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Full text of "Grundriss der differnetial- und integral-rechnung .."

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GRÜNDRISS 


der  X..-. 


^/(fVi'l 


«•  •  * 


I.  Theil:  Differential -ßecliiiTmg. 

Von 

Dr.  M.  Stegemann, 

weiL  Professor  an  der  technischen  Hochschule  zu  Hannover. 

Sechste  vollständig  rangearbeitete  und  vermehrte  Auflage 

mit  154  Figuren  im  Texte, 

herausgegeben 


von 


Dr.  Ludwig  Kiepert, 

Professor  der  Mathematik  an  der  technischen  Hodischnle  zn  Hannover. 


Hannover  1892. 

Helwing'sche  Verlagsbuchhandlung. 


Alle  Rechte  vorbehalten. 


\ 


Vorrede  2:ur  ersten  Auflage. 


Bei  der  Bearbeitung  der  vorliegenden  Schrift  habe  ich  ge- 
sucht, neben  der  Forderung  wissenschaftlicher  Strenge  vor  allen 
Dingen  der  didaktischen  Forderung  möglichster  Fasslichkeit  zu 
genügen. 

In  Betreff  der  speciellen  Ausfuhrung  bemerke  ich,  dass 
ich  mich  bemüht  habe,  die  Einsicht  in  den  Gang  der  analytischen 
Untersuchung  durch  graphische  Darstellungen  zu  erleichtem, 
und  femer,  dass  ich  bei  schwierigen  oder  wichtigen  Stellen  die 
Entwickelung  der  allgemeinen  Theorie  durch  Erörterung  eines 
speciellen  Falles  eingeleitet  habe. 

Die  grosse  Anzahl  von  Beispielen  und  Anwendungen  in 
jedem  Capitel,  sowie  die  gelegentlichen  Bemerkungen  sind  zu- 
nächst für  solche  Leser  bestimmt,  welche  durch  Selbst- Studium 
sich  in  der  Wissenschaft  weiter  ausbilden  und  mehr  befestigen 
wollen;  indess  dürften  sie  auch  dem  Lehrer  ein  Mittel  bieten, 
um  seine  Schüler  zur  freien  Selbstthätigkeit  anzuregen. 

In  Betreff  der  äusseren  Ausstattung  ist  die  Verlagshandlung 
sowohl  wie  die  Drackerei  allen  meinen  Wünschen  bereitwillig 
entgegengekommen. 

Hannover,  den  1.  August  1862. 

M.  Stegemann. 


Vorrede  zur  fünften  Auflage. 


Als  d^m  Unterzeicbneten  der  Auftrag  ertheilt  wurde,  die 
neue  Auflage  dieses  Werkes  herauszugeben,  ahnte  er  noch  nicht, 
dass  Aenderungen  in  so  weitem  Umfange  nothwendig  sein  würden. 
Erst  bei  der  Bearbeitung  überzeugte  er  sich  davon,  dass  sehr 
viele  Lücken  auszufüllen  und  zahlreiche  Irrthümer,  die  sich  in 
den  früheren  Auflagen  befinden,  richtig  zu  stellen  waren. 

Neben  den  angedeuteten  Mängeln  besass  aber  das  Buch  von 
Stegemann  doch  auch  grosse  Vorzüge,  welche  namentlich  in 
der  leicht  fasslichen  Darstellung  liegen,  und  welche  durch  den 
verhältnissmässig  schnell  erfolgten  Absatz  von  vier  Auflagen 
bestätigt  werden. 

Der  Herausgeber  hat  sich  bemüht,  diese  Vorzüge  nach 
Möglichkeit  beizubehalten,  ohne  die  wissenschaftliche  Strenge  und 
Gründlichkeit  ausser  Acht  zu  lassen.  Das  Buch  hat  demnach 
den  Zweck,  den  Anfönger,  —  mag  er  nun  an  der  Universität, 
an  der  technischen  Hochschule  oder  an  irgend  einer  anderen 
Bildungs-Anstalt  studiren,  an  der  höhere  Mathematik  getrieben 
wird,  —  auf  möglichst  bequeme  Weise  mit  den  wichtigsten 
Sätzen  und  Auj^aben  der  Differential -Rechnung  vertraut  zu 
machen.  Auch  zum  Selbst-Studium  ist  das  Buch  seiner  ganzen 
Anlage  nach  geeignet. 

Für  die  Abgrenzung  des  Stoffes  waren  dem  Herausgeber 
im  Grossen  und  Ganzen  seine  eigenen  Vorträge  an  der  tech- 
nischen Hochschule  in  Hannover  massgebend.  Da  die  für  diese 
Vorträge  verfugbare  Zeit  eine  beschränkte  ist,  so  war  dadurch 
auch  für  den  Umfang  des  Buches  ein  Rahmen  gegeben,  so  dass 


VI  Vorrede. 

der  Inhalt  nicht  so  erschöpfend  sein  konnte  wie  z.B.  bei  Lehr- 
büchern der  Differential-Rechnung  hervorragender  französischer 
Mathematiker. 

Aber  diese  Beschränkung  ist  vielleicht  gerade  ein  wesent- 
licher Vorzug,  weil  die  Fälle  des  Stoffes  den  Anfanger  häufig 
mehr  verwirrt  und  abschreckt  als  fördert.  Der  vorliegende 
Leitfaden  soll  daher  eine  feste  und  sichere  Grundlage  bieten, 
welche  dem  Techniker  genügen,  dem  Mathematiker  aber  eine 
nützliche  Vorbereitung  zu  weitergehenden  Studien  sein  wird. 

Als  Anhang  ist  eine  Tabelle  der  wichtigsten  Formeln  hin- 
zugefügt, welche  einerseits  die  Anwendungen  sehr  erleichtert, 
andererseits  aber  ein  durch  langjährige  Erfahrung  erprobtes 
Hülfsmittel  bei  Repetitionen  ist. 

Dem  Herrn  Verleger  spricht  der  Herausgeber  hierdurch 
seinen  verbindlichsten  Dank  aus  fär  das  liebenswürdige  Entgegen- 
kommen, das  allen  seinen  Wünschen  entgegengebracht  worden  ist. 

Hannover,  im  Juli  1887. 

L.  Kiepert. 


Vorrede  ztit  sectisteii  Auflage- 


Die  freundliche  Aufiiahme,  welche  die  fünfte  Auflage  in 
weiten  Kreisen  geftinden  hat,  war  für  den  Herausgeber  ein  An- 
trieb, bei  der  Bearbeitung  der  neuen  Auflage  mit  grösster  Sorg- 
falt die  hervorgetretenen  Mängel  zu  beseitigen  und  die  vor- 
handenen Lücken  auszufüllen.  Den  Herren  Lampe,  von  Man- 
goldt,  Franz  Meyer,  Runge  und  Voss,  welche  dabei  den 
Herausgeber  durch  werthvoUe  Winke  unterstützt  haben,  sei 
hierdurch  der  verbindlichste  Dank  ausgesprochen. 

Durch  die  angedeuteten  Verbesserungen  hat  das  Buch  an 
Umfang  und  Inhalt  wesentlich  zugenommen ;  namentlich  sind  die 
geometrischen  Anwendungen  vermehrt  worden,  auch  hat  eine 
kurzgefasste  Darstellung  der  Determinanten- Theorie  Aufiiahme 
gefunden.  Die  Figuren  sind  sämmtlich  neu  gezeichnet  worden, 
ihre  Zahl  ist  von  66  auf  154  gewachsen. 

Mit  Rücksicht  darauf,  dass  das  Buch  auch  vielfach  von 
Studirenden  der  Mathematik  benutzt  worden  ist,  schien  es 
zweckmässig,  noch  mehr  Gewicht  auf  wissenschaftliche  Strenge 
zu  legen,  als  es  in  den  früheren  Auflagen  geschehen  war.  Da 
aber  die  elementare  Art  der  Behandlung  darunter  nicht  leiden 
sollte,  so  war  es  nicht  immer  ganz  leicht,  den  richtigen  Mittel- 
weg zu  finden. 

Durch  die  mühsame  Umarbeitung  und  die  erhebliche  Er- 
weiterung des  Buches  ist  die  Drucklegung  etwas  verzögert 
worden.    Der  Herausgeber  ist  der  Verlagsbuchhandlung  für  die 


vm  Vorwort. 

Nachsicht,  die  ihm  dabei  gewährt  worden,  und  für  das  bereit- 
willige Entgegenkommen,  das  er  bei  allen  seinen  Wünschen 
gefunden  hat,  zu  aufrichtigem  Danke  verpflichtet. 

Schliesslich  sei  noch  mit  bestem  Danke  die  gütige  Mitwirkung 
des  Herrn  Petzold  bei  dem  Lesen  der  Correctur  hervorgehoben. 

Hannover,  den  15.  November  1892.  . 

L  Kiepert. 


Inhalts  -Verzeichniss. 


Einleitung.  g^.^ 

§  1.    Begriff  und  EintheiluBg  der  Functionen 1 

§  2.    Geometrische  Darstellung  der  Functionen 12 

§  B.    Functionen  von  mehreren  Veränderlichen 15 

§  4.    Begriff  der  Grenze 16 

§  5.    Das  unendlich  Kleine  und  das  unendlich  Grosse 21 

§  6.    Ueber  die  Rechnung  mit  unendlich  kleinen  Grössen  ....  25 

§  7.    Verschiedene  Oi^dnungen  der  unendlich  kleinen  Grössen.    .    .  27 

§  8.    Begriff  der  Stetigkeit .  36 

Hülfsaätae  aus  der  algebraischen  Analysis. 

§  9.    Der  binomische  Lehrsatz  für  positive  ganzzahlige  Exponenten  51 

§  10.    Geometrische  Progressionen 58 

§  11.    Erklärung  der  Zahl  t 60 

Differential-Bechnung. 

Erster  Theil. 
Functionen  von  einer  unabhängigen  Veränderlichen. 

I.  Abschnitt. 
Erklärung  nnd  Bildung  der  DHferential-Quofienten. 

§  12.    Bildung  des  Differential -Quotienten  einer  stetigen  Function 

2/=/W 69 

§  13.    Geometrische  Deutung  des  Differential-Quotienten  .....  73 

§  14.    Einige  Lehrsäte»  über  Differential-Quotienten 76 

§  15.    Differentiation  der  ganzen  rationalen  Functionen 78 

§  16.    Üebungs-Beispiele 81 

§  17.    Differentiation     einer    Potenz    mit    negativem    ganzzahligen 

Sxpon^iten 82 

§  18.     Differentiation  der  logarithmischen  Function  /(a:)  =  log«  .    ,  83 


X  Inhalts-Verzeichniss. 

S«ite 

§  19*    Differentiation  der  trigonometrischen  Funcüonen  sin  o;  im  85 

§  20.    Differentiation  der  trigonometrischen  Functionen  tg  x  und  ctgo;  86 

§  21.    Differentiation  der  Producte  und  Quotienten 88 

II.  Abschnitt 

Funetionen^von  Functionen. 

§  22.    Differentiation  einer  Function  von  der  Form  /(w)      ....  99 

§  23.    Uebungs-Au%aben 102 

§  24.    Differentiation  inverser  Functionen,  insbesondere  der  cyklo- 

metrischen  Functionen  und  der  Function  a» 104 

§  25.    Uebungs-Beispiele 108 

IIL  Abschnitt. 

AbleHttngen  und  Differentiale  liöiierer  Ordnung. 

§26.    Ermittelungen  von /(♦»)  (a;) 114 

§  27.    Uebungs-Beispiele 117 

IV.  Abschnitt. 

Herleitung  und  Anwendungen  der  Taylor'schen  und  der  Mac-Laurin'schen  Reiiie. 

§  28.    EntwiekeLung  einer  ganzen  rationalen  Function  f{x'\-hYjnSi(:^ 

steigenden  Potenzen  von  h 123 

§  29.    Anwendung  auf  den  binomischen  Lehrsatz  für  positive  ganz- 
zahlige Exponenten 127 

§  30.    Verallgemeinerung  der  gegebenen  Entwickelungs-Methode   .  128 
§  31.    Bestimmung  des  Bestgliedes  der    Tayibr'schen  Reihe  nach 

Lagrange 132 

§  32.    Die  Jfac-Xaurin^sche  oder  jS^tVZm^'sche  Reihe 141 

§  33.    Entwickelung  der  Functionen  e*  und  a« 141 

§  34.    Entwickelung  der  Functionen  sino;  und  coso; 144 

§  35.    Berechnung  von  Tafeln  für  die  Functionen  sin^r  und  cos^c  .  147 

§  36.    Andere  Formen  des  Restgliedes .'    .  150 

§  37.    Der  allgemeine  binomische  Lehrsatz 157 

§  38.    Der  Logarithmus 167 

§  39.    Berechnung  der  natürlichen  Logarithmen 170 

§  40.    Partes  proportionales 177 

§  41.    Methode  der  unbestimmten  Coefi&cienten 179 

§  42.    Entwickelung  der  Function  arctgo;  nach  steigenden  Potenzen 

von  X ,  181 

§  43.    Berechnung  der  Zahl  n  durch  Anwendung  der  Entwickelung 

von  arctg« 182 

§  44.    Entwickelung  der  Function  arcsin^i;  nach  steigenden  Potenzen 

von  X 187 


Inhalts- Verzeidmiss.  XI 

V.  Abschnitt. 

Convergenz  der  Reihen.  Seite 

§  45.    Erklärungen  und  vorbereitende  Beispiele 189 

§  46.    Reihen  mit  lauter  positiven  Gliedern 192 

§  47.    Beihen  mit  positiven  und  negativen  Gliedern 206 

§  48.    Bedingte  und  unbedingte  Convergenz «...  210 

§  49.    Multiplication  der  Reihen 214 

§  50.    Convergenz  der  Potenzreihen 216 

§  51.    Convergenz  der  periodischen  Reihen 218 

VI.  Abschnitt. 

Maxima  und  Minima  von  eniwiciceHen  Functionen  einer  Veränderliclien. 

§  52.    Bedingungen,  unter  denen  ein  Maximum  oder  Minimum  ein- 
treten kann 223 

§  53.    Aufgaben 229 

§  54.    Entscheidung  über  das  Erutreten  eines  Maximums  oder  Mini- 
mums durch  Untersuchung  der  höheren  Ableitungen    .    .    .  234 

§  55.    Anwendungen 240 

§  56.    Vereinfachungen  der  Rechnung,  wenn  f^{x)  eine  gebrochene 

Function  ist 244 

§  57.    Aufgaben 245 

Vn.  Abschnitt. 
Bestimmung  von  Ausdrücicen,  welclie  an  der  Grenze  eine  der  unbestimmten  Formen 

^,  g.,  0.00,  00  —  00,  0«,  «0,  1«  liaben. 
0     00 

§  58.    Ausdrücke  von  der  Form  ^ 269 

§  59.    Uebungs-Beispiele 272 

§  60.    Ausdrücke  von  der  Form  ^ 275 

§  61.    Uebungs-Beispiele 278 

§  62.    Ausdrücke  von  der  Form  O.oo .280 

§  63.    Uebungs-Beispiele 281 

§  64.    Ausdrücke  von  der  Form  oo  —  co 283 

§  65.    Uebungs-Beispiele 284 

§  66.    Ausdrücke  von  der  Form  0»,  aoO,  1«* 286 

§  67.    Uebungs-Beispiele 286 

§  68.    Zusammentreffen  unbestimmter  Formen 290 

Vm.  Abschnitt. 

Differentiation  der  nicht  entwiclcelten  Functionen. 

§  69.    Differentiation  einer  Function  von  der  Form  F{uy  t?)     .    .    .  293 
§  70.    Herleitung  der  allgemeinen  Regel  fiir  die  Differentiation  der 

nicht  entwickelten  Functionen 298 


XII  luhalts-Yerzelchiiiss. 

S«it« 

§  71.    Uebungs-Beispiele 301 

§  72.    Ableitungen  höherer  Ordnung 303 

§  73.    Uebungs-Beispiele 303 

§  74.    Anwendung  auf  die  Theorie  der  Maxima  und  Minima  von 

nicht  entwickelten  Functionen  einer  Veränderlichen  ....  306 

§  75.    Uebungs-Beispiele 308 

IX.  Abschnitt. 

Vertausdiiing  der  Abhängigkeit  to  veriatoiiciMn  Grössen. 

§  76.    Bildung  der  Gbrössen  p  und  q,  wenn  x  und  y  Functionen  von 

t  sind 311 

§  77.    Uebungs-Beispiele 313 

§  78.  Behandlung  des  Falles,  in  welchem  y  die  unabhängige  Ver- 
änderliche wird 317 

§  79.    Uebungs-Beispiele 319 

X.  Abschnitt. 

Untersudiung  von  Curven,  die  auf  ein  reciitwinliiises  CoonHnafen- System 

imzogen  sind. 

§  80.    Tangenten  und  Normalen 321 

§  81.    Anwendung  auf  einzelne  Curven 323 

§  82.    Asymptoten  einer  Curve 343 

§  83.    Anwendungen  auf  einzelne  Curven 353 

§  84.    Ooncavität,  Convezität,  Wendepunkte .  362 

§  85.    Anwendungen  auf  einzelne  Curven 367 

§  86.    Berührung  (oder  Osculation)  n^  Ordnung 373 

§  87.    Anwendungen  auf  eLozehie  Curven 375 

§  88.    Krümmung  der  Curven 381 

§  89.    Anwendungen  auf  einzehie  Curven 384 

§  90.    Die  Ejrümmungsmittelpunkts-Curven  oder  Evoluten ....  394 

§  91.    Anwendungen  auf  einzehie  Curven 399 

XI  Abschnitt. 

Untersucliung  von  Curven,  die  auf  ein  Poiarcoordinaten-System  Itezogen  sind. 

§  92.    Tangenten  und  Normalen 410 

§  93.    Anwendungen  auf  einzelne  Curven 414 

§  94.    Krümmungskreis  und  Krümmungsmittelpunkts-Curven     .    .  422 

§  95.    Anwendungen  auf  einzelne  Curven 423 

XII.  Abschnitt. 

Tlieorie  der  Determinanten. 

§  96.    Einleitung 429 

§  97.    Bildung  einer  Determinante  n*^  Ordnung  aus  n^  Elementen  431 


Inhalts-VerzeiGlmiss.  ^1^1 

Seit« 

§  d8.    Einige  Sätze  aus  der  Permutatioiislehre  ........  432 

§  d9.    Eigenschafben  der  Determinanten 436 

§  100.    Zerlegung  der  Determinanten 440 

§  101.    Anwendung  auf  die  Auflösung  von  n  linearen  Gleichungen 

mit  n  Unbekannten 445 

§  102.    Vereinfachungen  bei  Ausrechnung  der  Determinanten.    .    .  447 

§  103.    Mrdtlplication  der  Determinanten 450 

§  104.    Homogene,  lineare  Gleichungen  mit  n  Unbekannten    .    .    .  453 

§  105.    Anwendungen  auf  einzelne  Aufgaben 454 


Zweiter  Theil. 

Functionen  von  mehreren  unabhängigen  Veränderlichen. 

XTTT.  Abschnitt. 

DHferentiaiion  der  Functionen  von  mehreren  von  Einander  unabhängigen 

VerSnderltelwn. 

§  106.    Differentiation  einer  Function  von  zwei  von  einander  un- 
abhängigen Veränderlichen 460 

§  107.    Aufgaben 464 

§  108.    Differentiation  der  Functionen  von  mehreren  von  einander 

unabhängigen  Veränderlichen 465 

§  109.    Wiederholte  Differentiation  einer  Function  von  mehreren 

Veränderlichen 469 

§110.    Uebungs-Aufgaben 472 

§  111.    Vollständige  Differentiale  höherer  Ordnung 473 

§  112.    Nicht  entwickelte  Functionen  einer  Veränderlichen,  gegeben 

durch  simultane  Gleichungen 480 

XIV.  Abschnitt. 

Anwendungen  auf  die  analytische  Geometrie  der  Ebene  und  des  Raumes. 

§  113.    Bestimmung  der  Tangenten  und  der  Normalebenen  bei  einer 

Ourve  im  Räume 483 

§  114.    Uebungs-Aufgaben 486 

§  115.    Tangenten  und  Tangential-Ebenen  an  eine  beliebige  krumme 

Fläche 489 

§  116.    Uebungs-Aufgaben 493 

§  117.    Theorie  der  Enveloppen 495 

§  118.    Uebungs-Aufgaben 499 

§  119.    Doppelpunkte  und  isolirte  Punkte 506 

§  120.    Uebungs-Au%aben 511 

§  121.    Mehrfache  Punkte 515 

§  122.    Spiteen  oder  Rückkehrpunkte 517 


XIV  Inhalts- Verzeichniss. 

XV.  Abschnitt. 

HerleHung  und  Anwendungen  der  Taylor'schen  Reibe  für  Functionen  von  melvoroR 

VerSnderliclien.  seiu 

§  123.    Die  Taylor^scke  Reihe  für  Functionen  von  mehreren  Ver- 
änderlichen   522 

§  124.    Homogene  Functionen 525 

§  125.    Maxim a  und  Minima  der  Functionen  von  zwei  Veränderlichen  532 

§  126.    Geometrische  Deutung  der  vorhergehenden  Untersuchungen  539 
§  127.    Maxima  imd  Mininnn.  der  Functionen  von  drei  oder  mehr 

unabhängigen  Veränderlichen 543 

§  128.    Aufgaben 548 

§  129.    Maxima  und  Minima  mit  Nebenbedingungen 554 

§  130.    Aufgaben 558 

XVI.  Abschnitt. 

Tiieorie  der  complexen  GrSssen. 

§  131.    Erklärung  der  complexen  Grössen 568 

§  132.    Einige  Sätze  über  complexe  Grössen.    Moivre'ach.e  Formeln  571 

§  133.    Geometrische  Darstellung  der  complexen  Grössen    ....  574 

§  134.    Vier  Sätze  über  die  absoluten  Beträge 579 

§  135.    Unendliche  Reihen  nüt  complexen  Gliedern 581 

§  136.    Functionen  einer  complexen  Veränderlichen     , 583 

§  137.    Zusammenhang  der  Exponential-Function  mit  den  trigono- 
metrischen Functionen 585 

§  138.    Logarithmen  der  complexen  Grössen 590 

§  139.    Zusammenhang  der  Functionen  Ix  und  arctga: 591 

§  140.    Auftreten  complexer  Wurzeln  einer  Gleichung 592 


Tabelle  der  wichtigsten  Formeln  aus  der  Differential-Bechnung .    .    594 


Einleitung. 


§1. 

Begriff  und  Eintheilung  der  Functionen. 

Erklärung.  Eine  Grösse  heisst  variabel  oder  veränderlichj 
wenn  sie  im  Verlaufe  derselben  Untersiu:hung  nach  und  nach 
verschiedene  Werthe  annehmen  darf;  eine  Grösse  heisst  dagegen 
constant  oder  unveränderlich^  wenn  sie  im  Verlaufe  derselben 
Untersuchung  denselben  Werth  beibehält. 

Die  unveränderlichen  Grössen  werden  gewöhnlich  mit  den 
ersten  Buchstaben  des  Alphabets,  also  mit 

a^  Oj  c,  •  •  •  , 
oder  mit 

oder  mit 

«,  /^,  r, . . . 

bezeichnet.    Zum  Unterschiede  davon  werden  die  veränderlichen 

Grössen  gewöhnlich  mit  den  letzten  Buchstaben  des  Alphabets, 
also  mit 

^>  y>  ^? 

oder  mit 


w,  ü,  w^ 


oder  mit  den  x^  y,  z  entsprechenden  griechischen  Buchstaben 

bezeichnet. 

Man  kann  den  Werth  einer  (veränderliclien  oder  unver- 
änderlichen) Grösse  auch  durch  die  Lage  von  Punkten  auf  einer 
geraden  Linie  geometrisch  darstellen,  wenn  auf  derselben  ein 

Stegemann- Kiepert,  Diflferential-Hecliiiung.  \ 


2  §  1.    Begriff  und  Eintheilung  der  Functionen. 

fester  Punkt  0  als  Anfangspunkt  gegeben  ist.    Sind  z.  B.  in 
Figur  1  die  Strecken 

OÄ  =  a,  OP—  X,  OB  =  J, 

Fig.  1.  ?  >  ? 

SO  entsprechen  die  Punkte  A,  P,  B 
*-* ■ ""^ —  den  Werthen  a,  x,  b.  Die  Massein- 
heit, durch  welche  dabei  die  Strecken 
gemessen  sind,  ist  beliebig;  dagegen  muss  man  festsetzen,  dass 
die  Punkte  auf  der  einen  Seite  des  Anfangspunktes  0,  z.  B.  auf 
der  rechten  Seite  von  0,  positicen  Zahlwerthen  entsprechen; 
dann  müssen  alle  Punkte,  welche  negaticen  Zahlwerthen  ent- 
sprechen, auf  der  anderen  Seite  von  0  liegen. 

Gewöhnlich  denkt  man  sich  x  in  der  Weise  veränderlich, 
dass  X  alle  Werthe  zwischen  zwei  constanten  Werthen  a  und  b 
annehmen  kann.  Der  Punkt  P,  welcher  x  entspricht,  durch- 
läuft dann  in  Figur  1  die  Strecke  von  A  bis  B,  Deshalb  sagt 
man  in  diesem  Falle:  x  durchläuft  das  Intervall  von  a  bis  b. 
Wenn  a  gleich  —  oo  und  J  =  +  oo  wird,  so  darf  die  Veränder- 
liche X  alle  Werthe  zwischen  —  oo  und  +  oo  annehmen,  und 
der  Punkt  P  durchläuft  die  ganze  unbegrenzte  gerade  Linie. 

Wenn  man  zwischen  zwei  veränderlichen  Grössen  x  und  y 
eine  Gleichung  aufetellt,  so  sind  diese  beiden  Grössen  dadurch  in 
eine  gegenseitige  Abhängigkeit  gebracht,  und  zwar  so,  dass  die  eine 
Grösse,  z.  B.  y,  nur  einen  oder  mehrere  ganz  bestimmte  Werthe 
haben  kann,  sobald  der  Werth  der  anderen  veränderlichen 
Grösse  x  gegeben  ist.    Es  sei  z.  B. 

(1.)  y  =  a:2  +  3;r  — 2, 

dann  wird  y  =  +  8,  wenn  x  =  —  5, 

y  =  +  2,  „  ar  =  —  4, 

y  ■=       2,  „  a;  =       3, 

y  =  —  4,  „  a:  =  —  2, 

y  =  —  4,  „  X  —  —  1, 

y  =  — 2,  „  a;=       0, 

y  =  +  2,  „  X-  +  1, 

y  =  +  8,  „  a:  =  +  2, 


Hätte  man  in  der  Gleichung  (1.)  beliebige  Werthe  für  y  ange- 
nommen, so  wären  dadurch  die  entsprechenden  Werthe  von  x 


§  1.    Begriff  und  Eintheilung  der  Functionen.  ä 

ebenfalls  bestimmt  gewesen.  Weil  aber  die  Grieichung  (1.)  in 
Bezug  auf  x  vom  zweiten  Grade  ist,  so  entsprechen  jedem  be- 
liebigen Werthe  von  y  zwei  Werthe  von  x.  So  sind  z.  B.  dem 
Werthe 

y  =  +2 

die  beiden  Werthe 

zugeordnet.  Die  veränderliche  Grösse  a-,  deren  Werthe  man  be- 
liebig annimmt,  nennt  man  die  unabhängige  Veränderliche  oder 
das  Argument ;  die  andere  veränderliche  Grösse  y  dagegen  nennt 
man  die  abhängige  Veränderliche  oder  die  Function  der  ei*steren. 

In  der  Gleichung  (1.)  wurde  also  zuerst  x  als  die  unab- 
hängige Veränderliche  und  y  als  eine  von  x  abhängige  Veränder- 
liche, d.  h.  als  eine  Function  von  x  betrachtet. 

Gewöhnlich  ist  das  Gesetz  der  Abhängigkeit  zwischen  einer 
Function  y  und  der  unabhängigen  Veränderlichen  x  durch  eine 
Gleichung  zwischen  x  und  y  gegeben.  Ganz  allgemein  kann 
man  aber  den  Begiiff  der  Function  in  folgender  Weise  erklären : 

Fine  veränderliche  Grösse  y  heisst  eine  Function  einer  an- 
deren veränderlichen  Grösse  x  in  dem  Intervalle  von  x^=  a  bis 
X  =  bj  wenn  jedem  Werthe  von  x  in  diesem  Intervalle  ein  Werth 
(oder  mehra^e  WertheJ  von  y  nach  ei?iem  bestimmten  Gesetze 
zugeordnet  sind. 

So  ist  z.  B.  der  Umfang  eines  Ki'eises  eine  Function  von 
dem  Halbmesser  des  Kreises.  Dasselbe  gilt  vom  Flächeninhalt 
des  Kreises.  Diese  Functionen  können,  auch  durch  die  Glei- 
chungen 

y  =  2x7r,  y  =  x^TT 

dargestellt  werden. 

Ebenso  sind  Oberfläche  und  Volumen  einer  Kugel  Func- 
tionen von  dem  Halbmesser  der  Kugel,  welche  bezw.  durch  die 
Gleichungen 

y  =  4:X^7r,         y  =  — — 

dargestellt  werden. 

Bei  diesen  Beispielen  war  der  Halbmesser  als  eine  verän- 
derliche Grösse  betrachtet  worden.    Lässt  man  aber  den  Halb- 


4  §  1.    Begriff  und  Eintheilung  der  runctionen. 

messer  unveränderlich^  SO  kann  man  die  Sehne,  das  Segment  und 
den  Sector  des  Kreises  als  Functionen  des  zugehörigen  Centri- 
winkels  ansehen. 

Femer  ist  die  Intensität  des  Lichtes  eine  Function  von  der 
Entfernung  des  leuchtenden  Punktes ;  die  Spannkraft  des  Dampfes 
ist  eine  Function  seiner  Temperatur;  die  Geschwindigkeit  eines 
fallenden  Körpers  ist  eine  Function  der  Fallzeit;  die  Schwin- 
gungsdauer bei  einem  Pendel  ist  eine  Function  seiner  Länge, 
u.  s.  w. 

Wie  schon  oben  erwähnt  wurde,  kann  man  die  Abhängig- 
keit der  Function  von  der  unabhängigen  Veränderlichen  häufig 
durch  eine  Gleichung  ausdrücken.  Demnach  sind  z.  B.  folgende 
Ausdrücke  Functionen  von  x\ 

y  =  a:2  +  3a:  —  2,         y  =  ^x^  —  Ix^  +  2x—  11, 

_2£— J.  _  1        3.r  +  4 

^~ar  +  3'  ^"^  X        x^  +  x' 


2 


,/ —  X  +  y  «2  —  ^"i 

y  =  yx,  y  = '      

X  —  y  a^  —  x^ 

y  =  sinar,  y  =  cosa:, 

y  =  tga;,  y  —  ctga:, 

y  =  log.r,  y  =  log(sina:), 

y  =  a«=,  y  =  J*  +  J-a=, 

y  :=^  a^  -{-  h  cosa:  —  cx^. 

Ist  die  Abhängigkeit  zwischen  x  und  y  durch  eine  nach  y 
aufgelöste  Gleichung  gegeben,  wie  das  in  den  soeben  erwähnten 
Beispielen  geschehen  ist,  so  nennt  man  y  eine  entwickelte  (oder 
explicite)  Function  von  x. 

Ist  dagegen  die  Gleichung  zwischen  x  und  y  nicht  nach  y 
aufgelöst,  so  nennt  man  y  eine  unentwickelte  (oder  implicite) 
Function  von  x.    Durch  die  Gleichungen 

xy'^  —  3a:2y2  _|.  ^2x^  —  b)y  —  x^  =  0, 
yi  _  ^xy  +  4a:2  —  7a:  +  3  =  0, 
y*  —  COSa:  +  a:**  +  7  =  0 
ist  z.  B.  y  als  unentwickelte  Function  von  x  gegeben. 


§  1.    Begriff  und  Eintheilung  der  Functionen.  5 

In  vielen  Fällen  ist  es  möglich,  y  als  eine  entwickelte  Func- 
tion von  X  darzustellen,  obgleich  y  als  eine  unenttmckelte  Func- 
tion von  X  gegeben  ist.    Aus 


folgt  z.  B. 

und  aus 
folgt 


yi  _  ^xy  +  4a;2  —  7ii;  +  3  =  0 

y  =  2x±Ylx  —  ^\ 

y*  —  COS:r  +  :k«  +  7  =  0 


y  =  ]/^cosa:  —  af^  —  7. 

Will  man  andeuten,  dass  y  eine  entmckeUe  Function  von  x 
ist,  so  schreibt  man  gewöhnlich 

y  =f{x)^  oder  y  =  F{x\  oder  y  =  q){x\  oder  y  =  (l>{x). 

Hat  man  es  mit  mehreren  Functionen  zu  thun,  die  man 
von  einander  unterscheiden  wiU,  so  geschieht  dies  durch  Indices, 
indem  man  schreibt 

/iWj     M^)^     M^)^      '"fn{x). 

Will  man  andeuten,  dass  y  eine  unentwickelte  Function  von 
X  ist,  so  schreibt  man  gewöhnlich 

f{x,  y)  =  0,  oder  I{x,  y)  =  0,  oder  y(a?,  y)  =  0. 

Man  denkt  sich  dabei  die  Gleichung  zwischen  x  und  y  so 
umgeformt,  dass  auf  der  rechten  Seite  nur  0  stehen  bleibt. 

/  Aus  den  angeführten  Beispielen  erkennt  man  auch,  dass 
jedem  Werthe  der  unabhängigen  Veränderlichen  x  nicht  immer 
nur  ein  Werth  der  Function  y  entspricht,  sondern  dass  häufig 
jedem  Werthe  von  x  mehrere  Werthe  von  y  zugeordnet  sind. 
Demnach  muss  man  eindeutige  und  mehrdeutige  Functionen 
miterscheiden. 

In  einer  Gleichung  zwischen  x  und  y  wurde  bisher  x  als 
diejenige  Veränderliche  angesehen,  deren  Werth  man  beliebig 
annehmen  durfte.  Mit  demselben  Rechte  kann  man  aber  auch 
y  als  die  unabhängige  und  x  als  die  abhängige  Veränderhche  be- 
trachten.   Das  giebt  den  Satz; 

Wenn  y  durch  eine  Gleichu?ig  als  eine  entwickelte  oder  un- 
entwickelte Minction  von  x  gegeben  ist,  so  ist  auch  x  eine  Func- 


6  §  1.    Begriff  und  Eintheilung  der  Functionen. 

tion  von  y,  oder  mit  anderen  Worten:  Die  durch  eine  Gleichung 
gegebene  Abhängigkeit  zwischen  zwei  veränderlichen  Grössen  x 
und  y  ist  eine  gegenseitige. 

Daraus  ergiebt  sich  auch  die  Erklärung  solcher  Functionen, 
welche  aus  bereits  bekannten  Functionen  durch  Vertauschung 
der  abhängigen  mit  der  unabhängigen  Veränderlichen,  d.  h. 
,,durch  Umkehrung  der  Functionen^^  hervorgehen. 

Es  sei 
(2.)  y=J-, 

dann  kann  auch  x  als  eine  Function  von  y  betrachtet  werden, 
und  zwar  wird  diese  Function  der  ^^Logarithmus^^  von  y  mit 
der  Basis  b  genannt.    Dies  giebt  die  Gleichung 

(2a.)  a;  =  logy; 

gleichzeitig  folgt  hieraus  die  Erklärung:  Der  Logarithmus  einer 
Zahl  y  ist  der  Exponent^  zu  dem  die  Basis  b  erhoben  weiden 
muss,  damit  man  y  erhält. 

Die  Gleichungen  (2.)  u.  (2  a.)  sagen  also  genau  dasselbe  aus. 

Ein  zweites  Beispiel  liefert  die  Gleichung 
(3.)  y  =  sina-. 

Es  sei  aber  hier  zunächst  darauf  hingewiesen,  dass  man  in 
der  Differentialrechnung  bei  den  trigonometrischen  Functionen 

sin  AT,     COSa:,     tga:,     ctga: 

unter  x  nicht  einen  Winkel,  sondern  das  Verhältniss  des  dem 
Centriwinkel  entsprechenden  Kreisbogens  zum  Halbmesser  des 
Kreises  versteht.  Macht  man  den  Halbmesser  der  Einheit  gleich, 
so  ist  X  die  Länge  des  Kreisbogens.  Einem  Winkel  von  360" 
entspricht  also  der  Bogen  27r,  nämlich  der  Umfang  des  ganzen 
Kreises  mit  dem  Radius  1,  einem  Winkel  von  1"  entspricht  da- 
her der  Bogen 

und  einem  Winkel  von  a®  entspricht  der  Bogen 

an 


180 


=  tt.  0,017  453  29. 


§  1.    Begriff  und  Eintheilung  der  Functionen. 


In  Figur  2  sei  deshalb 
MA  =  31B  =  1, 
dann  mitspricht  dem  Centriwinkel 
AMB  oder  a  der  Bogen 


Fig.  2. 


AB  —  x  = 


180* 


Dies  vorausgeschickt,  ist  der  Sinn  der 

Gleichung  (3.)  der,  dass  x  der  Bogen 

(arcus)  ist,   dessen  Sinus  (OB)  gleich  y  wü'd.    Dasselbe  soll 

auch  die  Gleichung 

(3  a.)  X  =  arc  sin  y 

(sprich:  X  gleich  Arcus  Sinus  y)  aussagen,  nämlich  x  ist  gleich 

dem  Arcus,  dessen  Sinus  gleich  y  ist. 

In  ähnlicher  Weise  sind  die  Gleichungen 


a;  =  arc  cos  y, 
a;  =  arc  tg  y, 
a;  =  arc  ctg  y 


(4.)  y  =  cosa;  und    (4  a.) 

(5.)  y  =ztgx  und    (5  a.) 

(6.)  y  ==  ctg  a:  und    (6  a.) 

gleichbedeutend. 

Diese  Functionen 

arc  sin  x,     arc  cos  x,     arc  tg  a:, 
welche  durch  TJmkehrung  aus  den  trigonometrischen  Functionen 
abgeleitet  werden,  heissen  cykhmetrische  Functionen. 


arc  ctga;. 


Die  entwickelten  Functionen  theilt  man  nun  wieder  ein  in 
algebraische  und  transcendente  Functionen,  und  zwar  ist  y  eine 
algebraische  Function  von  ^r,  wenn  y  einem  Ausdrucke  gleich  ist, 
welcher  aus  x  und  aus  constanten  Grössen  nur  durch  die  ge- 
wöhnlichen algebraischen  Operationen,  nämlich  nur  durch  Addi- 
tion^ Subtraction^  Multiplication,  Division  und  TVurzelatcsziehung 
gebildet  ist. 

Ist  dieses  nicht  der  Fall,  so  ist  y  eine  transcendente  Func- 
tion von  X.    Durch  jede  der  Gleichungen 

(7.)  y=:2x^  +  S  Yx  —  x^  |/x 

3a;2+7a:— 11 


(8.) 


y  = 


2a; +  5 


—  13a:  +  9, 


8  §  1.    Begriff  und  Eintheiluiig  der  Functionen. 


(9.)  y  =  }/ 


2a;2  +  3a;  —  8 


a:  +  1  1/  yx+  2 

wird   daher  y  als  eine   algebraische  Function  von  x  erklärt; 

durch  jede  der  Gleichungen 

(10.)      y  =  sina:,      y  =  cosrr,      y  =  tga:,      y  =  ctg2;, 

(11.)      y  =  a*,         y  =  logar, 

(12.)      y  =  3sin:r  +  4cos:c , 

(13.)       y  =  a* +2]/T+a;3  — c 

dagegen  wird  y  als  eine  trancendente  Function  von  x  erklärt. 

Die  algebraischen  Functionen  werden  wieder  eingetheilt  in 
rationale  und  irrationalcj  und  die  rationalen  Functionen  werden 
weiter  eingetheilt  in  ganze  rationale  und  in  gebrochene  ratiofiale 
Functionen. 

1)  Die  ganzen  rationalen  Functionen  werden  am  der  unab- 
hängigen Veränderlichen  x  und  aus  constafiten  Grössen  nur  durch 
die  Operationen  des  Addirens,  des  Subtrahirens  und  des  Mutti- 
plicirens  gebildet, 

(Die  Division  und  die  Wurzelausziehung  sind  also  hierbei 
ausgeschlossen.) 

Es  ist  z.  B. 

y  =  3:c*  —  ^x^  +  |:c2  _  n^  +  | 

eine  ganze  rationale  Function  von  x,  denn  sie  ist  aws  x  und  den 
Constanten  Grössen  3,  ^,  |,  11,  |  nur  durch  Addition,  Subtrac- 
tion  und  Multiplication  zusanunengesetzt. 

Bemerknngr. 

Da  hierbei  die  Brüche  -|,  -f,  -f  vorkommen,  so  könnte  man  glau- 
ben, die  Bildung  dieser  Function  widerspräche  der  soeben  angegebenen 
Regel,  indem  diese  Brüche  durch  Division  entstanden  seien. 

Dieser  Einwand  ist  aber  deshalb  unbegründet,  weil  die  Besultate 
dieser  Division  selbst  wieder  constante  Grössen  sind,  die  man  bei  der 
Bildung  einer  ganzen  rationalen  Function  beliebig  verwenden  darf. 

Femer  ist  zu  beachten,  dass  die  Potenzen  von  x,  also 

•V     ""^  XSvf  X    ^^~  XXXy  X/    ^■~'  XXSvXj  ... 

durch  MultipHcation  entstanden  sind,  so  lange  der  Exponent  eine  posi- 
tive,  ganze  Zahl  ist. 


§  1.    Begriff  und  Eintheilaiig  der  Functionen.  9 

Die  Function 

y  =  aa:  +  a^ 
heisst  eine  ganze  rationale  Function  ersten  Grades^  weil  x  (ohne 
dass  Klammern  auftreten)  nur  in  der  eraten  Potenz  vorkommt. 
Ebenso  heisst 

y  =  ax^  +  a^x  +  «2 
eine  ganze  rationale  Function  zweiten  Grades, 

y  =  ax'^  +  a^x'^  +  (^i^  +  0.3 
eine  ganze  rationale  Function  dritten  Grades, 

y  =  ax^  +  aja:'*"^  +  a.jaf^-^  +  ...  +  «n-i  ^  +  «n 
eine  ganze  rationale  Function  w^**  Grades,  weil  (ohne  dass  Klam- 
mem auftreten)  die  höchste  Potenz  von  x,  welche   vorkommt, 
a:**  ist. 

Die  Gleichung 

y  =  öa:«  +  a^a;**-^  +  aj^"^  +  ...  +  an~\x  +  a« 
giebt  auch  diejenige  Form  an ,  auf  welche  jede  ganze  rationale 
Function  gebracht  werden  kann,  wenn  man  sämmtliche  Klam- 
mem auflöst.    Ist  z.  B. 

y  =  (2ar2— 3a:+ll)(3a:— 5)+a:[(2a;+3)(a:+2)+(a:— 1)  (a'+l)  — 7], 

so  findet  man,  indem  man  alle  Klammem  auflösst  und  die 
Glieder  mit  gleichen  Potenzen  von  x  vereinigt, 

y  =  6^:3  —  19^:2  +  48a:  —  55 -f  ir  [(2a;2  +  7a?-f6)+  (a;2  — 1)  — 7] 
=  9a:3  _  i2a;2  +  46a:  —  55. 

/  Dieses  Verfahren  fährt  immer  zum  Ziele,  wie  auch  die 
Function  durch  Addition,  Subtraction  und  Multiplication  gebildet 
sein  mag,  wenn  nur  die  Anzahl  der  angewendeten  Operationen 
eine  endliche  ist  Unter  dieser  Voraussetzung  kann  man  näm- 
lich zunächst  die  innersten  Klammem  auflösen,  d.  h.  diejenigen 
Klammerausdrücke,  in  denen  keine  weiteren  Klammem  stehen, 
und  in  den  gefundenen  Resultaten  die  Glieder  vereinigen,  welche 
mit  gleichen  Potenzen  von  x  multiplicirt  sind.  Indem  man  dieses 
Verfahren  fortsetzt,  kann  man  nach  und  nach  alle  Klammem 
auflösen,  die  Glieder  mit  gleichen  Potenzen  von  x  vereinigen  und 
nach  fallenden  Potenzen  von  x  ordnen. 

Um  anzudeuten,  das  y  eine  ganze  rationale  Function  von  x 
ist,  schreibt  man 

y  =  ^(^)j    ^der    y  =  G(x). 


^Ö  §  1.    Begriff  und  Eintheilung  der  Functionen. 

2)  Die  gebrochenen  rationalen  Functionen  werden  aus  der 
unabhängigen  Vei*änderlicheti  x  und  aus  constauten  Grössen  ge- 
bildet durch  Addition j  Subtraction^  MuUiplication  und  Division, 

So  sind  z.  B. 

ax*^  —  b 

_1  Ix 

^  "  X        2a:  — 3' 

5a:  +  2  "*"  3a:  —  4 

y=     1       3^^ 

2a:        2a:  +  5 

gebrochene  rationale  Functionen  von  x.  Hier  tritt  also  zu  den 
Operationen,  welche  bei  der  Bildung  von  ganzen  rationalen 
Functionen  zulässig  waren,  noch  die  Division  hinzu.  Wie  oft 
aber  auch  die  Division  bei  der  Bildung  einer  gebrochenen  ratio- 
nalen Function  verwendet  sein  mag,  es  lässt  sich  die  Function 
immer  so  umformen,  dass  bei  ihrer  Bildung  nur  eine  einzige 
Division  vorkommt.    Es  gilt  nämlich  der  Satz: 

Jede  gebrochene  rationale  Function  lässt  sich  darstellefi  ah 
Quotient  von  zwei  ganzen  rationalen  Functionen^  d.  h.  es  lässt 
sich  jede  gebrochene  rationale  Function  auf  die  Form 

ax^  +  a^a:*»""*  +  ...  4-  an^\x  +  öJn 

^  ""   J^*»  +  Jia:"»-^  +  ...  +  b,n-\x  +  6« 

biingen. 

f  Der  Beweis  dieses  Satzes  folgt  dai^aus,  dass  man  Brüche 
addirt  oder  subtrahirt,  indem  man  sie  auf  gleichen  Nenner  bringt 
und  die  Zähler  addirt  oder  subtrahirt,  dass  man  femer  Brüche 
mit  einander  multiplicirt,  indem  man  Zähler  mit  Zähler  und 
Nenner  mit  Nenner  multiplicirt,  und  dass  man  endlich  Brüche 
durch  einander  dividirt,  indem  man  den  Divisor  umkehrt  mid 
dann  multiplicirt.  Alle  diese  Operationen  liefern,  wenn  sie  auf 
Quotienten  von  ganzen  rationalen  Functionen  angewendet  werden, 
als  Endresultat  wieder  den  Quotienten  von  zwei  ganzen  rationalen 
Functionen. 

Führt  man  also  bei  der  Bildung  einer  gebrochenen  rationa- 
len Function  alle  Additionen,  Subtractionen,  Multiplicationen  und 


§  1.    Begriff  und  Eintlieiluiig  der  FunctionezL  H 

Divisionen  in  der  gehörigen  Reihenfolge  wii'klich  aus,  indem 
man  immer  nur  mit  Brüchen  opeiirt,  welche  schon  die  vor- 
geschiiebene  Foim  haben,  so  kann  man  schliesslich  die  Function 
selbst  auf  diese  vorgeschiiebene  Form  bringen. 

Es  ist  z.  B. 

2x  —  S   .   Sx  —  2 

+ 


X 1  X  +  1      ,     _ 

y= ^ +7x 

X  —  2 
5x^  —  6a;  —  1 


X 


x  —  2 

bx'^  —  6x—l    x  —  2 


xP-  —  1  X 

5:i;3— 16a:2+  \\x-\-  2 


•^Ix 


X^ X 


+  Ix 


7x^  +  5a:3  _  2Bx^  +  Ux  +  2 


X^  —  X 


Bekanntlich  ist 


deshalb  sind  Potenzen  von  x  mit  negativen  ganzzahligen  Expo- 
nenten auch  gebrochene  rationale  Functionen  von  x. 
^   Um  anzudeuten,  dass  y  eine  (ganze  oder  gebrochene)  ratio- 
nale Function  von  x  ist,  schreibt  man  gewöhnlich 

y  =  It{x). 

3)  Die  irrationalen  Functionen  werden  aus  der  unabhängigen 
Veränderlichen  x  und  aus  constanten  Grössen  gebildet  durch  Ad- 
dition^ Subtraction,  MuÜiplication^  Division  und  Wurzelausziehung - 

Hier  tritt  also  noch  die  Wurzelausziehung  hinzu. 

Durch  die  Gleichungen 


12  §  2.    Geometrische  Darstellang  der  Functionen. 

y  =  J/2a:2—  7  =  {2x^  —  7)t, 


_  Yx  —  3       |/2a:2  _  3;g  4.  5 

werden  also  irratiofiale  Functionen  erklärt.  Man  erkennt  aus 
diesen  Beispielen,  dass  Potenzen  von  x  mit  gebrochenen  (posi- 
tiven oder  negativen)  Exponenten  irrationale  Functionen  von  x 
sind,  denn  es  ist 

Bemerkung, 

Bei  dieser  Eintheilang  der  Fanctionen  handelt  es  sich  nur  um  ent- 
wickelte Functionen;  nimmt  man  aber  die  unentwickelten  Functionen 
hinzu,  so  erweitert  sich  der  Begriff  der  algebraischen  Functionen,  und 
zwar  heisst  dann  y  eine  algebraische  Function  von  x,  wenn  y  die  VITurzel 
einer  Gleichung  von  der  Form 

Oo{x)  .  y^  +  Gdx)  •  y'*-^  +  . . .  -h  On-\(x)  •  y+Gn(x)  =  0 

ist,  wobei  Goix),  G\{x\  ...  Gn-\{x),  Gn(x)  sämmtlich  ganze  rationale 
Functionen  von  x  sind.  Vorläufig  können  aber  solche  algebraische 
Functionen  übergangen  werden. 


§2. 

y.     Geometrische  Darstellung  der  Functionen. 

Von  dem  Verlaufe  einer  Function  kann  man  sich  auf  zwei- 
fache Weise  eine  Vorstellung  machen,  erstens  durch  eine  Tabelle 
und  zweitens  durch  eine  Figur. 

Solche  Tabellen  sind  z.  B.  füi*  die  Fimctionen  log^-, 
log  (sin  ä;),  log(cos:c},.. .  hergestellt  und  zwar  in  der  Weise, 
dass  in  der  einen  Colonne  die  verschiedenen  Werthe  von  x  und 
in  der  anderen  Colonne  die  zugehörigen  Werthe  von  y  stehen, 
z.  B. 


§  2.    Geometrische  Darstellung  der  Functionen. 

y  =  \0%x 


13 


X 


1 
2 
3 
4 


0 

0,3010300 
0,4771213 
0,602  0600 


Das  andere  Mittel  bietet  die  analytische  Geometrie.  Sind 
nämlich  in  einer  Ebene  zwei  sich  schneidende  gerade  Linien  OX 
und  OY  gegeben  (Fig.  3),  und  legt  man  durch  einen  beliebigen 
Punkt  P  die  Gerade  RP  parallel  zu  OX  und  die  Gerade  QP 
parallel  zu  0  F,  so  erhält  man  ein  Pa- 
rallelogramm 0  Q  PJR,  in  welchem 

OQ^  RP^  X, 
OIt==  QP=^y 

die  Coordinaten  des  Punktes  Pheissen, 

und  zwar  nennt  man  x  die  Äbsdsse  und 

y  die   Ordinate  des   Punktes  P.    Die 

gegebenen  Geraden  OX  und  O  Y  heissen 

die  Coordinaten- Axen,  und  zwar  heisst 

OX  die  Abscissen-Axe  oder  X-Axe,   OY  heisst  die  Ordinaten- 

Axe  oder  Y-Axe^  und  ihre  Zusammenstellung  heisst  ein  Parallel- 

Co(yrdinatensystem.    Dabei  nennt  man    0  den  Nullpunkt  oder 

den  Anfangspunkt  des  Coordinatensystems. 

Durch  die  Lage  des  Punktes  P  sind  also  seine  Coordinaten 
X  und  y  bestimmt ;  umgekehrt  ist  aber  auch  die  Lage  des  Punlt- 
tes  P  bestimmt,  wenn  seine  Coordinaten  x  und  y  gegeben  sind. 
Schneidet  man  nämlich  OQ=^x  von  0  aus  auf  der  X-Axe  und 
OR  =  y  von  O  aus  auf  der  Y- Axe  ab ,  so  schneiden  sich  die 
Geraden,  welche  man  bezw.  durch  R  parallel  zur  X-Axe  und 
durch  Q  parallel  zur  r--4xe  legt,  im  Punkte  P. 

Allerdings  ist  diese  Construction  nur  dann  eindeutig,  wenn 
man  die  eine  Seite  der  X-Axe,  z.  B.  die  rechts  von  0  als  die 
positive  und  deshalb  die  andere  Seite  als  die  negative  festsetzt, 
so  dass  OQ=^x  auf  der  positiven  oder  negativen  Seite  abzu- 
tragen ist,  je  nachdem  x  einen  positiven  oder  negativen  Werth 


14 


§  2.    Geometrische  Darstellung  der  Functionen. 


hat.  Ebenso  muss  man  auf  der  Y-Axe  die  eine  Seite,  z.  B.  die 
über  der  X-Axe  als  die  positice  und  deshalb  die  andere  als  die 
negative  festsetzen. 

Für  viele  Untersuchungen  ist  es  am  bequemsten,  ein  „recht- 
vnnkliges^  Coordinatensystem  zu  Grunde  zu  legen,  bei  welchem 
die  Coordinaten-Axen  sich  rechtwinklig  schneidea.  Das  Paral- 
lelogramm OQPR  wird  dann  ein  Rechteck. 

Betrachtet  man  nun  x  und  y  als  die  rechtwinkUgen  Coor- 
dinaten  eines  Punktes,  so  entspricht  jedem  Werthepaare  dei:  eben 
beschriebenen  Tabelle  ein  Punkt.     Da  man  den  Untersclued 

zwischen  je  zwei  auf  einander  fol- 
genden Werthen  von  x  beliebig  klein 
machen  kann,  so  wird  die  Anzahl 
dieser  Punkte  beliebig  gross;  auch 
werden  im  Allgemeinen  die  auf  ein- 
ander folgenden  Punkte  einander  be- 
liebig nahe  liegen  und  dadurch  eine 
stetig  verlaufende  Curve  bestimmen, 
welche  der  Gleichung 

y  =  f(x) 
entspricht.    Ist  z.  B. 
(1.)  y  =  x^  +  Sx-  2, 

so  ergiebt  sich  die  Tabelle 


Figr,  4. 


riW 


X 

y 

—  5 

+  8 

—  4 

+  2 

—  3 

—  2 

—  2 

—  4 

1 

—  4 

0 

9. 

+  1 

+  2 

+  2 

+  8 

•     . 

•         • 

und  daraus  die  in  Figur  4  dargestellte  Cuive. 


§  3.    Functionen  von  mehreren  Veränderlichen.  15 

Ein  zweites  Beispiel  liefert  die  Gleichung 

(2.)  :r2  +  y2  _  25  =  0, 

oder 

(2  a.)  y  =  ±lA25  —  z\ 

Die  Curve,  welche  dieser  Gleichung  entspricht,  ist  in  Figur  5 
dargestellt. 

Liegt  die  einer  Gleichung  zwischen  x  und  y  entsprechende 
Curve  gezeichnet  vor,  so  kann  man  zu  jedem  Werthe  von  x 
einen  zugehörigen  Werth  von  y  finden,  indem  man  im  Abstände 
X  eine  Parallele  zur  F-Axe  zieht,  welche  die  Curve  in  einem 
oder  in  mehreren  Punkten  P  schneidet.  Der  Abstand  eines 
solchen  Punktes  P  von  der  X-Axe  ist  dann  ein  zugehöriger 
Werth  von  y. 

Möglicher  Weise  wird  diese  Parallele  die  Curve  in  gar 
keinem  Punkte  schneiden.  Dies  tritt  in  dem  zweiten  Beispiele 
ein,  wenn  x^>2b  ist;  dann  wird  nämlich  y  imaginär. 


§  3. 

Functionen  von  mehreren  Veränderfichen. 

Besteht  eine  Gleichung  zwischen  rfm  Veränderlichien  x^  y, 
;?,  ist  z.  B. 

2:  =  3:r2-  Ixy  +  112/2, 
so  lieisst  z  eine  Function  der  beiden  Veränderlichen  x  und  y, 
weil  jedem  Werthepaare  x^  y  ein  Werth  (oder  mehrere  Werthe) 
von  z  nach  einem  bestimmten  Gesetze  zugeordnet  ist. 

So  ist  z.  B.   der  Flächeninhalt  eines  Dreiecks  ( ^  |  eine 


(f)* 


Function  der  Grundlinie  g  und  der  Höhe  h ;   das  Volumen  eines 

— ^j  ist  eine  Function  vom  Halbmesser  r  des 

Grundkreises  und  von  der  Höhe  h. 

Ebenso  giebt  es  Functionen  von  drei  oder  mehr  Veränder- 
lichen.   Das  Volumen  eines  Kegelstumpfes 


16  §  4.    Begriff  der  Grenze. 

ist  eine  Function  der  Höhe  h  und  der  Halbmesser  r^  und  r^^  der 
beiden  begrenzenden  Kreise. 

Die  Schwingungszahl  einer  gespannten  Saite  ist  eine  Func- 
tion ihrer  Länge,  ihrer  Dicke  und  der  spannenden  Gewichte. 

Die  Zinsen,  welche  ein  ausgeliehenes  Capital  bringt,  sind 
eine  Function  des  Capitals,  der  Zeit  und  des  Zinsfiisses. 

Um  anzudeuten,  dass  y  eine  Function  von  n  Veränderlichen 
ar^,  a:2,  ...  x^  ist,  schreibt  man 

y  =y  (^ij  ^2>  •  •  •  ^'*)? 
oder 

oder 

y  =  y>(x^j   X2j    ...   Xn). 

Die  Functionen  von  mehreren  Veränderlichen  kann  man  in 
derselben  Weise  eintheilen  wie  die  Functionen  von  einei'  Ver- 
änderlichen; es  giebt  also  auch  hier  eindeutige  und  mehr  deutig  e^ 
entwickelte  und  unentwickelte  Functionen. 

Die  entwickelten  Functionen  werden  eingetheilt  in  alge- 
braische und  transcendente.  Dabei  unterscheidet  man  unter  den 
algebraischen  Functionen  je  nach  ihrer  Bildung  aus  den  unab- 
hängigen Veränderlichen  und  constanten  Grössen  gerade  so  wie 
bei  den  Functionen  mit  einer  Veränderlichen 

1)  ganze  rationale  Functionen, 

2)  gebrochene  rationale  Functionen, 

3)  irrationale  Functionen. 

Alle  übrigen  Functionen  heissen  transcendent 

§4. 

^  Begriff  der  Grenze. 

(Vergl.  die  Fonnel-Tabelle  Nr.  1.)*) 
Wenn  eine  veränderliche   Grösse  X  (oder  eine  Reihe    von 
Grössen  X^,  X2,  X3, . .  .^  sich  einer  constanten  Grösse  A  immer 
mehr  nähert^  so  dass  schliesslich  der  Unterschied  zwischen  X  und 


*)  Die  wichtigsten  Formeln  sind  im  Anhange  zu  einer  Tabelle  zu- 
Bam  mengestellt. 


§  4.    Begriff  der  Grenze.  17 

A  {bezw.  zwischen  Xn  und  A  für  hinreichend  grosses  n)  heUebig 
klein  wird^  so  heisst  A  die  Grenze  {limes)  von  X,  hezw,  von  Xn* 

Dabei  kann  es  vorkonunen,  dass  X  immer  kleiner  bleibt 
als  die  Grenze  A,  oder  dass  X  immer  grösser  bleibt  als  die 
Grenze  A ;  es  kann  aber  auch  vorkommen,  dass  diese  veränder- 
liche Grösse  X  bald  grösser  ist,  bald  kleiner  als  die  Grenze  A^ 
der  sie  sich  nähert.  Es  kann  auch  vorkommen,  dass  für  ge- 
wisse Werthe  von  n  der  Unterschied  zwischen  X»  und  A  kleiner 
ist  als  der  Unterschied  zwischen  Xn+i  und  A^  wenn  nur  für 
hinreichend  grosse  Werthe  von  n  dieser  Unterschied  beliebig 
Alein  gemacht  werden  kann. 

Um  auszudrücken,  dass  A  die  Grenze  von  X  ist,  schreibt 

man 

^  =  limX. 

Beispiele. 

1)  Der  Umfang  eines  Kreises  ist  die  Grenze  vom  Umfange 
des  dem  Kreise  einbeschriebenen  regelmässigen  n-Ecks,  wenn  die 
Anzahl  der  Seiten  immer  grösser  und  grösser  wird,  denn  der 
Unterschied  zwischen  beiden  wird  beliebig  klein,  wenn  man  n 
hinreichend  gross  macht. 

Ebenso  kann  der  Umfang  des  Kreises  als  Grenze  des  dem 
Kreise  umschriebenen  regelmässigen  »-Ecks  angesehen  werden. 

2)  Auch  die  Fläche  des  Kreises  ist  die  Grenze  vom  Flächen- 
inhalt des  dem  Kreise  einbeschriebenen  und  ebenso  des  umschrie- 
benen /J-Ecks,  wenn  n  immer  grösser  und  grösser  wird. 

3)  Es  ist 

0,7777. ..  =  m(^  +  ^  +  ^+...  +  ^„)=1. 

Hierbei  bedeutet  das  Zeichen  lim  (sprich :  limes  fiir  n  gleich 


n  =  ao 


(11  1 

+  —  j  gesucht  wird,  wenn  n  über  jedes  Mass  hinaus  wächst. 

Stegemann- Kiepert)  DifTerential-Beohnting.  2 


18  §  4.    Begriff  der  Grenze. 

7 

Dieser  gesuchte  Grenzwerth  ist  in  der  That  -,  denn  es  wird 


7 
9 

7 
10 

7 
■"90' 

7  > 

loo; 

1  = 

7 
90 

7 
100 

7 
■"900' 

\10  ^  100  ^  1000/       90 


7 

9   VlO  '  lÖO  '  10007  "  900   1000  ""  9000  ' 


9   \10  "^  100  "^  1000  "^  •  • '  "^  loV   9  .  10** 

7 

Der  Unterschied  zwischen  ~  und  0,7777  ...  wird  also  beliebig 

y 

Mein^  wenn  man  eine  hinreichend  grosse  Anzahl  von  Decimal- 
stellen  berücksichtigt. 

Aehnliches  gut  ganz  allgemein,  wenn  man  einen  gewöhn- 
lichen Bruch,  dessen  Nenner  von  2  und  5  verschiedene  Factoren 
enthält,  in  einen  periodischen  Decimalbruch  verwandelt. 

4)  Es  ist 

In  der  That,  es  wird 

Der  Unterschied  zwischen  l+^  +  T  +  7r  +  ««*  +:^  iind 

2       4       8  2** 

2  wird  also  beliebig  klein,  wenn  man  n  hinreichend  gross  macht. 


§  4.    Begriff  der  Grenze. 


19 


5)  Die  Gleichung 

VS=:  1,73205 

ist  nicht  genau,  denn  es  wird 

1,732052=  2,9999972025, 

ein  Ausdmck,  der  von  3  um  eine  kleine  Grösse  verschieden  ist  • 
nimmt  man  aber  mehr  Decimalstellen,  so  kann  man  den  Unterschied 
zwischen  dem  Quadrat  des  Decimalbruches  und  3  immer  kleiner 
machen.  Es  ist  also  Ys  die  Grenze,  welcher  sich  der  Decimal- 
bruch  nähert,  d.  h.  der  Unterschied  zwischen  dem  Decimalbruch 
und  Ys  wird  beliebig  klein,  wenn  man  die  Anzahl  der  Stellen 
hinreichend  gross  macht. 


6) 


lim 

3  =  0 


smz 


=  1. 


Hierbei  bedeutet  das  Zei- 
chen lim  (sprich:  limes  für  z 
«=o 

gleich  0),  dass  der  Werth  von 

bestimmt  werden  soll,  wenn 

sich  der  Werth  des  Bogens  z 
der  Null  beliebig  nähert. 


Fig.  6. 


^z. 


Zum  Beweise  beachte  man,  dass  für  alle  Bogen  Zy  welche 
kleiner  als  ^  (d.  h.  kleiner  als  90  0)  sind,  in  Figur  6 

(1.)  aOCB^  Sector  AOB  S  aOBD 

wird.    Macht  man  den  Halbmesser  des  Kreises  um  O  gleich  1, 
so  ist 

2  aO(7J5=  CB.  CO=::smzco^z, 

2  Sector  AOB  =  ÄB.AO=zz, 

2  AOBD  =OB.BD=tgz=^^^, 

^         COS2' 

folglich  gehen  die  Ungleichungen  (1.)  über  in 


(la.) 


sm^;  cosz'^z 


smz 
cosz 


2* 


20  §  4.    Begriff  der  Grenze. 

Indem  man  durch  sin  2;  dividirt,  erhält  man 

z              1 
(2.)  COS;?  <  -. —  < , 

oder 

/« \  1    v^  sin«^ 

(3.)  >. >  cos«; 

^   ^  cos« —    z    — 

sin«  1 

d.  h. liegt  immer  zwischen  cos«  und •    Da  nun  aber 

«        ®  cos« 

(4.)  lim  cos«  =  1  und  lim  =  1 

fl=o  «  =  o  cos« 

wird,  so  muss  auch 

/c  \  T     sin«      ^ 

(5.)  hm  — -  =  1 

a  =  0       « 

sein. 

Der  Sinn  dieses  Sesultates  lässt  sich  folgendermassen  aus- 
sprechen : 

Der  Unterschied  zwischen  dem  Sinus  eines  Bogens  «  und 
dem  Bogen  selbst  wird  im  Verhältniss  zu  diesem  Bogen  «  beliebig 
ileinj  wenn  man  den  Bogen  hinreichend  klein  macht.    So  ist 

arcus  4«  =  0,069  813 17,  sin  4«  =  0,069  756  47, 

arcus  2^  =  0,03490658,  sin  2«  =  0,034  899  42, 

arcus  1^  =  0,01745329,  sin  1^  =  0,01745241, 

arcus  30'  =  0,008  726  64,  sin  30'  =  0,008  726  54, 

arcus  15'  =  0,00436332,  sin  15'  =  0,00436331, 

arcus  7|'  =  0,002 181 66,  sm  7^'  ==  0,002 181 66, 


also 


arcus40-sm40         5670     ^o,00081217. 


arcus  4«  6981317 

arcus  2^  — sin  2^  _      716 

arcus  2"         ""3490658 
arcus  1^  —  sinl^__       88 
arcus  1«        ""  1745329 
arcus  30*  — sin  30' _       10 
arcus  30'         "  872664 


=  0,00020512, 
=  0,00005042, 


=  0,00001146, 


§  5.    Das  unendlich  Kleine  und  das  unendlich  Grosse.  21 

§5. 

Das  unendlich  Kleine  und  das  unendlich  Grosse. 

(Vergl.  die  Formel-Tabelle  Nr.  2—4.) 

Nähert  sich  eine  veränderliche  Grösse  der  Grenze  0,  so  sagt 
man^  sie  wird  unendlich  klein. 

Nach  den  Auseinandersetzungen  des  vorhei'gelienden  Para- 
graphen könnte  man  die  Erklärung  des  unendlich  Kleinen  daher 
auch  so  fassen: 

Wenn  eine  veränderliche  Grösse  immer  kleinere  und  kleinere 
Werthe  annimmt^  so  dass  sie  kleiner  werden  kann  als  jede  ge- 
gebene Grösse,  so  sagt  man,  sie  toird  unendlich  klein,  oder  noch 
besser,  sie  toird  verschwindend  klein. 

Wenn  man  also  von  „verschwindend  kleinen^'-  oder  von  „w»- 
endlich  kleinen  Grössen!"^  spricht,  so  muss  man  sich  stets  dessen 
bewusst  bleiben,  dass  man  zunächst  mit  kleinen  veränderlichen 
Grössen  rechnet,  die  sich  dann  der  Grenze  0  beliebig  Mhem  sollen. 

Es  ist  sehr  bequem,  diese  vereinfachte  Bezeichnung  zu  be- 
nutzen, damit  man  es  nicht  nöthig  hat,  in  jedem  einzelnen  FäUe 
die  Auseinandersetzung  des  hier  angedeuteten  Grenzverfahrens 
zu  wiederholen. 

Wenn  eine  veränderliche  Grösse  immer  grössere  und  grössere 
Werthe  annimmt,  so  dass  sie  jede  gegebene  Grösse  übersteigen 
kann,  so  sagt  man,  sie  wird  unendlich  gross,  oder  noch  besser, 
sie  ist  eine  unbegrenzt  wachsende  Grösse, 

üas  Zeichen  für  unendlich  gross  ist  oo. 

Wenn  man  also  von  „unbegrenzt  wachsenden' '  oder  von  „un- 
endlich grossen  Grössen'^  spricht,  so  will  man  wiederum  ein 
Grenzverfahren  andeuten,  welches  darin  besteht,  dass  man  zu- 
nächst mit  endlichen,  veränderlichen  Grössen  rechnet,  die  dann 
aber  grösser  werden  dürfen  als  jede  angebbare  Grösse. 

So  wird  z.  B.  tg«  erklärt  als  das  Verhältniss  der  beiden 
Katheten  im  rechtwinkligen  Dreieck,  von  denen  die  erste  dem 
spitzen  Winkel  a  gegenüberliegt.  Wächst  der  Winkel  u,  so 
wächst  auch  tg«.  Für  «  =  90^  hat  diese  Erklärung  keinen 
Sinn  mehr ,  weil  es  kein  geradliniges  Dreieck  giebt ,  das  zwei 
rechte  Winkel  enthält;  trotzdem  sagt  man 

tgOO'^  =  00 


22  §  5.    Das  unendlich  Kleine  und  das  unendlich  Grosse. 

und  will  damit  ausdiücken,  dass  tga  über  jede  angebbare  Grösse 
hinaus  wächst,  wenn  sich  a  dem  Werthe  90^  beliebig  nähert. 

JSine  Grösse  heisst  ^^endlich^^  ^  wenn  sie  weder  unendlich 
klein  noch  unendlich  gross  ist, 

Satz  1.  Neben  einer  endlichen  Grösse  darf  eine  verschwin- 
dend kleine  Grösse  vernachlässigt  werden^  oder  mit  anderen 
Worten:  eine  endliche  Grösse  bleibt  unverändert^  wenn  man  sie 
um  eine  unendlich  kleine  Grösse  vermehrt  oder  vermindert. 

Die  Richtigkeit  folgt  aus  der  Erklärung  der  unendlich 
kleinen  oder  verschwindend  kleinen  Grössen. 

Von  diesem  Satze  kann  man  sofort  einige  Anwendungen 
machen.    Es  sei 

limX=:^,         lunr=J5, 
also  X==A  +  a,        Y=B  +  ß, 

wobei  a  und  ß  beim  Uebergange  zur  Grenze  verschwindend 
kleine  Grössen  sind.  Dann  werden  aber  auch  a  +  ß  und  « —  /5f 
verschwindend  klein,  folglich  wird 

lim(X  ±  Y)  =  lim  [{A  ±  B)  +  (a  ±  ß)]  =  A  ±  B, 

oder 

(1.)  lim  (X  ±  F)  =  lim  X  ±  lim  y. 

Ferner  ist 

X  .  r=  {A  +  a){B  +  ß)  =  AB  +  aB  +  ßA  +  aß. 

Da  A  und  B  endliche  Grössen  sind,  so  werden  beim  Ueber- 
gange zur  Grenze  aB  und  ßA  verschwindend  klein,  und  da  auch 
aß  verschwindend  klein  wird,  so  erhält  man 

\\m{X.Y)^A.B 

oder 

(2.)  Um(X.  y)  =  limX.lim  F. 

Schliesslich  ist 

Y      B+  ß  ^B      ßA—aB 

X"~"^  +  «'~^       A{A  +  a) ' 

Beim  Uebergang  zur  Grenze  werden  ßA  und  aB  terschtmn- 
dend  klein ,  während  unter  der  Voraussetzung ,  dass  -4  S  0  ist, 
A{A  +  a)  den  endlichen  Werth  A'^  erhält,  foglich  wii'd 


§  ö.    Das  unendlich  Kleine  und  das  unendlich  Grosse. 


23 


^^©  =  1' 


limF 
limX' 


oder 

(3.) 

wenn  lim  X  S  0  ist. 

Aus  der  Erklärung  dei-  unbegrenzt  wachsenden  Grössen 
folgt: 

Satz  2.  Eine  unbeffrenzt  wachsende  Grösse  wächst  auch 
dann  noch  unbegrenzt^  wenn  man  sie  um  eine  endliche  Grösse 
vermehrt  oder  vermindert,  oder  mit  anderen  Worten :  eine  Grösse 
bleibt  unendlich  gross  y  atwh  wenn  man  eine  endliche  Grösse  zu 
ihr  addirt  oder  von  ihr  subirahirt 


Fig.  7. 


Manche  scheinbar  elementare  Untersuchungen  setzen  bereits 
den  Begriff  des  Grenzwerthes,  bezw.  den  Begriff  der  unendlich 
kleinen  Grössen  voraus,  wie  die 
beiden  folgenden  Aufgaben  aus 
der  Geometrie  und  Mechanik 
zeigen  mögen. 

1.  Es  sei 

(4.)  y  =f{x) 

die  Gleichung  einer  Curve  PP^ 

(Fig.  7),  in  welcher  die  Punkte 

P  und  Pi  durch  eine  Secante 

verbunden  sind.     Der  Winkel 

ß,  den  diese  Secante  mit  der  positiven  Bichtung  der  X-Axe 

bildet,  ist  dann  bestimmt  durch  die  Gleichung 


(5.) 


tgß  =  tgiJPP,  =.  ^ 


Bezeichnet  man  nun  die  Coordinaten  des  Punktes  P  mit  x 
und  y,  die  des  Punktes  P^  mit  x^  und  yi*),  so  wird 

OQ  =  x,     QP  =  y,     OQi=a:i,     QiP,  =j/,, 


*)  In  dem  Folgenden  sollen  die  Coordinaten  eines  Punktes  P  immer 
mit  x^  y,  die  eines  Punktes  Pj  mit  x\,  y\,  allgemein  die  eines  Punkte^ 
Pn  mit  ar»,  yn  bezeichnet  werden. 


