischen besonders derb sind. Aber der kleine Tor 
weiß diese Begebenheiten nicht zu beurteilen; sie ver- 
wirren ihn nur. Nach dem Überfall auf den Hof des 

• 

Vaters irrt er, der den Plünderern harmlos geholfen hat, 
im Walde umher ^), und der Angriff der Reiter"^) raubt 



») Simpl. V7, S. 394, Z. Iff. 

*) Simpl. V 8, S. 396. 

") Möglicherweise hat Grimmelshausen die Geschichte dieser 
zweiten liederlichen Ehe im achten Kapitel des fünften Baches 
nach drei Epigrammen Logaus (ed. Eitner, Bibl. d. Litt Ver. Bd. CXITE 
S. 28 Erstes Tausend, Erstes Hundert No. 82, zu Simpl. V. 8 S. 396, 
Z. 18 ff. — S. 253. Anderes Tausend, anderes Hundert No. 24, zu 
Simpl. V, 9. S. 403, Z. 21 ff. - S. 412 Zugabe nach dem zweiten Tau- 
send No. 23 zu Simpl. V 9 S. 402, Z. 17) und einer ähnlichen Stelle 
in der „Seltzamen Traumgeschichte von Dir und Mir" (Gesamt- 
ausgabe 1695, Bd. III, S. 565) gebildet. 

*) Simpl. I, 5, S. 17 ff. 

•■^) Simpl. I, 5, S. 18, Z. 10. 



— 58 — 

ihm den letzten Rest von IQarheit. Nach der energisch 
herausgearbeiteten „seltzamen Comödie von 5 Bauern"^) 
bringt eigenes bei dem Einsiedler gewecktes Nachdenken 
ihn zum stärksten Ausdruck seines Unverstandes: „es müsten 
ohnfehlbar zweyerley Menschen in der Welt seyn, so 
nicht einerley Geschlechts von Adam her, sondern wilde 
und zahme wären, wie andere unvemünfftige Thiere weil 
sie einander so grausam verfolgen" 2), 

Dem dumpfen Wahn folgt hier, wie bei der Erotik das 
Orakel der Soester Hexe, die Prophezeiung künftiger großer 
Erlebnisse in Simplicius' phantastischem Traum vom Baume 
des Krieges'). 

Träume waren im idealistischen Koman ein beliebtes 
Mittel zur Vorbereitung; zumeist Bildersymbolik, bei der 
kein Wort gesprochen wurde ^). Zum Realismus des pika- 
rischen Romans wollten solche übersinnliche Erscheinungen 
nicht passen. Wohl aber enthielt ,,Fi'ancion", realistischer 
Stoff bei idealistischer Form, einen langen phantastischen 
Traum*), und von ihm stammt Simplicius' Vision her. 
Beider Stellung ist: Francion, der Held künftiger Liebes- 
abenteuer, hat, soeben einem solchen tollen Erlebnis ent- 
ronnen, jenen Traum voll seltsam derber Liebessymbolik; 
ähnlich ist Simplicius gerade Zeuge der grausigen Szene 
zwischen Soldaten und Bauern gewesen, da sieht der künftige 
Jäger von Soest im Traume die große Kriegsallegorie. 
Francion wie Simplicius finden sich plötzlich von Bäumen 
umgeben®), und auch ihr Erwachen vollzieht sich in ähn- 
licher Weise: Francion träumt von Lorette und erwacht in 
den Armen der alten Kupplerin Agathe ''). In Simplicius' 



») öimpl. I, 14. 

«) Simpl. I, 15, S. 42, Z. 7 ff. 

») Simpl. I, 16, S. 42, Z. 12. 

*) S. Anhang. 

») Francion III, S. 159. 

6) Simpl. I, 16, S. 42, Z. 14, Francion S. 161. 

') Francion Buch III, S. 177. 



— 59 — 

Vision wandelt sich das Rauschen des Waldes in das des 
Kriegsbaumes und erweckt ihn*). Indes haben doch auch 
Traummotive aus dem idealistischen Roman mitgewirkt; ja 
ein ganz deutlicher Vorläufer jener Sphäre ist für Simpli- 
cius' Traum leicht zu finden. Wie der Kriegsbaum, zu 
dem sich der Wald schließlich vereinigt, ganz Europa über- 
schattet*), so breitet sich der Weinstock, den Mandane aus 
ihrem Schöße wachsen sieht, über ganz Asien aus. Die 
Cyrusgeschichte konnte Grimmeishausen, wenn nicht auch 
anderswoher, aus der mehrfach benutzten „Acerra philologica'' 
von Peter Lauremberg kennen*), die auch für eine Er- 
wähnung des Cyrus als eines später berühmt gewordenen 
Hirten Quelle gewesen sein mag*). Die satirische Tendenz, 
die Grimmeishausen dem Traum verleiht, ist vielleicht auf 
Moscheroschs Einfluß zurückzuführen. Ihr dient hauptsäch- 
lich das siebzehnte Kapitel, das den Eindruck eines Zusatzes 
aus einem fremden Werk macht. Eine neue Person, Adel- 
hold, tritt uneingeführt sogleich auf, und eine wortreiche 
Unterhaltung zwischen ihr und einem alten Feldwebel 
imterbricht jäh die bisherige stumme Symbolik der Vor- 
gänge. Vielleicht kann man Adelheids unvermitteltes Auf- 
treten aus der Sprunghaftigkeit der Träume erklären, für 
die Sorel an einer anderen Stelle ein deutliches Muster 
gegeben hat. Der französische Realist läßt Francion un- 
vermittelt von den sprechenden Bäumen zu einem Besuch 
im Himmel übergehen. ,,Nachdem weiß ich nicht wie es 
geschah, daß ich mich im Himmel befände (dan ihr wisset, 
daß die Träume gar nicht auffeinander folgen)", er- 
zählt Francion •^). So will auch Grimmeishausen den Über- 
gang vom Wald zur Einheit des Baumes als realistisch sprung- 



') Simpl. I, 18, S. 50, Z. 5. 
») Simpl. I, 18, S. 49, Z. 29. 

*) Acerra philologica, Rostock, 1638, Erstes Hundert No 39, 
S. 86 f. 

♦) Simpl. I, 2, S. 11, Z. 7. 
'^) Francion S. 162. 



— 60 — 

haft angesehen wissen und erwartet deshalb wohl auch, daß 
der Leser Adelheids unerklärtes Vorhandensein als Eealis- 
mus betrachten wird. Allein dieser Sprung klafft zu weit. 

Noch von einer anderen Seite her ist das siebzehnte 
Kapitel auffällig: es schwellt nämlich den Traum, dessen 
größeren Teil es ausfüllt, gewaltig auf, und striche man es, 
so würde die Vision den Rahmen des Eomans nicht so 
sehr überragen. Auch Francions Traum ist sehr umfang- 
reich; allein in der Umgebung ausführlicher Icherzählungen 
unterbricht er den Gang der Handlung nicht so stark. 

Mit diesem Traum endet der erste Abschnitt von Sim- 
plicius' soldatischen Erlebnissen. Es folgt eine Pause, aus- 
gefüllt durch die Hanauer Lehrzeit. Nur ein soldatisches 
Ereignis unterbricht sie: der Besuch des Kommissars, wozu 
Simplicius in die Tracht eines Trommlers gesteckt wird') 
Für das Ganze ist dabei nur die Namengebung wichtig. 
Erst als Simplicius gelernt hat, sich seiner Haut zu wehren 
als der Narr die Vernünftigen zum Besten hat, beginnen 
militärische Eindrücke wieder stärker auf den Knaben ein- 
zuwirken. Im Gefolge von Soldaten und Offizieren schlägt 
er sich durch, aber nicht mehr in einer Garnison wie Hanau, 
wo eine Gewalt Ordnung hält, sondern im Lager, auf dem 
Marsche und im Freien, wo die Disziplin sich lockert. In- 
folgedessen findet sich hier eine Verschmelzung pikarischer 
und kriegerischer Elemente, von der schon oben die Rede 
war^). Simplicius wird abgehärtet, und mit allerlei Kniffen 
behauptet sich der schwache Troßjunge gegen seine Herren, 
gegen schlechte wie die Kroaten, gute wie den alten üMch 
Hertzbruder, sorglose wie den Oberstleutnant, dessen Küraß 
Simplicius trägt, und geizige wie den Dragoner. Gleich 
Lazarillo, dem echtesten picaro, zählt Simplicius hier, als 
der Dragoner ihn zum Troßjungen macht, seine Herren: 
„Also ward er im Krieg mein sechster HeiT, weil ich sein 



M Simpl. II, 4, S. 100. 
'') S. o. S. 51. 



— 61 — 

Jung seyn muste" *). Wie im ,,LazarilIo" fehlen auch hier im 
wesentlichen stark herausgearbeitete Einzelerlebnisse. Sim- 
plicius charakterisiert pikarisch sein Leben mehr im all- 
gemeinen, und nur wenige Erlebnisse, wie die Hexenfahrt*), 
des jungen Hertzbruder Sturz'), des alten Tod*), werden 
novellistisch herausgearbeitet. 

Die eigentliche Vorbereitung Simplicius' zum Soldaten 
findet erst am Ende dieser pikarisch-kriegerischen Epoche 
statt. Im Paradies, wo Simplicius mit seinem letzten Herrn 
einquartiert ist, lernt er gut fechten und schießen**), und 
mit dem Tode des Dragoners wird aus dem Reiterjungen 
ein wirklicher Soldat. Grimmeishausens Held muß sich 
nun allerdings vor den gewöhnlichen Soldaten hervortun; 
deshalb zeigt ihn der Verfasser hier in einer Reihe kriege- 
rischer Einzelerlebnisse, in denen er die erste Rolle spielt. 
Die allgemeine Darstellung tritt zurück. Simplicius ist auf 
der Höhe in seinem Reiterleben als Jäger von Soest. Es 
setzt gleich ein mit einem kräftigen Schwank, dem Speck- 
diebstahl, zu dem Grimmeishausen die Anregung aus Pari- 
vals „Histoires fac6tieuses" schöpfte®). Allein aus einem 
Racheakt plumper Bauemburschen gegen einen filzigen 
Pfarrer macht Grimmeishausen ein humorvolles Reiter- 
stückchen, bei dem alle Beteiligten, Schädiger und Ge- 
schädigte, sich über den vermeinten Teufel freuen. Die 
Harmlosigkeit hört freilich nun in Simplicius' Taten auf. 
Dem Jäger von Soest steigt sein Ruhm bald zu Kopf: er 
hält auf Reputation. Den Jäger von Werle, der unter seinem 
Namen allerlei ehrlose Streiche verübt, straft er hart') und 
sein Stolz wächst immer mehr, bis zum Gipfel in dem fri- 
volen Duell mit dem Dragoner, das mir eine Umgestaltung 

1) öimpl. n, 28, S. 180, Z. 39. 

«) Simpl. n, 17. 

8) Simpl. n, 22. 

*) Simpl. n, 24. 

») Simpl. n. 29. 

*) Histoires facetieuses No. 52, S. 73. 

') Simpl. in, 2. 



— 62 — 

der im idealistischen Eoman sehr beliebten Zweikämpfe mit 
gefährlichen Folgen zu sein scheint. Hier, wo nur der 
Witz des Schelms den stolzen Jäger zu retten veimag^), 
vollzieht sich die Peripetie. Die Gefangennahme durch die 
Schweden schränkt sehr bald die Freiheit des Dragoners 
ein. Ein unterschied gegen die früheren kriegerischen 
Vorgänge, deren Zeuge Simplicius nur war, ist hier, wo 
er selbst mittut, deutiich: die Grausigkeit der Anfangs- 
partien fehlt. Kein gemeiner, sondern ein vornehmer Soldat 
soll ja Simplicius sein. Daher das höfliche Schreiben an 
den seines Specks beraubten Dorfpfarrer ^), und der Schutz, 
den Simplicius dem schwedischen Leutnant trotz aller seiner 
Schmähungen angedeihen läßt*). 

Mit der Gefangennahme hört Simplicius' kriegerische 
Glanzperiode auf. Erotische und pikarische Elemente treten 
wieder hervor. Erst spät wird Simplicius wieder Soldat; 
aber was für einer! Ein gezwungener Musketier, der sich 
kümmerlich mit Betrügereien durchschwindelt*), ein bloßer 
Marodeur '^). Das Pikarische mischt sich wieder stark ins 
Kriegerische, und damit weicht die novellenhafte Darstellung 
vor der allgemein charakterisierenden zurück, bis schließlich 
das Kriegerische unter Oliviers und Hertzbruders Einfluß 
gänzlich verschwindet. Der als unbedeutend dargestellte 
Versuch der beiden Freunde, in Wien neue Kriegsdienste 
zu nehmen®), geht ungünstig aus, obgleich Simplicius hier 
zum erstenmal wirklich Offizier wird. Simplicius' kriege- 
rische Laufbahn ist zu Ende und damit auch seine innere 
Entwickelung. Die russischen Kriegsabenteuer stehen eben- 
sowenig in organischem Zusammenhang mit dem Roman 
wie das späte Einsiedlerleben oder gar die Robinsonade. 



1) Simpl. ni, 10, S. 231 ff. 

2) Simpl. II, 31, S. 196, Z. 7. 
8) Simpl. m, 7, S. 221, Z. 27. 
*) Simpl. IV, 9 ff. 

^) Simpl. IV, 12. 
«) Simpl. V, 3. 



— 63 — 

Die kriegerische Laufbahn seines Helden gewährte 
Grimmeishausen für sein Werk den großen Vorteil des ge- 
schichtlichen Hintergrundes, und damit wird der Simpli- 
cissiraus der erste deutsche historische Roman. Freilich 
darf man kaum mit Tittmann die hierfür ausschlaggebende 
Anregung im historisch-galanten Roman suchen^). Gab dieser 
zwar als Schlüsselroman schon Zeitgeschichte oder jüngste 
Vergangenheit im Kleide weit entlegener Zeiten, so glich er 
doch dem schlechten Chronisten, der über dem Berichte von 
außergewöhnlichen Ereignissen ein Gesamtbild der Zeit zu 
geben unterließ. So konnte es geschehen, daß solche Ro- 
mane trotz ihrer Ansprüche zum Teil ganz auf einen festen 
geschichtlichen Kern verzichteten und nur ein äußerliches 
Kostüm anlegten. Frei schaltete man demnach auch mit 
Zeitbestimmungen. Die „Arcadia" spielt zu unbestimmter Zeit 
in Griechenland, die „Argenis*' und gleich ihr die „Nisette" in 
Sizilien. Assarinis „Demetrius" und „Stratonica'' führen zwai* 
Personen aus den Diadochenkämpfen vor, aber Zeitkolorit 
zu geben, die Menschen in ihrer bestimmten Umgebung auf- 
zufassen, wird gar nicht versucht. Selbst Zesen erstrebt 
dies Ziel nicht. In der „Assenat" hat sein Fleiß den ge- 
lehrten Wust antiquarischer Kenntnisse, in ausführlichen 
Anmerkungen sorgfältig belegt, zwar einzureihen, nicht aber 
einzuschmelzen gewußt. Darauf kam es dem 17. Jahrhundert 
auch gar nicht an. Ein isolierter, modemer Roman, die 
„Rosemund'' Zesens, rechnete wenigstens insofern mit dem 
Zeitgeschmack, als die Personen schäferliches Gewand trugen 
und sich nicht in Deutschland, sondern in Frankreich und 
den Niederlanden aufhielten. 

Im Ausland freilich hatte der pikarische Roman sichere 
Kulturbilder, wenn auch erst aus der Vergangenheit, ge- 
geben, und Menschen, Verhältnisse, Tendenzen waren in 
feste Beziehung zu einander gesetzt. Von hier ging die 
Entwickelung weiter. 

*) Sünplicianische Schriften, hrsg. von Tittmann, Bd. I, Ein- 
leitung S. XXXVI. 



— 64 — 

Aber mehr noch als „Lazarillo" oder „Guzman" ist unser 
Simplicissiraus ein historischer Roman. Die ungeheuren 
Umwälzungen des dreißigjährigen Krieges boten eine noch 
wirksamere Folie als die pikarische Welt. Das war große 
nächste Vergangenheit. Indes Grimmeishausen zeigt sie, 
nach pikarischera Rezepte, von unten aus, und gerade der 
Nachfolger des plcaro, der deutsche Reiterjunge, gewann 
dem Werke die Gunst der Leser. Man hatte genug von den 
fernen Königen und Helden mit ihren unfaßlichen Abenteuern 
und Liebesgeschichten. Aber was noch in jedermanns 
Gedächtnis eingeprägt war und auf allen Zuständen lastete, 
das war noch nicht geschildert worden: Geschichte und 
Gegenwart zugleich. 

Kein großer Führer der geschilderten Zeit tritt auf, 
selbst nicht volkstümliche wie Gustav Adolf und Wallenstein 
oder Pappenheim und Tilly. Nur Größen wie Johann von 
Werth *), ein Liebling Grimmeishausens, oder Bernhard von 
Weimar^) werden erwähnt, und der Graf Götz*), der Gou- 
verneur von Hanau*) und der Oberst von S.-A.^), alles 
Personen von zweitem oder drittem Rang, greifen in Simpli- 
cius Leben ein. Auch wird nicht der Zusammenhang 
großer historischer Ereignisse dargelegt. Obgleich Grimmeis- 
hausen selbst politischen Blick besitzt — er zeigte ihn spä- 
ter im „Stolzen Melcher' — obgleich er den Siraplicius über 
seine Umgebung erhebt, zum historischen Verständnis und 
gar zu der von der Icherzählung verlangten Darstellung des 
Zusammenhanges fehlte dem pikarischen Soldaten die Höhe 
des Standpunktes. Natürlich durfte Grimmeishausen den 
Figuren der Fortsetzungen, die dem Simplicius geistig weit 



') Simpl. I, 17, S. 48, Z. 16, III, 7, S. 223, Z. 6, III, 22, S. 279, 
Z. 36. S. auch Rathstübel Plutonis Kap. 3. Ewig- währender Ka- 
lender S. 58, 14. März, S. 64, 24. März, S. 182, 1. September. 

*) Simpl. in, 22, S. 279, Z. 38. 

») Simpl. II, 30, S. 187, Z. 20, HI, 22 S. 279, Z. 30. 

*) Sünpl. I, 20 ff. 

») Simpl. ni, 15 S. 252, Z. 27, vgl. auch Springinsfeld Kap. 16. 



— 65 — 

nachstehen, solche Gaben auch nicht verleihen. Darum 
zeigen „Springinsfeld" und „Courage'^ bei verhältnismäßig 
größerem Reichtum an wichtigen Ereignissen ebensowenig 
historische Zusammenhänge wie Simplicissimus. Das Leben 
des Volkes aber wird beschrieben, vor allem der Gegensatz 
zwischen Bauern und Soldaten, zwischen Soldaten und Kommis- 
sarien, der Neid bürgerlicher auf adelige Soldaten, Kamerad- 
schaft und Freundschaft im bunten Lagerleben . . . und solch 
vollständiges in sich abgeschlossenes Zeitbild erzwingt Glauben. 

Es ist Kulturgeschichte, nicht politische Geschichte, 
was Grimmeishausen erzählt. Aber an der Hand der Er- 
eignisse läßt sich Simplicius' Leben genau fixieren. Die 
Schlachten von Höchst, Nördlingen, Wittstock, sowie die 
Belagerung von Magdeburg sind bedeutungsvolle Ereignisse 
auch für Simplicius. 

Die Schlacht bei Höchst vom 10. Juni 1622, die in dem 
beim Kampf von seiner Gattin getrennten Vater Simplicius' 
den Entschluß zum Einsiedlerleben reifen läßt, ist soeben 
geschlagen, als Simplicius das Licht der Welt erblickt'). 

Die Nördlinger Schlacht vom 6. September 1634 treibt 
das zwölfjährige Kind nach des Eremiten Tod aus dem Wald- 
frieden nach Hanau und damit in die weite Welt^). 

Die Belagerung von Magdeburg 1636 verbindet den 
unfreiwilligen Narren mit den beiden einflußreichsten Ge- 
nossen seines Lebens, dem getreuen Hertzbruder und dem 
falschen Olivier^j. Nicht ohne Bedacht hat Grimmeishausen 
gerade diese Stadt zum Schauplatz gewählt; war die stolze 
doch wenige Jahre vorher von Tilly erstürmt und verheert 
worden. Das wirkte lange in allen Gemütern nach, und 
auch der Leser, dem keine Jahreszahlen genannt werden, 
sollte sich dieser berühmten Belagerung erinnern, auf die 
man noch lange danach ein altes weissagendes Carmen des 



1) Sünpl. I, 20, S. 60; V. 8, S. 399, Z. 12. 
«) Sünpl. I, 13, S. 36, Z. 8, I, 22, S. 62, Z. 4. 
«) Sünpl. II, 19-24. 

Palaestra LI. 5 



— 66 — 

Petrus Lotichius gern bezog'). Grimmeishausen selbst ge- 
denkt im „Ewig-währenden Calender^' der Zerstörung Magde- 
burgs^). Trotzdem lassen die folgenden Ereignisse, die Ein- 
nahme von Perleberg und der Werberschanze ^) und besonders 
die blutige Schlacht bei Wittstock keinen Zweifel, daß wir 
im Sommer 1636 stehen. 

Diese Schlacht (24. September 1636), die einzige, der 
Grimmeishausen ein ganzes Kapitel widmet, führt wieder 
zu einer Wendung in Simplicius' Leben. Sie setzt der hoch- 
notpeinlichen Untersuchung vor dem Auditor ein jähes 
Ende, und aus dem behaglichen Magdeburger Lagerjungen 
wird der unruhige Troßbube des schwedischen Obrist- 
leutnants. *) 

Die nächsterwähnten wichtigeren historischen Ereignisse, 
die Belagerung von Breysach (bis zum 19. Dezember 1638) 
und die Schlacht von Witten weyer (30. Juli 1638) spielen 
in Simplicius' Leben keine so große Rolle mehr'*), und noch 
weniger wird der Einfluß der Schlacht bei Jankau und des 
westfälischen Friedens betont.**) 

Somit legt Grimmeishausen seines Helden Leben durch 
Ereignisse zwischen 1622 und etwa 1650 fest. 

Die teilweise langen Zeiträume zwischen den erörterten 
Daten füllt er aber stets durch kleine geschichtliche Bemer- 
kungen und klimatische Angaben aus, so daß man alles 
chronologisch fixieren kann. 

Zwei Jahre lebt Siraplicius bei dem Einsiedler') und 
noch ein halbes Jahr nach dessen Tode im Walde, bis ihn 
die Nördlinger Reiter verjagen. Also ist er, da er damals 



M Petri Lotichii Secundi Opera Omnia Lips. MÜLXXXVI 
S. 44. Liber II, Elegia IV, Ad Joachimum Camerarium Paben- 
bergensem. • 

2) Ewig-währender Calender S. 104, 20. Mai. 

3) Simpl. II, 25, S. 168, Z. 18. 
*) Simpl. II, 28, S. 178. 

») Simpl. IV, 13, S. 333, Z. 3. 

ö) Simpl. V, 4, S. 384 u. V, 5, S. 386. 

') Simpl. I, 12, S. 32, Z. 13. 



— 67 — 

12^/4 Jahr zählte, mit 9'/^ Jahren zu dem Einsiedler ge- 
kommen, d. h. im Frühjahr 1632 und zwar da am 17. März, 
S. Gertraud, sein ,,Probierjahr'' von 3 Wochen um ist, am 
25. Februar 1632 (das Jahr ist ein Schaltjahr)^). Aus 
dem Wald gelangt Simplicius im Herbst 1634 nach Hanau. 
Dort bleibt er, wie wiederholte Erwähnungen der Winter- 
kälte zeigen^), bis ihn zu Anfang des Frühjahrs 1635 die 
Kroaten vom Eise weg entführen^). Ende Mai 1635, also 
nach 2 — 3 Monaten, liegt außer seinen Streifzügen mit den 
Kroaten auch noch ein selbständiges Vagabundenleben hinter 
ihm. Denn um diese Zeit fliegt er mit den Hexen aus der 
Hersfelder Gegend nach Magdeburg*). Da Grimmeishausen 
im „Ewig-währenden Calender" die Walpurgisnacht richtig auf 
den 30. April setzt*), so kann man die Verlegung der Sim- 
plicischen Fahrt auf Ende Mai wohl als absichtlich betrachten. 
Dieses seltsame Ereignis führte aber auch plötzlich aus dem 
Jahre 1635 in das Jahr 1636; denn die Belagerung von 
Magdeburg beginnt erst 1636. Amersbach faßt das Flug- 
motiv offenbar richtig als Traum®). Grimmeishausen nutzte 
es zu einem örtlichen und zeitlichen Sprung. IS ach der 
Schlacht bei Wittstock am 24. September 1636 und Streif- 
zügen mit verschiedenen Herren verbringt Simplicius den 
Winter 1636/37 im Kloster'), wo im Frühjahr 1637 sein 
sechster Herr, der Dragoner, stirbt^). Der Sommer sieht 
ihn als den Jäger von Soest. In dieser Zeit besonders 
fehlen alle geschichtlich großen Ereignisse, in denen Sim- 
pücius doch keine Hauptrolle spielen könnte, und alle 



') Simpl. I, 9, S. 26, Z. 10. 

2) Simpl. 1, 22, S. 59, Z. 10. II, 7, S. 109, Z. 37. 

3) Simpl. II, 14, S. 134, Z. 25. 
*) Simpl. II, 17, S. 141, Z 29. 

^) Ewig-währender Calender S. 90. 

®) Amersbach, Aberglaube, Sage und Märchen bei Grimmeis- 
hausen. Beilage zum Programm des Großherzoglichen Gymnasiums 
zu Baden-Baden für das Schuljahr 1890/91, Baden-Baden 1891, S.30. 

'') Simpl. II, 29, S. 185, Z. 7. 

») Simpl. II, 29, S. 185, Z. 9 ff. 

5* 



— 68 — 

historisch bedeutenden Persönlichkeiten, die das Interesse 
nur von dem einfachen Reiter abziehen müßten. Am Drei- 
königstag, also am 6. Januar 1638, wird der verliebte Sim- 
plicius glücklich bei dem reformierten Obristleutnant, der 
die schöne Tochter hat, eingeladen^). Einige Zeit schwe- 
discher Gefangenschaft liegt schon hinter ihm, wie aus 
kleinen Zügen erhellt. Im Herbst 1637 bereits ist Simpli- 
cius in schwedische Gefangenschaft geraten. Das Holz- 
geschenk des Kommandanten soll doch wohl für den heran- 
nahenden Winter gelten^). Die Zeit wird dem unfreiwilligen 
Müßiggänger lang^) und er gerät in Liebeshändel*). Um 
Weihnachten herum führt er die Gespräche mit dem warnenden 
Pfarrer **). 