24  §  5.    Das  iinendJÜch  Kleine  und  das  unendlich  Grosse. 

also 

PR  =  QQy^  =  OQ^  —  OQ  —  x^  —X, 

folglich  wird 


(6.)  igß 


^y\—y 

X*   ~~~  X 


Die  Differenzen  x^—x  und  y^  —  y  bezeichnet  man  gewöhn- 
lich mit  Jx  und  Jy,  Die  Gleichung  (6.)  nimmt  dadurch  die 
Form 

(6a.)  tg/»  =  ^ 

an.  Nähert  sich  jetzt  der  Punkt  P^  dem  Punkte  P,  so  werden 
auch  Jx  und  Jy  immer  kleiner.  Wii'd  schliesslich  der  Abstand 
des  Punktes  P^  von  P  verschindend  klein,  so  werden  auch  Jx 
und  Jy  verschwindend  kleine  Grössen,  welche  man  dann  Diffe- 
rentiale nennt  und  mit  dx  und  dy  bezeichnet.  Gleichzeitig  geht 
die  Secante  PPi  in  die  Tangente  TP  über,  welche  mit  der  po- 
sitiven Eichtung  der  X-Axe  den  Winkel  a  bildet.  Die  Tan- 
gente im  Curvenpunkte  P  ist  nämlich  eine  Secante,  bei  der  zwei 
Schnittpunkte  P  und  Pj  in  einen  Prmktj  den  Berührungspunkt 
P  zusammengefallen  sind. 

Die  Gleichung  (6a.)  geht  daher  über  in 

(7.)  tga  =  |  =  lim^. 

Den  Quotienten  der  beiden  Differentiale  dy  und  dx  nennt 
man  einen  Differential-Quotienten. 

2.  Unter  der  Geschwindigkeit  c  eines  (z.  B.  in  gerader 
Linie)  gleichförmig  fortbewegten  Massenpunktes  versteht  man 
die  Länge  des  Weges,  der  in  der  Zeiteinheit  (Secunde)  zurück- 
gelegt wird.  In  t  Secunden  ist  daher  die  Länge  des  zurück- 
gelegten Weges 
(8.)  6-  =  ct. 

Dies  giebt  für  die  Geschwindigkeit  bei  gleichförmiger  Be- 
wegung den  Werth 

(9.)  c=f 


§  6.    lieber  die  Rechnung  mit  unendlich  kleinen  Grössen.         25 

Hierbei  ist  es  ganz  gleichgültig,  wie  gross,  bezw.  wie  klein 
t  ist,  weil  s  in  demselben  Verhältnisse  wächst  und  abnimmt 
wie  t. 

Wenn  die  Bewegung  nicht  mehi'  gleichförmig  ist,  d.  h.  wenn 
der  bewegte  Massenpunkt  in  gleichen  Zeiten  nicht  mehr  gleiche 
Strecken  zuräcklegt,  so  kann  man  doch  noch  von  der  mittleren 
Gesch\\indigkeit  im  Zeitintervall  von  t  bis  t^  sprechen  und  diese 
wieder  erklären  als  das  Verhältniss  der  in  der  Zeit  t^  —  t  zu- 
rückgelegten Strecke  s^  —  s  zu  diesem  Zeitintervall  t\  —  t. 
Bezeichnet  man  diese  Differenzen  b^  —  s  und  t^  —  t  bezw.  mit 
Js  und  M^  so  ist  also  die  mittlere  Geschwindigkeit 

Tt^  t^  —  V 

Wird  das  ZeitintervaU  Jt  immer  kleiner  und  schliesslich 
verschwindend  klein,  so  wird  auch  Js  verschwindend  klein. 
Diese  verschwindend  kleinen  Grössen  bezeichnet  man  bezw.  mit 
dt  und  ds  und  nennt 

die  Geschwindigkeit  der  ungleichförmigen  Bewegung  zur  Zeit  t. 
Auch  hier  nennt  man  die  verschwindend  kleinen  Grössen 
ds  und  dt  Differentiale  und  ihren  Quotienten  einen  Differential- 
Quotienten. 

§  6- 

lieber  die  Rechnung  mit  unendlich  Ideinen  Grössen. 

Nach  den  Erkläningen  des  vorhergehenden  Paragraphen 
wird  eine  Grösse  dann  unendlich  klein  (oder  verschwindend  klein), 
wenn  man  sie  kleiner  machen  kann  als  jede  gegebene  Grösse. 
Wie  gross  auch  die  Genauigkeit  sein  mag,  mit  der  man  rechnen 
will,  man  kann  die  verschwindend  kleinen  Grössen  so  klein 
machen,  dass  sie  neben  einer  endlichen  Grösse  nicht  mehr  in 
Betracht  kommen. 

Verlangt  man  z.  B.,  dass  eine  Zahl  bis  auf  n  DecimalsteUen 
genau  berechnet  wird,  so  kann  man  jede  unendlich  kleine  Grösse 
kleiner  machen  als 


26         §  6.    Ueber  die  Beohnung  mit  unendlich  kleinen  Grössen. 


10*' 

wie  gross  auch  n  sein  mag.  Man  kann  daher  die  unendlich 
kleinen  Grössen  nicht  mit  endlichen,  sondern  nur  mit  unendlich 
kleinen  Grössen  vergleichen;  das  VerhäUniss  zweier  unendlich 
kleinen  Grössen  kann  nämlich  sehr  wohl  einen  endlichen  Werth 
haben,  wie  schon  die  Beispiele 

dy  ds 

in  §  5  gezeigt  haben.  Mit  solchen  Differentialen  und  Differe^i- 
tial' Quotienten  hat  man  es  hauptsächlich  in  der  Differential- 
Rechnung  zu  thun. 

Man  kann  aber  auch  in  anderer  Weise  mit  verschwindend 
kleinen  Grössen  rechnen. 

Theilt  man  nämlich  eine  endliche  Grösse  Jmn  Theile  (die 
übrigens  nicht  gleich  zu  sein  brauchen),  so  ist  /  gleich  der 
Summe  aller  dieser  Theile.  Wenn  nun  die  Zahl  n,  d.  h.  die 
Anzahl  der  Theile  in's  Unbegrenzte  wächst,  so  dass  die  ein- 
zelnen Theile  immer  kleiner  und  schliesslich  unendlich  klein 
werden,  so  erkennt  man,  dass  auch  die  Summe  von  unendlich 
vielen  j  unendlich  Aleinen  Grössen  sehr  wohl  einen  endlichen 
Werth  J  haben  kann. 

Solche  Summen  von  unendlich  vielen,  unendlich  kleinen 
Grössen  treten  in  der  Integral- Rechnung  auf. 

Beispiele  davon  kommen  schon  in  der  Planimetrie  und 
Stereometrie  vor. 

So  berechnet  man  die  Fläche  eines  Kreises  mit  dem  Halb- 
messer r,  indem  man  sie  in  unendlich  viele,  unendlich  schmale 
Sectoren  zerlegt.  Jeder  solche  Sector  wii*d  dann  als  ein  Dreieck 
betrachtet,  dessen  Spitze  der  Mittelpunkt  des  Kreises  ist,  und 
dessen  Grundlinie  in  der  Peripherie  des  Kreises  liegt.  Da  diese 
Dreiecke  alle  dieselbe  Höhe  r  haben,  so  braucht  man  nur  ihre 
Grundlinien  zu  addiren  und  erhält  als  ihre  Summe  den  Umfang 
des  Kreises,  nämlich 

u  =  2r7r. 


§  7.    Verschiedene  Ordnungen  der  unendlich  kleinen  Grössen.    27 

Der  Flächeninhalt  des  Kreises  ist  daher 

i?^  =  — -  =  r%. 
2 

In  ähnlicher  Weise  berechnet  man  die  Oberfläche  einer 
Kugel,  indem  man  sie  in  unendlich  viele,  unendlich  schmale  Zonen 
zerlegt,  welche  man  als  Mäntel  von  Kegelstumpfen  betrachtet. 

Ferner  findet  man  das  Volumen  V  einer  Kugel,  indem  man 
die  Kugeloberfläche  in  unendlich  kleine  Dreiecke  zerlegt  und 
diese  Dreiecke  als  die  Grundflächen  von  Pyramiden  betrachtet, 
die  alle  ihre  Spitze  im  Mittelpunkte  der  Kugel  haben.  Die 
Höhe  ist  bei  allen  diesen  Pyramiden  gleich  dem  Halbmesser  r 
der  Kugel,  folglich  ist  die  Summe  ihrer  Volumina  gleich  der 

Summe  ihrer  Grundflächen,  multiplicirt  mit  --.    Da  die  Summe 

der  Volumina  gleich  dem  Volumen  der  Kugel  und  die  Summe 
der  Grundflächen  gleich  der  Kugeloberfläche  {4cr^jt)  ist,  so 
findet  man 

V  =  4r27r  .  --  =  — — -. 
3  3 

Bei  der  Rechnung  mit  unendlich  kleinen  Grössen  kommen 

daher  hauptsächlich  nur  zwei  Aufgaben  in  Betracht: 

1)  j&«  ist  der  Werth  zu  bestimmen^  welchen  das  Verhältnis 
von  zwei  unendlich  kleinen  Grössen  annimmt. 

2)  Es  ist  die  Summe  von  unendlich  vielen,  unendlich  kleinen 

Grössen  zu  bestimmen. 
In  dem  Folgenden  wird  daher  auch  nur  auf  diese  beiden 
Aufgaben  Rücksicht  genommen  werden. 


§7. 

Verschiedene  Ordnungen   der  unendlich  kleinen  Grössen. 

Die  verschwindend  kleinen  Grössen,  welche  in  einer  Rech- 
nung vorkommen,  können  noch  sehr  verschiedenartig  sein.  Zer- 
legt man  z.  B.  einen  Würfel  durch  Schnitte,  senkrecht  zu  einer 
Seitenkante,  in  n  gleiche  Schichten,  so  werden  die  einzelnen 
Schichten  verschwindend  kleine  Grössen,  wenn  n  in's  unbegrenzte 
wächst. 


28     §  7.   Verschiedene  Ordnungen  der  unendlich  kleinen  Grössen. 

Legt  man  jetzt  noch  Schnitte,  senki-echt  zu  einer  zweiten 
Kante,  so  kann  man  jede  dieser  Schichten  in  n  gleiche  Säulen 
zerlegen.  Wenn  jetzt  n  wieder  in's  ünbegi'enzte  wächst,  so 
werden  diese  Säulen  verschwindend  kleine  Grössen,  und  zwar 
sind  sie  auch  noch  verschindend  klein  im  Verhältniss  zu  jeder  ein- 
zelnen Schicht,  weil  erst  unendlich  viele  Säulen  eine  solche 
Schicht  ausmachen. 

Schliesslich  kann  man  noch  durch  Schnitte,  senkrecht  zu 
einer  dritten  Kante  des  Würfels  jede  Säule  in  n  Würfel  zer- 
legen. Wächst  n  wieder  in's  Unbegrenzte,  so  werden  diese 
Würfel  noch  verschwindend  klein  im  Verhältniss  zu  den  ver- 
schwindend kleinen  Säulen,  weil  erst  unendlich  viele  Würfel  eine 
solche  Säule  ausmachen. 

Dieses  Beispiel  zeigt,  dass  man  die  unendlich  kleinen  Grössen 
noch  in  vei-schiedene  Ordnungen  eintheüen  muss. 

Kommen  also  in  einer  Eechnung  verschiedene  unendlich 
kleine  Grössen  vor,  so  kann  man  eine,  z.  B.  a,  nach  Belieben 
auswählen  und  festsetzen,  dass  «  eine  unendlich  kleine  Grösse 
erster  Ordnung  heisse. 

Ist  dann  ß  eine  andere  unendlich  kleine  Grösse,  und  wird 

eine    endliche   Grösse,   so    heisst  ß   gleichfalls   eine  unendlich 
kleine  Grösse  erster  Ordnung. 

Die  unendlich  kleinen  Grössen  erster  Ordnung  haben  daher 
nach  dieser  Festsetzung  alle  die  Form  ap. 

Wenn  dagegen  -  selbst  wieder  eine  unendlich  kleine  Grösse 

erster  Ordnung  ist,  wenn  also  -    auf  die  Form   ap  gebracht 
werden  kann,  so  ist 

eine  endliche  Grösse.    Man  sagt  dann,  ß  sei  eüie  unendlich  kleine 
Grösse  ztoeiter  Ordnung. 


-i=p 


§  7.   Verschiedene  Ordnungen  der  unendlich  kleinen  Grössen.      29 

Die  unendlich  kleinen  Grössen  zweiter  Ordnung  haben  daher 
alle  die  Form  a^p. 

Ist  auch  noch  ~  eine  unendlich  kleine  Grösse  erster  Ord- 
nung,  lässt  sich  also  ~  auf  die  Form  ap  bringen,  so  ist 

l 

eine,  endliche  Grösse,  und  ß  heisst  eine  unendlich  kleine  Grösae 
dritter  Ordnung. 

So  kann  man  fortfahren;  es  heisst  dann  ß  eine  unendlich 
kleine  Grösse  n**^  Ordnung^  wenn 

eine  endliche  Grösse  ist,  wenn  also 

ß  =  ay. 

Dabei  ist  n  nicht  nothwendiger  Weise  eine  ganze  Zahl, 
sondern  n  darf  auch  eine  gebrochene  positioe  Zahl  sein. 

Auch  wenn  man  für  n  gebrochene  Werthe  zulässt,  so  sind 
in  der  Form  a>  noch  nicht  alle  unendlich  kleinen  Grössen  er- 
schöpft, wie  später  gezeigt  werden  soll.  Deshalb  möge  die  ge- 
gebene Erklärung  dahin  erweitert  werden,  dass  y  im  Vergleich 
zu  a  eine  unendlich  kleine  Grösse  höherer  Ordnung  heissen  möge, 

wenn  noch  —  unendlich  klein  toird, 
a 

Dies  vorausgeschickt,  gelten  die  folgenden  Sätze. 

Satz  1.  Unterscheiden  sich  die  unendlich  kleinen  Grössen 
a  und  of'  von  einander  nur  durch  eine  unendlich  kleine  Grösse 
höherer  Ordnung  y,  so  ist  der  Gremwerth  ihres  Verhältnisses 
gleich  1. 

Beweis.    Nach  Voraussetzung  ist 
(1.)  a*  —  «  =  y,     oder    a'  =  «  +  y, 

wobei  Y  eine  unendlich  kleine  Grösse  höherer  Ordnung  ist,  so 

dass  -  =  €  selbst  noch  unendlich  klein  wu-d.    Deshalb  folgt 
a 

aus  Gleichung  (1.) 


30      §  7.   Verschiedene  OrdnoBgen  der  unendlich  kleinen  Grössen. 

(2.)  —  ==  1  +  6     oder     lim  —  ==  1, 

denn  die  unendlich  kleine  Grösse  e  darf  neben  der  endlichen 
Grösse  1  vernachlässigt  werden  (nach  Satz  1  in  §  5). 

Von  diesem  Satze  gilt  auch  die  Umkehrunff: 

Ist  der  Grenztcerfh,  dem  sich  das  Verhältniss  zweier  un- 
endlich kleinen  Grössen  a  und  a*  nähert^  gleich  i,  so  können 
sich  a  und  a*  nur  durch  eine  unendlich  kleine  Grösse  höherer 
Ordnung  von  einander  unterscheiden. 

Beweis.    Ist  nämlich  wieder 

a*  —  a  =  ^'j     oder    a'  =^  «  +  y, 
also 

a*  Y 

-=  1  +  -, 
a  a 

et*  V 

SO  folgt  aas  lim—  =  1,  dass '-  unendlich  klein  sein  muss. 

Beispiel.    Es  war  (vergl.  Formel  Nr.  1  der  Tabelle) 

,.     sin;? 
lim =  1, 

folglich  wird  z  —  sin«  unendlich  klein  von  höherer  Ordnung, 
wenn  z  unendlich  klein  von  der  ersten  Ordnung  wird. 

Satz  2.  Hat  das  Verhältniss  zweier  unendlich  kleinen 
Grössen  a  und  ß  einen  endlichen  Grenzwerth  (oder  den  Grenz- 
werth  oy,  so  ändert  sich  dieser  Grenzwerth  nicht  ^  wenn  man  a 
und  ß  um  unendlich  kleine  Grössen  höherer  Ordnung  vermehrt 
oder  vermindert. 

Man  soll  also  zeigen,  dass 

lim      ,       =  lim  — , 
u  ±:  y  a 

wobei  a  und  ß  unendlich  kleine  Grössen  von  beliebiger  Ordnung 
sind,  während  r  und  d  unendlich  kleine  Grössen  höherer  Ord- 
nung sein  sollen,  so  dasss 

^  =  ^'^  und  J  =  (J' 
a  ß 

selbst  noch  unendlich  kleine  Grössen  sind. 


§  7,  Veischiedene  Ordnungen  der  unendlich  kleinen  Grössen.      31 

Beweis.    Es  ist 

^  ''  «  ±  y  ~  «(1  ±  y)     «  V         1  ±  r'  / 

_ß,,ß    ±ä'Tr' 

a       u         1  ±  y 
Da 

lim(l  ±;'0  =  1»    lim (±  d' T  r')  =  0, 

und  da  —  einen  endlichen  Werth  hat,  so  wird 
,4.)         "  tai.±i^  =  «, 

d.  h.  —  .     ,    .     /    wird  verschwindend  klein  und  darf  neben 
et        1  ±  y 

der  endlichen  Grösse  —   vernachlässigt    werden.      Man    erhält 

daher 

(8.)  lim^  =  lim^. 

Da  sich  die  verschwindend  kleinen  Grössen  a  und  ß  von 
a'  =  a±r    und    ß*  —  ß  ±  d 
nur  durch  verschwindend  kleine  Grössen  höherer  Ordnung  unter- 
scheiden, so  kann  man  die  Gleichung  (5.)  auf  die  Form 

(5a.)  lim^  =  lim- 

bringen  und  dem  Satze  2  die  folgende  Fassung  geben. 

Satz  2a.    Der  Gremwerth  von  —   bleibt   ungeändert^    wenn 

man  die  verschwindend  kleinen  Grössen  a  und  ß  durch  andere 
a'  und  ß*  ersetzt,  welche  sich  von  den  ersteren  nur  durch  vej'- 
schtoindend  kleine  Grössen  höherer  Ordnung  unterscheiden. 

Beispiel.    Nach  Formel  Nr.  1  der  Tabelle  ist,  wenn  man 
für  z  das  eine  Mal  Sx  und  das  andere  Mal  4^  setzt, 

T     sin(3z)       ^      -.     sin  (4a:) 
hm      ^    ^  =  1,    Imi  — — ^  =  1, 

2  =  0        OX  £3  0        4^ 

folglich  unterscheiden  sich  lim  sin  (3a;)  und  lim  sin  (4a:)  von  lim  (Sx) 


32      §  7.   Yeiscbiedene  Ordnungen  der  unendlich  kleinen  Grössen. 


und  lim  (4a:)  nur  durch  verschwindend  kleine  Grössen  höherer 
Ordnung  und  man  erhält 

,.     sin  (3a:)        ..     Sx      3 
lim  .   ;^  ^  =  lim-7-  ==  T- 

a;  =  üSm(4>r;  4a:       4 

Safz  3.  Sind  a^,  a^y  ...  »n  verschwindend  kleine  Grössen^ 
deren  Anzahl  n  in^s  Unbegrenzte  wächst ^  und  weiss  man,  dass 
die  Summe  dieser  unendlich  vielen,  unendlich  kleinen  Grössen 
einen  endlichen  Grenzwerth  S  besitzt,  dass  also 

äS  =  lim  («1  +  «2  +  •  •  •  +  ««) 


M  =   QO 


Fig.  8. 


ist,  SO  bleibt  dieser  Grenzwerth  unverändert,  wenn  man  die  ver- 
schwindend kleinen  Grössen  a^,  02^ , , .  an  um  verschwindend  kleine 
Grössen  höherer  Ordnung  Y\  Yi^  •  •  •  y*  vermehrt  oder  vermindert. 
Dem  Beweise  dieses  Satzes  möge  ein  Beispiel  zur  Erläute- 
rung vorangestellt  werden. 

Es  sei  eine  ebene  Figur 
A^ABB^  (Fig.  8),  oben  begrenzt 
durch  einen  Curvenbogen  AB, 
links  und  rechts  von  den  Ordi- 
naten  A^A,  B^B  und  unten  durch 
den  Abschnitt  A^B^  der  X-Axe. 
Indem  man  A^B^  in  n  (gleiche 
oder  ungleiche)  Theile  zerlegt  und 
durch  die  Theilpunkte  Parallele 
zu  der  F-Axe  zieht,  kann  man 
den  Flächeninhalt  F  der  Figur  in  n  Streifen  «i,  «j,  ...  «»  zer- 
legen.   Dadurch  wird 

(6.)  i^=  «j  +  «2  +  •  •  •  +  c^«  =  '^«• 

Ist  nun  QPPx  Qx  ein  solcher  Streifen,  und  zieht  man  durch 
P  eine  Parallele  PR  zur  X-Axe,  so  zerfällt  der  Streifen  a  in 
das  Rechteck  QPRQ^  =  a*  und  das  Dreieck  PRP^  =  r?  folg- 
lich wird,  wenn  man  dieselbe  Construction  für  sämmtliche 
Streifen  ausfährt, 

(7.)  «j  =  a'j  -f  Y^,      «2  =  a'2  +  ^2,  •  •  •  «n  =  (Xn    +  Yn, 

oder 

(7a.)         «1'  =  «1  —  Y^,      «2'  =  «2  -"  ^2»  •  •  •  ^n    =  «n  —  rw> 

(8.)         i^=  2a  =  2{a*  +  r)  =  -«'  +  ^Y- 


§  7.  Yerschiedene  Ordnungen  der  unendlich  kleinen  Grössen.      33 

In  Figur  8  sind  die  Streifen  a  sämmtlich  grösser  als  die 
Rechtecke  «',  so  dass  in  den  Gleichungen  (7.)  und  (8.)  die 
Grössen  y  sämmtlich  positiv  sind.  Es  können  aber  auch  (Mrie 
in  Figur  9)  die  Streifen  a  sämmtlich  kleiner  sein  als  die  Recht- 
ecke «',  oder  es  können  (wie  in  Figur  10)  die  Streifen  a  zum 
Theil  grösser^  zum  Theil  kleiner  sein  als  die  Rechtecke  a*.  Die 
Gleichungen  (7.)  und  (8.)  bleiben  auch  in  diesen  Fällen  noch 
richtig,  wenn  man  unter  den  Grössen  y  auch  negative  zulässt. 


Fig.  9. 


Fig.  10. 


Ff 


f^ 


^ 


Wird  jetzt  die  Anzahl  n  der  Streifen  immer  grösser,  werden 
also  die  Streifen  selbst  immer  schmaler,  so  werden  die  Dreiecke 
Y  nicht  nur  selbst  immer  kleiner,  sondern  auch  ihre  Summe  wird 
immer  kleiner.  Selbst  wenn  man  die  Dreiecke  y  alle  positiv  nimmt, 
so  ist  ihre  Summe  kleiner  als  ein  Rechteck,  das  die  Seite  A^B^ 
zur  Grundlinie  und  die  grösste  Höhe  der  Dreiecke  y  zur  Höhe  hat. 
Da  nun  aber  diese  Höhe  mit  wachsendem  n  immer  kleiner  wird, 
so  wird  auch  der  Flächeninhalt  des  Rechtecks  und  deshalb  erst 
recht  2y  beliebig  klein.    Man  erhält  daher 

(9.)  lim  JS';'  =  0,         F—  lim  2"«  =  lim  2a'. 

Nach  diesem  Beispiele  möge  der  oben  ausgesprochene  Satz 
zunächst  für  den  Fall  bewiesen  werden,  dass  die  Grössen  a  und 
y  sämmtlich  positiv  sind.    Es  wird  dann 


(10.) 


/Si  =  «1  +  «2  +  .  .  -  +  «n, 


I   ^^1  =  «1 


+  ri)  +  («2  +  r2)  +  •  •  •  +  («»  +  Yn)  S  S^. 

Nach  Voraussetzung  sind  ^i,  ^2»  •  •  •  Yn  verschwindend  kleine 
Grössen  höherer  Ordnung,  d.  h.  es  sind 

Stegexnsnn- Kiepert,  Differential-Beolmtuig.  3 


84     §  7.    Yerschiedene  Ordnungea  der  unendlich  kleinen  Grössen. 

selbst  wieder  verschwindend  kleine  Grössen,  die  man  also  kleiner 
machen  kann  als  jede  geg:ebene  Grösse.  Man  kann  sie  z.  B. 
kleiner  machen  als 

(12.)  *  =  löi  ' 

wobei  man  den  Exponenten  x  noch  so  gross  machen  kann,  wie 
man  will.    Dies  giebt 

Deshalb  wird 

Äj  =  («1  +  ^l«l)  +  («2  +  «2*2)  +  .  •  .  +  («n  +  CCnen) 
=  «1  (1  +  «1)  +  «2  (1   +  «2)  +  •  •  •  +  ö««  (1  +  «n), 

oder 

(14.)     Ä2  ^  a,  (1  +  €)  +  «2  (1  +  e)  +  . . .  +  «n  (1  +  e), 

(14a.)    Ä2  ^(«1  +  «2  +  •  •  •  +  «n)  (1  +  «)  =  Äi  (1  +  €), 

oder  mit  Eücksicht  auf  die  Ungleichung  (10.) 

(15.)  S^^S^^S^  +  sS^. 

Wächst  jetzt  n  in's  Unbegrenzte,  so  wird  nach  Voraus- 
setzung Mm  S^=^  S  eine  bestimmte,  endliche  Grösse,  und  e  wird 
beliebig  klein;  folglich  wird  auch  lim  eiS^^  beliebig  klein,  d.  h.  ver- 
schwindend klein,  so  dass  die  Ungleichung  (15.)  übergeht  in  die 
Gleichung 
(16.)  limÄ2  =  limÄi  =  & 

Sind  die  Grössen  a  und  r  theüweise  positiv  und  theilweise 
negativ,  so  möge  der  Satz  nur  unter  der  Voraussetzung  bewiesen 
werden,  dass 

S  =  lim(ai  +  «2  +  •  •  •  +  "n)  =  lim  2a 

fl  SS  OD  n  :b  00 

auch  dann  noch  einen  endlichen  Werth  behält,  wenn  man  die 
Grössen  a  alle  positiv  nimmt.  Bezeichnet  man  also  den  absoluten 
Betrag  von  «mit  | a |  und  den  absoluten  Betrag  von  y  niit  | y | , 
so  kann  man  jetzt  in  derselben  Weise  wie  vorhin  zeigen,  dass 

lim  2\r\  —  0 
wird.    Folglich  ist  erst  recht 


§  7.    Yerschiedeue  Ordnungen  der  unendlich  kleinen  Grössen.      35 

lim  :^;'  =  0 


nxa  00 


und  deshalb 


lim  J!^a  =  Um  2{a  +  y). 


n=s  jo  ns  00 


Setzt  man 

«i'  =  «1  ±  Yu   Oj'  =  «2  ±  ^2?  .  .  •  «n'  =  «n  ±  ^n, 

SO  unterscheiden  sich  die  verschwindend  kleinen  Grössen  a  und 
a'  von  einander  nur  durch  verschwindend  kleine  Grössen  höherer 
Ordnung,  und  es  wird  nach  dem  eben  bewiesenen  Satze  3 

lim («i'  +  0C2'  +  . . .  +  ccn)  =  lim («1  +  «2  +  •  •  •  «n). 

Man  kann  daher  diesem  Satze  auch  die  folgende  Fassung  geben: 

Satz  3  a.  Der  Gremwerth  von  a^  +  «2  +  •  •  •  +  o^h  hleibt 
unverändert^  wenn  die  verschwindend  kleinen  Grössen  «j, 
a2,...o{n  durch  andere  a^*^  a2j...an  ersetzt  werden j  die  sich 
von  ihnen  nur  durch  verschwindend  kleine  Grössen  höherer  Ord- 
nung unterscheiden. 

Eine  Anwendung  dieses  Satzes  macht  man  schon  bei  der 
Berechnung  der  Kreisfläche,  denn  man  betrachtet  dabei  die  un- 
endlich vielen  Kreissectoren,  in  welche  die  Kreissfläche  zerlegt 
werden  kann,  als  geradlinige  Dreiecke.  Ein  solches  Dreieck 
unterscheidet  sich  von  dem  entsprechenden  Sector  durch  ein 
Kreissegment;  da  aber  diese  Segmente  unendlich  kleine  Grössen 
höherer  Ordnung  werden,  so  darf  man  sie  nach  dem  vorigen 
Satze  in  der  That  vernachlässigen. 

Ebenso  darf  man  bei  der  Berechnung  der  Kugeloberfläche 
die  Kugelzonen  nur  deshalb  durch  die  Mäntel  adgestumpfter 
Kegel  ersetzen,  weil  sie  sich  von  den  letzteren  nur  durch  ver- 
schwindend kleine  Grössen  höherer  Ordnung  unterscheiden. 

Schliesslich  sind  auch  bei  der  Berechnung  des  Volumens 
einer  Kugel  die  in  §  6  angegebenen  Theile,  streng  genommen, 
keine  dreiseitigen  Pyramiden,  sondern  sie  unterscheiden  sich  von 
diesen  durch  verschwindend  kleine  Grössen  höherer  Ordnung. 

3* 


36  §  8.    Begriff  der  Stetigkeit. 

§8. 

Begriff  der  Stetigkeit. 

(Vergl.  die  Formel-Tabelle  Nr.  5.) 

Wenn  durch  die  Gleichung 

(1-)  y  =/(^) 

irgend  eine  Function  von  x  erklärt  ist,  so  werden  im  Allge- 
meinen unendlich  kleine  Aenderungen  von  x  auch  unendlich  kleine 
Aendemngen  von  y  nach  sich  ziehen.  Für  alle  Werthe  von  x^ 
bei  welchen  dies  der  Fall  ist,  heisst  die  Function  stetig  oder 

continuirlich. 

Diese  Bezeichnung  ist  der  in  §  1  angedeuteten  geometrischen 
Darstellung  einer  Veränderlichen  entnommen.  Durchläuft  näm- 
lich der  Punkt  Q,  welcher  auf  der  X-Axe  den  Werthen  der 
unabhängigen  Veränderlichen  x  entspricht,  stetig  eine  Strecke 

Q1Q2,  so  wird  im  Allgemeinen   der 
**  Punkt  iJ,  welcher  den  zugeordneten 

Werthen  von  y  entspricht,  auf  der 
F-Axe  eine  Strecke  R^Ri  stetig  durch- 
laufen, wobei  auch  einzehie  Theile  der 
F-Axe  (innerhalb  oder  ausserhalb  der 
*i  Strecke  R^R^  mehrfach  durchlaufen 

werden  können.    (Vergl.  Fig.  11.) 


E 


2 


^    «.    «        ^r~-*  Nur   in   AnsnaWefäJl^  werden 

Functionen  unstetig  (oder  discontinuir- 
lich)j  d.  h.  nur  ausnahmsweise  wird  der  Fall  eintreten,  dass 
die  Function  y  für  endliche  Werthe  von  x  unendlich  gross  wird, 
oder  dass  sie  sich  sprungweise  (um  endliche  oder  unendlich 
grosse  Beträge)  ändert,  während  die  Aenderung  von  x  unend- 
lich klein  ist. 

Es  sei  z.  B. 

(2.)  y  = 


X  —  a* 


dann  wird  y,  so  lange  x  kleiner  als  a  bleibt,  negativ  und  stetig 
sein.    Wird  aber  x  gleich  a,  so  wird 

y  =  — 00 


§  8.    Begriff  der  Stetigkeit. 


37 


und  springt  dann  von  —  ao 
bis  +  00 ,  wenn  x  den 
Werth  a  passirt.  (Vergl. 
Fig.  12.) 

Ein    anderes    Beispiel 
liefert  dia  Function 

(3.)  y  =  tga:. 

'    Wenn  x  von  0  bis  ^ 

wächst,  so  wächst  y  gleich- 
zeitig von  0  bis  +  00  j  wenn 
Aber  X  noch  etwas  grösser 
wird,  so  erhält  y  einen  sehr 
grossen  negativen  Werth,  so 
dass  der  Werth  von  y  von 
+  00  bis  zu  —  00   springt, 

wenn  x  den  Werth  -  passirt. 


Fig.  12. 


(VergL  Fig. 

13.) 

Ist 

(40          y  = 

1 

SO  bleibt  y  immer  positiv 
und  wird  um  so  grösser,  je 
kleiner  x  ist.  Für  unendlich 
kleine  (positive  oder  nega- 
tive) Werthe  von  x  wird  y 
unendlich  gross,  d.  h.  y  wird 
für  diesen  Werth  von  x  un- 
stetig.   (Vergl.  Fig.  14.) 

Ist 


X 


(5.) 


y  = 


a 


1  +  a 


X 


0 


OA^a, 


Fig.18. 


«- 


£. 


OQ 


.,       OB  «  n. 


a 


1^        » 

X 

+  1 


38 


§  8«    Begriff  der  Stetigkeit. 


und  beschränkt  man  x  zunächst 
auf  positive  Werthe,  so  wird 


lima 

«  =  0 


also 


limy  =  1. 


(5a.) 


um    auszudrücken,    dass   x 
negative  Werthe  annimmt,  setze 
-X      man  a;  =  —  «,  dann  wird 

1 


y  =  — 

a'  +  1 
Nähert  sich  jetzt  z  dem  Werthe  0,  so  wird 

lima'  =  Go,    alsolimy  =  0. 

Fig.  16. 


Fig.  16. 


0  -^ 

Daraus  erkennt  man,  dass  sich  y  sprungweise  ändert,  wenn 
X  den  Werth  0  passirt,  und  zwar  springt  y  von  0  bis  1.  (Vergl. 
Fig.  15.) 

Sind  X  und  y  die  rechtwinklichen 
Coordinaten  eines  Punktes  P,  so  stellt 
die  Gleichung  (1.)  eine  Curve  dar.  Die 
Punkte  P  und  Pi,  welche  den  Werthen 
X  und  x^  entsprechen,  werden  einander 
beliebig  nahe  liegen,  wenn  die  Func- 
tion für  den  betreffenden  Werth  von 
X  stetig  ist,  und  wenn  x^ — x  hinreichend 


§  8.    Begriff  der  Stetigkeit. 


39 


klein  wird.  Nach  Voraussetzung  wird  nämlich  y^  —  y  mit 
x^  —  X  zugleich  verschwindend  klein,  folglich  auch 

(6.)  PPi  =  y(^i-^)^  +  (yi-y)^. 

(Vergl.  Fig.  16.) 

Der  Verlauf  der  Curve,  welche  die  Gleichung 

y  ==/(^) 

hat,  ist  also  im  Punkte  P  ein  stetiger  (continuirUcherJ .  Wird 
aber  y^  — y  nicht  mit  x^  — x  zugleich  verschwindend  klein,  so 
ist  die  Curve  im  Punkte  P  umteüg^  wie  die  Figuren  12,  13, 
14  und  15  zeigen,  welche  den  oben  angeführten  Beispielen  ent- 
sprechen. 

BemerknnsT« 

Eine  Unstetigkeit  der  Function  kann  Bcheinhar  auch  dadurch  ein- 
treten, daBB  die  Werthe  von  y  imaginär  werden,  wenn  x  das  IntervaU 
▼on  xx  bis  x^  durchläuft.    Ist  z.  B. 


Fig.  17. 

T 


80  ist  y  nur  reell,  so  lange 
j;2^a2  ig^^  y  -sKvs^  dagegen 
imaginär,  wenn  x^<a^  ist, 
wenn  also 

—  a   <  a:   <  +  ö. 

Für  die  Werthe  von  x^^^^a 
bis  d?ss=  -f  a  wird  also  die  Curve 
unterbrochen  9  wie  man  aus 
Figur  17  ersieht  Trotzdem 
darf  man  diesen  Fall  nicht  als 
eine  Unstetigkeit  betrachten, 
wie  bei  der  Theorie  der  com- 

plexen  Grössen  gezeigt  werden  wird.  Vorläufig  kommt  übrigens  dieser 
Fall  nicht  in  Betracht,  weil  nur  reeUe  Werthe  der  Functionen  berück- 
sichtigt werden  sollen,  wenn  nicht  ausdrücklich  das  Gegentheil  gesagt  wird. 

Man  kann  den  Begriff  der  Stetigkeit,  ganz  unabhängig  von 
der  geometiischen  Anschauung,  in  folgender  Weise  erklären: 

Eine  Function 

y  =/(^) 
Jieisat  für  solche  Werthe  von  x  stetig^  für  welche  die  Differenz 


40  §  8.    Begriff  der  Stetigkeit. 

mit  den  positiven  Grössen  d  und  e  zugleich  verschwindend  Mein 
wird. 

Ist  z.  B. 

1 

so  wird 

1 1  —(<»  +  «) 


J  = 


ic  +  e — a      X — d — a      (x — a)^  +  (€ — d)(x — d) — de 

Dieser  Ausdnick  wird  mit  d  und  e  zugleich  verschwindend 
klein,  so  lange  x  von  a  verschieden  ist.  Wird  aber  x  gleich  a, 
so  ist 

—  oe  €       o 

ein  Ausdruck,  der  für  unendlich  kleine  Werthe  von  d  und  c 
sogai*  unendlich  gross  wird.  Die  Function  ist  deshalb  fiir  x 
gleich  a  unstetig. 

Ist 

y  =  tga:, 

so  wird 

^^  ^       ^^  ^       COS(a:  +  €)  COS(a:  —  S) 

Dieser  Ausdruck  wird  mit  6  und  e  zugleich  unendlich  klein, 
wenn 

"I^'^^  +  i' 

denn  dann  ist  cos  2;  von  0  verschieden.  Wird  aber  x  gleich 
-,  so  ist 


J  =  —  sine,        cos  f  -  —  d  j  =  sind. 


cosC  -  +  e 

also 

.  __  — sin(d  +  e)  _  —  sindcose  —  cosdsing 

""      sind  sine     ""  sindsine 

oder 

^  =  —  ctgd  —  ctge, 


§  8.    Begriff  der  Stetigkeit.  41 

ein  Ausdruck,  welcher  für  unendlich  kleine  Werthe  von  d  und 
e  gleich  —  ao   wird.    Die  Function  tga;  ist  daher  für  x  gleich 

—  unstetig. 


Ist 


1 


so  wird 

____! ;l        __  —  2x{d  +  £)  +  J2  _  ^2 

(a:  +  6)2       (x  —  df^        {x  +  eflx  —  dy 

Für  aUe  Werthe  von  x^  welche  von  0  verschieden  sind, 
wird  dieser  Ausdruck  mit  <^  und  e  zugleich  verschwindend  klein; 
ist  aber  a;  =  0,  so  wird 

und  nimmt  beliebig  grosse  Werthe  an,  wenn  8  und  e  hinreichend 
klein  und  von  einander  verschieden  sind;  d.  h.  y  wird  für  a;  =  0 
unstetig. 


Ist 


m 


a 


X 


so  wird 


1  +  a 


1  1 

//  =  — — 


V  1 

l+a  1+0 

also  für  a:  =  0  wird 

1  1 

T  ""7 

a  a 


J  = 


1  1 

7  ""7 


1  +  a  1  +  a 


Setzt  man  der  Kürze  wegen  j  =  «,  -  =  /J,  so  werden  a 

und  ß  unendlich  gross,  wenn  d  und  e  unendlich  klein  werdea, 
und  man  erhält 


42  §  8.    Begriff  der  Stetigkeit 


^-  •' 

a 

1 

1  +  J 

1+a 

1  +  a 

-ß 

1+«-" 

Nun  ist  aber 

liTno~"  = 

(Cboo 

lim— =  0, 

lima 

ßsstoo 

=  \m 

i.=«. 

folglich  wird 

> 

liin//=  1; 
d.  h.  y  wird  för  a;  =  0  unstetig, 

Satz  1.*)  Sind  die  Rincti(menf{x)  und  ff  (x)  in  dem  Intervall  von 
Xx  bis  X2  endlich  undstetiffy  so  sind  auch  die  Functionen  f{x)  +g{x) 
und  f{x) — g{x)  in  diesem  Intervalle  endlich  und  stetig. 

Beweis.    Nach  Voraussetzung  werden 

(7.)   Jx-='f{x  +  e)—f{x  —  d\J^  =  g{x  +  e)  —  g{x  —  d) 
mit  d  und  e  zugleich  verschwindend  klein,  folglich  auch 

^^[f{x  +  e)±g{x  +  e)]--[f{x  —  S)±g{x  —  S)-\  =  Jx±^'i' 

Satz  2.  Sind  die  Functionen  f{x)  und  g{x)  in  dem  Inter- 
vall von  x^  his  x^  endlich  und  stetig^  so  ist  auch  die  Function 
F{x)  :=f(x) .  g(x)  in  diesem  Intervalle  endlich  und  stetig. 

Beweis.  Wendet  man  dieselben  Bezeichnungen  an  wie  in 
den  Gleichungen  (7.),  so  erhält  man 

J  =  F{x+B)—F{x—S)  =f{x+e).g{x+e)—f{x—3).g{x—S) 
=f{x  +  e)  .  g(x  +  «)  —/{x  —  S).g(x  +  e) 
+f(x  —  d).g(x  +  €)  —f{x  —  S).g{x  —  S) 

=  Jx  •  y  (^  +  «)  +  ^2  -/(^  —  ^• 
Nach  Voraussetzung  sind/(a;  —  J),  g{x  +  e)  endliche  Grössen, 
und  -^1,  J^  werden  verschwindend  klein  zugleich  mit  ö  und  «, 
folglich  auch  J.    ^ 


*)  SoUten  die  hier  folgenden  Sätze  1  bis  14  dem  Anfänger  noch  za 
schwer  sein,  so  kennen  sie  vorläufig  übergangen  werden;  der  Leser 
mnss  aber  bei  den  späteren  Untersuchungen  beachten,  dass  die  Stetig- 
keit der  Functionen  für  die  in  Betracht  kommenden  Werthe  von  x  vor- 
ausgesetzt wird,  wenn  nicht  ausdrücklich  das  Gegentheil  gesagt  ist. 


§  8.    Begriff  der  Stetigkeit.  43 

Satz  3.  Jede  ganze  rationale  Function  von  x  ist  stetig  für 
aüe  endliche  Werthe  von  x. 

Der  Beweis  folgt  daraus,  dass  die  ganzen  rationalen  Func- 
tionen aus  der  Veränderlichen  x  und  aus  constanten  Grössen 
nur  durch  Addition,  Subtraction  und  Multiplication  gebildet 
werden. 

Satz  4.  Sind  die  Functionen  f{x)  und  g{x)  in  dem  Intervall 
von  x^  bis  x^  endlich  und  stetig j  und  bleibt  f{x)  in  diesem  Intervalle 
entweder  beständig  positiv  oder  beständig  negativ,  so  ist  auch  die 

(f(x\ 

Function  F(x)  =  t^t-t  in  diesem  Intervalle  endlich  und  stetig. 

Beweis.    Hier  ist 

__f(x  —d).g(x  +  €)  —f(x  +  g) .  g{x  —  ä) 

/(^  +  «)  -/(^  -  ^) 
_f(x  —  d).g(x  +  €)  —f(x  —  d).g(x  —  d) 

f{x  +  e)  .f{x  —  S) 

fix  J^  e).g{x  —  S)  —fix  —  d).g(x  —  d) 
f{x  +  e).f{x—d) 

oder,    wenn   man   dieselben  Bezeichnungen    anwendet   wie  in 
den  Gleichungen  (7.), 

__  ^2  -/(^  —  d)—j^.  gip^—S) 

Nach  Voraussetzung  sind/(a;  —  d),  g(x  —  d)  endliche  Grössen, 
und  J^j  Ji  werden  mit  d  und  e  zugleich  verschwindend  klein, 
folglich  auch  J^  As^f{x  —  d)  und/(a:  +  e)  nach  Voraussetzung 
von  0  verschieden  sind. 

O  \X\ 

Satz  5.     Der  Quotient  -xj-r  zweier  ganzen  rationalen  Func- 

tionen  g{x)   und  f{x)  wird  nur  für  diejenigen    Werthe  von  x 
unstetig^  für  welche  f(x)  gleich  0  wird. 

Der  Beweis  folgt  unmittelbar  aus  Satz  4. 
Da  man  jede  gebrochene  rationale  Function  als  Quotienten 
zweier  ganzen  rationalen  Functionen  darstellen  kann,  so  findet 


44  §  8.    Begriff  der  Stetigkeit. 

man  aus  Satz  5,  für  welche  Werthe  von  x  die  gebrochenen 
rationalen  Functionen  stetig  sind  oder  nicht. 

Satz  6.     Die  rf^  Wurzel  aus  einer  endlichen  stetigen  Ficno 
tum  f{pc)  ist  wieder  endlich  und  stetig,*) 
Beweis.    Nach  Voraussetzung  wird 

^1  =/(^  +  €)— /(^  — <J) 
mit  d  und  e  zugleich  verschwindend  klein.    Setzt  man  nun 

y/(^  +  «)  =  t.,  ^fix^^^v, 

so  ist  nachzuweisen,  dass  auch 

j  =  u  —  f? 
verschwindend  klein  wird. 

Ist  zunächst  f(x)SO,  so  kann  man  d  und  e  so  klein 
machen,  dass  f{x  +  e)  und  f(x  —  d)  dasselbe  Zeichen  haben 
wie/(;r);  dann  muss  man  auch  den  Grössen  u  und  v  das  gleiche 
Zeichen  geben.    Deshalb  sind  in 

W* V^  z=  (u  —  t?)  (w*»~^  +  «"-2  ^  ^  ^  ^  ^  ^  Wü*»""^  +  t?**""*) 

die  Grossen  u^\  u^-H^  ...u ü**-^,  t?«*-^  alle  von  0  verschieden 
und  haben  sämmtlich  dasselbe  Vorzeichen,  folglich  ist 
S  =  u»-i  +  w^^o  +  •  • .  +  «t>**-2  +  ^n-i  g  0, 
und 

«•*  —  V^       Ja 
/§  :=:  U t?  =    I       ^ =  -~ 

8  8 

wird  mit  d  und  e  zugleich  verschwindend  klein. 

Ist  f{x)  =  0,  so  sind  f{x  +  e)  und  f(x  —  S)  einzeln  be- 
liebig klein  für  hinreichend  kleine  Werthe  von  d  und  e,  folglich 
auch  u^  V  und  ^,  wobei  vorausgesetzt  wird,  dass  u  und  v  beide 
noch  reelle  Grössen  sind. 

Dieser  Satz  giebt  Aufechluss  über  die  Stetigkeit  der  irra- 
tionalen Functionen. 

Satz  7.  Die  Functionen  sinrz;  und  cos^r  sir^  für  alle 
Werthe  von  x  stetig. 

Beweis.    Für  y  =  sin^r  wird 

J  =  sin(a;  +  €)  —  sm(x  —  d)  =^  2sin^    'T   f  cos(x  +  ^~   j • 

*)  I$t  n  gerade,  80  möge  bei  diesem  Satze  x  auf  solche  Werthe 
beschränkt  werden,  für  welche  f{x)  >  0  ist. 


§  8,    Begrijff  der  Stetigkeit.  45 

Dabei  liegt  cos^a^H — ^i"-)  zwischen  — 1  und  +  1,  und 

sin(    T^    j  wird  nach  Formel  Nr.  1  der  Tabelle  mit  d  und  e 

zugleich  verschwindend  klein,  folglich  auch  J, 
Für  y  =  cosir  wird 

j  =  cos(a;  +  e)  —  cos(a;  —  (J)  =  —  2sinf — ^jsm(x  +  ^-^y 

Auch  hier  liegt  sin^ic  +    ~    j  zwischen  —  1  und  +  1, 

und  sinf    "t    j  wird  mit  d  und  e  verachwindend  klein,  folg- 
lich auch  J. 

Satz  8.     Die  Function  tffa;  = wird    nur  für    diejeni- 

ffen  Werthe  von  x  unstetig^  für  welche  cosa;  gleich  0  wird^  also 

für  o;  =  ±  ^,   ±  -TT^  ±  -?r->  •  •  •  >  ^^^  <^«^  Function  ctg:r  =  — : — 
•^  2'  2  2  '       '  ^  sm:r 

t«?trrf  nwr  für   diejenigen   Werthe   von   x  unstetig  ^  für  welche 

sinx  =  0  toird,  also  für  x=  0,  ±  7t,  ±  27r,  • . .  • 

Der  Beweis  folgt  ohne  Weiteres  aus  Satz  5. 

Satz    9.      Die   Function    a*    ist    stetig  für   alle   endlichen 
Werthe  von  x. 

Beweis.    Für  y  =  a'  ist 

J  =  ««+•  —  a*-<^  =a''  .a* y  =  a'ia* jY 

Nun  ist 

lima^'  =  1,         lima*  =  1, 

folglich  wird  J  mit  d  und  e  zugleich  verschwindend  klein. 

Satz  10.    Die  Functionen  arc  sinrr  und  arc  coso;  sind  stetig, 
wenn  —  l<a:<-fl  ist. 

Beweis.    Ist  y  =  arc  sin  2;,  so  wird 

-^  =  arc  sin(a;  +  €)  —  arc  sin(a;  —  J)  =  w  —  r, 
indem  man 

w  =  arc  sin(a:  +  e),  i?  =  arc  sin(a;  —  S) 


46  §  8.    Begriff  der  Stetigkeit. 

setzt.    Dabei  kann  man  <^  und  e  so  klein  machen,  dass  auch 
—  l<X'^d<x  +  e<+  1  ist.    Dies  giebt 

sin  «  =  a:  +  6,  sin  f?  =  a:  —  d, 

wobei  u  und  v  so  gewählt  werden  müssen,  dass 


also 


—  7r<u  +  ü <  +  :^,.  oder  —  ^  <  — |— <  +  2 


Nun  wird 
smu  —  smt?  =  d  +  6  =  2sin( — 5 — Icosf — - — j, 

— -— )  = 7-7-rj  ^  =  «— «?  =  2arcsm/ J    ,    .\> 


sm 


(4/    >i.    2?\ 
— ^ — \  von  0  verschieden  ist,  so  wird 


2  cos 


(:-¥) 


mit  ö  und  e  zugleich  verschwindend  klein,  also  auch  J. 

Dadurch  ist  die  Stetigkeit  der  Function  arcsina;  bewiesen, 
aus  der  sich  auch  die  Stetigkeit  von  arccosa:  in  folgender 
Weise  ergiebt.    Es  sei 

y  =  arc  sina;,  z  =  arc  cosar, 
dann  wird 

X  =  siny  =  cos«. 
Hieraus  folgt 

«  =  —  — y,  oder  arc  cos a;  =  —  —  arcsina;, 

und  zwar  durchläuft  z  alle  Werthe  von  nr  bis  0,  wenn  y  alle 

Werthe  von  — -^  bis  +-  durchläuft. 

Satz  11.  Die  Functionen  arctga:  und  arcctga:  sind  für 
alle  endlichen  Werthe  von  x  stetig. 

Beweis-    Ist  y  =  arc  tga:,  so  wird 

j  =z  arc  tg(a:  +  e)  —  arc  tg(a;  —  <J)  =  w  —  v, 
indem  man 


§  8.    Begriff  der  Stetigkeit.  47 

w  Ä  arc  tg(a;  +  €),  t?  =  arc  tg(x  —  d) 
setzt.    Dabei  kann  man  u  und  v  so  wählen,  dass 

ist.    Dies  giebt 

tg«  =  a:  +  «>  tg«?  =  a;  —  (J, 
,  ,  •  ,  sin(M  —  v) 

tflfW tgt?  =  ()  +  €  = ^^ ^  j 

sin(w  —  ü)  =  (d  +  «) .  cosu  coso, 

//  =  «  — 1>  =  arc  sin[((J  +  «) .  cosw  cos©], 

folglich  wird  J  mit  i  und  e  zugleich  verschwindend  klein. 

Aus  der  Stetigkeit  von  arctg^;  ergiebt  sich  dann  auch  die 
Stetigkeit  von  arc  ctga;  in  folgender  Weise.    Es  sei 

y  =  arc  tga;,  z  =  arc  ctga:, 

dann  wird 

a:  =  tgy  =  ctg«. 

Hieraus  folgt 

«  =  —  — y,    oder   arcctga;  =  —  — arctga:, 
und  zwar  durchläuft  z  alle  Werthe  von  n  bis  0,  wenn  y  aUe 
Werthe  von  — ^  bis  +-5  durchläuft. 

Satz  12.  2>i«  Function  \^%x  ist  stetig  für  aUe  endlichen^ 
positiven  Werthe  von  x. 

Beweis.    Ist  y  =  log:r,  so  wird 

^  =  l0g(^  +  «)-l0g(^-(J)  =  l0g(j±5)==:l0g(l+^^). 

Da  nun 

lim     log  (1  +  ^4")  =  log  1  =  0 
ist,  so  wird  ^  mit  <J  und  e  zugleich  verschwindend  klein. 

Bei  den  folgenden  Betrachtungen  ist  es  von  grosser  Wichtig- 
keit, ob  die  Functionen,  mit  denen  man  opeiirt,  stetig  sind  oder 
nicht,  weil  die  meisten  Sätze,  die  hergeleitet  werden  sollen,  nur 
für  stetige  Functionen  gelten. 


48  §  8.    Begriff  der  Stetigkeit. 

Satz   13.    Ist  die  Function  f{x)  für   alle  Werthe   von   x 
zwischen  x^  und  x^  reell  und  stetig^  und  ist 

fM<o,fix2)>o, 

SO  gieht  es  zwischen  x^  und  x^  mindestens  einen  Werth  von  x, 
für  welchen  f{x)  gleich  0  toird. 

Beweis.    Am  leichtesten  erkennt  man  die  Bichtigkeit  des 
Satzes  aus  der  geometrischen  Darstellung.    Setzt  man  nämlich 

so  entspricht  den  Coordinaten  x^,  y^  ein  Punkt  P^  auf  der  nega- 
tiven Seite,  und  den  Coordinaten  x^^  y^  entspricht  ein  Punkt  P^ 
j,.    13  auf  der  positiven  Seite  der  X-Axe 

(vergl.  Mg.  18).  Da  nun  die 
Curve,  welche  der  Gleichung 
y=/(a:)  entspricht,  zwischen  den 
Punkten  P^  und  P^  stetig  verläuft, 
so  muss  sie  die  X-Axe  zwischai 
den  Punkten  Qj  und  Q^  minde- 
stens in  einem  Punkte  Q  schneiden, 
um  von  der  negativen  Seite  der 
X-Axe  auf  die  positive  zu  ge- 
langen. OQ^x  ist  dann  der  Werth  von  a;,  ftr  welchen 
f{x)  =  0  wird. 

Man  kann  aber  den  Beweis  auch  unabhängig  von  der  geo- 
metrischen Darstellung  führen. 

Es  sei  iC2  >  a?!,  und  es  werde  die  Differenz  x^  —  x^  m  zwei 
gleiche  Theile  h  getheilt,  so  dass 

X<\  ~~"~  X* 

X2  —  a?!  =  2Ä,  oder  h  =  —2— — L 

wird.    Ist  f{xi  +  Ä)  ==  0,  so  ist  der  Satz  schon  bewiesen ;  ist 
dagegen  f{x^  +  ä)  >  0,  so  setze  man 

iPj  =  iCg,  rCj  -j-  Ä  =  x^j 

und  ist  f(x^  +  Ä)  <  0,  so  setze  man 

iCj  -|-  Ä  =  a^j  Xi  +  2Ä  ^  a:2  =  x^* 

In  beiden  Fällen  ist 

/(^)  <  0,  fix,)  >  0, 


§  8.    Begriff  der  Stetigkeit  49 

wobei  aber  das  Intervall  von  x^  bis  x^  halb  so  gross  ist  wie 
das  zwischen  x^  und  x^.    Setzt  man  jetzt 

^4  —  ^3  =  2Äi ,   oder   h^  =    ^  ^  "^  , 

so  ist  der  Satz  bewiesen,  wenn  f{x^  +  ä^)  =  0  wii*d.  Ist  da- 
g^en  f{x^  +  Äj)  >  0,  so  setze  man 

^  =  ^6j      ^  +  *1  =  ^6  j 

und  ist/(a:3  +  Ai)<  0,  so  setze  man 

a^  +  ^1  =  ^6?     ^3  +  2*1  =  3:4  =  a-ß. 

In  beiden  Fällen  ist 

/(^6)<0,   /(^)>0, 
wobei  aber  das  Intervall  zwischen  x^  und  Xf^  viermal  kleiner  ist 
als  das  Intervall  zwischen  x^  und  x^. 

In  dieser  Weise  kann  man  fortfahren  und  findet  entweder 
f(x%n^\  +  *»-.i)  =  0,  oder 

/(^«  +  i)<0,   /(a:2„  +  2)>0, 

wobei  das  Intervall  zwischen  3:2«  + 1  und  xin-k-i  (2*)*'" mal  kleiner 
ist  als  das  zwischen  x^  und  x^.  Da  aber  die  Function  für  die 
betrachteten  Werthe  von  x  stetig  ist,  so  wird  der  Unterschied 
zwischen /(a:2n  +  i)  und/(a;2n+2)  beliebig  klein,  wenn  man  nur 
n  hinreichend  gross  macht,  folglich  ist  erst  recht  der  Unterschied 
zwischen  0  und/(a;2n  +  i),  oder  zwischen  0  und/(:r5H  +  2)  be- 
liebig klein,  d.  h. 

lim/(^2n  + 1)  =  lini/(a:2H  +  2)  =  0. 


n  =  OD  H=   OD 


Der  Satz  gilt  auch  noch,  wenn 

f{x;)>0    und  /(^)<0 

ist.    Der  Beweis  wird  dann  in  ganz  ähnlicher  Weise  geführt 
wie  vorhin. 

Hieraus  erhält  man  unmittelbar  noch  folgenden  allgemeineren 

Satz  14.  Ist  die  Rinction  f{x)  für  aUe  Werthe  von  x 
zwischen  x^  und  x^  reell  und  stetig  y  so  toird  f{x)  Jeden  Werth 
zwischen /(x^)  und  f{x^  mindestens  einmal  annehmen  ^  wenn  x 
alle  fVerthe  ztoischen  x^  und  x^  durchläuft 

Stegemann -Kiepert,  DifferentuJ-Beohnnng.  4 


50  §  8.    Begriff  der  Stetigkeit. 

Beweis.  Ist  b  irgend  ein  Werth  zwischen  f(z^)  und  /(x^), 
ist  also  entweder 

oder 

f(x,)>b>f(x^), 
so  bilde  man  die  Function 

Fix)^f{x)-b, 

welche  zwischen  x^  und  X2  stetig  ist,  und  welche  zwischen  x^ 
und  X2  sicher  das  Zeichen  wechselt. 

Für  F{x)  gelten  daher  genau  dieselben  Voraussetzungen  wie 
in  dem  vorigen  Satze  für  f(x).  Deshalb  giebt  es  in  dem  Intervall 
von  a?!  bis  X2  mindestens  einen  Werth  von  x,  für  welchen  F(x) 
gleich  0  wird.    Dieser  Werth  sei  a,  dann  ist 

l^(a)  =/(«)- Ä  =  0, 

also 

was  zu  beweisen  war. 


Hülfssätze  aus  der  algebraischen  Analysis. 


(1-) 


§9- 

Der  binomische  Leiirsatz  fOr  positive  ganzzalilige 

Exponenten. 

(VergL  die  Formel-T»belle  Nr.  6—10.) 

Es  sei 

n\      n(n  —  l)(n  —  2)...in  —  k+l) 

WO  k  eine  positive  ganze  Zahl  sein  möge,  während  n  auch  ne- 
gativ und  gebrochen  sem  darf,  dann  gelten  folgende  Sätze: 

Satz  1. 

(-)         ©+G-0=CtO- 

Der   Beweis    möge    zunächst  für  einige  besondere  Fälle 
durchgeführt  werden. 

1.  Beispiel.    Es  ist 

10  .  9  .  8 


/10\        /10\  __     10  ■  9  .  8  .  7 
V4/"^V3/  1,2.3.4 


+ 


1.2.3 


10.9.8.7  10.9.8.4 


1.2.3.4       '      1.2.3.4 

_  10.  9.  8  (7  + 4)  _  11.10.9.8  _  (\1 
"~      1.2.3.4      ""    1.2.3.4 


Q 


52  §  9.  Der  binomische  Lehrsatz  fClr  positive  ganzzahlige  Exponenten. 

2.  Beispiel.    Es  ist 


9.8.7.6.5.4.8  9.8.7.6.5.4 

1.2.3.4.5.6.7       "^       1.2.3.4.5.6 

__       9.8.7.6.5.4.3  9.8.7.6.5.4.7 

■"       1.2.3.4.5.6.7       "^  1.2.3.4.5.6.7 

_  9. 8. 7. 6. 5. 4 (3 +  7)  _  10. 9. 8. 7. 6. 5. 4 

""       1.2.3.4.5.6.7       ""  1.2.3.4.5.6.7 


= o- 


Allgemeiner  Beweis.    Es  ist 

/n\      /    n    \      n(n  —  l)...in  —  k  +  2)(n  —  A+i) 
W      U— 1/  1.2...(A  — 1)* 

n{n  —  l)...{n  —  k  +  2) 
■^  1.2...(A— 1) 

_  n{n  —  l)..,(n  —  k  +  2)(n  —  k+l) 
""  1 .  2  . . .  (Ä  —  1)  Ä 

w(;>  — l)...(n  — A  +  2)A 
■*■  1.2...(>fe  — 1)A 

_  n  (n  —  1)  . . .  (n  —  ^+  2)  (n  —  ^  +  1  +  ^) 
"^  1 .  2  .  3  . . .  (Ä  —  1)  >fe 

_  {n+l)n{n—i)...{n+l—k+i)  _ /»  4-  1\ 
"■  1.2.3...(A— 1)*  ""V    *     / 

Ist  n  eine  positive,  ganze  Zahl,  so  folgt  aus  Gleichung  (1.) 
unmittelbar  noch  der  folgende  Satz  2: 

Aach  hier  möge  der  Beweis  des  Satzes  zunächst  durch  ein 
Zahlenbeispiel  erläutert  werden.    Es  ist 


8\ 

8. 

.7, 

.6. 

,5 

.4 

8. 

7. 

6. 

.5 

.4 

3. 

,2. 

1 

sj 

1, 

,2, 

.8. 

,4 

.0 

1. 

2. 

3. 

.4 

.5 

1, 

,2. 

3 

8_, 

.7, 

.6 

•        « 

5.4 

.3 

.2 

.1 

8.7 

A 

( 

1.2.3 


§  9.  Der  binomische  Lehrsatz  für  positive  ganzzahlige  Exponenten.    53 

Allgemeiner  Beweis.    Es  ist 

/n\      n(n—l)(n'-'2).,.(n  —  k+l) 
W  ""  1 .  2  .  3  . . .  A 

_n(n—l)(n  —  2)...(n—i  +  l)    (»— ^0(n— A  — 1)...3.2. 1 
""  1 .  2  .  3  . .  .  A  1 .  2  .  3  . . .  (n  —  A) 

n  (n—  1)  (n  —  2)  . , .  {k  +  1)     i(i  —  l)...3.2.1 
"■  1.2.3...(n  — A)  *  1  .2.3.  ..(*  — 1)A 

^(w  — l)(n  — 2)...(^+  1) 
"~  1.2.3...(n  — A)  ' 

oder,  da  Ä  +  1  gleich  n  —  (n  —  A)  +  1  ist, 

{i)^\n-k) 
Der  Gleichung  (3)  entsprechend,  setze  man 

dann  gilt  die  Gleichung  (2.)  auch  noch  für  ^  =  1,  d.  h.  es  wird 

Satz  3.   JVenn  m  eine  positive,  ganze  Zahl  ist,  so  toird 
(4.)        (l+x)-=l+(7)»;  +  (^y+(^)«»+... 

Beweis.    Der  Satz  ist  sicher  richtig  für  m  =  1,  2,  3,  denn 
man  erhält  der  Reihe  nach 

(1  +  a:)»  =  1  +  X, 

(1  +  ^)2=  1  +  2a:  +  ^'=  1  +(i)^  +  (2)^^ 


{l  +  xy^l  +  Sx  +  Sx^  +  x^^l  +  Qx  +  Qx^  '^(I)^^' 


Dass  die  Gleichung  (4.)  allgemein  richtig  ist,  findet  man 
durch  den  Schluss  von  n  auf  »  +  1-  Es  werde  nämlich  voraus- 
gesetzt, dass  sie  für  einen  bestimmten  Werth  von  m,  nämlich 


54    §  9.  Der  binomische  Lehrsatz  für  positive  ganzzahlige  Exponenten. 

für  m  gleich  n,  richtig  sei,  dann  kann  bewiesen  werden,  dass 
sie  auch  für  m  gleich  «  +  1  richtig  ist. 
Aus  der  Gleichung 

(n-)-=i+(i>+(2>+ •+G^iy-'+6y+- 

folgt  durch  Mnltiplicatioii  mit  1  +  a; 

(5.)  (1  +  xy.-^y  = 


nun  ist  aber  nach  Gleichung  (2.)  und  (2  a.) 

C)  +  («)  =  Ct'). 
0  +  0  =  Ct'). 


o+G-:)=cr). 

folglich  erhält  man  dadurch,  dass  man  auf  der  rechten  Seite  in 
Gleichung  (5.)  die  unter  einanderstehenden  Glieder  vereinigt, 

(5a.)     (1  +x)'H->  =  1  +(»  +  1)^  +  («+  1)^:2+  ... 

Gilt  also  der  vorstehende  Satz,  welcher  der  binomische  Lehr- 
satz genannt  wird,  für  m  =  8,  so  gilt  er  auch  für  m  ==  4,  und 
daraus  folgt  wieder,  dass  er  auch  für  m  =  5  gilt.  So  kann  man 
fortfahren  und  die  Gültigkeit  des  Satzes  for  alle  Fälle  beweisen, 
in  denen  m  eine  positive^  ganze  Zahl  ist. 


§  9.  Der  binomisclie  Lehrsatz  für  positive  ganzzahlige  Exponenten*  55 

Bemerknngeo. 

1.  £b  wird  später  gezeigt  werden,  dass  die  Gleicliung 

(H-«)«  =  l  +  (^«  +  (J)««  +  (J)x»  +  ... 

unter  der  Yoraassetzung 

-l<x<+l 

anch  nocli  riclitig  bleibt,  wenn  m  Iceine  potitwe^  ganze  Zalil  ist.  In 
dem  Falle  aber,  wo  m  eine  positive,  gehroehene,  oder  eine  negative  (ganze 
oder  gebrochene)  Zahl  ist,  hat  die  rechte  Seite  eine  unendliche  iüizahl 
von  Gliedern  und  ist  ein  besonderer  Fall  der  IViy/or'schen  Beihe. 

2.  Die  Coef&oienten  in   der  Entwickelang  von  (1  +  ^)"*»   ftlso  die 
Grössen 

werden  Binonual-CoeJ^ieienten  genannt. 

3.  Das  Ftodnct  aller  ganzen  Zahlen  von  1  bis  k  wird  A;-Facaltät  ge- 
nannt nnd  mit  k !  bezeichnet    Es  ist  daher 

Ä!  =  1.2.3...(Ä  — 1)Ä, 
und  da 

(ik  — 1)!  =  1.2.3...(Ä;  — 1) 

ist,  so  besteht  die  Gleichung 

Ä!  =  (Ä  — 1)!Ä. 

Durch  Anwendung  der  Formel  [vergl.  Gleichung  (3.)] 

\i)    ^   \m  —  k) 

kann  man,  immer  unter  der  Voraussetzung,  dass  m  eme  positive, 
ganze  Zahl  ist,  die  Gleichung  (4.)  noch  auf  eine  ein&chere 
Form  bringen;  es  wird  nämlich 

C)-.  C-0=(T).    (--.)=©•■■• 

und  deshalb 

(1  +  x)'^  = 

Es  sind  also  je  zwei  Coefficienten  in  der  Enttcicielunff  nach 
dem  binomischen  Lehrsatze  einander  gleich^  wenn  sie  zu  GUedem 
gehören  j  ton  denen  das  eine  ebenso  weit  vom  Anfange  wie  das 
andere  vom  Ende  absteht. 


(6.) 


56   §  9.  Der  binomische  Leihrsatz  für  poBitlve  ganzzahlige  Exponenten. 

Beispiele. 

(1  +  a:)*  =  1  +  5a:  +  lOa:«  +  10a:»  +  5a:*  +  x^, 

(1  +  a:)«  =  1  +  6a:  +  15a:2  ^  20a;»  +  15a:4  ^  ß^b  +  a:«, 

(1  +  a:)'  =  1  +  7a:  +  21a:2  4.  35^3  +  35^4  4,  21a:»  +  7a:«  +  a:', 

Setzt  man  in  Gleichung  (6.) 

b 

a:  =  — 
a 

und  multiplicirt  beide  Seiten  der  Gleichung  mit  a~,  so  erhält 
man 


+ 

oder 


(7.)     (a  +  Ä)"  =  a"  +  (^)  a«»-!  Ä  +  (^)  a«-2ft2  +    . . 

+  (2)  «^**~^  +  (7)  ^*"^'  +  *~- 

Satz  4.     Diiß  Potenz  eines  unäckten  Bruches  toird  beliebig 
grosSj  wenn  man  den  Exponenten  hinreichend  gross  macht. 

Beweis.    Es  sei 

Ä>a>0,     also     J  — a  =  c>0,     Ä  =  a  +  c, 

b  c 

dann  ist  —  ein  unächter  Bruch.    Bezeichnet  man  —  mit  x,  so 
a  a 

ist  X  gleichfalls  positiv,  und  man  erhält 

b         a  -^  c  c 

(i)-=  (1+.)-=  i+-.+!^(^..+^^^^=^^.»+... , 

folglich  ist 


§  9.  Der  binomische  Lehrsatz  fär  positive  ganzzahlige  Exponenten.  57 

denn  die  Gheder      ^       — -x^^   —^ —     ^^ -x^,  ...  sind 

alle  positiv,  wenn  m  eine  positive  ganze  Zahl  ist. 

Da  man  nun  aber  durch  passende  Wahl  von  m  den  Ans- 

drack  1  +  mx  beliebig  gross  machen  kann,  so  wird  f  —  j     für 

hinreichend  grosse  Werthe  von  m  erat  recht  beliebig  gross,  oder 
mit  anderen  Worten: 

~  j    unendlich  gross. 

Satz  5.     Die    Potenz    eines   ächten   Bruches   wird   beliebig 
klein^  wenn  man  den  Exponenten  hinreichend  gross  macht. 

Beweis.    Es  sei  jetzt 

a>b>  0,     also     a  —  i  =  rf>0,     a  =  J  +  cf, 

dann  ist  —  ein  ächter  Brach.     Bezeichnet  man  -r  mit  x,  so  ist 
a  o 

X  gleichfalls  positiv^  und  man  erhält 

*  Ä  1  1 


also 


a         b  +  d         ^   .  d         1  +x  ' 
/6  y  _   /     1     \*~  _         1 

W   "^  Vi  +  ^/   ""  (1  +  xy^' 

Nun  ist  wieder,  wie  vorhin 

{1  '\-  xY>  l  +  mx, 


/by  ^       1  1 

^  ^  W     "~  (1  +  :r)-  ^  r+" 


971  :r 


Da  man  nun  aber  durch  passende  Wahl  von  m  den  Aus- 
druck 1  +  mx  beliebig  gross,  also  t—. beliebig  klein  machen 

1  -f-  mx 

-j   fiär  hinreichend  grosse  Werthe  von  m  erat 
recht  beliebig  klein,  oder  mit  anderen  Worten: 

—  j    unendlich  klein. 


58  §  10.    Geometrische  Progressionen. 

Die  Sätze  4  und  5  sind  zunächst  unter  der  Voraussetzung 
bewiesen  worden ,  dass  —  positiv  ist,  weil  aber 

(-^)"=°(-')-©'=±e)' 

wird,  so  gelten  sie  auch  noch,  wenn  —  negativ  ist. 


§  10. 

Geometrische  Progressionen. 

(Vergl.  die  Formel-TabeUe  Kr.  11,  IIa  und  12.) 

Die  Beihe  der  Zahlen 

Aj  Ap^  Ap^, . . .  Ap*^^^ 

nennt  man  eine  geometrische  Reihe  oder  geometrische  Progression. 
Die  Anzahl  ihrer  Glieder  beträgt  n,  und  die  Sunune  derselben 
ist  leicht  zu  bilden.    Setzt  man  nämlich 

(1.)  S=  A  +  Ap  +  Ap'^  +  ,  ..-{-  Af\ 

so  wird 

pS—  Ap  +  Ap^  +  ..,  +  Ap""-^  +  Ap*", 

also 

S—pS—S{l—p)  =  A  —  Ap"", 

(2.)  s=^['-n 

^  1  — p. 

Beispiel.    Es  sei 
dann  wird 

1  — 


X     ^         '        V          ar^V       ar,"  —  x^ 
—,  «J  = = 

Xa  ^  X  X*  ""~~  X 


Xi 


Noch  leichter  findet  man  dieses  Eesultat  in  folgender  Weise. 
Es  ist 

Sx^  =  arj*  +  a^i"""^  +  x^x^*^"^^  +  . . .  +  x^^^Xi, 

Sx  =  xx^^"^  +  x'^xx^"^  +  . . .  +  x^-'^x^  +  ^^ 


§  10.    Geometaische  Progressionen.  59 

also 

Sxi  —  aSi:  =  S{xi  —  x)  =  a?|*  —  sf^, 
oder 


(4.)  8^'=^ 


Xa^ X^ 


X*  """■  X 

Bisher  war  stillschweigend  vorausgesetzt  worden,  dass  n  eine 
endliche  (positnre,  ganze)  Zahl  ist.  Wenn  aber  p  ein  ächter 
Brach  ist,  so  behält  S  auch  noch  eine  bestimmte  Bedeatmig, 
wenn  n  unendlich  gross  wird.  Es  ist  dann  nämlich  nach  Satz  5 
des  vorhergehenden  Paragraphen 

limp"  =  0, 
folglich  wird 

(5.)  S  =  --^. 

1  — p 

Beispiele.    1)  Es  ist 

2 

wächst  n  in's  Unbegrenzte,  so  wird  lim  T^  j  =  0,  also 

i  +  l  +  I  +  ^+--=2- 

2)  Es  ist 

^^3  ^9  ^•••^3—'  1  2L        V3/J' 

3 

wächst  n  in's  Unbegrenzte ,  so  wii*d  lim  ( — )  =  0,  also 

3^9^  27^"  2 


60  §  11.    Erklärung  der  Zahl  e. 