Das erste Vierteljahr 1638 umfaßt nunmehr schier zu 
viel. Die „Löffelei'' um die Obristleutnantstochter, Reisen 
nach Köln und Paris und längeren Aufenthalt an beiden 
Orten, die Flucht aus dem Pariser Sinnentaumel und die 
Krankheit im französischen Dorfe, Quacksalberei und noch ein 
gut Teil des Musketierlebens in Philippsburg. All das soll 
zwischen Weihnachten und Ostern fallen; denn Simplicius 
berichtet von priesterlichen Ermahnungen um die Osterzeit 
aus Philippsburg®). 

Von hier an werden die Begebenheiten nicht mehr eng 
zusammengezwängt. Die Schlacht von Wittenweyer (30. Juli 
1638) und die Belagerung von Breysach sind die chrono- 
logisch festen Punkte. Bis zu jener Schlacht ist Simplicius 
„Merodebruder"'). Etwa vier Wochen vorher dient er im 
Götzischen Korps ^), nachdem Hertzbruder ihn aus der 

>) Simpl. III, 21, S. 271, Z. 20. 

2) Simpl. in, 16, S. 257, Z. 12. 

3) Simpl. III, 17, S. 262, Z. 17. 

*) Simpl. III, 18, S. 263, Z. 24 u. 264, Z. 7. 

») Simpl. III, 19, S. 265, Z. 30. 

<^) Simpl. IV, 11, S. 324, Z. 31. 

■) Simpl. IV, 13, S. 333, Z. 3. 

«) Simpl. IV, 14, S. 333, Z. 15. 



— 69 — 

Philippsburger Klemme zu Anfang des Sommers befreit 
hat^). Im Dezember, noch vor Ende der Belagerung von 
Breysach, haust Simplicius mit Olivier zusammen als Bandit. 

Wieder drängen sich im Frühjahr 1639 die Ereignisse 
ein wenig. Oliviers Tod, Simplicius und Hertzbruders Wieder- 
sehen, des letzteren Leiden und Pflege, der Freunde Wanderung 
in die Schweiz, ein vierzehntägiger Aufenthalt allein in Ein- 
siedeln und die Reise nach Baden sind vergangen, da er- 
fährt man aus Hertzbruders Munde, daß der Winter noch 
lange währe ^). Und es muß doch schon Mitte oder gar 
Ende Februar sein. 

Der nächste historische Anhaltspunkt wird erst nach 
sechs Jahren geboten mit der Schlacht bei Jankau (1645), an 
der Simplicius mit seinem getreuen Hertzbruder teilnimmt®). 

Wieder vergehen mehrere Jahre ohne Erwähnung be- 
deutsamer Ereignisse. Dann wird Simplicius Erkundigungs- 
reise nach Westfalen, die ihn über den Tod seiner ersten 
Frau aufklärt, durch die Frage des irrsinnigen Jupiter nach 
dem Stand der Münsterischen Friedensverhandlungen auf 
das Jahr 1648 festgelegt*). 

Dazu stimmt auch, daß der Knän im Saurbrunn beim 
Wiedei'sehen auf Simplicius' Frage, ob ihm die Reiter nicht 
vor achtzehn Jahren Haus und Hof geplündert hätten, ant- 
wortet, solange sei es noch nicht her^). Das ergäbe für 
diese Begegnung etwa das Jahr 1650. 

Von nun an ist alles chronologisch unbestimmt. Die 
russischen Ereignisse sind unhistorisch. 

Aus dieser Rechnung folgt zunächst, daß Grimmeis- 
hausen seinen Helden nur von 1622 — 1650, etwa durch 
28 Jahre hindurch geleitet, eine kurze Spanne Zeit für die 
von Simplicius darin erlangte Reife. Ja, nach strenger 



») Simpl. IV, 12, S. 326, Z. 13. 
«) Simpl. V, 3, S. 378, Z. 33. 
8) Simpl. V, 4, S. 384, Z. 2. 
*) Simpl. V, 5, S. 386, Z. 16. 
») Simpl. V, 8, S. 397, Z. 30 ff. 



— 70 — 

Kontrolle ist Simplicius auf der Höhe seines Lebens noch in 
ganz zartem Alter. Der Fünfzehnjährige ist der berühmte 
Jäger von Soest, der vornehm auftretende schwedische Ge- 
fangene, sowie der Gatte der Oberstleutnantstochter und 
Liebhaber geheimnisvoller vornehmer Pariserinnen. Aber 
nur dem prüfenden Analytiker wird solcher Widerspruch 
klar. Dem einfach genießenden Leser, an den sich das 
Werk zunächst wendet, gilt Simplicius als erwachsen. Der 
Eindruck ist einheitlich; die Entwicklung führt zum ge- 
steckten Ziel. Nicht wie in pikarischen Romanen Spaniens 
sehen wir plötzlich mit Staunen einen fertigen und reifen 
Mann vor uns, der doch eben noch ein Knabe war. 

Grimmeishausen kennt aber sehr wohl auch die Pflicht, 
die ihm die poetische Freiheit, uns einen der genauen Be- 
rechnung nach erst im Jünglingsalter Stehenden als gereiften 
Mann auszugeben, auferlegt. Sorgfältig meidet er Jahres- 
zahlen, und nur ganz vereinzelt gibt er Tagesdaten, ziffern- 
mäßig wie beim Tode des älteren Hertzbruder ^), oder nur 
durch Angabe der Heiligen — St. Gertraud -), die heiligen drei 
Könige^) — oder gar nur so vage wie bei der Hexenfahrt, 
die man unwillkürlich, wenn auch fälschlich, auf die Wal- 
purgisnacht bezieht. 

Die Entwicklung vollzieht sich also gewissermaßen zeit- 
los, und selbst Betonungen der großen Jugend, so wenn der 
Korporal den Jäger geradezu als Kind ansieht*), stören nicht. 

Außer diesen zumeist verdeckten Widersprüchen, die 
durch das Ganze laufen, finden sich noch einige chrono- 
logische Nachlässigkeiten. 

Zweimal sahen wir kurze Zeitspannen mit überreichen 
Geschehnissen gefüllt. Indes mit Hilfe der oben angenom- 
menen drei Entwicklungsphasen lassen sich selbst Dis- 
krepanzen erklären. 



*) Simpl. II, 24, S. 164, Z. 30. 
«) Simpl. I, 29, S. 26, Z. 11. 
3; Simpl. III, 21, S. 271, Z. 22. 
*) Simpl. III, 14, S. 251, Z. 7 ff. 



— 71 — 

Die zweite Ehe ist uns als unpikarisch erschienen. 
Streicht man alles, was sich auf sie bezieht und sie vor- 
bereitet, als nachträglich eingefügt, so fallen die zeitlich 
sehr umfangreichen Pariser Kapitel, und der überlastete 
Zeitraum von Weihnachten 1637 bis Frühling 1638 wird be- 
deutend erleichtert. Noch deutlicher ist das bei der zweiten 
Überfüllung: die auf den Lazarilloschluß zielende pikarische 
Form ist reiner gewahrt, wenn alles auf die geistige Um- 
kehr Simplicius' bezügliche, insbesondere die zeitraubende 
Wallfahrt mit Hertzbruder fällt. 

Durch solche Streichungen werden nicht nur chrono- 
logische Schwierigkeiten beseitigt, sondern es wird auch 
die Annahme mehrerer Fassungen, die die Striche erst 
veranlaßt hatten, aufs neue bestätigt. Die Hypothese wird 
femer noch unterstützt durch des Knäns Bemerkung beim 
Wiedersehen: die Höchster Schlacht habe ihm seinen 
Pflegesohn gebracht, die Nördlinger ihn wieder geraubt.^) 
Diese Angabe entspricht nicht den Tatsachen. Vielmehr 
findet der Überfall auf den Hof des Knäns schon 
2^/2 Jahre vor Nördlingen statt. Die Nachzügler aus 
dieser Schlacht vertreiben Simplicius erst aus seinem Wald- 
lager. Die darauf ruhende Annahme, daß Nördlingen in 
einem früheren Plane dem Knän verhängnisvoll geworden 
sei, stützt auch noch die oben ausgesprochene Vermu- 
tung, daß die Figur des Einsiedlers ursprünglich dem 
Plane des Romans gefehlt habe. Dann wäre Simplicius 
also gleich vom Bauernhofe ins Weltleben nach Hanau 
gekommen. Als dann später die einsiedlerische Waldein- 
samkeit hinzukam, wurde das Motiv des Überfalls wieder- 
holt und auch noch die Verwüstung des Pfarrdorfes ge- 
schildert. Die irrtümlichen Worte des Knäns aber ließ 
Grimmeishausen stehen, sei es aus Nachlässigkeit, sei es 
der wirksamen antithetischen Verbindung zweier Schlacht- 
daten zuliebe. 



») Simpl. V, 8, S. 399, Z. 11. 



— 72 — 

Durch solche Striche gemäß mehreren Plänen würden 
also nicht nur chronologische Schwierigkeiten behoben, son- 
dern auch die pikarische Form reiner hergestellt. 

Chronologisch interessant ist ferner das Datum des 
25. Februar, das für das Jahr 1625 als Ankunftstag Simplicius' 
beim Einsiedler berechnet wurde und im „Ewig-währenden 
CaJender" für 1635 als Datum einer Entführung des Simpli- 
cius' (nicht auch Grimmeishausens) nach Kassel genannt wird. 
Diese Übereinstimmung gibt zu denken. Das. im Roman 
nicht ausgesprochene Datum hat gewiß eine Bedeutung ge- 
habt, wenn Grimmeishausen es im „Calender", wenn auch mit 
einer anderen Jahreszahl, noch zu wiederholen vermag. Sollte 
wirklich ein folgenschweres Februarereignis in Grimmeis- 
hausens eigenem Leben — eine Entführung, wie man ge- 
wöhnlich annimmt — dieses Datum geliefert haben? Dann 
würden sich die Jahreszahlen kaum widersprechen. Darf 
man überhaupt dies Datum, das zunächst nur für Simplicius 
berichtet wird, auch noch auf Grimmeishausen beziehen? 

Vielmehr wird der 25. Februar sich erklären aus dem 
Zusammenhang mit dem Namen Simplicius. Leicht war 
dieser in Verbindung zu bringen mit dem Tag des heiligen 
Simplicius, dem 2. März, nur eine Woche nach dem 25- 
Februar. Am 2. März wäre, so scheint mir, vielleicht 
noch auf besondere Veranlassung, wie noch in der jetzigen 
Fassung beim Eintreffen des Kommissarius in Hanau ^), dem 
Knaben sein Name gegeben worden. Danach wäre also das 
Datum des 25. Februar wohl mit Rücksicht auf bequemere 
Namengebuüg gewählt. Dieser Plan fiel, das Datum aber 
hielt sich, wenn auch unausgesprochen. 

Wie aber entstand dann die abweichende Jahreszahl 
1635 der Kalendernotiz? Deren Inhalt deckt sich offenbar 
gar nicht mit den Tatsachen des Romans. Jene erzählt 
von Entführung, dieser von Überfall und Flucht, also von 
ganz verschiedenen Dingen. Nun wird aber auch Simplicius 

») Simpl. II, 4, S. 102, Z. 5 ff. 



— 73 — 

Anfang 1635 einmal entführt, und zwar vor Hanau durcli 
Kroaten, die mit ihm nach Hersfeld zu reiten^). Die Ka- 
lendernotiz spricht von Entführung durch Hessen nach Kassel, 
was wenigstens zu den Ortsangaben des Romans ganz gut 
paßt. Ich nehme daher an: in einem früheren Plane wurde 
Simplicius durch hessische Reiter vom Bauernhof entführt 
und kam so in die weite Welt; echt pikarische Motive. 
Später wurden die Hessen durch die fremdartig wirkungs- 
volleren Kroaten ersetzt. Die Figur des Einsiedlers aus dem 
idealistischen Roman trat hinzu, und erst im Anschluß an 
die durch den Tag des Heiligen gebotene Namengebung 
ward das Datum des 25. Februar erfunden. Beide Phasen 
zusammenwirkend ergaben die Kalendemotiz mit ihrem 
Datum vom 25. Februar 1635. 



^) Simpl. n, 14 u. 15, S. 134f. 



V. Nebenpersonen. 

Wir sahen im vorigen Abschnitt, daß zunächst die Ein- 
heit des Helden den Roman zu einem Ganzen zusammen- 
schloß. Anfangs überwog das Interesse an Abenteuern, 
später gewann das an Charakteren mehr Raum. In beiden 
Fällen aber führten die Ereignisse den Helden mit anderen 
Personen zusammen, für die der Leser nun natürlich mehr 
oder minder interessiert werden mußte. Wieder vollzieht 
sich der Schritt vom Interesse am Abenteuer zum psycho- 
logischen. 

Im idealistischen Roman stellen infolge der Freude an 
der Handlung gemeinsame Erlebnisse meist kein inneres 
Band zwischen zwei Figuren her. Damit bleibt dem Autor 
die Möglichkeit, seinen Helden mit immer neuen Figuren 
zusammenzuführen. Aber wohl zur Wahrung der Einheit 
des Ganzen treten doch imnjer wieder dieselben Personen 
auf, freilich unter allerhand Masken, jedesmal neu eingeführt 
und nur durch irgend ein kräftiges äußerliches Kennzeichen 
charakterisiert. Bald taucht, wie in der „Arcadia'' oder der 
,,Nisette", plötzlich ein unbekannter Ritter in auffallender 
Rüstung auf*), bald zeigt es sich, daß ein Mann eine Frauen- 
rolle gespielt hat^), und immer steckt eine schon bekannte Figur 
in der Verkleidung. Der Autor vermeidet also nicht nur eine 



1) Arcadia Buch 3. S. 446 u. 449 Nisette Buch 1. Kap. S. 542. 

2) Pirocles-Zelmana in der „Arcadia"; Seasippus-Nisette in 
der „Nisette"; Poharchus Theocrine in der „Argenis". 



- 75 — 

selbst dem 17. Jahrhundert zu starke Belastung mit Figuren, 
sondern er bietet auch noch die Spannung einer Enthüllung. 
Fand sie nicht sogleich statt, so blieb die Aufmerksamkeit 
des Lesers nur am Ereignis haften. Schon aus der Mög- 
lichkeit des Rollen- und Kostümwechsels kann man er- 
messen, wie wenig Wert auf Charakteristik gelegt wurde. 

Der pikarische Roman bringt tatsächlich, was der ide- 
alistische Roman oft nur scheinbar bot: die Nebenpersonen 
treten meist nur einmal auf und verschwinden dann völlig. 
Ja die Bemerkung: „was aus ihm geworden ist, weiß ich 
nicht" ist charakteristisch und auch noch im Simplicissimus 
zu belegen.^) Aber im pikarischen Roman wird ein inneres 
Band zwischen Held und Nebenfigur hergestellt, ein per- 
sönliches Verhältnis zweier Personen geschildert. Guzmans 
Enttäuschungen in seiner Umgebung, Lazarillos Liebe oder 
Haß zu seinem jeweiligen Herrn sind uns glaubhaft, denn 
wir sehen die Wirkung auf die picaros. 

So wird gegenüber der nur äußerlichen Personenver- 
knüpfung im idealistischen Roman ein organisches Einfügen 
der Nebenpersonen in das Gesamtwerk erreicht oder min- 
destens erstrebt. Ist der pikarische Roman auch hierin 
wieder moderner als sein vornehmer Vetter, so müssen 
naturgemäß auch im idealistischen Roman gewisse psycho- 
logische Verknüpfungen zwischen den Personen versucht 
werden. Nicht mehr gemeinsame Abenteuer stehen dann 
im Vordergrund, sondern Ähnlichkeit oder Gleichheit der 
Interessen, der Berufe usw. Diese müßte der Autor vor 
den begleitenden und selbst vor den veranlassenden Ereig- 
nissen hervorheben. Oft bedarf es hierfür nur eines Wortes, 
zumal bei geringerer Bedeutung der Nebenperson. So ge- 
nügt es fast stets, Diener als solche einfach einzuführen. 
Von der besondem Vorgeschichte und den zahlreichen ge- 
mütlichen Beziehungen zwischen Herr und Diener, die 
spätere Jahrhunderte namentlich in humoristischer Literatur 



Ulenhart Kap. 9, S. 49. Simpl. I. 14, S. 41, Z. 21. 



— 76 — 

so gern und ausführlich schildern, weiß das 17. Jahr- 
hundert noch nichts. Diener sind entweder treu oder un- 
treu; ein drittes gibt es nicht. Zu ausführlicher Exposition 
der Nebenpersonen bevorzugt der idealistische Roman durch- 
aus die eingelegte Icherzählung. ^) Die spätere reifere Tech- 
nik, durch gelegentlich eingestreute Bemerkungen eine erst 
nachher eingeführte Figur vorzubereiten, fehlt. Wie Poliarchus 
die Argenis oder den Arsidas kennen lernt, oder Assenat 
die Seraesse und Nitokris, oder Pasymethes die Hjpsipile, 
oder Markhold die Rosemund, wird uns in. solchen zusammen- 
hängenden Darstellungen erzählt.^) Man kann in dem bloßen 
Umstand, daß solche Entstehungsgeschichten persönlicher 
Beziehungen überhaupt mitgeteilt werden, wohl" den Ver- 
such sehen, psychologische Grundlagen anzudeuten, wenn 
auch die Lust am Fabulieren nicht ohne Einfluß geblieben 
ist Denn die novellistische Bearbeitung ist bei mehreren 
Vorgeschichten unverkennbar, so besonders, wenn Poliarchus 
als Mädchen verkleidet sich der Argenis nähert; und ge- 
rade die dadurch gegebene Selbständigkeit des Teils fesselt 
den Leser leicht zum Schaden für das Ganze. 

Der Problemroman konnte in dieser Beziehung als ein 
gutes Zuchtmittel dienen. Soll das Problem überhaupt klar 
hervortreten, so muß der Hauptaccent auf die Beziehungen 
des Helden zu anderen Figuren fallen, nicht so sehr auf 
seine Erlebnisse. „Lysander und Kalliste", wo das versäumt 
wird, zeigen die Erstickung des Problems. Auch Assarinis 
^Stratonica" hat unter überwucherndem Beiwerk gelitten, und 
Zesen rettet die Deutlichkeit des Problems in der „Rose- 
mund" nur, indem er es am Ende eines jeden Buches nach 
allerhand Abschweifungen neu betont. 

Weit besser steht es um den pikarischen Roman. Hier 
nötigt die Icherzählung den Helden, alles zu sich in Be- 



M S. oben Abschnitt III, S. 22 ff. 

2) Argenis, Buch lU, 7ff., S. 328 u. IV, 9ff., S. 496. Assenat, 
Buch I, S. 29 f. Nisette, Buch I, Kap. 4, S. 31 ff. Rosemund, Buch I, 

S. 38 ff. 



— 77 — 

Ziehung zu bringen und so wird, falls etwa auch hier Auto- 
biographien als Vorgeschichten eingeschoben werden, ihr Platz 
weit genauer angewiesen. Sie bleiben infolge der Darstellung 
durch den Helden in weit engerem Zusammenhang mit dem 
Ganzen. Der Held erzählt ja auch jedes Zusammentreffen 
mit anderen Figuren selbst und exponiert so gleich in der 
Handlung. Dieser Umstand legt dem Autor in der Zahl der 
Personen und in ihrer Exposition eine gewisse Beschränkung 
auf. Man kann den Helden nicht völlig vergessen, wenn er 
selbst erzählt, mögen es auch anderer Schicksale sein. Der 
Erzähler bleibt wirklich die Hauptperson. Die reiche Fülle 
nur zum Schmucke dienender Nebenfiguren, die der idea- 
listische Roman so sehr liebte, fällt weg. Wenige Personen 
greifen entscheidender in den Gang der Handlung ein als 
die vielen des idealistischen Romans. 

Damit hängt noch ein weiteres zusammen. Der Held 
eines Romanes, dessen Schicksale uns ausführlich geschil- 
dert werden, steht zumeist in Verbindung nicht nur mit 
einzelnen Personen, sondern mit einem ganzen Kreise, einer 
Gruppe und ihren Anschauungen und Bestrebungen. 

Gerade hierin liegt das entscheidende Merkmal des 
Romans. Erst wenn ein Charakter in Beziehung tritt zu 
mehreren Kreisen und Kategorien, wird ein ganzes Menschen- 
dasein oder auch das Dasein einer Gruppe in seinen Ver- 
hältnissen zu Welt und Leben gezeigt. Das Allgemeine im 
Besondem tritt zu Tage, das Typische im Individuellen. 

Mit diesem Maßstab gemessen, ist der idealistische 
Roman trotz seiner Personenmasse ärmer an Weltkenntnis 
und Reichhaltigkeit des Weltbildes. Ein Mann wie der 
Verfasser der „Argenis" freilich sucht — auf später zu be- 
sprechendem Wege — eine Reihe von ernsteren Dingen, 
als Kämpfe, Verschwörungen, Entführungen es dem geistigen 
Gehalte nach sind, in den Kreis seiner Darstellung zu ziehen 
Aber er steht ziemlich allein. Die „Nisette'', obgleich eine 
Nachahmung der „Argenis", ist in diesem Punkte nur ihr 
Gegenstück. 



— 78 — 

Auch der denkende und wägende Zesen sucht in der 
„Assenat" das Gesamtbild zu runden, ja vielleicht schon in 
der „ßoseraund".^) Doch scheint ihm Gelehrsamkeit das 
einzige Mittel dazu. 

Zusammenfassung der Nebenfiguren zu Gruppen ist 
dem pikarischen Koman fast fremd. Wenn es trotzdem ge- 
lingen soll, ein ganzes Milieu zu schildern, so müssen die 
wenigen Nebenpersonen zur Charakteristik der ganzen Um- 
gebung weit mehr herausgearbeitet werden. Daher sehen 
wir den Lazarillo so sorgfältig behandelten, gegeneinander 
abgestuften Charakteren begegnen. 

Ähnlich steht es in der „Gardufia", in der gleichfalls nur 
wenig Personen auftreten. Das Bild des Milieus ist zwar 
auch hier gelungen; aber die einzelnen Charaktere sind 
nicht so liebevoll ausgearbeitet, wie es dem Anonymus des 
„Lazarillo^' gelungen war. Die Nebenpersonen der „Garduna'^ 
allerdings lösen einander nicht ab, wie die des ,,Lazarillo", 
sondern langsam schließt sich der Rufina eine Schar von 
Getreuen an, für die sie teils Führerin, teils Mittel bei 
Diebereien und Hochstapeleien wird. 

Noch weniger treten die einzelnen Nebenpei^sonen im 
.,Guzman" hervor. Höchstens sehen wir zu Anfang die 
betrügerische Wirtin deutlich vor uns. Doch haftet aus 
Guzmans Pagenstreichen, die eine größere Anzahl Mitspieler 
bedingen, kaum eine Figur besonders im Gedächtnis. 

Naturgemäß schließen sich an einer Stelle des pikari- 
schen Romans die Nebenfiguren zu einer Gruppe zusammen: 
am Anfang. Die Eltern erscheinen durch ein natürliches 
Band gepaart, dennoch sind auch hier die einzelnen 
Figuren gern ausführlich entwickelt. „Lazarillo'^ bietet uns 
die köstliche Figur des Mohren, „Guzman'' die wohlgelungenen 
Bilder des betrogenen Prälaten und seiner ungetreuen Ge- 



^) Indes steht gerade dieser Problemroman in weit innigerem 
Zusammenhange mit der Novelle als mit dem Roman. Die Novelle 
aber verfolgt entgegengesetzte Ziele, nicht das Typische, sondern 
das Sonderbare, den merkwürdigen Einzelfall. 



— 79 — 

liebten sowie den verschlagenen Kaufmann, freilich schnell 
abtretende Gestalten. Wie gut steht in der „Gardufia'' der 
leichtsinnige und ehrlose Yater Rufinas ihrer aufopfernden 
Mutter gegenüber. Selbst die „Justina", sonst so arm an 
Charakteristik, sucht die Eltern zu individualisieren. Trotz- 
dem aber liegt der Schwerpunkt auf der Charakteristik der 
Gruppe, wozu ja auch der ironisch die Unehrlichkeiten 
beschönigende Ton ^) mitwirkt. 

Beim idealistischen Roman war schon die große Zahl 
der Personen der Gruppierung günstig. Bestimmte Motive 
führten immer wieder zu ähnlichen Personengruppen. Das 
Hof leben in der„Argenis", der„Nisette", „Assenat" und „Rose- 
mund" brachte Personen des Hofhalts, kriegerische Verwick- 
lung Gegner, Heerführer und Soldaten beider Parteien mit sich. 

Innerhalb der Gruppen wird wohl der Versuch gemacht, 
die Figuren zu differenzieren. Zesen will Interesse nicht 
nur an Sefiras Schicksal, sondern auch an ihrer Person 
wecken.^) Auch kann manCholevius wohl zustimmen, wenn er 
in dem alten König von Ägypten einen ausgeprägten Cha- 
rakter erkennt '*.): eine gewisse Bonhommie unterscheidet ihn 
glücklich von seiner Umgebung. Barclai verwahrt sich zwar 
mit Recht gegen die Genauigkeit seiner Porträts; aber Hein- 
rich 111., der Herzog v.Guise und der spanische König Philipp II. 
haben doch entscheidende Züge für die Charaktere des Mele- 
ander, des Lycogenes und des Radirobanes hergeliehen. *) 
Natürlich muß man hierbei berücksichtigen, daß die Kunst 
der Charakteristik noch unentwickelt und stark getrübt ist 
durch die von Dupond betonte, fast kindliche Freude an 
interessanter Handlung.*) In der „Rosemund'' mag außer- 
dem Zesen-Markholds Eitelkeit mitgespielt haben, die die 
Erfolge des Helden bei Frauen behaglich schildert. 



^) s. oben S.7. 

*) Cholevius, S. 90. 

8) Cholevius, S. 88. 

*) Dupond. L'Arg^nis de Barclai, Paris 1875. S. 66—70. 

») Dupond a. a. O. S. 84. 



— 80 — 

Für Grimmeishausen zeigte es sich schon, daß er nicht wie 
Barclai alfresco historische Ereignisse und Personen in Masken, 
sondern Alltagsleben und Geschichte zugleich in kleinen 
Strichen, im Milieu des pikarischen Romans schildert Daher 
mußte ihm nicht so sehr an Abenteuern und novellistischen 
Einzelerlebnissen liegen, als an milieuschildernden Personen. 
Sein Vorbild war also auch hier der pikarische Roman. 
Legt man diesen Maßstab an Grimmeishausens Nebenpersonen, 
so hat er zwar den besten pikarischen Roman, den „Lazarillo'*, 
nicht an psychologischer Ausarbeitung erreicht, wohl aber 
den Durchschnitt hinter sich gelassen. Charaktere von der 
Genauigkeit und Durcharbeitung, wie der Blinde oder der 
Hidalgo, suchen wir bei Grimmeishausen vergebens. 

Man bemerkt mit Erstaunen, daß Grimraelshausens 
Nebenfiguren im allgemeinen nicht die sonstige Lebenswahr- 
heit seiner Bilder erreichen. Die wichtigeren lassen sich 
in zwei Klassen scheiden: Hertzbruder und Olivier gegen 
alle übrigen. 

Yergleicht man Olivier und Hertzbruder mit Figuren 
wie dem Gouverneur, dem Kroatenoberst, dem Knän, dem 
Einsiedler, dem Pfarrer, so zeigt sich, daß diese zwar an 
Wichtigkeit hinter jenen zurückstehen, sie aber an Wahr- 
heit überti'effen. Das hat seinen Grund wohl darin, daß, 
wie wir noch genauer sehen werden, Olivier und Hertz- 
bruder dem ursprünglichen Plane fremd waren. Von Hertz- 
bruder hören und sehen wir nur Gutes und Edles, von 
Olivier nur Schlechtes. Menschliche Schwächen und Fehler 
sind dem einen so fremd, wie dem andern etwa die Scheu 
vor irgend einem Frevel. Aber gerade diese letzten Reste 
des Guten und Bösen, diese kleinen Züge erst vervoll- 
ständigen ein Charakterbild zur Glaubwürdigkeit. Viel- 
leicht erforderten die beiden breit ausgeführten Figuren 
eine grr)ßere Kunst der Charakteristik als sie dem 17. Jahr- 
hundert im allgemeinen eignet. Sie begleiten Simplicius auf 
dem größeren Teil des uns geschilderten Lebensweges. Figuren 
dagegen, die schneller abtreten, wie der Kroatenoberst, der 



Sl 



Peiisionshalter in Köln oder die aiifieren Herren des Sirupli- 
eina, besonders der Dragoner, genügte es mit einigen Strichen 
zu unireifleo. An ilinen wird meist nur eine Eigenschaft stark 
herausgearbeitet — am Kroatenoberst die nnzi vilisierte Roheit 
und Rauheit, am Pensionshaiter Geiz und Habgier — und im 
allgemeinen ihre freundliche, feindliche oder gleichgültige 
Stellung zu Siraplicius angegeben. Da der Leser sie bald 
aus den Augen verliert, interessieren ihn ihre weiteren 
Fehler oder Vomüge nicht Besser steht es um den Gou- 
verneur, den Einsiedler und den Pfarrer. Hier sehen wir 
weiter durchgebildete Pigureu, deren einzelne Haudlimgen 
Zu- oder Abneigung wecken. 

Wenn wir den Gouvemeiir nicht ohne wahre Rührung 
Simplicius aufnehmen seilen, so erwärmt uns Grimmeis- 
hausen damit für ihn; doch scheut der Äntor sich nicht, 
den alten Soldaten in den seinem Charakterbild gewiß nicht 
vorteilhaften Gelageszeneu zu zeigen, oder er läßt gar Eigen- 
liebe und Freude an derben Spaßen so sehr Oberhand über 
die Liebe zu Siinplicius gewinnen, daß er das Kind zum 
Narren macht Gewiß hat Grinimelshausen bei der Schilde- 
rung der Zuneigung des Gouverneurs für den Knaben an 
eine geheinniisvolle Stimme des Blutes gedaclit. Erscheint 
das Motiv auch heute gewagt und iu der Behandinng nicht 
genügend motiviert, so gewinnen die Tatsachen doch dem 
Gouverneur aucii des heutigen Lesers Herz. 

Feiner noch ist der Chiu'akter des Pfarrore behandelt. In 
ihm mischen sich glücklich Frömmigkeit und andere, dem 
geistlichen Stande anstehende Tugenden mit weltkluger Ver- 
schlagenheit, Grimmeishausen zeigt uns, daß der Pfarrer 
den Knaben liebt und ihm aus der Not hilft, aber dabei 
spielen auch egoistische Motive mit. Wenn er Simplicius 
in Hanau rekognosziert, so nutzt er die dabei für ihn 
selbst sich ergebende günstige Lage gewandt aus. Wenn 
Grimmeishausen ferner ihn als Geistlichen zur Vertrauens- 
person macht, so setzt der Pfarrer den Knaben doch durch 
Zurückhaltung seines trrteils über das sündige Weltleben 

Piluntn LI. 6 




— 82 — 

in Hanau in Erstaunen. Und gar als Simplicius, schmutzig 
und übelduftend dem Gänsestall entronnen, in Ungnade ge- 
fallen zu sein scheint, da nimmt ihn der Pfänder zwar an- 
fangs auf und steht ihm auch nachher durch Aufklärung 
des Sachverhalts vor dem Gouverneur bei, aber er sagt dem 
hilflosen Knaben doch : „packe Dich nur geschwind auß 
dem Bette, und trolle Dich auß dem Hauß, damit ich nicht 
samt Dir in Deines Herrn Ungnade komme, wan man Dich 
bey mir findet." Diese glückliche Mischung wohlwollender 
und egoistischer Züge ist Grimmeishausen bei keiner Figur 
wieder gelungen. 

Die Figur des Einsiedlers nimmt infolge ihrer bereits 
erwähnten Stilisierung eine Sonderstellung in dieser Reihe 
von Charakteren ein. Die Fähigkeit, seine geheime Be- 
ziehung zu Simplicius zu erkennen, wobei wieder die Stimme 
des Blutes mitspricht, das Vermögen, sein eigenes Ende 
genau vorherzuwissen, in Verbindung mit seiner Liebe zu 
Simplicius und mit seiner Milde — lauter freundliche Züge, 
kontrastieren ihn als alten Soldaten, als der er sich ja später^) 
herausstellt, wirksam gegen die blutigen rohen Plünderer 
des Knänhofs und die derben Hanauer. Aber die Verbin- 
dung dieser idealisierten Figur mit der AVirklichkeit ist 
hergestellt durch seine Sorgen und Bemühungen um Simpli- 
cius' leibliches und geistiges Wohl. 

In den kleineren simplicianischen Romanen steht ei> 
kaum anders als im „Simplicissimus". Man gewinnt von 
einigen Figuren ein anschauliches Bild, ohne daß irgend 
eine genauer ausgeführt wäre. In der „Courasche'^ sind die 
verschiedenen Männer und Liebhaber der Marketenderin 
recht wirksam kontrastiert: Typen wie der Rittmeister, der 
verliebte holsteinische Edelmann prägen sich ein. Ebenso 
erscheinen im „Springinsfeld" einige recht glückliche 
Figuren, so der Titelheld als Typus des gewöhnlichen Sol- 
daten ohne Ehrgeiz und höheres Streben, der doch nicht 



>) Simpl. I. 22, S. 59. 



— 83 — 

der eigentliche Held des Buches ist; ferner die Episoden- 
Figur des Obersten Lumpus, der freilich nicht selbst auftritt, 
sondern dessen Geschichte nur von einem der alten Kame- 
mden erzählt wird. Seine Rolle ist demgemäß nur klein. 

Daß Grimmeishausen bei Personen ohne jede Bedeu- 
tung auf Charakteristik verzichtet, ist wohl begreiflich. Über 
das Wesen von Leuten wie die beiden Bauern beim Soester 
Schatz ^), die zwei jungen Edelleute, die Simplicius nach 
Paris bringt^), die beiden Schnapphähne ^) erfahren wir 
nichts. Vielleicht ist es kein Zufall, daß es sich dabei immer 
um mehrere Personen handelt. Der Leser fragt woniger 
nach der Individualität des Einzelnen, wenn er sich zweien 
gegenüber sieht, die sich gegenseitig das Licht nehmen. 

Meist kann man die Bedeutung einer Figur schon bei 
ihrer Einführung erkennen. Grimmeishausen vermittelt dem 
Leser für Pei^sonen von irgendwelcher Wichtigkeit gewöhn- 
lich eine sorgfältige Bekanntschaft. Er beschränkt sich nicht 
auf die einfache Erwähnung, sondern gibt mit Vorliebe noch 
kurze orientierende Winke, sei es durch Beschreibung, sei 
es diu'ch einige rasch zusammenfassende Bemerkungen über 
die Vorgeschichte der neuen Figuren. 

Im allgemeinen werden pikarischem Rezept getreu die 
wirklichen Beziehungen des Helden zu den Nebenfiguren 
auseinandergesetzt. Zumindest wird für den Leser in diesem 
Punkte nicht mit unnötiger Geheimnistuerei gearbeitet. 
Olivier und Hertzbruder sind die beiden Gefährten auf 
Simplicius' Lebenswege, der Reiter rechts und der Reiter 
links. Nur durch Einflüsse des idealistischen Romans er- 
geben sich Verwirrungen, die eine Anagnorisis möglich und 
nötig machen. Daß der Einsiedler Simplicius' Vater ist, be- 
merkt der Leser natürlich bald, nicht erst am Schluß des 
Werkes. Auch in welcher Beziehung der Gouverneur zu 



>) Simpl. III, 12, S. 242, Z. 5. 
«) Simpl. IV, 1, S. 290, Z. 11. 
») Sünpl. II, 16. 

6* 



— 84 — 

seinem Pagen, der Knän zu dem Bauemjungen steht, wird 
damit aufgetan. Aber erstaunlich und unvorhergesehen ist 
die Identität Oliviers mit dem Jäger von Werle. 

Auch im „Simplicissimus'' unterscheiden sich verschie- 
dene Gruppen von Nebenpersonen. Zu Anfang, pikarischem 
Vorbild gemäß, die der bäurischen Eltern, insofern mit 
Motiven des idealistischen Romans umwoben, als die Anagho- 
risis sie als Pflegeeltern enthüllt; der Hanauer Kreis, Gou- 
verneur, Pfarrer, Page, Sekretär und die vornehme Dame; 
ferner die, wie schon gezeigt, der „Arcadia" entlehnte Gruppe 
des Rittmeisters und seiner Frau nebst dem Knechte, die 
bald mehr soldatisch, bald mehr pikarisch gefärbte Um- 
gebung Simplicius' in Köln, Paris, Philippsburg usw. 

Besondere Erörterung heischt die Gruppe der beiden 
Hertzbruder, des Profoß und Oliviers, denn sie trägt noch 
Spuren der Entwicklung an sich, die für die Geschichte 
des Romans bedeutsam sind. Diese Gruppe besteht aus vier 
offenbar planvoll angeordneten Figuren : zwei für Simplicius 
günstigen, den beiden Hertzbruder, und zwei minder gün- 
stigen, dem Profoß und Olivier. Den beiden Begleitern 
Simplicius' steht je eine Persönlichkeit reiferen Alters zur 
Seite. Die Parteien bekämpfen sich natürlich. Also ein 
bewHißter Parallelismus, sonst dem pikarischen Roman fremd. 
Nirgends im ganzen Roman findet sich eine so wohlgeord- 
nete Gruppe wieder, nirgends treffen Personen, die so oft 
und stark auf Simplicius' Schicksale einwirken, wieder an 
einer Stelle zusammen. Hertzbruder und Olivier treten 
sich nie wieder entgegen. Die Gruppe und Stelle ist also 
von größter Bedeutung für Simplicius' Leben. Was frei- 
lich in der Gruppe selbst geschieht — Oliviers Intrigen gegen 
den jungen Hertzbruder und die stark herausgearbeitete 
seltsame Geschichte mit dem goldenen Becher des Obersten — 
hat im Grunde genommen zuvörderst nur Interesse für die 
Nächstbeteiligten, für Simplicius aber erst in den Folgen, 
so 'daß die Ereignisse fast nur episodischen Wert für den 
Roman haben. Ihr Inhalt entspricht nicht ihrer Bedeutung. 



— 85 — 

Aber auch der Platz der Gruppe im ganzen Roman ist 
eigentümlich. Eine so wichtige Gruppe sollte man auf dem 
Gipfelpunkt des Romans selbst vermuten; aber nicht ein- 
mal Beziehungen zur Höhe von Simplicius' Leben sind er- 
kennbar. Im ganzen dritten Buch ist Hertzbruder ver- 
schwunden und Oüviers Auftreten durch das Pseudonym 
des Jägers von Werle belanglos. Dagegen ist die Gruppe 
in ihrer tatsächlichen Stellung an merkwürdigem Platze. 
Der alte Hertzbruder, den wir zunächst kennen lernen, steht 
durch Einführung, Behandlung und Bedeutung in einer 
Linie mit den andern Herrn des Reiterjungen, hebt sich 
aber in den Wirkungen nicht von ihnen ab. Sein Ein- 
fluß ist zwar stark und heilsam, doch es gelingt ihm nicht, 
des armen Narren seltsam unerfreuliche Lage dauernd zu 
bessern: Nach dem Tode des Alten sinkt Simplicius doch 
wieder zur Narrenstellung zurück. 

Die Einführung der Gruppe ist deshalb bemerkenswert, 
weil Grimmeishausens Gebrauche entgegen der alte Hertz- 
bruder stärker hervorgehoben wird als der junge. Der 
Alte aber steht wieder in einer Linie mit den früheren 
Herren des Simplicius. Das Ende des 19. Kapitels im zweiten 
Buche macht uns mit den beiden Hertzbruder bekannt. 
Von dem Alten wird uns allerlei mitgeteilt: Charakter, Bil- 
dung, Geschichte und jetzige Stellung^); wir kennen ihn 
nun schon genau. Von dem Jungen dagegen erfahren wir 
nur, was er ist.*) Der Alte erst vermittelt Simplicius' 
Freundschaft mit dem Sohne, die allerdings bald eng und 
herzlich wird. Vom Vater erfahren wir auch, wie er 
Simplicius' wahres Wesen durchschaut. Für den Sohn 
müssen wir diese Kenntnis erschließen. Auffällig ist ferner 
die Art, den Familiennamen der beiden Hertzbruder mit- 
zuteilen: ,,Mit diesem Musterschreiber, welcher wie sein 
Vater Ulrich Hertzbruder hieß'*^), sagt Grimmeishausen. 



1) Simpl. II, 19, S. 148. 

2) Simpl. II, 19, S. 148, Z. 19. 

3) Simpl. II, 21, S. 158, Z. 4. 



— 86 — 

Beide Namen werden also zugleich angegeben. Aber warum 
tragen Yater und Sohn — übrigens keineswegs unglück- 
lich — den gleichen Vornamen? Hat es Grimmeishausen 
an Namen gefehlt? oder hat nach Abzweigung des Sohnes 
sich der Name des Täters auf den Sohn übertragen oder 
umgekehrt? Nach Bedeutung des Familiennamens kann 
man wohl das Letztere glauben. Eine vierte Möglichkeit, 
die, daß der Vater erst nach dem. Sohn erfunden sei und 
auch dessen Namen erhalten habe, glaube ich ausschalten 
zu können. Für diese Partie ist der Vater Hertzbruder ge- 
wiß von größerer Bedeutung als der Sohn und daher wohl 
als weniger entbehrlich zuerst erfunden worden. Ähnlich 
wie mit der Einführung des jungen Hertzbruder steht es 
mit der Oliviers. Sie geschieht zwar nicht ungenügend 
oder unsorgfältig, aber nur im Vorübergehen, ohne daß ein 
Accent auf diese wichtige Person fällt, wie wenn nach- 
träglich mit ein paar AVorten unter möglichster Schonung 
des Bestehenden noch etwas nachgeholt würde. „So gab mir 
auch meines Herrn Schreiber, der ein arger Gast und durch- 
triebener Schalk war, viel Materie an die Hand . . ."^); 
ebenso gelegentlich der Name: „sonderlich Olivier, unser 
Schreiber".^) Das vierte Glied der Gruppe, der Profoß, dient 
offenbar nur dem Parallelismus wie einer Ermöglichung der 
Grimmeishausen lieben Becherszene. Der Eingang eines 
Kapitels nennt ihn zum ersten Mal und charakterisiert ihn 
ziemlich ausführlich. Nimmt man an, daß der alte Hertz- 
bruder zuerst erfunden ist, so sind die übrigen Figuren 
wohl in der Reihenfolge: Olivier, der jüngere Hertzbruder, 
der Profoß aufgenommen worden. Denn daß die ganze 
Gruppe nicht einheitlicher Konzeption ist, dafür werden 
sich noch Gründe zeigen. Olivier, von Anfang an als Ver- 
treter des bösen Prinzips gedacht, sollte wohl eine Kontrast- 
figur gegen den biedern alten Hertzbruder bilden. Ein 



>) Simpl. II, 21, S. 156, Z. 21. 
») Simpl. n, 22, S. 159, Z. 25. 



— 87 — 

älterer Mann aber hätte im Roman des 17. Jahrhunderts, 
selbst nicht im realistischen, keine sittlich schlechte Per- 
sönlichkeit sein dürfen. Der deshalb gewählte Jüngere 
aber fügte sich der Symmetrie des Kontrastes nicht völlig 
ein. Es lag nahe, zu Olivier, der das Böse vertritt, eine 
jugendliche Parallele zu erfinden für das Gute: den Sohn 
Hertzbruder. Damit aber der Parallelismus mm erhalten 
bliebe, stellte Grimmeishausen dem jüngeren Olivier den 
in reiferem Mannesalter stehenden Profoß als Helfer zur 
Seite. So denke ich mir die Entstehung der Gruppe- 
Diese vier Nebenpersonen durch den Roman weiter zu 
führen, wäre zu viel Ballast gewesen und hätte die beiden 
Prinzipien durch die doppelte Vertretung an Wucht ver- 
lieren lassen, was sie an Breite zugenommen hätten. Darum 
mußten die beiden Alten im Laufe des Romans verschwin- 
den, während die Jungen blieben. 

Die Frage nach der Chronologie der Figuren erhält 
noch neues Licht von einer andern Seite. 

Je weiter man in den Roman eindringt, um so auf- 
fälliger wird das Zurücktreten von Einzelfiguren. Nur Oli- 
vier und Hertzbruder spielen in der zweiten Hälfte des 
Werkes noch eine Rolle. Aber sie verdrängen alle Per- 
sonen von der Bedeutung und der bis zu einem gewissen 
Grade ausgeführten Charakteristik, wie der Gouverneur, der 
Einsiedler, der Knän, der Pfarrer es waren. Auf der Höhe 
seines Glücks steht keine besonders ausgearbeitete Figur 
neben Simplicius. Ganz allgemein wird mitgeteilt, daß 
Offiziere sein Umgang sind, daß die Kameraden den er- 
folgreichen Soldaten beneiden. Springinsfeld bleibt ganz 
im Hintergrund. Bei dem leichtsinnigen Duell mit dem 
Kürassier steht er zwar Simplicius' zur Seite, wird aber 
sonst kaum erwähnt.^) In L. heiratet Simplicius, doch 
wir erfahren kaum mehr von seiner Ehe als ihren Be- 
ginn.*) Jupiter nimmt zwar einige Kapitel für sich in 

1) Simpl. III, 9. 

2) Simpl. III, 21. 



— 88 — 

Anspruch, ist aber für die Handlung ohne Belang. In 
späterer Zeit spielen der geizige Kölner Pensionshalter, der 
Pariser Arzt wohl noch einmal kleinere Rollen^), eine aus- 
führliche Schilderung unterbleibt indes. Und doch finden 
sich Anzeichen dafür, daß auch in diesem Lebensabschnitt 
eine Figur als treuer Freund Simplicius beistand und ur- 
sprünglich breiteren Raum einnahm: der Cornet von Schön- 
stein. Ihm gelingt es, den berühmten Jäger von Soest zu 
fangen-), und Grimmeishausen widmet dabei seiner Persön- 
lichkeit eine für die kurze Rolle doch große Ausführlich- 
keit. Er läßt zwischen Sieger und Gefangenem ein freund- 
schaftliches Verhältnis sich anspinnen, und man erwartet, 
daß Simplicius mehr über ihn berichten werde. Niclits da- 
von. Der Cornet verschwindet wieder. Daß trotzdem enge 
Freundschaft Simplicius mit ihm verbunden und sich er- 
halten hat, zeigt Schönsteins späteres Auftreten, wo er als 
Simplicius' „getreuster Freund" genannt wird.*) Das ist 
sonst stets Hertzbruder. Ja selbst ein feierliches Gelöbnis 
gegenseitiger treuer Freundschaft scheint nicht nur zwischen 
Hertzbruder und Simplicius, sondern auch zwischen diesem 
und Schönstein ausgetauscht worden zu sein.*) Schr)nstein 
vertritt Hertzbruder auch geradezu einmal. Wenn er Sim- 
plicius im Elend zu Philippsburg findet und ihm hilft*'^), so 
schildert der Autor nur kürzer, was später ausführlicher dem 
Hertzbruder zugeschrieben wird.®) Aber Schönstein dient so 
nicht nur als vorbereitende Parallelfigur zu Hertzbruder, son- 
dern er greift auch wichtig in die Handlung ein, da er dem 
lange von Hause Entfernten Nachricht von den Seinen gibt, 
besonders die, daß seine Frau „grossen Leibes" sei.") Dadurch 



') Simpl. in 23 bis IV, 3. 

») Simpl. III, 14. 

») Simpl. V, 5, S. 388, Z. 16. 

*) Simpl IV, 10, S. 322, Z. 36. 

^) Simpl. IV, 10, S. 322. 

«) Simpl. IV, 12. 

7) Simpl. IV, 10, S. 323, Z. 14 



— 89 — 

wird die wichtige Verbiüdiing mit der Familie wiederher- 
gestellt. Diese Aufgabe aber konnte nicht Hertzbruder, sondern 
nur Schönstein übernehmen, da jener ja in L. und Soest gar 
nicht neben Simplicius lebt. Also Hertzbruder und Schön- 
stein geraten hier in Kollision. Hertzbruder ist schließlich 
siegreich, wie er ja auch seinen Yater verdrängt hat; aber 
woher stammt die auffallende und fast störende Figur des 
schwedischen Cornets? 

Betrachten wir vom gleichen Standpunkte aus eine 
weitere Figur, den schwedischen Leutnant, der sich so 
schwer in seine Gefangennahme durch Simplicius fügen 
will.^) Auch hier sehen wir, wie schon bei dem Cornet 
von Schönstein, eine Figur breit eingeführt, offenbar in 
der späterhin aufgegebenen Absicht, sie nachher weiter zu 
verwenden. Wie wir diese beiden Figuren heute finden, 
sind sie ohne innere Daseinsberechtigung. Wozu durch 
Simplicius langen Bericht erst des Lesers Interesse an dem 
Leutnant wecken, wenn nachher doch nichts mehr von ihm 
gesagt wird? 

Setzt man aber diese beiden Figuren, Cornet und Leut- 
nant, miteinander in Verbindung, so fällt auf frühere Phasen 
des Romans ein Licht. Heute kann der Leutnant nur noch 
als Vorbereitung auf Simplicius' eigene Gefangennahme 
dienen, als abschreckendes Beispiel. Auch ein tüchtiger 
und tapferer Soldat kann gefangen genommen werden, 
tröstet Simplicius den Schweden und lernt daraus für sich 
selbst. Früher aber haben diese beiden Gefangennahmen 
offenbar in noch engerer Beziehung gestanden. Das zeigt 
die in Klammem stehende kurze Mitteilung Simplicius', daß 
er früher einmal einen Bruder des Cornets von Schönstein 
gefangen genommen habe.^) Von diesem Bruder ist aber 
bisher nichts gesagt worden. Es liegt nahe, in ihm den 
Leutnant zu suchen, den Simplicius selbst so gut behandelt 



1) Simpl. III, 7. 

2) Simpl. III, 14, S. 250, Z. 29. 



— 90 — 

hat, daß ihm der Cornet nunmehr ebenfaUs freundlich be- 
gegnet. Ich möchte sogar noch weiter gehend behaupten, 
daß der Cornet und der Leutnant ursprünglich eine und 
dieselbe Person gewesen seien. Dafür spricht besonders 
das Fehlen wichtiger Nebenpei"sonen in dieser ganzen Partie, 
in der gerade Olivier und Hertzbruder völlig zurück- 
treten. Ferner würde durch diese Vereinigung zweier Fi- 
guren die neu entstehende wirksamer gemacht und die 
spätere innige Freundschaft mit einer wichtigen Person an 
einer markanten Stelle ermöglicht. Damit wird es sehr 
wahrecheinlich, daß die überlegene Konkurrenz Hertzbruders 
damals noch nicht vorhanden gewiesen sei. Hertzbruders 
Fi'eundschaftsdienste wären Schönstein zugefallen, und so 
kommt es, daß wir diesen wie kurz danach Hertzbruder 
heute noch dem Simplicius aus arger Not helfen sehen und 
daß Schönstein in L. der einzige ist, der den durch Krank- 
heit entstellten Simplicius beim Besuch erkennt. Warum 
aber hat Grimmeishausen den Cornet nicht völlig gestrichen, 
als er den größten und wichtigsten Teil seiner Rolle auf 
Hertzbruder übertrug? Es läßt sich nur vermuten, daß er 
Schönstein brauchte, um Simplicius Nachrichten von seiner 
Familie zukommen zu lassen und dadurch wieder mit L. 
zu verknüpfen. So zerlegte er diese Freundesfigur in zwei 
von geringerer Bedeutung, die er dann in Parallelen zu 
andern Ereignissen vorwendete. 

Fielen also die in Bedeutung, Charakteristik und Ein- 
führung merkwürdig abweichenden Figuren Oliviers und des 
jüngeren Hertzbruder, so fiele mit ihnen auch der Profoß, 
und die Becherszene würde unmöglich. Es bliebe nur der 
alte Hertzbruder, den wir schon als anderen Nebenpersonen 
entsprechend erkannt haben. Damit wäre das pikarische 
Schema, das dem Roman von Anfang her gewiß eigen war, 
reiner wieder hergestellt. 

Überblickt man nun, was früheren Plänen, in denen 
Olivier und Hertzbruder noch nicht vorhanden waren, alles 
gefehlt hat, so zeigt sich, daß namentlich stark und effekt- 



— 91 — 

voll herausgearbeitete Szenen, Einzelerlebnisse, damals noch 
nicht in dem Werk enthalten waren, so Oliviers Lebens- 
geschichte, die Becherszene, die wirksame Figur des Ein- 
siedlers, die Pariser Erlebnisse und die Geschichte der 
ersten Ehe, w^ährend die allgemeiner gehaltene schlichte 
Darstellung im wesentlichen einen alten Kern zu bilden 
scheint. Auch dadurch wird jener frühere Plan dem Stile 
des „Lazarillo" angenähert, in dem allgemeine Darstellung 
durchaus überwiegt, und somit wird wieder die Form des 
pikarischen Romans reiner gewahrt, ein Gnind mehr, Hertz- 
bruders und Oliviers Fehlen anzunehmen. 