3)  Es  ist 

11  1 

0,1111  ...=T?^  +  T7r7;+...+ 


10    '    100    '  '    10" 


7         vioy      7r,     /iv] 


10 

1  — 

10 

wächst  n  in's  ünbegi^enzte ,  so  wird  lim  (  — )  ==  0,  also 

0,7777...=^. 

9 

Bemerknnir* 

Die  Summe 

hat  unendlich  viele  Glieder,  aber  trotzdem  einen  endlichen  Werth.  Man 
nennt  eine  Bolche  Summe  mit  unendlich  vielen  Gliedern,  welche  trotzdem 
einen  bestimmten,  endlichen  Werth  hat,  eine  convergente  (unendliche) 
Reihe.  Später  wird  noch  ansflihrlich  von  der  Oonvergenz  der  Seihen 
die  Rede  sein. 


§11. 

Erklärung  der  Zahl  e. 

(Vergl.  die  Formel-Tabelle  Nr.  13  und  14.) 

Setzt  man  in 

/i    I     \«      11^      I  n(n  —  i)  «  ,  n(n — 1)(« — 2)    ,  , 
(1+^)  =l  +  r*+     172-^'+         17273         ^'+- 

.   n(n  —  l)  («  — 2)...(»  — ^+l)_t  . 
■^  1.2.S...A  "^••• 

X  gleich  — ,  so  erhält  man 

rn^'t  I  ^V-i  I  "^  ,»("-!)  1  ,  «(«-!) (»-2)  1 

n(n—i)(n  —  2)...(n  —  k  +  i)     1_ 
"*"  1.2.3..,y6  ■«*"'■••• 


§  11.    Erklflmng  der  Zahl  e.  61 

- 1  +  i  + 1  +  1 2£A_^+ 

~     ^  1  ^    1.2    ^  1.2.3  ■•• 

■^  1.2.3...A  +.... 

Es  soll  nun  der  Werth  von  M  H — j     bestimmt    werden^ 

wenn  n  unendlich  gross  wird,  wobei  aber  n  zunächst  auf  ffanz- 
zahUge  Werthe  beschränkt  sein  möge. 

Bezeichnet  man  den  gesuchten  Grenzwerth  mit  <?,  so  ist  alsa 

(2.)  .  =  lim  (l  +  iy . 

Zur  Berechnung  dieses  Grenzwerthes  trenne  man  auf  der 
rechten  Seite  von  Gleichung  (1.)  die  ersten  k  +  l  Glieder  ah 
und  nenne  ihre  Summe  /S^,  während  die  Summe  aller  übrigen 
Glieder  Su  heissen  möge;  es  ist  dann 

i_i   (,_i)(i_a) 

(3.)     s,  =  .  +  1  +  _Jl  +  !^_i!A__^  ^ 

,0-^)(-l)-('-^) 

l.A*Ö.«.A? 

(A\     o  <_v        n)  \        n)"'\ n    )  \        n)  ^ 

^*-''     '^*  -  1 .  2  .  8  . . .  >i(>i  +  1)  "•■■•• 

and 

(5.)  e  =  lim  Äj  +  lim  S^'. 

unter  der  Voraussetzung,  dass  h  eine  endliche  Zahl  ist, 
werden  die  Grössen 

12     3         k—\ 


— ) 


n     n     n  n 

sämmtlich  unendlich  klein,  wenn  n  unendlich  gross  wird;   di& 
Factoren 


62  §  11.    Erklärung  der  Zahl  e. 

i_l,  i_i,  i_i,  ...i_* 


n  n  n  n 

werden  deshalb  alle  gleich  1,  und  man  erhält 

liiniS'*  =  l+i+,-iTr+  .    i   o  +  .  - .  +  ^ 


1   ^    1.2  '    1.2.3    '    '"   ^    1.2.3...A' 
oder 

(6.)  iiin-S»  =  l  +  l  +  l  +  l+  ...  +  ~ 

Denselben  Schluss  darf  man  aber  nicht  bei  den  sämmtlichen 
Gliedern  von  Sk*  machen,  denn  in  den  späteren  Gliedern  von 
Sk'  hat  der  Zähler  auch  Factoren  von  der  Form 

n 

bei  denen  nicht  nur  n  unendlich  gross  wird,  sondern  auch  m. 
Ist  z.  B.  m  gleich  ^n,  so  wird  stets,  wie  gross  auch  n  werd^  mag, 

l-^  =  l-i  =  i- 
n  2       2' 

und  ist  w>2J  ^  wird  sogar  lim— >-,  also 


.'ä('-?)<r 


Wollte  man  daher  auch  bei  den  sämmtlichen  Gliedern  von 
Su'  die  Factoren  der  Zähler  alle  gleich  1  setzen,  so  wärde  man 
die  Zähler  zu  gross  machen.  Setzt  man  trotzdem  die  Factoren 
der  Zähler  alle  gleich  1,  so  wird  aus  der  Gleichung  (4.)  eine 
Ungleichung^  nämlich 

(7.)       lim*»'<^-^q^  +  (j^p-2yi+p-qr3)I+---' 
oder,  weil 

(A  +  2)!  =  (*+l)I  (Ä  +  2), 

{k  4-  3)!  =  (A  +  1)!  {k  +  2)  (*  +  3), 


ist, 

(7a.)    li°^^*'<(^[l  +  r^  +  (^  +  2H>fe  +  3) +•••]• 


§  11.    ErMärong  der  Zahl  e.  63 

Nun  ist  aber 

1  1  1  1 

Ä  +  2  <  A  +  l'  (*  +  2)  (A  +  3)  ^  (A  +  1)J  '  •  *  • ' 

folglich  wird  die  Ungleichung  (7  a.)  noch  verstärkt,  wenn  man 

setzt.    Dadurch  erhält  man 

(8.)       ^S,'<^^[l  +  ^  +  jj^+..]. 

Der  Ausdruck  in  der  eckigen  Klammer  ist  hierbei  eine 
geometrische  Progression 

die  sich  bis  ins  Unendliche  erstreckt,   deren  Summe  sich  aber 
leicht  bilden  lässt,  weil 

ist;   und  zwar  wird  nach  Formel  Nr.  IIa  der  Tabelle  diese 
Summe  gleich 

^^•^  1  -p "  ^_     1     -  ^T 


i+  1 
Daraus  folgt 

lim  Sh    <  TT — : — TTT  '  — i — 

(A+ 1)!        i 
oder,  da  {A  +  1)!  gleich  kl  (*  +  1)  ist, 

(10.)  lim  Su'  <  ~ 

Nach  Gleichung  (5.)  ist  daher 
(11.)  lim*Ä<^<lim-Sik  +  ~ 


»=»  l»=S30 


Nun  wird  aber  für  hinreichend  grosse  Werthe  von  i  die 
Grösse  -ttt  beliebig  klein,  so  dass  man  e  zwischen  zwei  Grenzen 
gebracht  hat,  die  einander  beliebig  nahe  liegen,  ja  diese  Grenzen 


64  §  11.    £rklänmg  der  Zahl  e. 

fallen  sogar  zusammen,  wenn  man  jetzt  auch  ^  unendlich  gross 
werden  lässt.    Es  ist  daher 

(12.)   e^  =  lim(l  +  ^y  =  i  +  1  +  l  +  Jj  +  ...minf. 

Kommt  es  nur  darauf  an,  die  Zahl  e  bis  auf  eine  bestimmte 
Anzahl  von  Decimalstellen  genau  zu  berechnen,  so  genügen  schon 
verhältnissmässig  wenige  Glieder  der  Eeihe  auf  der  rechten  Seite 
von  Gleichung  (12.).  Will  man  z.  B.  e  bis  auf  10  Decimal- 
stellen genau  finden,  so  genügen  schon  die  ersten  16  Glieder 
der  Beihe.  Es  ist  nämlich,  wenn  man  zunächst  12  Decimal- 
stellen berücksichtigt, 


^^^. 

= 

2 

1 

2! 

= 

0,5 

1 
3! 

= 

0,166666666667 

1 

4! 

= 

0,041 666  666  667 

1 
5! 

• 

= 

0,008333333333 

1 
6! 

= 

0,001 388  888  889 

1 

7! 

= 

0,000198412698 

1 

8! 

= 

0,000024801587 

1 
9! 

= 

0,000002755732 

1 
10! 



0,000000275573 

1 
11! 

=: 

0,000000025052 

1 
12! 

=: 

0,000000002088 

§  11.    Erklärung  der  Zahl  e,  65 

-i-  =  0,000000000161 
lo ! 

7^-:  =  0,000000000  011 
14! 

~  ^  0,000000000  001 
15! 

also 

(13.)  e  =  2,718281828459. 

Hierdurch  ist  e  ohne  Zweifel  auf  10  Decimalstellen  genau 
berechnet,  denn  der  Unterschied  zwischen  e  und  der  Summe 

^^l!^2!^3!^"*^  15! 
ist  (unter  Berücksichtigung  Von  14  Decimalstellen) 

li^  ^1 5  ^  ITTF  =  0,000  000  000  000  05 
«=x>  15!  lo 

imd  kommt  daher  bei  den  ersten  12  Decimalstellen  nicht  in  Be- 
tracht. Dagegen  können  die  11*®  und  die  12*®  Decimalstelle 
dadurch  fehlerhaft  geworden  sein,  dass  bei  Summirung  der  16 
Glieder  die  auf  die  12*®  Decimalstelle  folgenden  Stellen  ver- 
Aachlässigt  worden  sind.  Dieser  Fehler  ist  aber  bei  jedem  der 
Glieder  in  der  12*®"  Decimalstelle  kleiner  als  |,  so  dass  der 
Gesammtfehler  kleiner  als 

16.i  =  8 

sein  muss.  Im  Allgemeinen  wird  der  gesammte  Fehler,  welcher 
bei  solchen  Eechnungen  durch  Fortlassung  der  späteren  Decimal- 
stellen begangen  wird,  noch  viel  kleiner  sein,  als  das  hier  an- 
gedeutete Verfahren  ergeben  würde,  weil  die  einzelnen  Fehler 
verschiedenes  Zeichen  haben  und  sich  in  Folge  dessen  wenig- 
stens theilweise  gegen  einander  fortheben. 

In  der  soeben  ausgeführten  Berechnung  der  Zahl  e  ist  z.  B. 
der  gesammte  Fehler  bei  der  12*®"  Decimalstelle  nicht  8  sondern 
0,  wie  sich  aus  der  Berücksichtigung  der  späteren  Decimalstellen 
ergiebt.  Die  Gleichung  (13.)  enthält  daher  die  Zahl  e  bis  auf 
12  Decimalstellen  genau. 

Stegemann -Kiepert,  Differential-Heohnxmg  c 


66  §  11,    Erklärung  der  Kahl  e. 

Es  war  vorhin  angenommen  worden,  dass  n  eine  positive 
ganze  Zahl  sei.  Von  dieser  Voraussetzung  kann  man  sich  noch 
frei  machen.  Liegt  nämlich  n  zwischen  den  positiven  ganzen 
Zahlen  m  und  m  +  1,  ist  also 

m<w<m  +  1, 
so  wird 

m       n        m  +  1 
und 

1  1  1 

1  +  -  > l+r  >1  + 


m  n  m  +  1 


Da  die  Potenz  eines  unächten  Bruchas  mit  dem  Exponenten 
zugleich  wächst,  so  wird 

,^,^ ;    ('+4)'^'>0+ä">0+J)". 

0+D'^('+STl)"='('+^)" 


Nun  ist 

1  V  «w  +  1 

Lim  ^  1  -[- 


lim  (\  +  i-V' "*"*=  lim  fl  +  ~V   Um  (l  +  -T  =  e,      . 


limA  +  -^y  =  lim ?_- .  lim  fl  + -i— V    =  e, 

m  =  oDV  m  +  lj         m  =  x.     ,  1  V  W+1/ 

folglich  gehen  die  Ungleichungen  (14.)  über  in 

(14a)  ij^Umfl  +  -y^ö, 

oder 

Die  Zahl  e  spielt  eine  sehr  wichtige  Eolle  in  der  liöheren 
Mathematik;  sie  ist  die  Basis  der  sogenannten  natürlichen 
Logarithmen.  Welche  Vorzüge  das  Logarithmen -System  mit 
dieser  Basis  besitzt,  soll  an  einer  späteren  Stelle  gezeigt 
werden. 


§  11.    Erklärung  der  Zahl  4.  6? 

Man  hätte  übrigens  die  Zahl  e  auch  durch  die  Gleichung 


6  =  lim('l— -") 


erklären  können.    Es  ist  nämlich 


■  ('-r=c-^r"=(^)". 

oder,  wenn  man  n  —  1  gleich  m  setzt, 

(-r=m'^'=o+r'=o+^)o+^)"- 

Wird  n  unendlich  gross,  so  gilt  dasselbe  von  m,  folglich  ist 
lim  ('i  —  iy  "=lim  (l  +  -  Vi  +  -T=  lim  ^1  +  -T  =  e. 

Satz.  Die  Zahl  e  ist  keine  rationale  Zahl,  d,  h.  es  ist 
nicht  möglich,  e  auf  die  Form  -r  zu  bringen,  so  dass  k  und  l 
ganze  Zahlen  sind. 

Beweis.    Wäre 

__l_  _  l(&  —  1)!  _  lß—l)\ 
^~  k  ~  (k—\)\k  ~        k\       ' 

so  wäre  nach  dem  Yorhei^henden 


^  -4-  1  4-       4-  1  ^  ^(^-1)!  ^  1   .    1  4.  1 


+  i+    ' 


k\    '    k\k' 

oder,  wenn  man  diese  doppelte  Ungleichung  mit  k\  multiplicirt 
und  die  ganze  Zahl 

u.k\.k\.  ._*!.*! 

^*'  "^  n  "^  2!  "^  •  • '  ^  {k—\)\  "*"  k\ 


mit  A  bezeichnet. 


5* 


68  §  11.    Erkläiiing  der  Zahl  «. 


oder 


A<l{&-l)\<A  +  l:, 


0</(*  — 1)!— ^<i- 


Es  mflsste  also  zwischen  0  und  j  noch  eine  positive  ganze 
Zahl  1{A —  1)!  —  A  liegen,  und  das  ist  unmöglich. 


Differential-Rechnung. 


Erster  Theil. 

FoDetionen  tod  einer  oDabhäDgigen  VeräDderliehen. 


I.  Abschnitt. 

Erkläning  und  Bildung  der  Differential- 
Quotienten. 

§  12. 

Bildung  des  Differential-Quotienten  einer  stetigen  Function 

(VergL  die  Formel-Tabelle  Nr.  15.) 

Es  sei  die  Function 

(1.)  y  =/(^) 

für  die  betrachteten  Werthe  der  unabhängigen  Veränderlichen  z 
(des  Argumentes)  stetig.    Setzt  man  also 

(2.)  yi=/(^i), 

so  sollen  die  Differenzen 

(3.)  ÄTj  —  z^=^  Jx    und    yx  —  y  r=.  Jy 

gleichzeitig  verschwindend  klein  werden.    Den  Quotienten  dieser 
Differenzen  Jx  und  Jy^  nämlich 

(4.)  ^  =  yi—y 

^X  Xa  X 


70  §  12.    Bildung  des  Differential-Quotienten  u.  s.  w. 

nennt  man  Differenzen-  Quotient  Werden  jetzt  Jx  und  J^f  ver- 
schwindend klein,  so  nennt  man  sie  Differentiale  und  bezeichnet 
sie  mit  dx  und  dy.    Es  ist  also 

dx  =  lim  Jx^    dy  =  lim  Jy, 

Dabei  geht  der  Differenzen-Quotient  über  in  den  Difefen- 
tial' Quotienten,  nämlich  in 

(5.)  ^=lim^  =  üm?^t^^. 

Beispiel  1.    Es  sei 

y  =  x\    also    yi  =  x^^, 
dann  wird 

Vx  — y       ^1^  —  ^^  • 

^ ^  =  -i =  ar^  4-  ar, 

X*         '  sc  X4     ■      iC 


dx 


=  lim  (a?!  +  ic)  =  2ir. 

Beispiel  2.    Es  sei 

y^x^,    also    yl=^l^ 


dann  wird 


y*  — y        x^^  —  x^  „   ,  ,     ^ 

^^ ^    =    -^! =    X^^  +  X^X  +  X^, 

X\      '    X  X*  *^^  X 


^  =  lim  («,2  +  xix  +  x^)  =  3xK 

In  den  meisten  Fällen,  in  denen  y  eine  stetige  Function 
von  X  ist,  wird  es  möglich  sein,  ^,  d.  h.  den  Grenzwerth  von 

^ — -  zu  bestimmen.  Es  giebt  aber  auch  Functionen,  die  für 
x^  —  X  ®  ' 

einzelne  oder  für  unendlich  viele  Werthe  von  x  nicht  differen- 
türbar  sind,  d.  h.  es  giebt  Fälle,  in  denen ^  ieimn  bestimm- 
ten, endlichen  Werth  hat.    Ist  z.B.  y  =  Ä;sinf  — j,    so    wii'd, 

wie  sich  zeigen  lässt,  -^  für  a:  =  0  unbestimmt,  obgleich  die 
Function  selbst  für  diesen  Werth  von  x  noch  stetig  ist. 


§  12.    Bildung  des  Differential-Quotieiiten  u.  s.  w.  71 

In  den  hier  folgenden  Untersuchungen  werden  aber  nur 
Functionen  in  Betracht  kommen,  welche  differentürbar  sind. 

Die  Gleichungen  (4.)  und  (5.),  durch  welche  der  Differenzen- 
Quotient  und  der  Differential -Quotient  erklärt  werden,  kann 
man  noch  auf  eine  etwas  andere  Form  bringen.  Mit  Eücksicht 
auf  die  Gleichungen  (1.)  und  (2.)  erhält  man  zunächst 

(4a.)  ^  =  ^M.  =  fMzzM, 

(5a.)  ^  =  ^  =  limÄlzii^. 

^  dx  ax  x^^x     ^\ — ^ 

Aus  den  Gleichungen  (3.)  folgt  femer 

a:^  =  a:  +  Jx,        ßx^)  =f{x  +  Jx)\ 

dies  giebt 

(4b.)  ^  =  ^I^  =   /(a:  +  Jx)  -^ßx) 

^       '  Jx  Jx  Jx 

(5  b.)         $^  =  ffi  =  j^/(.  +  Jx)  -A-x 

dx  dx         jx=o  Jx 

Bemerkungen. 

Der  AnfäDger  möge  noch  besonders  darauf  aufmerksam  gemacht 
werden,  dass  in  den  Ausdrücken  Jx  und  Jy  das  Zeichen  J  nicht  von 
X  oder  von  y  getrennt  werden  darf,  denn  Jx  und  Jy  sind  nicht  etwa 
Prodncte  von  J  und  x  oder  von  J  und  y,  sondern  sie  sind  Symbole, 
welche  die  gleichzeitigen  Zunahmen  von  x  und  y  bezeichnen. 

AehnUches  gilt  auch  von  den  Differentialen  dx  und  dy.  Dabei  ist  noch 
zu  beachten,  dass  die  Differentiale  dx  und  dy  immer  mit  einem  geraden 
d  (nicht  mit  einem  geschwungenen  d)  geschrieben  werden,  weil  die  Sym- 
bole dx  und  dy  später  noch  in  einer  etwas  anderen  Bedeutung  benutzt 
werden  sollen.  Ebenso  haben  die  Bezeichnungen  dx  und  Jy  eine  andere 
Bedeutung  wie  dx  und  dy. 

Der  Differential-Quotient  —^    einer    entvdckeUen    Function 

y=:f(x)   ist   also    der    Gremwerthy    welchem   sich    der    Bruch 

-~^ — "^ — -r- —  nähert,  wenn  Jx  unendlich  klein  wird. 

Jx 

Um  anzudeuten,  dass  ^  gleichfalls  eine  Function  von  x 
ist,  bezeichnet  man  sie  gewöhnlich  mit/'(a;);  es  ist  daher 


72  §  12.    Bildung  des  Difiereutial-Quotieuteu  u.  s.  w. 

(6.)  I  =/•(.). 

Die  Function  f*{x)  nennt  man  im  Gegensatz  zu  der 
ui-sprüngKchen  Function  f{x)  die  abgeleitete  Function  oder  die 
Ableitung  \o\i  f{x). 

In  derselben  Weise  wie/'(a:)  erklärt  ist  durch  die  Gleiclumg 

/'(^)  =  lim'^^^ :7i — ^^^ ' 

werden  auch  die  Ableitungen  der  Functionen  F{x\  fp{x)  u.  s.  w. 
erklärt.    Es  ist  daher 

(7.)  i^'(a:)  =  lun  — ^^ — ■ — 7^ ^-^  ? 

^ar  =  0  ^^ 

(8.)  f/)'(a:)  =  Imi  ^^ -^ ^-^  , 

u.  s.  w. 

Hervorzuheben  ist  noch,  dass  bei  dieser  Erkläi'ung  des 
Differential-Quotienten  die  Grösse  Jx  nach  Belieben  positiv  oder 
negativ  vorausgesetzt  werden  darf.  Man  hätte  also  mit  dem- 
selben Rechte /'(a;)  durch  die  Gleichung 

fix)  =  hm-^-^^ '     ^^  ^ 

erklären  können.  Im  Allgemeinen  wird  man  auch  beide  Male 
föi-  /'(x)  denselben  Ausdruck  erhalten.  Setzt  man  nämlich  in 
diesem  Falle  x  —  Jx^^x^,  so  wird  x=^x^  +  Jx,  also 

f{x-Jx)-f(x)  ^  f(or,,)-f{x,+Jx)  ^  f{x,+Jx)-f{x,) 
—  Jx  —  Jx  Jx 

Dies  giebt 

Jx=0  ^^  x^-=x 

Man  erhält  daher,  wenn  die  Function  /'  {x)  stetig  ist ,  den- 
selben Weith  von  f{x)^  gleichviel  ob  man  Jx  positiv  oder 
negativ  wählt. 


§  13.    Geometrische  Deutung  des  Difierential-Quotienteii.  73 


§  13. 

Geometrische  Deutung  des  Differential-Quotienten. 

(Vergl.  die  Formel-Tabelle  Nr.  16.) 

Für  viele  Untersuchungen  ist  die  Bildung  des  Differenzen- 
Quotienten  und  des  Differential- Quotienten  von  grosser  Bedeutung, 
um  zu  beurtheilen,  in  welchem  Verhältnisse  die  Aenderung  der 
Function  zu  der  Aenderung  des  Argumentes  x  steht.    Ist  z.  B. 

(1.)  y  =  /(^) 

die  Gleichung  einer  Curve  (Fig-  19),  und  legt  man  durch  die 
benachbarten  Punkte  P  und  Pj  eine  Secante ,  welche  mit  der 
positiven  Richtung  der  X-Axe  den  Winkel  ß  bildet,  dann  wird, 
wie  schon  auf  Seite  24  gezeigt  wurde, 

PR  =  QQ^  —  OQ^  —  OQ=:x^—Xj 

RP,  =  Q,P,  —  QP^y,—y, 
also 

tffß  =  tff  RPP,  =  ^ 


(2.) 


Xa  -^  X 


Dabei  giebt  der  Differenzen- 


Quotient 


Vi—y 


Fig.  19. 


ein  Mass  für 


x^  — X 
die  Steigung  der  Curve  vom 
Punkte  P  bis  zum  Punkte  Pj , 
d.  h.  dieser  Ausdruck  giebt  an, 
in  welchem  Verhältnisse  die 
Zunahme  der  Ordinate  y  zur 
Zimahme  der  Abscisse  x  steht. 
Unter  der  Voraussetzung, 
dass  die  Function  y  =f(x)  für 

den  betrachteten  Werth  von  x  differentürbar  ist,  nähert  sich  die 
Secante  PP^  einer  bestimmten  Grenzlage  TP,  wenn  der  Punkt 
Pi  dem  Punkte  P  immer  näher  rückt  und  schliesslich  mit 
diesem  Punkte  zusammenfällt.  Eine  solche  Secante,  bei  der 
zwei  Schnittpunkte  in  einen  Punkt  P  zusammenfallen,  heisst 
Tangente  und  der  Punkt  P  ihr  Berührungspunkt.  Bei  diesem 
Grenzübergange  werden  die  Strecken 

PE :=  x^  —x  und  ÄPj  =  yj  —  y 


74         §  13.    Geometrische  Deutung  des  Differenüal-Quotietiten. 


versehwindend  klein,  der  Winkel  ß  gdit  in  den  Winkel  «  über, 
und  man  erhält  aus  Gleichung  (2.)  die  wichtige  Formel 


(3.) 


^«  =  ^.^  =  I  =  /■(^). 


in  welcher  der  folgende  Satz  enthalten  ist: 

Der  Differential' Quotient  ist  gleich  der  trigonometrischen 
Tangente  desjenigen  Winkels  cc,  welchen  die  geometrische  Tangente 
im  Curvenpunkte  P  mit  der  positiven  Richtung  der  X-Axe 
bildet,  wenn  y  =.y*(a;)  die  Gleichung  der  Curve  ist,  und  der 
Punkt  P  die  Coordinaten  x  und  y  hat. 

Wenn  die  Curve  im  Punkte  P  steigt,  so  ist  a  ein  spitzer 
Winkel  (vergl.  Fig.  20),  also 


(4.) 


tga:=:^>0; 


Fig,  20. 


und  wenn  die  Curve  im  Punkte  P*  fällt,  so  ist  a'  ein  stumpfer 
Winkel  (vergl.  Fig.  20),  also 


(5.) 


^«'  =  |<:o. 


(Dabei  sind  allerdings  nur  die  Winkel  zwischen  0®  und 
180®  berücksichtigt,  weil  auch  nur  solche  Winkel  hier  in  Be- 
tracht kommen  können.) 

In  der  vorstehenden  Figur  20  ist  also  im  Punkte  P  der 

Differential-Quotient  ^  positiv,  im  Punkte  P  dagegen  negativ. 

Dies  giebt  den  Satz: 

Wenn  eine  Hinction  y  '=^f(x)  gleichzeitig  mit  x  zunimmt, 
so  ist  die  Ableitung  für  den  betrachteten   Werth  positiv ;  wenn 


§  13.    Geometiische  Deutung  des  Diiferential-Quotienten.  75 

aber  die  Ikinction  abnimmt^  während  x  zunimmt^  so  ist  die  Ab- 
leitung  für  den  betrachteten   Werth  von  x  negativ. 

Der  Beweis  dieses  Satzes  kann  auch  unabhängig  von  der 
geometrischen  Deutung  des  Differential  -  Quotienten  geführt 
werden. 

Nimmt  nämlich  y  mit  x  gleichzeitig  zu,  so  wird 

x^—x>Q,      yi—y>o, 

also  auch 

X4  ~~~"  X 

Dies  gilt,  wie  klein  auch  x^  —  x  werden  mag,  folglich  wird 
auch 

(4a.)  ^^^VLIZl^o, 

ax        jf^^x^       X 

Hierbei  ist  das  Gleichheitszeichen  dem  Ungleichheitszeichen 
hinzugefügt,  weil  möglicher  Weise  der  Zuwachs  von  y  im  Ver- 
gleich zu  dem  Zuwachse  von  x  eine  verschwindend  kleine  Grösse 
höherer  Ordnung  ist. 

Nimmt  y  ab,  während  x  zunimmt,  so  wird 

xi  —  x>o,      y\—y<o, 

also 

Xa  ~~~"  X 

Dies  gilt  gleichfalls ,  wie  klein  x^—x  auch  werden  mag, 
folglich  ist 

(5a.)  |^  =  iünl?LZll<o. 

Von  dem  angegebenen  Satze  gilt  auch  die  Umkehrung: 
Eine  Function  nimmt  gleichzeitig  mit  x  zu  für  alle  Werthe 

von  X,  für  welche  -^  positiv  ist,   und  die  Function  nimmt  ab, 

während   x  zunimmt,  für    alle    Werthe   von   Xy  für  welche  -^ 

negativ  ist 

Der  Beweis  folgt  aus  dem  Satze  selbst  ohne  Weiteres. 


76  §  14.    Einige  Lehrsätze  über  Differential-Quotienteii. 

§  14. 

Einige  Lehrsätze  Ober  Differential -Quotienten. 

(Vergl.  die  Formel-Tabelle  Nr.  17—20.) 
Satz  1.     Zwei   Functionen^    welche   sich   von   einander    nur 
durch  eifie  additive  Constante  unterscheiden,  haben  dieselbe  Ab- 
leitung^  d.  h.  ist 

so  wird 

y'(^)=/'(4 

Beweis.    Ist 

y(^)=/(^)+C, 


so  wird 


also 


ff{x  +  Jx):=:f{x  +  Jx)+    C, 


fp(x  +  Jx)  —  (f{x)  =f{x  +  Jx)  —f{x\ 

fp(x  +  Jx)  —  (p(x)  _f(x  +  Jx)  —f{x)^ 
Jx  Jx 

/.  \       i/  \       r      (fix+Jx)  —  (f>{x)         .     f(x'\-Jx)  —  f{it)       ^,,  . 

Bezeichnet  inan/(ir)  mit  y,  so  wird 

und  die  Gleichmig  (1.)  nimmt  die  Form  an 
da.)  ^^+^  =  f. 

dx  dx 

Salz  2.  Ist  eine  Function  y  =zf{x)  mit  einem  constanten 
Factor  A  muUiplicirty  so  ist  die  Ableitung  dieses  Productes  gleich 
der  Ableitung  der  Function  y^  multiplicirt  mit  dem  constanten 
Factor  A,  d.  h.  es  ist 

dx  dx 

Beweis.    Setzt  man 

g){x)—Af{x), 
so  wird 

(f{x  +  Jx)  =  ^/(a?  +  ^^)i 


§  14.    Einige  Lehrsätze  über  DiiFerential-Quotienten.  77 

also 

q^(x  +  Jx)  —  (p{x)  =■  Äf(x  +  Jx)  —  -4/^(^) 

^Ä\^f(x\Jx)-f(x)\, 
q>(x  +  Jx)  —  ip(x)  __  ^^  f(x  +  Jx)  —f(x) 
Jx  Jx 

oder,  wenn  man  Jx  unendlich  klein  werden  lässt, 

(2.)  tp^(x)  =  Af{x\ 

Bezeichnet  man  nun  wieder /(a;)  mit  y,  so  wird 

(p(x)=  Af{x)  =  Ay, 

und  die  Gleichung  (2.)  geht  über  in 

Satz  3.  Die  Ableitung  einer  Summe  voji  zwei  (oder  von 
mehreren)  Iknctionen  ist  gleich  der  Summe  der  Ableitungen  der 
einzelnen  Functionen,'  d.  h.  es  ist 

d{u  +  v) du       do 

dx  dx      dx 

Beweis.    Es  seien 

u  =  (f>{x)    und    V  =  \p[x) 
zwei  beliebige  Functionen  von  x^  und  es  sei 

y  =/(^)  =  w  +  «?  =  y(^)  +  ip(x). 
Es  wird  dann 

f{x  +  Jx)  =  ff(x  +  Jx)  +  i//  (a:  +  ^^)i 

Jy  -==-f(x  +  Jx)  — f{x)  =  if(x  +  Joi^ — if{x)  +  i/^  (a:  +  Jx)  —  ^)(x)^ 

Jy (p{x  +  Jx)  —  (p{x)       i//  {x  +  Jx)  —  xp  {x) 

Jx  Jx  Jx 

dx      jx=0  ^-^  Jx={i  Jx  X  \  /       7-  \   /> 

oder 

,    .  d(u  •\-  v)  du       do 

^  '^  dx  dx       dx 

In  derselben  Weise  lässt  sich  zeigen,  dass  der  angegebene 
Satz  auch  für  eine  Summe  von  beliebig  vielen  Functionen  gilt. 


78  §  15.    Differentiation  der  ganzen  rationalen  Functionen. 

Vertauscht  man  u  +  v  mit  u  —  v,  so  findet  man  durch  die 
gleichen  Schltlsse  die  Gleichung 


d(u  —  v) du      dv 

und  damit  den 


dx  dx       dx 


Satz  4.     Die  Ableitung  der  Differenz  von  zwei  tUnciianen 
ist  gleich  der  Differenz  der  Ableitungen  der  einzelnen  Functionen, 


§  15. 

Differentiation  der  ganzen  rationalen  Functionen. 

(VergL  die  Formel-TabeUe  Nr.  21.) 

Aufgabe  1.    Man  soll  die  Ableitung  von 
(1.)  y  ==  a:»» 

bilden,  wenn  m  eine  positive  ganze  Zahl  ist. 

Auflösung.    Aus  Gleichung  (1.)  folgt. 

(2.)  y^  =  ^r, 

(3.)  yi  — y  =  a:i«*  — af», 

also  nach  Fonnel  Nr.  12  der  Tabelle 

+  x^x^-"^  +  a:**'^ ; 

dies  giebt 

(5.)    ^  =  Um  ?^i^=^  =  lim  (ä-j«»-*  +  a-^"»-^^-  +  ^i'"-^^-2  +  . . . 

+  x^af'^  +  ^^"Oj 
oder 


(6.)  I  =  maf^-K 

Dasselbe  Resultat  kann  man  auch  in  folgender  Weise  er- 
halten. 

Aus  Gleichung  (1.)  folgt 
(7.)  y  +  Jy  —  {x  +  JxY 

s=  a:"»  +  --a:"»~*  .  ^ä:  H \ — —^x^'   ^ .  Jx^  +  . . . , 

1  1  •  A 


§  15.    Differentiation  der  ganzen  rationalen  Functionen.  79 

also 

(8.)      ^  =  ^-.+'^(2Lz±),«.-^^,  +  .... 

Geht  jetzt  Jx  in  dx  über,  d.  h.  wird  Jx  unendlich  klein, 
so  werden  die  Glieder  auf  der  rechten  Seite  von  Gleichung  (8.) 
alle  bis  auf  das  erste  unendlich  klein,  weil  sie  den  Factor  dx 
enthalten.    Die  Gleichung  (8.)  geht  daher  über  in 

(9.)  !='-"-'• 

Der  Werth  m  gleich  0  möge  besonders  berücksichtigt 
werden;  man  findet  dann  aus  der  allgemeinen  Foimel 

dx  dx 

Durch  Anwendung  der  Formel 

d{Ay)  ^  ^d^ 
dx  dx 

ergiebt  sich  hieraus,  indem  man  y  gleich  l  setzt,  dass 

—  —  0 
dx 

wird,  d,  h.  dass  die  Ableitung  eirm*  Constanten  immer  gleich  0 
ist,  ein  Satz,  den  man  natürlich  auch  direct  beweisen  kann. 

Aufgabe  2.    Man  soll  die  Ableitung  von 

y  :=:  X*   -{-  X^  -{-  X 

bilden. 

Auflösung.    Nach  Formel  Nr.  19  der  Tabelle  ist 

dy       d(x*)    ,    d(x^)   .   dx       -    .^   ,    o  9   i    -« 
dx        dx  dx        dx 

Aufgabe  3.    Man  soll  die  Ableitung  von 

2/  =  3:^4  +  ll;r2  _  7^  _|.  8 

bilden. 


80  §  15.    Differentiation  der  ganzen  rationalen  Ftmctionen. 

Auflösung.    Hier  ist  nach  den  Fonneln  Nr.  19  und  20  der 

Tabelle 

dj/_d{Sx^)      d(llx'^)      d{lx)      rf(8) 

dx  dx  dx  dx  dx 

Femer  wird  nach  Fonnel  Nr.  18  der  Tabelle 

dx  dx 

^^     ^  =  11  4r^  =11.2^  =  22:r, 

CLX  CtX 

47£)^  7^=7.1  =  7 
dx  dx  '  ' 


folglich  ist 


^=0 
dx         "' 


^=  12a;3  +  22flr  — 7. 
ax 


In  welcher  Weise  sich    dieses  Verfahren  verallgemeinem 
lässt,  soll  die  folgende  Aufgabe  zeigen. 

Aufgabe  4.    Man  soll  die  Ableitung  von 

y  =  ax*^  +  a^x*^^^  +  «2^*'"^  +  •  •  •  +  öf«— la;  +  «« 
bilden. 

Auflösung.    Nach  Fonnel  Nr.  19  der  Tabelle  ist 

dy__d(ax^)      d{a^a^-^)     dja^x*'-'^)  d{a»-ix)      djun) 

dx"^    dx  dx  dx       "*"•••"+"       ^^  ^^    ? 

und  nach  den  Formeln  Nr.  18  und  21  der  Tabelle  wird 

az  ax 

dT^  =  «..-^  =«,(«-  2)  ^-S 


§  16.    UebuQKs-BeiapMle.  81 

folglich  erhält  man 

Da  sich  jede  ganze  ratiooale  Function  auf  die  Form 

bringen  lässt,  so  ist  damit  gezeigt,  wie  man  jede  beliebige  ganze 
rationale  Function  differentüren  kann. 


§   16. 

Uebungs- Beispiele. 

1)  y  =  6a:^  4-  4,  ^  =  30a:*, 

2)  y  =  6a:ö  —  4,  J^  —  30^:4. 

3)  y  =  |:cio,  ^  ^  4^9. 

4)  y=  3^2_7a:+9,  J^  =  6^:  — 7. 

5)  y  =  {2x ~  5)  (a:2  +  llar—  3),  ^  =  Öa:^  +  34^  —  61. 

Hier  findet  man  das  Resultat,  indem  man  zunächst  die 
Klammem  auflöst  und  dadurch  y  auf  die  Form  bringt 

y  =  2a:3  +  17a:2  —  61a:  +  15. 

6)  y  =  5a:*—  yrc»  +  4^2  _  3^  +  7^  ^  =  20^:»—  llrr»  +  8a:—  3. 

7)  y  =  a:'»+12a:3— 29a:2— 61a:— 134,  ^  =4a:»+36a:2— 58a:— 61. 

8)  y  =  a:»  —  5a:2  +  8a:  —  4,  J^  =  Sx^  _  lOa;  +  8. 

9)  y  =  8a:5  —  j^z  4.  13^^  ^  ^  15^4  _  21^:2  +  13. 
10)  y  =  5a:8  —  3^;«  4.  2a:*  —  4a:2  +  7,  ^  =  40;!;''  —  18a?'>+8a;3— Sa:. 

Steg«inaim- Kiepert,  Differential-Beohnnng.  6 


82  §  17.    Differentiation  einer  Potenz  u.  s.  w. 

§.   17. 

Differentiation  einer  Potenz  mit  negativem  ganzzaliligen 

Exponenten. 

(Vergl.  die  Formel-Tabelle  Nr.  21.) 

Aufgabe.    Man  soll  die  Ableitung  von 
(1.)  y  —  af" 

bilden,  wenn 

(2.)  m  =  —  n 

eine  negative  ganze  Zahl  ist. 

AuflBsung.    In  diesem  Falle  ist 


(8.)  y  =  a;-«  = 


af^ 


(4.)  Vi  =  ^1'"  =  ^  ' 

also 

1         1  a^i  *•  —  x^ 

(6.)  yi-»=^-^=--5=v~' 

also  nach  Formel  Nr.  12  der  Tabelle 

(6.)  yLzj^==-^\"»"-^" 

^   '    Xi  —  X  7^x^    Xx  —  »r 

Dies  giebt 

^^•^  rfar        ^^:rx—x  x^  ' 

oder 

CS. )  -/  =  —  «ar-*~^  =  ma:^""^ . 

^   '  dx 

Die  Formel  Nr.  21  der  Tabelle  bleibt  also  noch  richtig, 
auch  wenn  m  eine  negative  ganze  Zahl  ist. 


*5  18.    Differentiation  der  Functton  logar.  88 

§  18. 

Differentiation  der  logarithmischen  Function 

f{x)  -  \ogx. 

(Vergl.  die  Formel-Tabelle  Nr.  22  und  23). 

Aufgabe.     Man    soll    die   Ableitung    der    logarithmischen 
Function 
(1.)  y  =f{x)  =  log.r 

bilden. 

Auflösung.    In  dem  vorliegenden  Falle  ist 

(2.)     /(^)  =  logrr,    /(:r  + -^.r)  =  log(a;  +  ^:r), 

f{x  +  Jx)  -fix)  =  log(^  +  Jx)  -  log.r  =  log(^^-) 

oder 

(3.)     f(x  +  Jx)  -fix)  =  log(l  +  ^) , 

Ax  +  Jx)-f(x)^J^^l     ,,^(,+^\ 
^  Jx  Jx         Jx      ^  V  x  J 

Setzt  man 

(5.)  —  =  — ,   also  Jx  =  — , 

x        n  n 

so  ist 

Nun  wird  aber  n  unendlich  gross,  wenn  Jx  unendlich  klein 
wird;  deshalb  ist 

Diesen  Grenzwerth  kann  man  leicht  angeben,  denn  nach 
Formel  Nr.  13  der  Tabelle  ist 

(8.)  '  Um(l+iy=^, 

n  =  00  \  n  / 

folglich  wird 

(9.)  ^  ==  ^(^Qg^)  —  l2i£. 

dx  dx  X 

6* 


84  §  18.    Differentiation  der  Function  logj*. 

Dabei  ist  die  Basis  des  Logarithmen  -  Systems  noch  eine 
ganz  beliebige,  wählt  man  aber  die  Zahl  e  selbst  zur  Basis  des 
Logarithmen-Systems,  so  ist 

loge=  1, 

so  dass  die  Gleichung  (9.)  eine  noch  einfachere  Foim  annimmt. 

Die  Logarithmen  mit  der  Basis  e  heissen  die  natürlichen 
Logarithmen  und  mögen  in  dem  Folgenden  nur  durch  den  Buch- 
staben 1  bezeichnet  werden. 

Demnach  ergiebt  sich  aus  Gleichung  (9.) 

t/(Lr)      1 


(9  a.) 


dx        X 


Bemerkung. 

In  der  höheren  Mathematik  benatzt  man  fast  auaachlieBslich  die 
natürliche!)  Logarithmen  mit  der  Basis  e;  es  ist  aber  sehr  leicht,  von 
dem  einen  Logarithmen- System  zu  dem  anderen  überzugeben. 

Es  bezeichne  z.  B.  logo;  den  ^nV/^^'schen  Logarithmus  von  x  mit 
der  Basis  10,  und  \x  den  natürlichen  Logarithmus  mit  der  Basis  e; 
dann  ist 

(10.)  y==loga;  gleichbedeutend  mit  10^  =x 

und 

fll.)  2  =  10;  ist  „  „       e*  =  a;. 

Daraus  folgt 

(12.)  10^  =  «*. 

Nimmt  man  auf  beiden  Seiten  dieser  Gleichung  den  natürlichen 
Logarithmus,  so  erhält  man 

(13.)  yllO  =  «,    oder    loga:  =  i^. 

Nimmt  man  dagegen  auf  beiden  Seiten  der  Gleichung  (12.)  den 
^ri^^a'schen  Logarithmus,  so  erhält  man 

(14.)  y  =  « log  e,    oder    log  a;  =  la: .  log «. 

Aus  den  Gleichungen  (13.)  und  (14.)  folgt  zunächst 

=  log  e : 

110  ^    ' 

ferner  geht  aus  ihnen  hervor,   dass  man  die  natürlichen  Logarithmen 
Bämmtlich  mit  dem  constanten  Factor 

löge  ==  J-  =  ^^^\     ^ ,    =  0,434  2944819 
®        HO      2,3025850930 

zu  multipliciren  hat,  um  aus  ihnen  die  entsprechenden  Briggs^ f^^YL^n  zu 

erhalten.    Man  nennt  diesen  Factor  löge  gewöhnlich  „den  Modul  der 

^r^^«'schen  Logarithmen.'^ 


§  19.    Differentiation  der  Functionen  sina?  und  cosiP.  85 

§  19. 

Differentiation  der  trigonometrisehen  Functionen 

mx  und  coso?. 

(Vergl.  die  Formel-Tabelle  Nr.  24  und  25.) 

Aufgabe  1.    Man  soll  die  Ableitung  von 

(1.)  y=/(^)  =  sin^ 

bilden. 

Auflösung.    Aus  Gleichung  (1.)  folgt 

(2.)  f{x  +  Jx)  =  sin(:r  +  J.r), 

(3.)  f{x  +  Jx)  — f{x)  =  Jf(x)  ==  sin(;r  +  //.r)  —  sina-. 

Nun  ist  bekanntlich 

sma  -  smi  =  2sin(  — ^ — )  cos  f  — ^ — h 

folglich  wird 

(4.)  Jfi^)  =  2  Sin  (^)  cos  (^  +  ^)> 

oder,  wenn  man  der  Kürze  wegen 

(5.)  Jx  =  2z 

setzt, 

4f{x)  =  2sin;r  cosC-r  +  «), 

(6.)     ~^r-^  = C0S(a:  +  z) , 

Jx  z  ' 

,_ .     df(x)       du      ,.    sin;r       /     ,     n               t    sin;? 
(7.)      "\^  ^  =  -^  =  lim cos(^  +  «)  =  cosa;  lim 

0tX  QtX         z-rz^     Z  jB «~  0     Z 

Nach  Formel  Nr.  1  der  Tabelle  ist  aber 

,.    sin;? 
um =  1, 

folglich  ist 

/o  %  dy      </(sin;r) 

(8.)  -^=: — -= — ^  =  C0S;r. 

dx  dx 

Aufgabe  2.    Man  soll  die  Ableitung  von 

(9.)  y  =  fix)  =  cosir 

bilden. 


86  §.  20.    Differentiation  der  Functionen  tga:  und  ctgo;. 

Auflösung.    Aus  Gleichung  (9.)  folgt 
(10.)  /(a:  +  Jx)  ==  COS  {x  +  ^x\ 

(11.)  f{x  +  Jx)  —fix)  =  Jf(x)  =  COS(a:  +  Jx)  —  COSa:. 

Nun  ist  bekanntlich 

cosa  — cosJ=  —  2sm  ( — - — )sm( — ^ — j, 
folglich  wird 
(12.)  Jf{x)  =  -  2sin  (^)  sm  {x  +  ^), 

oder,  wenn  man  wieder 

Jx  =  2^; 
setzt, 

(12a.)  Jf{x)=^  —  2sin;5Sin(a;  +  «), 

(13.)  -^^  ^  == sin(a:  +  «), 

^      '^  Jx  z  ^ 


df(x)      dy  .      ,.    sin« 

ax         ax  g^Q    z 


(14.) 

oder 

(15.)  -r  =  -S — '  =  —  sma;. 

Ueinerkuug. 

Eb  wird  hier  nochmals  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  in  sin« 
and  coBo?  die  Grösse  x  kein  Winkel^  sondern  die  Länge  eines  Kreisbogens 
ist.    (Vergl.  §  1,  Seite  6.) 


§  20. 

Differentiation  der  trigonometrischen  Functionen 

tgo;  und  ctgo;. 

(Vergl.  die  Formel-TabeUe  Nr.  26  und  27.) 

Aufgabe  1.    Man  soU  die  Ableitung  von 

(1.)  y  =/(^)  =  tg^ 

bilden. 


(5.) 


§  20.    Differentiation  der  Functionen  tga:  und  cstgx,  87 

AiiflSsung.    Aus  Gleichung  (1.)  folgt 

(2.)  f(x  +  Jx)  =  tg(x  +  Jx), 

(3.)  fix  +  Jx)  —fix)  =  Jf{x)  =  tg(^  +  Jx)  -  1«:r. 

Nun  ist  bekanntlich 

tga  —  tgJ  =  — ^ r  ' 

^         ^         cos  flf  cos  6 

folglich  wird 

/A  \  j^(  \  sin  (Jx) 

(4.)  4rw  = ; — ; — -T\ ' 

^  "^  ^  '^       COS  (a:  +  Jx)  COSic 

Jf{x)  1  sin  {Jx) 

Jx  cos  (a:  +  Jx)  COSic        -^a: 

und  da  nach  Formel  Nr.  1  der  Tabelle 

T    sinC-^ar) 
lim — ^ — ^  =  1 

wird,  so  ist 

(6.)  ffl  =  ^  =  M  =  _i^=l+tg»,. 

^  flte         dx         dx  cos%  ^ 

Aufgabe  2.    Man  soll  die  Ableitung  von 

(7.)  y  ==f(x)  =  ctga; 

bilden. 

Auflösung.    Aus  Gleichung  (7.)  folgt 
(8.)   .  f(x  +  Jx)  =  ctg(a:  +  Jx), 

(9.)     f(x  +  Jx)—f(x)^Jf(x)r=(^tg(x  +  Jx)—ctgx. 

Nun  ist  aber  bekanntlich 

.  j,   y       —  sin(a  —  b) 

ctga  —  ctg  J  =       >   ;  .    ,  ^  5 

folglich  wird 

/1A^  ^^r  \  -  mijJx) 

(10.)  '^(^)  —  -r-T — ; — •r\' —  ' 

^     ^  *^  ^  '^      sm(a;  +  Jx)  smx 

(11)  ^/(^)  ^  —  ^  ■  ^^^  ^ 

^      "^  Jx  sin(ir  + //a;)sin:r       ^a: 

(12)  ^(^  ^  ^  ^  rf(clg^)       ^J. 

^^^•^  ifo  cfe  (/^  Sin^a:  (1  +  Clga:j. 


^  §  dl.    Difiereatiatioii  der  Producta  und  Quotienten. 

§  21. 

Differentiation  der  Producte  und  Quotienten. 

(Vergl.  die  Formel  Tabelle  Nr.  28—33.) 

Aufgabe  1.    Es  sei 

(1.)  u  =  q^{x),  v^tp{x); 

man  soll  die  Ableitung  des  Productes 

(2.)  y  —f{x)  =  «0  =  q){x)  tp(x) 

bilden. 

AuflSsung.    Aus  Gleichung  (2.)  folgt 

(3.)  f{x  +  Jx)  =  fp{x+Jx)  \p{x+Jx), 

f(x+Jx)  —ßx)  =  J/{x)  =  (p(x+Jx)  ip{x+Jx)  —  ^(x)  ip{x) , 
oder 
(4.)  ^/(x)  =  y  (a: + Jx)  Jp(x + Jx)  —  (f(x)  \p{x + Jx) 

+  (f{x)  ip(x+J:r)~g){x)  \p{x\ 

also 

/K  \    ^^Äx)       ,/    I    >  .(fix+Jx) — (p{x)  ,     .  .xp(x+Jx)'-'tp(x) 

Nun  ist 
lim  ipix  +  Jx)  =  xlj{x),        lim  y(^  + -^^)  ~y(^)  ^  y,./^)^ 


ii«=0 


folglich  wird 

^®-)       ^^ = 1 = «^^^^  ^'^"^  +  ^^^>  '^'^^>' 

oder 

,^    .  d(uv)         du   ,      dv 

(6a.)  _^  =  ,_  +  „_ 

Dies  giebt  den  Satz: 

Mn  Product  von  zwei  Factor e?i  wird  differerdiirt^  indem 
man  jeden  der  beiden  Factor en  emzeln  differentiirtj  mit  dem 
andern  muttiplicirt  und  die  Summe  dieser  beiden  Producte  bildete 


§  21.    Differentiation  der  Producte  iind  QfaotienteH.  89 

Beispiele. 

1)  y  =  (3  +  4tx)  (2  —  7x), 

^  =  4  (2  —  7a;)  —  7  (3  +  4:r)  =  —  13  —  56a:. 

Von  der  Bichtigkeit  dieses  Resultates  kann  man  sich  auch 
dadurch  überzeugen,  dass  man  nach  Auflösung  der  Klammem 

y  =  6  —  135-  —  28a:2 

erhält,  woraus  sich  unmittelbar  derselbe  Werth  von  -~  ergiebt. 

2)  y  =  (a;*  — 3a:2+  ii)sin:r; 

^  =  (^x^  —  6a:)  sin:?:  +  (^^  —  3^-2  +  11)  cosa:. 

3)  y  =  C0Sa:tgÄ;; 

-f^  —  Sma:  tg.^  -\ TT 

dx  ^  COS^.r 

sin^a:  ,      1  1  —  sin^:^ 

= =  =  COSä:. 

COSa:        COS:r  COSa: 

Dieses  Resultat  hätte  man  noch  einfacher  finden  kömieD, 

indem  man  berficksichtigt,  dass 

,  sina: 

tga:  = 

^        cosa: 

ist.  denn  dadurch  wird 

y  =  cOSa:  tgx  =  sina: 

und  nach  Formel  Nr.  24  der  Tabelle 

dy 

-f-  =  cosa:. 

dx 

Aufgabe  2.    Es  sei 

(7.)  u  =  ip{x\     v  =  ip(x),     w  =  x{^), 

man  soll  die  Ableitung  von 

(8.)  y  =  uow 

bilden. 

AuflSsung.    Indem  man 

(9.)  mv  =  t?i 

setzt,  erhält  man 


90  §  21.    Dififerentiation  der  Producte  und  Quotienten. 

(10.)  y  =  «'»i, 

SO  dass  nach  der  vorhergehenden  Aufgabe 

^     *  dx        ^  dx  dx 

wird.    Nun  ist  aber  gleichfalls  nach  der  vorhergehenden  Aufgabe 

/-^  dvx  dv    .      dw 

folglich  wird 

,^^.  rfy       d(uvw)  du   ,         c/ü    ,        dw 

(13.)  :r=^-h — ^=  cw-^  +  uw  j — [-UV  —  - 

^  dx  dx  dx  dx  dx 

Dies  giebt  den  Satz: 

Hin  Product  von  drei  Factoren  wird  differeniiiri^  i?idem  7nan 
jede?i  dieser  Factoren  einzeln  differentiirt^  mit  den  beiden  anderen 
Factoren  multiplicirt  und  die  Summe  dieser  Producte  bildet. 

Man  erkennt  leicht,  dass  sich  diese  Regel  auch  auf  Producte 
mit  beliebig  vielen  Factoren  tibertragen  lässt.  Zum  Beweise 
mögen  die  Gleichungen  (6a.)  und  (13.),  indem  man  sie  beziehungs- 
weise durch  UV  und  uvw  dividirt,  auf  die  Form 

feb  )  1  d(uv)  _1  du       i  dv 

^  uo    dx         u  dx      V  dx 

,^^  1    diuvw)       1  du       l  du    ,    1  dw 

(13a.  I ^ — ^=  -zr  +  -'zr  +  ^zr 

^  uvw     dx  u  dx       V  dx       w  dx 

gebracht  werden. 

Dem  entsprechend  kann  jetzt  durch  den  Schluss  von  m  auf 
iw  +  1  die  Richtigkeit  der  Gleichung 

.^  .  X  1  d{u^tl2  • . .  Um)  _   1   dui  1  du^2  i  .    1    dUfu 

u^u^..,Ufn  dx  '~  ^i  dx        «2  ^        '       ^t»    ^^ 

nachgewiesen  werden. 

Ist  nämlich  Um  wiederum  aus  zwei  Factoren  zusammen- 
gesetzt, ist  z.  B. 

Um  —  uo, 

so  wird  nach  Gleichung  (6  b.) 

1  dUfn  __1  du      i  dv 
Ufn  dx        u  dx       V  dx 


§  21.    Differentiation  der  Producte  und  Quotienten«  91 

Deshalb  geht  die  Gleichung' (14.)  über  in 

i^U-  l.i!f^  JL.  1    dutn^x   t'^du       1  de  . 

Ux  dx       u-x  dx      '"      Um-x     dx         u  dx      V  dx^ 

daraus  folgt,  wenn  man  t/»  statt  u^  e^m+i  statt  t?  schreibt, 
(loa)  ^  d{u^u^...u^u^J^^)  __ 

_l^i    ,    1^^,         .    1  du^  1     du^j^x 

U^  dx  ti2  dx         '"        Um  dx  Ww+1       dx 

Damit  ist  die  allgemeine  Gültigkeit  der  Gleichung  (14.) 
nachgewiesen.  Durch  Multiplication  mit  t/^wj...«»,  erhält  man 
aus  ihr  die  Formel 

(16.)  d{u^U2...Um)  _ 

^     '^  dx 

m  du*  dUcy  dumi 

t^t*3...w»-^'  +  u^v.^  •••^«ö^  +  •••  +  «1  «^2  •  •  •  w«_i -^ 

und  damit  den  Satz: 

Ein  Product  von  beliebig  vielen  Factoren  loird  differenüirt^ 
indem  man  jeden  dieser  Factoren  einzeln  differentiirty  mit  allen 
übrigen  Factoren  muUiplicirt  und  die  Summe  dieser  Producte 
bildet 

Sind  die  m  Factoren  alle  einander  gleich,  ist  also 

Wj  =  W2  =  «3  =  •••  =  «m  =  w, 
so  tblgt  aus  Gleichung  (16.) 

Für  den  besonderen  Fall,  wo 

u=^x 
ist,  geht  diese  Gleichung  in  Formel  Nr.  21   der  Tabelle  über, 
nämlich  in 

dx 
Die  Gleichung  (17.)  gilt|vorläuflg  nur,  wenn  m  eine  positive 
ganze  Zahl  ist,  sie  bleibt  aber,  wie  sogleich  gezeigt  werden  soll, 
auch  noch  richtig,  wenn  m  eine  positive  gebrochene  Zahl  ist. 


92  §  21.    Differentiation  der  Producte  und  Quotienten. 

Wird  nämlich 
(18.)  m^-r^     oder    mb  =  a, 

wo  a  und  h  positive  ganze  Zahlen  sind,  so  folgt  aus 

a 
(19.)  y  =  W»»  =  W*, 

indem  man  beide  Seiten  der  Gleichung  in  die  V^  Potenz  erhebt, 

(20.)  j/*  =  w«. 

Differentiirt  man  beide  Seiten  dieser  Gleichung  mit  An- 
wendung der  in  Gleichung  (17.)  ausgesprochenen  Regel,  so 
erhält  man 

(21.)  bxfi-^  ^  =  au*-^  ^  =  mbu^-'  ^. 

^      ^  ^       dx  dx  dx 

Da  aber  aus  Gleichung  (19.)  folgt,  dass 

ist,  so  geht  Gleichung  (21.)  über  in 

ax  ax 

oder,  wenn  man  diese  Gleichung  durch  bu"*^-^  dividirt,  in 

/^^  V  dy  .du 

(22.)  ^  =  ^e.»-._, 

ein  Resultat,  das  mit  Gleichung  (17.)  genau  übereinstimmt. 
Es  gilt  daher  auch  die  Gleichung 

(22  a)  ^^^maf^-' 

dx 

noch,  wenn  m  eine  positive  gebrochene  Zahl  ist. 

Man  kann  sogar  die  Richtigkeit  dieser  Formeln  noch 
zeigen,  wenn 

(23.)  m  ==  —91 

eine  negative  ganze  oder  gebrochene  Zalü  ist.    Es  wird  dann 

(24.)  y  =  e««»_- ^-n  _-_, 

also 

(25.)  w»y=:l. 


§  21.    Differentiation  der  Producte  und  Quotienten.  93 

Difi'erentiirt  man  beide  Seiten  dieser  Gleichung,  so  findet 
man  nach  der  Regel  für  die  Diflferentiation  eines  Productes 

oder,  wenn  man  mit  u  multiplicirt  und  für  u^y  den  Werth  1  setzt, 

du  ,     ^ , .  dy 

also 

(26.)  -^  =  —  nu-*^-^^r  =  w«***""^  t" 

^      ^  dx  dx  dx 

Damit  ist  bewiesen,  dass  die  Gleichung  (17.)  und  deshalb  auch 
die  Formel  Nr.  21  der  Tabelle  gilt,  gleichviel  ob  m  eine  ganze 
oder  eine  gebrochene,  eine  positive  oder  negative  Zahl  ist. 

Beispiele. 

1)  y  =  {2x^  —  7a;2  ■\- ^x  +  11)^; 

^  =  4  (2^3  _  7-^:2  +  3a:  +  11)^  (6a:2  _  14^  +  3). 

2)  y  =  Ya^  +  x^  -  («2  +  ^2)i. 

Setzt  man 


«2  4-  a;2  =  w, 


so  wird 


1 
y  =  u^ 


oder 

(27.) 


dx       2         dx       2^     ^     ^  ' 


dYa^  +  x^  _ 


X 


dx  Ya^  +  x' 

Ebenso  findet  man 


(27  a.) 


dY^^'I^ai  _ 


X 


dx  Yx^^a 


2 


3)   y  =  )/'a2— :r2=:(a2-^-2)^. 


94  §  21.    Differentiation  der  Producte  und  Quotienten. 

Setzt  man  hier 

a2  —  rc2  — =  Uj 

so  wird  wieder 

oder 

(28.)  dya^-x^_      -X      _ 

dx  ya'i  —  x^ 

4)     y  =  }/{2x  —  5)«  =  {2x  —  5)^  ; 

-/  =  2a:*  —  2a;^  +  ttä;^  +  ö'^   • 
a:i:  2  2 

7)      y  =  ya;  =  a:* ;  3^  =  T^      =     .  ^' 

_   1    _     -^  rfy_       1^   -|_ 1_. 


8)    y  = 


]ß  '  ax         i  i^j. 

10)      y  =  -^  +  *  +  c/7=  öir""^  +  b  +  cx^; 

y  X 

dy  a       .       c 


+ 


dx  2V«*      2Ylc 

11)     y  =  12^/^  —  7^^x*  +  llx  — -y^  = 


Yx^ 
12«*  —  7«^  +  IIa;  —  8«"* 


§  21.    Differentiation  der  Producte  und  Quotienten.  95 

^  =  Qx'^  —  ^"^  +  11  +  12a;"'^  = 

dx  \ 

9  4  12 

12)  y  =  {2x^  —  3a;  +  4)  YX^x  —  3)3. 
Setzt  man 

2a;2  —  3:r  +  4  =  «,  /(4^  —  3)^  =  (4a:—  3)"*  =  v, 

SO  wird 

1  =  4,-8,  *=|(4.-S)t.4  =  6/4J^ 

tir  fite  rfa: 

=  (4ä;  —  3)"^  (4a:  —  3)  +  (2a:2  _  3a:  +  4)  .  6^ix  —  Z 
=  y4a:  — 3  [(4a:  —  3)2  +  6  (2a:2  _  3^1;  4.  4)] 
=  y4tx  —  S  (28a;2  _  42a:  +  33). 

13)  y  =:=  sina:  —  f  sin^a:  +  ^  sin^a;; 

^  =  (1  —  2  sin^a:  +  sin^a:)  cosa;  =  cos'^a:. 

14)  y  =  cosa:  —  COS^a:  +  f  COS^a:  —  4  COS'a;; 

J^  =  (1  — 3  cos^a;  +  3  cos*a; — cos^a;)  ( — sina:)  =  — sin^a;. 

15)  y  =  3tgSa:  —  2tg*a;  —  ötg^a;  +  4:tg^x: 

^  =  (15tg*a:  —  8tg3^  —  lötg^o;  +  8tga:)  (1  +  tgh:) 
=  15tg«a;  —  Stg^a:  —  lötg^a:  +  Stga:. 

Aufgabe  3.    Es  sei 

(29.)  u  =  (p{x),     v^tp(x); 

man  soll  die  Ableitung  des  Quotienten 

(80.)  y=:^.oder/(.)=|^g 

bilden. 


%  §  21.    Di^Sßrentiation  der  Prodaote  und  <2aotienten. 

AuflSsung.    Aus  Gleichung  (30.)  folgt 

__  (p(x+Jx)  ifj(x)  —  ip{x-{'Jx)  gf(x)^ 
~  ilj(x  +  Jx)ip{x) 

Dies  giebt 

(32.)  "^(^)  =  1  .  (p{x+Jx)  tf;{x)—'^{x+Jx)  ^(x)  ^ 

^     '^     Jx         ^{x+Jx)ip(x)  Jx 

oder,  wenn  man  in  dem  Zähler  auf  der  rechten  Seite  dieser 
Gleichung  die  Grösse  ^  i^x)  xp  (.r)  subtrahirt  und  wieder  addirt, 

(33.)  ^(^  +  ^^)^(^).ffi  = 

(p{x-\-  Jx)  xfß{x) — g>(x)  tp(x)  —  'ilJ{x+ Jx)  (p{x) + (p(x)  \l){x) 

Jx 

Geht  man  zur  Grenze  über,  indem  man  Jx  unendlich  klein 
werden  lässt,  so  erhält  man 


lUli  — 

Jx 

—  y 

Jx 

und  deshalb 

xlj{x)xlj{x) 

dx 

=  i/j(x)q>' 

(^)- 

(f>{x)xp'{x), 

(34.) 

df{x)  _ 
dx 

dy  __  x/j(x)  (p'{x)  —  (p{x)  \p'(x)  ^ 
dx                  xp{x)  xp{x) 

oder 

(34  a.) 

<f) 

du 
dx 

dv 

dx 


§  21,    Differentiation  der  Producte  und  Quotienten«  97 

Dies  giebt  den  Satz: 

Die  Ableitung  eines  Brtsckes  ist  gleich  dem  Nenner^  mulii- 
plicirt  mit  der  Ableitung  des  Zählers,  weniger  dem  Zähler^  multi- 
plicirt  mit  der  Ableitung  des  Nenners^  das  Ganze  dividirt  durch 
das  Quadrat  des  Nenners. 

Beispiele. 

.  __  sina:     dg  _  COSar  COSa:  —  smx  ( — sinx) 

^       ^  "~  COSir'   dx ""  COS^a; 

_  cos%  +  sin^a:  _     1 

Dieses  Resultat  stimmt  mit  Formel  Nr.  26  der  Tabelle 
überein,  denn  es  ist 

sina: 


COSa; 


=  tga-. 


«\  «        1  dy      x*^  .0  —  nx^-^  ^  , 

Dieses  Resultat  stimmt  mit  Formel  Nr.  21   der  Tabelle 
überein. 


3)  y  = 


.r2  —  «2 


x'^  +  <^^ 

Hier  ist 

u=^  x^  —  «2^  ü  =  a:2  +  «2, 

also 

^  _  2a-  —  -  2a: 

^_  (a;2  +  a^)2x  —  (a;^  —  a^)2ar  _       ^a'^x 
^  —  (^2  +  ^2)2  "~  (a:2  +  a2)2' 

a;  +  y  «2  4-  :2:2 

a:  —  Y  ^    '^  ^ 

Hier  ist 

_i  1/212  ^^    1  _i_     ^     _  ^  +  y  «^ + ^^ 

M  =  a;4-ya2  +  a:2,  -3-=rl4 =  — —=== —  7 

^  ^       ^     '  dx  ^  ya^  +  x^  ya'^+   " 


x^ 


Stegemanxi -Kiepert,  Differential-Rechntmg.  7 


98  §  21.    Differentiation  der  Producte  und  Quotienten. 

lAT"; — ?    flfo        ^  X  X  —  Y^^  +  ^' 


rfa:  y^^2"+^  Yd?'  + 


a: 


2 


> 


also 

dy  _(x—Ya^+^^)  {x+ya^+x^)  +  (x+Ya^+ii^^)  (a:— VoM^ 

_  —2a» _  — 2(a:  + Va»  +  a?»)» 

""  (ät  —  V  a» + a:2)2)/"ä2+P"""  a^V  a»  +  a:» 


I 


II.  Abschnitt. 
Functionen  von  Functionen. 

§  22- 

DifFerentiation  einer  Function  von  der  Form  f{u). 

(VergL  die  Formel-Tabelle  Nr.  34  und  35.) 
Es  sei  y  irgend  eine  stetige  iTnnction  von  u,  aJso 
(1.)  y  =/(«)■ 

und  u  sei  wieder  irgend  eine  stetige  Function  von  x,  also 
(2.)  u  =  fp{x), 

dann  ist  y  auch  eine  Function  von  x,  nämlich 
(8.)  y=A9{^)\  =  n«^. 

Beispiele  solcher  „JFunctione»  von  i 


y  =  yix^  —  73T  +  11 ,     y  =  sin(3ar), 
y  =  log(sin3:),  y  =  (loga:)", 

Es  ist  die  Frage,  in  Reicher  Weise 
Fnnctionen  differentürt  werden  können. 

Vermehrt  man  x  \mcl*Jx,  so  gehen  die  Grössen  x,  m  i 
y  bezw.  über  in 

x  +  Jx,    u  +  Ju  =  tf<{x  +  Jx),    y  +  ^y  =/{m  +  Ju), 
folglich  ist  J**  \ 

(4.)       Ju  =  ^{x  +  Jx)  -<f>'ß),   *Jy  =f{u  +  Ju)  -/(«), 
.„ ,  JF(xl  _  Jy  _^f{u  +  Ju)-f(u) 

^'*->  Jx     ~  Jx~    ■■  Jx 


100       §  22.    Differentiation  einer  Function  von  der  Form  /(w). 

oder,  wenn  man  auf  der  rechten  Seite  dieser  Gleichung  Zähler 
und  Nenner  mit  Ju  gleich  tp(x  +  Jx)  —  (p{x)  multiplicirt, 

Jx  Ju  Jx 

folglich  ist 

Dies  giebt  den  Satz: 

Die  Ableitung  einer  Function  von  eine^'  Mincüon  ist  gleich 
dem  Producte  der  Ableitungen  beider  Functionen, 

Die  Richtigkeit  dieses  Satzes  erkennt  man  ohne  Weiteres, 
wenn  man  beachtet,  dass  man  mit  den  verschwindend  kleinen 
Grössen  tfe ,  rfy ,  rfw ,  ...  ebenso  rechnen  darf,  als  wären  sie 

bestimmte   Zahlen.     Dann   erhält  man  nämlich  -^  -^  aus  -^j 

au  dx         dx 

indem  man  Zähler  und  Nenner  mit  du  multiplicirt. 

Eine  etwas  einfachere  Form,  erhält  dieser  Satz,  wenn  man 
statt  der  Ableitungen  oder  Differential-Quotienten  die  Differen- 
tiale einführt. 

Aus  der  Erklärung  des  Differential-Quotienten  einer  Function 
y  ^f[x^  nämlich  aus 

dx  dx         -^   ^  ^     ^^_^j  jx 

folgt  unmittelbar 

(7.)     dy  =  df[x)  =f{x)dx  =  lim-^^^"^^^^  ~^^'^^  ■  Jx, 

d.  h.  das  Differential  einer  Function  von  einer  unabhängigen 
Veränderlithm  x  ist  gleich  der  Ableitung,  multiplicirt  mit  dem 
Differential  dieser  Veränderlichen. 

Aus  Gleichung  (6.)  folgt  daher 

(6a.)  dy=f{u)(p'(x)dx; 

da  aber 

du  =  (p*{x)dx 

ist,  so  findet  man  hieraus 

(8.)  dy—f(i()du, 


"•*     r» 


•?    »       •      •        » 


§  22.    DüFerentiatioii  einer  Function  von  der  Form  f(u).        101 

d.  h.  man  findet  das  Differential  von  y,  indem  man  die  Function 
u  als  die  unabhängige   Veränderliche  ansieht. 

Beispiele. 

1)  y  =  w3  und  i^  =  gijiar. 

Hier  ist 

dy  =  Su^du  und  du  =  COSxdx, 
also 

dy  =  Ssm^x  cosxdx,  oder  -^  =  Ssin^^  cos:r. 
2)    y  ==  1  (1  —  x^)  =  lu,  wo  u=zl  —  x\ 

dy  =  -du^ r  ( —  2x)  dx  = s-. 

Ist  y  eine  Function  von  t^,  u  eine  Function  von  o  und  o 
eine  Function  von  x^  ist  also 

so  wird  auch  y  eine  Function  von  t?  und  deshalb  auch  eine 
Function  von  x ;  daher  findet  man  nach  dem  vorhergehenden  Satze 

(9.)  dy  =:f{u)du,       du  =  (p^{;o)dv,      dv  =  ifj'{x)dx, 

oder 

(10.)        dy  =f(u)du  ^f(u)(p\v)dv  —f{u)(p\v) tp\x)dx. 

In  dieser  Weise  kann  man  fortfahren  und  das  Differential 
von  y  auch  dann  noch  finden,  wenn  die  Reihe  der  veränder- 
lichen Grössen,  von  denen  jede  eine  Function  der  folgenden  ist, 
noch  länger  wird. 

Es  sei  z.  ß. 

y  =  sinw,      u  =  «?"*,      ü  =  a^  +  ^^j 
oder 

y  =  SÜl  Ua^  +  x^)"^], 

dann  winl 

dy  =^  cosudu,     du  =  mv*^"^ dv,     dv  ^=^  Sx^dx, 

also 

dy  ==  cos  w  .  mv^"^  dv 

=  cosw .  mv^~^^ .  ^x^dxj 

^  =  ^mx'^  (a3  +  x^y-^  cos[(a3  +  x^^]. 


102  §  23.    Uebungs-Aufgaben. 

§  23. 

Uebungs-Aufgaben. 

1)  y  =  ««",     i^^-'Tx 

Dieses  Resultat  stimmt  mit  Formel  Nr.  29  a  der  Tabelle 
überein.  Daraus  erkemit  man,  dass  diese  Formel  nur  ein  beson- 
derer Fall  von  Formel  Nr.  35  ist. 

2)  y  =  sin(mir). 

Man  setze 

tax  =  w, 
dann  wird 

y=:sin2/,    e/y  =  cost<c?e<, 

du  =  mdx^    dy  =  mCOS(ma:)rfar, 
oder 


^  =  mcos  {mx). 


3)  y  =  cos(a:r3  +  ftrr^). 

Man  setze 

ax^  +  i^r*  =  w, 

dann  wird 

y=rC0St/,  efy  =  —  sint^eft«, 

rfw  =  (3a:r2  4.  4ft;2;3)  j<^.^     dy  —  —  ^m{ax^  +  i:r*)  .  (3ar2  +  ^hx^)  dx, 

oder 

4)  y  =  tg(f). 

Hier  ist 

y  =  tgw,    wo 

,   du 

^  ""  cös%' 

also 

,  dx 

ay  = 


w  = 

X 

2' 

du  — 

2  ' 

efy 

1 

cfe"" 

.-^                n  i 

<:r^ 

2cos2(|y       ''^      2cos»(j) 


§  23.    IJebungs- Aufgaben. 


103 


KN  ^rr-* ; ^    ^"9        3(cosa;  — sina;) 

5)      y  =  \{Wix  +  C0S:r)3;  -/.  =     ^ 


6)  y  =  l(sinir). 

Hier  ist 

y  •=.  1«,        wo 

T       du 
^        mLx 

7)  y==l(C0S5;); 

8)  y  =  l(tga;); 

9)  y  =  l(ctg^); 


u  =  smo;, 
{/t^  =  C0S:r  dx^ 


dy_ 


dx 


Ctga:. 


rfy 1 


dy  _  1 

e/:r  sin^;  COS:r 


10)  y  =  l(cosa;  +  sma:);    -/^  =     ^^     ,     *^ — • 

11)  y=:l(Va2  +  a:2  +  ]/a2  — :r2). 

Man  setze  

u  =  Ya^  +  x^  +  ya^  —  x^y 
dann  wird 


y  =  lw, 


dy  z=:  —  du, 


u 


du 


""Vl/aU^     V a2— a:2/  "^  1/V=^ 


_       x{Y  a^'-x^  —  Ya^  +  ^^)  ^^ 


rfy  = 

oder 

^  _        

dx        {YW+^  +  Ya^  —  x^)  Ya^  —  x^ 

Indem  man  noch  Zähler  und  Nenner  auf  der  rechten  Seite 
dieser  Gleichung  mit  y^^Tp^ — y  gp.  —  x^  multiplicirt,  erhält 
man 

dy^  _  —  x{2a^  —  2y  g^  —  x^)  _  —  a2^]/a*  — a;* 
dx^  2x^Y  a^  —  x^  ~"        xY  a*  —  ^* 


104  §  24.    DifPerentiation  invetser  Functionen  u.  s.  w. 

12)     y  =  l(la:). 

Hier  ist 

y        du  j        dx 

dy^-,  du  =  -, 

,    dx  f^  _«  J: 

Ä-Lr'  dir       arLr 


§24. 

Differentiation  inverser  Functionen,  insbesondere  der 
cyiciometrischen  Functionen  und  der  Function  a"". 

(Vergl.  die  Formel-TabeUe  Nr.  36—43.) 

Wie  schon  früher  (§  1)   hervorgehoben  wurde,   kann  aus 
der  Gleichung 

(1.)  y  =/(^) 

durch  Auflösung  nach  x  eine  Gleichung 

(2.)  ^  =  9>(y) 

hergeleitet  werden;  man  nennt  dabei  die  eine  Function  die  in- 
verse  der  anderen,  weil  die  eine  aus  der  anderen  durch  Um- 
kehrung entsteht. 

Es  ist  nun  häufig  nothwendig,  ^  zu  bilden,  wenn  nicht 

y=zf(x)  gegeben  ist,  sondern  die  inverse  Function  a;  =  5p(y). 
Dies  geschieht,  indem  man  beide  Seiten  der  Gleichung  (2.)  nach 
X  differentürt;  dabei  muss  man  aber  beachten,  dass  auf  der 
rechten  Seite  der  Gleichung  eine  Function  von  y  steht,  und  dass 
y  wieder  eine  Function  von  x  ist.  Es  kommt  dabei  also  Formel 
Nr.  35  der  Tabelle  zur  Anwendung,  wobei  man  erhält 

oder 

(4.)  ^  =  _L_ 

^   ^  dx      <p'(y) 


§  24.    Differentiation  inverser  Functionen  u.  s,  w.  105 

Beispiele. 

1)  Es  sei 
(5.)  y  =  arcsma:, 

dann  findet  man  durch  Umkehrung  der  Function 

(6.)  X  =  siny 

und  durch  Differentiation  dieser  Gleichung  nach  x 

(7.)  1  =  cosy  .  ^., 


(8.) 


dy_    l    _ 


dx      cosy      ]/  1  —  sin2y 
oder 


(8  a.)  ^(a^sM^ 


dx  "J/l  — ^2 

Für  alle  Werthe  von  a:  zwischen  —  i  und  +  1  giebt  es 

einen  Werth  von  y  zwischen  — —  und  +— •   Da  cosy  for  alle 

diese  Werthe  von  y  positiv  ist,  so  muss  in  Gleichung  (8.)  die 
Quadratwurzel  mit  dem  positiven  Vorzeichen  genommen  werden. 

2)  Es  sei 
(9.)  y  =  arc  cos^r, 

dann  wird  in  ähnlicher  Weise  wie  vorhin 


(11.) 

(12.) 
oder 
(12a.) 

X  =  cosy, 

^           •      dy 

^    dx 

dx           siny 
rf(arc  cosa:)                 i 

dx                 yix'^ 

}^1  —  COS^y 


Für  alle  Werthe  von  x  zwischen  —  1  und  +  1  giebt  es 
einen  Werth  von  y  wischen  0  und  tt.  Da  siny  für  alle  diese 
Werthe  von  y  positiv  ist,  so  ist  in  Gleichung  (12.)  das  Vorzeichen 
der  Quadratwurzel  richtig  bestimmt. 

3)  Es  sei 
(13.)  y  =  arc  tga:, 


106      '       §  24.    Differentiation  inverser  Functionen  u.  s.  w. 


dann  wird 

(14.) 
(15.) 

s^ 

rf(ai 
sei 

X  =  tgy, 
dy   ^        1        ^ 

(16.) 

oder 
(16  a.) 

4)  Es 

(17.) 
dann  wird 

(18.) 
(19.) 

Birc  igx)  _^       1 

dx            1  +  ^2 

y  =  arcctgir, 
:r  =  ctgy, 

(20.) 

oder 

dx^       1  +  Ctg2y  ' 
rc  oi^x)               1 

(20  a.) 

5)  Es 
(21.) 
dann  wii-d 

dir                   1  +  5:^ 
y  =  arcsec:r, 

1        =±=.-i 


(22.)  X  =  secy  =  — ,    cosy  =  -  =  -^  % 

^  ^  siny    rfy  ^ 
cos-^y    efa 
dy  _  cos^y  _       cos^       _       x"'^ 
Ix  "~  siny  "~  y  1  _  cos^y  "^  y  1  —  :r~^ 


(23.) 
(24.) 

oder 

,r.,    N        rf(arcsecir)  1 

(24  a.)        -^^—7 =  — 7====:- 

6)  Es  sei 
(25 . )  y  =  ai'c  cosec  x , 

dann  wird 


§  24.    Difierentiation  inverser  Functionen  u.  s.  w.  107 

(26.)  a:=:cosecy  =  ^,    smy  =  -  =  :r-^ 

(271  i  =  _52?ü..^, 

^     ^  sin^y    dx 


(28.) 
oder 
(28  a.) 


:r-2 


dx  ""      cosy  ""  ~  V  1  —  sinV  ""  ~yi  — a;- 

rf(arc  coseca;) l 

dx  ""      ^j/pZIi* 


7)  Es  sei 
(29.)  y  =  «% 

dann   wird,    wenn    man   auf  beiden    Seiten    den   natürlichen 

Logarithmus  nimmt, 

(30.)  x\a  =  \y^ 

(31.)  1«=--|^' 

y    dx 

(32.)  |  =  yla, 

oder 

(32  a.)       •  ^)  =  o.la. 

dx 

Für  den  besonderen  Fall,  wo  a  gleich  ^  (der  Basis  der 
natürlichen  Logarithmen)  wird,  erhält  man 

lö  =  Iß  =:  1, 

so  dass  die  Gleichung  (32  a)  übergeht  in 
(BS,  f?g)  =  .. 

Ist  C  eine  beliebige  CJonstante,  so  ist  auch 

(»«.)  ^  =  0-. 

Dieses  Eesultat  ist  deshalb  bemerkenswerth ,  weil  Co*,  wie 
später  gezeigt  werden  soll,  die  einzige  Function  ist^  welche  mit 
ihrer  Ableitung  übereinstimmt.  Man  nennt  ^  die  Exponenttal- 
Function, 


108  §  25.    Uebungs-Beispiele. 

§25. 

Uebungs-Beispiele. 

1)  d{ax^  —  hx^-\-c)  =  x  {Qaz  —  2b)dx. 

2)  rf(^ar»  —  \x^  +  4ar  —  5)  =  {x^  —  3«  +  4)fi?:r. 

3)  d(2x^  —  lx  —  b-\-^  —  Ux—l  —  ^dx. 

=(t^  +3^    +T^  T^- 

6)     rf[(aa~^  —  4a:»  +  c)»]  = 

,;j«  (aa:'«  —  Ja^  +  c)"-*  (2ac"  —  h)(id*-^dx. 

9)     d[{a  +  a;)V  g  —  a;  =  \ 

10)  ä[(a'  +  ,^)VW^]  =  !^f^^- 

11)  rf[(2a2  +  3^2)  y(a2_^2)3]  ==  _  15:^3]/ «2  _  ^^2  .  e/:r. 

14)  rf[(a;  —  l)a*]  =  a*[l  +  (^  —  1)1«]^^. 

15)  d{e^  ^7^)  =  e' .  7^^^  {x  +  rn)dx. 

16)  rf[ö*(a:3  —  3:r2  +  öar  —  6)]  =  ö*  .  x^dx. 

'       \     ^   \—x)      (1  —  x)y  1  —  a;2 


dx. 

13 


§  25.    Uebungs-Beispiele.  10» 

18)  äl(.  +  r^T^)=y^,- 

19)  .l(.  +  /^^)=:p^. 

dx  dx 


yi  +  x^ 


X  1/  1    -1-  'tS 


''^  ^^Tiri)    =4i'^'^-*)-l^^'^+*>] 


_3/      1       _  _1 \       _      12  da 

2W  — 4        3a: +  4/   "^  ~"    9a:2  — 


12  dx 
16 


x  X       \  , 2a2a:dir 

«2 — ^2:2  a^-\-x^)  a*  —  a;* 

23)     ^l(«+.+/ar+T.)  =  ,p.^=. 

\i_|/^'     3(1  — y^)V^ 

^         Vy  a2  +  xi  — y  a^  —  xV  ""     V«?/ 

wobei 

rfw :g  a:         _  a;  (}^a2 — a:^  —  y  a^-^-x'^^ 

do X  X        x(y  a^ — ^  +  y  a2-|-/p2j 

oder 


-a:* 


rfw  rre?  dv arw 


rfa:        y  o4 — x^ '      ö^«^        y^ 


4_^* 


110  §  25.    Uebungs-Beispiele. 

ist.    Dies  giebt 

\v /  ^         U  V 

xvdx  xudx      x{v^'^'U^)dx 

uvY  a*  —  x^ 


uya^ — x^ 
Nun  ist 

uv  =  a^  +  x^  —  {a^  — 

w2  +  t?2  =  a2  +  ir2  +  2  y  a* 

vy^a* — x^            t 

x^)  =  2  x^, 

— x^  +  a^  —  x^ 

+  a^  +  x^      2  )/a4 
=  4  a\ 
folglich  wird 

— x^  +  cfi  —  a:2 
2a2rfa: 

\vj           2^Y«^     ^' 

^  y  a*— X* 

26)  ^Yn^  +  2)^/F+l)3^ 

^      y(x—\y      ^ 

=  rf[|-l(:r+2)+|-l(:r+4)— |l(^_l)] 

27)  rfsin  (2  :r  +  5)  =  2  cos  (2  :r  +  5)  rfar. 

28)  d  cos  (wa:)  =  —  m  sin  ijnx)  dx. 

29)  d  (sin^ic)  =  2  sin  a:  cos  :r  dx. 

30)  d  (sin 3 a:  cos  x)  =  sin^a;  (3  —  4  sin ^a:)  dx, 

31)  rff-T-^ : — )=  (—  -r^ — |--:-ö-)  COSa:^^: 

__  (5sin3;  —  6)  omxdx 
~"  sin^a: 

^        \1  —  COS^/  ~"         (1 — C0Sa:)2 

^^)    ''*^(f)=T[i  +  *^<T)]'^^- 

34)     rf  Ctg  (3  a:)  =  —  3  [1  +  ctg  2  (3  ^j)]  j^. 


§  25.    Uebungs-Beispiele.  111 

35)  (/(tg^'a:)  =  ^^^^^-^  dx^mtjg'^-^xil  +  tg'^x)dx. 

36)  rf(4tg3aw-3tg2^-}-6tga:)  =  (12tg2a:— 6tga:+6)  (l+tg^a;)  cfo 

=  6(2tg4a:  — tg3a:+  3tg2:r  — tgÄ:+  1)  efo. 

37)  rf(ö*COSa:)  =  e*  (cosa:  —  sina:)dlr. 

38)  d  sin  (la:)  =  cos  (la:).  rf  (la:)  =  ^^iäf)  ef^:. 

39)  ,*Bto(y|)=c«(yDVi=3-j^««(>D*«. 

41)     rf  l(Vl5i^  =  rf(ilC0S^)  =  ^^^  =  - 1  tgx  rf:r. 

*2^    ''^T^^)  =  ^^^'^  +  "^^^  -  ^^-^  -  ^'^)1 

—  ^(1  +  COSa;) d{l  —  cosa:) 2dx 

"~    1  +  cosa:  1  —  cosa;    ~"       sinic 

ft  .  /x\      /x\       sin  iT 
2smr 


HO'^d) 


«)    4ct.(|)]=-^ 


4  ro  3  "1 

45)  dl(y  än^x  cos^a:)  =  rf  j l(sina:)  +  jl(cos  x) 

—  ^/^^^ sina;\  , 

"~4\sinic       cosa:/ 

=  M£2!!£lZH!£)^=ictg(2a:)(;:r. 
4sina:C0Sa;  2    ^^     ^ 

46)  d{^^')  =  ö«i»* .  rf(sina:)  =  <?«*"*  .  COSarrfar. 

47)  rf(a;c«o**)  =  ö<^o'»*(l  —  a:sina:)di, 

48)  d{€^ .  cos(wa;)]  =  ß^[acos(mx)  —  msixi(mx)]dx. 


112                                §  25.    Uebungs-Beispiele. 
49)     d{a^')  =  ö^*la  .  d(\z)  = dx. 


X 

dx 


50)  rfarcsin0)=       ^^         <^0)  =  ^ 

51)  '^arctg(j)=— i^,rf0)  =  ^ 

52)  ^arctg|/^  =  — 37I"'>^ 


a;- 


a  +  ^ 

(a  +  x^  y  a  +  X        adx adx ^ 

""    2(a  +  2x)  Y^    '  {a  +  x^  ""  2(a+2a:)  Y  x{a+x) 

53)  rf  L  .  arc  COb(^  ~    j  —  V  2aa:  —  a:^   = 

a  Ja  —  x\        d[2ax  —  x"^) 

"",/         /a  —  x^^     \     a    )       2V  2ax  —  a:^ 

arfa;  (a  —  a:)cfe   xdx 

■"  "^1/205:  — ;r^  ~  ]/2flw:  — a;2  ""  y^ax  —  x'^ 

54)  y  =  a;^      ly  =  a:U,      ^J=l+^^» 

55)  y  =  a:«*»*, 

,  1  dv  1       ,    Sina: 

ly  =  Sma:Ja:,     --f-=  COSa^.la:  +  — T» 
^  ^     y  dx  X 

(OTT»  /p  \ 
hCOSa:.la:jrfa:. 

« 

56)  y  =  Y^, 

1    =lia;         1  <^y_i  — 1^ 

^      a;      '         y  dz  «2      ' 

(fy^  =  |/^ . —  dx. 


§  25.    Uebungs-Beispiele.  113 

57)  y  =  {afY  —  3^'^, 

d[{x^Y'\  =  :r(^) .  .r(l  +  2l.r)  dx  =  :r«^+^  (1  +  2U)dx. 

58)  y  =  :r*    , 

ly  =  x^Ax,      ^^=^x^(l+lx)lx  +  — 

tj  dx  ^  ^  X 

nach  Au%abe  54,  folglich  wird 

r  («*)i      (•*) 

dlx      J  =  .T      .  x^[{l  +  l2:)la;  +  x-^]dx 


X  4-  X 
=  X 


59)     y  =  (cosic)«^, 


[(1  +  l;r)  Ix  +  ;i:-l]d:r. 


Iv  =  sma;l(coSic),  — -r-  =  cosa:;l(cosa:) 


j 


e/[(cos:r)"»^]  =  (cos:r)-^+«^°^[cos2;rl(cos:r) — sin^a:]. 
60)    y  =  arcsin[tg(^)], 


a  —  :r 


siny  =  tgw,    wo  w  =  > 

dy 1      du 1  —  2a 

^  dx'^  cos%  dx  "~  cos'-^«    (a  +  xY  ' 

„   _     .2    —  cos%  —  sin^^^  _  cosr2^) 

^ ""  ^      "~         cos%        ""    cos^w 


1  —2a 


öf^       cosw  y^C0S(2tt)    (a  +  :r)2 

rfarcsm[t8(^)] 


—  2adx 


Stegemaim- Kiepert,  Differential-Beohuung.  g 


III.  Abschnitt. 

Ableitungen  und  Differentiale  höherer  Ordnung. 

§  26. 

Ermittelung  yonf^^'^ix). 

(Vergl.  die  Formel-Tabelle  Nr.  44— 46.J 

Wie  schon  früher  gezeigt  wurde,  ist  äie  Ableitimg  einer 
Function  f{x)  im  Allgemeinen  wieder  eine  Function  von  x. 
Es  wurde  deshalb  auch  das  Zeichen /'(^)  eingeführt,  so  dass 

('■)        I = ^' =/'« 

w^ar. 

Man  kann  daher  f'{x)  ebenso  behandeln  wie  f(x)  selbst  und 
untersuchen,  ob  f'{x)  eine  Ableitung  besitzt.  Ist  dies  der  Fall, 
so  bezeichnet  man  die  Ableitung  Yonf'{x)  mitf''(x)  und  nennt 
sie  die  ^.zweite  Ableitung^'  Yonf(x),    Es  ist  also 

(2-)  ^^  =/"(-)• 

In  dieser  Weise  kann  man  fortfahren  und  erhält  durch 
wiederholte  Differentiation  der  Eeihe  nach  die  Gleichungen 


(3.) 


dx 


Dabei  heisst /^"^  (a;)  die  w**  Ableitung  der  Function /(a;). 


Es    ist    nun   auch   von  Interesse,    zu    untersuchen,   nach 
welchem  Gesetze  die  höheren  Ableitungen  von  f{x)  aus  f{x) 


§26.    Ermitteluiig  von/(«)(a;).  115 

selbst  gebildet  werden  können,  ohne  dass  man  die  dazwischen 
liegenden  Ableitungen  benutzt. 

Der  erste  Differenzen-Quotient  war 
(4.)  ^  ^f±±^±-f(^)  ^  ^(,). 

Vertauscht  man  in  diesem  Ausdrucke  x  mit  x  +  Jx,  wobei 
sich  natürlich  Jx  gar  nicht  ändert,  so  erhält  man 

/r  N                 /(^  +  2^/a:)  —f(x  +  Jx)  ,     ,     ^ 

(5.)  -^-^ ^-^ ^  =  <p{x  +  Jx). 

Indem  man  die  Gleichung  (4.)  von  der  Gleichung  (5.)  sub- 
trahirt  und  die  Differenz  durch  J.r  dividirt,  ergiebt  sich 

fp(x  +  ^^)  —  ^{^) ^^{^) \  ^x   / 

Jx  Jx  Jx 

^f{x  +  2Jx)  —  2f{x  +  ^x)  +f{x) 

Jx^ 

Lässt  man  jetzt  Jx  verschwindend  klein  werden,  so  wird 
lim *(.)  =  ^  =/■(.),   lim^  =  Ä)=/-.(.), 
folglich  ist 

(7.)   f"{.) = lim-^^" + ^-^">  -  y: + -^")  +-^^")- 

In  ähnlicher  Weise  findet  man 
(8.)  f"{x)  =  ^^'"^  ZJx)-%f{x-\-2Jx)+  Sfix+Jx)-f(x)  ^ 


(6.) 


Jx=zO 


Jx^ 


(9.)  /^«)(^)  =^^^^  {/O^  +  nJx)  -Q})f[x  +  in  -  l)Jx] 
+  ©/[^  +  (n-2)Jx]  —  +,..±  (f)f{x  +  Jx)  +/(a:)}. 

Der  Beweis  dieser  Formel  kann  durch  den  Schluss  von  ?^ 

auf  n+  1  geführt  werden,  möge  aber  hier  übergangen  werden, 

weil  för  das  Folgende  nur  der  Fall,  wo  ;» =  2  ist,  in  Betracht 

kommen  wird. 

8* 


116  §  26.    Ennittelungeii  von  /»*)(x). 

Man  kann  auch  von  dem  BiffermUale 

(10.)  dy  ^f(x)  dx 

ausgehen  und  das  Differential  von  dy  bilden. 

Dann  bezeichnet  man  dieses  neue  Differential  d{dy)  mi 
d^  und  nennt  es  das  zweite  Differential  von  y.  Bei  der  Bildung 
von  dhi  muss  man  aber  beachten,  dass  in  Gleichung  (10.)  die 
unendlich  kleine  Grösse  dx  einen  von  x  unabhängigen  Werth 
hat  und  deshalb  bei  der  nochmaligen  Differentiation  als  eine 
Constante  anzusehen  ist.    Deshalb  wird 

(11.)  ^  =  d{dy)  =  d\f\x)dx\  =  d\f{x)]dx', 

nach  Formel  Nr.  34  der  Tabelle  ist  aber 

d\f\x)\  ^,r{x)dx, 

folglich  erhält  man 

(12.)  rf2y  =f\x)dx\ 

Hierbei  soll  da?'  immer  mit  {dxf-  gleichbedeutend  sein  und 
ist  wohl  zu  unterscheiden  von  d(^'^)  =  "Ixdx. 

Aus  Gleichung  (12.)  folgt  jetzt  auch,  dass 

•(12a.)  3=/"(^) 

ist. 

Unter  dem  dritten  Differential  von  y  versteht  man  das 
Differential  von  <?^,  also  d(dPy)  und  bezeichnet  es  mit  rf^. 
Deshalb  wird 

cPy  =  rf(d2y)  =  d\f^\x)dx^\  ==  d\f\x)\dx^, 

oder 

(13.)  d^y^f*'{x)dx\ 

Hier  ist  dx^  gleichbedeutend  mit  {dxY  und  wohl  zu  unter- 
scheiden von  d{x^)  =  ^'^dx. 

Aus  Gleichung  (13.)  folgt  wieder 
(13a.)  g  =f"{x). 

In  dieser  Weise  kann  man  fort&hren  und  findet 
(14.)  d»y  =  rf(«P-V)  =  /•"'(*)  <^. 


§  27.    Üebungs-Beispiele.  117 

wobei  (fe**  immer  mit  {dxy  gleichbedeutend  ist. 

§  27. 

Uebungs -Beispiele. 

(Vergl.  die  Formel-Tabelle  Nr.  47  and  48.) 

Aufgabe  1.    Man  soll  die  höheren  Ableitungen  von 

y  =/(^)  =  ^* 
bilden. 

Auflösung. 

S=/'"(^)  =  4-3.2^=  24.» 
g=:/(«(.)  =  4.3.2.1  =  24, 

Aufgabe  2.    Man  soll  die  höheren  Ableitungen  von 

y  =f{x)  =  ^x^—lx^  +  %x^  +  lla:2  _  6a;  +  9 
bilden. 

Auflösung. 

^  =/'(a;)  =  15a:4  _  28a:»  +  24a:2  +  22a;  —  6, 
^  —f*{x)  =  60a;3  —  84:^:2  +  48a:  +  22, 
^  =f*'\x)  =  180aj2  —  168a:  +  48, 
g=/W(:,)  =  360a:- 168, 


118  §  27.    Uebimgs-Beispiele. 

g=/(5)(^)  =  360, 

Aufgabe  3.    Man  soll  die  höheren  Differentiale  von 

bilden. 

Auflosung. 

5       3 

dy  ^=.f*{x)  dx  =  -^x^dx^ 

^y  =/"'(^)  «?^=' = |- 1- 1^  ~^dx\ 

dhi=^ß*\x)dx^=-\-  |-  |-  |:r"*rfa:S 

'^y  =  l(|-O(|-O--(|-"-^0^^'" ''''"• 

Aufgabe  4.    Man  soll  die  höheren  Differentiale  von 

y  =/(^)  =  ^ 
bilden. 

Auflösung. 

dy  =  y  (a:)  rf;r  =  mx'^-'  ^  dx, 
dh)  =/" {x)  dx^  =  m  (m  —  1)  ir«-2  dx'^, 
d'iy  =/'"  (a:)  rfa:3  =  m  (m  —  1)  (w  —  2)  ;r''»-3  (ir», 

rf«y  =/(«)(a;)rf:2'~  =  w  (w—  1)  (w— 2)  .  .  .  (w— »+  1)  ä:«-"  (fe**. 

Ist  hierbei  m  eine  positive  ganze  Zahl,  so  ist  also  f^^\x) 
eine  Constante  und  die  höheren  Ableitungen  werden  alle  gleich 
0;  in  allen  übrigen  Fällen  aber  kann  man  die  Differentiation 
bis  in's  Unendliche  fortsetzen. 


§  27.    Uebungs-Beispiele.  119 

Aufgabe  5.    Man  soll  die  höheren  Ableitungen  von 


bilden. 

Auflösung. 

Die   Ableitungen   der  Exponential- Function  ^   sind   also 
sämmtlich  wieder  gleich  «*. 

Aufgabe  6.    Man  soll  die  höheren  Ableitungen  von 

bilden. 

AuflSsung. 

Für  a  =  ß  geht  diese  Aufgabe  in  die  vorhergehende  über. 

Aufgabe  7.    Man  soll  die  höheren  Ableitungen  von 

y  =/(^)  =  1^ 
bilden. 

Auflösung. 

/-(.r)=  +  1.2.rr-3, 


/N(:i:)  =  (— 1)C— 1). .  (n— 1)!  :z:—  . 

Die  Richtigkeit  der  letzten  Formel  wird  durch  den  Schluss 
von  n  auf  n  +  1  bewiesen. 

Aufgabe  8.    Man  soll  die  höheren  Ableitungen  von 

y  =f{x)  =  sin  X 
büden. 


120  §  27.    Uebungs-Beispiele. 

Auflösung. 

/'(ar)  =  COS  a:  =  sinf  a:  +      j , 

f'*(x)  =  —  sin a:  =  sin  ( ic  +  -^"j. 

/(4)(^)  =  +  sin^  =  sin  (2:  +  ^)=/(^). 

Durch  den  Schluss  von  w  auf  »  +  1  findet  man,  dass  ganz 
allgemein 

Aufgabe  9.    Man  soll  die  höheren  Ableitungen  von 

y  ^=f{oc)  =:  cos  X 


bilden. 

Auflösung. 


f*{x)  =  —  sin  a-  =  cosf  a:  +  —  j , 

f\x)  =  —  cos  ^  =  COs(a:  +  -o")» 
f-\x)  =  +  sin^  =  cos  (x  +  ~^), 

/(4)(^)  ==  4.  cos  ^  =  cos  ra:  +  -^j  =f{p\ 


Aufgabe  10.    Man  soll  die  höheren  Ableitungen  von 

f{x)  =  «^sin^r 
bilden. 

Auflösung. 

f\x)  =  eF  (sinar  +  cos:r)  =  Y^ef^ %m\x  +  —j, 


§  27.    Uebungs-Beispiele.  121 

Aufgabe  11.   Es  sei  u  =  ff{x\  v  =  xp{x)\  man  soll  die  höheren 
Ableitimgen  von 

y  ==/(^)  =  w  ±  ü  =  9)(a;)  ±  V'C^) 
bilden. 

Auflösung.    Aus  den  Formeln  Nr.  19  und  20  der  Tabelle, 

nämlich  aus 

d{u±ti)  ^du     di> 

dx  dx     dx 

folgt  durch  wiederholte  Dilferentiation 


d\u  ±v)  __  d^u     d^v 
Beispiel.    Es  ist 

folglich  ist 

/(">(a:)  =  (—1)«»!  (a:+  l)-»-i—  (— l)"«!  (a:+  2)-«-^ 
-  r      l^n^»(^  +  2)'>^^l-(^+l)-'^^^ 

Aufgabe  12,     Es  sei  wieder  u  =  (p{x\  v  =  ?^(ä;)  ;  man  soll 
die  höheren  Ableitungen  von 

y  =/(«)  =  «*<?  =  v(ip) .  i^(ä?j 

bilden. 

Auflösung.    Nach  Formel  Nr.  28  der  Tabelle  ist 
fXx)  =  f/(^)  ip\x)  +  g>\x)  xp{x), 


122  §  27.    Uebungs-Beispiele. 

folglich  wird 

r\x)  ^<f{x)  yj%x)  +  2(fXx)  xp*{x)  +  ip%x)  xp{x), 
f**'(x)  =  if{x)  xp'^^x)  +  ^tp\x)  ip'^x)  +  Sq>''(x)  xf)\x)  +  <f*%x)xf){x\ 

/(-)(;r)  =y(a;)i/;(-)(:r)  +  (^)9)'(Ä:)i/;(— 1)  {x)  +  (^^'\x)xl)<'^'^){x) 

+  ...  +(^^V>^'"'^Kx)  \p\x]  +  9)(«)(a:)  \l){x). 

Die  Eichtigkeit  dieser  letzten  Formel  wird  durch  den  Schluss 
von  n  auf  n  +  1  bewiesen. 


IV.  Abschnitt. 

Herleitung  und  Anwendungen  der  Taylor'schen 
und  der  Mac-Laurln'schen  Reihe. 

§  28. 

Entwickelung  einer  ganzen  rationalen  Function /(a:^+^) 

nach  steigenden  Potenzen  von  h. 

Ehe  die  Tayfor'sche  Reihe  in  ihrer  allgemeinen  Form 
hergeleitet  wird;  möge  ein  besonderer  Fall  behandelt  werden, 
welcher  dazu  dienen  soll,  die  später  angewendeten  Methoden  zu 
erläuteiTi. 

Es  sei 

(1.)  f(x)  =  ax^  +  a^x^  +  a^x^  4-  a^x  +  a^ , 

also,  wenn  man  mit  h  eine  beliebige  zweite  Veränderliche  be- 
zeichnet, 

dann  folgt  aus  Gleichung  (2.)  durch  Auflösung  der  Klammern 
und  durch  Vereinigung  aller  Glieder,  die  mit  gleichen  Potenzen 
von  h  multiplicirt  sind, 

(3.)  f{x  +  Ä)  =  {ax^  +  a^x^  +  a,x^  +  a^x  +  a,) 

+  (4ar3  +  3ö^a;2  +  2a^x  +  a.^)h 

Dieses  Resultat  hätte  man  schneller  auf  folgendem  Wege 
finden  können. 


12:1:    §  28.  Entwickelung  einer  ganzen  rationalen  Function  /(x-^-h). 

Man  weiss,  f{x  +  h)  lässt  sich  auf  die  Form 

(4.)  f(x  +  Ä)  =  X  +  X^h  +  X2Ä2  +  X3Ä3  +  X4Ä* 

bringen,  wo  die  Coefficienten  X,  Xj,  X2,  X3,  X4  Functionen  von 
X  sind.  Um  diese  zu  bestimmen,  betrachte  man  h  als  einzige 
Veränderliche  und  differentüre  beide  Seiten  der  Gleichung  (4.). 
Dabei  ist  zu  beachten,  dass 

df(x  +  h)_df(x  +  h)  d(x  +  h)  _ 

dh  ""    d{x  +  h)  dh         "^  ^^  "^  ^^ 

ist.    Man  erhält  daher 

(5.)  /'  (a:  +  Ä)  =  1  .  Xi  +  2X2Ä  +  3X3*2  +  4X4*^ , 

und  hieraus  durch  wiederholte  Differentiation 

(6.)  /"  (.c  +  A)  =  1 .  2X2  +  2  .  3X3Ä  +  3  .  4Xj/*2  ^ 

(7.)  f%x  +  Ä)  =  1 .  2  .  3X3  +  2  .  3  .  4X4Ä, 

(8.)  ß%x  +  Ä)  =  1  .  2  .  3  .  4X4. 

Setzt  man  in  den  Gleichungen  (4.)  bis  (8.)  die  Veränder- 
liche h  gleich  0,  so  findet  man 

f(x)  =  X,  oder  X  ^=f{x)  =  ax^-^a^x'^-^a.ix'^+a^x+a^^ 

/(a:)=:l.Xi,  „  Xi===^^-y===4aa:3+3ö,a:2+2€?2^-fa3, 

f"(x) 


(9.) 


/"(a;)  =  1.2X2, 


2! 


f"'{x)  =  1.2.3X„      „  X,==-t:^=iaz  +  a„ 


3! 


/W(a:)=1.2.3.4X„  „  X,=-^=a. 

Setzt  man  diese  Werthe  von  X,  Xj,  Xj,  X3,  X4  in  die 
Gleichung  (4.)  ein,  so  erhält  man  in  der  That  genau  dasselbe 
Resultat  wie  in  Gleichung  (3.). 

Es  wird  also 
(3..)  A.+A)  =/(«)  +m,  +  m  H^^CMl,.  +/M,, 


Diese  Entwickelungs- Methode,   welche  hier  nur  für  eine 
ganze  rationale  Function  4*«»  Grades  ausgeführt  wurde,  lässt 


§28.   Entwickelung  einer  ganzen  rationalen  Function  f(x  +  h).     125 

sich  ohne  Weiteres  Kvi  jede  ganze  rationah  Function  übertragen. 
Es  sei  jetzt  also  ganz  allgemein 

(10.)     fix)  =:aüf'  +  a^af*'^  +  a^""-^  +  . . .  +  «n-ia;  +  a« 

und  deshalb 

(11.)    f(x  +  Ä)  =  a{x  +  hy  +  a^{x  +  Ä)~-i  +  02(2:  +  Kf'^  +  ... 

+  an^x{x  +  h)  +  ö„; 

dann  weiss  man ,  dass  sich  fix  +  h)  durch  Auflösung  der 
Klammem  und  durch  Vereinigung  aller  Glieder,  welche  mit 
derselben  Potenz  von  h  multiplicirt  sind,  auf  die  Form 

(12.)    fix  +  Ä)  =  X  +  X^h  +  X2Ä2  +  X3Ä»  +  X4Ä4  +  . . . 

+  Xn-iA'-*  +  XnÄ~ 

bringen  lässt,  wobei  die  Coefflcienten 

X  ?    Xj  ,    X2  j  .  •  .  Xh— l ,  Xn 

noch  Functionen  von  x  sind.  Um  diese  zu  bestimmen,  betrachte 
man  wieder  h  als  einzige  Veränderliche  und  diflferentiire  beide 
Seiten  der  Gleichung  (12.)  zu  wiederholten  Malen  nach  A. 
Dadurch  erhält  man  der  Reihe  nach  die  Gleichungen 

fix  +  Ä)  =  1  .  Xi  +  2X2A  +  3X3*2  +  4X4Ä3  +  .  .  . 

f*'ix  +  Ä)  =  1  .  2X2  +  2  .  3XjiÄ  +  3  .  4X4*2  +  . . . 

+  (n  —  2)  (^  —  1)  X„_iÄ«-8  +  (;^  —  1)  «XnÄ"-2^ 

f**ix  +  Ä)  =  1 .  2  .  3X8  +  2 .  3  .  4X4Ä  +  . . . 

+  (;^  —  3)  («  —  2)  (w  —  1)  X„-iÄ"-* 
(13.)  {  +in  —  2)in—l)  nXji^'^, 

f^^\x  +  Ä)  =  1 .  2  .  3  .  4X4  +  . . . 

+  («  — 4)(n  — 3)(»  — 2)(»  — l)Xn-iA~-^ 
+  in  —  S)in  —  2)  («  —  1)  »X»Ä"-*, 

/<«-^)(a:+Ä)=1.2.3...(«— l)Xn-l+2.3.4...(f^— 1)»XhÄ, 
l/(»)  (a;  +  Ä)  =  1  .  2  .  3  . . .  («  —  1)  nXn. 

Setzt  man  jetzt  in  den  Gleichungen  (12.)  und  (13.)   die 
Veränderliche  A  gleich  0,  so  findet  man 


126     §28.   Entwickelung  einer  ganzen  rationalen  Function /(x+Ä). 

f{x)  =  X,  oder     X  ^f{x), 


(U.) 


f'{x)=\.X„  „      Xi  = 


_/'(^) 


1! 


? 


f"{z)  =1.2X,,  „       ^2="^' 

/'" (a;)  =  1  .  2  .  3X3  „       X3  ='^y ' 

/W(a:)  =1.2.3.  4X„         „       X4  =^^ ' 

/(«-«(;,)  =  («_!) !X„_„        „    X„_,='^— i^^ 

/w(^)  =  m!X„,  „         X»=-ö^. 

Die  Gleichung  (12.)  geht  daher  über  in 
(15.) /(^+Ä)  =/(:r) +^Ä +fflA2+-^Ä3+ . . . +-^Ä" . 


-Dasselbe  Resultat  erhält  man  auch  auf  folgendem  Wege. 
Es  ist  nach  Formel  Nr.  35  der  Tabelle 

dx  dh  J  \      ^      } 

Man  wird  also  mit  einander  übereinstimmende  Ausdrücke 
erhalten,  gleichviel  ob  man  die  rechte  Seite  von  Gleichung  (12.) 
nach  X  oder  nach  h  differentürt.    Dies  giebt 

d^    .    dX^  ,         aX2  7«j    ,    ^^3  7  a   , 
dx         dx  dx  dx 

(15.)     !  +^Ä.-+^Ä»  = 

dx  dx 

1  .  Xj  +  2X2Ä  +  3X3*2  +  4X.iA3  +  ...  +  wX„Ä«-^ 

Für  Ä  =  0  findet  man  aus  Gleichung  (12.) 
(16.)  X  =f{x) 

und  aus  Gleichung  (15.) 


§  29.    Anwendung  auf  den  binomischen  Lehrsatz. 


127 


(17.) 


dX 
dx 


=  i-^^=^=/'(-)- 


dX 


Wenn  man  jetzt  in  Gleichung  (15.)  ^  gegen  1 .  X^  fort- 
hebt und  beide  Seiten  der  Gleichung  durch  h  dividirt,  so 
erhält  man 

(15a.)       dx^  dx^^  dx^^'^'^     dx    "      ^  dx^       ~ 

1  2X2  +  3X3Ä  +  4X4*2  +  .  .  .  +  wXnÄ'*-2. 

Hieraus  folgt,  wenn  man  wieder  ä  =  0  setzt, 


^  =  .X.  =  <ffl  =^..(,),  ^  X,  =£0). 


<£r 


rfa; 


Indem  man   dieses  Verfahi-en  fortsetzt,    findet   man   der 
Eeihe  nach 


'^^«  =  3X3,     oder      X3=-C^ 


dx 


3! 


(16.) 


<fX; 


^  —  4X 


?? 


dXn- 

dx 


=  wX„, 


n 


§  29. 

Anwendung  auf  den  binomischen  Lehrsatz  für  positive 

ganzzahlige  Exponenten. 

(Vergl.  die  Formel-Tabelle  Nr.  10.)  \ 

Wie  wichtig  die  oben  angegebene  Entwickelung  ist,  kann 
man  schon  aus  einem  sehr  einfachen  Falle  einsehen.  Es  sei 
nämlich 

(1.)  fix)  =  X-, 

also 

(2.)  /(:r  +  Ä)  =  (a:  +  Ä)", 


128      §  30.  VerallgemeineniDg  der  gegebenen  Entwickelungs-Methode. 

wobei  n  eine  positive  ganze  ZaM  sein  soll.     Nun  ist  nach 
Gleichung  (15.)  des  vorhergehenden  Paragraphen 

(3.)  f{x+k)^f{x)+£^h+^^h'^+^^ 

In  diesem  Falle  ist  aber 

f{x)  =  3f,  f  {x)  =  na^-\  f  (a:)  =n{^  —  \) af"'^ 
/'"(a;)  =  »(«  —  l)(«—2)rp*»-3,.../(*)(a:)  =  u(»—l)...  3,2.1  =  »!, 
folglich  geht  Gleichung  (3.)  über  in 

(4.)  {x  +  hy  =  ar»  +  ^a^- ^h  +  ^^^~^^  a:— W 

+  «(»- 1)  (»- 2)^-3 ;^,  +  ^,.  +  «!^.^ 
o!  n  \ 

Setzt  man  noch 

5?  =  a,    Ä  =  Ä,    «  =  m, 
so  erhält  man  den  binomischen  Lehrsatz,  nämlich 

(5.)  {a+by^^a^  +  (^a^-^b+(^^ 

eine  Formel,  welche  schon  in  §  9 ,  aber  auf  andere  Weise  her- 
geleitet wurde. 

§  30. 

Verallgemeinerung  der  gegebenen  Entwickelungs- 
Methode. 

Es  ist  nun  die  Frage,  ob  und  in  welchei'  Weise  die  her- 
geleitete Entwickelung  einer  ganzen  rationalen  Function/ (a:+Ä) 
nach  steigenden  Potenzen  von  h  auch  auf  andere  Fimctionen 
übertragen  werden  kann. 

Eine  solche  Verallgemeinerung  liegt  sehr  nahe,  denn  man 
kann  dieselben  Schlüsse,  welche  in  §  28  richtig  waren>  auch 
bei  jeder  anderen  Function  f{x  +  h)  anwenden,  von  der  man 


§  30.  Verallgemeinerimg  der  gegebenen  Entwickelungs-Methode.     129 

weiss,  dass  sie  sich  nach  steigenden  Potenzen  von  h  entwickeln 
lässt,  dass  sie  sich  also  auf  die  Fonn 

(1.)       /(a:  +  A)  =  X  +  XjÄ  +  X2Ä2  +  X3Ä3  +  X4Ä4  + . .  . 

bringen  lässt.  Man  findet  dann  nämlich,  indem  man  beide 
Seiten  der  Gleichung  (1.)  zu  wiederholten  Malen  nach  h 
diflferentürt*),  der  Reihe  nach  die  Gleichungen 

r  /'  (^  +  *)  =  1  •  -^1  +  2X2A  +  3X3*2  +  4X4*3  +  ...^ 

I  /"  (:r +  Ä)  =  1  .  2X2  +  2  .  3X3/*  +  3  .  4X4*2  +  ..., 
]/'"(^  +  Ä)  =  1.2.3X3  +  2  .3.4X4*  +..., 

Setzt  man  dann  in  den  Gleichungen  (1.)  und  (2.)  die  Ver- 
änderliche *  gleich  0,  so  findet  man  genau  so  wie  damals 

(3.)    X  r=zf(x\  Xi=  -^,   X2  =     2!       -^3  =  —^y — v5 
so  dass  Gleichung  (1.)  übergeht  in 

(4.)  /{X-V  h)  =f{x)  +-^Ä+^Ä2+-^Ä34/Ää4  +  . . .  . 

Ist  nun  aber/(ic)  keine  ganze  rationale  Function,  so  kann 
/(a:  +  *)  unmöglich  gleich 

sein,  weil  dieser  Ausdruck  eine  ganze  rationale  Function  ?^**** 
Grades  von  *  ist.  Es  muss  daher /(:r  +  *)  von  dieser  ganzen 
rationalen  Function  verschieden  sein,  und  zwar  um  eine  Grösse, 
die  mit  R  bezeichnet  werden  möge.  R  ist  daher  erklärt  durch 
die  Gleichung 

(5.)      J^==/(:.  +  *)_/(:r)-'^*-•^U2-..._'^*^ 


*)  Dabei  ist  allerdings  die  Voraussetzang  gemacht,  dass  die  Summe 
auf  der  rechten  Seite  differentiirt  wird,  indem  man  jedes  Glied  einzeln 
differentiirt.  Enthielte  die  Summe  nur  eine  endliche  Anzahl  von  Gliedern, 
so  wäre  diese  Voraussetzung  ohne  Weiteres  richtig;  enthält  die  Summe 
aber  unendlich  viele  Glieder,  so  mnss  man  erst  beweisen,  dass  diese 
Voraussetzung  gilt. 

Stegemann- Kiepert,  Differential-Rechnung.  9 


130     §  30.  Verallgemeinerung  der  gegebenen  Entwickelungs-Methode. 

oder 

(5aO/(^+Ä)=/(^)+-^Ä+Ö^Ä2+...+ 

Wird  nun  R  für  hinreichend  grosse  Werthe  von  n  beliebig 
klein,  so  darf  man  R  yemachlässigen ,  so  dass  dann  die 
Gleichung  (5a.)  auch  noch  in  dem  Falle,  wo  f{x)  keine  ganze 
rationale  Function  ist,  sehr  brauchbare  Resultate  liefert. 

Man  nennt  die  Summe  auf  der  rechten  Seite  von  Gleichung 
(5a.)  die  Tay/or'sche  Reihe  und  R  das  Restglied  der  Taylor- 
schen  Reihe. 

Wie  nothwendig  die  Untersuchung  dieses  Restgliedes  R  ist, 
soll  zunächst  bei  einem  einfachen  Beispiele  gezeigt  werden. 

Es  sei 

(6.)  f(x)=^^x-\ 

also 

(V.)  f^^  +  '^-TTÄ 

und 

j    /'  (a;)  =  —  1  .  a:-2,  /*'  (x)=:l.  2x-\ 

^^•^      1/"  (:r)  =  —  1  .  2  .  3:r-4,  .  .  .      f^^x)  =  (—  l)~w!  x^^-K 

Setzt  man   diese  Werthe   in   die   Gleichung   (5a.)   ein,   so 
erhält  man 

^    ^         X  -\-  h     X     x^     x^      x^  a:"+^ 

Für  a:  =  2,  A  =  —  1  giebt  dies  z.  B. 

— = —  =  l=i  +  i  +  i+  JL_| 1 \ Lß 

Hier  wird,  wie  man  ohne  Weiteres  erkennt, 

also  beliebig  klein  für  hinreichend  grosse  Werthe  von  n. 

In  diesem  Falle  würde  daher  die  Töy^or'sche  Reihe  anwend- 
bar sein.    Setzt  man  aber 

:r  =  2,    Ä  =  —  4, 


§30.  Verallgemeinerung  der  gegebenen  Entwickelungs-Methode.  131 

SO  findet  man  aus  Gleichung  (9.) 

Jetzt  ist 

JS  =  —  2" 

und  wird,  vom  Vorzeichen  abgesehen,  sogar  beUebig  gross, 
wenn  n  hinreichend  gross  ist.  Man  darf  also  R  nicht  ver- 
nachlässigen, d.  h.  man  darf  in  diesem  Falle  die  Entwickelung 
nach  der  Tayfor'schen  Eeihe  nicht  anwenden. 

Man  kann  in  dem  vorliegenden  Beispiel  das  Eestglied  R 
auch  flii^  beliebige  Werthe  von  z  und  h  sehr  leicht  bestimmen. 
Aus  Gleichung  (9.)  folgt  nämlich 

(10.)  i2=   1  _i+4_^V^_+..._(_i)„.j:L 

Der  Ausdruck  in  der  eckigen  Klammer  ist  eine  geometrische 
Progi-ession,  deren  Summe  man  sehr  leicht  nach  Formel  Nr.  11 
der  Tabelle  bilden  kann.    Es  wird  nämlich 

1  +  J»  +  J»^  +  i»^  +  •  •  •  +  P"  =  —--^ , 

l—p 

und  da  in  diesem  Falle  p  gleich ist,  so  erhält  man 

X 


(11.) 


=  .r  — 


X 


Daraus  folgt 

(12.)  R  =  -L- ^  ^/      =\^2_. 

x  +  h  X  +  h  x  +  h 

Nun  wird  nach  früheren  Sätzen  (vergl.  §  9)  die  Potenz 
eines  ächten  Bruches  beliebig  Mein  und  die  eines  unächten 
Bruches  beliebig  gross,  wenn  man  den  Exponenten  hinreichend 


132  §  31.    Das  Restglied  der  Tayfor'schen  Reihe. 

gross  macht,  folglich  wird  hier  R  nur  dann  bdiebig  iletn,  wenn, 
abgesehen  vom  Vorzeichen,  k  kleiner  als  x  ist. 

Bei  diesem  Beispiele  wird  also  die  Tay for 'sehe  Reihe  nm' 
anwendbar  sein,  wenn 

|Ä|<H, 

wobei  man  unter  |ä|  und  la?]  die  absoluten  Beträge  (d.  h.  die 
Zahlenwerthe,  abgesehen  vom  Vorzeichen)  von  h  und  x  versteht. 

So  leicht  wie  in  diesem  Beispiele  ist  im  Allgemeinen  die 
Berechnung  des  Restgliedes  JR  nicht.  Man  braucht  aber  den 
wirklichen  Werth  von  JR  auch  gar  nicht,  sondern  braucht  nur 
zu  wissen,  ob  R  für  hinreichend  grosse  Werthe  von  n  beliebig 
klein  wird. 

Diese  Untersuchung  soll  nun  in  dem  folgenden  Paragraphen 
ausgeführt  werden. 

§31. 

Bestimmung  des  Restgliedes  der  TayloKschen  Reihe 

nach  Lagrange. 

(VergL  die  Formel-Tabelle  Nr.  49  und  50.) 

Es  war 

(1.)     /(;.  +  k)  =f{x)  +Ä)  Ä  +  ffl  A2  +  . . .  +/!^A«+i2, 

oder 

(2.)  R^f(x+h)-f{x)-£^h-l^h^ ^^V. 

Setzt  man  hierbei 

(3.)  X  -{-  h^=-  z^  also  h=^  z  —  ir, 

so  geht  Gleichung  (2.)  über  in 

(4.)  R=f{z)-f(x)-^-M^z-x)-^-^^ 

...—^- — )-^(z—xY. 

ni     ^         ^ 

Aus  dieser  Darstellung  erkennt  man,  dass  R  eine  Function 
von  X  und  z  ist,  welche  für  x  =  z  verschwindet^  also 
(4a.)  R  =  Q  f&n  x  =  z. 


§  31.    Das  Restglied  der  Taylor'achen  Reihe.  133 

Bei  den  zunächst  folgenden  Untersuchungen  soll  z  einen 
Constanten  Werth  behalten  und  x  als  die  einzige  Veränderliche 
betrachtet  werden.  Wenn  man  unter  dieser  Voraussetzung 
beide  Seiten  der  Gleichung  (4.)  differentiirt,  so  erhält  man 

3!     (=^— ^)  +2!     ^^""^^ 


oder 

(5.) 


Nun  war  in  §  13  der  Satz  bewiesen  worden:  Eine  litnction 
nimmt  gleichzeitig  mit  x  zu  für  aUe  Werthe  von  x,  für  welche 

-j-  positiv  ist,  und  die  Fitnction  nimmt  ab,  während  x  zunimmt, 

für  alle  Werthe  von  x^  für  welche  -j-  negativ  ist 

Dieser  Satz  möge  hier  zunächst  unter  der  Voraussetzung 
angewendet  werden,  dass  x  kleiner  als  z  ist  und  alle  Werthe 
von  einem  Anfangswerthe  a  bis  zu  dem  Endwerthe  z  durch- 
läuft, so  dass 

a  Sa;Sg 

ist.    Femer  möge  vorausgesetzt  werden,  dass  die  Functionen 

fix).  f{x\  r\x\ . . .  ß-\x\  ß-^\x) 

in  diesem  Intervalle  sämmtlich  stetig  sind. 

Der  kleinste  Werth,  welchen /('•+^>  (a:)  in  diesem  Intervalle 
wirklich  annimmt,  heisse  JT,  und  der  grösste  heisse  6r;  es  sei 
also 


134  §.  31.    Das  Restglied  der  Taylor'acheii  Reihe. 

(6.)  ß*"^'K^i)  =  ^  und  ß'"^'K^2)  =  G, 

wobei 

a'^Xi  '^z     und  a'^x^  '^z 

ist.    K  und  G  sind   dann   constante  Grössen ,  und  es  wird  flir 
alle  hier  in  Betracht  kommenden  Werthe  von  x 

(7.)  K—ß^+^){x)  SO,     G  — /^"+^>(2:)  ^  0. 

Deshalb  ist 

Wächst  also  x  von  a  bis  «,  so  muss  nach  dem  oben  an- 
geführten Satze 

^  —  S' — .    .«x,  -ZT  beständig  abnehmen. 

(n  +1)! 

JB  —  —. —     ^.y    G  beständig  zunehmen, 

(z xY"^^ 

d.  h.  die  Differenz  JR  —  ^7 — .  ;.,  K   erhält    für   rc  =  5;    ihren 

(n  +  1)! 

kleinsten,  und  die  Differenz  E  —  -. — .  ;.,    G  erhält  für  ;r  =  2j 

(»  +  !)! 

ihren  grössten  Werth,  wenn  x  das  Intervall  von  a  bis  2;  durch- 

läuft.    Dieser  kleinste  Werth  von  R  —  ^ — .   ,.,   jBT   ist    aber 

{n+  1)! 

nach  Gleichung  (4  a.)  gleich   0,   folglich    müssen  die  übrigen 
Werthe  grösser  als  0  sein,  so  dass  man  erhält 

(9.)     R  —  ^^^^^^K>0,     oder    R^^^IZJ^x. 
^   ^  (^  +  1)!        —    '  ~  {n+  1)! 


* 


)  Um  Platz  zu  sparen,  schreibt  man  hier  und  in  ähnlichen  Fällen 


dx 


W-^^-'T^'k]  statt  '^-TOT^J 

L  (n  +  l)!      J  dx 


§  31.    Das  Restglied  der  rayZor'schen  Reüie.  135 

Ebenso    ist   dieser  grösste  Werth  von   R  —  -. — ,   , ,,   G 

{n+  1)! 

nach    Gleichung  (4  a.)  gleich   0,   folglich  müssen  die    übrigen 
Werthe  Heiner  als  0  sein,  so  dass  man  erhält 

W     B-(£^GSO,    oder    M^^^I^G. 

Die  beiden  Ungleichungen  (9.)  und  (10.)  kann  man  ver- 
einigen, indem  man  schreibt 

^  {n  +  1)1       —      —  {n+l)l 

Erklärt  man  jetzt  die  Grösse  M  durch  die  Gleichung 

(12.)  J|i-=^Jl^iJ, 

so  wird 

und  die  Ungleichungen  (11.)  gehen  über  in 

(14.)  K^Af^G, 

d.  h.  M  ist  ein  Mittelwerth  zwischen  K  und  G. 

Aehnliche  Schlüsse  gelten,  wenn 

z'^x'^a 

ist,  nur  muss  man  dann  zwei  Fälle  unterscheiden,  jenachdem  7i 
gerade  oder  ungerade  ist. 

Weil  für  gerades  n  auch  hier  (z  —  xY  positiv  ist,  so  gelten 
in  gleicher  Weise  wie  vorhin  die  Ungleichungen  (8),  nämlich 

Wächst  also  x  von  z  bis  a,  so  muss 

(z ;c)**+^ 

jl  —  1^ — ,  :;■,    K  beständig  abnehmen. 

(n+l)\  °  ' 

ß  —  —i — .  ixi    ^  beständig  zunehmen ; 

(n+l)\ 


136  §  31.    Das  Restglied  der  raytor'schen  Reihe. 

d.  h.  wenn  x  das  Intervall  von  «  bis  a  durchläuft,  so  erhält  die 

(z — ar)""*"* 
Differenz JB ; — ,  \..    K  ^  x  ^^  z    ihren   grössten   Werth, 

(n-\-l)\  ^  ' 

nämlich  den  Werth  0,  und  die  Differenz  R  —  ^ — .  ;,,    G  erhält 

(^+1)! 

ihren  kleinsten  Werth,  der  ebenfalls  gleich  0  ist.    Daraus  folgt 

\li-\  ^L    g^O,  Oder  i?^^^.  ^l^,    G, 
{  {n+l)\        —  —    {n+l)l 

also 

Setzt  man  wieder  wie  in  Gleichung  (13.) 

so  findet  man  auch  hier 

Ist  dagegen  n  ungeradej  so  wird  (z — xY  negativ  \  die  Un- 
gleichungen (8.)  gelten  dann  nicht  mehr,  es  wird  vielmehr 

Wächst  also  x  von  z  bis  a,  so  muss  jetzt 

R 7 — ,  ^\.    K  beständig  zunehmen, 

^;^^-ljI 

^  —  ^^; — .  .X,    ö  beständig  abnehmen ; 
d.  h.  wenn  a:  das  Intervall  von  z  bis  a  durchläuft,  so  erhält  die 

Differenz  R  —  ^^7 — ,  [.,    K  ^  x  ■=^  z  ihren   kleinsien  Werth, 

{n+l)\ 

(g xY+^ 

nämlich  den  Werth  0,  und  die  Differenz  R  —  ~ — r-frr-  G  erhält 

(n+l)\ 


I  31.    Das  Restgüed  der  Taylor'achen  Reihe.  137 

ihren  grössten  Werth,  der  ebenfalls  gleich  0  ist.    Daraus  folgt 


(17.) 


JR  — \    ,  ;,,    JT^O,  oder  R^\    ,  ,,,    A, 
(w+1)!        —    '  —     (;i+l)! 

^-lM:T)r^^^^^*^^^^lirfir 


also 

(18.)  (±Z^K^n^^±Z^G. 

(n+l)\        —      —    (n+1)! 

Setzt  man  in  den  Ungleichungen  (18.)  wieder  in  Ueberein- 
stimmung  mit  Gleichung  (13.) 

so  findet  man  auch  in  diesem  Falle 

d.  h.  die  Gleichung  (13.)  und  die  Ungleichungen  (14.)  gelten, 
gleichviel  ob 

a^x^z^  oder  ob  z^x^a 
ist. 

Wenn  man  für  K  und  G  ihre  Werthe  einsetzt,  so  kann 
man  die  Ungleichungen  (14.)  auch  auf  die  Form 

(14a.)  /^--^^K^)  ^  Jf  S/^-+i)(a:2) 

bringen. 

Nun  war  in  §  8  der  Satz  bewiesen  worden:  Ist  die  Function 

f[i£)  für  alle    Werthe  von  x  ztoischen  x^  und  x^  stetig^   so  wird 

f(x)  jeden    Werth  zu)ischen  f(x^)   und  f{x<i)    mindestens  einmal 

annehmen,  wenn  x  alle  Werthe  zunschen  x^   und  x^  durchläuft 

Dieser  Satz  möge  auf  den  vorliegenden  Fall  angewendet 
werden,  wo  aber  die  Function  nicht  f{x)  sondern  /c»*+i)  {x)  heisst. 

Da  der  Mittelwerth  M  zwischen  /^"^^K^i)  ^^^  /^**"^^n^2)  li^g^» 
so  muss  es  zwischen  x^  und  oc^  mindestens  einen  Werth  von  x 
geben,  er  heisse  |,  für  welchen  f^^'^^^{x)  gleich  M  wird. 
Dies  giebt 

(19.)  /^-+^H5)  =  ^• 

Ist  zunächst  a  <z  und  x^<.x^,  so  erhält  man 


138  §  31.    Das  Restglied  der  Taylor'schea  Reihe., 

ist  a  <^z  und  x^  >  X2,  so  erhält  man 

in  beiden  Fällen  wird  also 

(20.)  a-^^-^z. 

Ist  dagegen  z  <  a  und  x^  <  X2 ,  so  erhält  man 

ist  2:  <  a  und  arj  >  X2,  so  erhält  man 

in  diesen  beiden  Fällen  wird  also 

(21.)  2:^1^0. 

In  allen  vier  Fällen  liegt  |  zwischen  a  und  z.     Deshalb 
wird  die  Grösse 

(22.)  ^^=^  ==  & 

^  z  —  a 

immer  zwischen  0  und  1  liegen,  weil  in  diesem  Bruche  Zähler 

und  Nenner  gleiches  Vorzeichen  haben,  und  der  Zähler,  abge- 

Fig.  21.  sehen  vom  Vorzeichen,  kleiner  ist  als 

0        A     üT  2        dör  Nenner.    Am  besten  kann  man 

'  sich  von  der  Richtigkeit  dieser  Be- 

^^•^  hauptung    durch    die    geometrische 

^         ff         ^        Darstellung  der  Werthe  a,  5  und  z 

durch  die  Punkte  A^  17,  Z  überzeugen, 
indem  man 

OA  =  a,  OZ=z,  on=l 

macht;  dann  entspricht  Figur  21  den  Ungleichungen  (20.)  und 
Figur  22  den  Ungleichungen  (21.).    In  beiden  Fällen  ist 

S  — g     An, 

z  —  a       AZ 

und  zwar  sind  im  ersten  Falle  Zähler  und  Nenner  beide  positiv^ 
im  zweiten  Falle  sind  Zähler  und  Nenner  beide  negativ.    Des- 
halb wird  in  beiden  Fällen 
(23.)  OS0^+  1. 

Diese  Einschränkung  des  Werthes  von   0  ist  für 
das  Folgende  besonders  zu  beachten. 


§  31.    Das  Restglied  der  Tayhr'acken  Reihe.  139 

Aus  Gleichung  (22.)  folgt 

5  —  a  =  0{z  —  a), 
oder 

(24.)  'S  =  a  +  e(z  —  a).  > 

Hierdurch  erhält  Gleichung  (19.)  die  Form 

(25.)  M  ==/(-+»)  [a  +  e{z  — a)], 

und  Gleichung  (13.)  geht  über  in 

(26.)  R  =  (£lI^/(H+.)[a  +  0  iz-a)l 

Diese  Gleichung  gilt,  wenn  x  alle  Werthe  zwischen  a  und  z 
durchläuft,  sie  gilt  also  auch  für  x  —  a.  Dann  gehen  die 
Gleichungen  (4.)  und  (26.)  über  in 

(27.)  /(;,)=/(«)+Ä(^_«)+Ä)(^_a)2  +  ... 
wobei 

(28.)  ü =>•'""  f;+/i5r  ""<-—)•"■  «592+ 1. 

Nachdem  man  auf  diese  Weise  den  Werth  von  R  ermittelt 
hat,  darf  man  die  Grösse  a  auch  als  veränderlich  betrachten 
und  wird  sie  dann  am  besten  wieder  mit  x  bezeichnen.  Dadurch 
gehen  die  Gleichungen  (27.)  und  (28.)  über  in 

(29.)  Az)  =f{x)  +-ffl  (^  _ :«)  +ffl  (^  _  ^)2  +  . . . 

+-^  (z-xT  +  B, 

(30.)  i,=£!lM|iz£!J(. _,,..,,   „ses  +  1. 

Setzt  man  jetzt  wieder,  den  Gleichungen  (3.)  entsprechend, 

z=^x  +  h^    also    z  —  ^  =  Ä, 
so  erhält  man  hieraus 

(31.)  fix  +  h)  =/(x)  +-fflÄ  +Ä)ä^  +  ...  +-^Ä»+i?, 


140  §  31.    Das  Restglied  der  Taylor'schea  Reihe. 

(32.)  !t^f^+p,..:,     0S«S+1. 

Diese  Gleichungen  geben  an,  in  welcher  Weise  man  f(x+h) 
nach  steigenden  Potenzen  von  h  entwickeln  kann. 

Bemerkunir« 

Um  sich  die  Form  des  Restes  R  leichter   zu  behalten,  merke  man 

sich,  dass  R  aus  dem  letzten  Gliede  «^ — 1— '/r   entsteht,   indem   man  n 

n! 

mit  n  + 1  i^^d  X  mit  x  +  OA  vertauscht. 

Man  kann  in  den  Gleichungen  (27.)  und  (28.)  die  Grösse 
a  auch  als  constafit  und  die  Grösse  z  als  veränderlich  betrach- 
ten, wobei  es  zweckmässig  sein  wii'd,  den  Buchstaben  z  mit 
dem  Buchstaben  x  zu  vertauschen.    Dann  ist 

(33.)        fix)  =f(a)  +Ä  (^  _  a)  +-^  (;,  _  a)2  +  . . . 

'^  (/^  -f  1)!  ^ 

Diese  Gleichungen  geben  an,  in  welcher  Weise  man  fix) 
nach  steigenden  Potenzen  von  x  —  a  entwickeln  kann, 

Lässt  sich  nun  zeigen,  dass  JB  beliebig  klein  wird  fiir  hin- 
reichend  grosse  Werthe  von  w,  so  darf  man  R  für  unbegrenzt 
wachsende  Werthe  von  n  vernachlässigen  und  schreiben 

(31a.)/(:.+Ä)  =fix)+i^h+^h:^+^-^h^  +  . . . , 
(33a.)       /(:.)  =/(a)+^(.^_a)  +  /l^(^_a)2 

+^-^ix-ay+,.., 

WO  die  Punkte  andeuten  sollen,  dass  die  Reihen  bis  in's  Un- 
endliche fortzusetzen  sind. 


§  32.    Die  Mac'Laurin^sche  oder  Sttrltng^ache  Reihe.  141 

§  32. 

Die  Mac-Laurin'sche  oder  Stirling'sche  Reihe. 

(Vergl.  die  Formel-Tabelle  Nr.  51.) 

Die  Mac-LaurMsche  oder  Stirlinff^^che  Reihe  ist  nur  eia 
besonderer  Fall  der  Tayfor'schen  Eeihe,  den  man  erhält,  indem 
man  in  den  Gleichungen  (33.)  und  (34.)  des  vorhergehenden 
Paragraphen  a  gleich  0  setzt.    Dies  giebt 

wobei 


(2.) 
ist. 


R  =fpl!^i^  3f>+i    und    OS0S1 
(»  +  1)!  "~      ~ 


§  33. 

EntWickelung  der  Functionen  e*'  und  a". 

(Vergl.  die  Formel-Tabelle  Nr.  52  and  53.) 

Aufgabe  1.     Man  soll  die   Function    e*   nach  steigenden 
Potenzen  von  x  entwickeln. 

Auflösung.    Hier  ist 

/(a:)  =  c*,  also  /(O)  =  1, 

f'(x)^e-,       „  /'(0)=1, 

f"(x)  =  e',       „  /"(0)  =  1, 


(1-) 


/(«)(a:)  =  <.«,        „  /'"'(0)=1, 

.  /l»+i)  (x)  =  ««,        „     /(»+»  (0x)  =  e^ . 

Setzt  man  diese  Werthe  in  die  Mac-Laurin'scla.e  Eeihe 


ein,  so  erhält  man 

(2.)  e'  =  l+j^  +  ^  +...+j^  +  B, 


X     .    X^      .  .    x^ 


142  §  33.    Entwickdung  der  Fiinctionen  ««  und  a*. 

wobei 

(3.)  E=-^^     ^i^f    ^"-"^^rTTTTl^     ' 

^     ^  («  +   1)1  (/2  +   l)i 

Bezeichnet  man  nun  den  absoluten  Betrag  von  x  (d.  h. 
den  Werth  von  x,  abgesehen  vom  Vorzeichen)  mit  \x\,  und 
genügt  die  ganze  Zahl  ff  der  Ungleichung 

ff^\x\<ff+  1, 


SO  zerlege  man  - — t-ttt  in  die  Factoren 
®  (n  +  1)! 

^       12      ff  ^+1^  +  2      «+1 

Es  ist  dann,    wenn    man    vorläufig  voraussetzt,   dass  x 
positiv  ist, 

ein  ächter  Bruch,  und  es  wird 

<Ä,       p-r<A,  ... — r~T<  ^• 


(7  +  2  ^    '      ff+S^    '    -n  +  l 
Daraus  folgt 


XXX  X 


^'      ^  +  1^  +  2(7  +  3        n  +  l^"" 

(5.)  jB  =  2^1  .  jPa .  i^3,  wobei  F3  =  0^' 

ist.    Die  Factoren 

Fl  =  4  ™d  F3  =  ö^"^ 

sind  endliche  Grössen,  während  man  k^-^^s  und  folglich  erst 
recht  den  Factor  F-i  für  hinreichend  grosse  Werthe  von  n  be- 
liebig klein  machen  kann;  deshalb  wird  auch  R  beliebig  klein 
für  hinreichend  grosses  n. 

Vertauscht  man  x  mit  — x,  so  ändert  der  Factor  ; — ^-ttt 

(»  +  1)1 

höchstens  sein  Vorzeichen,  und  F^  =  e^^  geht  über  in 
^""^"^  =  -;ö7>  bleibt  also  eine  endliche  Grösse.    Deshalb  wird 


§  33.    Entwickelung  der  Functionen  e«  und  a«.  143 

jR  auch  dann  beliebig  klein  für  hinreichend  grosses  n,  wenn  x 
eine  negative  Grösse  ist. 

Man  kann  daher  in  allen  Fällen  das  ßestglied  bei  dieser 
Entwickelung  vernachlässigen,  wenn  man  die  Eeihe  bis  in's 
Unendliche  fortsetzt,  und  erhält 

X  US  Oß  oc 

(6.)  e*  =!+_  +  _  +  _  +  _  +  ...  in  inf. 

Für  x=l  stimmt  diese  Gleichung  mit  Fonnel  Nr.  14  der 
Tabelle  überein. 

Aufgabe  2.  Man  soU  die  Function  a"  nach  steigenden 
Potenzen  von  x  entwickeln. 

Auflösung.    Hier  ist 

f{x)  =  a«,  also  /(O)  =  1, 


(7.) 


f'{x)  =  a'\a,  /'(0)  =  la, 


ß»)(x)  =  a'  (lo)« ,  /(«'(O)  =  (la)- 

/(«+i>(a;)  =  a*(la)»+' ,  /»•'+i>  (0a;)  =  a®'(la)"+». 

Daraus    folgt    durch   Anwendung    der    Jtfoc  -  ia«rt»'schen 
Reihe 

wobei  man  in  ähnlicher  Weise  wie  vorhin  zeigen  kann,  dass 
R  beliebig  klein  wird  für  hinreichend  grosse  Werthe  von  n. 
Dies  giebt 

(9.)  a«  =  i  +  ^  +  £!M!  +  qf)!  +  .... 

Dasselbe  Resultat  hätte  man  auch  aus  Gleichung  (6.)  in 
folgender  Weise  finden  können.    Es  sei 

dann  wird 

\y  =  l(a*)  =  x\a, 
folglich  ist 


144  §  34.    Entwickelimg  der  Functionen  sinar  und  cosj-. 


y=:ß«l«, 


also  nach  Gleichung  (6.),  indem  man  x  mit  x\a  vertauscht. 


§34. 

Entwickelung  der  Functionen  sina?  und  cos^. 

(VergL  die  Formel-Tabelle  Nr  54  und  55.) 

Aufgabe  1.    Man  soll  die  Function  sin:?  nach  steigenden 
Potenzen  von  x  entwickeln. 

Auflosung.    Hier  ist 

f(x)  =  sin:r,  also  /(O)  =  0, 

/'(:r)  =  COS:r,             „  /'(0)=1, 

/"(^)  =  -sin^,       „  /"(0)  =  0, 

r\x)  =  -  COSrc,        „        /'"(O)  =  -  1 , 
/(^)(:r)  =  sin:r,  „       /(^)(0)  =  0, 


(1.) 


Unter  der  Voraussetzling,  dass  »  eine  ungerade  Zahl  ist, 
wird  daher 

|/'"'^"(^)  =  +  Sinar,       „   /(•+i)(0«)  =  q:  sin(@a;). 
Dies  giebt  mit  Hülfe  der  Jtfac-ioMnVschen  Reihe 

(3.)  sin:r  =  ^-3j+^-+...±^+iJ, 

wobei 

(4.)  Ä=  +  ^-^-p^sin(0^). 

Nun  wurde  bereits  im  vorigen  Paragraphen  bei  Entwicke- 

lung  von  c*  gezeigt,  dass  man  .  >^y  beliebig  klein  machen 

kann,   wenn  man  nur  n  hinreichend  gross  wählt.    Ausserdem 
liegt  sin  {^x)  zwischen  — 1  und  +1,  folglich  kann  i?  vemach- 


§  34.    Entwickelung  der  Functionen  slnx  und  cosx.  145 

lässig^  werden,  wenn  man  die  Beihe  bis  in's  Unendliche  fort- 
setzt.   Dadnrcli  erhält  man 

/*•  /yo  /*»5  /*»7 

(5.)  smx  =  --^,  +  ^-yj+-.... 

Hdsst  das  letzte  Glied ,  weldies  man  für  die  Beredmnng 
von  sina:  benutzt  hat,  ±-tj  und  ist  \x\  <n+  1,  so  ist  der 
Best,  welcher  vernachlässigt  wird,  nämlich 

i2=  T  -T — T~T  •  sin(®:r), 
»!    n  +  1         ^     ^' 

vom  Vorzeichen  abgesehen,  immer  nur  ein  Bruchtheil  dieses 
letzten  Gliedes,  so  dass  man  für  die  Genauigkeit  der  Bechnung 
ein  sicheres  Mass  erhält. 

Aufgabe  2.  Man  soll  nach  dieser  Formel  sin  15^25' 20'' 
berechnen. 

AuflSsung.  Die  Länge  des  Bogens,  welcher  dem  Centri- 
winkel  von  15^25' 20''  in  einem  Kreise  mit  dem  Badius  1  ent- 
spricht, ist 

.  =  15^  .  ^  =  2776.3,14159265  ^  o,26916856. 
180    180  32400  v,^u^xuo,i 

Deshalb  ist 

•^  =  0,269 168  56 ,    fr  =  0,003  250  29 , 
II  o! 

5  7 

|j-  =  0,00001177,         jj  =  0,00000002. 

Die  folgenden  Glieder  haben  in  den  ersten  8  Dedmalstellen 
keine  geltenden  Ziffern  mehr.    Es  wird  daher 

sina:  =  0,26918033  —  0,00325031, 
oder 

sin  15025' 20"  =  0,26593002. 

Aufgabe  3.  Man  soll  die  Function  cos:r  nach  steigenden 
Potenzen  von  x  entwickehi. 

Stegemaim-Kieperty  Differential-EeclmTmg.  10 


146  §  34.    Entwiokelang  der  Fnnctioiien  sin«  tind  cos«. 

AiriUitung.    Hier  ist 

fix)  —  COS«,  also     /(O)  =  1, 

f'ix)  =  —^x,     „      /'(o)  =  o, 

/"ix)  =  -casx,    „     f'(o)  =  -l, 

f"'{x)  =  smx,         „    /'"(0)  =  0, 

/<«(a;)  =  cosar,         „    /W(0)  =  1, 


(6.)         ( 


(7.)    { 


Unter  der  Voraussetzung,  dass  n  eine  gerade  Zahl  ist,  wird 
daher 

/(n)(a:)  =  ±  COSa:,     also        /^^X^)  =  ±  1, 

/(«+i)(a:)  =  T  sina:,   '    „  /(•»+i)(®a:)  =  T  sin(®ar). 
Dies  giebt  mit  Hülfe  der  Jfaf^-XaunVschen  Beihe 

(8.)  coSa:  =  l-^  +  jj.-^  +  -...±^  +  iJ, 

wobei 

(9.)  iJ  =  T  (^^71)1  sin(0a:). 

Der  Best  hat  hier  dieselbe  Form  wie  in  Aufgabe  1,  nur 
war  dort  n  eine  ungerade  Zahl,  während  hier  n  eine  gerade 
Zahl  ist.  Man  findet  daher  ebenso  wie  in  Aufgabe  1,  dass  22 
beliebig  klein  wird  för  hinreichend  grosse  Werthe  von  «,  und 
erhält 

3?  OC  X 

(10)  coS5;=l  —  2y  +  jj-—ßj +  —  .... 

Auch  hier  ist  der  yemachlässigte  Best  nur  ein  Bruchtheil 
des  letzten  von  der  Beihe  beibehaltenen  Gliedes. 

Aufgabe  4.  Man  soll  nach  dieser  Formel  cos  15®  25' 20'' 
berechnen. 

Auflösung.    Da  in  diesem  Falle 

z  =  0,269 168  56 

ist,  so  findet  man 

1    =  1,00000000,       ^  =  0,03622586, 

^  ==  0,00021872,      fr  =  0,00000053. 
4!  '6! 