VI. Einteilung. 

Der pikarische Roman wird im allgemeinen in Bücher 
und Kapitel eingeteilt. „Guzman'' und „Justina'' fassen mehrere 
Bücher wieder in „partes'' zusammen mit selbständiger Buch- 
zählung. Dem „Lazarillo" und der „Garduna'' fehlt die Tei- 
lung in Bücher gänzlich. ^) 

Die italienischen Übersetzer behielten die spanische Ein- 
teilung am genauesten bei. Bei den Franzosen herrscht 
größere Freiheit, wenn auch Bremond und d'Ouville die 
Kapiteleinteilung fallen ließen, und am selbständigsten ver- 
fuhren die beiden hier in Betracht kommenden Deutschen. 
Ulenhart vervierfachte die sieben „tratados'', vielleicht schon 
nach dem Vorgange seiner wahrscheinlichen Vorlage. Alber- 
tinus drängte die Handlung, soweit er sie herübernahm, in 
die große Zahl von einundsechzig Kapiteln eines einzigen 
Buches zusammen und füllte ein zweites Buch mit einer 
ausführlichen geistlichen Allegorie. 

Diese Einteilung in kleinere Abschnitte bot dem Leser 
natürliche Ruhepunkte, von denen aus er das Gelesene über- 
schauen konnte, zumal wenn Überschriften den Inhalt kurz 
zusammenfaßten. 

Der idealistische Roman verzichtete auf solche Einteilung 
fast ganz. Barclais „Argenis" und ihre Nachahmung „Nisette'' 
stehen ziemlich allein mit der Kapiteleinteilung. Die übrigen 



^) Quevedo (oder sein Drucker) sucht im „Buscon" eine äußer- 
liche Symmetrie dadurch herzustellen, daß er im Inhaltsverzeichnis 
zwei Bücher mit je zehn Kapiteln aufführt, während in Wirklich- 
keit das erste Buch dreizehn Kapitel umfaßt. 



— 93 — 

zerfallen nur in Bücher. Gewisse Ruhepiinkte boten sich 
dem Auge des Lesers freilich auch hier in den häufigen 
Überschriften von Iviischen Einlagen, Briefen usw. Indes 
waren diese Abschnitte unorganisch, von sehr verschiedener 
Ausdehnung und zufällig. 

Bei dem Mangel an Charakterentwicklung ergibt sich 
für den Roman des 17. Jahrhunderts die Einteilung nur 
nach Gesichtspunkten der äußeren Handlung ganz natürlich. 

Es gab füi* die Einteilung nach äußeren Gründen zwei 
Arten. Entweder man wechselte Schauplatz und Person 
ohne Übergang oder man legte einen Einschnitt in eine be- 
reits begonnene Szenenfolge. Im ersten Falle entsprach die 
Gliederung nur dem Sinne. Im zweiten Falle, bei dem ein 
gewisser Sinnesabschnitt natürlich nicht ganz fehlen durfte, 
wurde mehr die Spannung des Lesers erregt. 

Die erste Art wurde für die ersten Bücher eines idea- 
listischen Romans häufig verwendet, da sie bequem zur Ex- 
position der einzelnen Gruppen, jedoch noch ohne Verwick- 
lung diente. Typisch ist z. B. Zesens „Assenat", w^o in den 
drei ersten Büchern jedesmal eine andere wichtige Figur im 
Vordergründe steht, Josef, Assenat, Sefira. Auch Grimmeis- 
hausen bediente sich ähnlicher Technik in den ersten sechs 
Büchern von „Proximus und Lympida'', wo abwechselnd ein 
Teil sich mit Lympida und ihrem Kreise, der nächste mit 
Proximus und seinem Interessengebiete beschäftigt. 

Der in eine begonnene Szenengruppe fallende Ein- 
schnitt ist etwas seltener als der eben besprochene. Bei 
seiner Verwendung handelte es sich darum, ihm auch eine 
gewisse innere Begifmdüng zu geben, und man erreichte 
sie, indem man mit dem neuen Einsatz sogleich einen 
energischen Fortschritt der Handlung brachte. In der 
„Argenis'^ liegt z. B. der Krieg gegen den aufrührerischen 
Lycogenes zum größten Teil im zweiten Buch. Das dritte be- 
hält Schauplatz und Personen bei, setzt aber sogleich mit einem 
wichtigen Fortschritt in der Handlung, dem endgültigen 
Siege Meleanders ein. Auch der Übergang vom dritten zum 



— 94 — 

vierten Buch der „Argenis'' ist ähnlich. Nachdem zum 
Schluß des dritten Buches Radirobanes' Anschlag auf Argenis 
mißglückt ist, ti'itt wieder unter Beibehaltung von Personen 
und Schauplatz eine Wendung ein, indem Radirobanes aus 
einem Freunde Meleanders sein offener Feind wird. 

Ein solcher entscheidender Fortschritt, effektvoll aus- 
gestaltet, sicherte dem neuen Buch gleich einen wirksamen 
Einsatz und nahm das Interesse des Lesers gefangen, und 
man strebte auch für den Schluß des alten Buches nach 
einem kräftigen Schlager zum Abgang. So finden wir an 
solchen sichtbaren Stellen nicht selten ausführliche und 
reiche Beschreibungen von Festen, wie z. B. in der „Assenat''^) 
in ,,I)ietwald und Amelinde", in „Stratonica'', oder andere 
kräftige Lichter; in „Lysander und Kaliste'' z. B, einen Mord^) 
mit folgenschweren Begleiterscheinungen. 

Im pikarischen Roman, bei dem wir schon eine ein- 
gehendere Charakteristik fanden, wäre eine Einteilung nach 
Entwicklung schon eher möglich gewesen, allein zwei 
Momerrte hemmten sie. Wie wenig auf eine Charakter- 
entfaltung tatsächlich hingearbeitet wnirde, zeigte die oben 
besprochene ewige Jugend des picaro. Zudem kam es dem 
humoristischen Roman in seiner Frühzeit mehr auf eine 
Häufung von Schwänken und lustigen Streichen an als auf 
Entwicklung. So teilt man denn auch nach jenen, nicht 
nach dieser ein. Selbst im „Lazarillo", der am ersten noch 
einen Werdegang durchläuft, haftet die Einteilung an der 
äußern Handlung, und wohl nur durch Ausnutzung der 
günstigen Struktur der Handlung fällt die Gliederung der 
psychologischen Piiasen damit zusammen. Jedesmal mit 
einem Kapitelanfang wechselt das Milieu und nur die Haupt- 
person bleibt, nunmehr von einer neuen Figur beeinflußt. 
Diese Einteilungsart kehrt im „Guzman" und in der „Justina" 



*) Buch IV, Die komische Szene stammt aus Lysander und 
Kaliste Buch X S. 433ff. 

*) Lysander und Kaliste Buch VL 



— 95 — 

wieder und hat sogar auf die französischen Bearbeitungen 
bedeutsamen Einfluß geübt. Bremond behält im „Guzman'^ 
nur die Bucheinteilung bei, die durchaus in der Art des 
„Lazarillo" ist, und d'Ouville, noch einen Schritt weiter gehend, 
ersetzt die spanische Kapiteleinteiliing durch Einteilung in 
Bücher. Jedes von ihnen umfaßt ein größeres Abenteuer 
Rufinas, das erste natürlich auch noch die Vorgeschichte. 

Ansätze zu einer Gliederung nach inneren Gründen 
sind nur im Problemroman erkennbar, wobei man von 
dem meist stark wuchernden Beiwerk an Abenteuern ab- 
zusehen hat. Ein dreiteiliges Schema lag hier nahe: der 
erste Teil bringt die Aufrollung des Problems, der zweite seine 
Durcharbeitung, der dritte die Lösung. So zerlegt sich deut- 
licher als andere Werke Assarinis „Stratonica'^ Das erste 
Buch schließt mit der Erkenntnis der Liebe des Antiochus 
zur Gattin seines Vatei*s, Stratonica; das zweite umfaßt die 
inneren Kämpfe des Antioclius; das dritte schildert die Er- 
möglichung der Ehe zwischen Stiefsohn und Stiefmutter. 
Selbst die siebenteilige „Rosemund" Zesens zeigt das Schema 
insofern, als den Kern von Buch 2 — 6, die inneren Kon- 
flikte darstellend, das erste Buch mit der Exposition des 
Problems vorbereitet, das siebente mit der nur angedeuteten 
Lösung abschließt. 

Auch Grimmeishausen hat seinen Problemroman „Diet- 
wald und Amelinde" in das dreiteilige Schema gebracht^) 
und es tritt in der heutigen Fassung des Werkes, wo Histo- 
risches und Romanhaftes völlig frei nebeneinander hergehen, 
ohne sich zu verschmelzen, nur um so deutlicher hervor. 
Das erste Buch führt bis zur Heirat des Paares und Diet- 
walds Ernennung zum Grafen der Allobrogerprovinz. Damit 
ist das Problem der Hybris, der Uberhebung im Glück, vor- 
bereitet und ermöglicht, und das zweite Buch bringt die 



^) Die Verbindung „Dietwalds^' mit Assarinis „Stratonica" weist 
Stilgebauer (Grimmeishausens Dietwald und Amelinde, Gera 1893, 
S. 44) an dem Motiv vom kranken Königssohn und dem Kampf 
mit wilden Tieren nach. 



- 96 — 

Konflikte des glücklichen Paares, den Sturz und die Leiden 
gerade infolge sündhafter Überhebung; das dritte Buch end- 
lich führt das im Unglück nunmehr geläuterte Paar zur 
glücklichen Wiedervereinigung und Ehe. 

Es ist schon bemerkt worden, daß dieser Grundgedanke, 
Sturz und Läuterung nach Hochmut, auch der des ,,Simpli- 
cissinuis'^ ist. In der Tat muß wohl ein Zusammenhang 
zwischen beiden Werken auch für die Entstehung existieren. 
Obgleich „Dietwald'' erst 1670 nach dem „Simplicissimus" von 
1668 ei*schien, ist doch nicht anzunehmen, daß die Idee der 
Hybris zuerst dem „Simplicissimus'' eigen gewesen sei und 
den Problemroman Grimmeishausens angeregt hat denn wir 
finden gerade das Problem der Hybris auch in der Quelle 
von ,,Dietwald und Amelinde", dem Meisterliede vom Grafen 
von Safoi. ^) Im Gegenteil ist es vielmehr weit wahrschoin- 
lieber, daß die Idee der Uberhebung und des Pochens auf 
irdische Macht und Güter ei-st aus dem weniger bekannten 
Roman Grimmeishausens in sein Hauptwerk übergegangen 
sei. Man müßte dann freilich die Konzeption des später 
erschienenen Werkes vor den Abschluß der heutigen Form 
des „Simplicissimus^' setzen, was indes erleichtert wird durch 
das Datum der Widmung 3. April 1669 des 1670 erschienenen 
„DietwaW. Nimmt man diese Datierung mit mir an, so 
ergibt sich für die, wie wir sehen werden, erstaunliche Ein- 
teilung des „Simplicissimus" eine genetische Erklärung. Der 
„Simplicissimus" zeigt nämlich die umgekehrte Anordnung wie 
der „Lazarillo'^, dem die Anregung zu psychologischer Entwick- 
lung wohl entstammen mag. Dieser sinkt zunächst immer 
weiter abwärts, um sich daim zu bürgerlicher Höhe wieder 
zu erheben. Jener dagegen sinkt nach dem Aufsteigen im 
ersten Teil in der zweiten Hälfte zurück. Diesem Gange des 
,jSimplicissimus'* ließ sich ungezwungen der Gedanke der Über- 
hebung einfügen. Nun machte Grimmeishausen im „Dietwald*' 
praktische Erfahrung mit der Einteilung nach innerer Ent- 



^) Stilgebauer a. a. O. S. 35. 



— 97 — 

Wicklung. Im „Simplicissimus** stand er wieder vor der 
gleichen Aufgabe, einen Boman mit innerer Entwicklung 
und ähnlichem Grundgedanken wie „Dietwald** sinngemäß ein- 
zuteilen, und wieder sehen wir ihn nach inneren Gründen 
gliedern. Also aus dem Problemroman und dem „Lazarillo" 
ergibt sich durch das gemeinsame Band der psychologischen 
Chärakterentfaltung eine für ihre Zeit im Boman ohne 
Problem ganz neue Grundlage der Einteilung. 

Nicht die äußere Handlung bestimmt die Einteilung 
des „Simplicissimus", sondern der Werdegang des Helden. 
Jedes Buch zeigt Simplicius in einer bestimmten, streng 
durchgeführten Entwicklungsphase. 

Das erste Buch schildert die völlige Unselbständigkeit 
des Kindes. Der Knabe unternimmt keine entscheidende 
Handlung aus eigenem Antriebe. Wenn er aus dem Wirr- 
warr des Überfallenen väterlichen Hauses flieht, so muß 
ihm die Magd erst dazu raten. Nach des Einsiedlers Tode 
behält er die bisherige Lebensweise sechs Monate lang bei, 
bis ein erst nunmehr gefundenes Briefchen den Knaben ver- 
anlaßt, aus dem Walde zu wandern und den Pfarrer aufzu- 
suchen. Zu seinen dummen Streichen in Hanau wird er 
stets angestiftet, und noch die letzte Szene des ersten Buches 
beruht darauf, daß man den kleinen Toren glauben gemacht 
hat, die Tanzenden wollten den Fußboden eintreten.^) 

Dem Einwand, daß Simplicius aus eigenem Antriebe 
die Kalbsaugen verschlucke, begegnet Grimmeishausen selbst 
Die Anwesenden loben die Tat des Jungen und nennen 
sie eine „Vorbedeutung künfftiger Dapfferkeit und uner- 
schrockenen Besolution". Simplicius selbst aber wider- 



^) Daß der Eifer Tanzender den Einsturz des Bodens zur 
Polge hat, berichtet auch Florian Daule im Tanztenfel (Theatrum 
Diabolorum Frankfurt 1569 Bl. 271a und Frankfurt 1576 Bl. 232 b). 
Grimmelshausen selbst wendet sich im „Ewig-währenden Calender'' 
anter dem 13. Januar mit einer ähnlichen Anekdote gegen den 
Tanz, dem er auch sonst nicht wohlgesinnt war (s. „Ewig-währen- 
der Calender^' unter dem 19. Januar). 

Palaestra LI. 7 



— 98 — 

spricht dem in seiner Darstellung und führt sein plötzliches 
Handeln auf Einfalt zurück.^) 

Mit dem Anfange des zweiten Buches hat die Unselb- 
ständigkeit aufgehört. Indem Simplicius aus der offenen 
Tür des Gänsestalls flüchtet, unternimmt er zum erstenmal 
einen eigenen Schritt zu seiner Rettung aus einer, freilich 
eingebildeten, Gefahr. In der Schlußszene des ersten Buches 
war ihm der Gedanke, sich durch persönliche Kraft zu retten, 
noch nicht gekommen. Hilfesuchend hatte er sich an den 
Gouverneur gewendet. Das zweite Buch schildert nun das 
Erwachen der Selbständigkeit in dem Knaben und seine 
Entwicklung vom abhängigen Pagen und Narren zum freien 
Soldaten. Er lernt seine Geisteskräfte gebrauchen, und da- 
mit feiert die alte pikarische Verschlagenheity die das Buch 
wesentlich beherrscht, eine Auferstehung. Mit List und 
Täuschung behandelt der vermeinte Narr seine Umgebung 
und nimmt selbst den ihm wohlgesinnten Pfarrer nicht aus. 
Schlauheit und Verstellung ermöglichen die Flucht von den 
Kroaten, sowie die fortdauernden Diebereien und das Leben 
in Frauenkleidung als Zofe der Rittmeisterin. Geschickte 
Ausnutzung der Verhältnisse last den Troßjungen schließ- 
lich zur Stellung eines selbständigen Dragoners gelangen. 
Der Knabe ist erwachsen. 

Der Fortschritt in der inneren Entwicklung im dritten 
Buch ist das Hinzukommen des Stolzes und der Überhebung. 
Alle pikarischen Streiche Simplicius' entbehrten nicht der 
Harmlosigkeit und eines fast freundlichen Humors. Der 
Geschädigte konnte immerhin mitlachen, denn sein Schaden 
war entweder nur gering, . oder er merkte ihn gar nicht 
Zur nochmaligen Betonung solcher Harmlosigkeit f ügte Grim- 
melshausen z. B. seiner Quelle, der Erzählung Parivals, noch 
den Briefwechsel bei, in dem der Pfarrherr, der den Geiz 
seines holländischen Vorbildes abgelegt hat, selbst das Ko- 
mische, der ganzen Situation erkennt. Dem Streich wird 
die Schärfe genommen. 

') Simpl. I. 29, S. 81, Z. 9. 



Nunmehr tritt im dritten Buche an die Stelle der 
Harmlosigkeit der Stolz des Mannes. Gleich das erste Ka- 
pitel kennzeichnet die veränderte Seelenstimraimg des Helden, 
Der erste Satz knüpft an das gegen Ende des vorigen Buches 
»ngesehlagene Motiv des Ehrgeizes wieder an ; und von seiner 
Steigerung „zur Thorheit" spricht der zweite Satz. Allerlei 
wunderbare Berichte von Simplicius' soldatischer Tüchtigkeit 
folgen. Wenn er erwähnt, daß er den Pferden die Eisen ver- 
kehrt aufschlagen ließ, um die Verfolger über seine Wegrich- 
tung zu täuschen, so lebt darin wobl die alte Sage wieder auf, 
die von Wittekind das Gleiche berichtet. War doch der 
Schauplatz von Simplicius' Taten gerade das Westfaleniand, in 
dem die Sage den Sachsenherzog so reich geschmückt hatte. 
Simplicius ist der Erfinder jenes wunderbaren Instruments, 
durch das Stimmen und Geräusche auf weite Entfernungen 
hörbar werden. All dieses wird in ruhmredigem Tone vor- 
geti"agen und hinzugefügt, daß dem Helden sein großes 
Glück Neider verschafft habe. So gibt das ei'ste Kapitel 
sofort eine zusammenfassende Einleitung für das ganze 
Buch. Stolz und Liberhebung begleiten Simplicius durch 
diese Partie. Immer wieder erzählt er von seiner glänzen- 
den Stellung, seinem Reichtum, seinen schönen Pfei"den 
und Kleidern, seinem für einen gemeinen Dragoner auf- 
fallenden Umgang mit Offizieren und Edelleuten, denen er 
es gleichtun will, wenn er Wappen und Farben annimmt. 
Nicht minder stolz erzälilt er von seinen soldatischen Er- 
folgen: er ist ein ausgezeichneter Fechter und Schütze, ist 
der hervorragendste Führer, und sein kriegerischer Ruf geht 
soweit, daß die Schweden ihn mit dem Teufel im Bunde 
glauben imd Befehl geben, ihn bei einer etwaigen Gefangen- 
nahme nicht zu schonen. In der zweiten Hälfte des Buches 
macht die Gefangenschaft die kriegerischen Erfolge zwar 
nnmöglich, doch berichtet der alte Stolz, nunmehr in Ver- 
bindung mit pikarischer Großmannssucht, noch weiter von 
ßimplicius' vornehmem und prunkvollem Auftreten in L, 

Das vierte Buch laßt den äußerlichen und moralischen 
7» 



— 100 — 

Niedergang folgen. Der freie und nobel auftretende Jäger 
von Soest wird zum Merodebruder und Banditen, der ehr- 
liche Dragoner zum betrügerischen Quacksalber und spitz- 
bübischen Philippsburger Musketier. 

Im fünften Buche hat die Einheit der Charakterent- 
wicklung durch den doppelten Schluß gelitten. Immerhin 
bleibt sie einigermaßen gewahrt, weil alles auf die Hebung 
des Tiefgesunkenen hinzielt. 

Da das fünfte Buch einen Abschluß des Werkes in 
Simplicius' Bekehrung bringt, so kann das sechste Buch 
eine innere Fortentwicklung nicht geben, zumal bei der 
moralisierenden Tendenz des Ganzen. Der Leser erhält also 
nur eine verstärkte Wiederholung der Gedanken des fünften 
Buches. 

Die Buchschlüsse legt Grimmeishausen, dem Beispiel 
der „Argenis'' folgend, stets in bereits begonnene Szenen- 
gruppen. Den Fortschritt in der Erzählung bringt er durch 
Entfaltung neuer Charakterzüge im neuen Buche hervor. 
Am deutlichsten zeigt sich das beim ersten Buche, das 
mitten in einer angefangenen Szene abbricht, sodaß das 
erste Kapitel des zweiten Buches sie zu Ende führen muß. 
Simplicius' erwachende Selbständigkeit bildet den Fortschritt 
der Handlung. Kurz vor Schluß des zweiten Buches be- 
ginnt Simplicius' Reiterleben, aber erst das folgende Buch 
zeigt, wie schon bemerkt, sogleich im ersten Kapitel den 
Stolz des sich überhebenden erfolgreichen Dragoners. Der 
Einschnitt zwischen Buch 3 und 4 fällt in die Kölner Er- 
eignisse, und sogleich mit dem ersten Kapitel des vierten 
Buches beginnt im alten Milieu Simplicius* moralischer Nieder- 
gang. Am Ende des vierten Buches verlassen wir Simplicius 
in Hertzbruders Gesellschaft, der als neuen Zug sogleich zu 
Beginn des fünften Buches Büß Übungen erwirkt. 

Gern hat Grimmeishausen seine Bucheinschnitte mit 
starken Effekten eingerahmt. Beim Übergang vom ersten 
zum zweiten Buch könnte man fast versucht sein, den Ein- 
schnitt auf Rechnung der wirksamen einschließenden Szenen 



— 101 — 

zu setzen. Das zweite Buch schließt mit dem köstlich ge- 
schilderten Speckdiebstahl, gewiß einem Schlager. Das dritte 
Buch bringt endlich den Streich, den Simplicius dem Geiz 
seines Kölner Pensionshalters mit einem Hasenbraten spielt. 
Die Unterteilung in Kapitel vollzieht sich bei Grimmeis- 
hausen nach Gründen der äußeren Handlung. Den Ab- 
schnitt betont meist eine Pointe, eine Sentenz oder eine zu- 
sammenfassende Bemerkung am Schluß des Kapitels. Das 
neue Kapitel setzt sogleich erzählend ein. Nicht einmal die 
Anfangskapitel der einzelnen Bücher werden durch besondere 
Eingänge hervorgehoben, mit Ausnahme natürlich des erst 
später angehängten sechsten Buches. Im ersten Satz des 
dritten Buches findet sich wenigstens eine Beziehung auf 
das „vorhergehende", dessen letzter Satz ausdrücklich den 
Buchschluß feststellt; und Buch 4 beginnt sogar mit zwei 
Sprichwörtern parallelen Sinnes. Aber was ist das, ver- 
glichen mit den üblichen Prunkänfängen der Zeit? Hatten 
auch „Argenis" und „Arkadia" darauf verzichtet, so wandten 
Zesen, Kindermann, ja selbst nicht erzählende Prosa sie 
reichlich an. Meist wurde eine Zeitbestimmung mit alther- 
gebrachtem Schwulst umschrieben, besonders wenn der 
Schauplatz blieb. Wechselte er, so war der Einsatz ein- 

• 

fach erzählend, oder der Verfasser markierte wohl selbst 
eingreifend den Übergang; eine nicht gerade besonders ge- 
schickte Technik, die sich aber bis ins 18. Jahrhundert 
und bis zu Goethe^), ja bei humoristischen Schriftstellern, 
die mit ihrer Persönlichkeit mehr henrortreten konnten, bis 
ins 19. Jahrhundert erhielt. Der Anfang mit einer Sentenz 
oder einer Reflexion war selten. 

Vereinzelt fängt auch Grimmeishausen seine Kapitel 
mit ganz kurz gehaltenen Sprichwörtern oder allgemein 
gültigen Sätzen an, namentlich seit der zweiten Hälfte des 
dritten Buches. Von hier aus also würden sich die Sprich- 
wörter zu Anfang von Buch 4 erklären. 



^) Siehe Kiemann, Goethes Komantechnik, 8. 29 ff. 



— 102 — 

Sehr auffallend ist der Anfang des achten Kapitels im 
dritten Buch. Hier allein im ganzen Roman steht, hinter 
einem nicht anschließenden epischen Eingang, eine lange 
Reflexion, über die Unbeständigkeit des Glückes. Dann 
wendet sich die Erzählung einem kriegerischen Abenteuer 
zu, der Gefangennahme eines Mohren durch Simplicius. 
Dieser Mohr, der nur in einer durchaus entbehrlichen kurzen 
Notiz des zehnten Kapitels noch einmal auftaucht, verliert 
sich sofort wieder. Wir haben femer schon gesehen^), daß 
die Einleitung des Kapitels in Widerspruch steht mit Sim- 
plicius' wohlangelegter Entwicklung in seinen Beziehungen 
zum weiblichen Geschlecht. Für diese drei auffallenden 
Tatsachen: die von Grimmeishausens Gebrauch abweichende 
Einleitung, das spurlose Verschwinden einer Figur, die doch 
ein ganzes Kapitel hindurch des Lesers Interesse wach- 
gehalten hat, und den Widerspruch zu einer sorgfältig an- 
gelegten Entwicklungsreihe, läßt sich eine Erklärung nur 
dann finden, wenn man das ganze Kapitel als nachgearbeitet 
ansieht. Grund zu diesem Nachtrag war für Grimmeishausen 
das Überwiegen einer für die Handlung so bedeutungslosen 
Figur wie Jupiter. Des Verfassers uns schon bekanntes 
Mittel der Verdoppelung einer Figur zur Abschwächung ihres 
Eindrucks findet sich auch hier wieder. Der Mohr ist tat- 
sächlich eine Parallele zu Jupiter, beides durchaus absonder- 
liche Gefangene des Helden, mit denen dieser nichts Rechtes 
anzufangen weiß. 



^) S. oben S. 64. 



VIL Unterbrechung der Erzählung durch lehr- 
hafte oder moralisierende Partien. 

Das Horazische „Omne tulit punctum qui miscuit utile 
dulci" ist dem Komanschriftsteller des 17. Jahrhunderts ein 
\\^ichtiger Satz. Ulenhart zitiert ihn ausdrücklich*), und 
andere wie Zesen und Kindermann sprechen seinen Inhalt 
wenigstens umschrieben aus. Bot er doch bequeme Ge- 
legenheit dem Gelehrten, Früchte seiner Studien zu zeigen, 
dem Eiferer, tendenziös zu wirken. Daß man mit dem utile 
die künstlerische Einheit eines Werkes in Frage stellen 
konnte, daran dachte niemand. Fleiß und Gelehrsamkeit 
werden anerkannt, die schaffende Phantasie aber wird gering 
gewertet. Vielleicht ist hier der Grund zu suchen, wes- 
halb Grimmeishausen in seinem Hauptwerke, dem er ge- 
wiß lange Arbeit widmete, reichliche Einschübe gelehrten 
oder moralisierenden Inhaltes anbrachte. In seinen idea- 
listischen Romanen fehlen sie, denn er gönnte ihnen weniger 
Zeit zum Reifen. Der „Gusman'' des Ägidius Albertinus 
bot ihm zudem für den „Simplicissimus" das Vorbild, zwar 
nicht effektvoll, doch gewiß nicht wirkungslos. 