§  35.    Berechnung  von  Tafeln  für  sin  x  und  coax,  147 

Die  folgenden  Glieder  haben  in  den  ersten  8  Decimalstellen 
keine  geltenden  Ziffern  mehr.    Es  wird  daher 

cosa:  =  1,00021872  —  0,03622639, 
oder 

C0S15<>25'20"  =  0,963  99233. 


§  35. 

Berechnung  von  Tafeln  fUr  die  Functionen 

sina?  und  cosa?. 

Es  war  für  alle  endlichen  Werthe  von  x 


X        X"^    .    x^        x'^ 


.)  sm.  =  ^— ^+^-^+-..., 

(2.)  cosa;=  1  _|!  +  |J_|!  +  _.... 

Dabei    ist    x    die    Länge    des    zugehörigen   Kreisbogens, 
nämlich 

^^'■>  '^~18Ö~'2'90' 

wenn  der  entsprechende  Centriwinkel  gleich  a®  ist.  Da  man 
nun  für  den  Gebrauch  zweckmässiger  Weise  die  trigonometri- 
schen Functionen  der  Winkel  in  Tafeln  zusammenstellen  wird, 
so  wird  man  den  in  Gleichung  (3.)  angegebenen  Werth  von  x 
in  die  Gleichungen  (1.)  und  (2.)  einsetzen.    Dadurch  erhält  man 

(4.)    »to«'  =  f-^-^(f)'(55)'+i(|)*-(^J-+..., 

<..)  w  =  .-i(0.(^)'+i(0.(^)* 

6!V2/     V9Ö/  +—•••' 
wobei  man  die  numerischen  Coefflcienten 

^   J-/^£!V   -1/^!?V  —flL\ 

2'   2!V2/'  3!V2/'  4:l\2)  '*    ' 
ein  flir  alle  Mal  ausrechnen  kann,  und  zwar  wird 

10* 


148  §  35.    Berechnung  von  Tafeln  fUr  sinx  und  cosx. 

I      =1,57079633,  -^ßV  =  1,23370055, 

TT  (ff  '^  ^'6*5^^* i<^'  "^  (f  )*  =  ^'^^^ ^^^ ^^' 

-^  (f )*  =  0,07969263,  -i-  0)'  =  0,02086848, 

TT  (f)'  =  0.00468175,  -^  (ly  =  0,00091926, 

-^  (f )'  =  0,00016044,  -^  0)'"=  0,00002520, 

■nr  (f )"  =  0,00000360,  j|j-  (f )"=  0,00000047, 

llr  (f )  '  =  0,00000006,  j^  (I) "  =  0,000000 Ol. 

Bezeichnet  man  also  —  mit  <,  so  wird 

(4  a.)         sina«  =  1,570  796  33  .  ^  —  0,645  964 10  .  t^ 

+  0,07969263  .  t^  —  0,004681 75  .  V 
+  0,000 16044  .  i^  —  0,00000360 .  t^^ 
+  0,000  000  06.  <J  5, 

(5  a.)        COS  a<^  =  1,000  000  00       —  1,233  700  55  .  (^ 

+  0,253  669  51 .  ^^  —  0,02086348  .  ^ 
+  0,00091926  .  t^  —  0,000025  20  .  i^^ 
+  0,000 000 47. <  12 _  0,00000001 .  t^^. 

Da  man  nur  die  Winkel  zu  berücksichtigen  braucht,  welche 
zwischen  0^  und  45"  liegen,  so  ist  ^  immer  kleiner  als  0,5,  so 
dass  man  bei  der  Berechnung  nicht  einmal  die  angeführten 
Glieder  alle  brauchen  wird.  Dabei  ist  es  fllr  die  Genauigkeit 
des  Endresultates  von  grosser  Bedeutung,  dass  ^,  <*,  i^^  ... 
sämmtlich  ächte  Brüche  sind,  weil  deshalb  die  Fehler,  welche 
bei  den  Goefflcienten  durch  Vernachlässigung  der  späteren  Deci- 
malstellen  entstehen,  durch  die  Multiplication  mit  t^  t^,  t^, . ,. 
nicht  vergrösseit  werden. 


oder 


oder 


§  35.    Berechnung  von  Tafeln  für  sinx  und  cosa?.  149 

Ist  z.  B.  a  =  18,  SO  wird  ^  =  18  :  90  =  0,2,  also 
sin  18<>  =  0,31415927  —  0,00516771 
+  0,00002550  —  0,00000006 
=  0,31418477  —  0,00516777, 

sin  18<>  =  0,30901700. 

COS  18«=  1,00000000  —  0,04934802 
+  0,00040587  —  0,00000134 
=  1,00040587  —  0,04934936, 

COS  18«  =  0,95105651. 


Aufgabe.  Man  soll  eine  Tafel  berechnen,  welche  die  Sinusse 
und  Cosinusse  aller  Winkel  von  10'  zu  10'  bis  auf  6  Decimal- 
stellen  genau  berechnet  enthält. 

AuflSsung.    Bekanntlich  ist 

(6.)  sin(a  ±  /?)  =  sin«  cosß  ±  cos«  sin/J, 

(7.)  cos(a  ±  /ST)  =  cos«  cos/J  hF  sina  sinß. 

Ist  dabei  ß  =  10',  so  ist  der  zugehörige  Werth  von  i  gleich 

,  und  man  erhält  aus  Gleichung  (4  a.) 


540 

(8.)  sinlO'  =  0,00290888, 

wobei  man  nur  das  erste  Glied  zu  berücksichtigen  braucht,  und 
aus  Gleichung  (5  a.) 

(9.)  cos  10'  =  1  —  0,00000423  =  0,99999577, 

wobei  man  ausser  der  1  wieder  nur  ein  einziges  Glied  zu  be- 
räcksichtigen  braucht.  Indem  man  diese  Werthe  in  die 
Gleichungen  (6.)  und  (7.)  einsetzt,  findet  man 

(10.)    sin(a  ±  10')  =  0,99999577  sina  ±  0,00290888  cos«, 

(11.)    C0S(a  ±  10')  =  0,99999577  COS«  T  0,00290888  sina. 

In  ähnlicher  Weise  kann  man  sin(a  ±  20')  und  cos(a  ±  20'), 
sin(a  ±  30')  und  cos(a  ±  30')  berechnen,  wenn  sina  und  cosa 
bekannt  sind. 


150  §  36.    Andere  Formen  des  Restgliedes. 

Es  genügt  also  nach  dieser  Methode,  sina  und  cos  a  für 

a=  1»,  2»,  3«,  ...  450 

unter  Anwendung  der  Gleichungen  (4  a.)  und  (5  a.)  auszui'echnen. 
Die  dazwischen  liegenden  Werthe  findet  man  dann  in  der  an- 
gedeuteten Weise  mit  Hülfe  der  Formeln  (6.)  und  (7.). 

Die  Rechnung  wurde  auf  8  Decimalstellen  ausgeführt,  da- 
mit in  den  Endresultaten  die  ersten  6  Decimalstellen  sicher 
richtig  sind. 

In  welcher  Weise  man  diese  Methode  auch  auf  den  Fall 
übertragen  kann,  wo  es  sich  um  eine  Tabelle  von  ^Minute  zu 
Minute  oder  von  zehn  zu  zehn  Secunden  handelt,  erkennt  man 
ohne  Weiteres. 

§  36. 

Andere   Formen   des   Restgliedes. 

(VergL  die  Formel-TabeUe  Nr,  49—51.) 

Dem  ßestgliede  kann  man  noch  andere  Formen  geben,  die 
gleichfalls  hergeleitet  werden  mögen,  weil  sie  für  spätere  An- 
wendungen erforderlich  sind. 
Nach  Gleichung  (31.)  in  §  31  war 

(1.)   f(T+h)=fix)+-(^h+^h^  +  ...+(^h-  +  B. 

Setzt  man  in  dieser  Gleichung  für  B  den  Werth  ein,  wie 
er  dort  in  Gleichung  (32.)  angegeben  ist,  und  vertauscht  dann 
n  mit  »  —  1,  so  erhält  man 

(2.)   f{x  +  h)=rfix)+-^-^h+'^A^  +  ... 

(n  — 1)1  nl 

Indem  man  diese  beiden  Gleichungen  von  emander  sub- 
trahirt,  findet  man 

n\  nl 

oder 

(3.)  R=z^  [f-Kx  +  eh)  —ß^x)]  Ä^ 


§  36.    Andere  Formen  des  Bestgliedes.  151 

Diese  Form  des  Restes  ist  der  früheren  z.  B.  dann  vorzu- 
ziehen, wenn  man  nicht  weiss ,  ob  die  («  +  1)**  Ableitung  von 
f(x)  m  dem  betrachteten  Intervalle  stetig  ist. 

Auch  hier  ist  @  eine  Zahl,  welche  zwischen  0  und  1  liegt ; 
sie  ist  aber  selbstverständlich  verschieden  von  der  Grösse  0, 
welche  bei  der  anderen  Form  des  Bestes  auftrat.  Es  möge 
dies  dadurch  zum  Ausdruck  gebracht  werden,  dass  man  zu  den 
beiden  Grössen  0  die  Indices  1  und  2  hinzufügt. 

Es  ist  also 

Setzt  man  in  Gleichung  (1.)  x  gleich  a,  so  geht  sie  über  in 
wobei  jetzt  nach  Gleichung  (3a.) 

wird.    Vertauscht  man  sodann  noch  h  mit  x  —  a,  so  erhält  man 
die  andere  Form  der  Tay^'schen  Reihe,  nämlich 

(4.)  fix)  =f{a)  +Ä(^_a)+Ö!)  (^_a)2  +  . . . 


+-'-rF(^-«)"  +  ^. 


/(-)(«) 
n! 
wobei 

(5.)  -B  =  ^/<"'  [a  +  ©2  {x  -  a)]  -/(«'(«)}  (x  -  a)\ 

Indem  man  endlich  in  den  Gleichungen  (4.)  und  (5.)  a  gleich  0 
setzt,  findet  man  für  die  Mac  l^urtn'sche  Beihe 

(6.)   /w=/(o)+Ä).+«,.+...+«e^+B 

das  Bestglied  in  der  Form 

(7.)  Ä  =  i^  [/(-)  {@.,x)  -/^•)(0)]a:". 


152  §  36.    Andere  Formen  des  Bestgliedes. 

Eine  dritte  Form  des  ßestgliedes  erhält  man  in  folgender 
Weise. 

Setzt  man  in  Gleichung  (1.) 

(8.)  ic  -f  Ä  =  «,  also  Ä  =  2;  —  Xn 

so  wird 

(9.)    f{z)=f{x)+^-^(z-x)-\-^-^{z-xy+-.. 


+^^{z-x)-+R, 


oder 


(10.)  R^f(z)-f(x)-^-p(z-x)-'t^iz-x)^->^. 


-^-P  (-  -  ^)~. 


Hiemach  ist  E  eine  Function  von  x  und  z.  Wenn  man 
aber  wieder  festsetzt,  dass  z  in  der  hier  folgenden  Betrachtung 
constant  bleibt,  so  ist  B  als  eine  Function  von  x  allein  zu  be- 
trachten, und  man  kann  setzen 

(11.)  Ä  =  (f(x). 

Dies  giebt,  wie  schon  in  §  31  Gleichung  (5.)  gezeigt  wurde, 


dB 


=  — -^ A^  (z  —  xr. 


(12.)  :^-  =  ^«(.)  =  _^_^  (._.). 

Wenn  nun  f{x)  mit  seinen  «  +  1  ersten  Ableitungen  in  dem 
betrachteten  Intervalle  stetig  ist,  so  gilt  dasselbe  auch  von  den 
Functionen  q)(x)  und  y'(:r).  Man  kann  also  auf  q>(x)  die  Ent- 
wickelung  nach  der  Tay/or'schen  Beihe  für  ?» =  0  anwenden 
und  findet 

der  mit  Bäcksicht  auf  die  Gleichungen  (8.) 

(13.)     ^(.) = K-)  +  y'r^+®(— )]  (.  _ .). 

Nun  folgt  aber  aus  Gleichung  (10.),  dass  ü  =  0  wird  für 
X  =^Zj  dass  also 

q>(z)  =  0 


§  36.    Andere  Formen  des  Bestgliedes.  153 

ist.     Ferner   folgt   ans   Gleichung  (12.),   indem   man   x  mit 
X  +  0(2  —  x)  vertauscht, 

g>'  [x+@iz  —  x)]  =  _/Ülllk±®(iZl^ .  [z-x—&(z~x)Y 

=  — -^ !■ — -^ ^  (1  —  ©)"  (z  —  a;)» ; 

deshalb  geht  die  Gleichung  (13.)  über  in 

(14.)  g>(x)  =  Jt  ^/!!i!!kiL®iiZl£)^  (1  _  ©)n  (^  _^)n4-l. 

Auch  hier  ist  &  eme  Grösse  zwischen  0  und  1,  die  aber 
zum  Unterschiede  von  @i  und  0.^  mit  @^  bezeichnet  werden 
möge.  Berücksichtigt  man  noch  die  Gleichungen  (8.),  so 
wird 

(15.)  ij=/ülü(£  +  ^)(l  _©,)«,-+.. 

Vertauscht  man  jetzt  wieder  x  mit  a  und  h  mit  x — a,  so 
erhSit  man  die  zweite  Form  der  7ay&>r'schen  Reihe,  nämlich 

(16.)  fix)  =f{a)  +fMix-a)+-(^^(x-af+... 


+•4^  (^  -  «)•  +  -ß' 


/na) 

»I 
wobei 

(17.)        i2=/^:l!!I^±^i£ii:^(i  _«,).(,  _«).... 

Indem  man  in  diesen  Gleichungen  (16.)  und  (17.)  a  gleich  0 
setzt,  findet  man  für  die  Mac  Xat^rtn'sche  Reihe 

(18.)  /«  =/(«)  +m) .  +Ä) ,,+... + /^+ « 

das  Bestglied  in  der  Form 

(19.)  R  =-^Ü!l^®3£)  (1  _  @j)«a.«+i. 


154  §  36.    Andere  Formen  des  Restgliedes. 

Bemerknnir*)* 

Diese  Form  des  Restes  ist  mir  ein  besonderer  Fall  einer  viel  all- 
gemeineren Form,  die  man  auf  folgende  Weise  findet. 

Sind  fp{x)  und  ^(jr)  zwei  Functionen,  welche  mit  ihren  Ableitungen 
g**{x)  und  ^(x)  in  dem  Intervalle  von  a  bis  z  stetig  und  endlich  bleiben, 
und  nimmt  %ffXx)  innerhalb  dieses  Intervalles  nur  positive  Werthe  an,  so 
bleibt  der  Quotient 

w'(x) 
(20.)  ÖW-^ 

in  diesem  Intervalle  gleichfalls  stetig  und  endlich^  und  die  Function  %lß{x) 
nimmt  mit  x  zugleich  zu. 

Wenn  nun  x  das  Intervall  von  a  bis  z  durchläuft,  so  möge  Q{x)  für 
x^^xi  seinen  kleinsten  Werth  K  und  fUr  x^Xi  seinen  grOssten  Werth  O 
erreichen.    Es  sei  also 

(21.)  Of*«)-$S]-^.    «(*^)-^-G'. 

wobei  xi  und  x^  zwischen  a  und  z  liegen.  Dies  giebt  für  a  <Cg<Cg 

tf^\x)  —  tfß'[X)  —     ' 

oder 

(22.)  (r'(x)  —  K  ^'(ar)  ^  0,     </>'(jr)  —  G  ^'(jr)  ^  0. 

Diese  Ausdrücke  sind  aber  bezw.  die  Ableitungen  von 

(23 )  /  "  ■"  "^^""^  "  "^^""^ ""  ^'^^*^  "■  ^^'*^^' 

1  t?  «  (p(x)  -  (p{a)  —  O  [i^(a:)  -  V'(a)]. 

Da  nach  den  Ungleichungen  (22.) 

dx —    '       dx  — 

ist,   so  mnss  u  beständig  zunehmen  und  v  beständig  ahnehmen,  wenn  x 
zunimmt.    Für  x  «^  a  werden  u  und  v  beide  gleich  0,  folglich  ist 

0  der  kleinste  Werth  von  ti,  und 

0  der  grösste  Werth  von  r, 

wenn  x  das  Intervall  von  a  bis  z  durchläuft;  d.  h. 

u  —  (p(x)  —  (Pia)  —  Jq^(x)  —  ip{a)]  ^  0, 
v  —  (p{x)  —  (p(a)  —  O  [tlß{x)  —  t^(a)]  ^  0, 
oder,  da  tff{x)  —  ^(a)  >  0  fUr  a:  >  a, 

(24.)  K^p^izJ^^^e. 

*)  Der  Anfänger  darf  diese  Bemerkung  übergehen,  da  von  der 
darin  enthaltenen  Untersuchung  nur  selten  Gebrauch  gemacht  wer- 
den wird. 


§  36.    Andere  Formen  des  Restgliedes.  155 

Bezeichnet  man  \)J^  _  V'r'  mit  3f,  bo  wird  also 

(24a.)  2jfi)s3f<2W 

V'  (a?i)  —      —  V^V^) 

Nun  ist  aber  Zjpj^  ©ine  stetige  Function,  folglich  giebt  es  nach  dem 

in  §  8  bewiesenen  Satze  14  zwischen  xi  und  X2  einen  Werth  von  ar,  er 
heisse  I,  für  welchen 

(25.)  lf=j|^ 

wird.    Da  f  zwischen  xi  und  X2  liegt,  so  liegt  es  auch  zwischen  a  und  «, 
und  man  kann  wieder 

I  -»  a  +  e  («  —  a) 
setzen,  wobei  0  g  ö  ^  1  ist.    Dies  giebt 

^       ^  V'(iP)  —  VC«)      V'  I«*  +  Ö(«  —  a)] 

und    für  ar  «s  « 


(26.)  yW-y(a)__y: 


a  +  9{z  —  a)] 


tp{z)  -  tp{a)      yß'[a  +  9i,z  —  a)] 

Setzt  man  z.  B. 

^(ar)  =  jx  —  (5  _  ar)x,  also  tjj'ix)  =  x(5  —  xf''^ 

wobei  5  >  z  und  x  >  0  sein  möge,   so  sind  die  für  yf{x)  und  ^'(a?)  fest- 
gestellten Bedingungen  erfüllt,  und  man  erhält 

<p{z)  —  (p{a)         _        (p'[a  4-  9{z  —  g)] 

(5  -  a)^  -  (6  -  2)*       x[6  -  a  -  Ö(»  -  a)f -* ' 
oder 

(27.)        fi')  -  »(»)  =     (t-«7-(6-y    .  ^.[„  +  e(,  _  a)]. 

x[6  —  a  —  B{z  —  a)Y   ^ 

Dies  gilt,  wie  nahe  auch  5  dem  Werthe  von  z  liegen  mag,  folglich 
erhält  man  für  lim  5  <=  s 

(28.)  <p W  -  y W  =  ^(1  !re)x-^  *  '^'^'*  "^  ^^*  -  ''^^* 

Für  «  g^^ö  gelten  ähnliche  Schlüsse.  Aus  den  Ungleichungen 
(22.)  folgt  dann  wieder,  dass  u  beständig  zunimmt  und  «  beständig  abnimmt, 
wenn  x  zunimmt.    Da  jetzt  aber  x^a,  so  ist 

0  der  gröeete  Werth  von  u  und 

0  der  kleinste  Werth  von  v, 

wenn  x  das  Intervall  von  z  bis  a  durchläuft.    Dies  giebt 

u  =  (f>[x)  —  (/)(a)  —  K[tp{x)  —  V'C»)]  ^  0, 
t?  =»  <p(ar)  •—  (f{a)  —  Ö[f/;(ar)  •—  i^(a)]  >  0. 


156  §  36.    Andere  Fonnen  des  Bestgliedes. 

Da  jetit  x^a,  so  ist  tlß{x)  —  \p{a)  <  0;  deshalb  folgt  ans  diesen 
Ungleichungen  wieder 

^  ^  y(^)  —  y(g)  ^  ^ 

—  i^(ar)  --  t^a)  — 
und 

y(g)  —  y (g)  _  y*[a  +  9(i  —  a)] 
^z)  —  tf,(a)       yß'[a  +  9(z  -  a)] ' 

Setzt  man  in  diesem  Falle 

tp(x)  —  (x  —  &)*—  5*,  also  v^'W  =  ^{x  —  5)*"^ 

wobei  5  <  s  und  x  >  0  sein  möge ,  so  sind  die  für  ti/(x)  und  tp*{x)  fest- 
gestellten Bedingungen  wieder  erfüllt,  und  man  erhält 

yfg)  ~  y(g)         _      y'[fl  +  ^(g  —  <»)] 

(«  —  &)»  —  (a  —  5)*      x[a  —  &  +  e(z  —  ö)f  "^ ' 
oder 

also  für  lim  5  »=  z  findet  man  in  Uebereinstimmung  mit  Gleichung  (28.) 

(f>(z)  —  (p(a)  =  — — j3i  ^P'[»  +  Ö(«  —  o;)l 

X  ^  —  «; 

Für  a  BB  X  findet  man  hieraus 

(29.)  (p{i)  -  <p{x)  =  ^^JTef-^  ^'f""  +  ^^*  ""  *^^' 

gleichviel  ob  ^  <  z  oder  Z'<,x  ist. 

Setzt  man  jetzt  wieder 

(30.)    9(x)-12-/s)-/(x)-%(«--^)--4!    (»-*)--••• 

so  wird 

(31.)  <p{z)  -  0,   .p' (x)  =  -j;  =  -        ^,        (*  - «)", 

(32.)  y'(«  +  e(»  -  X)]  -  - i L-i^-^ — iü(i-e)»(«-x)», 

folglieh  findet  man  ans  Gleiehang  (29.) 

(33.)         ^_r+i>[x+^e(,-.)]  ^j  _  ^)»-.+. (,_,).+., 

Für  X  « 1  erhält  man  hieraus  die  dritte  Form  des  Restes. 


§  37.    Der  allgemeine  binomische  Lehrsatz. 


157 


§  37. 

Der  allgemeine  binomische  Lehrsatz. 

(Vergl  die  Formel-Tabelle  Nr.  56—58.) 

Aufgabe.  Man  soll  (1  +  xY  nach  steigenden  Potenzen  von 
X  entwickeln,  gleichviel  ob  m  eine  positive  ganze  Zahl  ist 
oder  nicht. 

Auflösung.    Hier  ist 

f{x)  =  (1  +  xY, 

f*{x)  =  m{m  —  1)  (1  +  Är)«-^ 

f**{x)  =  m(m  —  1)  (w  —  2)  (1  +  xY'^, 


(10 


also 


1)  ...(»»  —  «+  1)  (1  +  a;)"-*, 

1) . . .  (m—n+i)(m—n){l+x)'*-'-\ 


(la.) 


/(O) 

/'(O) 

/"(O) 

/'"(O) 


=  1, 
=  »», 
=  m{m 


-1), 

-  1)  (m  -  2), 


/(n)(o)  =  m(m— l)...(w— «+1), 
/(»+i)(0a;)  =  w(w--l)...(m— n+l)(m— ;^)(l-f®a;)••-«-V 
Dies  giebt  mit  Hülfe  der  Jfac-iawrm'schen  Keihe 
(2.)  (!  +  .)«•=  l+^.  +  ^^).2+^K^^ 


+ 


2     "^    '  1.2.3 

m(m  —  1)  . . .  (m  —  n  +  1) 
1.2...» 


rc^  +  Ä 


=i+(T).+c>+(:>'+...+(:)-+^ 

wobei 

/o  N  T>^*>*(m—L) . . .  (m— »+!)  (m—n)  (l+®,a;>"-«-'  _^^, 

^*'-'''"~  1.2...«(«+1)  ' 


158  §  37.    Der  allgememe  biliomisGhe  Lehrsatz. 

oder 

(4.)  R  = 

m(m—l)  . . .  (m—n+1)  (m—n)  (l+&^x)^-*''^  ^  ^^        _^j 

1.2...»  ^  ^^         ' 

jenacMem  man  die  erste    oder  die  diitte  Form  des  Bestes 
benutzt. 

Erster  Fall.  Zunächst  möge  gezeigt  werden,  dass  E  beliebig 
klein  wird  für  hinreichend  grosse  Werthe  von  «,  wenn 

Bezeichnet  man  mit  g  eine  beliebige  positive  ganze  Zahl, 
so  kann  man  das  Bestglied  nach  Gleichung  (8.)  in  drei  Haupt- 
factoren 

/ßN  n  __«(^— l)'-(^— jy+l)^. 

(7.)  i^«  =  7+i-^t^--^+T-. 

(8.)  F,=(l  +  0:.)«-«-«  =  (^+e^!li 

zerlegen,    wobei    der    Einfachheit    wegen    0    statt    0,     ge- 
schrieben ist. 

Der  erste  Hauptfactor  F^  enthält  n  gar  nicht  und  bleibt 
endlich,  wie  gross  auch  ff  sein  mag.  Der  dritte  Hauptfactor 
F^  wird  gleich  1,  wenn  von  den  beiden  Grössen  ©  und  x  wenig- 
stens die  eine  gleich  0  wird;  F^  wird  aber  sogar  beliebig  klein 
für  hinreichend  grosse  Werthe  von  «,  wenn  ©>0  und  x>0. 

Setzt  man  m  +  1  =  />,  und  ist 

ff>m^  —  1,  also    »i  +  l=/>^0, 
so  wird 

^  — y  _  ff  +  I—P 
ff+l  ff+l 


X   — —  ^  X     ^  X  j 


_M-ff-l  g+2-p 

ff +  2      ^  ff +  2      ''  =  ''' 


m  —  n     «  +  1  — p 

»  +    1  W  +    1  ' 


§  37.    Der  allgemeine  binomische  Lehrsatz.  159 

folglich  ist 

(9.)  (—  1)"-^+^  -F2  S  a^-^+* . 

Da  nun  z<+  1  ist,  so  wird  für  hiiurekhend  grosse  Werthe 
von  n  die  Grösse  rc"-^+^  beliebig  klein,  folglich  erst  recht  Ji. 

Ist  dagegen 

m< — 1,    also    w  +  KO, 

so  erhält  man,  indem  man  m  +  1  ==  — p  setzt, 

m  —  ff^g+  1  +P  _  .    ,       P 

ff  +  1          g+1  9  +  1' 

m  —  g—l  _  .y  +  2  -f  ;?  _  p 

9  +  2              ff  +  2  '^9  +  2' 


m  —  n  ^  n  +  l  +  p  __  p 

»+1""      n  +  1      ""  n  +  1 

Alle  diese  Brüche  sind  grösaer  als  1,  da  j9  >  0  ist,  aber  sie 
nähern  sich  dem  Werthe  1  beliebig.  Da  :r<  1  ist,  so  kann  man 
es  daher  erreichen,  wenn  man  nur  g  hinreichend  gross  macht, 
dass 

^  —  9^  1    ,      P     ^^^ 
9  +  ^         '^g  +  l^x 
wird,  dass  also 

^  —  9         1 
^  +  1 
ist.    Dies  giebt  dann 

m  —  g  —  \ 


9+2 
m  —  <7  —  2 


a:<  Ar, 


fn  —  n      ^  y 


»  -f-  1 


160  §  37.    Der  allgemeine  binomische  Leihrsatz. 

Deshalb  wird 
(10.)  (—  l)«-i^^-^  F^  <  *-^+* , 

*  

also  auch  hier  wird  i^  für  hinreichend  grosse  Werthe  von  n 
beliebig  klein,  da  k  ein  ächter  Bruch  ist. 

Daraus  folgt,  dass  auch 

-B  =  J^  .JFi.i^,    wenn    0^a;<  +  l 

ist,  beliebig  klein  wird  far  hinreichend  grosse  Werthe  von  n. 

Zweiter  Fall.    Liegt  x  zwischen  —  1  und  0,  ist  also 

(11.)  — l<a:SO, 

SO  wendet  man  die  dritte  Form  des  Bestgliedes  an,  um  zu 
zeigen,  dass  R  beliebig  klein  wird.  Aus  Gleichung  (4.)  folgt 
dann,  wenn  man  der  Einfachheit  wegen  &  statt  &^  schreibt  und 

a:  =  —  z  setzt, 

,,^>.  p  _  m(m—  l)...(m— y>+l)(m— n)(l->-®g)**-^(l-~@)»(~g)'^-^^ 

^  _  mz(l  -  &zY-^ .  (l-m)(.-®g)^  i2-m){z^ez\^^ 
-       mz^i       UZ)  1(1—0;?)  2.{l—ez) 

{n  —  fn){z  —  &z) 

«(1  —  ez)     ' 

wobei 

(IIa.)  0^5:<  +  l. 

Auch  hier  zerlegt  man  R  in  drei  Hauptfactoren 
(13.)  i^i  =  —  ^(1  —ßzY-\ 

(14.;     ^2  -  — j—  •  iZlQ^  •  — 2~  •  l—@z  J"  l—ez' 

(15  )    F  ^  ^  +i  ~  ^  .  ^— ®^  .  gr+  2  — m    g  — ®g 


^+1         l  —  ®z        ff +2        1  —  Oz 
n  —  m    z  —  &z 


n        1  —  &z 

Der  erste  Hauptfactor  i^  ist  eine  endliche  Grösse,  ebenso 
der  zweite  Hauptfactor  F^.  Femer  ist  nach  der  Ungleichung 
(IIa.) 

0^z(l  —  &)  ^  z—  ez^z{l  —  ®z\ 


§  37.    Der  allgemeine  binomische  Lehrsatz.  161 

folglich  wird 

z  —  0z  

(16-)  «Si3r©:^-<1- 

Ist  nun  m  ^  0,  so  wird 

g  +  1  —  m  f/  +  2  —  m  n  —  m 

ff+1       =^^'  ff  +  2       =^'   •••        n      =^' 

also 

Da  z  ein  achter  Bruch  ist,  so  wird  2«-^  beliebig  klein  für 
hinreichend  grosse  Werthe  von  n,  also  erst  recht  2^. 

Ist  dagegen  w  <  0 ,  also  —  m  >  0,  so  wird,  wenn  man  hier 
—  m=p  setzt, 

<7+  1  ff  +  1 

ff  +  2-m  _p_ 

9  +  2  ^+^  +  2^^' 


?i  n 


Diese  Brüche  sind  zwar  alle  grösser  als  1 ,  da  />  >  0  ist, 
nähern  sich  aber  dem  Werthe  1  beliebig.  Macht  man  daher  g 
so  gross,  dass 

g  +  l      ■"     ~^  g  +  i<z  —  ez' 
oder 

g  -\'  1  —m    z  —  Gz       ,    ^^ 

y  +  1         1  —  Gz 
ist,  so  wird 

<7  +  2  —  m    z  —  Gz 

^+2  1  — 05J 


<>i', 


/^  —  m    z  —  Gz    ^, 


n         1  —  ©;: 

Stegemann-Kiepert,  Differential-Beohnimg.  11 


162  §  37.    Der  allgemeine  binomische  Lehrsatz. 

Dies  giebt 
(18.)  .F3  <  k'-9^ 

Da  k  ein  ächter  Bruch  ist,  so  wird  ^♦»-^  beliebig  klein  für 
hinreichend  grosse  Werthe  von  ??,  folglich  erst  recht  F^. 

Damit  ist  bewiesen,  dass  auch  R  beliebig  klein  wird  fiir 
hinreichend  grosse  Werthe  von  ^^,  gleichviel  ob  m  positiv  oder 
negativ  ist. 

Durch  Vereinigung  des  ersten  und  des  zweiten  Falles  er- 
hält man  daher  für 

(19.)  —\<x<+  1 

die  Entwickelung 


(20.)       (1 +.)»=! +(-).+(-)..+(-) 


•«^       "i       .... 


Bemerkung«  *) 

Liegt  m  zwischen  —  1  and  +  <^  >  so  l'ässt  sich  zeigen ,  dass  diese 
Reihe  auch  noch  für  iF  =  +  l  gilt;  liegt  inzwischen  0  und  +qo,  so  gilt 
sie  auch  noch  für  ir  =  —  1. 

Beweis.    Ist 

(21.)        --l<m<  +  co,    oder    0<m  +  l<+oo,    a:  =  +  l, 

so  gehen  die  Gleichungen  (6.),  (7 )  und  (8.)  über  in 

(^  *•>  ^^ 1.2. ..(7  ' 

XI       "» —  g    OT  —  g —  1        m  —  n 

(8».)  ^3- (!+«)"+'• 

Der  erste  Hauptfactor  F^  bleibt  wieder  enMich^  der  dritte  Haupt- 
factor  wird  gleich  1  für  Ö««0  und  beliebig  klein  für  O>0.  Ferner 
folgt  aus  Gleichung  (7  a.),  wenn  m^n  die  positive  Grösse  m-f-l==^  setzt, 

(21.)     (-1)      Ji=  ^^1   •   ^+2  — ^rrr^- 

Nun  ist  nach  dem  Tay/or'schen  Lehrsatze 


*)  Sollte   der  Inhalt  dieser  Bemerkung  für  den  Anfanger  noch  zu 
schwer  verständlich  sein,  so  darf  sie  übergangen  werden. 


§  37.    Der  allgemeine  binomische  Lehrsatz.  163 

-also  für 

erhält  man 

(22.)  (x 4  h)P^^  =  x^-^^  +  (p  +  1) h(x  +  Shy, 

und  für  a;s=l 

»(2a)  (1  +  Ä)^+^  =  1  +  (p  +  1)  Ä  (1  +  OÄ)^ . 

Wenn  nun  h  und  p  beide  positiv  sind,  so  ist 

{i  +  shY^ii  +  hy, 

.und  die  Gleichung  (23.)  geht  über  in  die  Ungleichung 

(l^ky-^i^l  +  (p  +  l)h  (1  +  Ä)^, 
7f olglich  ist 
(24.)  (1  +  Ä)^  (l—ph)'^l. 

Dies  giebt  für  h  =  tt~Z 
•oder 


Indem   man  für   «  nach  und  nach  die  Werthe  1,  2,  ...  n  —  ^  +  1 
^einsetzt,  erhält  man 

9  +  ^  —  P  ^(g  +  2\P 

n  +  1 — Jg  ^^/n  +  1\P 

Daraus  folgt,  wenn  man  alle  diese  Ungleichungen  mit  einander  mul- 
tiplicirt,  nach  Gleichung  (21.) 

.(26.)  c-ir-'+^j^i^Cf^^)'. 

d.  h.  |i^2|  wird  heliehig  klein  für  hinreichend  grosse  Werthe  von  n,  also 
.iiuch  H  selbst. 

Im  zweiten  Falle,  wo 

0<m<-|-QO,     a;  =  —  1 

ist,  erhält  man  aus  Gleichung  (33.)  in  §  36,  wenn  man  a;  mit  0  und  z  — x 
>mit  «  =  —  1  vertauscht, 

.(27.)  R  =  i- 1)«+'  "'('»-IK.jC»'-»)  (1  _  e)«-. . 

11* 


164  §  37.    Der  allgemeine  binomisclie  Lehrsatz. 

also  für  x  =  m 

(1  —  m)  (2  —  m) ..  .(n  —  m)       „     ^ 
(28.)  iJ l.a.'.n ■^••^^' 

wobei  für 

(29-)  ^. ■ 1.2.../  

eine  endliche  Grösse  ist.    Dagegen  wird  unter  Anwendung  der  im  ersten 
Falle  ausgeführten  Untersuchung,  wenn  man  p  mit  w  vertauscht, 

(30.)      i^.=-^+r--^T+^-    »  =fe)' 

d.  h.  Jj  wird  beliebig  klein  für  hinreichend  grosse  Werthe  von  n,  folg- 
lich auch  B. 

Da  7?z  unendlich  viele  Werthe  haben  darf,  so  sind  in  dem 
binomischen  Lehrsatze  unendlich  viele  Reihenentwickelungen 
enthalten.  Ist  m  eine  positive  ganze  Zahl,  so  geht  die  Reihe 
nicht  bis  in's  Unendliche,  sondern  sie  bricht  nach  dem  m  + 1*^" 
Gliede  ab. 

Beispiele. 

1)  m  =  —  1. 

(1  +  x)~^  =  --— —  =  1  —  X  +  z'^ X^  +  X*^ [-.... 

^  -^  1  +  X 

2)  ^  =  +  ^- 

/,    .     ^i       i/T-T-        1    .    -^       la:2      1.3;r3      1.3.5a;«  , 


2  4    '  2.4  6       2.4.6  8 


3)m=-l 


/,    ■     v-1  1  1       1      1  1-3    i       1-3.5   , 

(1  +  ^^     -7r+i='~2^+2TT^'- 27476^' 

2.4.6.8  ^ 

Man  kann  den  allgemeinen  binomischen  Lehi'satz  auch  auf 
die  Entwickelung  von  (a  +  Vf  anwenden. 


§  37.    Der  allgemeine  binomische  Lehrsatz.  165 

Ist  nämlich  |a|>|  J|,  so  wird  -  ein    ächter   Bruch,   und 
man  erhält 


/        6V 


oder 


(31.)  (a+6)-  ==  a-  +  (^)a--'6+(^)a---^6M-(3)a'"-^i^+  •  •  •  • 

Ist  dagegen  |  ö  |  <  |  i  | ,  so  wird  -  ein  ächter  Bruch,   und 
man  erhält 

='-['+Oi+G)S+(:)p+-} 

oder 

(32.)  (a  +  5)«  =  J"»  +  (^\  ah"^- '  +  (  ^ )  a^Ä"-^  +  (^'^^  a» J™-:' + 


•   •   •   • 


Der  binomische  Lehrsatz  kann  auch  benutzt  werden  zur 
Ausziehung  von  Wurzeln  mit  beliebig  hohem  Wurzel-Exponenten. 

Beispiele. 

1)  |/13Ö  =  (125+5)'^  =  5(1  +  ^  =  5  (1  +  0,04)^. 
Nach  dem  binomischen  Lehi-satze  wird  aber 

yL-r  )       x-Tg        3^     ^3.6.9         3.6.9.12      ^ 
also  hier  ist 

(1  +  0,04)*=  1,013  333  333  3  —  0,000  177  777  8 

+  0,000  003  950  6  —  0,000  000  105  3 

+  0,000  000  003  1  —  0,000  000  000  1, 
oder 


166  §  37.    Der  allgemeine  binomische  Lehrsatz. 


i 


(1  +  0,04)^  =  1,013  159  4038, 
yiEo  =  5  (1+0,04)^  =  5,065  797  019  0. 


Wegen  Vernachlässiguiig  der  späteren  Decimalstellen  ist  in 
diesem  Resultate  die  letzte  Decimalstelle  um  15  Einheiten  un- 
sicher. 

2)  VlÖOÖ  ==  (1024  —  24)*  ==  4  (l  —  j|^^  • 

Nach  dem  binomischen  Lehrsatze  ist  nun 

vx-r^;         ± -r  g  5.10      ^5.10.15  ^         ' 


(l-:r)*  =  l-i:r- 


X*^ —  ,    ^  * — -T  X^ •  •  •  r 


(^ 


5  5.10  5.10.15 

folglich  wird 

—  0,000  043  945  3 

—  0,000  000  618  0 

—  0,000  000  010  1 

—  0,000  000  000  2, 


oder 

/lÖOÖ  =  4  .  0,995  267  926  4  =  3,981071705  6. 

Die   Unsicherheit    in    der    letzten   Decimalstelle    beträgt 
hierbei  8. 

In  ähnlicher  Weise  werden  die  folgenden  Aufgaben  gelöst: 

3)  >/220  =  (216  +  4)*  =  6  (l  +  ^)  =  ^  •  1»^^^  1^^  122  799 

=  6,036  810  736  794. 

Die    Unsicherheit    in    der    letzten   DecimalsteUe    beträgt 
hierbei  18. 

4)  l/21Ö6  =  (2187  — 81)^  =3(1— ^)  j 


§  38.    Der  Logarithmus. 


167 


6 


(i  +  .)4=.i  +  i,_^_^^ 


X' 


,       6.13        3 

+  - — —. r-r  X^ 


6 . 13  .  20 


x^^ 


IN^ 


7  .  14  .  21  "^        7  .  14  .  21 .  28 

/         2.Y  - \ ^ 6.13 

V         27/    ""  7.27       7.14.272       7.14.21.27'* 

=  0,994  623  032  493, 

y2lÖ6  =  2,983  869  097  479. 

Die   Unsicherheit    in    der    letzten   Decimalstelle    beträgt 
hierbei  10^. 


§38. 

Der  Logarithmus. 

(Vergl,  die  Formel-Tabelle  Nr.  59—64.) 

Setzt  man 

f(x)  =  Ir, 

so  kann  man  die  Mac  Za?«rm'sche  Reihe  nicht  anwenden,  weil 
f{x)  und  alle  Ableitungen  davon  f ür  rc  =  0  unendlich  gross 
werden.    Deshalb  setzt  man 


(!•) 


f   /(a:)  =  l(l  +  ^), 
f\x)  =  (1  +  xY\ 
rix)  =  _  1 .  (1  +  ^)-2, 

r\x)  =  1 .  2  (1  +  x)-\ 


also    /(O)  =  0, 
/'(O)  =  +  1, 

/"(o)  =  - 1, 

/-'(O)  =  +  1.2, 


?? 


» 


/(4)(^)  =  _1.2.3(l+:r)-S      „    /(*)(0)  =  -  1 .  2  .  3, 
/(n)  {x)  =  (-l)»-i(«-i) !  (1  +xy-,  „    /<-)(0)  =  [-Vr'  (w-1) !, 

ly(n+l)(^)  ^  (_  1)«  ;j!  (1  +  5:)-»-^ 

also 

(la.) /(»+!) (6>a:)  =  (— 1)'»?^!  (1  +  @a;)-«-i. 

Durch  Anwendung  der  J/oc-Lawrm'schen  Reihe  erhält  man 
dann 


168  §  38.    Der  Logarithmus. 

/f  <*.2         /yS         ff>^  -!•'* 

(2.)        l(l+:r)  =  ^-|-  +  |--J  +  -...±^  +  i2. 

Auch  hier  kann  man  zeigen,  dass  R  beliebig  klein  wird 
für  hinreichend  grosse  Werthe  von  n ,  wenn  x  zwischen  —  1 
und  +  1  liegt. 

Ist  zunächst 

(3.)  0^a:^+l, 

SO  wendet  man  die  erste  Form  des  Restes  an  und  erhält 

(4.)    R  :=/;"^"(y  ^«+1 = (zii)! .    ^^\ 


(n  +  1) !  ?^  +  1      (1  +  0a:)'»+i 

Für  a;  =  1  wird  also 

±  1 
■^  ^  (w  +  1)  (1  +  0)^*-^^ 

beliebig  klein,   selbst  wenn  Q>  gleich  0  sein  sollte,  denn 


»  +  1 
wird  beliebig  klein  für  hinreichend  grosse  Werthe  von  w.     Ist 

aber  x  ein  ächter  Bruch,  so  ist  sicher  auch  ^    .    _,    ein  ächter 

1  +  0:r 

Bruch;  dann  wird  R  erst  recht  beliebig  klein,  da  die  Factoren 

1  und  f-^r 

\1  +  0Ä-/ 


w+  1 

beide  beliebig  klein  werden. 
Ist 

(5.)  —1  <a:SO, 

SO  wendet  man  wieder  die  dritte  Form  des  Restes  an  und 
erhält,  indem  man  x  mit  — z  vertauscht, 

R  ^J. p^(l-0)":r"+i===(-l)«(l  +  02:)--*»-i(l~@^^ 

(6-) 

I    —  —      g      (z  —  ezv" 
""      i  —  &z\i  —  ez)' 

Nun  folgt  aus  der  Ungleichung  (5.),  dass 

(7.)  0  ^  ;5  <  1 

und  deshalb 

0^z(l  —  e)=iz  —  @z^z{l  —  @z) 


§  38.    Der  Logarithmus.  169 

ist,  folglich  wird 

wird  beliebig  klein  für  hinreichend  grosse  Werthe  von  n.    Das- 
selbe gilt  daher  auch  für  22. 

Somit  erhält  man  für 

—  l<a:^+  1 
die  Entwickelung 

/*•  i"2  /»»o  <>•■« 

(8.)  1(1 +  ^)  =  ^_|. +  £._£- +_.... 

Es  ist  z.  B. 
(8a.)  I2  =  i_|  +  i_l+-.... 

Für  die  numerische  Berechnung  der  Logarithmen  ist  diese 
Reihe  noch  nicht  sehr  geeignet,  weil  man  sie  nur  för  die 
Berechnung  der  Logarithmen  zwischen  0  und  2  benutzen  kann, 
und  weil  man  sehr  viele  Glieder  der  Reihe  braucht,  um  den 
Logarithmus  auf  einige  Decimalstellen  genau  zu  erhalten. 

Man  kann  aber  aus  dieser  Reihe  einige  andere,  für  die 
numerische  Berechnung  weit  geeignetere  Reihen  ableiten.    Setzt 

man  z.  B.  in  Gleichung  (8.)  ic  =  ^,  so  erhält  man 

oder 

(9.)         l(a  +  y)  =  la  +  |-i^,  +  g-£,  +  -..., 

wenn  -  ein  ächter  Bruch  ist.     Für  y  =  1  folgt  hieraus 
(9a.)      l(a+l)  =  la  +  i-^-l,  +  3-l-^-l  +  -.... 


170  §  39.    Berechnung  der  natürlichen  Logarithmen. 

Eine  noch  brauchbarere  Reihe  erhält  man  auf  folgende 
Weise.    Nach  Gleichung  (8.)  ist 

/j»  /»•*  /y^  /J.4  /fO 

->•  'jr*  (»»O  /y\  <i»5 

Hl— ^)  =  — Y"— ^— -3— -4  — -5        •••; 

indem  man  diese  beiden  Gleichungen  von  einander  subtrahirt, 
findet  man 

(10.)  l(l+:.)_l(l_x)  =  l(l±j)=  2(i  +  I  +  ^  +  ...). 
Setzt  man  jetzt 

an  x--^—  also  1  I  :.^^y  +  ^^    i_a.-_2y_ 

so  wird 

und  Gleichung  (10.)  geht  über  in 

(12.)  l(y+.)=ly+2  [^  +  3-^,  +  ^-^,  +  ...]. 

Sind  y  und  z  positive  Zahlen,  so  wird  x  ein  ächter  Bruch, 
und  es  gilt  also  die  durch  Gleichung  (12.)  gegebene  Entwickelung. 

Diese  Reihe  wird  besonders  häufig  angewendet  f&r  den  Fall, 
wo  «  =  1  ist;  dann  wird  nämlich 

(12a.)  l(y+i)  =  ly+2[2-^+ 3^^^  +  ^^^^5  +  .-} 

§  39. 

Berechnung  der  natürlichen  Logarithmen. 

Aufgabe.  Man  soll  die  natürlichen  Logarithmen  der  Zahlen 
1  bis  10  auf  8  Decimalstellen  genau  berechnen. 

Auflösung.  Um  in  dem  Resultate  eine  Genauigkeit  von 
8  Decimalstellen  zu  erzielen,  wird  es  gut  sein,  die  Rechnung 
bis  auf  10  Decimalstellen  durchzuführen. 


§  39.    Berechnung  der  natürlichen  Logarithmen.  171 

Zunächst  ist 
(1.)  11  =  0. 

Ferner  setze  man  in  der  Reihe 

(2.)  l(y+l)  =  l,+2[^+^^  +  ^^,  +  ...] 

y  =  1,  dann  wird 

12  =  2  (^+  ^-p  +  ^-^  +  ...j. 

Nun  ist 

1:3  =  0,333  333  333  3,  1:3  =  0,333  333  333  3, 

1 :  3»  =  0,037  037  037  0,      1 :  3  .  3»  =  0,012  345  679  0, 

1 :  3^  =  0,004 115  226  3,      1:5.3^=  0,0008230453, 

1:3'  =  0,000  457  247  4,      1:7.3'=  0,000  065  321 1, 

1:3»  =  0,000  050  805  3,      1 :  9  .  3»  =  0,000 005  645  0, 

1 :  3^1  =  0,0000056450,  1 :  11 .  3^1  =  0,0000005132, 

1 :  3^3  —  0,000000627  2,  1 :  13  .  3«3  =  0,0000000482, 

1 :  315  =  0,000000069  7,  1 :  15  .  3^^  =  0,0000000046, 

1 :  31'  =  0,000000007  7,  1 :  17  .  31'  =  0,0000000005, 

folglich  ist 

i-l2  =  0,3465735902 

und 

(3.)  12  =  0,6931471804. 

Setzt  man  in  Gleichung  (2.)  y  =  2,  so  erhält  man 
13  =  12  +  2(1  +  ^3  +  ^,  +  ...). 

Nun  ist 

1:5  =  0,2,  1:5  =  0,2000000000, 

1:5^  =  0,008,  1 :  3  .  53  =  0,002  666  666  7, 

1:5^  =  0,00032,  1 :  5  .  5»  =  0,0000640000, 

1:5'  =  0,0000128,  1:7.5'  =  0,0000018286, 

1:5»=  0,000000512,  1:9.5»  =  0,0000000569, 

1 :  511  =  0,0000000205,  1 :  11 .  51*  =  0,0000000019, 

1 :  5^3  =  0,0000000008,  1 :  13  .  5^»  =  0,0000000001. 


172  §  39.    Berechnung  der  natürlichen  Logarithmen. 

folglich  ist 

12  =  0,6931471804. 

Dies  giebt 

(4.)  13  =  1,0986122888. 

Ferner  wird 

(5.)  14  =  2.12  =  1,3862943608. 

Für  y  =  4  folgt  aus  Gleichung  (2.) 

15  =  14  +  2(1  +  3^  +  ^+...). 

Nun  ist 

1:9  =  0,1111111111,  1:9  =  0,1111111111, 

1:9-^=  0,001371 7421,  1:3.  9^  =  0,0004572474, 

1 :  9»  =  0,000 016  935 1,  1 :  5  .  9^  =  0,000003  387  0, 

1:9'  =  0,0000002091,  1  :  7  .  9'  =  0,0000000299, 

1:9»=  0,0000000026,  1:9.9»  =  0,0000000003, 
folglich  ist 

Kl  +  CT^  +  5^^+  •••)=  0,2231435514, 

14  =  1,3862943608; 
dies  giebt 

(6.)  15  =  1,6094379122. 

Femer  ist 

16  =  12  +  13  =  0,6931471804  +  1,0986122888, 
oder 

(7.)  16  =  1,7917594692. 

Für  y  =  6  folgt  aus  Gleichung  (2.) 

17  =  16 +  2(^+^^  +  ^4p +...). 


§  39.    Berechnung  der  natürlichen  Logarithmen. 


17a 


Nun  ist 

1:13  = 

1 :  13=^ : 

1:13^: 

1 : 13' : 
folglich  ist 


0,0769230769, 
0,0004551661, 
0,000002  6933, 
0,0000000159, 


1:13 
1:3.13^ 
1:5.  13'^ 
1:7. 13' 


0,0769230769, 
0,0001517220, 
0,0000005387, 
0,0000000023, 


+ 


+  - 


13    '    3.13'^   '    5.135 
13^  3.13=^^  5.  135 


(h 


dies  giebt 
(8.) 

also 
(9.) 


+  ...  =  0,077075339  9, 

+  ...^=  0,1541506798, 
16  =  1,791759469  2; 


also 
(10.) 

also 
(11.) 


17  =  1,9459101490; 

18  =  3  .  12  =  3  .  0,6931471804, 

18  =  2,0794415412; 

19  =  2  .  13  =  2  . 1,0986122888, 


19  =  2,1972245776; 
HO  =  12  +  15  =  0,693  1471804  +  1,609437  9122, 


110  =  2,3025850926. 

Berücksichtigt  man  nun,  dass  die  beiden  letzten  Decimal- 
stellen  in  den  vorstehenden  Rechnungen  nicht  mehr  ganz  zu- 
verlässig sind,  und  behält  man  deshalb  nur  8  Stellen  bei,  so- 
ergiebt  sich  als  Resultat  der  Rechnung  die  folgende  Tabelle 

11  =  0, 

12  =  0,69314718, 
13=1,09861229, 
14=  1,38629436, 

n2.)  J       15  =  1,609437  91, 

16  =  1,79175947, 

17  =  1,945  91015, 

18  =  2,07944154, 

19  =  2,19722458, 
110  =  2,30258509. 


174 


§  39.    Berechnung  der  natürlichen  Logarithmen. 


Will  man  hieraus  die  Logarithmen  mit  der  Basis  10  berechnen, 
so  hat  man  nach  den  Ausführungen  in  §  18  die  gefundenen 
Wei-the  mit  dem  Modul  des  Än^^^Ä'schen  Logarithmensystems, 
nämlich  mit 


(13.) 

ZU  multipliciren. 


^^^       HO        2,30258509 


=  0,43429448 


Bezeichnet  man  also  log«  mit  ilf,  so  erhält  man  für  die 
Logarithmen  mit  der  Basis  10  folgende  Tabelle: 

log2  =  Jf.l2  =0,30102999, 

log3  =  Jf.l3  =0,47712125, 

log4=Jf.l4  =0,602  059  99, 

log5  =  Jf.l5  =0,698  97000, 

(14.)                   I     log6  =  Jf.l6  =0,77815125, 

log7  =  Jf.l7  =0,84509804, 

log8  =  ilf.l8  =0,90308998, 

log9  =  3f.l9  =0,95424251, 

loglO  =  Jf .  HO  =  1,00000000. 

Für  die  Berechnung  der  Logarithmen  aller  übrigen  Zahlen 
mit  der  Basis  10  findet  man  aus  Gleichung  (2.)  durch  Multi- 
plication  mit  M 

1 


(15.)  log(y+l)  =  logy+23/[^  + 


+ 


• « «  I  • 


Dabei  braucht  man  von  der  Reihe  höchstens  nur  noch  die 
drei  ersten  Glieder,  wenn  man  auf  8  Decimalstellen  genau 
rechnen  will.  Bei  etwas  grösseren  Zahlen  werden  sogar  schon 
die  beiden  ersten  Glieder  ausreichen.    So  ist  z.  B. 


153 

1 
105 


=  ^^-2  +  <iÜ5  +  37IÖP +  •••)' 


=  0,0095238095, 


3.105 


?;:j 


=  0,000000287  9; 


§  39.    Berechnung  der  natürlichen  Logarithmen. 


175 


folglich  ist 

153  =  152  +  2  .  0,0095240974 

=  152  +  0,0190481948. 

Hier  hat  schon  das  dritte  Glied  der  Reihe  in  den  ersten 
8  Decimalstellen  keine  geltende  Ziffer  mehr. 

Allerdings  darf  man  es  sich  nicht  verhehlen,  dass  die  Fehler, 
welche  man  durch  Vernachlässigung  der  späteren  Decimalstellen 
begeht,  bei  diesem  Verfahren  um  so  grösser  werden,  je  weiter 
man  es  fortsetzt.  Zu  dem  Fehler,  der  schon  bei  der  Bildung 
von  \y  begangen  ist,  tritt  ein  neuer  Fehler  bei  der  Bildung  von 
l(y  +  1)  hinzu.  Ist  femer  die  Zahl  w,  deren  Logarithmus  man 
bilden  will,  eine  zusammengesetzte,  ist  z.  B. 

n  =  abc . . . , 

so  wird 

lw  =  la  +  16  +  lc+  ..., 

so  dass  der  Fehler  bei  \n  gleich  der  algebraischen  Summe  der 
Fehler  bei  la,  16,  Ic, . . .  ist. 

Man  muss  daher  die  Logarithmen  der  Primzahlen  2,  3 
und  5 ,  die  am  häufigsten  bei  der  Bildung  zusammengesetzter 
Zahlen  vorkommen,  ganz  besonders  genau  berechnen  und  kann 
das  in  folgender  Weise.    Es  ist 


(16.) 


-Q'©'-©'- 


«'Y . 


-©■■(i)-a 

/16\i«   /25\»2   /81\^ 


Daraus  folgt 


(17.) 


^'(D+^KS- 


>-"'(il)+«'(i)  +  ^'(l5) 

l'--(n) +-(!)+ "(m) 


176 


§  39.    Berechnung  der  natürlichen  Logarithmen. 


Nun  ist  aber  nach  Gleichung  (2.),  wenn  man  für  y  die 
Werthe  15,  24  und  80  einsetzt  und  mit  20  Decimalstellen 
rechnet, 


Hl5)""^(31  +  3T3p  +  --7 


(18.) 


1 


=  0,064  538521137  57117170, 

1 


\24/  V4i 


+ 


+  ...) 


1 


161  "^3.  1613  "^  "7 


.49   '    3.49» 
=  0,040  82199452025512956, 

m  =  2  a 

V8oy        Vi6 

=  0,012  422  519  998  557  153  30. 

Bei  der  Berechnung  von  MTr )  und  1(St)  braucht  man 
hierbei  nur  6  Glieder  der  Entwickelung,  bei  der  Berechnung 
von  \\qk)  sogar  nur  4.    Dadurch  findet  man 

12  =  0,693 147 180  559  945  309  60, 

13  =  1,09861228866810969168, 
15  =  1,609437  91243410037502, 

HO  =  2,302585  09299404568462. 

Es  ist  nicht  zu  verlangen,  dass  in  diesen  Resultaten  die 
beiden  letzten  Decimalstellen  noch  genau  richtig  sind;  und 
zwar  ist 

bei  12,        13,         15,         HO, 

die  obere  Fehlergrenze  ±  48,     ±  67,  ±  112,  ±  160, 
und  der  wirkliche  Fehler  +  18,     +  28,     +  42,     +  60 ; 
d.  h.  die  hier  angeführten  Werthe  von  12,  13,  15,  HO,  sind  in 
den  letzten  beiden  Decimalstellen  bezw.  um  18,  28,  42,  60  zu 
gross. 

Es  ist  dem  Anfänger  sehr  zu  empfehlen,  die  liier  angedeutete 
Rechnung  wirklich  durchzuführen. 

Jetzt  ist  es  auch  möglich,  17  sehr  genau  auszurechnen, 
denn  es  ist 

72  —  _     9     ^^2 


§  40.    Partes  proportionales.  177 

also 

217  =  12  +  215  — l(|^V 

Dabei  ist  nach  Gleichung  (2.)  for  y  =  49 

^(49)  ""  ^ (99  "^  37993  +  57995  +  ••7 
=  0,02020270731751944840, 

und  wenn  man  die  hier  gefundenen  WeiUie  zu  Grunde  legt, 

12  +  215  =  3,91202300542814605964, 

also 

217  =  3,89182029811062661124, 

17  =  1,945910149055313305  62, 

ein  Werth,  der  in  den  beiden  letzten  Decimalstellen  um  51  zu 
gross  ist. 

§  40. 

Partes  proportionales. 

Nach  Gleichung  (4.)  in  §  38  ist  für  «  =  2 

i(i  +  -)=j— ä  +  äCr+öi)' 

also 

a.)  .(S)=-+^  -  *=H(i:^y+(i^.)l- 

Nun  wird  für  0  <  a:  <  +  1 

X  X  X 

folglich  ist 

^<  fO  +  (T^)  =  Kr^J  Kl  — )' + 1]. 

oder 

Setzt  man  wieder 


X  = 


2y  +  5 

Stegenuum- Kiepert,  Düferential-Beclmiing.  12 


> 


178  §  40.    Partes  proportionales. 

also 

^^''~  2y  +  ^'  2y  +  ;r 

1 —  a;  ""      y  1  —  a;  ""  2y 

SO  wird 

(3.)  l(y  +  ^)  =  ly  +  _2|_  +  iJ, 

WO 

(4.)  Ä  < 


z^ 


12ya 
Ist  also  y  >  10000,  2^1,  so  wird 

(5.)  ^<  12. 10^2' 

d.  h.  R  hat  in  den  ersten  13  Decimalstellen  keine  geltende 
Ziffer  mehr. 

Darauf  gründet  sich  bei  dem  Gebrauche  der  Logarithmen- 
tafeln die  Berechtigung  für  die  Interpolation  durch  die  partes 
proportionales. 

Sind  z.  B.  in  einer  solchen  Tafel  die  Logarithmen  für  alle 
fün&telligen  Zahlen  angegeben,  so  kann  man  daraus  doch  noch 
den  Logarithmus  einer  siebenstelligen  Zahl  n  bis  auf  7  oder  8 
Decimalstellen  genau  finden,  wie  folgt. 

Da  es  nur  auf  die  Mantisse  des  Logarithmus  ankommt,  so 
setze  man  das  Decimal- Komma  hinter  die  fünfte  Ziffer,  nenne 
die  Ganzen  y  und  den  übrig  bleibenden  Decimalbruch  z^  dann  ist 

n  =  y  +  z^  wobei  y >  10000  und  z<l. 

Jetzt  ist 

(6.)  \n  =  \{y  +  z)  =  \y  +  -^^^  +  R., 

(7.)  l(y  +  l)  =  ly  +  5^  +  i?„ 

wobei  man  aber  die  beiden  Beste  Rz  und  R^  vernachlässigen 
darf,  da  beide  in  den  ersten  13  Decimalstellen  keine  geltende 
Ziffer  haben.    Setzt  man  daher 


§  41.    Methode  der  unbestimmten  Coefficienten.  179 


(8.)  •    J  =  l(y+l)-ly  =  ^-±-^, 

SO  wird 

(9.)  1^  =  ly  +      ^"^ 


2y  +  z 

2z  2z 

==lt/  +  z.J  + 


=  ly  +  Z.J  + 


2y  +  z       2y+l 
2z{l—z) 


(2t/  +  z)  (2y  +  1) 
Dabei  ist  aber 

2z  (1  —  z)  2z{l—z)        J_  1 


(2y  +  z)  (2y  +1)  4y2        ^  2y2  ^  2  .  lO'^ 

Setzt  man  also 

\n^=\y  +  z  .J  ^ 

so  ist  der  Fehler  so  klein,  dass  er  in  den  ersten  8  Decimalstellen 
keine  geltende  Ziffer  hat. 

Man  braucht  also  nur,  um  l;^  zu  erhalten,  in  den  Tafeln  \y 
aufeuschlagen  und  den  Ausdruck 

z.J^z\[{y+  1)  — ly] 

zu  addiren ,   welcher  unter  dem  Namen  y^partes  proportionales'-^ 
bekannt  ist. 

Das  Gesagte  gilt  zunächst  für  natürliche  Logarithmen,  da 
aber  die  JBny^^'schen  Logarithmen  aus  diesen  entstehen,  indem 
man  sie  sänuntlich  mit  Jf=loge  multiplicirt,  so  gilt  es  in 
ähnlicher  Weise  auch  für  Briffys^sche  Logarithmen  und  ebenso 
für  jedes  andere  Logarithmen -System. 

§  41. 

Methode  der  unbestimmten  Coefficienten. 

Bei  manchen  Functionen  ist  die  Bildung  der  höheren 
Ableitungen  sehr  umständlich;  deshalb  wählt  man  zur  Ent- 
wickelung  nach  Potenzen  von  x  einen  etwas  anderen  Weg. 

Man  weiss  nämlich,  es  ist  nach  der  Mac-Laurin^schen  Keihe 

(1.)     f(x)  =  A  +  A^X+  ^2^2  +  A^X^  +  .  .  .  +  AnX^  +  Ä, 

12* 


180  §  41.    Methode  der  unbestimmten  Coefficienten. 

wobei 

(2.)  ^=/(0),       ^1=-^^        ^2=*^\... 

wird.    Aus  Gleichung  (1.)  folgt  aber 

du 

Ist  also  die  Entwickelung  von/'(a:)  bekannt,  und  kann 
man  zeigen,  dass  R  beliebig  klein  wird  für  hinreichend  grosse 
Werthe  von  n,  so  findet  man  die  Werthe  der  Coefficienten 
-4i,  A^j  ^3,...  aus  Gleichung  (3.)  Deshalb  soll  der  folgende 
Satz  bewiesen  werden: 

Ist  für  hinreichend  grosse  Werthe  von  n  die    Grösse    -j- 

beliebig  kleinj  so  gilt  dasselbe  auch  von  R. 

Beweis.  Ist  e  eine  beliebig  kleine  Zahl,  so  gilt  die  Voraus- 
setzung 

(4.)  -e<f<  +  e, 

also 

dR  ^  dR  ^      ^  ^ 

oder 

deshalb  nimmt  R+  ex  mit  x  beständig  zu,  während  R  —  ex 
beständig  abnimmt ,  so  lange  x  zunimmt.  Für  a:  =  0  sind  aber 
beide  Functionen  gleich  0 ,  folglich  ist  fiir  positive  Werthe  von  x 

(5.)  R  +  ex>{)    und     R  —  ex<0, 

oder 

(5a.)  —  ex  <cR  <,-\'  ex. 

Für  negative  Werthe  von  x  findet  man  ebenso 

(6.)  +  ex<R<—ex. 

In  beiden  Fällen  wird  R  beliebig  klein,  denn  e  ist  beliebig 

klein. 

dR 

Dabei  ist  zu  beachten,   dass  -^   das  Kestglied   in  der 


§  42.    £ntwickelang  der  Function  arctgx.  181 

Entwickelung  von  /'  (x)  nach  steigenden  Potenzen  von  x  ist. 
Man  kann  daher  dem  eben  bewiesenen  Satze  anch  die  Fassung 
geben: 

Lässt  sich  f*  {x)  nach  steigenden  Potenzen  von  x  entwickeln^ 
80  ffilt  dasselbe  auch  von  f{x). 

Mit  Hülfe  dieses  Satzes  findet  man  z.  B.  sehr  leicht  die 
Entwickelung  von 

f{x)  ^\{l  +  x)  =  A  +  A^x  +  A:^x^  +  A^x^  +  ...  +  AnX""  +  JR, 

denn  es  wird  nach  dem  binomischen  Lehrsatze  für 

—  1  <a;<+l 

folglich  ist 

A  =/(0)  =  11  =  0,     ^1  =  1,'  2^2  =  —  Ij     3^  =  +  1, . . 

und  deshalb  in  Uebereinstimmung  mit  Formel  Nr.  59  der  Tabelle 

(8.)  i(n-;,)  =  £_|.  +  |— 1-  +  -.... 

Wenn  —  l<a:<+l  ist,  so  wird  dabei  B  beliebig  klein, 
weil  das  Kestglied  -j-  in  der  Entwickelung  von/'(a:)  beliebig 
klem  ist. 

§42. 

Entwickelung  der  Function  arotga?  nach  steigenden 

Potenzen  von  x. 

(Yergl.  die  Formel-TabeUe  Nr.  6ö.) 

Aufgabe.  Man  soll  die  Function  arctgo;  nach  steigenden 
Potenzen  von  x  entwickeln. 

Aufifisung.    Hier  ist 

(1.)   f{x)  =  aTCtgx^A-\'A^x+A2X^+A^x^+...+An;a!^+Ity 

(2.)  f'{x)^jl^=A,+2A^x+SA^x^+...+nAnßf^^+'^' 

Nun  wird  aber  nach  dem  binomischen  Lehrsatze,  wenn  x^ 
ein  ächter  Bruch  ist. 


182  §  43.    Berechnung  der  Zahl  n, 

(3.)  YT^^  =  (1  +  '^'^)"'  =  1  — ^2  +  ^4_^6  +  __  ...  , 

folglich  ist 

^=/(0)  =  arctgO=0, 

^1  =  1,  ^2  =  ^j  3 ^3  =  —  1,  4^4  =  0,  5-45  =  +  1, . . . 
und  deshalb 

I  X       x^   ,   x^       a:^   . 

arctg^  =  ---  +  y-y  +  -... 
für— l<a:<+  1. 

R  wird  dabei  beliebig  klein  för  hinreichend  grosse  Werthe 

du 

von  w,  weil  das  Restglied  -j-  in  der  Entwickelung  von  f*{x) 

beliebig  klein  ist. 

§43. 

Berechnung  der  Zahl  n 
durch  Anwendung  der  Entwickelung  von  arctga^. 

(Vergl.  die  Fonnel-TabeHe  Nr.  66—68.) 

Die  Enjtwickelung  von  arctga:  nach  Potenzen  von  x  ist 
sicher  richtig ,  so  lange  x  zwischen  —  1  und  +  1  liegt.  Es 
lässt  sich  auch  beweisen ,  dass  sie  noch  für  a;  =  +  l  richtig 
bleibt*).    Wenn  dies  der  Fall  ist,  so  findet  man  daraus  unmit- 

Tt  /Tt\ 

telbar  den  Werth  voji  — ,  weil  tgf-7J  gleich  1  ist.    Denn  die 

Reihe  giebt  für  :r  =  1 

(W  !E—  1       iu-i  —  io-i      -La-  — 

^  '^  4""  3*^5       7'^9       11  "^       •••• 

Diese  Reihe  heisst  die  Reihe  von  Leibniz. 
Aus  Gleichung  (1.)  folgt  weiter 

?=o-F)+a-f)^(i-n)+-. 


*)  Der  Beweis  kann  an  dieser  SteUe  übergaDgen  werden,  weil  die 
Folgerungen  des  Satzes  hier  nur  geschichtliches  Interesse  haben.  Iq  den 
Beispielen  auf  Seite  209  (§  47)  wird  der  Beweis  nachgeholt. 


§  43.    Berechnung  der  Zahl  n.  183 

oder 


und 


TT 

4 


~"^       V3       5/       V7        9)       (11       isj         •• 

oder 

Berücksichtigt  man  in  Gleichung  (2.)  die  ersten  n  Glieder 
und   ebenso  in  Gleichung  (3.),   so    findet   man   zwei  Zahlen, 

TT 

zwischen  denen  —  liegt.     Man  erkennt  aber  auch,   dass    die 

Eechnung  sehr  langwierig  werden  würde,  wenn  man  nach  einer 

dieser  Reihen  den  Werth  von  —  nur  auf  6  Decimalstellen  genau 

berechnen  wollte.  Man  kann  aus  den  Gleichungen  (2.)  und  (3.) 
noch  andere  ableiten,  die  zur  Berechnung  von  tt  geeigneter 
sind.    Durch  Addition  der  Gleichungen 

4  VI. 3^5. 7^9. 11  ^"7' 

4  V3  .  5  ^  7  .  9  ^  11 .  13  ^  ■  •  7 

erhält  man  nämlich 

2  ^     Vi. 3       3.5^5." 


5.7       7.9 

+  9711  ~  T1TT3  +—•••)' 

also 

(4.)     1  =  1  +  2. 4(j^  +  ^g  +  ^^  +  ...), 

oder 

.V        TT  i_i_2  ^     .  f       1  ,  1  1  \ 

(5.)      2  '~^  +  r:3~^^-^U.5.7'^7:9Tri  +  11.13.15+--7" 

Durch  Addition  der  Gleichungen  (4.)  und  (5.)  findet  man  iu 
ähnlicher  Weise 


1B4  §  43.    Beredhnung  der  Zahl  n. 

+  5:7:9~"7Xii'''~-'7' 

also 

(6.)     .  =  2  +  j^  +  2.4.6(j^  +  ^-^^  +  ...), 

oder 

(7.)     .  =  2  +  ^-?3  +  ^ 

~^**'®V3.5.7.9"''  7.9.11.13  "^  "V' 
In  dieser  Weise  kann  man  foitfiüiTen,  wobei  man  immer 
stärker  convergirende  Beihen  erhalt. 

Noch  sdmeller  fOhren  die  folgenden  Methoden  zmn  Ziele. 
Setzt  man 

(8.)  ^«  =  2»     *^®"     "  =  "<5*?(2)' 

(9.)  tge=-,        „        e  =  arctg(j), 

dann  wird 

i  +  i 
(10.)       tff(«  +  .)  =  i2i±^  =  All^  =  5       1, 
^      ^        «ov     •     /       1 — tgwtgc        ,115         ' 

^-23 

oder 

(11.)  w  + t?  =  arctgl  =-j- 

Dies  giebt 

(12.)  I  =  arctg  (I)  +  arctg  (|) , 

oder 

oder 

(14.)  4  =  (2  +  3)~3  fe  ■•■  p)  +  5  fe  "^  FV~  +  •  •  •  • 


§  4S.    Bereclmimg  der  Zahl  n,  185 

Diese  Beihe  heisst  die  Reihe  von  Etder.  Sie  ist  zur  Be- 
rechnung von  n  schon  weit  geeigneter  als  die  Beihe  von  Leibniz, 

Mctchin  hat  eine  Beihe  zur  Berechnung  von  n  angestellt, 
welche  für  die  numerische  Berechnung  noch  zweckmässiger  ist. 
Er  setzte  zunächst 

(15.)  tgtt  =  ~ ,      also      u  =  arctg  T- j  • 

Hieraus  folgt 


(16.) 


(17.) 


tg(2M)  = 

t«(4«)  = 

Es  ist  demnach 

2t«« 
1  — tgi« 

2tg(2M) 

1  —  tg»(2M) 

2 
5 

5 

5 
6 

12' 
120 

1   25 
144 

~  119 

tg(4tt)  >  1,    also     4tt  >  -j  • 
Der  Unterschied   zwischen  4t^  und  —   ist  offenbar  sehr 

4 

klein;  bezeichnet  man  ihn  mit  t?,  so  wird 

TT  JX 

(18.)  4w  =  -7+t?,     oder    4w  — ©  =  - 

4  4 

und 

(19.)  t?  =  4w  — ^• 

Deshalb  erhält  man 

^(^«)-tg(;) 

tgr  =  tg  (4«- jj  =  — - , 

oder 

120 

/oA^  4r  119  1 

(20.)  tg.=:-— —  =— . 

^  +  II9'^ 


186  §  43.    Berechnung  der  Zahl  n. 

Dies  giebt 
(21.)  V  =  arctg(2jg) 

und  mit  Rücksicht  auf  die  Gleichungen  (18.)  und  (15.) 

(22.)  ^^4:11  — v^  4:  arctg^l^)  —  aix tg  (^ , 

oder 

(23.)  4-  =  4(5— 3753+ 5:y5— +  •••)— (239~3:239ä 

Will  man  also  den  Werth  von  n  bis  auf  8  Decünalstellen 
genau  berechnen,  so  findet  man 

1:5=  0,2000000000,  —  1 :  3  .  5^  =  —  0,0026666667, 

1 :  5  .  55  =  0,000  064  000  0,  —1:7.57  =  —  0,000  001 828  6, 

1 :  9  .  59  =  0,0000000569,       —  1 :  11 .  5^1  =  —  0,0000000019, 

1:13.513  =  0,0000000001, 
also 

arctg  (^^  =  0,200064057  0  —  0,0026684972 

=  0,1973955598. 
Ferner  ist 

1:239=  +0,0041841004 

—  1:3.  239-i  =  —  0,0000000244, 
also 

arc  tg  {^^  =  0,004 184076  0. 
Daraus  folgt 

J  =  4arctg(i)-arctg(.^) 

=  0,7895822392  —  0,0041840760, 
oder 

'^=  0,7853981632, 
4 

TT  =  3.1415926528. 