Im „Gusman'' fanden sich als breiteste Einlagen „Dis- 
kurse^', wahre Abhandlungen an Umfang über beliebige mit 
dem Roman selbst in keinem oder nur zufälligem Zusammen- 
hange stehende Themata, samt einer Menge von Zitaten und 
Beispielen aus allerlei Autoren zusammengetragen. Francion 
verrät das Rezept zur Herstellung: „wann er uns in unge- 
bundener Art auffzusetzen vorgab, so behülffen wir uns mit 



1) Ulenhart Vorrede Blatt 2. 



— 104 — 

eben solchen Bachantentröstern (vorher genannt sind Par- 
nassus und Ravisius Textor) darauß wir allerhand zusammen- 
flickten, ein schulfüchsisch Meisterstücklein endlich zu Wege 
zu bringen : War das nicht eine feine Art, unseren Verstand 
zu üben.''^) Daß eine Anhäufung solcher Diskurse, deren 
Albertinus z. B. einmal dreizehn auf einander folgen läßt, den 
Gang der Handlung sprengen mußte, ward schon erwähnt.^) 
Grimmeishausen bringt in den ersten fünf Büchern des 
„Simplicissimus'' immerhin nicht allzuviel derartige Unter- 
brechungen der Erzählung: so den ganz kurzen Exkurs über 
die menschliche Seele, die einer tabula rasa zu vergleichen sei, 
— trotz seiner Kürze aus dem Zusammenhang herausfallend*); 
so die längere Entschuldigung — denn als solche stellt sie 
sich durch den Schluß heraus — der Hexenfahrt*), zu der 
obenein die Quellen angegeben werden: Nicolaus Remigius, 
Majolus, Olaus Magnus und Torquemadas Hexameron, das 
noch im Jahre 1653 der Herzog von Hessen durch eine Über- 
setzung zugänglich gemacht hatte. Weitere solche exkursartige 
Ausführungen des Autors selbst treten auch geradezu als 
Bestandteile der Handlung auf, so vor allem das vorzügliche 
Kapitel über die Merodebrüder*), das des Helden Erlebnisse 
in dieser Sphäre schildert, teils um der Erzählung Oliviers 
nicht die Wirkung vorwegzunehmen, teils um eine bisher 
noch nicht unternommene Darstellung des Marodeurlebens 
zu bieten. Auch das Kapitel über die ungarischen Wieder- 
täufer •), ähnlich wenn auch nicht gleich geschickt in die 
Handlung verflochten, gehört hierher. Freilich stört in ihm 
Simplicius' Angabe, er kenne das Leben dieser Gemeinschaft 
aus eigener Erfahrung, während doch bisher nirgends da- 
von die Rede ist. 



1) Francion, B. IV, S. 236. 

«) S. oben S. 11 f. 

») Simpl. I 9, S. 27, Z. 10. 

*) n 18, S. 144. 

•) IV 13, S. 329. 

«) V 19, S. 439. 



— 105 — 

Nachmals ändern sich Grimmeishausens Anschauungen. 
Trägt er auch in späteren Auflagen zu bereits Vorhandenem 
noch Einzelnes nach, so kürzt er andrerseits in vorge- 
schrittenen Partien die gelehrten Exkurse so stark, daß nur 
noch eine Reihe von Namen als vergleichbare Beispiele 
stehen bleiben. Ja in der „Courasche'', dem „Springinsfeld" 
und im „Vogelnest'' verzichtet er auf eine Anhäufung von 
Moralisation und Gelehrsamkeit Doch mag Zeitmangel das 
mit veranlaßt haben. 

Der idealistische Roman kennt die Form des ,J)iskurses'' 
nicht. Seine Verfasser besaßen mehr künstlerischen Ge- 
schmack und Urteil als Ägidius Albertinus, dessen Werk ja 
auch nur die Gegenreformation unterstützen sollte. So fügt 
der idealistische Roman fremde Bestandteile sorgfältiger ein. 
Der Zusammenhang bleibt einigermaßen gewahrt. 

Zwei Arten größerer Einlagen kennt der idealistische 
Roman. Die erste, dem Diskurse des „Gusman" verwandter, 
beschäftigt sich in ähnlicher Art mit Eragen der Moral oder 
der Wissenschaft. Allein die Stoffe werden allgemein ver- 
ständlich und sachlicher als im pikarischen Diskurs und ohne 
Zitate und Beispiele behandelt. 

Die zweite Art besteht in allzu breit ausgeführten 
Schilderungen von Sälen, Bildern, Gärten, Schiffen usw., bei 
denen sich Gelegenheit zur Aussprache über gelehrte Fragen 
bot. Nur die Beschreibung kommt vereinzelt auch im 
pikarischen Roman vor, so wenn im „Gusman" die Kirchen 
Roms geschildert werden^). 

Der große Vorzug des idealistischen Romans lag indessen 
nicht in der Form solcher Massen fremden Gutes, sondern 
in ihrer Einführung und Anpassung. Der pikarische Roman 
in deutschem Gewände verfuhr dabei sehr plump, indem er 
ohne innere Notwendigkeit Personen nur als Sprachrohre 
des Autors für seine Ideen auftreten und, wenn sie diesen 
Zweck erfüllt hatten, wieder verschwinden ließ. So steht es 



») Gusman I, Kap. 18, S. 121. 



— 106 — 

zum Beispiel mit den dreizehn auf einander folgenden Dis- 
kursen der Albertinus'schen Guzmanbearbeitung oder mit 
Gusmans langen Unterweisungen im juristischen Studium 
durch den Rektor der Universität Aleali. ^) 

Frewdenhold handelte noch ungeschickter, indem er, die 
Ichform benutzend, gar nicht eine Person einführte, sondern 
eine ganze Reihe von Diskursen dem Erzähler bei dessen 
wiederholten Berufswechseln in den Mund legte. Einmal 
angewendet mochte das hingehen, aber die Häufung ohne 
weiteren Bericht über Tätigkeit und Erlebnisse in den ver- 
schiedenen Berufen erstickte jede Handlung. Freilich war 
für Frewdenhold die Erzählung nur Mittel zum eigentlichen 
Zweck, zur Belehrung. Im idealistischen Roman dagegen 
bemühte man sich, gelehrte Elemente aus der Handlung er- 
wachsen zu lassen. Ja sie traten hier geradezu an Stelle 
psychologischer Entwicklung. Die „Argenis'' gibt in langen 
Reden innerlich vorgehende Ideenentwicklungen wieder; 
eine häufig nachgeahmte Technik. 

Stimmungen und Gedanken handelnder Personen setzt 
man in Monologe um. Barclais Kunst, noch einen Schritt 
weitergehend, gesellt der Rede die Gegenrede bei und ver- 
wandelt damit die nicht zur Handlung gehörige Partie in 
Aktion, die allerdings iiur wenig bewegt ist. Um die Vor- 
züge und Nachteile stehender Heere zu erörtern, läßt Barclai 
den von dem zornigen Radirobanes mit Krieg bedrohten 
König Meleander eine ausführliche Beratung mit Eurymedes 
und Dunalbius pflegen, zu dem Ende, daß stehende Heere 
mäßigen Umfangs von Nutzen seien. Für die Handlung 
ergibt sich der Fortschritt, daß Meleander nunmehr ein 
stehendes Heer errichtet und- den Radirobanes bekriegt.*) 
Die durchaus theoretisierenden Reden des Königs und seiner 
Ratgeber geben den Niederschlag der Ideen des Autors, 
greifen aber durch den im König bewirkten psychischen 
Umschwung deutlich in die Handlung ein. 

1) Gusman I, Kap. 28, S. 209 ff. 

2) Argenis, Bd. IV, Kap. 4, S. 469. 



— 107 — 

Natürlich war zur Einschaltung mehrerer solcher Dialoge 
in ein umfangreiches Buch eine Reihe von Figuren nötig, 
die Meinung und Gegenmeinung verfechten konnten. Barclai 
führt derartige Personen, wie Ibburanes, Dunalbius, Eury- 
medes, schon lange vor solchen Erörterungen ein.^) 

Während aber Barclai nur eine Ausdrucksform für seine 
Theorien sucht*) und deren Richtigkeit in den psychologischen 
Wirkungen der Handlung erweist, hat für Zesen der 
psychische Vorgang selbst Interesse, wie Rosemund und in 
der „Assenat" Sefira zeigen.*) Aber Zesen hat Barclais Tech- 
nik insofern geerbt, als er gelehrte Abhandlungen über den 
•Nil nicht nur eng in die Handlung verflicht, sondern sie 
auch zum Gegenstande der Unterhaltung macht.*) Hatte doch 
vor Zesen auch Grimmeishausen schon im „Musai'', dem An- 
hange des „Joseph", ein Gespräch zwischen dem Titelhelden 
und der Asaneth ganz mit gelehrtem mythologisch-histori- 
schem Inhalte ausgefüllt.'*) 



Auch im Simplicissimus bemüht sich Grimmeishausen, 
seine Diskurse und moralisierenden Abhandlungen mit der 
Handlung zu verschmelzen, und je weiter man in das Werk 
eindringt, um so besser gelingt es ihm. Auf gelehrte Be- 
schreibung verzichtet er völlig. Auch kann er im Ichroman 
nicht nach dem Muster des idealistischen Romanos seelische 
Stimmungen und Gedankenentwicklungen von Nebenpersonen 
in Selbstgesprächen wiedergeben. Diese Technik verschmäht 
er sogar da, wo sie wohl möglich wäre. Im „Vogelnest" 
könnte der Anderen unsichtbare Erzähler sehr wohl Monologe 
belauschen; allein er ist nur Zeuge von Unterhaltung oder 
Handlung. Wenn er das Mädchen im Spiegel erschreckt®) 

^) Ibburanes und Dunalbius werden schon im zehnten. Eurv- 
medes im dreizehnten Kapitel des ersten Buches erwähnt. 
2) S. Dupond S. 48 f. 
8) S. Cholevius S. 76. 
*) Assenat, B. I, S. 33 ff. 

») Musai, Kap. I, hrsg. v Keller; Bibl. d. Litt. Ver. Bd. 66, S. 858. 
«) Vogehiest I, 10 (Kurz IH, S. 350, Z. 8). 



— 108 — 

— ein Zug, der vielleicht auf den noch heute in Böhmen 
verbreiteten Aberglauben zurückgeht, daß wer sich viel 
im Spiegel betrachte den Teufel darin sehen werde*) — so 
wird kein Wort des Mädchens mitgeteilt, wohl aber werden 
genau ihre Bewegungen und ihre Mimik beschrieben. 
Belauscht der Unsichtbare einmal Personen, die sich allein 
glauben, so vernimmt er doch nur ganz kurze Ausrufe, wie 
die Klage der Schloßherrin über den ungebetenen Gast, 
und dabei fügt Griramelshausen noch hinzu „sie prumelte 
noch mehr dazu, welches ich alles nicht verstehen konnte".*) 
Verschmäht also Grimmeishausen den Monolog als Seelen- 
schilderung, so könnte er doch leicht dem Erzähler das 
Wort erteilen, um die Gelehrsamkeit des Autors anzubringen. 
Allein auch hiervon macht er in den ersten fünf Büchern 
nur zweimal Gebrauch : bei dem Vergleich der menschlichen 
Seele mit der tabula rasa und bei der Entschuldigung der 
Hexenfahrt. ') Alle weiteren exkursartigen Ausführungen 
des Autors sind Bestandteile der Handlung. 

Weit mehr als der Erzähler dienen Nebenpersonen dem 
Autor zum Sprachrohr seiner Gelehrsamkeit und seiner 
Tendenz. Wie Barclai verwendet Grimmeishausen hierbei 
durchgehend mit einer einzigen Ausnahme bereits vorhandene 
Figuren. Wie Barclai verflicht er solche Partien eng mit 
der Handlung, indem er sie gleichsam im Gespräch anbringt; 
allein er löst sie doch nur selten in Dialog auf, selbst nicht 
in den so wenig bewegten Barclais. In geschlossenen 
Massen steht die Weisheit da. Anfangs werden Diskurse 
bevorzugt, nach pikarischem Muster, wobei Grimmeishausen 
die Zitate durch Beispiele ersetzt, die er außer den oben 



^) Grimmelshausen hat mancherlei Beziehungen za Böhmen. 
Die Kroaten läßt er böhmisch sprechen (Kurz II, 388), und Eu- 
rasche stammt aus Böhmen. Auch des Deutschböhmen Ulenhart 
Buch kannte er und zitiert daraus den in Prag ansässigen Zucker- 
bastei. (Simpl. I. 1, S. 6, Z. 41.) 

«) Vogehiest I, Kap. 2 (Kurz III, S. 299, Z. 16). 

») Simpl. I 9, S. 27, Z. 10 und II 18, S. 144. 



— 109 — 

erwähnten Autoren ^) Werken wie Goulart, Ravisius Textor, 
Laurembergs „Acerra philologica" in Menge entnehmen 
konnte. Vielleicht lagen ihm auch Zwingers und Beyer- 
links große enzyklopädische Werke vor, auf die Goulart 
und Ravisius öfters zurückzugehen scheinen.*) 

In späteren Partien schließt sich Grimmeishausen mehr 
dem idealistischen Roman an: so z. B. wenn er dem alten 
Hertzbruder eine lange Rede gegen das Spiel in den Mund 
legt, oder wenn in der Stadt L. Siraplicius mit dem Pfarrer 
über die verschiedenen Bekenntnisse sich unterhält. Einmal 
wird auch im „Simplicissimus" durch eine Diskursgruppe 
eine psychische Wandlung^) herbeigeführt, aber nicht wie 
bei Barclai im Sprecher, sondern vielmehr im Zuhörer, dem 
Gouverneur. Diesen zu der Erkenntnis zu bringen, daß Sim- 
plicius kein Narr, sondern ein verständiger Mensch sei, ist 
des Autors Absicht. Da er aber nach der technischen Ent- 
wicklung des Ichromans damaliger Zeit einen hier unbedingt 
nötigen psychischen Umschwung außerhalb des Erzählers 
nicht zu schildern vermag, so muß Simplicius Beweise seiner 
geistigen Gesundheit geben und der Gouverneur daraus den 
wahren Sachverhalt erkennen. Grimmeishausen steigert 
systematisch, indem er Simplicius zunächst seinen Witz zeigen 
läßt, dann seinen naiven Verstand, der Einfaches und Natur- 
gemäßes Schwierigem und Kulturellem vorzieht, und schließ- 
lich im Gebet sein Gefühl. Bis auf die Gebetszene herrscht 
die Diskursform. 

Hier mag einiges über den Inhalt dieser Partien gesagt 



1) S. oben Seite 104. 

*) Ob er auch das Exiliom melancholiae d. i. Vnlust Vertreiber 
aus Lnd. Oaron frantzösischem tractat, Straßburg 1655 (Egl. Bibl. 
Yt 8441) benutzt hat, ist mir fraglich. Nur das seit Melanchthon 
bekannte Motiv Eberhards von Württemberg, der ruhig im Schöße 
jedes seiner Untertanen schlafen zu können erklärt, könnte dort 
herstammen. Ex. mel., Nr. 113, S. 113, Simpl. V. 18 und auch Beise- 
beschreibung nach der obwen neuen Welt, G^s. Ausg., Bd. lU, 
1695, S. 611. 

«) Simpl. n 9—11. 



— 110 — 

werden. Sie richten sich gegen die herrschende Mode. 
„Das überzwerch Lob einer schönen Dame" ^) verfolgt Ideen 
wie Johann Laurembergs berühmte „Schertzgedichte" *) und 
greift die Mode sogar mit ähnlichen Waffen an, wenn es 
sich gegen den Puder wendet, gegen den Grimmeishausen auch 
schon bei der Beschreibung von Simplicius' Anzug in Hanau 
geeifert hatte.*) Titelsucht war eine wiederholt bekämpfte 
Mode des siebzehnten Jahrhunderts. Grimmeishausen fügt 
der Reihe der von Autoren wie Logau und Lauremberg*) 
ausgehenden Angriffe einen neuen hinzu, ohne sich ihnen 
direkt anzuschließen. Auch der Diskurs von den Mühselig- 
keiten des Regentenstandes **) hatte seine Vorgänger in 
Kinderraanns „Regierendem Bürgermeister" und Moscheroschs 
„Insomnis cura parentum"®), ohne daß gerade einzelne Züge 
aus ihnen entlehnt sind. Solche Gedanken faßte Grimmeis- 
hausen in die Form des Diskurses, während seine Vorläufer 
mehr erzählt hatten. Die Beispiele des zwölften Kapitels 
des zweiten Buches fand er in der „Acerra philologica" 
beisammen'), änderte jedoch den Sinn, indem er alles, was 
Lauremberg für erlogen und unmöglich erklärt, als wahr ansieht 

Die Ausnahme von der Regel, nur bereits vorhandene 
Personen in Diskursunterhaltungen auftreten zu lassen, ist 
die bekannte Jupiterepisode.®) Mehrfach hat sie die Nach- 
welt beschäftigt; Tieck druckte sie 1798 in seiner Novelle 



1) Sünpl. II 9. 

*) II 412 ed. Branne. Auch Peter Lanrenberg nnterstützt seinen 
Brnder Johann, wenn er in der Acerra philologica III, Nr. 36, S. 89 
gegen das Schminken zu Felde zieht. Vgl. auch Greflinger, Cela- 
donische Musa, S. 1663 Blatt KK 

3) Simpl. I 19. 

*) Logau ed.Eitner, S. 376, II 8, 85. Lauremberg ed. Braune III. 

») Simpl. n 10. 

«) Hrsg. von Pariser (Braunes Neudrucke Nr. 108—109), 8. 44. 

^) Ac. phil. in 89. Vgl. Grimmeishausens "Werke, hrsg. von 
Bobertag, Bd. I, S. LXV. 

8) Simpl. III 3-6. 



— 111 — 

„Das Tagebuch" ab, und im Jahre 1809 bezog ein als 
Herausgeber tätiger Mann, der Verfasser der „Grauen 
Mappe" C. L. Haken, alles über den zukünftigen deutschen 
Helden Gesagte auf Napoleon, ein Bemühen, bei dem er 
die Grenze des Lächerlichen unbewußt weit überschreitet.^) 
Patriotisch war sein Beginnen gewiß nicht, noch zeugte es von 
Verständnis des gut deutschgesinnten Grimmeishausen, dessen 
Jupiter gerade das Deutschtum seines Helden stets betont. 
Verschiedene Anzeichen sprechen dafür, daß diese inter- 
essante Figur dem ursprünglichen Plane des Romanes fremd 
war. Die Stellung der Episode zum Ganzen ist durchaus 
die eines unorganischen Beiwerks. Ohne Grund schieben 
sich drei Kapitel plötzlich zwischen Simplicius' Entwicklung, 
gerade als man des Helden rasches Aufsteigen zum höchsten 
Gipfel erwartet. Daß Jupiter etwa wie der schwedische 
Leutnant oder im vierten Buche Schönstein eine vorbe- 
reitende Parallele zu Simplicius' späterer großer Stellung 
sein soll, wird in keiner Weise angedeutet Dazu kommt, 
daß die Episode ein Einzelerlebnis mit selbständiger Pointe, 
die Gefangennahme des schwedischen Leutnants, unter- 
bricht, so daß die Nähte noch deutlich erkennbar sind.^) 
Das plötzliche Auftreten bisher nicht vorhandener Eiguren^ 
nur um Gedanken des Verfassers auszusprechen, haben 
wir schon als Abweichung von Grimmeishausens eigent- 
licher Technik erkannt.^) Noch verdächtiger aber wird 
die Episode durch die spätere Verwendung Jupiters. Hier 
finden wir die Technik, durch die die Figur des erweislich 
nachgetragenen Mohren mit dem Ganzen verknüpft werden 



^) ffDer Held des neunzehnten Jahrhunderts, eine Apokalypse 
des siebenzehnten; oder die erfüllteste Weissagung neuerer Zeiten.** 
Wenn in einem einzigen alten Drucke korsischer statt deutscher 
Held stände, so hielte Haken seine Auslegung der Prophezeiung 
für unwiderleglich (S. 38) und dem noch unbezwungenen England 
droht er daher mit des Helden Unbesiegbarkeit (S. 62). 

*) Simpl. III, 8, S. 207, Z. 6 und III, 7, 8. 219, Z. 29. 

») S. o. 8. 109 f. 



— 112 — 

soll, wieder: mehrfache Erwähnungen ohne genügenden 
Grund, dazu am Anfange des dreizehnten Kapitels des dritten 
Buches eine ebenso auffällige Betrachtung wie die am An- 
fange des nachgearbeiteten achten Kapitels. 

Der Inhalt des dreizehnten Kapitels hätte auch anders 
mitgeteilt werden können, und Spuren einer früheren Fassung 
haben sich erhalten: Simplicius' Erwägungen über ein Zurück- 
ziehen ins bürgerliche Leben stimmen sehr wohl zu dem ur- 
sprünglich geplanten Schlüsse des Werks, und Springinsfelds 
noch vorhandene Ratschläge über eine verständige Ver- 
wendung der Reichtümer lassen die Jupiters entbehrlich 
erscheinen. Später in Köln läßt Grimmeishausen Jupiter, 
um ihn ohne Schädigung der Spannung nochmals aufführen 
zu können, in geistiger Trübung Nachrichten von L. geben.*) 
Leichter wäre es für den Verfasser jedenfalls gewesen, dies 
entbehrliche Wiederauftreten Jupiters zu vermeiden. 

Fallen somit sämtliche Äste, so wird man den Stamm 
allein nicht stehen lassen können, und die Jupiterepisode 
scheidet aus dem ursprünglichen Plane aus. 

Es waren wohl patriotische Tendenzen, die Grimmeis- 
hausen zur Aufnahme dieser Partie bewegten. Jupiters Her- 
kunft ist deutlich nachzuweisen. Das letzte Jupiterkapitel 
hängt inhaltlich vom zweiten Teile des Fischartischen „Flöh- 
haz'' ab, der auf ein französisches Gedicht „Procös des Fem- 
mes et des Pulces" zurückgeht.^) Der Fröre mineur ward 
zu Fischarts Flöhkanzler, der das verdammende Urteil über 
die Flöhe ausspricht. Dies Amt übertrug Grimmeishausen 
seinem Narren und legte ihm den Namen Jupiter bei, in 
dessen Auftrage der Kanzler Recht sprach. Die Verurteilung 
der Flöhe blieb natürlich bestehen, da der von ihnen ge- 
plagte Jupiter selbst Richter ist. 



1) Simpl. V, 5, S. 386 ff. 

^) Wendeler in Schnorrs Archiv für Literatorgeschiclite, Bd. 
XII, S. 496. Das französische Gedicht steht im Becueil de po^ie 
fran9oi8e des XV ^ et XVI « siecles par A. de Montaiglon et J. de 
Rothschild t. X. Paris 1875, S. 61—70. 



— 113 — 

Wenn Gfrimmelshäusen' in diesem Kapitel die Komik 
stark betont, so geschieht das, weil der Narr vorher zuviel 
Dinge gesagt hat, die Grimmeishausen ernst waren. Stellt 
er doch sein politisch-patriotisches Ideal hier auf: Deutsch- 
land unter einem starken Herrscher in Europa voran, und 
ein gesunder Friede. Rudolf Hildebrand knüpft diese Utopien 
eines Narren gelehrt und geistvoll an die alte Form der 
Sibyllen-Weissagung*) an^ doch mir scheint, zu Unrecht. Bei 
Grimmeishausen handelt es sich nicht um Prophetie, sondern 
um Mitteilung politischer Ideen. Sibyllen-Weissagung wandte 
sich an jeden Einzelnen, zur Buße mahnend, ■ da das 
Ende aller Dinge nahe sei, wie man aus den und den dem- 
nächst eintretenden Ereignissen erkennen könne. Jupiter 
dagegen wendet sich gegen die politischen Zustände. Ihm 
ist das Individuum, das der Weissagung des sechzehnten 
Jahrhunderts am Herzen lag, gleichgültig, das Allgemein- 
wohl wichtig. Gemeinsam ist der Sibyllen- Weissagung mit 
den Jupiterprophezeiungen nur der Hinweis auf die Zukunft. 
Im übrigen aber ist nicht einmal die Figur des deutschen 
Herrschers über Europa die gleiche in beiden Werken. An 
die Stelle des mit sagenhaften Zügen geschmückten Kaisers 
ist ein mit mythologischem Beiwerk ausstaffierter „teutscher 
Held" getreten, sodaß man meiner Ansicht nach diese Ka- 
pitel nicht einmal als Kaiserprophezeiung auffassen darf. 

Sie scheinen mir vielmehr in eine Reihe zu gehören 
mit den politischen Exkursen idealistischer Romane. Wie 
deren Verfasser wollte auch Grimmeishausen seine politischen 
Ansichten in den Roman verweben. Da ihm der realistische 
Roman keine als Träger geeignete Figur bot, griff er zu 
einem von Quevedo bereits im „Buscon" angewandten Mittel. 
Dem Pablo begegnen auf der Reise von Alcalä nach Segovia 
uach einander zwei Geisteskranke, ein Ingenieur und ein 
Dichter, die ihre krausen Ideen vortragen.*) Der Ingenieur 



^) Gesammelte Vorträge und Aufsätze, S. 267 ff. 
•) Historja del Buscou, Buch I, Kap. 8—9. 

PaUiestra LI. ^ 



— 114 — 

• 

insbesondere bringt auch die Politik streifende Pläne vor, in- 
dem er Mittel zur Einnahme von Ostende erdacht zu haben 
behauptet Quevedo nennt ihn geradezu einen „loco republico 
y de gouiemo" was der Franzose La Geneste mit den Worten 
„vn fol de Republique et de Gouvernement d'Estat" ^) wieder- 
gibt. Hiemach schuf Grimmeishausen seinen Narren, dem 
er eigene politische Ideen in den Mund legte. Er gewann 
dadurch die Freiheit, diese Gedanken in einer Utopie gipfeln 
zu lassen und ihnen die Form einer Prophezeiung zu geben, 
ohne daß der Kern der Grimmelshausenschen Anschauung 
Jupiters Reden verloren ginge. 

Daß diese Exkurse die Handlung des Ganzen stark 
unterbrechen, empfindet Grimmeishausen selbst Deshalb 
erinnert er wie bei Oliviers Erzählung durch mehrfache 
Unterbrechungen an die Situation und disponiert gleich- 
zeitig durch dieses Mittel. Nachdem Jupiter den deutschen 
Helden beschrieben hat, fragt Simplicius, wie denn der Friede 
ohne Blutvergießen hergestellt werden könne, und bringt 
damit das Gespräch auf die allgemeinen Reformen des Jupiter- 
schen Helden. Eine unterbrechende Frage Simplicius' führt 
zu dem Thema der besonderen europäischen Politik. Nach 
abermaliger längerer Unterbrechung geht Jupiter von der 
Politik zur Religion über, und nach einer weiteren umfang- 
reichen Zwischenfrage nimmt das Gepräch mit Jupiters 
Flohjagd eine komische Wendung. 



^) Historia de Buscon Za 1626, Bl. 31b und L'avantorier Bos- 
con par Dom Francisco de Quevedo, ensemble les lettres da Che- 
valier de PEspargne. Paris 1639. S. 133. 



VIIL 

Briefe. 

Wenn der Text der Romane im siebzehnten Jahrhundert 
durch wörtlich mitgeteilte Briefe unterbrochen wurde, so 
wollte man damit deren Inhalt gegen die Erzählung ab- 
sondern und hervorheben, entweder weil Stil und Ton des 
Briefes die Situation oder die Stimmung charakterisierten, 
oder weil der mitgeteilte Inhalt für den Gang der Handlung 
wichtig war, oder endlich aus beiden Gründen zusammen. 
Der erste Fall ist der häufigste. Die Briefe im idealisti- 
schen Roman sind zumeist nichts anderes als in Briefform 
gegossene preziöse Reden, stilistisch und inhaltUch denen 
gleich, worin nach einem Worte Gustav Preytags die Reden- 
den sich über die Annehmlichkeit ihrer Neigung unterhalten. 
Solcher Liebes- oder auch Staatsreden hat Grimmeishausen 
nur einige offenbar satirisch gemeinte in der „Courasche".^) 

Der Brief hat freilich abweichend von der Rede noch 
einen besonderen Zweck in der Mitteilung einer für die 
Handlung wichtigen Tatsache; allein dieser wurde meist 
in einen einzigen Satz zusammengedrängt, der Rest den 
phrasenhaften Reden gewidmet 

Zweifellos sah man in dieser Technik eine besondere 
Schönheit Ließ sich doch in einer Menge von Gedanken 
und Gefühlen der preziöse Charakter des Schreibers oder 
des Empfängers andeuten. Darum vermögen auch nur 
Autoren, denen es um einheitliche Anlage zu tun ist, der 



1) Courasche, Kap. 13 n. 16. Kurz III, S. 63 u. 76. 

8» 



— 116 — 

Versuchung ausführlicher Mitteilung solcher preziöser Briefe 
zu widerstehen. Barclai und Assarini z. B. geben häufig 
nur ganz kurz den für die Handlung wichtigen Briefinhalt 
in indirekter Rede an.^) D'Audiguier, der Übersetzer spa- 
nischer realistischer Novellen und pikarischer Literatur, legte 
keinen Wert auf preziöse Reden und unterdrückte in ,,Ly- 
sander und Kaliste" einige Briefe, was der deutsche Bearbeiter 
Zesen beibehielt^); wohl gegen seine Neigung, denn in der 
Rosemund und in der Assenat neigt er zur Mitteilung von 
Briefen. In der „Rosemund" sind alle Episteln nur Stimmungs- 
briefe. In der „Assenat" macht die Abgeschlossenheit der 
Heldin eine rege Korrespondenz nötig, die natürlich für die 
Handlung nicht zu entbehren ist. Kindermann in der Nisette 
teilt sogar einmal in einem Briefe nur die eine Hälfte des 
zur Handlung Gehörigen mit und läßt den Überbringer die 
andere Hälfte mündlich ausrichten^); ein Beweis, wie viel 
mehr es ihm um schöne Reden als um straffe Komposition 
zu tun war. 

Wurden mehrere Briefe zu einer Gruppe vereinigt, so 
konnte man darin bequem Spiel und Gegenspiel vorführen, 
besser als in den für Berichte üblichen Icherzählungen, die 
die Anschauungen nur der einen Partei wiedergaben. Die 
einfachste Form dieser Art, das Zusammenstellen von Brief 
und Antwort, ward häufig angewandt. Grimmeishausen und 
Zesen haben das Verdienst, in ihren Josephromanen die Form 
des Briefwechsels weiter entwickelt zu haben. In der Asse- 
nat hat Zesen dadurch, daß Nitokris an Stelle der Titelheldin 
handelt, deren Hineinziehung in den Roman erschwert und 
eine Reihe von Briefen nötig gemacht: so schreibt Assenat 
an Semesse, Nitokris an Assenat, Assenat an Toote.*) Diese 
Korrespondenz scheint unter Einfluß der schon bei Grimmels- 



») Argenis IV, 18, S. 554; IV, 23, S. 594. Demetrius, S. 11. 
84. 126. Stratonica, S. 154. 175. 211. 

*) Lysauder und Kaliste, S. 210. 290. 

«) Nisette 1, 6, S. 58. 

*) Assenat, S. 90. 144. 145. 



— 117 — 

hausen vorhandenen Brief intrigue unter den für den gefan- 
genen Joseph interessierten Damen entstanden zu sein. Zesen, 
um seine Selbständigkeit zu wahren, hatte auf diese Intrigue 
verzichtet und sie durch den oben erwähnten Briefwechsel 
ersetzt. Seine Abhängigkeit von Grimmeishausen bleibt aber 
doch bestehen, wie wörtliche Übereiustimmungen beweisen.^) 
Indes ersetzt Zesen, was er an Technik nicht zeigen darf, 
durch Feinheit. Bei Grimmeishausen kämpft Asaneth selbst 
gegen Selicha, Potiphars Gattin, um Joseph; bei Zesen da- 
gegen fällt der Prinzessin Nitokris die Intrigantenrolle zu, 
nicht der in klösterlicher Abgeschiedenheit lebenden Asse- 
nat. Der Briefwechsel setzt also von Asaneth-Nitokris aus 
mit einem Geld enthaltenden Schreiben an den Gefängnis- 
meister ein, er solle Joseph gut halten. Grimmeishausen 
muß Joseph sich durch eine Untersuchung von dem Ver- 
dacht geplanten Ehebruchs reinigen lassen und braucht 
als Entlastungsmaterial dazu vier Briefe : Potiphars Anklage- 
schrift und Josephs schonende Antwort von der einen Seite, 
Selichas nochmalige Werbung und Josephs erneute Ableh- 
nung von der anderen Seite. Zesen kann Josephs Unschuld 
durch die uninteressierte Nitokris erweisen lassen und be- 
darf daher dieser Briefe nicht. Von Sefiras erneuter, episch 
mitgeteilter Abweisung kann er* sofort zu ihrem Anschlag, 
Joseph zu vergiften, und wie dieser Plan verraten ward, 
übergehen, ohne die Aufmerksamkeit des Lesers allzusehr 
auf das Gegenspiel zu lenken. Grimmeishausen motiviert 
den Verrat der Kammerzofe an Selicha besser, indem er die 
von Asaneth schon vorher bestochenen Mädchen Josephs 
Antwort nicht, wie sie sollen, an Selicha, sondern an Asa- 
neth bringen läßt und auf diese Weise das Interesse der 
spielenden Partei an den Begebenheiten des Gegenspiels als 
Verbindungsmittel benutzt. Dadurch bleibt Asaneth im 
Vordergrunde, und die Gegenpartei Selicha wird nur in der 
Auffassung der dem Leser interessanteren Partei gezeigt. 



1) Keller IV, 778, Z. 14. Assenat, S. 147. 



— 118 — 

Grimmelsbausen hebt also durch die Briefe Selicbas und Jo- 
sephs das Gegenspiel stärker hervor als Zesen, ordnet es aber 
trotzdem den Hauptpersonen unter und motiviert den Verrat der 
Kammermädchen besser; Zesen dagegen ist feiner durch die 
Spaltung der weiblichen Hauptfigur in Asenath und Nitokris. 

Während der in dritter Person erzählte Roman einen 
Brief in Entstehung und Wirkung verfolgen kann, in- 
dem er mit dem Brief zugleich vom Schreiber auf den 
Empfänger übergeht und so Spiel und Gegenspiel ver- 
knüpft, ist der Ichroman in diesem Punkte eingeschiünkt: 
der Erzähler ist entweder Schreiber oder Empfänger; nur 
die Entstehung oder nur die Wirkung eines Briefes kann 
gezeigt werden. Diese Einseitigkeit konzentriert freilich das 
Interesse des Lesers auf den Erzähler. 

Der pikarische Roman zeigt denn im allgemeinen Briefe 
auch nur von einer Seite. Wenn Guzman in Florenz durch 
ein Blatt seiner Geliebten um ein Stelldichein zu wichtigen 
Aufklärungen gebeten wird, so erkennt man von dem, was 
in der Schreiberin bei der Abfassung der wenigen Zeilen 
vorgegangen ist, nur die Größe der Erregung und muß aus 
dem Zusammenhange auf deren besondere Beschaffenheit 
schließen^). Ebenso steht es mit dem Briefe an Buscon, 
worin sein Onkel ihm den Tod seines Vaters berichtet*) 
Hier muß sogar der Schreiber noch mit einigen Worten 
dem Leser bekannt gemacht werden, so wenig weiß man 
von seiner Stimmung beim Schreiben. 

Wollte ein Autor auch die andere Seite zeigen, so 
mußte in den Brief selbst seine Entstehungsgeschichte ver- 
flochten sein, oder man mußte zum Mittel der Korrespon- 
denz greifen. Dies verwendet Grimmeishausen bei dem 
Briefwechsel zwischen dem Pfarrherm imd Simplicius nach 
dem Speckdiebstahl.^) Dadurch, daß mit diesen Briefen der 



^) Histoire de Padmirable Don Guzman d' Alfarache Paris 1695, 
Bd. 3, S. 66. (Übersetzung von Bremond.) 
*) Historia del Buscon I, 7. 
«) Simpl. n, 31. 



— 119 — 

Speckdiebstahl, wie schon erwähnt, erst seine Harmlosigkeit 
und seinen Übermut erhält, dienen sie der Stimmung. In- 
dem Grimmeishausen sie aber nebeneinander stellte, zeigt 
der zweite Brief die Wirkung des ersten und zugleich seine 
eigene Entstehung. Auf eine Schilderung der Empfindungen 
Simplicius' beim Empfang des pfarrherrlichen Schreibens 
verzichtet Qrimmelshausen. Die Entstehungsgeschichte des 
ersten Briefes tut er mit wenigen Worten ab, sodaß die Per- 
son des Erzählers nicht noch besondei'S hervortritt. 

Weit schwieriger war die Gruppe in der ersten Novelle 
des Vogelnestes 11 zu bearbeiten. Hier handelte es sich 
darum, einen durch Zufall in falsche Hände geratenen Brief- 
wechsel aus der Erzählung in dritter Person in die Ichform 
überzuführen, und dazu kam noch die ünsichtbarkeit des 
einen Schreibers als erschwerend. 

Stilistisch schließen sich diese Briefe im Vogelnest H 
an die Art der damaligen Zeit an.^) 

Auch Grimmeishausen liebt es, wenn irgend Grund da- 
zu vorhanden ist, seine Briefe zu stilisieren. Gibt er doch 
damit bereits eine Charakteristik und bereitet die Situation 
vor. Solche Briefe sind stets im offiziellen Stil der Be- 
hörden für den Verkehr untereinander verfaßt^), der dem 
ehemaligen Sekretär aus eigener Übung bekannt sein mußte. 
Im allgemeinen sind die Briefe und ihre wörtliche Mit- 
teilung wohlmotiviert, nur der Brief vom Kommandanten 
des „vesten Rattennestes" an den Grafen von der Wahl 
macht eine Ausnahme.*) Simplicius kann diesen Brief nicht 
kennen, da er weder Schreiber noch Empfänger ist, und 
sein ganz unwichtiger Inhalt hätte sich wohl in einen 
Satz zusammenfassen lassen. Es bleibt nur die Annahme, 
daß Grimmeishausen aus Freude an einem wohlstilisierten 
Schreiben und in Erinnerung an tatsächliche Ereignisse den 
Brief nicht habe unterdrücken wollen. 



^) Steinhausen, Geschichte des deutschen Briefs II, 1891, S. 55 f. 
«) Steinhausen II, 67. 
•) Simpl. ni, 10. 



— 120 — 

Alle Briefe im Simplicissimus wie in den Romanen 
der Zeit überhaupt werden textlich eingeführt. Manchmal 
geht im idealistischen Roman dem Wortlaut eines Briefes 
eine vorbereitende Überlegung des Schreibers voran, die in 
einigen Fällen sogar den Wortlaut überflüssig macht ^) 
Wieder einmal bleibt nur die Freude am Brief und an der 
Stilisierung als Grund der Ausführung. Im Gegensatz hier- 
zu unterdrückt Barclai Briefe, deren Inhalt schon aus der 
mitgeteilten Entstehungsgeschichte ersichtiich war.^) 

Ein einziges Mal wird ein Brief ohne textliche Ein- 
führung eingefügt: der Bericht des Schiffskapitäns Jan Cor- 
nelissen über Simplicius* Insel.^) Bloß die Überschrift dient 
hier zur Einführung. Der Fortschritt hierin ist gewaltig; 
zum Briefroman bleibt nur noch ein Schritt. Historisch er- 
klärt sich diese Einführung wohl aus den Briefüberschriften 
im idealistischen Roman, die meist nur Schreiber und 
Empfänger, in der „Rosemund*' jedoch einmal auch den In- 
halt des Briefes angeben: „Des Eiferichs Aus-forterungs- 
brief.*) 

Dies briefliche Eingreifen des Autors selbst in den 
Roman zeigt zugleich, wie sehr der Dichter meinte, die 
Fiktion der Wahrheit seiner Erzählung aufrecht erhalten 
zu müssen. Grimmeishausen muß der Robinsonade wegen 
die Icherzählung aufgeben und den ganzen Roman einführen. 
Durch die nachholende Technik des idealistischen Romans 
kann er sehr wohl die Einführung an den Schluß stellen. 
Aber er scheut sich, selbst vor den Leser zu treten und zu 
berichten: ich habe diese Papiere gefunden, wie es Cer- 
vantes mit dem Don Quixote getan hatte. Vielmehr teilt 
er den aufklärenden Bericht einer bisher ungenannten Per- 
son zu. Erzählte diese mündlich, so würde sich die kom- 



^) Lysander und Ealiste, S. 46 nnd 53. Assenat, S. 50. 

2) Argenis I, 19, S. 111. 

») Simpl. VI, 24. 

*) Rosemund ed. Jellinek, S. 69. 



— 121 — 

plizierte Situation ergeben, daß eine größere Icherzählimg, 
der Boman, in eine kleinere, den einführenden Bericht, 
eingelegt wäre, und das Bild würde noch unwahrschein- 
licher werden, wenn Olivier sein Leben erzählt. Zur Ver- 
meidung solcher Mißstände muß Jan Comelissen als Finder 
des Komans einen Brief schreiben, wohl den einzigen im 
ganzen Eoman, in dem auschließlich zur Handlung Gehöriges, 
die letzten Nachrichten über Simplicius' Leben, nicht durch 
Icherzählung, sondern brieflich berichtet wird. 



IX. 



in gebundener Rede. 

Man kann in den Bomanen des siebzehnten Jahrhunderts 
die Stücke in gebundener Rede scheiden nach reiner Lyrik 
und nach kurzen, spruchartigen Versen. Eine dritte Art, 
die Reiraprosa, findet sich nur ganz vereinzelt, in Zesens 
Assenat an Stellen lebhaftester Darstellung, gleichsam um 
dieser Schwingen zu verleihen.^) 

Rein lyrische Einlagen dienen meist zur Erregung oder 
Verstärkung der Stimmung, sie können aber auch in die 
Handlung eingreifen. Sehr häufig hätte man die Verse 
nicht ausführlich wiederzugeben brauchen, allein die Freude 
an lyrischem Schmuck veranlaßt doch die Mitteilung. Von 
wesentlichem Einfluß hierauf ist die lyrische Begabung der 
Autoren. Opitz, sich fühlend als Lyriker und Verskünstler, 
fand in seinen Übersetzungen der „Arcadia" und der „Ar- 
genis" genug Gelegenheit seine Stärke zu zeigen. Zesen 
unterdrückt Lieder und Verse nur in „Lysander und Kaliste*' 
und wohl unter dem Einfluß der Vorlage. Der „Bosemund" 
gibt er außer vielen Einlagen auch einen langen poetischen 
Anhang bei, und auch in der „Assenat" bringt er zahlreiche 
Verse an. Auch Kindermann, der gleichfalls als Lyriker 
tätig gewesen ist, schmückt die „Nisette" mit lyrischen 
Gedichten. 

Der pikarische Boman ist seiner realistischen Natur 
entsprechend ärmer an Verseinlagen als der idealistische, 
obgleich die spanische erzählende Prosa zur Verwendung 



1) Assenat, S. 23. 44. 58. 96. 



— 123 — 

von Lyrik neigte. Die Bearbeiter strichen häufig noch die 
vorhandenen Lieder oder kürzten sie, wie z, B. D'Ouville, 
der in der „Gardufia" nur ein stark gekürztes Lied stehen 
ließ.^) Stimmungslyrik ist selten im pikarischen Roman; 
meist sind die Verse satirischen Inhalts oder beziehen sich 
auf die Handlung. Auch dann wird nur das unbedingt 
Notwendige mitgeteilt. So gibt Quevedo im „Buscon" von 
einem Liede, das eine komische Verwirrung veranlaßt und 
deswegen für das Verständnis der Szene unentbehrlich ist, 
nur drei Verse.*) 

Unter den idealistischen Romanen sind die pastoralen 
am reichsten an lyrischen Einlagen. Aus der Vorstellung, 
der Tageslauf der Schäfer bestehe wesentlich in Naturgenuß 
und Gesang, folgt, daß die meisten Lieder der Stimmung 
dienen, während nur selten auch die Handlung durch Lieder 
wirklich einen Fortschritt erfährt. Das Überhandnehmen 
solcher Stimmungsmalerei führte leicht zur Eintönigkeit, da 
sich Elegisches oder Idyllisches vag wiederholte, und man 
sieht deshalb in einzelnen Romanen, wie „Argenis" und „Stra- 
tonica", auch Gedichte unterdrückt und ihren Inhalt nur an- 
gedeutet.^) Wohl nach dem Vorgange der „Arcadia", die reich 
an Liedern und Gedichten war, ja am Ende des ersten 
Buches sogar lyrisch -dialogische Eklogen brachte, fügte 
Zesen auch seinem Schäferroman „Rosemund" mancherlei 
Lyrik ein. Hier konnte er seiner lyrischen Neigung freien 
Lauf lassen. Für seinen Erstlingsroman, die Bearbeitung 
von D'Audiguier's „Lysander und Kaliste", fand er wenig 
Lyrik im Original vor. Aber mit der „Assenat" schritt er 
auf der in der ,,Rosemund" betretenen Bahn fort. Die dort 
ausführlich wiedergegebene Lyrik, wie das Chorlied zur Feier 
von Josephs Ernennung zum Schalikönig — Zesen teilt sogar 
die Noten mit*) — dient lediglich als Schmuckstück. Ähn- 



1) La Fouyne de Seville, Paris 1661, 8. 263. 
*) Historia del Bascon, II, 9. 
«) Stratonica, S. 68. Francion, 8. 146. 329. 
*) Assenat, S. 178, auch S. 245. 



— 124 — 

lieh verfuhr Kindermann in der Nisette mit dem Gesang der 
Studenten von Panormus. Nicht immer ist solche derStimmung 
dienende Lyrik genügend motiviert. Man hat besonders im 
Schäferroman manchmal den Eindruck, als teilten die Ver- 
fasser einer Figur nur deshalb ein Lied zu, v^eil sie als 
Schäfer doch auch einmal singen müßte; so in der „Arcadia" 
am Ende des dritten Buches oder in der „Rosemund'' das 
Lied des erzählenden Dieners '). Anstatt diese Texte aus- 
führlich wiederzugeben, hätte die Bemerkung genügt, daß 
ein Lied von einer gewissen Stimmung gesungen wurde. 

Näher lag es schon, Lieder mitzuteilen, die in den 
Gang der Handlung eingriffen. Hierbei wiederholt sich 
mehrfach ein Motiv : das Lied dient zum Wiederfinden und 
Wiedererkennen zweier Personen. Lysander und Kaliste 
finden und erkennen einander durch ihren Gesang^). In 
der „Nisette" trifft Artafernes einmal mit seinem Bruder Ni- 
sander und ein anderes Mal mit seiner Geliebten, Nisette, 
durch den Gesang zusammen.*) Assarini, der im ,.IJ)emetrius" 
den Silander „öfftermals von der Wollust seiner vergangenen 
Buhlschaft"*) singen läßt, ohne diese Lieder wiederzugeben, 
unterdrückt doch eines nicht, das zur Erkennung zwischen 
Silander und Lerilla führt.*) 



Der Zweck der kürzeren, spruchartigen Verse im idea- 
listischen Komane ist meist, den Inhalt gegen die Prosa ab- 
zuheben und eindrucksvoller zu gestalten. Deshalb werden 
Inschriften, Orakel und Ähnliches gewöhnlich in Versen mit- 
geteilt. In der „Nisette" unterbricht Kindermann die Prosa 
sogar durch einen zweizeiligen gereimten Ausruf des Arta- 
fernes, lediglich zur wirksamen Hervorhebung des Namens 



^) E,08emnnd ed. Jellinek, S. 90. 

*) Lysander und Kaliste, S. 412. 

») Nisette I, 1, S. 4-6, I, 9, S. 101—103. 

*) Demetrius, S. 112. 

») Demetrius, S. 116. 



— 125 — 

Nisette^), und auch die ermutigenden Worte des Gespenstes 
sind in Versen abgefaßt.*) Eine Ausartung dieser bei 
Kindermann schon weitgehenden Technik ist es, wenn er 
gar Pasimethes den widrigen Wind in einem fünfstrophigen 
Gedicht beschwören läßt.*) Zesen überträgt die Bilder- 
gedichte in den Roman. An den Gemälden in dem weit- 
läufig beschriebenen Saal der Ludwihche sind umfangreiche 
Gedichte als Inschriften angebracht.*) Offenbar sind sie für 
Zesen die Hauptsache, und nicht nur die Beschreibung des 
Saales, sondern weit mehr noch der Gang der Erzählung 
tritt völlig zurück. 



Grimmeishausens praktischer Natur entspricht die Ver- 
wendung von Lyrik nur wenig. Mit selbständigen Vers- 
dichtungen ist er gar nicht hervorgetreten. Auch da, wo 
seine Romane Gelegenheit zur Entfaltung lyrischen Natur- 
gefühls geben, verzichtet er auf Verse. So schildert er in 
den Einsiedlerszenen des „Simplicissimus" kräftig und einfach 
das schlichte, naturgemäße Leben des Eremiten und seines 
Zöglings. Dabei versteht er jedoch von . stimmungsvollen 
Naturbildem geschickt Gebrauch zu machen. Wenn den 
Simplicius die ländliche Schönheit seiner Frau entzückt, 
sieht er sie zuerst im Rahmen einer freundlichen Land- 
schaft*) Die Bekehrung des unsichtbaren im ersten Teil 
des „Vogelnestes'' findet gleichfalls unter dem Eindruck der 
Naturbeobachtung statt*); und wenn Simplicius am Anfange 
des sechsten Buches sein Einsiedlerleben beschreibt, so 
schildert er den Blick von seiner Waldhöhe, der ihn zu- 
erst wieder an die Welt und ihre Lust gemahnt habe.') 

') Nisette I, 1, S. 6. 

») Nisette III, 1, S. 242. 

») Nisette III, 4, S. 296. 

*) Rosemnnd ed. Jellinek, Bnch 3, S. 112. 

») Sünpl. V, 7. 

•) Vogehiest I, 20, Kurz III, S. 422 f. 

T) Simpl. VI, I. 



— 126 — 

Mit Versen dagegen ist Grimmeishausen in seinen 
Werken nicht verschwenderisch. Als sicher von ihm her- 
rührend darf man wohl nur die Verse ansehen, die er seit 
1671 als Kapitelüberschriften im Simplicissimus und als 
Bilderunterschriften anwendet, sowie die Verse zu den 
Bildern der „Gaukeltasche". Von den in den Gesamtaus- 
gaben als Kapitelschlüsse hinter die angehängten Moralin 
sationen gesetzten derben Versen weichen die obenerwähnten 
so sehr ab, daß man für jene wohl auf einen anderen Ver- 
fasser schließen darf. Grimmeishausens Verse sind hart 
und scheinen, wie schon Gervinus bemerkt^), den Einfluß 
Opitzischer Reform nicht erfahren zu haben. Selbst im 
sechzehnten Jahrhundert würden wohl Verse wie: 

Simplex vom Mann, der Geld giebet, berichtet, 
Was er dem Schweden vor Kriegsdienst verrichtet*) 

übel aufgefallen sein. Die Verse der Gaukeltasche sind 
etwas ausgeglichener und besser gefeilt als die Kapitel- 
überschriften, aber immer noch reich an Härten. Diese 
Proben zeigen wohl, daß Grimmeishausen zum lyrischen 
Dichter die Beherrschung der Verskunst fehlte. 

Dem entspricht vollständig, daß Grimmeishausen in 
seine Schriften weit mehr fremde als eigene Verse ein- 
streut. Nur zwei wirkliche Lieder teilt er im Simplicissi- 
mus ausführlich mit; von einigen anderen zitiert er Bruch- 
stücke. Die beiden Lieder sind im ersten Buche das von 
Simplicius beim Schafhüten gesungene Lied über den 
Bauernstand*) und das seit Tieck und Brentano berühmte, 
auf die Melodie des „Morgensterns" gedichtete „Komm Trost 
der Nacht, o Nachtigall".*) Dieses hat, wie schon Keller er- 
mittelte, Nicolai zum Verfasser.*) Das andere teUt mit den 
drastischen erst 1671 aufgenommenen Strophen, die Sim- 

1) Geschichte der deutschen Dichtung, 5. Aufl. 1872, III, 492. 

*) Sünpl. II, 4. 

») Simpl. I, 3, S. 12, Z. 17. 

*) Simpl. I, 7, S. 21, Z. 20. 

») Keller IV, 930. 



— 127 — 

plicius beim Kampf gegen die Läuse siagt^), das Schicksal, 
von den Herausgebern der Gesamtausgabe durch weitere 
Strophen ergänzt zu sein. Diese Zusätze stimmen in Stil 
und Ton so gut zu den von Orimmelshausen gegebenen 
Versen, daß man ihm wohl auch diese beiden Lieder nicht 
zuschreiben darf. Die Vollständigkeit und Reihenfolge der 
Strophen bleibt bei dem zweiten Liede freilich noch fraglich. 