Hierbei  sind  die  beiden  letzten  Decimalstellen  nicht  mehr 
sicher,  weü  schon  bei  Berechnung  von  arctg f—)  durch  Ver- 


§  44.    Entwickelung  der  Function  arcsina:.  187 

nachlässigung  der  folgenden  Decimalstellen  ein  kleiner  Fehler 
begangen  ist,  der  in  der  10*®"  Decimalstelle  kleiner  als  2^  ist. 
Dieser  kleine  Fehler  wird  aber  bei  der  Bildung  von  n  mit  16 
multiplicirt,  weil 

;r  =  l6arctgQ-4arctg(^) 

ist.    Dazu  tritt  noch  ein  Fehler,  der  von  4  arctg  (^^)  herrührt 

und  der  in  der  letzten  Decimalstelle  kleiner  ist  als  4.  Der 
Gesammtfehler  ist  also  kleiner  als 

44 

101«' 
Durch  eine  Rechnung  auf  mehr,  z.  B.  auf  20  Decimalstellen 
findet  man  dies  bestätigt;  es  wird  dann  nämlich 

n  =  3,14159265358979323846. 

Daraus  erhält  man  ohne  Weiteres  noch  die  folgenden  Zahlen, 
welche  in  der  Vermessungskunde  häufig  angewendet  werden: 

arc  1 0  =  -^  =  0,017  453  292  519  943, 

180 

o  0  ^  ±211  :=,  57,295  779  513  1 ; 

7t 

arc  1'  =  TE^-^  =  0,000  290  888  208  666, 

loO .oü 
^  180.60  ^  g 437  746 770 734 9 ; 

^  180.60.60  ^  206264,806247  0964. 

7t 

§44. 

Entwickelung  der  Function  arcsina?  nach  steigenden 

Potenzen  von  x. 

(Vergl.  die  Formel-Tabelle  Kr.  69.) 

Aufgabe.    Man  soll  die  Fanctioii  arcsin^j;  nach  steigenden 
Potenzen  von  x  entwickeln. 


188  '    §  41.    Entwickelong  dar  Ftmction  arcsin«. 

AuflStung.    Setzt  man  hier 
(1.)   f(x)  =  arcsina;  =  A  +  A^x  ■{■  A^"^  +  . . .  +  ^»a^  +  B, 
SO  wird  nach  dffln  binomischen  Lehrsatze 


(2.) 


/'<-)=  y=^  =  (i-^')"* 


=  Ai-\-  2AiX  +  ...  +  nA„a^^  +  ^ 

-1  +  2*   +274^^  ''■274:6*  ■^••" 

Wenn  d:^  kleiner  ist  als  1,  so  wird  -j-  beliebig  klein  für 

hinreichend  grosse  Werthe  von  n,  folglich  gilt  auch  dasselbe  für 
Mj  und  man  erhält 

A  =/(0)  =  aresin  0  =  0, 

^1=1,     2^2  =  0,     3^3  =  |,     4^4  =  0,     5^5  =  1^,..., 

folglich  ist 

(3.)      arcsm:r  =  -  +  --+— -  +  ^-^^+... 

für  — l<x<+  1. 

Auch  diese  Eeihe  kann  man  zur  Berechnung  von  n  benutzen. 
Es  ist  nämlich 

-)  =  -,    also  -g  =  arcsm(2), 
folglich  wird 

^  =  i4-i      1         1»3       1  1.3.5      1 

6       2'^2*3.2»"^2.4*5.2s"^2.4.6*7.2''^"** 


V.  Abschnitt. 

Conyergenz  der  Beihen. 

§  45. 

Erklärungen  und  vorbereitende  Beispiele. 

Ist 
(1.)  «m  —f{rn) 

eine  gegebene  Function  der  positiven  ganzen  Zahl  w,  so  bilden 
die  einzelnen  Functionswerthe 

/(O),    /(l),    /(2),.../(;^-l), 

oder 

Wq,       Wjj       U^^    ,  .  .    Wn— 1) 

eine  endliche  Reihe ^  welche  aus  w Gliedern  besteht,   und  deren 
Summe  mit  Sn  bezeichnet  werden  möge.    Es  sei  also 

(2.)  Äi  =  W„  +  W,  +  t^2  +  •  •  •  +  «'n-l. 

Wächst  die  positive  ganze  Zahl  n  in's  Unbegrenzte,  so  wird 
aus  der  endlichen  Beihe  eine  unendliche  Reihe.  Dabei  kann  es 
vorkommen,  dass  sich  Sn  mit  unbegrenzt  wachsendem  n  einer 
bestimmten^  endlichen  Grenze  S  nähert,  dass  also 

(3.)  lim  iSn  =  Ä' 


n  =  ao 


wird.  In  diesem  Falle  heisst  die  unendliche  Reihe  (oder  kürzer: 
die  Reihe)  convergent.  Die  Grenze  S  heisst  dabei  die  Summe 
der  Reihe. 

Wird  aber  Sn  mit  n  zugleich  unendlich  gross  oder  gar  unbe- 
stimmt^ so  heisst  die  Reihe  divergent.    Dies  giebt  die 

Erklärung.  Eine  Reihe  ist  convergent^  wenn  Sn^  die  Summe 
der  n  ersten  Glieder^  sich  mit  unbegrenzt  wachsendem  n  einet* 
bestimmten,  endlichen  Grenze  S  nähert. 


190  §  45.    Erklärungen  und  vorbereitende  Beispiele. 

Zahlreiche  Beispiele  für  solche  Reihen  liefert  der  vorher- 
gehende Abschnitt,  in  dem  die  Tayfor'sche  Reihe  behandelt  worden 
ist.  Dort  wurde  die  Convergenz  der  gebildeten  Reihen  dadurch 
gepinift,  dass  man  untersuchte,  ob  der  Rest  E  för  hinreichend 
grosse  Werthe  von  n  beliebig  klein  wird.  Ist  dies  der  Fall, 
so  ist  die  Reihe  in  der  That  convergent^  denn  der  Unterschied 
zwischen  der  Function  f(x  +  h)  und  Sn  wird  beKebig  klein, 
d.  h.  Sn  nähert  sich  der  endlichen  Grenze  f{x  +  h)  beliebig. 

Ein  anderes  Beispiel  liefern  die  geometrischen  Progressionen 
(4.)      S^=^A  +  Ap  +  Ap'^  +  ...  +  Ap^-'  =  ^^^—P"")  , 

wenn  p  ein  ächter  Bruch  ist,  denn  dann  wird  sich  nach  Formel 
Nr.  IIa  der  Tabelle  Sn  der  Grenze 

(5.)  *=r^ 

^  ^  1 — p 

nähern,  wenn  n  unbegrenzt  wächst. 
Auch  hier  wird  die  Differenz 

o  —  o«  = 

1—p 

beliebig  klein  für  hini'eichend  grosse  Wertlie  von  n. 

Soll  sich  Sn  mit  wachsendem  n  einer  bestimmten,  endlichen 
Grenze  S  nähern,  so  müssen  die  Grössen 

S —  Sn,  S —  Sn^.\  und  deshalb  auch  Sn^\  —  Sn=^Un 

für  hinreichend  grosse  Werthe  von  n  beliebig  klein  werden; 
d.  h.  die  Glieder  einer  convergenten  Reihe  müssen  von  einer 
bestimmten  Stelle  ab  immer  kleiner  und  schliesslich  unendlich 
klein  werden.  Damit  ist  nicht  gesagt,  dass  Wn+i  stets  kleiner 
als  Un  sein  muss;  es  ist  vielmehr  sehr  wohl  denkbar,  dass  ab 
und  zu  auch  grössere  Glieder  auf  kleinere  folgen;  wenn  aber 
n  in's  Unbegrenzte  wächst,  so  muss  w„  verschwindend  klein 
werden,  es  muss  also 

(6.)  lim  Wn  =  0 

sein. 


§  45.    Erklärungen  und  vorbereitende  Beispiele.  191 

Diese  Bedingung  ist  eine  nothwendige  aber  durchaus  noch 
keine  hinreichende^  wie  das  folgende  Beispiel  zeigen  soll. 
In  der  Reihe 

werden  die  Glieder  immer  kleiner  und  schliesslich  unendlich 
klein;  trotzdem  kann  man  zeigen,  dass  Sn  beliebig  gross  wird, 
wenn  man  nur  n  him^eichend  gross  macht,  dass  also  die  Reihe 
divergent  ist. 

Man  setze  zu  diesem  Zwecke 

w  =  2  +  2  +  4  +  8  +  ...  +  2"»-^  oder  n  ==  2'",' 
dann  wird 

+  (2^+ •••  +  2^Jj 

also 

'S«>l  +  |  +  ^  +  i+...  +  i=l  +  |- 

Da    man  jetzt  m  beliebig  gross  machen  kann,  so  wird 
auch  Sn  beliebig  gross,  d.  h.  die  Reihe 


oder 


1  ^2  ^3  ^4  ^5  ^••• 


ist  divergent 


In  der  Reihe 

wird  Sn  zwar  nicht  unendlich  gross,  aber  Sn  nähert  sich  mit 
wachsendem  n  keiner  bestimmten  Grenze,  denn  für  gerade  Werthe 
von  n  wird  Sn  gleich  Null  und  für  ungerade  Werthe  von  n 
wird  Sn  gleich  a.    Deshalb  ist  auch  diese  Reihe  divergent. 


192  §  46.    Heihezi  mit  lauter  positiven  Gliedern. 

Bei  der  Tay &r 'sehen  Reihe  hatte  man,  wie  schon  hervor- 
gehoben wurde,  die  Convergenz  dadurch  nachgewiesen,  dass  man 
untersuchte,  ob  der  Unterschied  R  zwischen  dem  Grenz werthe 
f{x  +  h)  und  den  n  +  1  ersten  Gliedern  der  Eeihe  mit  wachsen- 
dem n  beliebig  klein  werde.  In  ähnlicher  Weise  kann  man  die 
Convergenz  der  Eeihen  ganz  allgemein  prüfen.  Kann  man  näm- 
lich eine  Grösse  S  so  bestinunen,  dass 

(7.)  S—  Sn—Rn,  und   (8.)  lim ßn  =  0 

wird,  so  ist  nach  der  angegebenen  Erklärung  die  Reihe  con- 
cergent ;  und  umgekehrt  muss  i?»  für  hinreichend  grosse  Werthe 
von  n  Tbeliebig  klein  sein,  wenn  die  Reihe  convergent  ist. 

Man  kann  bei  einer  convergenten  Reihe  die  Grösse  iJ»,  welche 
man  den  Rest  der  Reihe  nennt,  auch  noch  in  folgender  Weise 
erklären.    Es  ist 

also 

\Ra Rn+q  =  Sn-\-q Äi,  =  Wn  +  Wn+l  +   . . .  4"  Wn+«-l. 

Da  nun  bei  einer  convergenten  Reihe  22«+,  mit  unbegrenzt 
wachsendem  q  verschwindend  klein  wird,  so  ist 

(10.)  Rn  =  lim(Wn  +  Wn+l  +  .  .  .  +  Wn+(?-l) 

9  =  00 

=  t/„  +  «„+1  +  ^„4-2  +  ...  in  inflnitum. 

§46. 

Reihen  mit  lauter  positiven  Gliedern. 

(VergL  die  Formel-TabeUe  Nr.  70  und  71). 

Zunächst  möge  die  Voraussetzung  gemacht  werden,  dass  alle 
Glieder  der  Reihe  endlich  und  positiv  sind.  Dann  gelten  die 
folgenden  Sätze: 

Satz  1.    ht 

«^0  +  «^1  +  «^2  +  •  •  • 

eine  convergente  Reihe  mit  lauter  positiven  Gliederny  und  ist  von 
einer  bestimmten  Stelle  ab 


Rn  —  Rn+i  =  Sn-^i  —  Sn  =  Wnj 
(9.)    1  Ät  —  Rn-i-2  =  ^^1+2  —  Sn^=  Un  +  Wn-fl , 


§  46.    Reihen  mit  lauter  positiven  Gliedern.  193 

SO  ist  auch  die  Heifie 

^0  +  «*!    +  «*2  +  •  •  •  J 

(die  lauter  positive  Glieder  enthalten  möge)  convergent. 
Beweis.    Setzt  man 

aS;  =  «0  +  «^1  +  •  •  •  +  «^»-1  J       Ä'n'  =  t?o  +  »1  +  .  .  .  +   Vn-U 

SO  wird 

Sn-\-q Äi»  =  Wn  +  «^n+l  +  •  •  •  +  «n+g-l , 

S'n-^q Ä"n  =  t?n  +  «?n+l  +  .  •  •  +  t?n+j— 1 , 

und  nach  Voraussetzung  wird 

Auserdem  nähert  sich  nach  Voraussetzung  Ä'n+j  —  S*n  mit 
wachsendem  n  der  Grenze  0,  wie  gross  auch  q  sein  mag,  folg- 
lich erst  recht  Sn^rq  —  ^n,  d.  h,  Sn  und  Sn+q  nähern  sich  der- 
selben endlichen  Grenze. 

Satz  2.    Ist 

«^0  +  «?!   +  «?2  +  ••• 

eine  divergente  Reihe  mit  lauter  positiven  Gliedern^  und  ist  von 
einer  bestimmten  Stelle  ah 


SO  ist  auch  die  Reihe 

«^0  +  «^1  +  «^2  +  .  .  . 

divergent. 

Beweis.  Wäre  die  Reihe  ^o  +  ^i  +  «^2  +  •  •  •  convergent, 
so  müsste  nach  dem  ersten  Satze  auch  »0  +  ^1  +  ^2  +  •  •  •  kon- 
vergent sein,  und  das  widerstreitet  der  Voraussetzung. 

Satz  3.     JEine  Reihe 

«^0  +  "1  +  ^2  +  .  .  . 

mit  lauter  positiven  Gliedern  convergirt,  wenn  von  einer  bestimm- 
ten Stelle  ab 

(1.)  "^'-^iKl 

tstj  wobei  k  eine  von  n  unabhängige  Constante  ist. 

Stegemaim -Kiepert,  Differenüal-Beohniiiig.  13 


194  §  46.    Reihen  mit  lauter  poeitiven  Gliedern. 

Beweis.    Nach  Voraossetzung  wii*d  für  hinreichend  grosse 
Werthe  von  n;  z.  B.  fiir  »^»» 

^also 


<2.) 


d.  h.  von  einer  bestimmten  Stelle  ab  sind  die  Glieder  der  be- 
trachteten Eeihe  gleich  oder  kleiner  als  die  der  Eeihe 

diese  Eeihe  ist  aber  convergmt^  denn  sie  ist  eine  geometrische 
Progression,  bei  welcher  der  Quotient  k  kleiner  als  1  ist,  und 
deren  Summe  daher  nach  Formel  Nr.  IIa  der  Tabelle  gleich 

l—k 
wird.    Deshalb  ist  nach  Satz  1  auch  die  Eeihe 

«0  +  «1  +  «2  +  . . . 

convergent 

Beispiele. 


1)       ^-  =  i  +  n  +  2!  +  ---  +  (»-i)! 

Hier  ist 


a; 


n 


^+1 


also  wird 


Un-\-\  X 


SA<1, 


Un         n+l 

wenn  man  n+l  grösser  als  x  wählt,  folglich  ist  die  Eeihe 


X    .  x^  ,  x^ 


^ +  1!  + 2! +  3!  ■*■'•• 


für  alle  endlichen  Werthe  von  x  convergent. 

9^    ^  —  £  j-l£!-Lili~-U  1.3...  (2n— 3)    a;2n-i 

^     "~  1  "^2  3  "^2.4  5"^'""^2.4...f2n-2)2»— ] 


x^ 


§  4ß,    Beihen  mit  lauter  positiven  Gliedern.  195 

Hier  ist 

_  1.3..,{2n  —  S)(2n—l)    x^^-^^ 
^•*'"     2.4...(2«  — 2j.(2»)      2»  +  l' 

__  1 .  3  . , .  (2n  —  1)  (2n  +  1)    a^^^"^^ 
«*«+!  -     2.4...  (2n)  .  {2n  +  2)      2n  +  s' 

folglich  wird 

Un±i_        {2n  +  l)^x^       ^  V    ^  n  ^  n'^J 
Un   "■  (2»  +  2)  (2/1  +  3)  4   ,   H  +  A 

n        rfi 

Ist  2;  gleich  1,  so  nähert  sich  dieser  Ausdruck  mit  wachsendem 
n  dem  Werthe  1  beliebig,  dann  ist  also  die  Bedingung 

nicht  erfüllt,  denn  h  muss  um  eine  endliche  Grösse  von  1  ver- 
schieden sein.  Damit  ist  noch  nicht  gesagt,  dass  in  diesem 
Falle  die  Reihe  divergent  ist;  es  lässt  sich  viehnehr  ihre  Con- 
vergenz  auf  einem  anderen  Wege  (vergl.  Seite  204)  sehr  wohl 
beweisen. 

Ist  dagegen 

a;2  =  Ä  <  1 , 
SO  wird  auch 

in  diesem  Falle  ist  al^o  die  Eeihe 

1  "^  2  3   ■^2745""^'" 

sicher  convergent. 

3)     Sn  =  l+Yp'^'^  +  ^+'"+{n  —  l)p\ 

wobei  jp  >  0  sein  möge. 
Hier  ist 

X^  /pn+l 

folglich  wird 

13* 


196 


§.  46.    Reihezi  mit  lauter  positiven  Gliedern. 


=(^iX-^= 


X 


(^ + ä' 


gleich  oder  kleiner  als  ein  achter  Bruch  A,  wenn  x  gleich  k  ist. 
Die  Reihe 


X 


X 


2 


X' 


ist  also  canv6rffent,  wenn  x  kleiner  als  1  ist. 

Satz  4.     Eine  Heihe  mit  lauter  positiven  Gliedem  ist  diver 
ffentj  wenn  von  einer  bestimmten  Stelle  ab 

(3.)  "^  ^  1 

ist 


u. 


Beweis. 


(4.) 


Wm  =  «i 


Wm-l-2  ^  Wm+1  ^  t^mj 


Da  nnn  die  Reihe 

w»  +  «^  +  ««+..  • 
divergent  ist,  so  ist  die  Reihe 

<*0  +  «1  +  Wi  +  • .  . 

nach  Satz  2  erst  recht  divergent.  * 

Die  Reihen 

X        1  a:^        1 .  3  a:^ 

1  "^  2   3  +  2  .  4  5  ■*■  '  • ' 

und 

X  Ot^  X 

welche  vorhin  in  den  Beispielen   2  und  3  untersucht  wurden, 
sind  daher  divergent^  wenn  a;>  1  ist;  denn  man  kann  dann  n 

so  gross  wählen,  dass  auch  die  Grössen  — ^,  nämlich 

II« 


§  46.    Reihen  mit  lauter  positiven  Gliedern.  197 


x^ 


bezw. 


gleich  oder  grösser  als  1  werden. 

Satz  5.     Eine  Reihe  mit  lauter  positiven  Gliedern  ist  con- 
vergent,  wenn  von  einer  bestimmten  Stelle  ah 

(5.)  yiTn^kKl 

ist. 

Beweis.    Nach  Voraussetzung  ist  für  n^m 

(6.)  Un^k"", 

folglich  wird 


Wm+2  S  *""*"^ 


d.  h.  von   einer  bestimmten  Stelle  ab  sind  die  Glieder  der 
betrachteten  Eeihe  gleich  oder  kleiner  als  die  der  Reihe 

l  +  k  +  k^  +  k^  +  ..,. 

Diese  Reihe  ist  aber  convergent^  denn  sie  ist  eine  geometri- 
sche Progression,  bei  welcher  der  Quotient  k  kleiner  als  1  ist, 
und  deren  Summe  daher  nach  Formel  Nr.  11  a  der  Tabelle  gleich 

1 
1  —  k 

wird.    Deshalb  ist  nach  Satz  1  auch  die  Reihe 

convergent. 

Beispiel. 

Es  sei 

^»  —  -|^2   "1"  22   "^  32   ■*"  42    "^  •••"*"  7^2  ' 

also 


198  §  46.    Beulen  mit  lauter  positiven  Gliedern. 


und 


^"  =  ^'     «»+i  =  (^ipip  *) 


Un         \n  +lj         /    ^  1 Y 


Dieser  Ansdrack  nähert  sich  dem  Werthe  1  beliebig  mit 
wachsendem  n,  wird  also  grösser  als  jeder  beliebige  ächte 
Brach  k.  Der  Satz  3  reicht  hier  deshalb  zum  Beweise  der 
(Konvergenz  nicht  aus. 

Ebenso  nähert  sich 

dem  Werthe  1  beliebig,  denn  es  ist 

log  iVün)  =  logU  "  V  =  —  ^  log». 

Dieser  Ausdruck  wird  aber  mit  wachsendem  n  beliebig  klein. 

Nimmt  man  z.  B.  die  Zahl  10  als  Basis  des  Logarithmensystems 

und  setzt 

-n  =  lO"», 

so  wird 

,     ?/-  2m 

logywn=— -j^i 

n  

folglich  nähert  sich  log  Yün  mit  wachsendem  m  dem  Werthe  0 


*)  Da  in  der  Summe  S«  =  «o  +  **i+«2  +  .-«  +  <*«— *  das  n'«  Glied 
mit  tin-i  bezeichnet  worden  war,  so  müsste  man,  streng  genommen, 

1  1 

****""  (n  +  1J2  •     "~+^""(n-f2j2 

setzen;  man  kann  aber  auch  das  erste  Glied  uo  =  0  setzen,  dann  wird 
in  dem  vorliegenden  Beispiele 

Ä»  =  0  +  p-+22  +   ...  +  (^  _  1J2  .   »l80  «»  =  ^»  ****+*  ""  (W  +  1)2  * 


§  46.    Reilieii  mit  lauter  positiven  Gliedern.  199 

und  deshalb   yun  dem  Werthe  1  beliebig.*)    Daher  ist  auch 
der  Satz  5  nicht  unmittelbar  verwendbar. 

Setzt  man  aber 

12 


Wo  =— J 


1  _1_  1 

%  =  2^  +  32' 

_  1  ,  1  ,  1  ,  1 

^2  —  p-  -r  ■^'i'  62"  "^  72"' 


W»»  /cknt\0       •"    /rtm     I      -1  \9       •       •   •   •      • 


SO  wird 


(2"»)2    ■   (2«+ 1)2   .   •••   .   (2« +  2«»  — 1)2 


Wo  =  1, 

1_,  _ 

22    '   22  ~"  2 

42  ~  42  ^  42  ~  42         4 


Wi  <:7r'+  ^;ö-  =  ~' 


.     1       ,   _i_  ,  ,       1 

^w  "^  /9»/M2  "^  r9»M2  "T  •  •  •  "1" 


(2"*)2    '     (^2''*j2    '        •'    J     (2'»)2         2~ 

Es  ist  also 


1  / —     1  /—     1  "*> —     1 

^i  <  2'     y«^2<2'     y%<2'  •••  y^fn<2' 

und  deshalb  die  Eeihe 

][2   "^  22  32    "  42   "»     52   ~  "  • 

Satz  6.     Eine  Heike  mit  lauter  positiven  Gliedern  ist  diver- 
gent^ wenn  von  einer  bestimmten  Stelle  ab 


*)  Ein  voUatändig  strenger  Nachweis  dafür,  das  lim  y-^  =  1  ist, 
wird  an  einer  späteren  Stelle  gegeben  werden. 


200 


§  46.    Reihen  mit  lauter  positiven  Gliedern. 


(8.) 
ist. 


n 


Beweis.    Für  hinreichend  grosse  Werthe  von  i«  ist  in  diesem 
FaUe 

da  nun  die  Reihe 

1  +  1  +  1  +  ... 

divergent  ist,  so  ist  die  Eeihe 

Wo  +  Wj  +  «2  +  •  •  • 

dkch  Satz  2  erst  recht  divergent. 

Das  zu  Satz  5  gegebene  Beispiel  kann  man  sogleich  ver- 
allgemeinem und  den  folgenden  Satz  beweisen: 

Satz  7.     Die  Reihe 

i.  4.1.4.1.4.2.+ 
IP  ^  2^»       3^       4'' 

ist  convergent  für  p>  1. 

Beweis.    Setzt  man 


1    ,    1 

«1       2P       S^ 


(9.) 


Wm  = 


+ 


dann  wird 


(10.) 


(2")!'   '    (2»'+l)' 

l\p-i 


+  ...+ 


(2 


m-Hl 


i> 


«1  <  2?""^2^~V2/ 


IV-i 


"»  <  (2<»)i'  "^  (2»»)?  +  •  •  •  +  (2»)i' 


1  V"^ 


§  46.    Reihen  mit  lauter  positiven  Gliedern. 


201 


folglich  ist 

(11.)  u,  <(ij""' ,  f ^  <(!)'"' , . . .  K:  <(^y'\ 

und  da  nach  Voraussetzung  p  —  1  positiv  sein  soll, 

Deshalb  ist  die  Eeihe 

IP  ^  2^       3^  ^  41»  ~  •  •  • 
converffent,  wenn  j»  >  1  ist. 

Satz  8.     Die  Heike 

IP   ^   2P  S^  4:P 


ist  diver  ff  ent  für  f^l. 

Beweis.    Setzt  man  in  diesem  Falle 


(12.) 


^        2P 


^2=37+4?' 


Wm  = 


+ 


dann  wird 


(2"»-^+l)^    •   (2"-^ +2)^ 


+  ...+ 


(13.) 


(2«)!' ' 


Uo  >  —  +  —  =  -•  41-^, 

2  ^  4P  ~  4P       2  ' 

^  >  gp  -r  Qp  T-  Qp  T-  Qp       gp       2  ' 


^m  >  ^2»»)1'  "*"  (2«)^  +  •  ••  +  ^2mjp  —  2  '  ^^'"'^      ^' 


oder 

(14.)  |/2ir2>2^-i',       |/2^>2»--P,...y2ii;>2i-^. 


m 


202  §  46.    Reihen  mit  lauter  positiven  Gliedern. 

Es  wird  also,  da  j»  S 1  und  deshalb  1  — p  ^  0  ist, 

folglich  ist  nach  Satz  6  die  Eeihe 

2tto  +  2wi  +  2^2  +  •  •  • 
und  deshalb  auch  die  Eeihe 

«^0  +  «1  +  ^2  +  .  .  . 

divergent. 

Satz  9.    Ist 

«0  +  «?1  +  «^2  +  «3  +  .  .  . 

eine  convergente  Reihe  mit  lauter  positiven  Oliedern^  und  ist  von 
einer  bestimmten  Stelle  ab 


^n-f1    <--  t^n-ft 


(15.) 

^        ^  Un     —      Vn 

SO  ist  auch  die  Reihe 

«'O  +  «1  +  «^2  +  «^  +  .  .  .  , 

{welche  gleichfalls  lauter  positive  Glieder  enthalten  möge),  con- 
vergent. 

Beweis.    Ist   m  hinreichend  gross,  so  wird  nach  Voraus- 
setzung 

Utn      ~      Ü»    ' 

oder,  wenn  man  —  mit  A  bezeichnet, 


(16.) 

Wm+l  '^  *^w+l  .  A. 

Femer  wird 

(17.) 

^m4-2 

Daraus  folgt,  dass  von  einer  bestimmten  Stelle  ab  die 
Glieder  der  Eeihe  Uq  +  u^  -f-  u,^  +  . . .  kleiner  sind  als  die  ent- 
sprechenden  Glieder  der  Eeihe   ^t?o  + -^^i  + -^^2  +  •  •  •  5   ^ 


§  46.    Reihen  mit  lauter  positiven  Gliedern.  208 

aber  ©o  +  «^i  +  »2  +  •  •  •  nach  Voraussetasung  eine  convergente 
Beihe  ist,  so  gilt  dasselbe  von 

(18.)  Avq  +  Av^  +  Av2  +  ...; 

deshalb  ist  auch  nach  Satz  1  die  Reihe 

«'o  +  «'i  +  «^  +  . .  . 
convergent. 

Satz  10.     Eine  Reihe  mit  lauter  positiven  Gliedern 
ist  convergent^  wenn  von  einer  bestimmten  Stelle  ah 

(19.)  ,(._!^)a,>l 

ist. 

Beweis.    Aus  der  Voraussetzung  folgt 


n  —  p  r^n > 

oder 

(20.) 

Wn+l^^ P^ 

Un               n 

Setzt 

man  jetzt 

«?o 

=  0  iinci  für  ;2  >  0 

(21.) 

1 

so  ist  die  Eeihe 

t?o  +  «?i  +  «^2  +  . . .  =  0  +  —  +  27  +  . . . 
nach  Satz  7  convergent,  weil  p>l  ist.    Dabei  wird 
(22.)  ^  =  (-^Y. 

Nun  ist  nach  der  Jfac  -  Z/a«n«'schen  Eeihe 

(1  +  xy-^^  =  1  +  (/>  + 1)  (1  +  Qs^y .  ^• 

Da  0  S  ©  g  +  1  ist,  so  ist  für  positive  Werthe  von  x 

l+x'^l  +  Qx, 
also 

(1  +  xy+^  ^i  +  (px-{-x){i  +  xy, 


204  §  46.    Beihea  mit  lauter  positiven  Gliedern. 

oder 

(23.)  i-p,^(-^y. 

Setzt  man  in  dieser  Ungleichung  rc  =  — ,  so  erhält  man 

(24.)  i_£  =  ^zz£sf_^Y  =  £^, 

oder  mit  Eücksicht  auf  Ungleichung  (20.) 

(25.)  Un^^^J^, 

Es  gilt  deshalb  in  diesem  Falle  der  Satz  9,  d.  h.  die  Reihe 

Wo  +  Wj  +  t^2  +  «^  +  •  •  •  9 

ist  convergent. 

Beispiel. 

Es  sei 

e— 1    .    1     1,1.3    1  ,    l.S...{2n—S)         1 

'^~~^+2'3"*"2:i'5+--"*"2.4...(2w-2)*2^=I' 

dann  wird 

_  1.3...(2n  — 3)  (2n  — 1)         1 
^'''"     2.4...(2«  — 2).  (2w)    *2w+l' 

_1.3...(2»— 1)  (2n+  1)         1 
^'*'^^""     2.4...(2;j).(2w  +  2)    '  2»  +  3  ' 

Un^\  _         {2n  +  1)^         ___  4n^  +  4;>  +  1 
Un   ""  (2n  +  2)  (2n  H-  3)  ""  4»^  +  iQn  +  6 

n        n^ 


4  +  i2  +  -^ 


Dieser  Ausdruck  nähert  sich  mit  wachsendem  n  der 
Grenze  1  beliebig;  deshalb  ist  Satz  3  nicht  anwendbar.  Da- 
gegen wird 


§  46.    Reihen  mit  lauter  positiven  Gliedern.  205 

/  Un+x\  _     /  4;^2  +  4;^  +  1  \_       6;>^  +  6n 

\  UnJ         \         4;^2  +  10;i  +  6/      4^2  +  10;^  +  6  ' 

also 

/  Un+i\       6n^  +bn  —  ß  _  (2n  +  S){Sn  —  2)  _  Sn—2 
\  Un  / "^  4^2  +  10»  +  6  ""  (2w  +  3)(2»  +  2)  "■  2»  +  2  ' 

oder 

\  Un  /  2;^  +  2'n  =  oo    \  w„  /       2 

d.  h. 

n(l ^M  ist  für  w>4  ein  unächter  Bruch,  der  sich  dem 

Grenzwerth  |  beliebig  nähert,  folglich  ist  die  Reihe 

1    1    ,   1_^    1       1.8.5    1^ 
"^2*3  ■^2.4"5"*"2.4.6'7  "^•" 
converffent, 

Satz   11.      Eine    Reihe    mit   lauter  positiven    Gliedern   ist 
divergent^  wenn  von  einer  bestimmten  Stelle  ab 

(26.)  »0-^')si 

ist. 

Beweis.    Aus  der  Voraussetzung  folgt 
(27.)  ;^_lg^!fü±l,    oder  ^^'^"^^Zll. 


Un  Un    —        n 

Setzt  man  also 
(28.)  {m  —  l)u„,=zA, 

SO  ist  fiir  hinreichend  grosse  Werthe  von  m 

A 


f*tn 

m  —  1 

Wm+l 

^  (m  —  1)  Um 
m 

— 

A 

m 

7 

Um-^2 

fn  +  1       m 

A 

+ 

T 

> 

4/                     ■        M 

^(m  +  l)wm+2-^ 

!* 

A 

•             • 

m  +  2 

• 

m 

• 

+  2 

9                   • 

206  §  47.    Eeihen  mit  positiven  und  negativen  Gliedern. 

Da  nun  die  ßeihe 

1  ^2  ^3  ^4  ^ 

diyeigent  ist,  so  ist  auch  die  Reihe 

-'(f  +  l  +  f  +  i  +  -)  =  T  +  T  +  4  +  T  +  - 

dirergeut,  folglich  ist  nach  Satz  2 

^0  +  ^1+^  +  ^  +  "' 

erst  recht  divergent. 

§  47. 

Reihen  mit  positiven  und  negatfvea  Gliedern. 

(Vergl.  die  Formel-TabeUe  Nr.  72  und  73.) 

Die  Bedingungen,  welche  in  dem  vorhergehenden  Paragraphen 
für  die  Convergenz  einer  Eeihe  aufgestellt  wurden,  bezogen 
sich  immer  nur  auf  ihre  Glieder  von  einer  bestimmten  Stelle  ab. 
Die  ersten  Glieder  der  Reihe,  d.  h.  die  Glieder  bis  zu  einer 
bestimmten  Stelle,  die  noch  im  Endlichen  liegt,  sind  nur  der 
einen  Bedingung  unterworfen,  dass  keines  von  ihnen  unendlich 
gross  wird. 

Für  Reihen  mit  positiven  und  negativen  Gliedern  gilt 
zunächst  der  folgende  Satz: 

Eine  Reihe  mit  positiven  und  negativen  Gliedern  convergirt^ 
wenn  die  Summe  der  absoluten  Beträge  convergirt. 

Beweis.    Es  sei 

(1.)  ^^n  =  «0  +  «^1  +  «^  +  •  •  •  +  «'n-l ; 

hierbei  seien  die  Glieder 

alle  positiv  und  die  Glieder 

—  «i",  —  «2", ...  —  V 
alle  negativ.    Setzt  man  also  • 

(2.)  «1'  +  W2'  +  . . .  +  V  =  Sn\  «1"  +  «2"  +  . . .  +  ^y'  =  Sn*% 

so  wird 

(3.)  Sn  =  Sn   —  Sn*' 


§  47.    Reihen  mit  positiven  und  ne^tiven  Gliedern.  207 

Aus  der  gegebenen  Reihe  kann  man  aber  eine  andere 
bilden,  indem  man  sämmüidie  Glieder  mit  dem  positiven  Vor- 
zeichen nimmt.  Diese  Reihe  ist  nach  V6raiiS86tzung  convergent, 
d.  h.  die  Summe  Sn  +  Sn^  nähert  sich  mit  wachsendem  n  einer 
bestimmten,  endlichen  Grenze.  Dies  ist  aber  nur  möglich,  wenn 
sich  Sn  und  Sn*  einzeln  einer  bestimmten,  endlichen  Grenze 
nähern,  und  daraus  folgt,  dass  dasselbe  auch  für 

gilt. 

Eine  Reihe  mit  positiven  und  negativen  Gliedern  kann  aber 
auch  dann  noch  convergirm^  wenn  die  Summe  der  absoluten 
Beträge  divergirt. 

Versteht  man  unter  einer  alternirenden  Reihe  eine  Reihe, 
deren  Glieder  abwechsehid  positiv  und  negativ  sind,  so  gilt 
z.  B.  der  Satz: 

Eine  alternirende  Reihe  convergirt,  wenn  der  absolute  Betrag 
der  Glieder  immer  kleiner  und  schliesslich  unendlich  klein  wird* 

Beweis.    Es  sei 

(4.)  /y2m  =  «0 U^+U2 t^  H .  .  .  +  «2m-2 W2m-1 , 

Ql  =  W2m, 

Qz  =  W2m (W2m+l «^2m+2)  j 

Qö  =  ^m («^m+1 W2m-f2) (^m+3 W2m+4) , 

Q2a-1  =  W2m {^m+i ^^Tm+l) ... (W2m+2a-3  — W2m+2a-2) ; 

Qj  =  (W2« W2m+l)  J 

Qi  =  («*2m W2m+l)  +  (W2m+2  —  U2m-\-z) , 

©2«  =  (W2m W2m+l)  +  (w2m+2 ^2m-{-z)  +  .  .  • 

+  (W2m-|-2a— 2 W2«+2a-l). 

Da  nach  Voraussetzung  die  Glieder  ihrem  absoluten  Betrage 
nach  immer  kleiner  werden,  da  also  Sir  hinreichend  grosse 
Werthe  von  m 

U2m  >  ^^2m+1  >  «2»+2  >  .  •  .  >  «2m+2a-l  >  0 , 

so  sind  in  den  Gleichungen  (5.)  und  (6.)  die  Elammergrössen 
sämmtlich  positiv,  und  man  erhält 


(5.) 


208  §  47.    Reihen  mit  positiven  und  negativen  Gliedern. 

/.^  X  j  t^2m  =  Ql  >  Q3  >  Qs  >  •  •  •  >  Q2a-1, 

l        0<Q2<Q4<Q6<...<Q2a. 

Ausserdem  ist 

Q2a  =  Q2«— 1  —  W2m+2a-l  <  Q2«— 1  j 

also 

(8.)  0<Q2«<Q2«-l<W2m, 

wie  gross  auch  a  sein  mag.    Nach  Voraussetzung  ist 
lim    (Q2«-i—  02«)  =   lim    w2m+2«-i  =  0, 

deshalb  wird 

(9.)  lim    Q2a-\  =   lim    Qj«? 

und  zwar  liegt  die  gemeinsame  Grenze  dieser  beiden  Grössen 
nach  den  Ungleichungen  (8.)  zwischen  0  und  t*2m.  Da  aber  U2m 
mit  wachsendem  m  beliebig  klein  wird,  so  ist  damit  bewiesen, 
dass  der  Unterschied  zwischen 

/Sim  und    Ä2m+2a-l  =  ^2tn  +  ©2«  -1 

und  ebenso  zwischen 

S2m  und    /S2m+2a  =   ^2»»  +  Q2« 

beliebig  klein  gemacht  werden  kann,  welchen  Werth  a  auch 
haben  mag,  wenn  man  nur  m  him-eichend  gross  macht.  Sn 
nähert  sich  daher  mit  wachsendem  n  einer  bestimmten,  endlichen 
Grenze  S,  d.  h.  die  Reihe 

Wo  —  «1  +  «^2 «^3  H •  •  • 

ist  convergent. 

Aus  der  Gleichung 

S  =  Sim  +  lim  Qia  =  S^m^x  —  u2rn-\  +  lim  Q2« 

«  SS  00  «  SS  00 

und  der  Ungleichung 

(8  a.)  0  <  02«  <  Q2a-1  <  Ulm  <  t^m-1 

folgt  hierbei 

(10.)  S2fn<S<S2n.-^, 

(11.)  OSA^i«.-!  — *S'<W2m-l,    O^S—S2fn<U2m, 

oder  nach  Gleichung  (7.)  in  §  45 

(12.)  OSi22m^W2m, 

(13.)  W2m-1  ^  ifem-l  ^  0. 


§  47.    Reihen  mit  positiven  und  negativen  Gliedern.  209 

Beispiele. 


1)  Die  Reilie 


1       2^3       4  ^ 


ist  converffent,  und  zwar  ist  nach  Formel  Nr.  60  der  Tabelle 
ihre  Summe  gleich  12,  obwohl  die  Reihe 

1^2^3^4^'" 
divergent  ist,  wie  schon  in  §  45  gezeigt  wurde. 

2)  Die  Reihe 
ist  converffent,  und  zwar  ist  nach  Formel  Nr.  66  der  Tabelle 

TV 

ihre  Summe  gleich  —  •  Hierdurch  ist  auch  der  Nachweis  ge- 
fuhrt, dass  die  Formel  Nr.  65  der  Tabelle  noch  richtig  bleibt 
für  rc  =  +  1.    Die  Reihe 

ist  dagegen  divergent.    Dies  folgt  schon  daraus,  dass 

1  +  14.1  +  1+    >i  +  i  +  i  +  i  + 

oder 

ist. 

Bei  altemirenden  Reihen  kann  ein  eigenthümlicher  um- 
stand eintreten.  Werden  nämlich  die  absoluten  Beträge  der 
Grlieder  schliesslich  nicht  beliebig  klein,  sondern  nähern  sie  sich 
einer  bestimmten,  endlichen  Grenze  p,  so  werden  sich  die 
Differenzen 

der  Grenze  Null  nähern.  Es  kann  also  sehr  wohl  eintreten, 
dass  sich  mit  wachsendem  n 

Stegemann- Kiepert,  Differential-Becliniuig.  14 


210  §  48.    Bedingte  und  unbedingte  Oonvergenz. 

S2n  =  K  —  ^l)  +  («^2  —  «^3)  +  .  .  .  +  (W2tt-2  —  U2n^l) 

einer  bestimmten,  endlichen  Grenze  nähert.    Dasselbe  ist  dann  bei 

>S2n+l=  S2n+U2n  =  Uo (^i U^) (^3 W4) . . . (W2n-1 ^In) 

der  Fall;  trotzdem  ist  die  Reibe  divergent^  denn  es  ist  nach 
Voraussetzung 

lim  (Äin+l *^2n)  =  lim  W2n  =  (>, 

n  3  OD  n  3=  jo 

d.  h.  die  Summe  der  Reihe 

«^0  —  «^1  +  «^2  —  «^3  H •  •  • 

nähert  sich  zwei  endlichen,  um  q  von  einander  verschiedenen 
Grenzen,  jenachdem  man  eine  gerade  oder  eine  ungerade  Anzahl 
von  Gliedern  addirt.  Eine  solche  Reihe  wird  eine  osciüirende 
Reihe  genannt. 

Beispiele. 

1)  Bei  der  Reihe 

a  —  a  -}-  a  —  a  -\ . . . 

ist 

aS'2»  =  0,  S2n-\-i  =  ö. 

2)  Bei  der  Reihe 

2_3       4_5       6_7       _ 
1       2  ■'■3       4  "^5       6  "^       ••' 
ist 

'^^•*=(r-|"MI"-i)+(l~l)+---+(2i^ 

also 

lim  S2n  =  12,        lim  S^n-^-i  =  1  +  12. 


n  =  oo  n=sao 


§48. 

Bedingte  und  unbedingte  Convergenz. 

(Vergl.  die  Formel-TabeUe  Nr.  74.) 

Bisher  wurde  stillschweigend  die  Annahme  gemacht,  dass 
bei  den  GUedem  einer  Reihe  eine  bestinmite  Ordnung  fest- 
gehalten werde. 


§  48.    Bedingte  und  unbedingte  Convergenz.  211 

Bei  einer  Summe  mit  einer  endlichen  Anzahl  von  Gliedern 
ändert  sich  der  Werth  der  Summe  gar  nicht,  wenn  man  die 
Aufeinanderfolge  der  Glieder  ändert;  bei  Summen  mit  unend- 
lich vielen  Gliedern  aber,  d.  h.  also  bei  unendlichen  Reihen 
kann  sich  möglicher  Weise  der  Werth  der  Summe  mit  der 
Reihenfolge  der  Glieder  ändern.    Ist  z.  B. 

+C_i i- +.^ J.^ 


und 


--•  =(K|-|)+(^H>-+(s^+i;;^-^) 


SO  wird 


oder 


-"■--■=l[(H)+(H)+-+(^-^)] 


Nun  wird  aber 


lim -8;  =  12,         lim(AS„'  — -S'„)  =  |l2, 


n  =  00  n  =  ao 


folglich  ist 


lim5„'  =  |l2  =  |lim.Sn. 


Die  Reihen 


und 


1       2^3       4^5       6^ 


1^3       2^5  ^7       4  ^^       ••• 


14^ 


212  §  48.    Bedingte  und  unbedingte  Oonvergenz. 

sind  also  beide  convergent  und  jede  von  ihnen  enthält,  wenn 
man  sie  nur  weit  genug  fortsetzt,  sämmtliche  Glieder,  welche 
die  andere  enthält,  aber  ihre  Summen  haben  verschiedene  Werthe, 
weil  die  Aufeinanderfolge  der  Glieder  in  den  beiden  Reihen 
eine  verschiedene  ist. 

Eine  Reihe  ^  bei  der  sich  die  Summe  der  n  ersten  Glieder 
mit  wachsendem  n  nur  unter  der  Bedingung  derselben  endlichen 
Grenze  nähert^  dass  die  Aufeinanderfolge  der  Glieder  eine  be- 
stimmte ist,  heisst  bedingt  convergent  Bleibt  aber  dieser  Grenz- 
werih  derselbe,  wie  man  auch  die  Glieder  der  Reihe  anoi^dnen 
mag,  so  heisst  die  Reihe  unbedingt  convergent. 

Dabei  gilt  nun  der  folgende  Satz: 

Eine  Reihe  ist  unbedingt  convergent,  wenn  nach  Absonderung 
von  Sn  die  Summe  von  beliebig  vielen  Gliedern,  welche  aus  den 
hoch  folgenden  Gliedern  willkürlich  ausgewählt  sind,  beliebig 
klein  wird  für  hinreichend  grosse  Werthe  von  n. 

Beweis.    Um  zu  zeigen,  dass  sich  dann 

(1.)  Sn  =  ^0+^1  +  •••  +  Wn-1,  und  /S'^'  =  V  +  «^i'  +  ---  +  Wp-l 
derselben  endlichen  Grenze  nahem,  kann  man  p  so  gross  wählen, 
dass  die  Glieder 

Uq,   Wj,  .  .  .  Wn-l 

sämmtlich  unter  den  Gliedern 

enthalten  sind.  Ausserdem  kommen  in  Sp*  noch  beliebig  viele 
andere  Glieder 

Ur,  Uf,  Ut,  .. . 

vor,  so  dass 

(2.)  Sp'=:Sn  +  Ur+U,  +  Ut+... 

wird.    Nach  Voraussetzung  ist  aber 

(3.)  lim  (ur  +  u,  +  ut  +  , . .)  ^  0, 

folglich  wird 

(4.)  Um/y/=:limÄn; 

d.  h.  unter  der  gemachten  Voraussetzung  nähert  sich  die  Summe 
Sn  mit  wachsendem  n  derselben  Grenze,  wie  man  auch  die  Rei- 
henfolge der  Glieder  bestimmen  mag. 


§  48.    Bedingte  und  unbedingte  Convergenz.  213 

Diese  Voraussetzung,  unter  welcher  der  eben  bewiesene 
Satz  gilt,  wird  offenbar  erfüllt,  wenn  die  Summe  der  absoluten 
Beträge  convergirt.  Bezeichnet  man  nämlich  mit  \u\  den  abso- 
luten Betrag  von  u,  und  nähert  sich 

(5.)  2n  =  Kl  +  |Wi|  +  Ithl  +  .  .  .  +  hn-l| 

mit  wachsendem  n  einer  bestimmten  endlichen  Grenze  2,  so 
wird  für  hinreichend  grosse  Werthe  von  n 

(6.)  2n+a  —  -^n  =  |Wfi|  +  |«n+l|  +  •  •  •  +  |«n+a-1 1 

beliebig  klein,  folglich  erst  recht 

Ur  +  Ug  +  Ut  +  ..., 

wobei  Ur,  Ug,  ut,...  aus  den  Gliedern  w«?  Wn+i,  ...  Un+a-\ 
willkürlich  ausgewählt  sind. 

Hiervon  gut  aber  auch  die  Umkehrung: 

Wird  bei  willkürlicher  Auswahl  der  Glieder  Ur,  u,,  Ut,,.. 
aus  den  Gliedern  Un,  Wn+i, . . .  Wn-fw-i  die  Summe 

Ur  +  Us  +  Ut+... 

für  hinreichend  grosse  Werthe  von  n  beliebig  klein,  so  ist  in  der 
Reihe  «0  +  ^1+^2  +  ...  die  Summe  der  absoluten  Beträge 
eine  convergente  Reihe. 

Beweis.    Setzt  man 

(7.)  Sn+a  —  'S'n  =  W»  +  ^n+l  +  .  .  .  +  Wn+a-1  =  I^a 

und  bezeichnet  die  Summe  aller  positiven  Glieder,  welche  in  Z>„ 
enthalten  sind,  mit  Z>„'  und  die  Summe  aller  in  Z>«  enthaltenen 
negativen  Glieder  mit  — !>«",  so  ist 

(8.)  Da  =  Da'  —  Da''. 

Nach  Voraussetzung  müssen  Da  und  Da**  einzeln  beliebig 
klein  werden,  folglich  wird  auch 

(9.)  2n+a  —  -^n  =  Da*  +  Da'* 

beliebig  klein  für  hinreichend  grosse  Werthe  von  n.  2n  und 
2n^a  nähern  sich  daher  mit  wachsendem  n  demselben  Grenz- 
werthe  -2,  d.  h.  die  Summe  der  absoluten  Beträge  ist  con- 
vergent. 

Der  vorhin  ausgesprochene  Satz  deckt  sich  daher  mit  dem 
folgenden  Satze: 

Eine  Reihe  ist  unbedingt  convergent,  wenn  die  Summe  der 
absoluten  Beträge  convergirt;  und  umgekehrt. 


I 


214  §  49.    Multiplication  der  Reihen. 

§  49. 

Multiplication  der  Reihen. 


Sind 
und 


(Vergl.  die  Formel  -  Tabelle   Nr.  75.) 
U^Uq  +  Ui  +  IC2  +  ... 


F=  t?o  +  t?i  +  t?2  +  . . . 
zwei  unbedingt  convergente  Reihen^  und  ist 


Wq  =  UqVq, 


t(?2  =  UqV2  +  Wi  ©1   +  ^2^0  J 

Wn  =  U^Vn  +  U^rn-\  +  .  .  .  +  Wn-1  «?i  +  Wnt?o, 

50  ist  auch  die  Reihe 

unbedingt  conmrgent^  und  ihre  Summe  W  ist  gleich  dem  Producte 
UV  der  Summe  der  beiden  ersten  Reihen. 

Beweis.    Es  sei 

C^2n  =  «0  +  ^1  +  ^2  +  •  •  •  +  «*2n-l, 

]^2«  =  «?0  +   «?!  +   t*2  +  .  .  .  +  «^2n-l, 

W^n  =  t^o  +  ^^1  +  W?2  +  •  •  •  +  ^2n-l , 

und  es  mögen  zunächst  die  Glieder  w©?  ^ij  «^2j«"j  ^oj  ^u  ^H'" 
alle  positiv  sein,  dann  ist 

U^n  .   ^2n  ==  Win  +  («1  t?2H-l  +  ^2  t*2H-2  +  •  •  •  +  «^2n-2  ^2  +  «^2n-l  «?l) 
+  •  .  •  +  (W2n-2«'2n— 1  +  «^n-l«?2w-2)  +  W2n-1  »2n-l  j 

also 

Dagegen  ist 

W2n  =•  Un.Vn  +  K^n  +  «^n  «?o)  +  K  «^n+l  +  ^l  «?»+ W»t?i  +  Wn+2«?o) 
+  .  .  .  +  (Wo^2»»-l  +  ^1^2n-2  +  .  .  .  +  W2n-2«?1  +  W2n-lt'o)j 

also 

Tr2n>?7n.  r«. 

Ebenso  kann  man  zeigen,  dass 

J72«+l  .  F2n4.1  >  W^2n+1  >  Un  .  Vn 


§  49,    Multiplication  der  Reihen.  215. 

ist.  Lässt  man  aber  n  immer  grösser  werden,  so  nähern  sich 
die  Producte  TJ^-  Vn  und  Din.  T^2n,  bezw.  ?72«+i .  F2n+i  nach 
Voraussetzung  derselben  endlichen  Grenze  ü .  V,  folglich  nähern 
sich  auch  die  dazwischen  liegenden  Werthe  Win  bezw.  W^n+i 
einer  bestimmten,  endlichen  Grenze  JV,  und  es  wird 

W=  U.  V. 

Enthalten  die  Reihen  U  und  V  positive  und  negative 
Glieder,  sind  sie  aber,  wie  vorausgesetzt  wurde,  unbedingt  eon- 
verffefit,  ä.  h.  sind  auch  noch  die  Summen  der  absoluten  Beträge 
convergent,  so  nähert  sich  der  Ausdruck 

ün.  Vn ^n  =  Wn-1  «?n-l  +  (Wn-2  «^n-l  +  Wn-1  t?n-2)  +  •  •  • 

+  (Wil?n-1  +  «^t?n-2  +  .  .  .  +  «^n-2t?2  +  «^n-lt?i), 

wie  vorhin  gezeigt  wurde,  mit  wachsendem  n  dem  Werthe  0, 
wenn  man  die  Grössen  u^,  «^2?  •  •  •  ^n-i,  «^i,  «?2>  •  •  •  ^«-i  sämmt- 
lich  durch  ihre  absoluten  Beträge  ersetzt;  er  nähert  sich  also 
dem  Werthe  0  erst  recht,  wenn  diese  Grössen  theilweise  negativ 
sind.    Es  wird  daher  auch  in  diesem  Falle 

lim  TTn  =  Um  t/n .  Fn  =  U.  V, 


n=ao  n  :=  OD 


Dabei  ist  auch 

^0  +  «^1  +  W?2  +  •  •  • 

eine  unbedingt  convergente  Reihe,  denn  ersetzt  man  die  Grössen 

Wo ,    Wj  ,    ^2 ,  .  .  .  ,    t?o  J    ^1  J    '^2  J  •  •  •    m 

«6^0  =  Wo  ^0  J 

1^2  =  t/o^2  +  Wi«?i  +  ^2^0» 


durch  ihre  absoluten  Beträge,  so  verwandeln  sich  die  Grössen 

^oj  ^i j  ^2j  •  •  •  in  «^o'j  ^t'  ^2'? Bezeichnet  man  nun  den 

absoluten  Betrag  von  w^  mit  |  «^0 1  ?  den  von  t^^  mit  |  w?i  | , . . . , 
so  wird 

Kl  =  «^oS   kl!  S  «^iS   Kl  ^  «^2', .  •  •  • 

Jetzt  enthält  aber  die  Reihe 


216 


§  50.    Oonvergenz  der  Potenzreihen. 


lauter  positive  Glieder  und  ist  convergent,  folglich  gilt  dasselbe 
auch  für 

d.  h.  die  Reihe 

W?0  +  W?!  +  «^2  +  .  .  . 

ist  unbedingt  convergent, 

Beispiel. 


X     .    x^    .    x^ 


^=l  +  lT  +  2!+^+---' 

^     ^1!  ^2!  ^  3!  ^••* 
sind  zwei  unbedingt  convergente  Reihen,  folglich  ist 

^^Vl!^l!y^V2!  ^l!l!^2!y^-- 

""     "^      1!     "^       2!       "^       3!       "^•••' 

setzt  man  für  U  und  V  nach  Formel  Nr.  52  der  Tabelle  ihre 
Werthe  ein,  so  ergiebt  sich  hieraus  die  bekannte  Formel 


§  50. 

Convergenz  der  Potenzreihen. 

(VergL  die  Formel-TabeUe  Nr.  76.) 

Unter  einer  Potenzreihe  versteht  man  eine  Reihe  von  der 

Form 

ÖQ  +  <^\^  +  <h^'^  +  ^^^  +  . . . . 
Von  einer  solchen  Reihe  gelten  die  folgenden  Sätze: 
Satz  1.     Eine   Potenzreihe  convergirt  unbedingt,  wen?i   von 

einer  bestimmten  Stelle  ab 


^i?;<l 

ist,  d.  h.  für  alle  Werthe  von  x,  deren  absoluter  Betrag  kleiner 
an 


ist  als 


ö^n+l 


§  50.    Convergenz  der  Potenzreihen.  217 

Der  Beweis  folgt  unmittelbar  aus  Satz  3  in  §  46. 

Satz  2.  Eine  Potenzreihe  convergirt  unbedingt  für  alle 
Werthe  von  x,  deren  absoluter  Betrag  kleiner  ist  als  die  positive 
Grösse  Xq,  wenn  von  einer  bestimmten  Stelle  ab 

l^nlx^^'-^g 

istf  wobei  g  eine  bestimmte  endliche  Grösse  bedeutet. 

Beweis.  Nach  Voraussetzung  ist  für  hinreichend  grosse 
Werthe  von  m 

I  «m  I  ^0~  ^^J      I  «m+t  I  ^o"*"^^  ^ffi      I  «m+2  |  ^o"*"^^  S^'j  •  •  •  » 

folglich  ist,  wenn  x  vorläufig  positiv  genommen  wird, 

/  X  \'»+2 

da  nun  —  nach  Voraussetzung  ein  ächter  Bruch  ist,  so  wird 

eine  convergente  Reihe,  folglich  erst  recht 
d.  h.  die  Reihe 

00  +  a^x  +  a^x^  +  .  • . 
ist  unbedingt  convergent. 

In  der  Reihe  wird  nur  das  Vorzeichen  der  Glieder  a^x, 
a^x^,  a^x^, . . .  geändert,  wenn  man  x  mit  — x  vertauscht.  Der 
Satz  gilt  also  für  positive  und  negative  Werthe  von  x,  wenn 
nur  der  absolute  Betrag  von  x  kleiner  ist  als  xq. 


218  §  51.    Convergenz  der  periodischen  Reihen. 

§  51. 

Convergenz  der  periodischen  Reihen. 

(Verjfl.  die  Formel-Tabelle  Nr.  77  und  78.) 

Die  Reihen  von  der  Form 

(1.)  -^öo  +  «1  COSa;  +  02^08(2^)  +  03  C0S(3a:)  +  . . . 

+  Jj  sina:  +  b2Bm(2x)  +  b^sm{Sx)  +  . . . 

nennt  msm  periodische  Beihen,  weil  die  Glieder  sämmtlich  den- 
selben Werth  behalten,  wenn  man  x  nm  ein  Vielfaches  von  27r 
vermehrt  oder  vermindert. 

Zunächst  möge  der  einfache  Fall  betrachtet  werden,  wo 
die  Coefl&cienten  a^ ,  ö^  ,  «2 ,  «3 , . . .  alle  einander  gleich  und 
die  Coefiicienten  *i ,  *2?  *3  5  •  •  •  sämmtlich  gleich  0  sind;  es  sei  also 

(2.)  /S'„=  aQ\-  +  co^x+coB{2x)  +  cos(3:r)+  ...  +  cos(n — l)x\' 

Aus  der  bekannten  Formel 

sina  —  sinJ  =  2sin( — - — j  cos f     "T    j 

folgt 

/o\      d  •  /^\       /     \        •   /2w  +  1  \        .    /2m  —  1  \ 
(3.)      2smf- jcos(ma:)  =  sm( — - — xj  —  sm( — - — xy 


Multiplicirt  man  Gleichung  (2)  mit  2  sin  (^j ,  so  erhält  man 


daher 


(4.)      25„sin(|)=«,[sm(|)  +  |sm(f)-sin(|)l 


+ 


h(i)--(i)} 


+  ...  +  |sin(?^:r)-sin(?^a:))] 
=  aoSin(^ — - — xJ, 


oder 


.    /2n  —  l   \ 

(5.)  S„  = — 

2  sing) 


§  51.    Oonvergenz  der  periodischen  Reihen. 


219 


Wächst  n  in's  Unbegrenzte,  so  schwankt  der  Werth  von 
— - —  X  \  zwischen  —  1  und  +  1 ,  nähert  sich  aber  keiner 
bestimmten  Grenze,  folglich  ist  die  Reihe  divergent. 


Jetzt  seien  die  Coefficienten  J^ ,  Jj  >  *3  ?  •  •  •  alle  einander 
gleich,  und  die  Coefficienten  a^ ,  a^ ,  a^ ,  «3 , . . .  seien  sämmtlich 
gleich  0;  es  sei  also 

(6.)  Sn*  =  ii  [sin^r  +  siJi{2x)  +  •  • .  +  Wi{nx)]. 

Aus  der  bekannten  Formel 

cosJ  —  cosa  =  2sm( — ^— jsmf — ^  j 


folgt 

(7.)    2sm(- jsm(ma:)  =  cos( — - — x\—  cosf — ^ — x), 

Multiplicirt  man  Gleichung  (6.)  mit  2sin(- j,    so    erhält 
man  daher 
(8.)       25'„'sin(|)  =  b,  [{cos(|)-  cos  (f  )} 


^  (      /2»  —  1 


^)-^<^K^^)}] 


=  j,[^cos(|)-cos(H^x)], 


oder 


(9.) 


ctg^  — 


cos 


( 


2;i+  1 


4 


™(i) 


eine  Grösse,  die  sich  ebenfalls  keiner  bestimmten  Grenze  nähert, 
wenn  n  in's  Unbegrenzte  wächst ,  folglich  ist  auch  diese  Eeihe 
divergent. 


220  §  51,    Convergenz  der  periodischen  Reihen. 

Bilden  die  Coefl&cienten  «o?  ^15  ^2»  ^3>«"  oder  i^,  ij?  ^sj»-- 
eine  steigende  Reihe,  so  können  sich  ^Jn  und  Sn  noch  weniger 
einer  bestimmten,  endKchen  Grenze  nähern;  deshalb  kann  nur 
dann  Convergenz  eintreten,  wenn  die  Coefficienten  Oq»  ^u  ^> 
03 , . . .  und  *! ,  J2  ?  *3  ?  •  •  •  fallende  Reihen  bilden.  Ob  aber  die 
periodischen  Reihen  unter  dieser  Voraussetzung  wirUich  conver- 
gent  sind,  muss  noch  untersucht  werden.    Es  sei  jetzt  also 

(10.)  aSh  =  ^ÖQ  +  <^\  COSic  +  «2  cos (2a:)  +  . . .  +  an-iC0S(» — l)ar, 

wobei 

(11.)        «0  >  ^1  >  ^  >  •  •  •  >  ^»-1  >  ^  ^i^d  lima«  =  0 


n  =  ao 


sein  möge;  dann  wird  nach  Gleichung  (3.) 

2.S„sin(|)  =  aoSin(|)+a,[sin(|)-sin(|)] 


+ 


r  .    {hx\        .    /3x\\ 


r  .  /2n—l  \        .    /2n  —  S  VI 
+  . . .  +  «n-i  I  smf — - — a;j— sm( — - — x)\ , 

oder 

(12.)  2/ynSinr|j  — an-isinr'^^~    x\=z 

(«0  —  öl)  sin(0  +  («1  —  (h)  sin^y)  +  («2—03)  sin  (^^  +  ... 

,    ,  .  .  /2n  —  S  \ 

+  (an_2  — ö„-i)sm( — - — xh 

In  der  Reihe 

(13.)     («0— «l)  +  («l— «2)  +  (ö2— «3)+  •••  +(«»-2— ön-l)=  «0— «n-1 

sind  sämmtliche  Glieder  positiv,  und  die  Summe  der  ersten  n 
Glieder  nähert  sich  mit  wachsendem  n  der  bestimmten,  endlichen 
Grenze  a^,  d.  h.  die  in  Gleichung  (13.)  angegebene  Reihe  ist 
unbedingt  convergent.  Deshalb  ist  auch  die  in  Gleichung  (12.) 
angegebene  Reihe  unbedingt  convergent,  da  der  absolute  Betrag 
der  einzelnen  Glieder  kleiner  ist  als  die  entsprechenden  Glieder 
in  der  Reihe 

(«0  —  ^l)  +  («1  Ö2)  +  («2  Ö53)  +  .  .  .  . 


§  51.    Convergenz  der  periodischen  Reihen.  221 

Da  noch 

hm  «n-i  sini  — - — X  )  =  0 

ist,  so  nähert  sich  2.5'«  sin (-|-j  mit  wachsendem  n  einer  be- 
stimmten, endlichen  Grenze.  Dasselbe  gilt  auch  für  Sn  selbst, 
wenn  man  die  Werthe  von  x  ausnimmt,  für  welche  sinf  -  j  gleich 

0  wird.    Dies  giebt  den  Satz: 

Die  Heike 

•J-öo  +  a^cosx  +  a2C0S(2a:)  +  a^COS{Sx)  +  . . . 

ist  converffent  für  alle  Werthe  von  Xj  welche  von  0,  ±27r, 
±4 TT,.,,  verschieden  sind,  wenn  die  Coefficienten  öq,  a^,  «2, 
03 , . . .  positiv  sind  und  eine  bis  in^s  unendlich  Kleine  abnehmende 
Reihe  bilden. 

Indem  man  x  mit  x  +  n  vertauscht ,  findet  man,  dass  die 
Beihe 

+  i^o  —  ^1  ^Sa:  +  a2C0S(2:r)  —  a3COS(3:p)  H ... 

unter  denselben  Bedingungen  für  alle  Werthe  von  x  convergirt, 
die  von  ±  tt,  ±  Stt,  ±  ött,  . . .  verschieden  sind. 

Ebenso  findet  man,  wenn  die  Coefficienten  6^,  J27  63,... 
positiv  sind  und  eine  bis  in's  unendlich  Kleine  abnehmende  Eeihe 
bilden,  wenn  also 

(14.)         *!  >  ^2  >  *3  >  •  •  •  >  *n >  0  und  lim  J„  =  0, 

n=sao 

aus 

(15.)         Sn*  =  Jj  m.x  +  i2Sin(2:r)  -f  . . .  +  i„sin(na;) , 

indem  man  mit  2sinr-|  j  multiplicirt  und  Gleichung  (7.)  an- 
wendet, 

(16.)2Än'sin(|)=J,cos(|)-(J,-J2)cos(f)-(S2-is)cos(^^ 

—  ...  —  {bn-\  —  bn)  COS^   ^~     x\—  JnCOSr— ^ A 


222  §  51.    Convergenz  der  periodischen  Reihen. 

Nun  ist  aber  mit  Kücksicht  auf  die  jetzt  geltenden  Voraus- 
setzungen die  Reihe 

(17.)  (J^  -  J^)  +  (6-2  —  *3)  4-  (^3  —  *4)  +  .  .  .  =  h 

unbedingt  convergent,  folglich  erst  recht  die  Reihe 

(S,— y  COs(y)+  (J2— *3)C0s(y^+  (^3  — i4)C0s(yj+.^ 

bei  welcher  die  absoluten  Beträge  der  einzehien  Glieder  noch 
kleiner  sind.    Da  hierbei  noch  sin^,  sin  (2a:),  sin  (3a:), . . .  sämmt- 

lieh  gleich  0  sind  für  alle  Werthe  von  x,  für  welche  sinf -1)  ver- 
schwindet, so  bleibt  die  Reihe 

S^sina:  +  S2sin(2a:)  +  S3sin(3a:)  +  . . . 

auch  noch  flir  diese  Werthe  von  x  convergent,  und  man  erhält 
den  Satz: 

Die  Reihp 

6isina:  +  62sin(2a:)  -f-  J3sin(3a:)  -J-  . . . 
ist  für   alle   Werthe  von  x  convergent,  wenn  die   Coefßcienten 
^1  >  ^2  >  ^3  ?  •  •  •  positiv    sind   und  eine    bis   in^s  unendlich  Kleine 
abnehmende  Reihe  bilden. 

Indem  man  x  mit  x  +  n  vertauscht,  findet  man,  dass  die 
Reihe 

JjSina:  —  b^Wi{2x)  +  J3Sin(3a:) h  .  • . 

unter  denselben  Bedingungen  für  alle  Werthe  von  x  convergirt. 

Beispiele. 

1)  Die  Reihe 

.        COSa:       COS  (2a:)       COS  (3a:)    , 

ist  convergent,  wenn  x  von  0,  ±  27r,  ±  47r, . . .  verschieden  ist. 

2)  Die  Reihe 

sina:        sin  (2a:)        sin  (3a:) 

n     y^      y^ 

ist  convergent  für  alle  Werthe  von  x. 


VI.  Abschnitt. 

Maxima  und  Minima  Yon  entwickelten 
Functionen  einer  Yeränderlichen. 

§  52. 

Bedingungen,  unter  denen  ein  Maximum  oder  Minimum 

eintreten  Icann. 

Wenn  sich  die  unabhängige  Veränderliche  x^  von  der  eine 
stetige  Function 

(1.)  y  =/(^) 

abhängt,  um  eine  sehr  kleine  positive  oder  negative  Grösse  ±  a 
ändert,  so  sollen  die  zugehörigen  Werthe  der  Function,  nämlich 

f{x  —  d)  und/(a;  +  a), 

die  zu /(a;)  benachb  arten  Wtr^^  genannt  werden,  und  zwar  ist 
f{x —  d)  ein  unmittelbar  vorhergehender^  f(x  +  a)  ein  unmittelbar 
folgender  benachbarter  Werth  der  Function. 

Wenn    nun  f{x)   grösser   ist   als   alle  unmittelbar   vorher- 
gehenden und  folgenden  Werthe  der  Function^  so  heisstf(x)  ein 
Maximum;  und  wennf{x)  kleiner  ist  als  alle  unmittelbar  vor- 
hergehenden   und  folgenden    Werthe    der    Function^    so  heisst 
fix)  ein  Minimum. 

Im  ersten  Falle  ist  also 

f{x  —  a)  —f{x)  <  0    und    auch   f{x  +  a)  —f{x)  <  0 ; 

im  zweiten  Falle  ist 

f(x  —  a)  —f(x)  >  0    und  auch   f(x  +  a)  —f{x)  >  0. 

Am  besten  wird  man   sich  diese  Beziehung  klar  machen 
durch  die  geometrische  Deutung   der  Gleichung  (1.)  als  eine 


224 


§  52«    Eintritt  eines  Maximums  oder  Minininms, 


Curve.  Dieser  geometrischen  Deutung  sind  auch  die  oben  ein- 
geführten Bezeichnungen  entnommen. 

Wenn  z.  B.  der  Gleichung  (1.)  die  Curve  in  Figur  23  oder 
in  Figur  24  entspricht,  so  hat  die  Function  für 

a;  =  ^Tj  =  OQx 
ein  Maximum  und  für 

X  =  X2=  OQ2 

ein  Minimum^  d.  h.  die  Ordinate  Q^Px  des  Punktes  P^  ist 
grösser  als  die  Ordinaten  aller  benachbarten  Punkte,  und  die 
Ordinate  Q2A  ist  Heiner  als  die  Ordinaten  aller  benachbarten 
Punkte 


Fig.  23. 


Fig.  24. 


Damit  nun  die  Curve  einen  solchen  höchsten  Punkt  P^ 
erreicht,  muss  sie  vorher  steigen  und  nachher  fallen;  und  damit 
sie  einen  solchen  tiefeten  Punkt  erreicht,  muss  sie  vorher  fallen 
und  nachher  steigen. 

Aus  diesen  Erwägungen  kann  man  die  Bedingungen  ableiten, 
unter  denen /(ic)  ein  Maximum  oder  Minimum  wird. 

In   §  13    (Seite  74)    war    nämlich   gezeigt   worden,   dass 

-^z=.f{x)  positiv  sein  muss,  wenn  die  Curve  mit  der  Gleichung 

y  =^f{x)  in  dem  zugehörigen  Punkte  steifft,  und  dass  ^  =f  (x) 

negativ  sein  muss,  wenn  die  Curve  in  dem  zugehörigen  Punkte 
fällt.  Unabhängig  von  der  geometrischen  Darstellung  gab  dies 
den  Satz: 

Wenn  eine  Function  y  '=^f(x)  gleichzeitig  mit  x  zunimmt^ 
so   ist  die  Ableitung  für  den  betrachteten  Werth  positiv;  wenn 


§  52.    Eintritt  eines  Maxi-mums  oder  "UiniTttminfif,  ^5 

aber  die  Function  abnimmt^  während  x  zunimmt,  so  ist  die  Ab- 
leitung für  den  betrachteten  Werth  ven  x  negativ; 
und  umgekehrt. 

Eine  Function  f{x)  nimmt  gleichzeitig  'mit  x  zu  für  alle 
Werthe  von  x^  für  welche  f*{x)  positiv  ist,  und  die  Function 
nimmt  ai,  während  x  zunimmt,  für  alle  Werthe  von  x,  für 
welche  f*{x)  negativ  ist. 

Wenn  also  f(x)  ein  Maximum  werden  soll,  so  muss  f'(x) 
aus  dem  Positiven  in  das  Negative  übei^ehen;  wenn  dagegen 
f'{x)  ein  Minimum  werden  soD,  so  muss/'  (x)  aus  dem  Negativen 
in  das  Positive  übergehen. 

Hieraus  folgt,  dass  f(x)jaBr  für  diejenigen  Werthe  von  x 
ein  Maximum  oder  ein  MinimuTn  werden  kann,  fiir  welche  die 
Ableitung  f'(x)  einen  Zeichenwechsel  erleidet.  Ein  solcher 
Zeichenwechsel  tritt  aber  nur  dann  ein,  wenn  f*(x)  entweder 
gleich  Null  oder  unendlich  gross  wird. 

Dies  giebt  den  Satz: 

Die  Function  f{x)  kann  nur  für  diejenigen  Werthe  von  x 
ein  Maximum  oder  Minimum  werden,  für  welche  f'(x)  gleich 
Null  oder  unendlich  gross  wird. 

Aus  der  geometrischen  Deutung  der  Ableitung,  nämlich  aus 
der  Formel  (Nr.  16  der  Tabelle) 

folgt,  wie  auch  aus  den  Figuren  zu  ersehen  ist,  dass  in  den 
Curvenpunkten,  welche  einem  Maximum  oder  Minimum  ent- 
sprechen, die  Tangente  zur  X-Axe  oder  zur  F-Axe  parallel 
sein  muss. 

Ist  f'(x)  =  0,  ist  also  die  Tangente  in  dem  zugehörigen 
Curvenpunkte  P  parallel  zur  X-Axe,  so  liegen  die  dem  Punkte 
P  benachbarten  Punkte  sämmtUch  unterhalb  oder  sämmtlich 
oberhalb  dieser  Tangente,  jenachdem  der  Punkt  P  einem  Maxi- 
mum oder  Minimum  entspricht  (vergl.  Fig.  28)» 

Ist  /'(a:)  =  00 ,  ist  also  die  Tangente  parallel  zur  F-Axe, 
so  hat  ^e  Curve  in  dem  zugehörigen  Punkte  P  eiue  nach  oben 
oder  nach  unten  gerichtete  Spitste,  jenachdem  der  Punkt  P  einem 
Maximum  oder  einem  Minimum  entspricht  (vergl.  Fig.  24). 

Stegemann- Kiepert,  Diiferential-BeohnTmg.  15 


226 


§  52.    Eintritt  eineB  Maximums  oder  MinimninH. 


Bemerkungen. 

1)  In  dem  Vorstehenden  ist  Btillschweigend  die  Vorausaetasung  ge- 
macht worden,  dass  fix)  wohl  unendlich  gross  werden  darf,  dass  aber 
alle  übrigen  Fälle  der  Unstetigkeit  aasgeschloBsen  sind. 

2)  Wird  /'(x)  gleich  Null  oder  unendlich  gross,  so  ist  es  mögUeh, 
aber  nicht  immer  nothwendig,  dass  f(x)  ein  Maximum  oder  Minimum  wird. 


Fig.  25. 


Fig.  26. 


In  Figur  25  wird  z.  B. 

/'(ar)=0  für  ar=OQ, 
und  in  Figur  26  wird 

/'(x)  =  oo  für  x^OQ-, 

trotzdem  findet  in  beiden  Fällen  weder  ein  Maximum  noch  ein  Minimum 
statt.  Die  Punkte  P  in  Figur  25  und  26  sind  vielmehr  TVendspunJUe, 
von  denen  an  einer  späteren  Stelle  noch  ausführlich  die  Bede  sein  wird. 

Die  Regel,  welche  sich  aus  den  vorhergehenden  Betrach- 
tungen fjir  die  Aufeuchung  der  Maxima  und  Minima  ergiebt,  ist 
daher  die  folgende: 

Man  ermittele  diejenigen  Werthe  von  x^  für  welche  f{x) 
gleich  Null  oder  unencQich  gross  wird,  und  untersuche  dann  fär 
die  dadurch  gefundenen  Werthe  von  x  noch  das  Vorzeichen  von 
f'{x  —  a)  und/'(^  +  ö). 

Wird  für  hinreichend  kleine  Werthe  von  a 

f{x—a)<0 
und 

/'(^  +  a)>0, 

SO  ist/(a;)  ein  Minimum^  wie  man  aus  den  Figuren  27  und  28 
erkennt,  in  denen 


§  52.    Eintritt  eines  Maximums  oder  MinimnTng. 


227 


OQ^  =x  —  a  und  00^  =^x  +  a 


sein  möge. 


Fig.  27. 


Fig.  2a 


^ 


a^   a   a 


und 


Wird  dagegen  für  hinreichend  kleine  Werthe  von  a 

f{x  —  a)>0 


SO  isty(2:)  ein  Maximum^  wie  man  aus  den  Figurei 
erkemit,  in  denen  wieder 

OQi  =  a:  —  a  und  OQ2  =  x  +  a 
sein  möge. 

Fig.  29.  Fig  30. 


BemerkUBgen. 

1)  Es  kann  vorkommen,  dass/'  {x  —  a)  und/'(a:+  <»)  för  hinreichend 
kleine  Werthe  von  a  beide  positiv  sind,  obgleich  /'  (x)  =  0  (vergl.  Fig.  31), 
oder  obgleich  /'(«)=:  00  wird  (vergl.  Fig,  32).  Ebenso  kann  es  vor- 
kommen, dass  f'{x  —  a)  und  f'{x  +  a)  für  hinreichend  kleine  Werthe  von 
o  beide  negativ  sind,  obgleich /' (x)  =  0  (vergl.  Fig.  33),  oder /' (ar)  «=  00 
wird  (vergl.  Fig.  34).  In  diesen  Fällen  ist  /{x')  weder  ein  Maximum 
noch  ein  Minimum.    Die   Curven   haben  vielmehr  in  den  zugehörigen 

Punkten  einen  Wendepunkt. 

15* 


226 


§  52.    Eintritt  eines  Maximums  oder  Minimums. 
Fig  81.  Kg.  82. 


Fig.  38. 


Fig.  85. 


2)  Wenn  man  für  einen  bestimmten  Werth  von  x  die  Vorzeichen 
von/'(ic  —  a)  und /' (a:  +  a)  unters achen  will,  so  ist  es  nothwendig ,  die 

Grösse  a  hinreichend  klein  zu  wählen, 
um  sichere  Schlüsse  über  das  Auf- 
treten eines  Maximums  oder  Minimums 
ziehen  zu  können. 

Wäre  z.  B.  die  Curve,  welche  der 
Function 

entspricht,  durch  die  Figur  35  dar- 
gestellt, so  würde  f{x)  für  x=  OQ 
ein  Maximum,  Trotzdem  erhielte  man, 
wenn  a  so  gross  gewählt  würde,  wie 
es  in  der  Figur  geschehen  ist, 
/'(«  — a)  <0  und/'(xH-a)>  0. 

Aus  diesen  Ungleichungen  würde  man  also  den  falschen  Sehlnss 
ziehen,  dass  f{x)  ein  Minimum  sei. 

Wenn  man  aber  a  hinreichend  klein  wählt,  so  ist  auch  in  diesem 
Falle,  wie  man  von  yomherein  erwarten  konnte ,  die  angegebene  Regel 
bestätigt,  d.  h.  es  wird 

/'(«-a)>0  und/'(xH-a)  <0, 
dem  Umstände  entsprechend,  dass  f{x)  ein  Maximum  ist. 


§53.    Aufgaben.  229 

§53. 

Aufgabe». 

Aufgabe  h  Man  soU  untersachen,  für  welehe  Wertbe  von 
X  die  Fnnction 

(1.)  y  =  i(x^  -  9x^  +  Ibx  +  30)  ^f(x) 

ein  Maximum  oder  MinimiiTn  wird. 

Auflofang.    Aus  Gleichmig  (1.)  folgt 

(2.)  f'(x)  =  \(x^  —  6x  +  5)  =  ^(x—l)(x  —  b). 

Die  beiden  Werthe  von  x,  fiir  welche  f\x)  gleich  Null 
wird,  sind  also 
(3.)  x=zl    und    x  =  b. 

Für  diese  Werthe  kann  möglicher  Weise  ein  Maximum  oder 
Minimum  eintreten.  Um  zu  entscheiden,  ob  das  eine  oder  das 
andere  wirklich  stattlSndet,  bilde  man  nach  Anleitung  des  vorigen 
Paragraphen 


und 


/'(l-a)  =  i(l-a-l)(l-a-5)  =  |(a  +  4) 


/'(l  +  a)  =  ^(1  +  a—  1)(1  +  a—b)  =  J(a  — 4). 


2 

Für  hinreichend  kleine  Werthe  der  positiven  Grösse  a  ist 
daher 

(4.)  /'(i_a)>0,.  /'(l  +  a)<0, 

folglich  ist 

(5.)         /(l)  =  ^(1  —  9  +  15  +  30)  =  I  =  6,1666  . . . 
ein  Maximum. 

Ebenso  bilde  man 

/'(5-a)  =  i(5-a-l)(5-a-5)  =  -|(4-a) 
und 

/'  (5  +  ö)  =  ^  (5  +  a  -  1 )  (5  +  a  —  5)  =  +  I  (4  +  a). 

Für  hinreichend  kleine  Werthe  von  a  ist  daher 
(6.)  /'(5  — a)<0    und  /'(5  +  a)>0, 

folglich  wird 

(7.)      /(5)  =  ^{12b  —  225  +  75  +  30)  =  f  =  0,8333  . . . 
ein  MinimiiTn. 


230 


§  Ö3.    Au^aben. 


Man  könnte  jetzt  noch  fragen,  für  welche  Werthe  von  x 
die  erste  Ableitung  /'(a:)  unendlich  gross  wird.  Diese  Frage 
beantwortet  sich  aber  nach  Gleichung  (2.)  dahin,  dass  es  keinen 
endlichen  Werth  von  x  giebt,  für  welchen /'(a?)  unendlich  gross 
wird. 

Denmach  sind  a:  =  1  und  a:  =  5  die  einzigen  Werthe  von 
a:,  für  welche  die  Function  ein  Maximum  oder  Minimum  werden 
kann. 

Bemerknng. 

Die  Bichtigkeit  des  gefundenen  Besultates  kann  man  durch  die 
geometrische  Deutung  der  Gßeichung  (1.)  anschaulich  machen.  Aus  dieser 
Gleichung  findet  man  nämlich 


Fig.  96. 


y  =  — 7,333...  fUr  ««  —  2, 


» 


n 


«  =  —  1, 
X^        0, 

«  =  +  3, 

«  =  +  5, 


y«  +  0,833... 

y  =  + 6,166... 
y  = +  5,333... 
y  =  +  3,5 
y  ^  +  1,666 . . . 
y  =  4- 0,833... 

y-  +  2 

y  =  +  6,166,.. 
Wenn  man  nach  diesen  An- 
gaben die  Curve  zeichnet,  welche 
der  Gleichung  (1.)  entspricht,  so 
findet  man  in  der  That,  dass  dem 
Werthe  x^  —  OQi  =  l  ein  Maximum  und  dem  Werthe  x^^  OQs^ö  ein 
Minimum  entspricht. 

Der  Anblick  der  Figur  lehrt  femer,  dass  die  Maximal'  Werthe  durch- 
aus nicht  immer  die  gröasten  Functions- Werthe  sind,  und  dass  die  Minimal' 
Werih0  ebenso  wenig  die  hUimten  Functions -Werthe  zu  sein  brauchen. 
Die  Maximal -Werthe  sind  nur  grösser  und  die  Minimal -Werthe  sind  nur 
kleiner  als  die  benachbarten  Werthe  der  Function. 

Aufgabe  2.  Man  soll  untersuchen,  für  welche  Werthe  von 
X  die  Function 

(8.)  y  =  |(:r3  —  6x^  -J-  12:r  +  48)  =/(a:) 

ein  MATiniiiTn  oder  MimTmim  wird. 

Auflösung.    Aus  Gleichung  (8.)  folgt 

(9.)  /' (x)  =  \(ßx^  —  12rc  +  12)  =  |(a:  -  2)2. 


§  53.    Aufgaben. 


231 


Der  einzige  Werth  von  x^  für  welchen /' (a:)  gleich  Null 
wird,  ist 

X=:  2 

während  /'  (x)  für  keinen   endlichen  Werth  von  x  unendlich 
gross  wird. 

Um  zu  entscheiden,  ob  für  ^  gleich  1  ein  Maximum  oder 
ein  Minimum  eintritt,  bilde  man 

/'(2  — a)  =  |(2  — a  — 2)2  =  |a2 
und 

/'(2  +  a)  =  1(2  +  a  — 2)2  =  |a2. 

Es  wird  also 
(10.)  /'(2  —  ö)  >  0  und  /'(2  +  a)  >  0, 

folglich  ist/(2)  weder  ein  Maximum  noch  ein  Minimum. 

Da  ir  =  2  der  einzige  Werth  von  x  war,  für  welchen  mög- 
licher Weise  ein  Maximum  oder  Minimum  eintreten  konnte,  so 
besitzt  die  Function  überhaupt  weder  ein  Maximum  noch  ein 
Minimum. 


Bemerkungr. 

Die  Gleichung  (8.)  giebt 

y  =  —  l  fUra;  =  — 2, 

y  =  +  3,625  »    X 1, 

y  =  +  6  „  x^      0, 

y«  +  6,875  .  a:  =  +  l, 

y  =  +  7  «  X-  +  2, 

y  =  +  7.125  ,  a:  =  +  3, 

y=+8  .  x^+^ 

y«  +  10,375  «  x=^  +  6, 

Oonstmirt  man  hiernach  die 
Curve,  welche  der  Gleichung  (8.)  ent- 
spricht (Fig.  37),  80  findet  man  es  be- 
stätigt, dass  f(x)  für  keinen  Werth 
Ton  X  ein  Maximum  oder  ein  Minimum 
wird.  Man  sieht  vielmehr,  dass  die 
Gorye  für  x  gleich  1  einen  Wende- 
punkt besitzt« 


Fig.  87. 

IT  / 


£^ 


282 


§  5&.    Aufgaben. 


Aufgabe  3.   Man  soll  die  Werthe  von  x  bestimmen,  für  welche 

(11.)  y  =  m  —  l  \[{x  —  cy'  =f{x) 

ein  Maxirnnm  oder  MimmuTn  wd. 

AuflSsung.    Die  Gleichung  (11.)  kann  man  auf  die  Form 

(IIa.)  f(x)  =  m—h{x  —  cY 

bringen  und  erhält  daraus 

(12.)         f\x)^-\l{x~cf^  =  --^^^—. 

Hieraus  folgt,  dass'/'(a0  für  keinen 
endliche  Werth  von  x  gleich  Null 
werden  kaim,    Dagegen  wird 

(13.)      /'(a:)=oo   für   a:  =  c. 

Dies  ist  also  der  dnzige  Werth 

von    X ,    für   welchen  f{x)   möglicher 

Weise    ein   Maximum   oder   Minimmn 

wird.     Um    darüber    zu   entscheiden, 

"-X  bilde  man 

^a  \  —2^  +26 

fix  -  a)  =  =  -^— 

5y(c  — a— c)3        hycfi 


und 


r{p  +  a)  = 


—  2h 


—  24 


Unter  der  Voraussetzung,   dass  l  eine  positive  Zahl  ist, 
erhält  man  also 
(14.)  /'(c  — a)>0    und    /'(c+a)<0, 

folglich  wird 

(15.)  fic)  =  m 

ein  Maximum.    (VergL  Fig.  38;) 

Aufgabe  4.  Von  einem  Rechteck  ist  der  Um£ang  gleich  2c\ 
wie  gross  muss  man  die  Seiten  machen,  damit  der  Flächeninhalt 
ein  Maximum  wird? 


§  53.    Aufgaben.  233 

AuflSsung.  Bezeichnet  man  die  eine  Seite  AB  mit  x,  so 
wird 

(16.)  BC=C  —  X,  ^i8-89. 

und  der  Flächeninhalt  wird  I  1^ 

(17.)     F=f(x)  =:x(c  —  x)  =  cx  —  x^, 
(18.)  f'(x)  =  c—2x  =  0, 

(19.)  X  ==  \c. 

Um  zu  entscheiden,  ob  für  diesen  Werth  yon  x  wirklich 
ein  Maximum  eintritt,  bilde  man 

und 

/'  (x  +  a)  =/'  Q  +  a^  ^  c  —  (c  +  2a)  =  —  2a. 

Da/'(a:  —  a)  >0  und/'(a;  +  a)  <0  ist,  so  wird  f{x)  ein 
Maximum.    Dies  giebt  den  Satz: 

Unter  allen  Rechtecken  mit  gleichem  Umfange  hat  das 
Quadrat  den  grössien  Flächeninhalt, 

Aufgabe  5.  Von  einem  Dreieck  ABC  sind  zwei  Seiten  b 
und  c  gegeben;  wie  gross  muss  der  eingeschlossene  Winkel  sein, 
wenn  der  Flächeninhalt  ein  Maximum  werden  soll? 

Auflösung.  Nennt  man  den  eingeschlossenen  Winkel  x^  so 
wird  der  doppelte  Flächeninhalt  des  Dreiecks 

(20.)  2  JP  =  ic  sina:  =  f{x) , 

(21.)      f'(x)^hc(mxt=i^    flir   a:Ä^, 


/'(|+a)=6ccos(|+a)<0, 


folglich  wird  f{x)  ein  Maximum  für  a:  =  ~  >  d.  h.  der  Flächen- 
inhalt des  Dreiecks  wird  am  grössten,  wenn  der  yon  den  gege- 
benen Seiten  h  und  c  eingeschlossene  Winkel  ein  rechter  ist. 


284    §  54.  Entsdieidang  über  das  Eintreten  eines  Maximums  u.  s.  w. 

§  54. 

Entscheidung  Ober  das  Eintreten  eines  Maximums  oder 
Minimums  durch  Untersuchung  der  höheren  Ableitungen. 

(Vergl.  die  Formel-Tabelle  Nr.  79.) 

Die  Fälle,  wof*(x)  unendlich  gross  wird,  mögen  in  den 
folgenden  Untersuchungen  ausgeschlossen  sein.  Es  soll  vielmehr 
vorausgesetzt  werden,  dass  die  Function  f(x)  mit  ihren  n  ersten 
Ableitungen /' (a:), /"  (a:) , . .  ./^"^(a:)  stetig  und  endlich  sei,  wobei 
über  die  Zahl  n  später  noch  passend  verfügt  werden  soll.  Dann 
ist  nach  Formel  Nr.  49  der  Tabelle 

wobei  unter  Anwendung  der  zweiten  Form  des  Eestes 
(2.)  ü  =  ji.  \f(-Kx  +  @h)  -ß-){x)\h- 

ist.    Setzt  man  in  dieser  Entwickelung  das  eine  Mal 

Ä  =  —  a 
und  das  andere  Mal 

Ä  =  +  a, 

so  kann  man  sie  benutzen,  um  das  Vorzeichen  von 

(3.)    J^  =f{x  —  a)  —fix)  und  von  J^  =f{x  +  d)  —f{x) 

zu  bestimmen.  Sind  nun  diese  Differenzen  für  hinreichend  kleine 
Werthe  von  a  beide  negativ,  so  wird  f{x)  offenbar  ein  Maximum; 
smd  aber  diese  Differenzen  beide  positiv,  so  wird  f(x)  ein  Mini- 
mum; haben  endlich  diese  beiden  Differenzen  verschiedenes 
Zeichen,  so  tritt  weder  ein  Maximum  noch  ein  Minimum  ein. 

Für  n  =  1  erhält  man  aus  den  Gleichungen  (1.)  und  (2.) 
(4.)    fix  +  h)  -fix)  =Ä)  h  +  \f'ix  +  0h)  -rix)]h. 
Hierbei  werde 

(5.)  ri^  +  &h)—f\x)=:a 

gesetzt,  dann  erhält  man 


§  54:  Entscheidung  über  das  Eintreten  eines  Maximuros  u.  s.  w.     285 

(4a.)  f{x  +  K)  -f{x)  =  A  |/'(^)  +  „], 

wobei  wegen  der  Stetigkeit  der  Funktion  f'{x)  die  Grösse  « 
Hiit  h  zugleich  beliebig  klein  wird.    Ist  also 

(6.)  /'(^)§0, 

SO  kann  man  h  so  klein  wählen,  dass  a,  vom  Vorzeichen  ab- 
gesehen, kleiner  wird  als  /'  (ar).  Das  Vorzeichen  der  Elammer- 
grösse  /'  (x)  +  a  wird  deshalb  mit  dem  Vorzeichen  von  /'  {x) 
übereinstimmen.  Ist  a  gleich  «^  für  A  =  —  a  und  a  gleich  ct^ 
für  Ä  =  +  a,  so  folgt  hieraus,  dass 

und 

A  =f{x  +  a)  —f{x)  =  +  a[f*{x)  +  aj 
entgegengesetztes  Vorzeichen  haben,  dass  also  weder  ein  Maximum 
noch  ein  Minimum  eintreten   kann,   so  lange  die  Ungleichung 
(6.)  besteht. 

Ein  Maximum  oder  Minimum  von  f{x)  kann  vielmehr  nur 
eintreten,  wenn 

(7.)  /'(^)  =  0 

ist.  Die  geometrische  Deutung  dieses  Resultates  giebt  wieder 
den  Satz: 

Die  Tangente  in  einem  CurvenpunMe,  welcher  einem  Maxi- 
mum oder  Minimum  er^spricht,  ist  der  X-Axe  parallel, 

Ist  die  Gleichung  (7.)  befriedigt,  so  füge  man  noch  die 
Voraussetzung  hinzu,  dass  auch  f''{x)  fiir  die  betrachteten  Werthe 
von  X  stetig  sei,  und  dass 

(8.)  nx)mo. 

Nach  den  Gleichungen  (1.)  und  (2.)  wird  dann  fiir  n  gleich  2 

/(:^  +  Ä)-/(^)=Ä)ä+Ö)ä2+J^ 

oder  mit  Rucksicht  auf  Gleichung  (7.) 

(9.)  fix  +  h)  -fix)  =  |i  [f-  {x)  +  ßl 

wobei 


236    §  54.  Entscheidung  über  das  Eintreten  eineB  Maximums  tu  s.  w. 

(10.)  r{^  +  eh)-f-{x)  =  ß 

gesetzt  worden  ist.  Wegen  der  Stetigkeit  von/"(a;)  wird  diese 
Grösse  ß  mi  h  zugleich  beliebig  klein.  Man  kann  also  h 
immer  so  klein  wäMen,  dass  /?,  vom  Vorzeich^  abgesehen, 
kleiner  wird  als  f'*{x\  dass  also  das  Vorzeichen  von  fix)  über 
das  Vorzeichen  der  Klammergrösse  f"  {x)  +  ß  entscheidet.  Ist 
ß  gleich  ß^  für  Ä  =  —  a,  und  ß  gleich  /Jj  für  A  =  +  a,  so  folgt 
hieraus,  dass 

j^^f(^_a)-f{x)  =  ^[r{x)  +  ß,] 

und 

j,  =f{x + d)  -fix) = |i  irix)  +  ß^ 

gleiches  Vorzeichen  haben,  dass  also  ein  Maximum  eintritt,  wenn 
f"{x)  negativ  ist,  während  ein  Minimum  eintritt,  wenn  f^*{x) 
positiv  ist. 

Dies  giebt  die  folgende  Regel: 

Ist 

f'{x)  —  0  und  fix)  <0, 

so  wird  fix)  ein  Maximum;  ist  dagegen 

f'ix)  =  Omdf''ix)>0, 

so  wird  fix)  ein  Minimum. 


Es  bleibt  nur  der  Fall  übrig,  wo 

(11.)  /'(^)  =  0    und  /''(rc)  =  0. 

Fügt  man  dann  die  Voraussetzung  hinzu,  dass  f*'*ix)  für 
die  betrachteten  Werthe  von  x  stetig  sei,  und  dass 

(12.)  /'"(^)S0, 

SO  folgt  aus  den  Gleichungen  (1.)  und  (2.)  für  »  =  3 


3! 
oder  mit  Bücksicht  auf  die  Gleichungen  (11.) 


^[/"(^  +  0Ä)-/"'W]Ä», 


§  54.  Entscheidung  über  das  Eintreten  eines  Maximums  u.  s.  w.   237 
(13.)  f{x  +  Ä)  -f{x)  =  |i  [f-*{x)  +  Yl 

wobei 

(14.)  r\x  +  eh)-r*{x)  =  Y 

gesetzt  worden  ist.  Wegen  der  Stetigkeit  von/"'(a:)  wird  diese 
Grösse  y  ^^  ^  zugleich  beliebig  klein.  Man  kann  also  h  inuner 
so  klein  wählen,  dass  y^  vom  Vorzeichen  abgesehen,  kleiner 
wird  als/'"(a;),  dass  also  das  Vorzeichen  von/'"(a:)  über  das 
Vorzeichen  der  Klanunergrösse  /'"  {x)  +  y  entscheidet.  Ist  nun 
Y  gleich  T'i  für  Ä  =  —  a,  und  y  gleich  yi  für  ä  =  +  a,  so  folgt 
hieraus,  dass 

A=f{x-a)-f{x)^-^\f-*{x)  +  Y,] 
und 

^2  =/(^  +  a)  -fix)  =  +  |i  [r-{x)  +  Y2] 

entgegengesetztes  Vorzeichen  haben,  dass  also  weder  ein  Maximum 
noch  ein  Minimum  eintreten  kann,  so  lange  neben  den  Gleichungen 
(11.)  die  Ungleichung  (12.)  besteht 

Ist  dagegen  auch/'''(a;)  gleich  Null,  ist  also 

(15.)        r{x)=o,  r{x)  =  o,  /-(^)  =  e, 

so  ffige  man  die  Voraussetzung  hinzu,  dass  ß^^{x)  für  die  be- 
trachteten Werthe  von  x  stetig  sei,  und  dass 

(16.)  ß'K^)^o 

wird.  Jetzt  folgt  aus  den  Gleichungen  (1.)  und  (2.)  für  »  =  4, 
wenn  man  die  Gleichungen  (15.)  berücksichtigt, 

(17.)  fix  +  k)  -fix)  =Ä)  A4  +  i^  [/(4)(a:+  &h)-ß%x)]h^ 

wobei 

(18.)  /(4)(a:  +  0Ä)  — /W  =  d 

gesetzt  worden  ist.  Wegen  der  Stetigkeit  von/<4>(a:)  wird  diese 
Grösse  d  mit  h  zugleich  beliebig  klein.   Man  kann  also  h  immer 


288  §  54.  Entscheidung  über  das  Eintreten  eines  Maximums  u.  s.  w. 

SO  klein  wählen,  dass  d,  vom  Vorzeichen  abgesehen,  kleiner  wird 
als/^*K^)j  dfl^s  also  das  Vorzeichen  von/^*^(rc)  über  das  Vor- 
zeidiea  der  Klammergrösse  ß^^  {x)  +  d  entscheidet.  Ist  nun  d 
gleich  9^  fiir  Ä  =  —  a,  und  d  gleich  dj  für  Ä  =  +  a,  so  folgt 
hieraus,  dass 

und 

gleiches  Vorzeichen  haben,   dass  also  f{x)  ein  Maximum  wird, 
wenn  f^^^  (x)  negativ  ist,  während  f(x)  ein  J/immtim  wird,  wenn 
y(4)(a;)  positiv  wird. 


In   dieser  Weise  kann  man  fortfahren.     Ganz  allgemein 
findet  man  das  folgende  Resultat: 

Es  sei  fiir  einen  bestimmten  Werth  von  x 

(19.)    /'(:r)  =  0,    /"(^)  =  0,    /-(a:)  =  0,...    /(«-i)(^)  =  0, 

ß'^\x)  dagegen  sei  von  Null  verschieden  und  für  die  betrachteten 
Werthe  der  Veränderlichen  stetig;  dann  folgt  aus  den  Gleichungen 
(1.)  und  (2.)  mit  Rücksicht  auf  die  Gleichungen  (19.) 

(20.)  f{x  +  Ä) -f{x)  ^-^^^  h-  +  l^[fi-\x+&h)-ß-){x)]h- 

n\ 
wobei 

(21.)  /c»»)  (x  +  eh)  — /^«)  {x)  =  V 

gesetzt  worden  ist.  Wegen  der  Stetigkeit  von  /^*^  {x)  wird  diese 
Grösse  v  mit  h  zugleich  beliebig  klein.  Man  kann  also  h  immer 
so  klein  wählen,  dass  y,  abgesehen  vom  Vorzeichen,  kleiner 
wird  als /^•»^  (a;),  dass  also  das  Vorzeichen  von/^*^(a;)  über  das 
Vorzeichen  der  Klammergrösse /^'•^(a;)  +  v  entscheidet.  Ist  nun 
V  gleich  v^  für  h  =  —  a  und  v  gleich  v^  für  ä  =  +  a,  so  er- 
giebt  sich  hieraus,  dass 


=  ^[/^**K^)  +  ^], 


§  51.  Entscheidung  über  das  Eimtreten  eines  MHiriTniiiiiH  u.  a.  ^ 


gleiche»  oder  entgegengesetztes  Zeichen  haben,  jenachdem  n  gerade 
oder  ungerade  ist. 

Es  tritt  daher  weder  ein  Maximnm  nodi  ein  Mmimnin  ein, 
wenn  n  ungerade  ist;  dagegen  wird /(:):)  ein  Maximum,  wenn 
n  gerade  und /'"•(«)  negativ  ist;/{«)  wird  ein  JtfwiwjMm,  wenn 
n  gerade  und /(">(«)  posüiv  ist. 

Dies  g:iebt  die  a%enieine  Regel: 

E7n»  (fte  Werthe  von  x  zu  bestimmen,  für  welche  f{x)  ein 
Maximum  oder  Minimum  wird,  bestimme  man  die  Werthe  ton 
X,  für  welche  f'{x)  gleich  Null  wird.  Ein  solcher  Werth  sei  x, 
und  fi'^x)  sei  die  erste  spätere  Ableitung,  welche  für  diesen 
Werth  von  x  nicht  verschwindet;  dann  ist  f(x)  ein  Maximum, 
wenn  n  gerade  and  ff^'^[x)  negativ  ist;  f(x)  ist  ein  Minimum, 
wenn  n  gerade  und  /*"'  (x)  positiv  ist.  Dagegen  tritt  weder  ein 
Maximum  noch  ein  Minimum  ein,  wenn  n  ungerade  ist. 

Bemerknngen, 
1)  OewOhnlich  wird  »  gleich  2,  nar  ausnahmsweise  kommen  anch 
giSssere  Werthe  von  n  in  Betracht. 

Fig.  41.  Fig.  42. 


ü^  ä  üj 


-Qlt 


2)  Aus  dem  Vorhergehenden  folgt,  dasa  Tier  wesentlich  Tereohiodene 
Fülle  eintreten  hSnnen,  wenn  fUr  irgend  einen  Werth  von  x 

wird. 


240 


§  55.    Anwendungen. 


I.  Ist  unter  dieser  Voraussetzung  entweder  f**{x)  negativ ,  oder 
f"  {x)  gleich  Null,  und  ist  die  erste  höhere  Ableitung,  welche  von  Null  Tcr- 
■chieden  ist,  von  gerader  Ordnung  und  negativ,  so  wird  der  entsprechende 
Werth  der  Function  ein  Maximum  (vergl.  Fig,  41). 

n.  Ist  unter  der  Voraussetzung,  dass/'(a;)  »0  wird,  entweder /"(«) 
positiv,  oder  /"  {x)  gleich  Null,  und  ist  die  erste  höhere  Ableitung,  welche 
von  Kuli  verschieden  ist,  von  gerader  Ordnung  und  positiv,  so  wird  der 
entsprechende  Werth  der  Function  ein  Minimum  (vergl.  Fig.  42). 

ni.  Ist  für  einen  Werth  von  x,  für  welchen /'(ap)«0  wird,  auch 
f'*(x)m=0,  und  ist  entweder  f"'{x)  positiv,  oder  f"(x)  gleich  NuU  und 
die  erste  höhere  Ableitung,  welche  von  Null  verschieden  ist,  von  un- 
gerader Ordnung  und  positiv,  so  ist  der  entsprechende  Werth  der  Func- 
tion weder  ein  Maximum  noch  ein  Minimum  (vergL  Fig.  43). 


Tig.  48. 


Fig.  44. 


IV.  Ist  für  einen  Werth  von  x,  für  welchen  /'(flp)  =  0  wird,  auch 
f'*(x)'=0,  und  ist  entweder /'"(«)  negativ^  oder/"'(ar)  gleich  Null  und 
die  eiste  höhere  Ableitung,  welche  von  Null  verschieden  ist,  von  un- 
gerader Ordnung  und  negativ,  so  ist  der  entsprechende  Werth  der  Func- 
tion weder  ein  Maximum  noch  ein  Minimum  (vergl.  Fig.  44). 

3)  In  den  Figuren  43  und  44  ist  der  Punkt  P  ein  Wendepunkt,  und 
zwar  steigt  die  Curve  in  Figur  43  bis  zum  Punkte  P  und  fährt  unmit- 
telbar hinter  ihm  fort  zu  steigen.  Im  Punkte  P  selbst  ist  die  Bichtung 
der  Curve  parallel  zur  X-Axe. 

In  Figur  44  dagegen  fUllt  die  Curve  bis  zum  Punkte  P  und  fährt 
unmittelbar  hinter  ihm  fort  zu  fallen.  Auch  hier  ist  P  ein  Wendepunkt, 
in  welchem  die  Bichtung  der  Curve  zur  X-Axe  parallel  ist. 

§  55. 

Anwendungen. 

Es  möge  diese  Methode  zunächst  auf  die  Au^aben  ange- 
weadet  werden,  welche  schon  in  §  53  behandelt  worden  sind; 
Aufgabe  3  daselbst  kommt  hier  aber  nicht  in  Betracht;  weil 


§  55.    Anwendungen.  241 

hier  nur  die  Falle  berücksichtigt  werden,  in  denen  f*{x)  stetig 
und  endlich  bleibt. 

Aufgabe  1-    Für  welche  Werthe  von  x  wird  die  Function 

(1.)  y  ==  i  (^^  -  9^^  +  15:r  +  30)  =/(:r) 

ein  Maximum  oder  ein  Minimum? 

Auflösung.    Man  bilde 

(2.)  f\x)=^\{x'^-'^x  +  b)  =  \{x—l){x—b), 

(3.)  /"(a:)  =  a:  — 3 

und  bestimme  die  Werthe  von  x^  für  welche /'(a?)  gleich  0 
wird.    Dadurch  findet  man 

(4.)  a:  =  1    und    a;  =  5. 

Für  diese  Werthe  kann  möglicher  Weise  ein  Maximum  oder 
MiniTTfirnfn  eintreten,    um  darüber  zu  entscheiden,  bilde  man 

(5.)  /"(1)  =  — 2    und   /-(5)  =  +  2, 

folglich  wird 

(6.)  /(l)  =  6,1666  . . . 

ein  Maximum^  weiiy'(l)  negativ  ist,  und 

(7.)  /(5)  =  0,8333 . . . 

ein  Minimum^  weil  f**  (5)  positiv  ist. 

(Vergl.  Fig.  36  auf  Seite  230.) 

Aufgabe  2.    Für  welche  Werthe  von  x  wird  die  Function 
(8.)  y  =  \(x^  —  6x^  +  12^  +  48)  =/(rc) 

ein  Maximum  oder  Minimum? 

Auflösung.    Man  bilde 

(9.)  f^{x)  =  1(^:2  —  4a:  +  4)  =  f(x  —  2)2, 

(10.)  /''(^)  =  1(^-2) 

und  bestimme  die  Werthe  von  x,  für  welche  /'  (x)  gleich  0  wird. 
Dadurch  findet  man  nur  den  einzigen  Werth 

(11.)  x=2, 

für  den  möglicher  Weise  ein  Maximum  oder  Minimum  eintreten 
kann.    Um  darüber  zu  entscheiden,  bildet  man/" (2)  und  findet 

(12.)  /"(2)  =  0. 

Siegemaxm^Eiepert)  DifTerential-Bechiiiiiig.  ^^ 


242  §  55.    Anwendungen. 

Deshalb  muss  man  noch  die  dritte  Ableitung 

(13.)  •/'''(^)  =  1 

bilden.  Da  diese  Ableitung  sogar  für  jeden  Werih  von  x  von  0 
verschieden  ist,  so  tritt  weder  ein  Maximum  noch  ein  Minimum 
ein. 

(Vergl.  Fig.  37  auf  Seite  231.)  , 

Aufgabe  3.    Für  welche  Werthe  von  x  wird 

(14.)  f(x)  =  x(c  —  x)  =  cx  —  x^ 

ein  Maximum  oder  Minimum? 

Auflösung.    Man  bilde 
(15.)  f%x)^c  —  2x, 

(16.)  /-(:.)  =  -2 

und  bestimme  den  Werth  von  x^  für  welchen  f'(x)  gleich  0  wird. 
Dadurch  findet  man  nur  den  einzigen  Werth 

(17.)  X:=:\C. 

T>dkf**{x)  fär  Jeden  Werth' von  x  negativ  ist,  so  wird/(a;) 
für  x^=\c  ein  Maximum. 

Aufgabe  4.    Für  welche  Werthe  von  x  wird 
(18.)  f{x)  =  hcmix 

ein  Maximum  oder  Minimum? 

Auflösung.    Man  bilde 

(19.)  f*{x)  =  bc  cos  a:, 

(20.)  /"  (ic)  =  —  6c  sin  rc 

und  bestimme  den  Werth  von  a:,  für  welchen  f*{x)  gleich  0  wird. 
Dadurch  findet  man,  weil  hier  x  kleiner  als  n  sein  muss,  den 
einzigen  Werth 

(21.)  a:  =  f. 

Um  zu  entscheiden,  ob  für  diesen  Werth  von  x  wirklich 

ein  Maximum  oder  Minimum  eintritt,  bildet  man/"(— )  und 
findet 

(22.)  /"(!)=: -Je. 


§  55.    Anwendungen.  243 

Da  dieser  Werth  negativ  ist,  so  wird/^— j  ein  Maximum. 
Aufgabe  5.    Die  Function 

wird  ein  Minimum  für  a;  =  a,  und  zwar  wird 
Aufgabe  6.    Die  Function 

f(x)  =  a:3  —  18a:2  4.  qq^  _  20 

wird  ein  Maximum  für  a;  =  4  imd  ein  Minimum  für  a:  =  8; 

dabei  ist 

/(4:)  =  14:0    und   /(8)  =  108. 

Aufgabe  7.    Die  Function 

/(a;)  =  a+  (x'-cy 
wird  ein  Minimum  für  rc  =  c,  und  zwar  ist 

Aufgabe  8.    Die  Function 

f(x)  =za  +  {x  —  cY 
hat  weder  ein  Maximum  noch  ein  Minimum. 

Aufgabe  9.    Die  Function 

f{x)^a  +  {x  —  cr 
wird  ein  Minimum  für  a:  =  c,  wenn  n  eine  gerade  Zahl  ist;  sie 
ist  dagegen  weder  ein  Maximum  noch  ein  Minimum,  wenn  n 
ungerade  ist. 

Aufgabe  10.    Die  Function 

/(a;)  =  a;2(a  —  a;)3  =  a3a;2  _  3  a^x^  +  Sax^  —  x^ 

wird  unter  der  Voraussetzung,  dass  a  positiv  ist,  für  ^  =  0  eiu 

2a 
Minimum,  für  a;  =  -r-  ein  Maximum  und  für  a:  =  a  weder  ein 

5 

Maximum  noch  ein  Minimum,  obgleich  /'  (a)  =  0  ist. 
Aufgabe  11.    Die  Function 

f{x)=^{x^lYix  +  2)^ 

16* 


244  §  56.  Vereinfachuiigen  der  Eeclmung,  u.  s.  w. 

wird  für  a:  =  1  ein  Minimum^ 

5     .  . 

„     a:  =  —  =•  ein  Maximum 

"  7 

und   für  a;  =  —  2   weder  ein   Maximum   noch   ein   Minimumj 
obgleich /'(  — 2)  =  0  ist. 

Aufgabe  12.    Die  Function 


/« =©" 


wird  für  a;  =  —  ein  Maximum, . 

e 

Aufgabe  13.    Die  Function 

wird  für  a;  =  tf  ein  Minimum, 
Aufgabe  14.    Die  Function 

f{pc)  =  ")/^=  a;* 
wird  für  a;  =  ö  ein  Maximum. 

Aufgabe  15.    Die  Function 

wird  fiir  a:  =  —  ein  Minimum. 

e 

§  56. 

Vereinfachungen  der  Rechnung, 
wenn/'(a?)  eine  gebrochene  Function  ist. 

(VergL  die  Formel-Tabelle  Nr.  80.) 

Hat/'(a;)  die  Form 

so  wird  im  Allgemeinen  /'  {x)  zugleich  mit  P{x)  gleich  NulL 
WiU  man  nun  entscheiden,  ob  f{x)  für  einen  Werth  von  x^  für 
welchen  P{x)  gleich  Null  ist,  ein  Maximum  oder  MinimiiTn  wird, 
so  muss  man  das  Vorzeichen  von 


§  57.    Aufgaben.  245 

bestimmen.  Nun  ist  aber  für  den  betrachteten  Werth  von  x  die 
Function  P{x)  gleich  Null,  folglich  wird 

Das  Vorzeichen  dieses  Bruches  kann  man  aber  Verhältnisse 
massig  leicht  bestimmen. 


§  57. 

Aufgaben. 

Aufgabe  I.    Für  welchen  Werth  von  x  wird  die  Function 

ein  Maximum  oder  Minimum? 
Auflösung.    Man  bilde 

(o  ^  fs  M  -    1-^^    _  il-x)(l+x)  _  P^ 

^^  /    W  ~  (1  +  ^2)2  -  (1  +  ^2)2  -    Q(^)  • 

Daraus  folgt,  dass  P{x)  und  deshalb  auch  f'(x)  nur  ver- 
schwindet für 

(3.)  x=l    und    x  =  —  1. 

Für  diese  Werthe  von  x  wird  aber 

also 

/''(1)=-|    und  /-(-i)  =  +i. 


Deshalb  ist 


und 


/(l)  =  -  ein  Maximum 
/( —  1)  =  —  -   ein  Minimum. 


246  §  57.    Aufgaben. 

Aufgabe  2.    Für  welche  Werthe  von  x  wird  die  Function 

/W-2  +  3a:  +  a:2 

ein  Maximum  oder  Minimum? 

AuflSsung.  /0/2)  wird  ein  Minimum 
und/( — 1/2)    „      „    Maximum. 

Aufgabe  3,    Für  welche  Werthe  von  z  wird  die  Function 

7*3   JLm     O* 
■ff       \    —  **^  i        **^ 

ein  Maximum  oder  Minimum? 

Auflösung,  /(l)  wird  ein  Maximum 
und/( — 1)     „       „    Minimum, 


Aufgabe  4,    Für  welche  Werthe  von  x  wird  die  Function 

ein  Ma.ximum  oder  Minimum? 
Auflosung. 

fi      i^    )    ^^^    /(    ~       j  werden  Maxima, 
/(^^^^ — 7"  ^    j     und    /(— — ~       )  werden  Minima. 
Aufgabe  5.    Für  welche  Werthe  von  x  wird  die  Function 

f{x)  =  e*  +  2cosa:  +  c-* 

ein  Minimum? 

Auflösung.    Hier  wird 

/'(ä:)  =  ö*  — 2sina:  — e-*  =  0  für  a:=:0, 
/''(a:)  =  ö*  —  2C0Sa:  +  ö"*  =  0  für  a;  =  0, 
/'"(a;)  =  ö«  +  2sina:  — C-*  =  0  für  a:  =  0, 
/(4)(a;)  =  6*  +  2cosa;  +  e-'  =/(^)  =  4>0fara:  =  0; 
folglich  tritt  für  a:  =  0  ein  Minimum  ein. 


§  57.    Aufgaben.  247 

Aufgabe  6.  Man  soll  eine  positive  Zahl  o  so  in  zwei  Theile. 
zerlegen,  dass  das  Product  aus  der  vierten  Potenz  des  einen 
Theiles  und  der  siebenten  Potenz  des  anderen  Theiles  ein  Maxi- 
mum wird. 

Auflösung.  Bezeichnet  man  die  beiden  Theile  von  c  mit  x 
und  c  —  x^  so  wird 

(50  f{x)^x^{c-x)\ 

folglich  ist 

(6.)  /'  {x)  =  x\c  —  a;)ö(4c  —  IIa:). 

Die  beiden  Werthe  x  =  0  und  a:  =  c,  für  wdehe  /'  {x)  ver- 
schwindet ,  kommen  hier  nicht  in  Betracht ,  denn  a:  =  0  liefert 
ein  Minimum^  weil  /'  {x)  aus  dem  Negativen  in's  Positive  über- 
geht, wenn  x  den  Werth  0  passirt,  und  für  a:  =  c  tritt  weder 
ein  Maximum  noch  ein  Minimum  ein,  weil  für  hinreichend  kleine 
Werthe  von  a 

f{c  —  a)  =  {c  —  afa\—  Ic  +  IIa)  <  0, 

und  auch 

f*{c  +  a)  =  {c  +  aYa\—  7c—  IIa)  <0 

ist.    Dagegen  tritt  wirklich  ein  Maximum  ein,  wenn 

(7.)  4c  —  IIa;  =  0,  oder  x  =  —c 

ist,  weil/'(a;)  für  diesen  Werth  von  x  verschwindet,  und  weil 

(8.)   f*{x)  =  x^{c  —  xy{12c^  —  S0cx+110x^)  =z—^j^<  0 

ist.  Hier  ergiebt  sich  auch  aus  der  Natur  der  Aufgabe,  dass 
zwischen  a:  =  0  und  a:  =  c  ein  Werth  von  x  liegen  muss,  für 
welchen  f{x)  ein  Maximum  wird,  denn  die  stetige  Function  f{x) 
wird  för  a:  =  0  und  für  a:  =  c  selbst  gleich  0  und  ist  für  die 
dazwischen  liegenden  Werthe  von  x  positiv. 

Aufgabe  7.  Man  soll  die  Zahl  c  so  in  zwei  Theile  zerlegen, 
dass  das  Product  aus  der  mten  Potenz  des  einen  Theiles  und  aus 
der  n*^  Potenz  des  anderen  Theiles  ein  Maximum  wird. 

Auflösung.    Aehnlich  wie  bei  der  voiigen  Aufgabe  ist  hier 

(9.)  /(a:)  =  a:-(c  — a:)» 


248 


§  57.    Au^aben. 


mc 


ein  Maximum  wird,   demi 


die  Function,  welche  für  a?  = 
es  wird 

Bemerkung« 

Man  erkennt,  dass  die  vorhergehende  Aufgabe,  und  ebenso  Auf- 
gabe 3  in  §  65  nur  besondere  Fälle  dieser  Aufgabe  sind. 

Aufgabe  8.  In  einen  Ereis  (Fig.  45)  mit  dem  Badius  r 
soU  ein  Bechteck  mit  möglichst  grossem  Flächeninhalt  einge- 
schrieben werden. 

Fig.  46  Auflösung.    Bezeichnet  man  die 

eine  Seite  des  Bechtecks  AB  mit  x^ 
so  wird  die  andere  Seite 

also  der  Flächeninhalt 

(11.)  F=  AB.BC=xy^r^—x\ 

(12.)  jF2=a?2(4r2— a;^)  =  ^.rh^'^—xK 

Soll  F  ein  Maximum  werden, 
dann  muss  auch  F^  eüi  Maximum 
werden,  so  dass  man 

(13.)  /(a:)  =  4r2a:2  —  a:* 

setzen  kann.    Dies  giebt 

(14.)  f\x)  =  8r2a:  —  ^x^  =  4a:(2r2  —  x^) , 

(15.)  f\x)  =  8r2  —  12a;2, 

(16.)  f{ry2)  c=  0,  /"(rVä)  =  —  Ur^  <  0, 

folgUch  tritt  für 

(17.)  ^lB  =  5C=ry2 

ein  Maximum  ein.    Es  gUt  also  der  Satz: 

Unter  allen  Rechtecken^  welche  einem  Kreise  dngeschriehen 
werden  können^  hat  das  Quadrat  den  grössten  Flächeninhalt. 


§  57.    Aufgaben. 


249 


Aufgabe  9.  In  einen  Kreis  (Fig.  45)  mit  dem  Badios  r 
soll  ein  Rechteck  mit  möglichst  grossem  Um£mge  eingeschrieben 
werden. 

Auflösung.  Benutzt  man  dieselben  Bezeichnungen  wie  in  der 
vorhergehenden  Auj^be,  so  wd  der  halbe  Umfang 

(18.)         \u  —  x+  y^r^  —  x^  =/(a:), 

X        y  4^.2  —  ^ — X -P(^) 

y 4r2  —  z^  "~      y 4r2  —  x"^       ""   Q{x) 


(19.)     r{x)-l- 


Hier  wird  P{x)  =  0,  wenn 
(20.)  y  4r2  —  x'^  =zx=  ry2 

ist;  für  diesen  Werth  von  x  wird 


'X^_  —  2ry2  _      V^^o 
4r2_a;2         ""      2r2      ""        r   ^   ' 


folglich  tritt  ein  Maximum  ein.    Dies  giebt  den  Satz: 

Unter  allen  Rechtecken  ^  welche  einem  Kreise  eingeschrieben 
werden  können^  hat  das  Quadrat  den  grössten  Umfang. 

Bemerkung« 

Die  Lösung  der  beiden  vorhergehenden  Aufgaben  wird  noch  etwas 
kürzer,  wenn  man  den  Winkel  CAB  als  Veränderliche  einführt;  es  sollten 
aber  an  dieser  SteUe  trigonometrische  Functionen  vermieden  werden. 

Aufgabe  10.  Von  einem  Dreieck  ABC  (Fig.  46)  ist  die 
Grundlinie  AB  gleich  c  und  die  Höhe  HC  =  h  gegeben ;  man 
soll  in  dieses  Dreieck  ein  Becht- 
eck  mit  möglichst  grossem 
Flächeninhalte  einzeichnen,  so 
dass  die  eine  Seite  DE  in  der 
Basis  AB  liegt. 

Auflösung.  Bezeichnet  man 
die  Höhe  DO  eines  solchen 
Bechtecks  mit  x^  so  wird 

JC.HC  =  GFiAB, 

oder 


PH  M 


{h  —  x):h  =  DE\c, 


250 


§  57.    Aufgaben. 


also 

(22.) 


h 

Mithin  ist  der  Flächeniiihalt  des  Rechtecks  DEFG 


(23.)  ir=££(^  =  ^(A^_^2). 

Daher  ist  in  dieser  Angabe 

(24.)      /(4=A:r  — rc^^    /' (o:)  =  Ä  —  2rr,    /"(a:)  =  — 2; 

daraus  folgt,  dass/(a:)  ein  Maximum  .wird  für  ar=-« 

Das  grösste  unter  allen  Rechtecken,  welche  sich  in  der  an- 
gegebenen Weise  in  das  Dreieck  ABC  einschreiben  lassen,  ist 
also  dagenige,  dessen  Höhe  und  Grundlinie  halb  so  gross  sind 
wie  die  Höhe  und  die  Grundlinie  des  gegebenen  Dreiecks.  Der 
Flächeninhalt  von  diesem  Rechteck  ist 


(25.) 


IT—  ^* 


Fig.  47. 


also  halb  so  gross  wie  der  Flächeninhalt  des  gegebenen  Dreiecks. 

Bemerkung^, 

In  vielen  Fällen  erkennt  mian  schon  aus  der  Natur  der  Aufgabe,  ob 
für  die  Werthe  von  x,  für  welche  f*{x)  verschwindet,  ein  Maximum  oder 
Minimum  eintritt.  In  das  Dreieck  ABC  (Fig  47)  lassen  sich  z.  B.  unend- 
lich viele  Bechtecke  einschreiben.    Denkt  man  sie  sich  alle  gezeichnet 

und  fängt  man  bei  demjenigen  an, 
dessen  Höhe  gleich  h  und  dessen 
Grundlinie  gleich  KuU  ist  (Fig.  46), 
das  also  mit  der  Höhe  h  des  Drei- 
ecks selbst  zusammenfällt,  so  wird 
bei  diesem  Rechteck  auch  der 
Flächeninhalt  gleich  NuU.  Wenn 
dann  die  Höhe  des  Bechtecks 
kleiner  wird,  so  wird  die  Basis 
grösser.  Auf  diese  Weisse  gelangt 
man  zu  den  Rechtecken  KLMN^ 
JDJEFQ,  OPQR  und  endlich  zu 
einem  Rechteck,  dessen  Höhe  gleich  Null,  und  dessen  Grundlinie 
gleich  c  ist,  so  dass  auch  bei  diesem  Rechteck  der  Flächeninhalt  gleich 
Null  wird. 


'a 

0 

■ 

^ 

</ 

N 

\ 

^ 

\o 

yi 

, 

i 

R 

-^0    L 

yji 

:r  / 

r 

?          T    ■ 

§  57.    Aufgaben.  251 

Daraus  folgt,  dass  der  Flächeninhalt  dieser  Rechtecke  zuerst  zu- 
nehmen und  dann  wieder  abnehmen  muss.  Deshalb  muss  es  wenigstens 
ein  Bechteck  in  dieser  Reihe  von  Rechtecken  geben,  dessen  Flächen- 
inhalt ein  Maximum  ist. 

Da  man  aber  aus  Gleichung  (24.)  nur  einen  einzigen  Werth  von  x, 

nämlich  x  =  -.  findet,  für  den  ein  Maximum  oder  Minimum  eintreten  kann, 
2  * 

so  folgt,  dass  dieser  Werth  wirklich  das  Maximum  liefert. 

Durch  derartige  Ueberlegungen  kann  man  in  vielen  Fällen  die  Bil- 
dung und  Berechnung  von  /"  {x)  ersparen.  So  würden  z.  B.  in  der  Auf- 
gabe 8  ganz  ähnliche  Erwägungen  zum  Ziele  geführt  haben. 

Aufgabe  11.    Von  einem  Kreissector  (Fig.  48)  ist  der  ge- 
sammte  Umfang  u  gegeben;  wie 
gross  muss  man  den  Halbmesser 
machen,  damit  der  Flächeninhalt 
ein  Maximum  wird? 

Auflösung.  Bezeichnet  man 
den  Halbmesser  MA  mit  x,  so 
wird  der  gesammte  Umfang  des 
Sectors 

(26.)  u  =  2x  +  AB,    also    ÄB=:u  —  2x. 

Der  doppelte  Flächeninhalt  des  Sectors  ist  daher 

(27.)        2jF=  AB.x  =  {u  —  2x)x  =  ux  —  2x^  =^f(x)^ 
folglich  wird 

(28.)  f'(x)=:u  —  ^x  =  0  für  x==jj 

(29.)  /"(:r)  =  -4<0. 

Der  Flächeninhalt  wird  daher  ein  Maximum,  wenn  der 
Bogen  des  Sectors  die  Hälfte  des  ganzen  Umfangs  ist. 

Aufgabe  12.  Man  soll  das  kleinste  unter  allen  Quadraten 
bestimmen,  welche  sich  in  ein  gegebenes  Quadrat  AB  CD  (Fig.  49) 
einschreiben  lassen. 

Auflösung.  Es  sei  EFGH  eines  der  Quadrate,  welche  sich 
in  das  gegebene  Quadrat  einschreiben  lassen.  Bezeichnet  man 
AB  mit  a  und  AE  mit  x,  so  wird 

EB:=AH=a  —  x, 


252 


§  57.    Aufgaben. 


Fig.  49. 


also 

HE^  =  a:2  +  (a  —  a?)2. 

Dieser  Ausdruck  ist  gleichzeitig  auch  der  Flächeninhalt  des 

Quadrates  EFGH;  die  Function,  welche  ein  Minimum  werden 

soll,  ist  daher 

(30.)     f(x)  =  2a;2  —  2ax  +  a\ 

Daraus  folgt 
(31.)  f{x)  =  4a:  —  2a,  f\x)  =  4; 
die  Ableitung  f'{x)  verschwindet  also 

nur  für  a;  =  -•    Da  nun/"(a:)  für  alle 

Werthe  von  x  den  positiven  Werth  4 
hat,  so  wird 


(32.) 


<i)=f 


ein  Minimum.  Die  Punkte  jB,  F,  G^H  müssen  daher  in  der 
Mitte  von  den  Seiten  des  gegebenen  Quadrates  liegen,  damit 
das  eingeschriebene  Quadrat  EFGH  möglichst  kleia  wird. 

Aufgabe  13.     Von  einem  Dreieck  ABC  (Fig.  50)  ist  die 

Grundlinie  AB  =  c  und  der  Winkel  y 
^^s-  ^'  an  der  Spitze  gegeben;  wie  gross  müssen 

c  die   anderen  Winkel  sein,   damit  der 

Flächeninhalt  des  Dreiecks  ein  Maxi- 
mum wird? 

Auflösung.  Bezeichnet  man  den 
Dreieckswinkel  a  mit  x^  so  wird  der 
dritte  Winkel  ß  gleich  180  —  {x  +  ^) 


und  der  Flächeninhalt  wird 
(33.) 


p_  c^sinasin/y  _c^mLXWL{y  +  ^)  ^ 
"~      2siny      ""  2sin/ 


In  dieser  Aufgabe  ist  daher 
(34.)      f{x)  =  sina:  sin(y  +  x\ 

(35.)    /'  {x)  =  cosa:  sin  (r + ^)  +  cos  {y  +  ^)  sina:  =  sin  (^^  +  2x\ 
(36.)   /"(:r)  =  2cos(/  +  24 


§  57.    Aufgaben. 


253 


Für 

oder,  da  x  gleich  a  ist,  für 

(37.)  x  —  a-ß 

verschwindet /' (a:) ,  mid/"(a:)  wird  gleich  —  2<0.  Deshalb 
wird  der  Flächeninhalt  ein  Maximum,  wenn  das  Dreieck  ein 
ghtchschenkeliges  ist. 

Aufgabe  14.  Von  einem  Dreieck  ABC  (Fig.  51)  ist  die 
Grundlinie  c  und  die  Höhe  h  gegeben;  wie  gross  müssen  die 
anderen  Seiten  sein,  damit  der 
Winkel  /,  welcher  c  gegenüberliegt, 
ein  Maximum  wird? 

Auflösung.  Die  Höhe  des  Drei- 
ecks theile  die  Grundlinie  c  in  die 
Abschnitte  x  und  c — x^  mid  den 
Winkel  y  theüe  sie  in  die  Winkel  § 
und  Y  —  §j  dann  ist 


AH^x,  HB^c  —  x, 


(38.) 
also 


X 


tgi=p  <«(/-?)= 


h 


.X 


ter  =  tgrs  +  (r-g)1=  *gg  +  ^(^-g)., 


oder 


(39.) 


tgr  = 


X         c  — 


X 


hc 


1  — 


x(c  —  x)       h^  —  x{c  —  x) 

Ä2 


Da  die  Ableitung  von  tgx,  nämlich  1  +  tg^x  (vergl.  Formel 
Nr.  26  der  Tabelle)  beständig  positiv  ist,  so  nimmt  tgx  mit  x 
gleichzeitig  zu,  und  zwar  für  alle  Werthe  von  x.  Deshalb  wird 
tg;'  mit  r  zugleich  ein  Maximum  oder  Minimum.  In  der  vor- 
liegenden Aufgabe  kommt  es  daher  nur  darauf  an,   :r  so  zu 

bestimmen,  dass 

kc 

Ä2 x{c X) 


254  §  57.    Aufgaben. 

ein  Maximum  wird.  Dieser  Ausdruck  ist  aber  ein  Bruch,  dessen 
ZäMer  eine  positive  Constante  ist.  Deshalb  wird  der  Bruch  ein 
Maximum,  wenn  der  Nenner  ein  Minimum  ist.  Man  hat  also 
zu  setzen 

(40.)  f(x):=^h^  —  x{c  —  x)  =  h^  —  cx  +  x^, 

(41.)  f'{x)  =  —c+2x,    rix)  =  2. 

Daraus  folgt,   dass  f(x)   für  ä;  =  -  ein  Minimum   wird. 

Für  diesen  Werth  von  x  werden  tgy  und  y  ein  Maximum  und 
das  Dreieck  wird  wieder  ein  gleichschenkdiges. 

Aufgabe  15.  Von  einem  Dreieck  ist  gegeben  die  Summe 
zweier  Seiten,  nämlich  a  +  h  gleich  «,  und  der  von  diesen  Seiten 
eingeschlossene  Winkel  y ;  wie  gross  müssen  die  Seiten  a  und  b 
selbst  sein,  damit  der  Flächeninhalt  des  Dreiecks  ein  Maximum 
wird? 

Auflösung.  Bezeichnet  man  die  Seite  a  mit  rr,  so  wird  b 
gleich  s  —  X,  und  man  erhält  für  den  doppelten  Flächeninhalt 
des  Dreiecks 

(42.)  2F—x{8  —  x)miY. 

Deshalb  hat  man  in  diesem  Falle  zu  setzen 

(43.)     f{x)^8x  —  x\    f'{x)  =  8  —  2x,    /"(:r)  =  — 2, 

s 

folglich  wird  für  a:  =  —  der  Flächeninhalt  ein  Maximum. 

Aufgabe  16.  Von  einem  Dreieck  ist  gegeben  die  Summe 
zweier  Seiten,  nämlich  a  +  6  gleich  «,  und  der  anliegende 
Winkel  a;  wie  gross  müssen  die  beiden  anderen  Winkel  sein, 
damit  der  Flächeninhalt  des  Dreiecks  ein  Maximum  wird? 

Auflösung.  Bezeichnet  man  den  Dreieckswinkel  ß  mit  x,  so 
wird  r  gleich  180®  —  (a  +  x)  und 

(44.)  F^  f^iosin^ 

^  2smr 

oder,  weil  nach  dem  Sinussatz 


§  57.    Aufgaben*  255 

""^sina  +  sin/y 
ist, 

(Ufi)  ^  ^^sina  sin/y  siny 

^^^^'^  ^      2(sina  +  siii/?)2' 
also 

rAt;.  V  2JF    _  smg  siii(tf  +  x)  _  ^,  . 

'^^^•>'  «2sina-  (sma  +  siii:r)2  --/W- 

Hieraus  folgt  nach  einigen  Umformungen 

/..x  ^,..       sinarsin(«  +  2^)  — sina:]_P(^) 

^4b.;         /  W  -  (sina  +  sina:)3         ^  Q(a:) 

Damit /'(a:)  verschwindet,  muss 

(47.)    sin(a  +  2x)  —  siax  =  2sin(5^)  cos (^^■^)  ==  0 

sein.    Da  a  H-  ^  grösser  als  0  und  kleiner  als  tv  sein  muss,  so 
kann  Gleichung  (47.)  nur  beftiedigt  werden,  wenn 

— ^ —  =  - ,    oder    a  +  Sx=:n=:a  +  ß  +  r 

ist.    Dies  giebt 

(48.)       2:c  =  2/?=:y  =  |(7r  — a),     a:  = /?  =  |(7r  —  a). 

Ob  für  diesen  Werth  von  x  wirklich  ein  Maximum  von  f(x) 
eintritt,  findet  man  aus  dem  Vorzeichen  von  f"  (x) ,  wobei  nach 
Formel  Nr,  80  der  Tabelle 

ist.    Nun  wird,  weil  a  +  2a;  gleich  n;  —  a:  ist, 
(50.)  P'  (x)  =  sin  a  [2  cos  (a  +  2x)  —  cosa:] 

=  —  3sinacosa;<0, 
(51.)  Q(x)  =  (sina  +  sina:)3>  0, 

folglich  ist/"(a:)<0,  und/(a:)  ein  Maximum. 


256 


§  57.    Aufgaben. 


Fig.  52. 


Aufgabe  17.  Es  ist  eine  Gerade  AM  gegeben  (Fig.  52) 
und  ausserhalb  derselben  ein  Punkt  B ;  man  soll  auf  der  Oeraden 
AM  einen  Punkt  C  bestimmen,  so  dass 

(52.)  S  —  p  .  AC  +  q .  CB 

B  ein  Minimum  wird,  wobei  p<q 

vorausgesetzt  werden  soll. 

Auflösung.  Es  sei  der 
Winkel,  den  CB  mit  dem  von 
B  auf  AM  gefällten  Lothe  BF 
bildet,  gleich  x^  und  es  sei 

dann  wird 
S=f{x)=p{AF—  CF)  +  q.CB 


(53.) 


=  />(«  —  ht^x)  +  y  . 


COSa: 


r54^      f'(x\- i^ft      ,    qhmix  _h{qwix—p)  _P{x) 

KP^.)    7W-      cos2:r^  cos^a:  cos^^        ~  Q(^) 

P{x)  wird  gleich  0,  wenn 

(55.) 

ist;  fiir  diesen  Werth  von  x  wird 


(56.)  j    ^^j  -  Q^^^  _    ^g2^ 

folglich  tritt  ein  Minimum  ein. 


cosa: 


>0, 


Legt  man  AE  unter  dem  aus  Gleichung  (55.)  geftmdenen 
Winkel  x  im  Punkte  A  an  die  Gerade  AM  an  und  verlängert 
J?C  bis  zum  Schnittpunkte  D  mit  der  Geraden  AE,  so  steht 
BD  senkrecht  auf  AE,  und  es  wird 

(57.)         S^p.AC +q.CB=qWix.AC+q.CB 

=  q{AC^mx  +  CB)  =  y(I^e  +  CJ?)  =  y .  DB. 


§  57.    Aufgaben. 


257 


Aufgabe  18.  Es  ist  eine  Gerade  AM  gegeben  (Fig.  53) 
und  auf  verschiedenen  Seiten  derselben  zwei  Punkte  B  und  C; 
man  soll  auf  AM  einen  Punkt  D  bestimmen,  so  dass 

(58.)  S  =  p.AD+  q.BD  +  r.CD 

ein  Minimum  wird. 


Fig.  53. 


Auflösung.  Es  seien  BB^  und 
(7C|  die  Lothe,  die  man  von  B  und 
C  auf  AM  fällen  kann,  und  es  sei 


dann  wird 

(60.)  S  —fix)  =px  +  q  y(^_a:)24.J^2  +  r  y{c  —  xy  +  c^'^, 

q{h—x)        _         r{c  —  x)        ^^ 
y(6_a:)2  + J^2        y(^c  —  xy  +  c^^ 


(61.)         /'(^)=/>- 


oder,  wenn  man  den  Winkel  jBiÖ5  mit  i^  und  den  Winkel 
C^DC  mit  (i  bezeichnet, 

(61a.)  p  —  ycosi^  —  rcos/t*  =  0. 

Ist  diese  Bedingung  erfüllt,  so  tritt  wirklich  ein  Minimum 
ein,  denn  es  ist 

2 


/"(^)  = 


qb,^ 


+ 


rCi 


[{b  —  Xf  +  6i2]Va  ^  [{c  —  Xf  +  C,2]"/« 


>o. 


Der  Werth  von  x  und  die  Lage  des  Punktes  D  lassen  sich 
aus  der  Gleichung  (61.)  oder  (61a.)  noch  nicht  in  einfacher 
Weise  ermitteln,  dagegen  werden  diese  Gleichungen  benutzt 
werden  können  zur  Lösung  der  folgenden  Aufgabe. 

Aufgabe  19.  Es  sind  drei  Punkte  Aj  B,  C  gegeben  (Fig.  54); 
man  soll  einen  Punkt  D  bestimmen,  so  dass 

(62.)  S  =:  p.  AD  +  q.BD  +  r.CD 

ein  Minimum  wird. 

Stegemann -Kiepert,  Differential-Rechnung.  17 


258 


§  57.    Aufgaben. 


Fig.  64. 


Auflösung.     Die  Gerade  AD   habe  bereits  die  verlangte 
Eichtung,  dann  ergiebt  sich,  wenn  man  Winkel 

BDG  =  CDF  mit  A, 
CDE  =  ADG  mit  /», 
ADF  =  BDE  mit  v 

bezeichnet,  aus  Gleichung  (61a.) 
der  vorhergehenden  Aufgabe 

(63.)  p  —  jcosy  —  rcos^  =  0. 

In  derselben  Weise  findet  man 

(64.)  q  —  rcosX  —  jDCOS^  =  0, 

(65.)  r  —  pcos/*  —  jcosA  =  0. 

Eliminirt  man  aus  diesen  beiden  Gleichungen  ^,  so  erhält  man 

(66.)  y(cos/A  +  cosA  cosi')  =  r  (cosy  +  cosA  cos/a), 

oder,  weü 

cos^  =  —  cos(A  +  i')  =  —  cosA  cosj'  +  sinA  sin^ , 

cosj'  =  —  cos(A  +  (i)^  —  cosA  cos/t*  +  sinA  sin/* 
ist, 

(66  a.) 

oder 

(67.)  q  :  sin/*  =  r :  sin>^. 

Ebenso  findet  man 
(68.)  p :  sinA  =  q :  sin/*. 

Beschreibt  man  um  das  Dreieck  ADB  den  umschriebenen 
Kreis  i^Fig.  55)  und  verlängert  CD  bis  zum  zweiten  Schnitt- 
punkte C^  mit  diesem  Kreise,  so  sind  in  dem  Dreieck  ABCi 
die  Winkel  bei  J',  B  und  Ci  bezw.  A,  /*  und  p,  so  dass  man 
erhält 
(69.)  BCi :  C^A  :  AB  =  sinA :  sin/* :  sini^, 

oder  mit  Eücksicht  auf  die  Gleichungen  (67.)  und  (68.) 

(70.)  BC^ :  C^A  :AB^p:q:r. 

Daraus  ergiebt  sich  die  folgende  Construction: 

Man  errichte  über  AB  auf  der  zu   C  entgegengesetzten 
Seite  ein  Dreieck  ^jBC7i,   dessen  Seiten  in  üebereinstimmung 


ysinA  siny  =  rsinA  sin/*. 


§  57.    Aufgaben. 


259 


mit  Gleichung  (70.)  sich  verhalten  wie  p'q.r^  und ' beschreibe 
um  dieses  Dreieck  den  umschriebenen  Ki'eis,  dann  schneidet  die 
Gerade  CC^  diesen  Kreis  in  dem  gesuchten  Punkte  D. 


Fig.  56. 


Fig.  56. 


Cr 


Man  kann  natürlich  auch  über  der  Seite  £C  ein  Dreieck 
BCÄx  und  über  der  Seite  CA  ein  Dreieck  CAB^  construiien 
(F!g.  56),  so  dass 

(71.)  BC\  CAi:A^B  =  B^C:  CA.AB^^piqir 

ist.  Durch  den  gesuchten  Punkt  D  gehen  dann  auch  die 
Geraden  AA^  und  BB^  und  die  Kreise,  welche  diesen  Dreiecken 
BCAi  und  CABi  umschrieben  sind.  Gleichzeitig  erhält  man 
für  S  eine  geometiische  Darstellung.  Nach  dem  Ptoltmaeisdien 
Lehrsatze  ist  nämlich  (Fig.  55) 

(72.)  AD .  5Ci  +  BD  .  AC^  =  C^D .  AB; 

nun  ist  aber  nach  Construction 


f  _pAB      ^      _g*AB 


Ba 


folglich  geht  Gleichung  (72.)  über  in 

AB 

{p.AD  +  q.  BD)  =  CiD,  AB. 


17 


7* 


260 


§  57.    Aufgaben. 


Dies  giebt 
(73.)  S=:p.AD  +  q.BD  +  r.  CD  =zr(CD  +  DC^)  ::=r .  CC^. 

In  derselben  Weise  findet  man 

(73a.)  S^p.  AA^  =  q  .  BB^  =  r  .  CC^. 

Ein  besonderer  Fall  ist  der,  wo 

;?  =  y  =  r  =  l,    also     S^^AD-^-  BD+  CD 

wird,  ein  Fall,  der  auch  in  Figur  56  berücksiclitigt  ist.  Dann 
sind  die  Dreiecke  BCA^j  CAB^,  ABC^  gleichseitige  Dreiecke^ 
die  Winkel  i,  /u,  v  sind  alle  drei  gleich  60®,  so  dass  Winkel 

BDC^  CDA  :=ADB=^  120^ 

wii^d,  und  endlich  ist 

(73  b.)  S==AA^  =  BBi  =  CC^. 

Bemerkung. 

1)  Der  gefundene  Pankt  2>  hat  nur  dann  die  Eigenschaft  des  Mini- 
mums, wenn  von  den  Eckpunkten  des  Dreiecks  keiner  innerhalb  der  um 
die  Dreiecke  BCAi,  CABu  ABCi  beschriebenen  Kreise  liegt.  Läge  z.  B. 
C  innerhalb  des  Kreises  um  ABC\,  so  wäre,  wie  man  leicht  nachweisen 
kann, 

p .  ÄC  +  q  .  BC  <p  .  AD  +  q .  BD  +  r  .CD. 

2)  Die  letzten  drei  Aufgaben  haben  ganz  besondere  Bedeutung  für 
die  Lehre  vom  Trassiren  und  bilden  den  Ausgangspunkt  für  eine  ganze 
Reihe  von  Aufgaben,  deren  Besprechung  hier  aber  zu  weit  führen  würde.. 
(Man    vergleiche  Launhardt,  Theorie  des  Trassirens,  Hannover  1887.) 

Aufgabe  20.  Man  soll  unter  allen  Cylindem,  die  sich  in 
einen  geraden  Kegel  einschreiben  lassen,  den  grössten  bestimmen. 

Auflösung.  t)ie  Höhe  des  ge- 
gebenen Kegels  (Fig.  57)  CS  sei 
Ä,  der  Halbmesser  CB  der  Grund- 
fläche sei  r,  die  Höhe  CE  des 
eingeschriebenen  Cylinders  sei  y, 
und  der  Halbmesser  CD  seiner 
Grundfläche  sei  x.  Dadurch  findet 
man  für  das  Volumen  des  Cy-^ 
linders 
(74.)  V  =  x^Tiy. 


.1 


§  57.    Aufgaben.  261 

Aus  der  Aehnlichkeit  der  Dreiecke  SCB  und  FDB  folgt 

CS\  CB  =  DF\DB, 

oder 

folgbch  wird 

(75.)  y^^{r-x)    und    V^^x\r-x). 

Die  Function,  welche  ein  Maximum  werden  soll,  ist  daher 
(abgesehen  von  dem  positiven  constanten  Factor  — j 

(76.)  /(x)  =  x^(r  —  x)  =  rx^  —  x\ 

Dies  giebt 
(77.)    f'{x)^2rx  —  3x^^x{2r  —  3x),   f"(x)  —  2r—ßx. 

Die  Ableitung  f*  (x)  verschwindet  erstens  für  a:  =  0  und 

2r 
zweitens  für  a:  =  -r--    Nun  ist 

/"(0)  =  2r>0, 

folglich  erhält  man  für  a:  =  0  ein  Minimum.  In  der  That,  der 
entsprechende  Cylinder  ist  zu  einer  geraden  Linie  zusammen- 
geschrumpft, und  sein  Volumen  ist  gleich  Null.    Dagegen  wird 

/.(|:)=_2.<o, 

folglich  wird/f  —  j  ein  Maximum.    Die  Höhe  y  des  zugehörigen 

Cylinders  ist  nach  Gleichung  (75.)  gleich  -  und  das  Volumen 
wird  nach  Gleichung  (74.) 

(78.)  r=  i^. 

Da  das  Volumen  des  gegebenen  Kegels  gleich  —5—  ist, 
so  ist  das  Volumen  des  grössten  Cylinders,  der  sich  in  einen 
geraden  Kreiskegel  einschreiben  lässt,  gleich  -  von  dem  Volumen 
des  Kegels. 


262 


§  57.    Aufgaben. 


Aufgabe  21.  Man  soll  unter  allen  Cylindern,  welche  sich 
einem  geraden  Ereiskegel  einschreiben  lassen  (Fig.  57),  denjenigen 
bestimmen,  dessen  Mantelfläche  ein  Maximum  ist. 

Auflösung.  Wendet  man  wieder  dieselben  Bezeichnungen  an 
wie  in  der  vorhergehenden  Aufgabe,  so  erhält  man  für  die 
Mantelfläche  des  Cylinders 

(79.)  Jl/=2x7r.y. 

Nach  Gleichung  (75.)  ist  aber 


folglich  wird 


y  =  j(f—^\ 


M  = {rx  —  x^). 


Die  Function,  welche  ein  Maximum  werden  soll,  ist  daher 

(80.)  f{x)  =  rx  —  x\ 

und  es  wird 

(81.)  /'(^)  =  r-2^,    /''(a:)  =  — 2. 

Daraus  findet  man ,  dass  die  Mantelfläche  für  a:  =  -  ein 

Maximum  wiid. 

Aufgabe  22.  Ein  cylindrisches  Grefass  (Fig.  58)  soll  so  ge- 
formt werden,  dass  es  bei  gegebenem  Vo- 
lumen eine  möglichst  kleine  Gesammt- 
oberfläche  besitzt.  In  welchem  Verhält- 
nisse stehen  dann  die  Höhe  und  der  Halb- 
messer der  Grundfläche? 

Auflösung.  Bezeichnet  man  den  Halb- 
messer CB  der  Grundfläche  mit  x^  die 
Höhe  CD  mit  y,  die  Oberfläche  mit  JF 
und  das  Volumen  mit  F,  so  wird 


Fig   68. 


d           '*        ^"^ 

^--^ 

1 

•"' — ^^~~^ 

^--—      '^    '^ — ^ 

B 


(82.) 