Grimmeishausen ist ferner so sparsam wie möglich in 
der Mitteilung. Nicht ganze Lieder, sondern nur einzelne 
Strophen bietet er. Er charakterisiert die Stimmung nicht 
mehr, als die Handlung verlangt. Die beiden Lieder im 
ersten Buch stehen in der idyllischen Partie des Werkes, 
und ihre Stellung kann wohl auf den Schäferroman zurück- 
gehen. Singt doch Simplicius das Lied vom Bauernstand 
geradezu in seiner Eigenschaft als Hirt „Komm Trost der 
Nacht, Nachtigall" ist an einer Stelle eingeschoben, die 
die Wekflucht und die Rückkehr zur Natur darstellt, wie 
sie auch der SchäfeiToman zeigen möchte. Zwischen Grim- 
melshausen und Nicolai steht freilich als Bindeglied noch 
Kindermanns „Nisette", der ja die Figur des Einsiedlers ent- 
stammt. Auch der verirrte Ritter zu Anfang der „Nisette" 
singt ein längeres Lied, und vielleicht sollte gar ursprüng- 
lich auch das „Komm Trost der Nacht^' wie das Lied in 
der „Nisette" zu einer Entdeckung führen: Simplicius und 
der Einsiedler würden sich durch diesen Gesang gefunden 
haben. Das Lied wäre dann weit enger als heute mit der 
Handlung verknüpft 

Das Lied vom Bauernstand greift dadurch in die Hand- 
lung ein, daß der Gesang des Knaben die Reiter herbei- 
lockt und damit den Überfall auf den Hof de&-Knän ver- 
anlaßt Die Krieger unterbrechen Simplicius' Gesang gerade 
bei einer Strophe über den „bösen Brauch der Soldaten". 
Die Herausgeber haben also mit ihrer Ergänzung - in den 
Gesamtausgaben Grimm elshausens Absichten verkannt 



>) Simpl. n, 28. Kurz S. 220. 



— 128 — 

2wei andere Lieder erwähnt Grimmeishausen, ohne sie 
mitzuteilen.^) 

Die beiden wiedergegebenen Lieder sind sorgfältig ein- 
geführt. Ausdrücklich wird erwähnt, daß Simplicius sie 
auswendig weiß. Das Lied vom Bauernstand hat ihn seine 
Mutter gelehrt, das geistliche Lied des Einsiedlers hat der 
Knabe, wie er sagt, später ebenfalls gelernt. 

Wie der idealistische Roman hat auch Grimmeishausen 
Orakel und Inschriften durch die Versform vor der Prosa 
ausgezeichnet. Meist sind es nur kurze Zweizeiler in der 
Art der Kapitelübei'schriften, bei denen man, da sie ganz 
für den Zweck des Romanos zugeschnitten sind, eher als 
bei den Liedern auf Grimmeishausens Verfasserschaf t schließen 
darf. Im Joseph und im Musai finden sich zwei Prophe- 
zeiungen.^) Sonst hat Grimmeishausen eine Vorliebe für 
Grabschriften. Ob er diese Neigung von Moscherosch über- 
nommen hat, der in „Hans hinüber, Gans herüber'' eine Reihe 
von Grabschriften mitteilt'), muß dahingestellt bleiben. Jeden- 
falls veranlaßt ihn die auffallende Vorliebe sogar zu Weite- 
rungen. Er teilt z. B. im Vogelnest IE die Geschichte eines 
tapferenHolländers mit, nur um seine Grabschrift anzubringen, 
von der er öagt, sie klinge niederdeutsch weit schöner.*) Femer 
findet sich im Druckfehlerverzeichnis von F., der Ausgabe des 
sechsten Buches von 1669, eine Grabschrift auf M. Canard, die 
Grimmeishausen nicht zu unterdrücken vermochte.*) Auch ist 
weder für den Gang der Handlung noch für die Charakteristik 
erforderlich, daß Simplicius dem geizigen Dragoner und dem 
Schiffszimmermann Grabschriften verfaßt.®) Sie sind wie die 
anderen wohl nur aus Freude an dieser Art Poesie mitgeteilt, 
zumal da sie alle in humoristischem Tone verfaßt sind. 



») Simpl. IV, 1, S. 290, Z. 4 und VI, 6, S. 493, Z. 37. 

*) Joseph, Kap. 10, Keller IV, 777, Z. 30 u. Musai, Kap. 5, S. 899. 

») Bd. n, S. 238ff. 

*) Vogelnest 11, 24. Kurz IV, 181, Z. 10. 

«) Kurz II, 363. 

•) Simpl. II, 29, S. 185, Z. 15; VI, 22, S. 566, Z. 18. 

o 



Anhang. 

Träume. 

Außer den besprochenen moralisierenden und belehren- 
den Partien hat Grim nielshausen um seine Ideen zusammen- 
hängend mitzuteilen noch eine dem pikarischen Roman bis- 
her fremde Form verwendet, die des Traumes. Wir haben 
oben^) schon einen inhaltsreichen Traum kennen gelernt 
und seine Stellung im Simplicissimus sowie seine Herkunft 
untersucht. Hier soll nun weiter dargetan werden, welche 
Stellung Grimmeishausen sowohl zur bisherigen Art der Ver- 
wendung von Träumen im Roman überhaupt wie auch zur 
umfangreichen selbständigen Visionsliteratur des 17. Jahr- 
hunderts einnimmt. 

Wir müssen scheiden zwischen symbolistischen Träumen, 
Erscheinungen, die einen auf die Handlung bezüglichen Auf- 
trag übermitteln, und Gesichten, die ohne bestimmten Einzel- 
zweck moralische oder belehrende Tendenzen verfolgen. 

Die ersten beiden Arten sind namentlich im idealistischen 
Roman vertreten, die dritte war bisher nur selbständig auf- 
getreten und höchstens zu Gruppen zusammengefaßt worden. 

Die symbolistischen Träume des idealistischen Romans 
dienten im wesentlichen zur Andeutung ganz bestimmter 
späterer Einzelereignisse. Charakteristisch für sie ist, daß 
in ihnen Handlungen unter allerlei Bildern dargestellt w^erden, 
ohne daß dazu gesprochen wird. Da die angedeuteten Er- 
eignisse des Romans gewöhnlich dem Traume bald folgten. 



1) S. o. S. 58-60. 

Palaestra LI. 



— 130 — 

so beraubte man den Leser meist nicht durch eine Aus- 
legung der Freude des Herausfindens symbolischer Zusammen- 
hänge. Im Josephstoff, den Grimmeishausen und Zesen 
romanhaft behandeln, paßten die zahlreichen Träume der 
biblischen Überlieferung sehr gut zum Stil des idealistischen 
Romans. Beide Bearbeiter beschränkten sich indes darauf 
nicht, sondern fügten noch Träume hinzu, Grimmeishausen 
einen Traum Rubens'^), Zesen eine Traumgruppe der Nito- 
kris, Semesse und Assenat*), sowie zwei Träume Josephs.^) 

Zesen hatte die Paarung von Träumen in der biblischen 
Darstellung wohl erkannt: die beiden Träume Josephs stehen 
in Parallele, ebenso die Träume des Bäckers und des Mund- 
schenken und die beiden Träume Pharaos. Deshalb faßte 
auch Zesen mehrere Träume zusammen, band sich aber 
nicht an die Zweizahl, sondern ließ drei interessierte Per- 
sonen träumen: Nitokris, Semesse und Assenat, inhaltlich 
vei*schieden, der Bedeutung nach verwandt. 

Die sonst nicht häufigen Auslegungen brachte im Joseph 
die biblische Überlieferung mit sich, und gerade sie spielen 
eine wichtige Rolle in dem Stoffe. Kommt doch Joseph 
durch seine Traumdeutung zu hohen Ehren. Die beiden 
deutschen Bearbeiter verfahren hier nicht gleich. Während 
Zesen sich für die Auslegung der beiden Träume Josephs 
an die Bibel anschließt, läßt Grinimelshausen sie durch 
Jakob, im Gegensatz zur Deutimg durch die Brüder, auch 
noch wohlwollend auslegen, natürlich ohne in Widerspruch 
mit dem weiteren Verlauf der Erzählung zu geraten.*) Zesen 
neigt überhaupt nicht zu vielen Auslegungen, und deshalb 
bleiben Josephs spätere für jeden mit der Bibel bekannten 
Leser verständlichen Träume ungedeutet. Nur der nach 
biblischem Vorbild hinzu erfundenen Traumgruppe gibt Zesen 

1) Keuscher Joseph ed. Keller IV, ö. 719. 
>) Assenat, S. 82 n. 92. 
3) Assenat, S. 184 u. 329. 

♦) Keuscher Joseph ed. Keller IV, S. 718 u. 720. Vgl. Bober- 
tag, Geschichte des Romans IIa, S. 16. 



— 131 — 

eine Deutung. Die beiden ersten Träume deuten Semesse 
und Nitokris sich zum Teil sofort, und Joseph gibt die Be- 
stätigung; den Traum Assenats deutet Joseph selbständig. 
Dadurch erreicht Zesen, daß zwar Nitokris und Semesse die 
Beziehung der Träume auf Joseph und Assenat erfahren, 
diese beiden selbst aber nicht. 

Traum und Erfüllung brauchen in den Bearbeitungen 
des Josephstoffes nicht so nahe zusammengerückt zu werden, 
da der Gegenstand allgemein bekannt war. 

Die etwas seltenere Art der Erscheinungen bedurfte 
keiner Auslegung. In ihnen wurde mit Worten gesagt, was 
die symbolischen Träume nur andeuten konnten. Auch von 
dieser Art finden sich Beispiele im Josephstoff. Die bibli- 
sche Geschichte überlieferte den von beiden Bearbeitern 
übernommenen Traum 'Jakobs auf seinem Zuge nach Egypten.^) 
Zesen fügte noch ein Gesicht der Assenat auf ihre Bekehrung 
hinzielend hinzu; streng genommen kein Traum, da Assenat 
nicht schläft. Joseph erscheint ihr als „ein Fürst des Hauses 
Gottes und ein Herzog der Heerschaaren des Herrn" und 
nimmt die zu seinem Glauben Bekehrte als Braut an.^) 
Grimm eishausen, der ja die symbolistische Auslegung der 
beiden Träume Josephs so geschickt zu behandeln wußte, 
bevorzugt doch die Erscheinungen, vielleicht weil sie seinem 
klaren Sinne durch unzweideutige Verständlichkeit mehr zu- 
sagen. Immerhin geht er auch mit ihnen sparsam um. Die 
Quelle von Dietwald und Amelinde, das Meisterlied vom 
Grafen von Safoi, legt es mindestens nah, dem Liebespaare 
den Auftrag zur Bußfahrt durch eine Erscheinung mitteilen 
zu lassen. Wenn dort der Graf und die Gräfin auf dem 
Nachtlager im Gespräch über ihr unvergleichliches Glück 
durch eine Stimme unterbrochen werden, die sie auf zehn 



*) Assenat, Buch VI, S. 283 und Keuscher Joseph, Kap. 16, 
Keller IV, S. 845. 

2) Assenat, Buch V, S. 211. Bobertag (Geschichte d. Rom. II, 
S. 87) weist mit Recht daraufhin, daß sich dieser Traum durch 
den Parallelismus der Glieder stilistisch eng an die Bibel anschließt. 

9* 



- 132 — 

Jahre ins Elend schickt, so verzichtet Grimmeishausen auf 
alles Traumhafte. Bei ihm verkündet dem im Gartea lust- 
wandelnden Paar ein plötzlich erscheinender Bettler den 
Befehl Gottes. Diesem schenkt Dietwald einen später zur 
Wiedererkennung dienenden Ring, was natürlich bei einem 
im Traume erscheinenden Engel unmöglich gewesen wäre. 
Grimmeishausen opfert also der Anagnorisis einen Traum. ^) 

In Proximus und Lympida verzichtet er auf einen Traum, 
um Wiederholung zu vermeiden. Nur Proximus wird durcli 
einen nächtlichen Traum zum frühen Kirchgang veranlaßt, 
nicht aber Lympidas Eltern, die vielmehr im Gespräcli 
während einer schlaflosen Nacht den Kirchgang beschließen.*) 
Die ganz kurze Darstellung der Geschichte von Proximus 
und Lympida im Ratstübel Plutonis streicht auch noch den 
Traum des Proximus.^) 

In der Messiasgeschichte des Vogeluests II boten die 
Quellen*) bereits einen fingierten Traum. Je nachdem der 
Verführer sich im Einverständnis mit dem jüdischen Mäd- 
chen befindet oder nicht, wird die Verkündigung des Messias 
entweder ihr selbst oder ihrem Vater zuteil. Grimmeishausen 
verfährt hier ganz selbständig: obgleich Esther nicht im Ein- 
verständnis mit dem Unsichtbaren ist, wird nicht sie auf 
den Messias vorbereitet, sondern ihr Vater, der ihr dann 
seinen vermeintlichen Traum erzählt.*) Ein zur weiteren 
Vorbereitung Esthers bequemer Traum des Mädchens findet 
sich nicht. Vielmehr läßt Grimmeishausen den trotz seiner 
sorgfältigen Vorarbeiten noch mißtrauischen Unsichtbaren 
am Tag vor der Verfülirung in Eliezers Behausung umher- 
schleichen, um sich von der gefahrlosen Lage zu überzeugen.**) 

*) Siehe Stilgebauer, S. 47, dazu Dietwald und Amelinde, 
B. II, Kap. 2. 

*) Proximus und Lympida, B. VII, Kap. 1. 

3) Ratstübel Phitonis Kap. (j. 

*) Siehe Kurz IV, S. 431 und Tittmann II. S. XXI. - 

»} Vogelnest II, Kap. 15, Kurz IV, S. 111 ff. 

•) Vogelnest II, Kap. 16, Kurz IV, S. 116, Z. 23. 



— 133 ^— 

Der vermeintliche Traum Eliezers ist durchaus in der 
hergebrachten Form gehalten, nur sehr breit ausgeführt. 
Zur besseren Beglaubigung fügt der Unsichtbare noch eine 
Reihe politischer Prophezeiungen an. 



Neben diesen in dem idealistischen Roman vorkommen- 
den Träumen steht eine selbständige reiche Traum literatur 
realistischer Färbung. Sie geht von den „Suenos" des Spaniers 
Quevedo aus, die in La Genestes französischer Übertragung 
die Vorlage für Moscheroschs berühmte Gesichte Philan- 
ders von Sittewaldt wurden.') Diese Traumliteratur ver- 
folgte satirische Zwecke und schon daraus ergab sich ihre 
größere Selbständigkeit. Die Satire schilderte das Leben 
in ausführlichen Darstellungen, die sich sciion ihres Um- 
fanges wegen einem anderen Werke nicht einfügen ließen. 
Wollte man Gesichte im größeren Verbände zeigen, so blieb 
nur übrig, sie, wie Quevedo-Moscherosch tat, zu bestimmten 
Gruppen zu vereinigen. 

Die Zusammenfassung der sieben Gesichte des ersten 
Teils von Moscheroschs Werk erfolgt durch eine Reise nach 
Frankreich, auf welcher Philander nacheinander die sieben 
Gesichte hat. Das erste Gesicht spielt in Nancy, wohin 
Philander „vber den blowen Berg'' reist, wohl ein absicht- 
lich dunkel gewählter Ausdruck für die Vogesen, bei dem 
man auch an Ti'äume denken soll.^) Die folgenden Gesichte 
geschehen nacheinander in Paris, Moulins und Lyon.^) Im 
fünften Gesicht ist Philander schon zurückgekehrt „von 
St. Claude auß Burgund''.'^) Nähere Ortsangabe fehlt, doch 
geht aus dem sechsten Gesicht hervor, daß Philander das 



^} Wirth, Moscheroschs Gesichte Philanders von Sittewalt, 
Erlanger Diss. 1887, S. 24. 

2) Ich benutze das Exemplar der Königl. Bibliothek in Berlin 
der Ausgabe Straßburg 1650, Bd. I. S. lOf. Zu „blowen Berg", vgl. 
(irimms Wörterbuch, Bd 2, Sp. 82 unter blau. 

3) Bd. I, S. 46 f., 107 u. 165. 
*) Bd. I, S. 286 



— . 134 — 

„Letzte Gericht" in Genf sieht*). Das sechste und siebente 
Gesicht erfolgt in Philanders Heimat Sittewaldt*). 

Gesicht 1 bis 3, sowie 6 und 7 weisen ^noch engeren 
Zusammenschluß auf. 

Für die Zusammengehörigkeit der ersten spricht eine 
undatierte Einzelausgabe, die nur diese drei Gesichte um- 
faßt *). Ferner bezieht sich der Anfang des zweiten und 
dritten Gesichts nochmals auf das vorhergehende und bringt 
dann erst die Fortführung der Reise, während die Gesichte 
4 und 5 ohne Beziehung auf das jedes Mal vorhergehende 
Gesicht beginnen, das „Toten-Heer'' sogleich mit der Fort- 
führung der Reise, das „Letzte Gericht" mit einer be- 
sonderen Einleitung. 

Das sechste und siebente Gesicht sind durch eine Ein- 
kleidung noch enger verbunden: beide sind als in Sittewaldt 
aufgezeichnet zu denken. Das sechste Gesicht „hält" Phi- 
lander eben dort*). Am Ende des siebenten Gesichtes ver- 
schwindet plötzlich alles in einem „Nun", und „als ich mich 
umsähe, befände ich mich an dem Ort, da ich noch bin", 
d. h. in Sitte waldt"*). Das siebente Gesicht bezieht sich zu- 
dem zu Anfang noch auf das sechste. 

Die Einkleidung der einzelnen Gesichte ist verschieden. 
Nur im dritten schläft Philander tatsächlich ein®); beim 
ersten ist ein Entschlummern nur angedeutet'); das zweite 
geschieht in tiefem Nachsinnen, „daß ich meines Kopffs fast 
nicht mehr meister, darob gleichsam in einer Entzückung 
lange zeit gelegen"**). Vor den übrigen vier Gesichten fehlt 
die ausdrückliche Angabe einer Entrückung über die Welt. 

1) Bd. I, S. 338. 

2) Bd. I, S. 340. 

^) Wirth, S. 3. Auf der Königl. Bibliothek zu Berlin vor- 
handen. Goedeke verzeichnet diesen Druck nicht. 
*) Bd. I, S. 340. 
») Bd. I, S. 675. 
•) Bd. I, S. 110. 
') Bd. I, S. 11. 
«) Bd. I, S. 49. 



— 135 — 

Ein Wiedererwachen wird ausdrücklich angegeben nach den 
Gesichten zwei bis fünf*). Einschlafen und Erwachen ent- 
sprechen sich also nicht immer. 

Weitaus am einheitlichsten in der ganzen Gesicht- 
literatur ist der zweite Teil der Moscheroschischen Gesichte 
gearbeitet. Die nicht wie im ersten Teil allgemein mensch- 
liche, sondern speziell patriotische Tendenz dieses Teiles 
hat die Erfindung einer ziemlich straff durchgeführten Hand- 
lung veranlaßt. Philander soll sich wegen seines Alamode- 
Wesens vor einem aus germanischen Helden gebildeten Ge- 
richtshof auf der lothringischen Burg Geroltzeck verant- 
worten. Deshalb läßt ihn der Autor sich im Walde verirren 
und durch Pegasus auf die Burg tragen. Diese einmalige 
Entrückung in die Traumwelt genügt dem Autor für den 
ganzen zweiten Teil. Auf der Burg wird Anklage gegen 
Philander im „Alamodekehraus" erhoben und Philander 
durch Urteilsspruch dort festgehalten. Da Expertus Robertus 
für ihn einsteht, erhält Philander die Möglichkeit, alle Vor- 
gänge auf der Burg mit anzusehen. Dadurch können die 
Personen des ersten Gesichts auch in den folgenden weiter 
verwendet werden. Das zweite Gesicht bringt die Figur 
des Mutius Jungfisch, der im fünften Gesicht mit zwei in- 
zwischen hinzugekommenen Personen Don Thraso Barbaviso 
und Don Unfalo wegen der Gesichte des ersten Teils Klage 
gegen Philander erhebt. Sie wird abgewiesen, da die Klag- 
schrift stark mit Fremdworten „beschmitzt" ist. Im sechsten 
Gesicht erfährt Philander durch Expertus Robertus, daß die 
Klagschrift nunmehr „ins Teutsch vbergebracht" sei. Auch 
diese Klage wird im siebenten Gesicht von dem Reformations- 
rat abgewiesen. 

Ferner hat Moscherosch für zeitlichen Zusammenschluß 
gesorgt. An einem Sonntagabend kommt Philander nach 
Geroltzeck, und jedes Gesicht spielt an einem Tage der fol- 
genden Woche, dessen Name jedesmal in der Einleitung 



1) Bd. I S. 106, 158, 277, 329. 



— 136 — 

genannt wird. Nach dem sechsten Gesicht ,,Soldatenleben", 
am Sonnabend wird Philander verwundet in einen Turm 
geworfen, wo er acht Tage bleibt. Dann bringt man ihn 
zu besserer Pflege in ein Stübchen, wo ihn Expertus Ro- 
bertus nach vierzehn Tagen, also drei Wochen nach dem 
Alamodekehraus besucht. Nach abermals zwei Tagen bringt 
Thurnmeyer die Nachricht, daß in einer Woche der Refor- 
mationsrat über Philanders Schriften entscheiden werde. 
„Als die acht Tage auch vorbey", beginnt das letzte Gesicht 
„Reformation'\ 

Wie Moscherosch fassen auch Kindermann und Yeridor 
von Stackdorn ^) Gesichte zusammen. Kindermann vereinigt 
in dem 1661 erschienenen ,,Schoristenteufel" zwei Gesichte 
und gibt aucli 1673 noch einmal einen ganzen Band „neuer 
Gesichter''. Eine dritte Schrift in Traumform „Warhafftiger 
Traum und Träumende Warheit", wie der Alamodekehr- 
aus gegen die Nachahmung französischer Kultur eifernd, 
aber auch nicht ohne politische Seite, erschien selbständig. 
Die sechs Stücke der „Neuen Gesichter" sind freilich ebenso 
selbständig, werden aber doch noch durch Zählung zusammen- 
gehalten. Nur drei davon sind wirkliche Träume, die anderen 
drei bloße Gespräche. Die beiden Gesichte des Schoristen- 
teufels werden durch eine gemeinsame, wenn auch nur karge 
Einkleidung verbunden. Kurandor, wie Kindermanns Pseu- 
donym lautet, und sein Begleiter Mundano finden sich plötz- 
lich vor einem großen elfenbeinernen Tor; „ich weiß nicht 
aus was für Anführung", fügt der Verfasser hinzu, worin 
wohl eine Homerische Reminiszenz zu erkennen ist. Also 
kein Einschlafen, kein tiefes Nachsinnen, kein Verirren, wo- 
durch Kurandor zu seinen Gesichten kommt. Dementsprechend 
kehrt er auch am Schluß des zweiten Gesichts nicht ins all- 
tägliche Leben zurück. Bei beiden Gesichten ist die Dis- 
position als Überschrift vorgedruckt. Im Text wird jede 
von Kurandor neu besuchte Gruppe von Höllenbewohnern 

*) Siehe AlJgemeine Deutsche Biographie, ßd. 35, S. 777. 



— 137 — 

durch ein in die Luft gerufenes Alexandrinerpaar ange- 
kündigt. Der Übergang, vom ersten zum zweiten Gesicht 
vollzieht sich nicht anders als der von einer Gruppe zur 
anderen: die Höllenbesucher schreiten weiter. 

Veridor von Stackdorn wahrt die Traumform weit besser 
in seinen 1664 in Leipzig erschienenen drei Gesichten: 
„Barbatos, das ist der Teuffei der Uneinigkeit", „Eligor und 
Perraalfar, das ist der Soldaten und Verzweiflungs-Teuffel" 
und „Belfry^), das ist der Goldmacher Teuf fei". Er faßt die 
drei Gesichte zusammen. Im ersten entschläft er, ähnlich 
wie Philander im sechsten Gesicht des ersten Buches, in 
einer schönen Landschaft. Nun folgt ein merkwürdiger 
Zug. In nicht ganz klarem Deutsch erzählt Veridor, daß 
sein Leib, nachdem die Seele im Traum sich aus ihm ent- 
fernt, verschwunden sei, und da man ihn ertrunken ge- 
glaubt, habe man eine im Wasser gefundene Leiche an 
seiner Stelle begraben. Mit der zu dieser Leiche gehörigen 
Seele trifft Yeridor im Traum zusammen, und sie weist ihn 
an Barbatos, den sie erwartet. Dies auffallende Hineinziehen 
des Todes geht vielleicht auf ein den Gesichten ähnliches 
Werk des sechzehnten Jahrhimderts zurück. Auch der „Ge- 
treue Eckart'' von Bartholomäus Ringwalt wird begraben, 
aber nur scheintot, und während der Starre führt ein Engel 
seine Seele durch Himmel und HöUe. 

Veridor durchwandert im Träum die Gebiete der auf 
den Titeln genannten Teufel. Beim Übergang von dem 
Reich eines Teufels zum andern, d. h. am Ende des ersten 
und zweiten Gesichtes, verläßt die Seele zwar die Hölle, 
bleibt aber ina Traum befangen. 

Grimmeishausen beteiligt sich an der Gesichtsliteratur 
mit drei Schriften, der „Traum Geschieht von Dir und Mir'* 
der ,,Reise in die Neue Oberwelt des Monds", beide 1660 



>) Diese sowie andere bei Stackdorn vorkommende Teufels- 
namen entstammen der Liste, die Moscherosch nach Jakob Ayrers 
Processus juris in der „Hof schule" gibt (Bd. I, S. 657 ff.), auffallender- 
weise nur den Anfang dieser Liste. 



— 138 — 

erschienen und mit der „Verkehrten Weit". Er bringt in 
die Traumliteratur den Humor als einen neuen Zug. Schon 
vorher hatte eine 1647 o.O. erschienene Broschüre „Philander 
von Sittewald Holländische Sybille Jetzigen Zustand des 
Reichs und dessen Friedens Handlungen betreffend aus der 
Holländischen in Hoch Teutsche Sprache versetzet"^), eine 
Verschmelzung der Sibyllen -Weissagung mit der Mode- 
form des Gesichts, in der Einleitung eine humoristische 
Szene angebracht. Allein ihr weiterer Inhalt war ebenso 
ernst wie die Gesichte Moscheroschs und seiner Nachfolger. 
Auch bei Moscherosch finden sich wohl vereinzelte komische 
Partien, wie das Examen des Mutius Jungfisch in „Hans 
Hinüber, Gans Herüber", aber die starke patriotische Ten- 
denz der „Straffschrifften", wie Moscherosch die Gesichte 
seit 1650 nannte, läßt den behäbigen Humor harmloser Art 
nicht aufkommen. 

Grimmeishausen dagegen faßte den gesamten Inhalt 
seiner in Traumform gekleideten Werke humoristisch und 
ist sich dieser Neuerung durchaus bewußt; denn er ver- 
teidigt sie in einem Anhange zur ,,Traum Geschieht von 
Dir und mir".*) 

Die beiden 1660 erschienenen Gesichte Grimmeishausens 
sind zwar in einem Bande vereinigt, werden aber nicht 
enger zusammengeschlossen. Im Gegenteil differenziert 
Grimmeishausen die Einkleidung. In der „Traum Geschieht" 



^) In einem Sammelband der Königl. Bibliothek zu Berlin 
(Fi. 2901) Bei Goedeke nicht erwähnt. Der Stil dieses Werk- 
chens ist in der Einleitung und am Schluß kräftig und bilderreich, 
dem Moscheroschs und besonders dem Grimmeishausens vergleich- 
bar, ja man könnte nach der Einleitung fast den Übersetzer der 
Broschüre in Grimme! shausen vermuten, der die Form der Sibyllen- 
weissagung durch Hinzufügen von Einleitung und Schluß, sowie 
durch das merkwürdige Umkleiden des Höllenführers Morpheus 
in Sibylle zu einem Gesicht umgewandelt hätte. 

») Gesamtausgabe 1695, Bd. III, S. 592. Ich benutze für die 
Grimmelshausenschen Gesichte den dritten Band der Gesamtaus- 
gabe von 1695. 



— 139 — 

spricht er gleich zu Anfang davon, daß er gern schlafe, und 
fährt dann fort, er sei vor drei Tagen schlafen gegangen^). 
Die nächsten Worte schon leiten in den Traum selbst über. 
Das Erwachen wird durch das beginnende Geräusch von 
Kutschen und Pferden nach zwölfstündigem Schlaf verr 
anlaßt^) Die Beschreibung der Keise in die „Neue Ober 
weit des Monds" dagegen erzählt nichts vom Einschlafen: 
„Ich begäbe mich demnach auf die Keise nach dem Mon- 
land zu, ob ich gefahren, geritten, gesegelt oder gangen, 
dessen kan ich mich nicht wohl mehr erinnern. Ist mir 
auch nicht gelegen, einem jeden zu sagen, wie ichs ge- 
macht."^) Durch diese humoristisch polternde Einleitung 
spart Grimmeishausen für den Leser als Überraschung die 
Mitteilung auf, daß das Ganze ein Traum gewesen sei. Auch 
das Erwachen wird humoristisch behandelt und motiviert.*) 

Das Gesicht „die verkehrte Welt" ist ganz selbständig. 
In der Einkleidung nähert es sich dem dritten der „Neuen 
Gesichter" Kindermanns: beidemale versinkt der Träumer 
in die Erde. Da aber Grimmeishausens Schrift ohne Jahres- 
zahl erschienen ist, kann man nicht sagen, ob er Kinder- 
mann benutzt hat oder nicht, dessen „Neue Gesichter" 1666 
entstanden, aber erst 1673 erschienen sind.**) Die „Ver- 
kehrte Welt" ist jedenfalls nicht vor 1672 gedruckt, denn 
der Träumer kehrt durch die erst in diesem Jahr entdeckte 
Baumannshöhle an die Oberfläche zurück. Man darf also 
nur sagen: Kindermann kann das Motiv des Versinkens 
nicht von Griramelshausen haben, wohl aber ist der umge- 
kehrte Fall möglich. 

Ein umfangreiches Gesicht nimmt Grimmeishausen in 
das sechste Buch seines Simplicissimus auf®). Es ist eine 



1) Ges. Ausg., Bd. in, S. 563 ff. 

*) Ges. Ausg., Bd. lU, S. 592 u. 565. 

3) Ges. Ausg., Bd. III, S. 601. 

*) Ges. Ausg., Bd. III, S. 624. 

••*) S.Kawerau in Geschichtsblätter f. Magdeb., Bd. 27, 1892,8.217. 

«j Simpl., Bd. IV, Kap. 2—8. 



— 140 — 

vollständige Höllen- und Teiifelsvision, was uns da in Sim- 
plicius' Traum vorgeführt wird. Simplicius' Betrachtungen 
über Geiz und Verschwendung sind der Ausgangspunkt 

Der allzu umfangreiche Traum unterbricht die Erzäh- 
lung durch sieben Kapitel; allein bei dem lockeren Bau 
des ganzen sechsten Buches macht sich die Unterbrechung 
weniger fühlbar. Auch liegt gerade in diesem scheinbar 
fremden Zug ein Fortschritt der Handlung. Grimmelshauseii 
greift hier zu demselben Mittel, wie bei der Diskursgruppe 
des zweiten Buches, indem er eine psychologische Wand- 
lung nicht in einzelnen kleinen Zügen zeigt, sondern so- 
gleich in einem gewaltigen Angriff das ganze überzeugende 
Material heranführt. Trotzdem hat der Verfasser die zu 
große Länge des Traums wohl empfunden; denn im fünften 
Kapitel wendet er sich plötzlich an den Leser und sagt, 
er würde kürzer sein, wenn es sich um eine einfache 
Historie handelte: „Aber dieses, was ich vortrage, ist eine 
Vision oder Traum, und also weit ein anders." Der Grund 
für die im Traum geforderte größere Breite ist in der 
moralischen Absicht zu suchen, also eine deutliche An- 
lehnung an die Gesichte, die Moscherosch später .,Straff- 
schrifften" nennt und in denen Kindermann über lauter 
moralisierendem Predigen häufig gar nicht zur Erzählung 
wirksamer Handlung gelangt. 

Dieser Traum zerfällt in zwei selbständige Hälften: die 
Teufelsversammlung und die Novelle von Julus und Avarus. 
Die Teiifelsversammlung führt Lucifer als Höllenfürsten vor, 
wie er auf seinem Throne den Geiz und die Verschwen- 
dung empfängt. Amersbach macht darauf aufmerksam, daß 
die Hofhaltung Lucifers ganz analog der göttlichen sei, wie 
sie im fünften Buche des Simplicissimus geschildert wird.^) 
Meiner Ansicht nach hat auf diese Szene, der die szenischen 
Prologe der Faustspiele verwandt sind, auch die Einleitung 
des Buches Hieb eingewirkt. Wie dort der Teufel auf Hieb 

M Progr. d. Großh. Gymn. in Baden-Baden 1891, S. 14. 



— 141 — 

losgelassen wird, so entsendet hier Lucifer zwei teuflische 
Wesen, die Julus und Avarus verderben sollen. Hier wie 
dort bringt die Kunde von den zu Versuchenden erst den 
Auftrag der Versuchung mit sich; hier wie dort wird der 
Eifer noch durch einen Wettstreit angefacht Freilich ist 
es hier nicht ein Wettstreit zwischen Herrn und Unter- 
gebenen wie im Hieb, sondern zwischen zwei Gleich- 
gestellten, den Personifikationen des Geizes und der Ver- 
schwendung. 

Teufelsversammlung und Personifikationen von Eigen- 
schaften sind durchaus Mittel des Gesichtes. Bei Veridor 
von Stackdorn findet sich z. B. im ersten Gesicht eine 
Teufelsversammlung. Auch in dieser Versammlung klagt 
der Herr der Hölle, bei Veridor ßarbatos genannt, über 
den Eückgang seiner Macht und teilt dann die Erdteile 
einzelnen Teufeln zu, gerade wie in Simplicius' Höllen- 
vision Lucifer über- den westfälischen Friedensschluß klagt, 
durch den lerna malorum aus Europa verschwunden sei, 
und alsdann seine Teufel zu neuer Arbeit antreibt. 

Personifikationen finden sich nirgends so herausge- 
arbeitet, wie in diesem Traume Simplicius', in dem durch 
ihren Dialog Geiz und Verschwendung die Situation voll- 
ständig beherrschen. Bei Moscherosch treten Personifika- 
tionen nur vorübergehend auf, wie im Schergenteufel Justitia 
und Veritas oder im „Letzten Gericht" Ungnade, Unglück, 
Eachgier, Zorn, Unwillen, Trauer, Fluch und Pestilenz, die 
gegen die Ärzte die schwersten Beschuldigungen erheben. 

Die Personifikationen von Geiz und Verschwendung 
spielen auch noch in den zweiten Teil des Traumes, die 
Novelle von Julus imd Avarus, hinein. Für den Einschub 
von Novellen in die Gesichte finden sich Beispiele bei 
Moscherosch und Veridor. Im ,, Weiberlob" erzählt Hans 
Thurnmeyer die Geschichte der Matrone von Ephesus, für 
die Moscherosch als Quelle die Sieben weisen Meister und 
Petronius angibt. Ihm entgegnet Weibhold mit der Ge- 
schichte der Sanctia, und Thurnmeyer widerspricht ihm, in- 



— 142 — 

dem er die Geschichte von Faustus und Jocondus erzählt. 
Die zweite Geschichte wird sogar durch die Randbemerkung 
.,Historia'^ besonders kenntlich gemacht. 

Auch Veridor läßt im zweiten Gesichte einige Ver- 
rlammte ihre durchaus novellistisch gehaltenen Geschichten 
erzählen. Während aber Moscherosch Novellen wesentlich 
als Argumente braucht, verbindet Yeridor die Geschichten 
mit dem Traumbild, indem in ihr die Verdammten zeigen, 
wie sie zur Hölle gekommen sind. Damit motiviert er die 
Novellen und gibt ihnen gleichzeitig einen Abschluß. 

Grimmeishausen schließt seine Novelle dadurch enger 
mit der Teufelsversammlung zusammen, daß er die Teufel 
in ihr stets wieder auftreten läßt. Die Teufel bestimmen 
das Seelenleben von Julus und Avarus vollständig. Weil 
dazu Geiz und Verschwendung nicht ausreichen, treten 
noch andere Eigenschaften in ihre Dienste, Hoffart, Vor- 
witz, ünkeuschheit. Unvermittelt bricht die Erzählung mit 
Julus' und Avarus' Hinrichtung ab. Ob die Wette vom 
Geiz oder von der Verschwendung gewonnen wird, bleibt 
unentschieden. 



Register. 



Albertinas, Aegidius, Bearb. des 

Guzman 11. 12. 13. 15. 92. 103. 

104. 105. 106. Lucifers König- 
reich 12. 
Alcalä, Jeronimo de: Alon^omo^o 

de muchos amos 6. 8. 
Aleman: Gu2man de Alfarache 

6. 7. 8. 10. 11 12. 13. 14. 34. 

39. 45. 51. 52. 56. 64. 75. 78. 

92. 94. 95. 
Amadis 1. 41. 
Amersbach 67. 140. 
Assarini 116. 

Demetrius 23. 63. 116. 124. 

Stratonica 23. 24. 34. 46. 63. 
76 94 95. 116 123. 
d'Audiguier 115. 

Lysander und Kaliste 25. 32. 
54. 76. 94. 116. 120. 
Ayrer, Jacob 137. 

Bandello 54. 55. 
Barclai 22. 26. 79. 80. 106. 107. 
108. 109. 116. 
Argenis 22. 23. 25. 26. 28. 29. 

39. 41. 45. 63. 74. 76. 77. 79. 

92. 93 94. 100. 101. 106. 107. 

116. 120. 123. 
Barezzi, Barezzo 10. 14. 
Barthema 13. 
Belle- Forest 54. 
Beyerlink 109. 

Bobertag 12. 14. 54. 110. 131. 
Boccaccio 14. 
Bremond, Übers, d. Guzman 10. 

92. 95. 118. 
Brentano 126. 
Butler-Clarke 9. 



Oaron, Louis: Exilium melan- 

choliae 109. 
Oelestina 56. . 
Cervantes: DonQuixote8.39.120. 

novelas exemplares 10. 

Rinconete y Cortadilla 14. 38. 
CespedesyMeneses: SoldadoPin- 

daro 6. 7. 8. 
Chandler 5. 9. 

Chapelain, Übs. d. Guzman 10. 
Chappuis, Übs. d. Guzman 10. 
Cholevius 34. 39. 41. 47. 79. 107. 

Daule, Florian 97. 
Dunlop 9. 
Dupond 79. 107. 

Eitner 57 
Eibschwanorden 3. 
Endter, Michael 16. 
Espinel, Vicente: Marcos Obre- 
gon 10. 42. 

Federmann 13. 
Felix, Bruder 13. 
Fischart 112. 

Foulche-Delbosc 5. 7. 9. 44. 
Francis-Godwin 21. 
Frewdenhold: Guzman 3. Teil 

12. 13. 14. 15. 17. 52. 106. 
Frey tag 40. 115. 

Qarcia, Carlos: Desordenada Co- 

dicia 42. 45. 
GervinuB 126. - 
Goethe 101. 

Gomez, Gregorio de Guadana 7. 
Gonzales, Estevaniüo 7. 16. 
Goulart 35. 36. 109. 



— 144 — 



Oranges de Surgeres 10. 

Grass 36. 

Greflinger 3. 30. Celadonische 

Musa 30. 110. 
Grimm 133. 

Grimmelshausen 1. 2. 15. 16. 19. 
21. 24. 27. 28. 29. 30. 32. 33. 
34. 35. 36. 37. 40. 48. 49. 50. 
52. 53. 54. 55. 57. 59. 61. 63. 
64. 65. 66. 67. 71. 72. 80. 81. 
82. 83. 85. 86. 87. 88 90. 95. 
96. 97. 100. 101. 102. 103. 104. 
107. 108. 109. 111 112. 113. 
114. 115. 116. 117. 118. 120. 
125. 126 127. 128. 129. 130. 
132. 137. 138. 142. 
Ewig-währeuder Calender 30. 

31. 66. 67. 72 73. 97. 
Courasche 20. 40. 55. 65. 82. 

87. 105. 115. 
Dietwald und Amelinde 24. 39. 

48. 94. 95. 96. 97. 131. 132. 
Gaukeltasche 126. 
Josef 2. 107. 115. 117. 128. 130. 
Musai 107. 128. 
Melcher, Stolzer 64. 
Proximus und Lympida 11. 

23. 39. 93. 132. 
Rätst übel Plutonis 40. 64. 
Reisebeschreibung nach der 

oberen neuen Welt 109. 137. 

139 
SimplicissimuB 2. 11. 16. 18. 19. 

20. 22. 27. 28. 29. 31. 32. 33. 

35. 36. 37. 40. 47. 50. 51. 52. 

53. 54. 57. 58. 60. 61. 62. 63. 

64. 65. 66. 67. 68 69. 70. 71. 

72. 74 82 83. 84. 85. 86 87. 

88 89. 96. 97. 98. 103. 104. 

108. 109 111. 118. 119. 120. 

121. 125. 126. 127. 129. 139. 

140. 
Springinsfeld 40. 64. 65. 82. 105. 
Seltsame Traumgeschicht von 

Dir und Mir 57. 137. 138. 
VogelnestI40.105 107.108.125. 
Vogelnest II 35. 40. 105. 119. 

128. 132. 
Fliegender Wandersmann 21. 
Verkehrte Welt 138. 139. 
Guevara 11. 

Haken 111. 
Hauptmann 38. 



Heinrich, Nicolaus 12. 14. 

Helfferich, Johann 13. 

Heyse 39. 

Hildebrand, Rudolf 113. 

Hövel 3. 

Hübßtwetter s. Schönwetter. 

Huet 22. 

Jellinek 23. 

Kawerau 139. 
Keller 107. 126. 

Kindermann 3. 19. 36. 55. 101. 
103. 140. 

Regierender Bürgermeister 1 10. 
Neue Gesichter 136. 139. 
Unglückselige Nisette 17. 18. 
23. 26. 27. 28. 29. 30. 31 . 34. 
35. 41. 45. 54 57. 74 76. 77. 
79.92. 116. 122.124.125. 127. 
Schoristenteufel 136. 
Wahrhafftiger Traum und 
träumende Wahrheit 136. 
Kögel 11. 18. 
Körting 10 

Kurandor s. Kindermann. 
Kurz 19. 21. 107. 108. 115. 132. 

Iiafayette 22. 

La Geneste, Übs. von Quevedo 

10. 114. 133. 
Lanson 24. 

Lauremberg, Johann 110. 
Lauremberg, Peter 59. 109. 110. 
Lauser 9. 44. 
Lazarillo de Tormes 6. 7. 8. 9. 

10. 14. 15. 16. 28. 39. 43. 44. 

45. 46. 47. 48. 49. 50. 52. 55. 

61. 64. 71. 75. 78. 80. 91. 92. 

94. 95. 96. 97. 
Leu au 38. 
Liliencron 11. 
Logau 57. 110. 
Loubayssin de Lamarca 9. 
Lotichius 66. 

Majolus 104. 

Memel, Peter de, Lustige Gesell- 
schaft 53. 
Moscherosch 59. 138. 140. 142. 
Philander von Sittewald 17. 
133. 134. 135. 137. 
Weiberlob 27. 141. 
Hans hinüber, Gans herüber 
128. 138. 



145 — 



Toten-Heer 134. 
Letztes Gericht 134. 
Alamode Kehraus 135. 136. 
Soldatenleben 136. 
Reformation 136. 
Hof schule 137. 
Insomnis cura 110. 

Nicolai 126. 

Oettingen 30. 
Olaus Magnus 104. 



Opitz, Martin 23. 45. 122. 
D^Ouville Übs. d. Garduna 



126. 
10. 92. 



95. 123. 



Pariser 110. 
Parival 54. 61. 98. 
Payer 8. 9. 11. 

Philander von Sittewalts hol- 
landische Sibylle 138. 

Qnevedo, Pablos de Segovia 6. 7. 
8. 9. 10. 16. 34. 39. 52. 92. 113. 
114. 118. 123. 

Suenos (s. auch Moscherosch) 
133. 

Ratzel 13. 
Rauwolf 13. 
Reinhardstöttner 11. 14. 
Reysbuch des Heiligen Landes 13. 
Hemigius, Nicolaus 104. 
Riemann 101. 
Ringwalt, Barthol. 137. 
Rohde 22. 
Roy 24. 

Schildbürgerbuch 38. 

Schmiedel 13. 

Schneider, Adam 10. 12. 14. 16. 

44. 
Schön Wetter 14. 17. 
Sibyllen- Weissagung 113. 138. 
Simplicius, Ritter 40. 
Simplicius, Kalenderheiliger 72. 

73. 
Solorzano 

Garduna 6. 7. 10. 39. 42. 78. 
79. 92. 95. 123. 
Sorel, Charles 24. 



Francion 23. 24. 26. 39. 41. 45. 

52. 58. 59. 60. 103. 104. 123. 
Stackdorn, Veridor von 137. 141. 

142. 
Stade 13. 
Stahr, Adolf 9. 
Steinhausen 119. 
Stilgebauer 95. 96. 132. 
Storm 39. 
Stumpf 35. 36. 
Sydney, Arcadia 23. 28. 39. 45. 

53. 63. 74. 84. 101. 122. 123. 124. 

Talitz von Liechtensee 35. 36. 
Theatrum diaboloru'm 97. 
Ticknor 9. 
Tieck 111. 126. 
Tittmann 63. 132. 
Torquemada 104. 
Tüngertal 21. 
Turgenjew 39. 

Ubedar Picara Justina 6. 7. 8. 10. 

12. 14. 16. 17. 39. 79. 92. 94. 

95. 
ülenhart 2. 11. 14. 15. 21. 44. 92. 

103. 108. 

Vischer 39. 

Wendeler 112. 
Wickram 1. 38. 
Wier 36. 
Wirth 133. 134. 
Wolf, Ferd. 9. 

Zesen 1. 2. 24. 46. 63. 79. 101. 

103 107. 116. 117. 118. 130. 
Assenat. 23. 24. 25. 26. 39. 41. 

47. 63. 76. 78. 79. 93. 94. 107. 

116. 117. 122. 123. 130. 131. 
Lysander und Kaliste (s. auch 

d'Audiguier) 25. 54. 94. 116. 

122. 123. 

Rosemund 2. 23 24. 25. 31. 
32. 39. 46 47. 55. 63. 76. 78. 
79. 95. 107. 116. 120. 122. 

123. 124. 125. 
Zoozmann 5. 
Zwinger 36. 109. 



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PALAESTRA LI. 



OSTERSUCHntTGEN OND TBXTE \ %,, 'i"-.'» ; 

iüS DER DEUTSCHEN DND ENOLISCHEN PlIILOLOi 
herausgegeben von JUola Brandl, Onstav Roetlie ond Erioli 8i 



Qrimmelshausens Simplicissimus 
und seine Vorgänger. 

Beiträge zur Ramantechnik des siebzehnten laiirhunderts. 



Carl August v. Bloedau. 



IVIAYER &. MÜLLER. 



Tsiea Folge Ton BillidaD eine Summlimg blldin, 
der Harren Profi. Drr. AI Diu Brsn dl, GdbMT 

.uuh anditre vissensuhAfcUobe Arbeiten ans den 
D Philologie aufgenoiDinoQ werden, die TOn den 
aaflliehen Bedeutung- wegen hieran empCohlM 



I enüliifhe UtctitnnK des lt. JehrtinndciU Bebet ilirer 

ia hernoiiintretion von G. Snhlelob. s. 

trag zat Entwickloiigstietichlchte dM doutBihim I.netsjiio^ 



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S. Immeinunnt Merlin von Kort jHbn. iL 3.~. 

■> ^ t. Neue Seilftlfle lur Kinnlnii d«> Volkstilseis t. Uolion Pelpch. U. 3fi0, 

b. Über die ellgerin an Ischen remtinalie ron (iaelar Seaknl U. 2,60. 

fi. Die>ltenBlischeBe»beilungderEriaiTlur<gvon*pi>llenius>onr)rvST.II.MllEkiscfa. IK. 1.60. 

T Uebar d. miltelargl. Ueberiatiung des SiiBCulun huirwi» HhiBliDnis t. 0. Btlt^ ü. 3,eu. 

R. Studien lur Gesthlabte d HcBbelschen Dtamat Ton Th. Fnppe. M. B,50. 

9, Über die Namen dei nordhumbfiaclien Lider Vilae von Und. Milllei. S, b^ 

-10. Richard Ihe Third m la Shikespesre. Kv 0. )l ObDrchill, M. IE,—. 

II. Die GaulraViiiaa TOD W. EanlECb. ». 6,H1. 

13. laseph GDrieeuTs HeniugebST, IJttemtDrhletoiikec. Kritilioi ruii Fri.ni »ebnlti. U. 7.—. 

-13. Die Autnahsie des Don Qul]Ble in die eagliache Lileialur. Von 



icfunn In ftdelungi Württibuoh. KUi Beitrag loi Qesalüdito 
nhd. Schiiftapnciie. Von lUni uQllsr. " " 

IG. Ysumbres. Eine eoglisobe Rnainu» des U. JalirliiuidBrti hnK, Tau 0. 1 



Wjuiilangan 
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The ecDtle CratL ejThomis Delonev. ECd. w. nnise uid iiitnid bj A. 



-IT. Die luilinc Petion i« »ttran englischen Onmi (bis IG4Z| v<in F.d. Eol[hu.rdt. IL IS^ni 
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20. Qua Nenatu dien ui Hobeil Barns. 1773-IT9I. Von Otto Ritter. M. TMi 

■" "-' Stellung lur -■-■----- " — ■ -- ■ "--- •--■■--'■. -. .-r.L .,. »..^ __ -i....... 

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__. .... _._ .. . M.*,-^. 

SB. The Censtance Saga. Uy A. II. Oon(5h. M. 3JW. 

2t. Blut- und Wunflieflen lu Uiror Eutwickebns diugHSielll vun Oskar Ebermauii. Mi 1,80, 

25. Dar giateake u. hiiieibalisclie Stil des inhd. VolksCfiot. Vnn Leo Wnll. M.4,fi0. 
2C. Zur Nunstaniabauung des XVIII. Jahrhunderts. Von IVlDokelmuin bis za Wnclcenro4et, 

Vou Hei. StOcker. M. 3,80. 

ZI. Eulensplegel in England. Vnn Vriedr, Brie. H. 1.80. 

-28. Die gedruckten englitlben Liederbücher bis leOD. Von Will. Belle. U.l],«). 

SC. Untenu Übungen über die mhd. Dicniung «en Graten Rudolf. VcdJqIls. ßethmana. M. S, — 

Sl, Das Verbum ohne Dianoinlnsles Subjekt In der deutsonen Sprache. Vnn Knrl Hold, M. C,— . 

32. Sohiller und die BUhne. Voti .luliiie l'eterson, U. B.— . 

<». Caesai in der deutschen Llleralur. Von Fr. GuuileltiDKet. X. 3,eo. 
, Über Suiret's VlruilUberreliung. nebal NeuavtgibB tm vierten Suches na<^ Tottol'a Orl^nal. 







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The Start «1 Hing Leir Uom »ool&ey ol MnuiQoulb tu 
Thomas Öeloftey. Van Eiob. Slevers. 


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Die Sohulo NeidharU. v™ R. B.iU. 




Brobienui in England. Von E. KalJ. 


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Dia Sago von MaEtteIh bis lu Sbahipert. Von Einat KrBs 







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M. S.tSd 
Wilfrid 

HLdliso! 

M. 7,fi0u 

M. 7,6(1. 

JB. 7.60. 

lula. Von 

M B,flO. 

41. BelUna «on Arnims Brielronane. Van Wulderaar Oehlke M.JU.^ 

•93. Angelsachi lache Pslaeograjihlo. Die ScIiriH des Angeliacbsen mll besonderer BUcllsiDhl aul 

die OinkniBlar in der VolkEspraone. 13 Talein neliet Btileitnni; aiid TiaiLaecriptlaiien TOD 

■WtilfEnn)! Kollor. M. 13,-. 

'-^J, C«l Friedr. Ciamor bts lU lelner «mlsenthcbuns- Vau I. Killie. M. 7.6D. 

-i&. DasiHeiglledilgeWort-Aayndetonindcr all. deutschen Sprache. Vbn E. Diokbotf. li.7,—. 

•iü. Seneca und das deuhcha Hcnslssancedrania. Van Paul StuDhol, M. II.-. 

-IT. Die liteiar. Votlaaen der Kinder- u. Hauimaichan n. Ihre Baarbellung durch dl* BrlMar firiaii*. 

VoD B. Haoialm. M. i^ 

lU, LauUehra der alleren Lajamonhaadschrrlt. Von Faul Lnclit Hl, 4,—. 

Gl>, Oldcastle Falstall In d. engl. Literatur bta lU Shakespeare. Y 

Ol. GrIninielshaiisenB Simpiieisiinius und seine Vorgänger. Vun I 

b'i. Gescn lebte der Fabeid in H hing in England bis iulahnGBr|l72ä) 

-6B. Sir Eglsmour. Eine engl. HumauM dos U. Jahrb. Iliig. v 

-5b. Die Geisler rn d. engl LIteralL 
-S9, Ol« Stellung des Veibuma In di 
-Hl. Jean Pauts Flegel|ahre. Von l 



















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iL 7 — Heft 4 

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Die Mou<lKrv-Wieii(>r [.li»ilurlii(ii<l*<'l>H|l \M ilnr Ml1liii|i vmt 
9a];;burK. VinP. Aniclil Uitj'oriinil ll»liir|i'MllH»i<ili, )l 'IVll 
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Verlag von Mayer & Müller in Berlin. 



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beratiagegehen von Wilhelm Ranisoh. 3. unveränderte AatlHge. 

1908, Mk. a,fiO. 

WffliDir. — Dnici von E. Wiignft Bohn. 



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