V  =  a:%y,    oder    y  =  --^  > 


ar^.T 


(83.)  F=^  2x7Ty  +  2x'^7t  =  2ra:-*  +  2.r%  =/(ar), 

also 

(84.)   f'{x)  =  —  2 Vx-^  +  4:X7r  ==  2^^-2(2,^3;^  —  V)  =  0. 


§  57.    Aufgaben. 


263 


=  r,     y  =  2.  =  2>^. 


Dies  giebt 
(85.)  2^»^       .  _       ,  2;r 

Für  diesen  Werth  von  x  tritt  wii'klich  ein  Minimum  ein, 
denn  es  wird  dann 

(86.)       f*{x)  =  4ra:-*  +  47r  =  Stt  +  47r  =  127r>  0. 

2>f'(ß  Oesammtoherfläche  wird  daher  möjlichst  Alein ,  wenn 
der  Durchmesser  des  Grundkreises  uni  die  Höhe  eina?ider 
gleich  sind. 

Aufgabe  23.  Ein  cylindiisches  Gretäss  (Fig.  58)  soll  so  ge- 
formt werden,  dass  bei  gegebenem  Volumen  (nicht  die  Gesammt- 
oberfläche,  sondern  nur)  der  Mantel  und  die  eine  Grundfläche 
zusammen  ein  Minimum  werden. 

Auflosung.    In  diesem  Falle  ist 

(87.)  f(x)  =  25;7ry  +  x^tv  =  2Vx-^  +  x^tt, 

(88.)  f'{x)  =  —  2Vx-^  +  2x7r  =  0  tär  x^jt  =  V. 

Dies  giebt 

(89.)  y  =  ^  =  yZ, 

und  zwar  tritt  für  diesen  Werth  von  x  wirklich  ein  Minimum 
ein,  weü 

(90.)  f*{x)  =  ^Vx-^  +  27r  ==  Ott  >  0 

wird.  Hier  muss  also  der  Halb- 
messer dei*  Grundfläche  der  Höhe 
gleich  sein. 

Aufgabe  24.  Man  soll  einer 
Kugel  einen  geraden  Kegel  (Fig. 
59)  einschreiben,  dessen  Mantel- 
fläche ein  Maximum  ist. 

Auflösung.  Bezeichnet  man 
den  Halbmesser  BO  der  Kugel 
mit  r,  den  Halbmesser  AC  von 

der  Grundfläche  des  Kegels  mit  y,  die  Seitenkante  -4/9  mit  s  und 
di3  Höhe  CS  mit  x^  so  wird  die  Mantelfläche  des  Kegels 
(J)l.)  M^yns. 


264 


§  57.    Au^aben. 


Nun  ist  aber  nach  bekannten  Sätzen  aus  der  Planimetrie 
(92.)  y2  =  ;c(2r  —  z),    s^  =  2rx\ 

deshalb  wird 
(93.)  Jf 2  =  2rx\2r  —  x)  7r\ 

Ist  M  ein  Maximum,  so  gilt  dasselbe  von  M^j  folglich  hat 
man  hier  zu  setzen 

(94.)  f{x)  =  x^  (2r  —  x)  =  2rx^  —  x^ ; 

dies  giebt 

(95.)  f  -^^ ^"^"^  ^  ^^"^  ~  ^^^  =  a:(4r  —  Sx), 


I  /'(a;)  =  4ra;  — 3:j 
|/"(a;)  =  4r  — 6ar. 


Für  a:  =  0  wird  /(a:)  ein  Minimum,  dagegen  wird 
ein  Mft.Tinii|Tn. 


Fig.  00. 


Aufgabe  25.    Man  soll  aus  einem  Baumstamme  mit  kreis- 
förmigem Querschnitt  (Fig.  60)  einen  Balken  mit  rechteckigem 

Querschnitte  so  ausschneiden,  da^ 
seine  Tragfähigkeit  ein  Maximum 
wird. 

Auflösung.  Da  die  Tragföhig- 
keit  T  proportional  zu  der  Breite 
X  des  Querschnitts  und  propor- 
tional zum  Quadrate  der  Höhe  y 
desselben  ist,  so  wird 

T=^cxy^j 
wobei 

y^:=  d^  —  x^, 

wenn  man  mit  d  den  Durchmesser  A  C  des  Ki^eises  bezeichnet. 

Dies  giebt 

(97.)  T—cx{di  —  ^2^  -:  c{d^x  —  x% 

(98.)  f{x)  =  d^x  —  x^, 

(99.)  /'(:r)  =  cP  — 3a:2  =  0  für  ^  =  i" 


§  57.    Aufgaben. 


265 


Für  diesen  Werth  von  x  tritt  ein  Maximum  ein,  denn  es  ist 

(100.)  /"(a:)  — —  6a;<0. 

Die    Tragfähigkeit   des   Balkens   ist   daher  ein  Maximum^ 


wenn 


Fig.  61. 


l-x  Si 


(101.)    a:2 :  y2 :  e/2  —  1 :  2  :  3,  oder  a: :  y :  rf  =  1 :  "j/i" :  )/3 . 

Aufgabe  26.  Auf  derselben  Seite  einer  geraden  Linie  MN 
(Fig.  61)  seien  zwei  Punkte  A  und  B  gegeben;  man  soll  die 
Lage  des  Punktes  C  auf  der 
Geraden  MN  so  bestimmen,  dass 

AC^+  CB^  ein  Minimum  wird. 

Auflösung.  Fällt  man  von  A 
und  B  auf  MN  die  Lothe  AA^ 
und  jBJ?i,  dann  sei 

A^A  =  a,      B^B  =  J, 

setzt  man  also 

A^C^x,    so  \\drd     CB^=l  —  x. 

Dies  giebt 

(102.)     Je"  +  C5^  =  ö2  +  ^2  +  J2  +  (/  _  ^)2  ==y(^)^ 

(103.)      /'(o;)  =  2^  —  2(/  -  a:)  =  4^  ^  2/,    /"(:r)  =  4, 

folglich  wird  /(a:)  ein  Minimum  für  :?;  =  -,    d.  h.,    wenn    der 
Punkt  C  in  der  Mitte  zwischen  A^  und  B^  liegt. 

Aufgabe  27.  Auf  derselben  Seite  einer  geraden  Linie  MN 
(Fig.  61)  seien  zwei  Punkte  .^  und  J?  gegeben;  man  soll  die 
Lage  des  Punktes  C  auf  der  Geraden  MN  so  bestimmen,  dass 
-4C+  CB  ein  Minimum  wird. 

Auflösung.  Die  Function,  welche  hier  ein  Minimum  werden 
soll,  ist 

(104.)     AC+  CB  =  ya^  +  x^  +  yb^  +  (l  —  xy  =f{x). 


266  §  57.    Aufgaben, 

Dies  giebt 
(105 )  f'(x)  =         ^         _         \^~^) ^ 

(106.)    /-(^)  =  ___==  + 


(a2  +  x^)yu^  +  x^      [62+(/_a:)2]yj2  +  (/— a;)« 

Um  die  Werthe  von  ar  zu  bestimmen,  für  welche  /'  (r)  ver- 
schwindet, beachte  man,  dass  aus  Gleichung  (105.)  folgt 

Dieser  Ausdnick  verschwindet,  wenn  der  Winkel 
(107.)  ACA^  ^BCB^. 

Die  beiden  Dreiecke  ÄCA^  und  BCB^  sind  deshalb  ähnlich, 
und  es  wird 

a::  a  =  (/  —  x)  :  b, 

oder 

(108.)  :g=  .,      l  —  x  = 


Da  bei  dieser  Bestimmung  von  x  die  zweite  Ableitung  nach 
Gleichung  (106.),  nämlich 

(109.)  f-(a:)  =  4^+S£ 

^  -^    ^  ^        AU'  BC 

positiv  ist,  so  wii-d  -4C+  CJ5  ein  Minimum. 

Wegen  Gleichheit  der  Winkel  ACA^  und  BCB^  ist  die  ge- 
brochene Linie  AGB  der  Weg,  den  ein  Lichtstrahl  nehmen 
würde,  der  von  dem  Punkte  A  ausgeht  und  von  der  Geraden 
MN  nach  B  reflectirt  werden  soll. 

Dieser  Weg  ist  demnach  ein  Minimum, 

Aufgabe  28.  Die  Gerade  MN  (Fig.  62)  trenne  das  Medium, 
in  welchem  das  Licht  sich  mit  der  Geschwindigkeit  c  fortbewegt, 
von  dem  Medium,  in  welchem  die  Geschwindigkeit  des  Lichtes 
gleich  rf  ist;  in  welchem  Punkte  C  trifft  der  Lichtstrahl  die 
Gerade  MN^  damit  er  in  der  kürzesten  Zeit  vom  Punkte  A  in 


§  57.    Aufgaben. 


267 


Fig  ea 


dem  ei'Sten  Medium  zum  Punkte  B  in  dem  anderen  Medium  ge- 
langt, und  nach  welchem  Gesetze  wird  er  gebrochen? 

Auflösung.  Unter  Be- 
nutzung derselben  Bezeich- 
nungen T^de  bei  den  beiden 
vorhergehenden  Angaben 
wird  in  diesem  Falle  die 
Zeit  t^  \  welche  der  Strahl 
braucht,  um  von  A  nach  C 

AC 

zu  gelangen,  — ,    und   die 

Zeit  <2,  welche  er  braucht; 
um  von  C  nach  B  zu  ge- 

CB 

langen,  -^.    Setzt  man  also 


^1    N 


(110.) 

so  erhält  man 


1 

c       ^ 


1 


(111.)        /(.r)  ^t,  +  t,  =pyä^+x^+  yyj2  +  (/_^)2, 


(112.) 
oder 


/'(^)= 


px 


Yu^ 


X' 


q(l—x)       ^  ^ 
y62  +  (/— ar)2         ' 


(112a.)  fix)  ^E^  -  l:^  =  pcosa-qcosß  =  0, 

wobei  die  Winkel  A^CA  und  B^CB  mit  a  und  ß  bezeichnet 
sind.  Nennt  man  die  Winkel,  welche  das  Einfallsloth  im  Punkte 
C  mit  den  Strahlen  A  C  und  B  C  bildet,  y  und  d,  so  wii'd 

.    *       ,       siny        sind 
=  jsina,    oder    — -  = 


pwiy 


d 


also 
(113.) 


sm/  _  £ 
sind  ^  d 


In    dieser   Gleichung   ist   das    Gesetz    ausgesprochen^    nach 
welchem  der  Strahl  im  Punkte  C  gehrochen  wird. 


268  §  57.    Aufgaben. 

Aus 

(114.) /-(.)=.,.  ;!!„.  ..+        ''' 


folgt  wieder,  dass  p.AC+g.  CB  ein  Mininnim  wird. 


Vn.  Abschnitt. 

Bestimmung  Ton  Ausdrücken,  welche  an  der 
Grenze  eine  der  unbestimmten  Formen 

J,  §,  O.x),  oo-oD,  0«,  oo»,  1*  haben. 

§58. 

Ausdrücke  von  der  Form  ^. 

(VergL  die  Formel-Tabelle  Nr.  81.) 

(i)  (x) 

Werden  in  dem  Bruche  -^f^  Zähler  und  Nenner  gleich  0, 

wenn  man  x  gleich  a  setzt,  so  erhält  dieser  Bruch  flir  x  gleich 

a  die  unbestimmte  Form  -•    Beispiele  dafür  kommen  in  der 

Differential-Rechnung  sehi*  häufig  vor.    Schon  die  Erklärung  des 
Differential-Quotienten  (vergl.  Formel  Nr.  15  der  Tabelle) 

(1.)  f^(:,)  =  ]inrüatz^ 

liefert  den  Grenzwerth  eines  Ausdruckes  von  der  Form  —  • 

Indem  man  x  mit  a  und  x^  mit  x  vertauscht,  geht  Gleichung 
(1.)  über  in 

(2.)  /'(«)  =  liluÄzffl; 

xs=a        X U 

ebenso  ist 

(3.)  y'(a)  =  liin5^^fc^). 


x=sa 


X  —  a 


270  §  58.    Ausdrücke  von  der  Form  ^ . 

Aus   diesen  GleicliuDgen  folgt  schon  die  Lösung  der  vor- 
gelegten Aufgabe.    Weil  nämlich  nach  Voraussetzung 

(4w)  y(a)  =  0    und   /(«)  =  0 

ist,  so  ^hält  man 


(5). 


also 


<6.) 


<^(af)      (f(x)  —  (f{a) X  —  a 

W)  ^  M^)  -/(<*)  ~  /(^)  -/(«) ' 

X  —  a 

X  —  a 

-  .     Ä  ix§ 

Man  findet  dalier  den  wahren   Werth  von  lim-^jr-rj  indem 

man  Zähler  und  Nenner  einzeln  diferentiirt  und  in  den  Qm>' 
iienten  der  Ableitungen  x  gleich  a  einsetzt. 

Um  dieses  Verfahren  anzudeuten,  bringt  man  die  Gleichung 
(6.)  auf  die  Foim 

Hieraus  findet  man  dann  auch  sogleich,  dass  man  das  an- 
gegebene Verfahren  noch  zum  zweiten  Male  anwenden  muss, 
wenn  auch 

(7.)  y'(a)=0     und/'(a)=:0 

ist.    In  diesem  Falle  wird  also 

,Q>i  lim^)  -  lim^^^^. 

Wird  auch  noch 
<9.)  y-(a)  =  o    und   /"(a)  =  0, 

so  wendet  man  dasselbe  Verfahren  auf  lim  Z,, ,(    an ,    indem 
man  Zähler  und  Nenner  einzeln  differentürt,  und  erhält 


§  58.    Auädröcke  von  der  Form  ^.  271 

Dieses  Verfahren  kann  man  so  lange  fortsetzen,  bis  man 
endlich  auf  einen  Bruch  kommt,  der  &üc  x  =  a  nicht  mehr  die 

Form  jr  hat.    Dies  giebt  die  allgemeine  Begel:  Ist 

^     ;     l/(a)  =  0,     /'(a)  =  0,    /''(«)  =  0,... /(-»)(«)  =  0, 
so  ist 

(12  \  lim  5^^  =  lim  5^"-^^  =  ^^^^. 


»sa. 


Unter  der  Voraussetzung,  dass  die  Functionen  ^{x)  und 
f(x)  mit  ihren  ersten  n  Ableitungen  stetig  und  mdlich  bleiben 
für  alle  Werthe  von  x^  deren  Unterschied  von  a  beliebig  klein 
ist,  kann  man  dieses  Resultat  auch  durch  Anwendung  der  Taylor'- 
sehen  Reihe  finden.  Nach  Formel  Nr.  50  der  Tabelle  ist,  wenn 
man  ^  +  1  mit  n  vertauscht, 

(la.)  /W  =/(«)  +-^'  (»  -  »)  +-^'  (»^  -.)>  +  .. . 

^^^»  —  1)!  ^  ^  7^!  V  /  > 

ebenso  findet  man 

(14.)     ^(x)  =  9(a)  +  '^'-^^{x-a)+^{x-aY+... 

(» —  1)!  ^  '^  w!  ^         ^ 

Wenn  aber  die  in  den  Gleichungen  (11.)  angegebenen 
Voraussetzungen  gelten,  so  reduciren  sich  diese  Grleichungen 
(13.)  und  (14.)  auf 

(13a.)  /(,)^-^t'  +  y-)l(.-aA 

(U..)  y(.)  =  ^"n°+^.(»—)l  (,_„)., 

folglich  ist 

(15.)  ^d£l  =  ^^''^[(^+®x(x  —  a)\ 

f{x)       ßn^[a^&(x  —  a)] 

und 


•i 


272  §  59.    Uebungs-Bei,<ipiele. 

ein  Resultat,  das  mit  Gleichung  (12.)  übereinstimmt. 


§  59. 

Uebungs-Beispiele. 

1)  lim =  lim  — - —  =  wa*»-^ 

^.    ,.    X  —  sina:      ,.    1  —  cos^      0 

2)  lim 3 — =  lim — r-s — ='r» 

^    x=o       x^  Bx^  0 

,.     1  —  cos:r      ,.    sina;      0 
,.     sin^      V    cos:r      1 

4)  lun =  hm — r  ==—  • 

Ä=il  —  x*^  — nx*^^^        n 

5)  hm  — ; =  lim  — -^ =  2. 

«=o     Sma:  COBX 

6)  hm  -2 , =  hm  cos^a:  =  -  • 

«  =  o   X  —  Sma:  — :; 0 

1  —  cos« 
Nun  ist  aber 

1     _  1 — COS^«  _  (1 — COSa;)  (l+C0Sa:+C08^a:) 

cos^rc  cos^ar  cos%; 

folghch  wird 

,.     tga;  —  sin:»       ,.     1  +  COS«  +  COS^a: 

lim  -2 ; =  hm  — ■ ^r =  3. 

x=zo  X  —  sm«  cos^« 

7)  lim  f7--r — rr--T  =  lim =  lim«*»  =  a". 

X 


J 


§  59.    Uebungs-Beispiele.  278 


8)    lim =  lim  - — ; =  1. 

Die  Aufgabe  8  findet  folgende  geometiische  Anwendung. 
In  der  Int^-al-Eechnung  erhält  man  für  die  Oberfläche  des 
Körp^«,  welcher  durch  Botation  der  Ellipse  um  die  gtime  Axe 
entsteht,  den  Ausdruck 

(1.)  jF=  2i%  +  ^^  arc sin (^Y 

oder ,  wenn  man  -  =  a;  setzt, 

a 

(la.)  F^  2h'^7i  +  2ab7i  •  ELSSf . 

X 

Wenn  nun  die  Ellipse  in  einen  Kreis  ttbergeht,  wenn  also 
ö  =  6,     <j  =  )/a2  — 42-:0,    a;=0 
wird,  so  geht  das  BottUtons-JEUipsoid  in  eine  Ki$ffel  über,  und 

das  zweite  Glied  in  dem  Ausdruck  fflr  F  erhält  die  Form  — . 

Benutzt  man  aber  das  soeben  gefundene  Besultat,  so  ergiebt 
sich  for  die  OberfläcBe  der  Kugel  aus  Gleichung  (la.)  der  be- 
kannte Ausdruck 

'    x=a  ^  1 

Auch  dieses  Besultat  findet  eine  geometrische  Anwendung. 
In  der  Int^al-Bechnung  erhält  man  fSr  die  Oberfläche  des  Kör- 
pers, welcher  durch  Botation  der  Ellipse  um  die  kleine  Axe 
entsteht,  und  welcher  Sphäroid  genannt  wird,  den  Ausdruck 

(2.)  F^  2«%+^*^  lf^*^=  2ah^^bh?M^t=^l-^, 
^    ^  e        \a — e/  x 

wenn  man  wieder  —  mit  a:  bezeichnet.     Geht  nun  die  Ellipse 

in  einen  Kreis  über,  wird  also 

a  SS  b^    c  =  0,    ic  =  0, 

Stog*m*mi- Kiepert^  Differeniial-Bechniing.  IS 


274  §  59.    Uebimgd-Beispiele^ 

SO  geht  das  SpMroid  in  eine  Kuffel  über,  und  das  zweite  Glied 

in  dem  Ausdrucke  für  F  erhält  die  Form  ~.   Benutzt  man  aber 

das  soeben  gefundene  Resultat,  so  ergiebt  sich  für  die  Oberflä- 
che der  Kugel  aus  Gleichung  (2.)  der  bekannte  Ausdruck 

F=  4a27r. 

10)    hm =  lim  —z—  =  n. 

»=i  X — 1  1 

„.N     !•     ^  —  fix  +  n  —  1       ,.     wa^""*  —  n 

=  lim  <^  -  1>^~"^  _  n(n  —  l)  ^ 
2  2 

Die  beiden  letzten  Angaben  10  und  11  finden  Anwendung 

in  der  Bentenrechnung.    Bezeichnet  man  nämlich  mit  JSy  den 

Baarwerth  einer  Leibrente,  die  einer  Person  im  Alter  von  y 

Jahren  am  Anfange   eines  jeden  Jahres  ausgezahlt  wird,  und 

(-) 
mit  Bif^"^  den  Baarwerth  einer  Leibrente  von  gleichem  Betrage, 

die  derselben  Person  aber  in  n  Quoten  am  Anüange  eines  jeden 

w'*^  des  Jahres  ausgezahlt  wird,  so  ist 

(3.)  B,<i'> = -^(i^U-k'-:^+'-^ , 

n^y^i^i  \yf—  1 7  ^       (1/7—  ly 

wobei  der  Zimfactor  r  durch  die  Gleichung 
(4.)  100  r  ==  100  +  Procente 

erklärt  wird.    Der  in  Gleichung  (3.)  gegebene  Ausdruck  ffir 

(-) 
üy^**^  ist  für  die  numerischen  Berechnungen  sehr  unbequem; 

deshalb  benutzt  man  gewöhnlich  einen  Näherungswerth,  den  man 

erhält,  indem  man  den  Zinsfactor  r,  welcher  so  wie  so  von  L 

wenig  verschieden  ist,  gleich  1  werden  lässt.    Setzt  man  dann 

noch 

(5.)  r  =  rt'*,    also     yr  ^  Xj 

so  wird 

T     Tj  (t)       1-         1     A* — 'IV  T>        1«     ^    ^  —  nx  +  n  —  1 
hm  jB„^"^  =lun-r-T;-^( )  IL— hm-«- 7 — ^^ 1 


§  ea    Ausdrücke  von  der  Form  ^.  275 

oder  mit  Eficksicht  auf  die  in  den  Aufgaben  10  und  11  geftin* 
denen  Besnltate 

(6.)  limijP=rJS,-^.      . 

Eine  genauere  Untersuchung  zeigt,  dass  dieser  Näherungs- 
werth  von  dem  wahren  Werthe  sehr  wenig  verschieden  ist. 

,„x     r         af  —  x  ,.     (l  +  lx)^^  —  !       0 

—  1  +  a;~*  —  x"^ 


,8,  „.yg-i^+v^^   .„ay^   2V^— 

««a      .  Yx^  —  Or^  ^ 

Yx^  —  a^ 

""  2xYx  ""2aya"">/2a 

^  ^v     ,.      1  —  COSa;       ,.  sin;r  0 

14)       lim r-r-  =  lun  r-r r-^r-^; 5-  =  -• 

"^     x-oCOSÄSm^a:  — sm*2:  +  2sma:cos2a;       0 

Nun  ist  aber 

EE£J__—  1 

— sin'rt  +  2sin:c  cos^:»  ""  —  sin^  +  2cos^' 

folglich  wird 

,.     1  —  cosar      1 
lim 


« 


-socosajsin^ar      2 


§  60. 

Ausdrücke  von  der  Form  ^. 

(Vergl.  die  Formel-TabeUe  Nr.  81.) 

Werden  die  Functionen  fp(x)  und  f{x)  beide  fftr  x  gleich 
a  unendlich  gross,  so  wird 


276  §  60.    Ausdrücke  toh  der  Form  §-. 

Um  den  Grenzweith  zu  ermitteln,  dem  sich  in  diesem  Falle 
^^  nähert,  setze  man 

/w 

(2.)  -^^^^^fj^y  ^^  -^^^^^^/c^' 

dann  folgt  aus  g>(a)  =  oo  und/(a)  =  oo 
(3.)  yi  (a)  =  0  und  /,  (ö)  =  0, 

und  man  erhält 

(4)  lim  5^^  =  lim  ^^1^  =  -, 

d.  h.  man  hat  diese  Au%abe  auf  die  in  §  58  behandelte  Auf- 
gabe zurfickgefflhrt.  Bezeichnet  man  also  den  gesuchten  Orenz- 
werth  mit  ^,  so  wird  nach  der  damals  gefundene  Regel 

Nan  ist  aber 

/i(*)--7(^.       9^l(^) ^2' 

folglich  wird 

(6.)    ^=.M-$;ii)Ä;=iimÄ 

oder  mit  Bficksicht  auf  Gleichung  (5.) 
(6a.)  .4  =  ^2.1im-^,. 

Unter  der  Voraussetzung,  dass  A  von  0  vei^hieden  ist, 
kann  man  beide  Seiten  dieser  Gleichung  durch  A^  dividiren 
und  erhält  dadurch  ^ 

(7.)  -T  =  hm-SH' 

V   ^  .  -4  9  {x) 

oder 

^^•^  ^  -  «a/(^)  -  ^/'(:r) 


§  60.    Ausdrücke  von  der  Fonn  ^.  27T 

Es  gilt  hier  also  dieselbe  Begel  wie  bei  den  Ausdrücken, 
welche  an  der  Grenze  die  Form  ~  annehmen,  d.  h.  man  findete 

den  Werth  von  lim  ^ßl.  indem  man  Zähler  nnd  Nenner  einzeln 

differentiirt  und  in  den  Quotienten  der  Ableitungen  x  gleich  a 
einsetzt. 

Diese  Begel  bleibt  auch  dann  noch  richtig,  wenn  A  den 
Werth  0  hat.    Denn,  wenn  man  in  diesem  Falle  den  Ausdrude: 

betrachtet,  so  erkennt  man,  dass  er  ffir  2;  gleich  a  wohl  die  Form 

^  annimmt,  aber  einen  Werth  hat,  der  von  0  verschieden  ist. 
Man  darf  daher  die  eben  ausgesprochene  Begel  anwenden  und" 
erhält 

(10.)  MÄtÄ  =  lünÄ^fC^, 

oder 

1  4.  lim  ''(*)  —  1  4.  lim  '''(^). 

folglich  ist  auch  in  diesem  Falle 

(11)  iini?^)  =  lim5^- 

Werden  f'{a)  und  9^{a)  beide  gleich  0,  oder  werden  sie 
beide  unendlich  gross,  so  findet  man  durch  nochmalige  An- 
wendung derselben  B^el 

(12.)  lim|^)  =  lim^  =  lim^ 

und  kann  so  fortfahren,  bis  sich  ein  bestimmter  Werth  ergiebt. 


Bei  diesen  Untersuchungen  ist  die  Voraussetzung  gemacht, 
dass  man  die  Ableitungen  von  q>(x)  und  f(x)  bilden  kann, 
namentlich  aber,  dass  a  ein  endlicher  Werth  ist.  Diese  zweite 
Voraussetzung  darf  auch  wegfallen ;  denn  wird  a  unendlich  gross, 
so  setze  man 


278  §  61.    Üebungs-Beispiele. 

(13.)  '  ^  =  j,     also     ^  =  -» 

dann  wird 

(14.)  lim  1^)  =  lim  -)rV 
Da  nun  aba* 

ist,  so  findet  man,  auch  wenn  man  t  als  die  unabhängige  Ver- 
änderliche betrachtet,  nach  der  angegebenen  Regel 

(15.)  lnn|y=jHu^^. 


Orszgo 


§61. 

Uebungs- Beispiele. 


.^     ,.      ts(5x)      ..     C0S*(5a:)       ,.      Scos^a:        0 

^  COS^a; 

,.      öcos^a;  _ ,.         —  lOcosa;  sina;      _ .,      sin (2a;)  _  0 
.  "^  cos2(5a:)  -  "^  —  10  C0S(5a:)  sin(5a;)  ~  "^  sin(lOar)  ~  0  ' 

m(2£)^  _  j.     _2eos(2£)_  _  -2  _  i, 
sin(10a;)  ~        10cos(10a:)      — 10      5 

2)  lim -J  =  lim -^  =  0. 

3)  jüft2j.  =  lim-^  =  lim^  =  0. 

4)  lim^  =  f- 

Zunächst  möge  vorausgesetzt  werden,  dass  n  eine  positive 
ganze  Zahl  ist.    Dann  wird 


§  61.    Uebungs-Bdspiele.  279 

!•  ^^  _^   !•  '^^  OD 

wenn  »>1  ist; 

lim =  lim— ^^ • 

Dieser  Ausdruck  wird  entweder  gleich 

^^^^  =  0,    oder    ^, 

jenachdem  n  gleich  2  oder  grösser  als  2  ist.  Um  die  Angabe 
allgemein  zu  lösen,  muss  man  Zähler  und  Nenner  »Mal  differen- 
türen  und  erhält  dadurch 

hm— =  hm  — =  -55-  =  0. 

Dasselbe  Resultat  findet  man  aueh,  wenn  n  eine  positke  ge- 
btochene  Zahl  ist;  denn  in  diesem  Falle  liegt  n  zwischen  zwei 
ganzen  Zahlen  k — l  und  A,  so  dass 

k—l<n<k 
wird,  folglich  ist 

Imi  —-  =  lim  — - —  =  lim 1 —  ? 

oder 

hm  -r  =  lim  -—  •  -t— -  =  lim  -—  •  lim 


Nun  ist  nach  dem  Vorhergehenden 


und,  da  ii  —  n  positiv  ist, 


lü»^  =  0» 


folglich  ist  auch 


x*^ 


lim:^=0. 


Der  Sinn  dieses  Resultates  ist  der,  dass  für  hinreichend 
grosse  Weiihe  von  x  die  Exponential-Function  c*  noch  grösser 
wird  als  jede  beliebig  hohe  Potenz  von  x. 


280  §.  62.    Ausdrücke  yon  der  Form  0  .t|. 


5)    lim  -TT  =  lim .  =  lim  —  =  -=--=:  o ; 

dabei  ist  war  vorausgesetzt,  dass  n  positiv  ist,  im  Uebrigen  darf 
7%  beliebig  klein  sein.  Der  Sinn  dieses  Resultates  ist  dann  der, 
dass  I2;  fBr  hinreichend  grosse  Werthe  von  x  zwar  selbst  beliebig 
gross  wird,  aber  doch  noch  kleiner  bleibt  als  jede  beliebig 
niedrige  Potenz  von  x. 

Setzt  man  »  =  — ,  so  nimmt  für  positive  Werthe  von  m 

Hl 

das  soeben  gefundene  Resultat  die  Form  an 

lim-J^=0. 

'"^Yx 

1 


«\     1-         l(te^)  — 00        1.  smarCOSa: 

6)    hm  1  rx  7o  \i  = =  lun 


sin  (32:)  COS  (3a:) 

_,.    sin(3a;)cos(3ar)  _  y     sin(to)       0 
3sma:C0Sa;  3sm(2a;)       0 

^   Sin(6a:)   ^^j^6cos(6a;)^6_ 
™^  3sin(2-p)      ™  6C0S(2ir)  ""  6  -  ^' 

7)    lun-T — = =  lim ; —  =  hm =-> 

«»oCtga:  00  1  X  0 

srn^x 

i.    — sin^a:      ..    — 2sina;Gosa;      0 

lim =  lim ; =  —  =  0. 

X  11 

§62. 

Ausdrucke  von  der  Form  0 .  co . 

Bei  den  Ausdrucken,  welche  an  der  Grenze  die  Form  0 .  oo 
haben,  kann  man  die  Bestimmung  auf  einen  der  beiden  vorher- 
gehenden Fälle  zurückfuhren.    Wird  nämlich 

(1.)  y(a)=^0,    /(a)=  00, 

SO  setze  man  wieder 


§  6S.    Uebimgs-Beispiela  281 

dann  ist 

(4.)  y^(a)=«>,   /t(«)  =  0. 

Deshalb  wird 

(5.)  .■  ^(^)-/(^)=^ 

ein  Aasdrbck,  der  filr  ;c  =  a  die  Form  —  jumimmt;  and 

wird    ein    Ausdruck,    der    fiir  :r=:a    die  Form  ^  annimmt. 
Daraus  ergiebt  sich  die  Regel:  Man  bringe  den  Ausdruck  auf 

die  Form  —  oder  auf  die  Form  ^  und  behandle  ihn^  uns  in 
§  58,  bezw,  in  §  60  angegeben  tcorden  ist. 


§  63. 

Uebungs-Beispieie. 

X  1 

1)  lim  (;t: .  ctga:)  =  lim  t^ —  =  lim  —r—  =  1. 

X  a  0  tgar  1 

COS^a; 

2)  lim(;r  — a)[l(a:  — a)]2==0.ao, 
Um(x  -a)\lix~  a)f  =  lim  ^^'  =  f-, 


x^a 


lim  ß^lZlfiL^  -  lim  !!^!Z!^  -  -  2lim  i^^l^  -  ^ 

_J 

—  2lim }^'' ~"\  =  —  2lim     f  ~ "   ,  ==  4-  2lim(«  — «)  =  0. 
(x  —  a)-'  — (x — a)~^  ^  ' 


2Q2  §  63.    Uebungs-Beispiele. 

3)    lim(4;—l)tg(^)=  0.00  =  lim 


x—1        0 


ctgC--  1 


xn\      0 
2"/ 


TT  > 


l6n-^^^  =  lim ^ =  -lim \lJ=-l 


<f) 


—  TT  71  71 


2sin2 


>«•(?) 


Noch  etwas  einfBicher  hätte  man  diese  Aufgabe  in  folgender 
Weise  behandeln  können.    Es  ist 

Jim^a:— i;igi— i=imi ^=lm ___  =  _, 

«^«/^^\  ^     •     fX7t\  TT 

4)    ^1^2ng(^)=ao.O. 

Die  Lösung  dieser  Au%abe  wird  einfacher,  wenn  man 

a 

als  Veränderliche  einführt.    Dadurch  wird 

2*  =  —     und     limy  =  0, 

y  «=» 

also 

lim  --^^  =  lim  — 5-  =  a. 
y  cos^ 

«  ^ 10  1 

5)    lim  a;  (j/r —  1)  =  lim  — - —  =  -j  wo  ^  =  -  gesetzt  ist, 

X=OD  <SS0  fr  0  X 

,.     r'  —  1       ,.     Hlr      . 
lim  — - —  =  lim  -7-  =  \r. 


§  64.    Ausdrttcke  von  der  Form  oo  —  qo  .  283 

Von  diesem  Besultate  kann  man  wieder  eine  Anwendung 
machen.    Nach  Gleichung  (3.)  in  §  59  war 

/l  ^     7?  (^)_        1       IISZLY TL       ^     r-nVV+n-l 
oder,  wenn  man  n  mit  x  vertauscht, 

r[rr(V7— 1)P  [;r(y7— 1)]2 

Wird  nun  die  Zahl  x  immer  grösser  und  schliesslich  unend- 
lich gross,  so  erhält  man  mit  Eücksicht  darauf,  dass 

% 
lim  X  Q/r  —  1)  =  \r 
wird, 

§  64. 

Ausdrücke  von  der  Form  » —  oo. 

Wird 

(1.)  if>(a)  =  00   und/(a)  =  oo , 

so  nimmt  der  Ausdruck 

f ür  :r  =  a  die  unbestimmte  Form  oo  —  oo  an.  Der  wahre  Werth 
dieses  Ausdruckes  kann  wieder  dadurch  ermittelt  werden,  dass 
man 

(3.)  ■>'(^)=^)'  *^^  -^^^^^  =  7^ 

setzt.    Dann  wird 

(4.)  y,(«)  =  o,  /,(«)  =  o, 

und  man  erhält 

fö^      it>(z)—nx\ i 1     fM—^l=^) 


284  §  65.    Uebungs-Beispiele/ 

Dies  ist  aber  ein  Bruch,  welcher  für  :»  =  a  die  Form  ^ 

annimint  und  nach  der  in  §  58  angegebenen  Regel  bestimmt 
werden  kann. 

Mitunter  gestaltet  sich  die  Umformung  noch  etwas  einfacher, 
wie  es  die  folgenden  Beispiele  zeigen  werden. 


§  65. 

Uebungs-Beispieie. 


'>  .'2',(Ä-drr)= 


,.     —x  +  1      0 
co-oo  =  hm^5— P  =  ^, 


lim     ^  \   =  lim  -rr—  =  —  « • 
x^  —  1  2x  2 

o\      i:«/      ^  1\  V      x\x — X+1         0 

2)  liml  -^ —  r-)=  00—  00  ==  hm  -7 TTT —  =  ~> 

^     ifr^\x — 1       \xj  (x — l)la:         0 

y.^xlx—x  +  1       ,.        l:r  +  l  — 1         ..  \x  0 

nm  -7 TT^ —  =  lim  ^ — -^ ;  =  lim  i — —: ;  =  tt 

(:c— l)la:  \x  +  l—x-^  la:+l— a:-^       0 

;=  lim   ^^^^  ,^  ==  lim  -^-r  =  ö' 

3)  liml  -: )=  00 —  00  =  hm ; =  :r> 

xsoVsm^t;      x/  xsmx        0 

i.     x  —  sin:r       ,.  1 — C0S:r  0 

um '. a=  hm  -. : =  - 

:rsm:r  sma:+a:COS:r       0 

i.            sinoT  0 

=  hm  r ; —  ==  --  =  0. 

2C0Sa:  —  ;rsma;       2 


'^  ä(iik-^)="-"  =  "^ 


x^  —  mflx     0 


rry 


x^mn^x        0 


,.    x^  —  sin^a:      ,.         2x  —  2sin:2;cos2r  0 

Imi  ^r^-Ti =  lim r-s r-: =  —> 

x^m^x  2:i:sm%+2:r2smarC0SÄr       0 

oder,  wenn  man  2x  gleich  y  setzt, 


§  65.    UebuBgs-Beispiele.  285 


iim^'-^'^=iim      ^y-^^y 


\ 


,»«0    x^wi^z        y=o  2y (1  —  cosy) + y^siny 

2(1  —  cosy)  +  4y  siny  +  y^cosy      0 

^jjjjj 4siny ^0 

6smy  +  6ycosy  —  y^siny    '0 

_  y    '^_ 4  cosy —  A  —  i 

""        I2cosy  —  8y  siny  —  y^cosy  ""  12  ~"  3 


Häufig  wii^  man  bei  Behandlung  der  Ausdrücke,  welche 

0         OD 

für  a:  =  a  die  unbestinunte  Form  -,  ^,   0 .  oo ,  oder  qo  —  oo 

aimehmen,  am  schnellsten  zum  Ziele  kommen,  indem  man  sie  so 

umformt,  dass  sie  für  :r  =  a  die  Form  —  erhalten,  dann  Zähler 

und  Nenner  mit  Hülfe  der  7ay/or'schen  Beihe  nach  steigenden 
Potenzen  von  x  —  a  entwickelt  und  durch  eine  möglichst  hohe 
Potenz  von  x  —  a  dividirt. 

.  Für  die  letzte  Angabe  erhält  man  z.  B. 
x^ — m^x  =  {x  —  sina;)  (x  +  sinx) 

~V       1!^3!       5!^      •••A    ^1!       3!^       "7 
Dies  giebt 

(3r~fr  +  ~- •)r~?r  +  ""  ••) 


x^ — sin^x 
x^wi'^x 


o-ir+---y 


also 

,.     x'^  —  sin^x  _  _2^  _  1 
^0    x^iii^x     ~"  3!  "~  3 


286  §66.    Ausdrücke  von  der  Fonn  00,  CO  0,  1» 

§66. 

AusdrOcke  von  der  Form  0\  oo^  r. 

Nimmt  d^  Aiisdra(±  [ff{^)V^'^  ^^  ^  gleich  a  eine  der 
Formen 

0^    00»,    1* 


an,  so  setze 

man 

(1.) 
dann  wird 

[y(a:)]/(')  =  t., 

(2.) 

also 

\u:=f(x)Ag>(x), 

(3.) 

w  =  ö'^c«).iy(a'). 

Ist  nnn 
so  wird 

/(a)  =  0,    ?>(«)  =  0, 

lim/(:i:).l9>(:r)  =  0.(-oo); 

ist 

so  wird 

lim/(a:) . lg>(x)  =  0  .  00  ; 


und  ist 


CS« 


so  wird 


/(a)=QO,     y(a)==l, 
lim/(a:)  ,  ly  (a:)  =  oo  .0. 

Um  den  Werth  von  limt<  zn  ermitteln,  braucht  man  nur  den 
Werth  von  lim  (}u)  zu  berechnen,  d^  zunächst  die  unbestimmte 
Form  0.(±  Qo)  hat  und  sich  deshalb  nach  den  Angaben  der 
Torhergehenden  Paragraphen  behandeln  Jässt. 

§67. 

Uebungs- Beispiele. 

1)  Km  (a:*)  =  O*. 

lim  Iw  =  liml(Ä')  =  lim  (z\x)  =  lim  -^  =  ^^^^ 

X.  ^  1 


§67.    Üebungs-Beispielo!  2Ä7 

folglich  ist 

limw  =  lim  (ar*)  ==  ^o  =  i. 

2)    lim(^8«*)=:0^ 

liml«  =  limKx'i»»)  =  lim(sina;lar)  =  lim ,  .^^,     =  31^     ' 

(sina;)-!         » 

1 
=  lün— £_  =  ^lim.S2^  =  ^ 


Sin^a: 

v       2sin:rcos:r        0 

=  —  um : —  =  --  =  0, 

cosa:  —  xsmx      1         ' 

folglich  ist 

limw  =  lim(a;"'^*)=:  c**ä  l. 


3)    lim(a;'+^'7=:  00. 


lim 


XmsO 

31a:  — ^^00 


imltt  =  limi  r =— •  la:  i=  lim 

V4  +  2la:         /      ^" 


Hm|  =  limJ  =  -, 

2  2       2 

X 


4  +  2U      — 


00 


lim  w  =  lim  (x'-^'"')  ^e^^y^. 


limla:"^  )=  00  ^ 

XSS  OD 


4)    lim 


lim  li^  =  liml^i  la:V  lim  ^  = — 

\X        /  X  (X> 


1 

=  lim  f.  =  lim  -  ==  0, 

1  X  ' 

folglich  ist 

limw  =  lim(^ic*y=  e^  =  1. 


2«8  §  67.    UebungB-Beispiele. 

5)  limy-^====  l™«"»  =:  00«. 

lim  lu  =  —  2liin  —  =  —  2lim-  =  0, 
folglich  ist 

lim  ti  =  lim  y -s-  =  e«  ==  i. 

Die  Bestimmimg  dieses  Ausdrackes  war  in  §  46  (Seite  198) 
erforderlich. 

6)  lim  [(Ctgar)"»^]  =  cx)  0. 

liml«  =  lim[smjrl(ctg:r)]  =  hm  — .^^^  ^_t      =  f 

Sm:r        COS:r 


^  COSa:        sma:        ,.       smx         0 

=  Hm  — T-T — s-5 =  lim  — =—  =  -  =  o, 

—  (sma:)-''  COSJ:  COS^x         1  ' 

folglich  ist 

lim«  =  lim[(ctg:r)"»']  =  ^«  =  1. 

7)    lim(l  +  ;i:)*  s=l^ 

limlw  =  limil(l  +  :c)  =  limi^i-±-^  =  ^ 

1 


=  hm— ^  =  1, 
folglich  ist 

limw  =  lim  (1  +  xy  =  ^i  =  tf. 


8)    lim(l+-Y=l*. 


Diese  Aufgabe  wird  auf  die  vorhergehende  zuril(&geftthrt, 


indem   man  :r  mit  —  vertauscht 

X 


§  67.    Uebungs^Beispiele.  280 

Man  beachte,  dass  nach  Formel  Nr.  18  der  Tabelle  die 
Zahl  e  durch  die  Gleichung 

6  =  limi  1  +  -) 

erklärt  worden  ist. 


»)  s?.t-9  ]='"• 


limlt«  =  ]imtg 


V2a/   \     a     )  ctg(^^ 


...          2a  —  X       2a,. 
—  Ujn  —  —  lim 


.  *'(S) 


n  71  2a  —  X         n 


folglich  ist 


limM  =  lim    (2  — ^  =  «^ 


Bemerkungen. 

1.  In  vielen  FäUen  kann  man  Grenz- Ausdrücke  von  der  Form  ^  oder 

^  dadurch  ermitteln,  dass  man  Zähler  und  Nenner  des  Bruches,  beyor 
man  den  Grenz werth  yon  x  einsetzt,  durch  einen  passenden  Faetor 
dividirt.    So  ist  z.  B» 

I  —  cosa;  _  1  —  cosa;  1  —  cosa? 

sin^ar     ""  1  —  cos%  "^  (l+cosa;)(l — cosa;)  ' 

folglich  wird 

1  — cosar     ,.1  1 

hm ?~ö =  iimT — ; ääss*«' 

«5=0      ^*^*  1  + cosar       2 

2.  Zu  demselben  Resultate  hätte  man  auch,  wie  schon  obe  n  hervor- 
gehoben ist,  durch  Entwickelung  nach  steigenden  Potenzen  von  x  ge- 
langen können.  Nach  den  Formeln  Nr.  54  und  55  der  Tabelle  ist  nämlieh 

Stegemaim -Kiepert  Differential-Beohnim^.  19 


290  §  68.    Zusammentreffen  unbestimmter  Formen. 

11-3!+— •;-'*Cn-3T+— •;■' 

dies  giebt 

1        X* 


sm'x 


folglich  Mt 


1  —  oosx       1 


§  68. 

Zusammentreffen  unbestimmter  Formen. 

Die  Grenz- Ausdrftcke,  welche  eine  nnbestimmte  Form  haben, 
sind  durch  die  behandelten  Fälle  noch  nicht  erschöpft;  die  an- 
gegebenen Begeln  reichen  aber  zur  Erledigung  der  nodi  übrigen 
FftUe  aus,  die  im  Wesentlichen  nur  Gombinationen  der  bereits 
besprochenen  Grenz- Ausdrucke  sind,  wie  die  noch  folgenden 
Beispiele  zeigen  sollen. 

1 


')  ^BKi) 


Nun  ist  aber 

,.     sinx      ,.    cosa; 
hm  —  =  lim  — r-  =  1, 

folglich  ist 

\^ 

(sin.pv^ 
j   =  1* 

und 

r-^i         T     Isina:  —  \x      0 

lim  lef  =  hm 5 =  - 

x^  0 

,.     Ctga:  —  x^^       ,.     ;rC0S:r  —  sina:       0 

=  iim         ^ =  lim  — ^  ^  . =  r- 

2x  ^x^soix  0 

—  r  — arsina;  _ ..  —  sina:  _  0 

""        4a:sina;  +  2a;*C0Sa:  ~        4sinar  +  2a:C0Sa;  ""  0 

— COSa?  1  . 


=  lim 


6C0Sa? — 2a:sinar  6 


§  68.    Zusammentreffen  unbestimmter  Formen.  ^^1 

dies  giebt 


1 

/»in  ^\ 

lim 


t^  =  lim| )=«      =  "5~* 


\  X   /  ® 


2)   ,Iün  [^f  =  (^)'. 


Hier  ist 

1. 

,.     l(ax)      ^.    X       - 
lim  -^^ — -  =  lim  T  =  0, 

X  1 

folglich  ist 

1 


lim«  =  limP-^n*=0«, 


X*  00 

111 


,.     \(ax)    X       X       ^.     1 — \(ax)       — od 
==  um  -^^ — ^ =  hm  — , .  \  ^  = 

1  Xl{(XX)  00 


=  lim  T— TTT — \  =  hm    r^   ■  i/ — VI  = =  0 ; 

1+I(a2r)  ar[l+l(aa;)]         oo  ' 


dies  giebt 


lim«  =  liin[^]'=*'>  =  l. 


3)    iuo(l±^lzzf  =  i:zii. 

Nmi  ist  aber  nach  Aufgabe  7  in  §  67 

lim  (1  +  x)'  =  e, 

ar=0 

folghch  ist 

19 


2d2  §  ^.    Zusammentreffeii  unbestimmter  Formen. 


lim  iL±ij— _::  =  ^  =  Hm 

X  0 


^     -1(1 +  a;) 


=  lim  (1  +  a;)  lim  — 5 =^  *  *  ä 

1  1 


,.     (1+«)*      1+a;         ,.         — « 


VIII.  Abschnitt. 

Differentiation  der  nicht  entwickelten 

Functionen. 

§  69. 

Differentiation  einer  Function  von  der  Form  F{u,t). 

(Vergl.  die  Formel-TAbelle  Nr.  82—86.) 

Ist  z  eine  Function  von  zwei  Veränderlichen,  ist  z.  B. 

(1.)  «=:3W»— 71*2©+  llWtj2+  2V\ 

SO  wird  sich  z  im  Allgemeinen  schon  verändern,  wenn  sich  nur 
u  verändert,  während  v  constant  bleibt,  oder  wenn  sich  nur  v 
verändert,  während  u  constant  bleibt.  Man  kann  also,  wenn 
z  in  Bezug  auf  u  eine  stetige  Function  ist,  in  derselben  Weise 
wie  bei  Functionen  mit  einer  Veränderlichen  den  Differenzen- 
Quotienten  bilden,  dessen  Grenzwerth  dann  für  verschwindend 
kleine  Werthe  von  Ju  den  Differential-Quotienten  oder  die  Ab- 
leitung  liefert. 

Li  diesem  Falle  bezeichnet  man  aber  die  Ableitung  nicht 

dz  dz 

mit  ^,  sondern  mit  ^  und  nennt  sie  die  partielle  Ableitung 

von  z  nach  «,  weil  man  bei  dieser  Operation  nur  u  als  Verän- 
derliche betrachtet  und  dadurch  die  Veränderlichkeit  der  Func- 
tion z  beschränkt.    In  dem  vorliegenden  Falle  wird  also 

dz 
(2.)  ^  =  9tt2  —  Uuv  +  llr2. 

Mit  demselben  Bechte  kann  man  z  so  differentüi*en,  dass 

man  v  als  die  einzige  Veränderliche  und  u  als  eine  Constante 

betrachtet.    In  dem  vorliegenden  Beispiele  wird  daher 

dz 
(3.)  rl  =  _  7«^2  ^  22uv  +  6t?2. 

dv 


294      §  69.    Differentiaüon  einer  Function  von  der  Form  F{Uj  ©). 

Wie  man  also  nach  Formel  Nr.  15  der  Tabelle  die  Ableitimg 
einer  Function  y=/(a:)  von  einer  Veränderlichen  durch  die 
Gleichung 

erklären  kami,  so  kami  man  die  partiellen  Ableitungen  von  dner 
Function  von  zwei  Veränderlichen  durch  die  Gleichungen 

^  ^^  du       jus^o  Ju 

erklären. 


^«sO 


Beispiele. 

dz  dz 

«N  i/««\      1         1        dz  1      dz  1 

ö«  +1 


öt?    2y^(y5r— |/F)2 


Ausführlicher  wird  von  den  partiellen  Ableitungen  im  zweitegi 
Theile  dieses  Bandes  die  Rede  sein^,  der  über  die  Functionen 
von  mehreren  Veränderlichen  handelt. 

Hier  soll  nur  der  Fall  in  Betracht  gezogen  werden,  wo  u 
und  V  beide  Functionen  von  x  sind,  wo  also 

(7.)  u^g>(x),    t?=:i/;(ar) 

ist,  so  dass  z  als  eine  Function  der  einzigen  Veränderlichen  x 
angesehen  w^den  kann. 

Jetzt  sind  zwar  die  Veränderlichen  u  und  v  nicht  mehr  v(m 
einander  unabhängig,  man  könnte  viehnehr  aus  den  Gleichungen 


herleiten ,  man  kann  aber  trotzdem  die  Ausdrücke  -3-  nnd  -x- 
'  du         üp 


§  68.    Differentiation  einer  Ftmction  von  der  Form  JP(tf,  0).     295 

(7.)  durch  Elimination  von  x  eine  Gleichung  zwischen  u  und  v, 

nämlich 

(8.)  /(«,  r)  =  0 

dz       ,  dz 
h 

bilden,  genau  so,  wie  sie  durch  die  Gleichungen  (5.)  und  (6.) 
erklärt  sind,  und  far  das  Folgende  verwenden. 

Vermehrt  man  nämlich  :i;  um  ^:r,  so  gehen  die  Grössen  u, 
V,  z  bezw.  über  in 

.    .     j    w  +  Ju  =  ip(x  +  -^ä)?     t?  +  -^«^  =  V'C^  +  «^^)j 

\  Z'\'  Jz:=^  F{u  +  Ju^  V  +  Jv); 

daraus  folgt 

'^  \    Jz=:  F(u  +  Ju,v  +  Jc)  —  F{u,  v\ 
od^,  wenn  man  v  +  Jv  mit  v^  bezeichnet, 

10a.)    Jz  =  F{u  +  Ju,  «?J— F(w,  t?i)  +  F(u,  V  +  Jv)—F(u,  t?), 

Jz  _  F(u+Ju,  v^)  —  F(uj  v^)      F(ujV+Jv)  —  F{Ujv) 
^x  ^x  ^x 


oder 

(11.) 


Jz  _  F(u+Ju,  t?|)  —  F(u^  t?|)    Ju 
Jx  Ju  Jx 

F(u,  v+Jv)  —  F(u,  v)    Jv 
Jv  Jx 


Geht  man  jetzt  zur  Grenze  über,  indem  man  Jx  verschwin- 
dend klein  werden  lässt,  so  werden  auch,  wenn  9p  (x)  und  \p{x) 
stetige  Functionen  sind,  nach  den  Gleichungen  (9.)  die  Grössen 
Ju  und  Jv  verschwindend  klein,  und  man  erhält 

(12.)  lixn  4^^  =  lim  ?^^^±4^=-^  =  ^, 

jxmz^A^       Jx=zo  Jx  ax 

(13.)  hm  -7-  =  hm  ^^ -j^ ^-i^  =-y. , 

^  jx^^Jx      jx=o  Jx  ax 

und  da  lim  «1  =  t?  ist, 


996     §  G9.    DifFerentaation  einer  Functian  von  der  Form  F(u,v), 

_  dF(u,  v)  _  dz 
du  ^ 

(15.)    lim  ^K  ^+^^)  -  F(u,  f>)  ^  ^F(u,i,+Jv)-F(u,v) 

dF{u^  v)       dz 
öt?  ov 

Deshalb  folgt  aus  Gleichung  (11.) 

.X  cfe ffg  du       dz  dv 

^    "^  cfo  ""  du  dx  "^  9t?  flte' 

oder  auch,  wenn  man  beide  Seiten  dieser  Gleichung  mit  dx  mul- 
tiplicirt, 

(16a.)  dz  =  ^du  +  ^  dv. 


In  Gleichung  (16.)  sind  mehrere  Formeln,  die  schon  früher 
hergeleitet  wurden,  als  besondere  Fälle  enthalten. 

Beispiele. 

1)  Es  sei 

(17.)  •  z=  u  ±v, 

dann  wird 

dz  dz 

—  =  1       —  =  4-  1 

du      ^'    dv       =^^' 

folglich  ist  in  Uebereinstimmung  mit  den  Formeln  Nr.  19  und 
20  der  Tabelle 

/1Q^  rfg  __  d{u  ±v)_^du.dv 

^     *^  dx  dx  dx  ~'  dx 

2)  Es  sei 

(19.)  z  =  UV, 

dann  wird 

dz  dz 

folglich  ist  in  Uebereiostimmung  mit  Formel  Nr.  28  der  Tabelle 


§  69.    Differentiation  einer  Function  von  der  Form  F{u,  v).     297 


(20.) 

3)  Es  sei 


dz d{uo) ^^   I      ^^ 

dx         dx     ""      dx  dx 


u 


(21.)  z^-, 

dann  wird 

ö«  _  1      Sz  ^       u 
du      V      Wo  v^ 

folglich  ist  in  Uebereinstimmung  mit  Formel  Nr.  33  der  Tabelle 


du  dv 

dz       ^\vj      1  du        u  de  dx  dx 


(22.)        n=-W=i =   

^      ^         dx  dx         V  dx       v^  dx  v* 

4)  Es  sei 

(23.)  z  =  l{uv)  =  \u  +  h, 

dann  wird 

du      u      dv       V 

.      s  ^ d\(uc)  ^l  du       1  do 

^     '^  dx  dx     "^  u  dx      V  dx 

5)  Es  sei 

(25.)  z  =  \(^^\u  —  \o, 

dann  wird 

du      u      dv  V 


(26.) 


dz  \v/      1  du       1  dv 

<fe  dx  u  dx       V  dx 


6)  Es  sei 
(27.)  2  =  w 


dann  wird 


^«  .«-1         ^«  V     1 

5Ji  '      (5ü  ' 


(28.)  T-  =  -W  =  W""*  T-  +  t^"  .  It^^T- 

"^  dx        dx  dx  dx 


298  §  70.    Pifferenüation  nicht  entwickelter  Functionen. 

Von  diesei*  letzten  Foimel  mögen  noch  einige  Anwendungen 
gegeben  werden. 

7)  Es  sei 

also 

du       ^        dv       ^ 

dz 

-j-  =  x.  af-^  +  a;*  .  la;  =  af{l  +  \x). 

Dasselbe  Resultat  ergab  sich  auf  atfderem  Wege  in  §  25, 
Angabe  54. 

8)  Es  sei 

V       - 

z  =  yx  =  rc*, 

also 

1     du  ^        f^_ L 

'  X      dx        ^     dx  x^ 


-—-  =  —  .  x-  *  —  a; *  .  \X'  — =-  =  — r-  (1  —  lic). 

dx       X  x^        x^  ^            ^ 

Auch  dieses  Resultat  ergab  sich  auf  anderem  Wege  in  §  25, 
Aufgabe  56. 

9)  «  =  (Lr)*«*, 

also 

—     >  --*«^j    dx^x^    d^^cos^* 


=  a^)»«-g 


«   .   \i\x)-\ 

X 


"^  COS*a:J 


§70. 

HerieHung  der  aUgemeinen  Regel  fOr  die  Differentiation, 
der  nictit  entwioicelten  Functionen. 

(YergL  die  Fonnel-TabeUe  Nr.  87  nnd  88.) 

Es  sei  'Wieder 

(1.)  *=-P(«,»), 


§  70.    Differentiation  nicht  entwickelter  Fnnctioiieii.  299 

und  es  seien  u  und  v  beide  Functionen  von  x,  die  eine  Ableitung 
besitzen,  dann  wird  nach  Formel  Nr.  83  der  Tabelle 

dz       dz  du      dz  dv 
^^'^  di^'Südx'^'Sm' 

oder 

.  cfe  __  dF{u,  v)  du      dF{Uj  v)  cfo 

^     *^  efe "~       SfJ       dx  Sü        cfo; 

Hierbei  ist  u  eine  beliebige  Function  von  x,  folglich  darf 
u  auch  gleich  x  sein.    Dann  geht  Gleichung  (2.)  aber  in 

dz dz       dz  dv 

^^'^  di'^'Si'^di'di^ 

Vertauscht  man  jetzt  v  mit  y,  so  wird 

(4.)  z  =  F{x,  y), 

wobei  y  noch  eine  Function  von  x,  also 

(5.)  y  =/(^) 

ist,  und  man  erhält 

..  & 6g       ff g  rfy 

^^•>'  d^^dx'^dydi' 

oder 

rft«^  ^ J^(^, y)  _  ff J^Qp, y)       6F(^, y)  rfy 

In  diesem  Falle  ist  also  z  erstens  unmittelbar  abhängig  von 
X  und  ausserdem  auch  noch  mittelbar  abhängig  von  x^  indem  z 
auch  eine  Function  von  y  und  y  wieder  eine  Function  von  x  ist. 

Aus  den  Gleichungen  (6.)  und  (6a.)  ersieht  man  auch,  wie 

dz 
nothwendig  es  ist,  die  partielle  Ableitung  ^vonderto^o/^nAb- 

(rundes)  ^,  das  andere  Mal  ein  (gerades)  d  schreibt. 

Beispiele» 

1)  z:=  x^  =  xy^  WO  y  =  \x. 

Hier  wird 

ff:r       ^        '     ffy  ^     dx       x 


300  §  70.    Differentiation  nicht  entwickelter  Functionen. 

folg^ch  ist 

dz       d(x^*)  .  ,     1 

dx^  dx  y"  ^ ^  ^^  ^ 

2)  «  =  (tga:)^  =  y*,  WO  y  =  tga:. 

Hier  wird 

%=r\y,   1=^-',  i=^' 

folglich  ist 

dz       d\(\%xY]  .     ,      ic      ^  .       /x     N«i/x     X   ,  ^(tga^)*-i 

Der  Kürze  wegen  bezeichnet  man  die  partielle  Ableitung 
von  F{xy  y)  nach  der  ersten  Veränderlichen,  also  — ^^^,   mit 

JFJ  (x,  y)  und  die  partielle  Ableitung  von  F{xy  y)  nach  der  zwei- 

dFlx  v) 
ten  Veränderlichen,  also  — 1  ^%  mit  i^(ar,  y). 

Dadurch  erhält  die  Gleichung  (6  a.)  die  Form 
(7.)  i?^  =  f,(.,„  +  f,(.,„|. 

Diese  Formel  kann  man  jetzt  auch  benutzen  zur  Differen- 
tiation von  nicht  entwickelten  Functionen.  Ist  z.  B.  y  als  Func- 
tion von  X  durch  die  Gleichung 

(8.)  F{x,  y)  =  0 

gegeben,  so  kann  man  sich  vorstellen,  diese  Gleichung  sei  nach 
y  au%elöst  und  dadurch  auf  die  Form 

(9.)  y  =f{x) 

gebracht.    Man  erhält  daher  nach  Gleichung  (7.) 

(10.)  iI^  =  Fax,y)-VF,i.,y)%. 

Setzt  man  den  Werth  von  y,  welchen  die  Gleichung  (9.) 
liefert,  in  die  Function  F{xj  y)  ein,  so  muss  nach  Voraussetzung 

2^(^,y)  =  0 


§  71.    Uebnngs-Beispiele.  301 

werden,  deshalb  wird  erst  recht 

dF{x,  y)  _ 
dx       ~^' 

80  dass  ans  Gleichung  (10.)  folgt 

(11.)  F,{x,y)  +  F^{x,y)^  =  Q, 

oder 

(11  a.)  Fy  {x,  y)  dx  +  F^  {x,  y)  dy  =  0. 

Ans  Gleichung  (11.)  findet  man  jetzt  unmittelbar 

ng\  ^ -Fl  jx, y) 

^    ^^  dx-       F,(x,yy 

§71. 

Uebungs-Beispiele. 

1)     b^x^  +  a»y2  —  a*  b^  ==  0. 

Hier  ist 

F(x,  y)  =  b^x^+  a^y"^  —  a*  JJ  =  0, 

^^  =  F,ix,  y)  =  2b^x,  ^^  =  mx,  y)  =  2«>y, 
folglich  wird 

2)  l^(Ä:,y)=«,ia;2+2a,2^+«22yH2aisa:+2a23y+a33=0. 

Setzt  man  hierbei  noch  fest,  dass  a^^  gleich  a^^  ist,  so  vmA 

F\  (^j  y)=2(aiia:+ö,2y+öfi3)j    -^2(2:,  y)=2(a2,  ^+a22y+«Js)5 

rfy_       ^11^  + «lay +  <»iH 

3)  jF(a;,  y)  =  x^  +  y^  —  Saxy  =  0, 

^i(«>y)  =  3a;J  — 3ay,     F^ix,  y)  —  3y^  —  Sax, 


2 


dy 3a?^  —  3ay ay  — 

dz  3y^  —  3ax      y^  —  cut 


302  §  71.    Uebungs-Beispiele. 

4)  -F(^,y)  =  (rr2  +  y2)2_a2(ip2  — y2)  =  o, 
F^{x,y)  =  2{x^  +  y2).2a:  — 2aV, 
F^{z,  y)  =  2{x^  +  y«) .  2y  +  2a2y, 

dy  _      a:  2(g2  +  y2)  — g^ 

(fe*""        y  2(a:2  +  y2)  +  a2' 

5)  F{xj  y)  =  a:2y3  +  cog^:  _  gina;  tgy  —  siny, 
Fx  (xj  y)  =  2xy^  —  sina:  —  eosx  tgy, 

F2  (^,  y)  =  3a:»y2  _  ^1  _  cosy, 

^_  —  2ay^  +  sina?  +  C08a?tgy 

_  ( —  2gy^  +  sma;)cosV  -f  cosa;  siny  cosy 
""  Sxh/^cos'^  —  sina:  —  cos^ 

6)  F(x,y)=:^x^y*  +  siny, 

^i  (^j  y)  =  2xy*,     F2  (x,  y)  =  4a:2y3  +  cosy, 

dy  2ay* 

öfe  4a?y  +  cosy 

7)  l^(a:,  y)  ä  sinar  siny  +  sina:  cosy  —  y, 
-'^  {^9  y)  =  cosa:  (siny  +  cosy), 

F2  (a-,  y)  =  sina:  (cosy  —  siny)  —  1, 

^y  —  _     cosa:(cosy  +  siny) 
cfo  "~      sina:(cosy  —  siny)  —  1 

In  ähnlicher  Weise  findet  man  die  Lösungen  der  folgenden 
AiilQi;aben. 

8)  ^_^  +  ^  =  o;|  =  ?l=|. 

9)  an(:ry)-.'>-:.V  =  0;^  =  ytco8(^^-*'>-2x], 
^         ^  ^^  ^         '  (fe       ar[a:  +  tf**'  —  C08(ay)] 

10)  ,>  +  j,._..  =  0;|  =  -i- 


§  72.    Ableitongen  höherer  Ordnung.  303 

§  72. 

Ableitungen  höherer  Ordnung. 

(Vergl.  die  Formel-Tabelle  Nr.  89  und  90.) 

Der  Kürze  w^en  setzt  man  häufig 

d^y cPp  __dq  

dx^       dx^       dx 

Ans  der  Gleichung 

^  '^  ^      dx  B,{x,y) 

folgt  dann,  dass  p  wieder  eine  £\inction  von  x  und  y  ist,  die  man 
ebenso  differentiiren  kann  wie  in  §  70  die  Function  z-^  man  er- 
halt daher,  indem  man  in  Formel  Nr.  87  der  Tabelle,  nSmlich  in 

dz      dz       dz  dy 
dx      dx      dy  dx 
z  mit  p  vertauscht, 

/o^  ±_dp      dpdy 

y^')  dx^  dx'^  dy  dx 

oder 

cPy  dp  ,  dp 

(2a.>  d  =  ^'=fx  +  ^P- 

In  derselben  Weise  findet  man  aus  q  auch  die  dritte  Ab- 
leitung yon  y  nach  x^  denn  es  ist  wieder  nach  Formel  Nr.  87 
der  Tabelle,  indem  man  z  mit  q  vertauscht, 

(3.)  dq^dqdqdy 

^  '^  dx      Wc      dy  dx 

oder 

(3a.)  ^  =  *-  =  gI  +  5p^- 

Dies  kann  man  beliebig  fortsetzen. 

§  73. 

Uebungs-Beispiele. 

Aufgabe  1.  Man  soll  die  Ableitungen  p  und  q  bestimmen, 
wenn  g^^eben  ist 


804  §  73.    Uebnngs-Beispiole. 

(1.)  x'^  —  ^  +  y^  =  a\ 

Hier  ist 
(2.)  F{x,  t/)  =  x^  —  xy  +  y^  —  a\ 

(3.)  -Fi(^,y)==2x  — y,    F^(^x,y)  =  —x^'^y, 

also 

(4)  ^^       2:r-y 

Daraus  folgt 

cjp  _    —  3y 

(^•)  da:  "^  (ar— 2y)i' 

^      dp     _     — 3y  ar         2g  —  y 

?  =  ^  "^  S^  ^  ~  («— 2y)2  "^  (x— 2y)2  '  a:  —  2y ' 
oder 

Berücksichtigt  man  noch  Gleichung  (l.)i  so  erhält  man 

__6a2_ 

(®-)  ^-(;2:_2y)3* 

Aufgabe  2.    Es  ist  gegeben 

(9.)  (o:  — |)2  +  (y  — ^)2  — a2=:0, 

man  soll  die  Werthe  von  p  und  q  ermitteln. 

Auflösung  1.    Hier  ist 

(10.)  F{x,y)  =  {x-iy  +  (y_,)2_ai, 

(11.)  Fxix,y)^2{x-l),    1^2(^,y)  =  2(y-i,), 

also 

dy  x  —  i 

Daraus  folgt 
(13.)  ^= ^, 


§  73.    Uebungs-Beispiele.  305 

.  .X    '       _^   ,    Öp     _  ___JL X  —  S      X  —  g 

^     "^      *      dx'^  dy^  y  —  fj      (y  —  v)^'  y  —  fj^ 

oder 

^^""'^    ^^dx^-^  {y  —  nf        ^     {y  —  nY 

Auflösung  2.    Dasselbe  Eesultat  kann  man  hier  auch  durch 
Auflösung  der  Gleichung  (9.)  nach  y  finden.    Es  wird  nämlich 


(17.)  y  =  ^±ya2  — (:r  — ?)2, 

also 

„_^_  -3-  yg»  —  (a:  —  gp 


=  + 


a2 


ri' 


oder 

(19.)  ?  =  -(^^' 

ein  Eesultat,  das  mit  Gleichung  (16.)  übereinstimmt. 

Aufgabe  3.    Man  soll  ^,  q  und  r  bestimmen,  wenn  gegeben 
ist 

(20.)  F{x^  y)  =  y2  ^  2ax  =  0. 

Auflösung.    Hier  ist 

(22.)  g  =  -^,      ^  =  0,     ^=+y. 

(23.)  r  =  ^^ 

y5 

Stegemann-Kiepert,  Düferenidal-Beohnnng.  ^ 


306  §  74.  Anwendung  auf  die  Theorie,  der  Maxima  und  Minima  u.  s.  w. 

Aufgabe  4.   Man  soll^,  q  und  r  bestimmen,  wenn  gegeben  ist 
(24.)  J  V  +  «y  —  a%^  =  0 

AufIBsung.    Hier  ist 


aV>^ 


oder 


«y  ay 


Daraus  folgt 


§  74. 

Anwendung  auf  die  Theorie  der  Maxima  und  Minima  von 
nicht  entwickelten  Functionen  einer  Veränderiichen. 

(VergL  die  Formel-Tabelle  Nr.  91.) 

Es  sei  y  als  Fonction  von  x  gegeben  durch  die  Gleichung 

(1.)  Fix,  y)  =  0, 

es  sollen  die  Werthe  von  x  bestimmt  werden,  ftir  welche  y  ein 
Maximum  oder  Minimum  wird. 

Beachtet  man,  dass  man  die  Gleichung  (1.)  auf  die  Form 

(2.)  y=/(^) 

Dringen  kann,  indem  man  sie  sich  nach  y  aufgelöst  denkt,  so 
erkennt  man,  dass  hier  dieselben  Regehi  anwendbar  sind,  welche 
im  VI.  Abschnitt  fOr  die  Au&uchung  der  Maxima  und  Minima 
von  entwickelten  Functionen  gegeben  worden  sind;  d.  h.  man 
bestimmt  diejenigen  Werthe  von  x,  für  welche 


§  74.  Anwendung  auf  die  Theorie  der  Maxima  und  Minima  u.  s.  w.  307 

verschwindet.    Wird  dann  ^^  =/"(x)flir  einen  solchen  Werth 

von  X  negativ^  SO  tritt  ein  Maximum  ein,  und  wird  f**{x)  für 
einen  solchen  Werth  von  x  positiv^  so  tritt  ein  MininniTn  ein. 

Dabei  ist  es  aber  in  dem  vorliegendem  Fall  gar  nicht  nöthig, 
die  Gleichung  (2.)  wirklich  zu  bilden,  denn  nach  Formel  Nr.  88 
der  Tabelle  wird 

Schliesst  man  den  Fall  aus,  wo  i^(^,j^)  unendlich  gross 
wird,  so  kann/'(Ä:)  nur  dann  verschwinden,  wenn 

(4.)  F,  {x,  y)  =  0 

ist.  Aus  den  beiden  Gleichungen  (1.)  und  (4.)  findet  man  dann 
die  Werthe  von  x  und  y,  für  welche  y  möglicher  Weise  ein 
Maximum  oder  Minimum  wird. 

Um  zu  entscheiden,  ob  füi»  einen  der  geflmdenen  Werthe 
von  X  wirklich  ein  Maximum  oder  Minimum  eintritt,  bilde  man 
nach  Formel  Nr.  89  der  Tabelle 

(^•)         S =/"» =1+11- 

Setzt  man  der  Kürze  wegen 

/ß^         ^F^_         dF,_         dF^__         dF^_ 

so  wird 

^'•^      dx~  i?i2  dy~  i^2* 

also 

I?I?  I?I?  TP  TP  TP  TP  TP 

/Q  X  ^  _  /^2Al  —  A  At     ,     A-^12  —  A-^22      A 

(8.)  ? -j^^ + ^^ ^• 

Dieser  allgemein  gültige  Ausdruck  vereinfacht  sich  in  dem 
vorliegenden  Falle,  wo  nur  solche  Werthe  von  x  und  y  in  Be- 
tracht kommen,  fär  welche 

F,(x,y)^F,=.0 
ist.    Deshalb  wird  hier 

20* 


308  §  75.    Uebungs-Beispiele. 

(8a.)  y=/"(x)  =  -^- 

Haben  also  i^j  und  F^  für  das  betrachtete  Werthepaar 
Xy  y  gleiches  Zeichen,  so  ist  f**{x)  negativ ^  und  y  wird  ein 
Maximum.  Haben  dagegen  i^i  und  i^  entgegengesetztes  Zeichen, 
so  ist  /"  {x)  positiv^  und  y  wird  ein  Minimum,  Dies  giebt  die 
Eegel: 

Ist  F{xy  y)  ==  0 ,  so  wird  y  ein  Maximum  oder  Minimum^ 
wenn 

istj  und  wenn  i^  mit  F^^  gleiches^  hezw,  entgegengesetztes  Zeichen 
hat. 


Indem  man  x  und  y,  und  dem  entsprechend  die  Indices  1 
und  2  mit  einander  vertauscht,  findet  man  hieraus  auch  diä 
folgende  Eegel: 

Ist  F(xyy)  =  0,  «0  wird  x  ein  Maximum  oder  Minimum^ 

wenn 

F^(x,y)  =  0 

istj  und  wenn  F^  mit  F^i  gleiches^  hezw.  entgegengesetztes  Zeichen 
hat. 

§  75. 

Uebungs-Beispiele. 

Aufgabe  1.    Man  soll  auf  der  Curve  (Fig.  63) 

(1.)  F{x,  y)  =  x^  +  y^  —  Saxy  =  0 

einen  Punkt  P  bestimmen,  der  höher  liegt  als  die  benachbarten 
Punkte. 

Auflösung.    Hier  ist 

(2.)     ^  F[{x,y)  =  Sx'^  —  Say  =  0  für  y  =  — • 

a 

Setzt  man  diesen  Werth  in  die  Gleichung  (1.)  ein,  so  wird 

x^ 
(3.)   x^  +  -Y  —  Sx^  =  0,  oder  x^  —  2a^x^  =  x^{x^  —  2a^)  =  0. 


§  75.    Uebungs-Beispiele. 


309 


Fig.  68. 


Diese  Gleichung  wird  zunächst  befriedigt  für  ;i;  =  0,  dann 
ist  aber,  wie  später  gezeigt  werden  soll,  der  zugehörige  Werth 
von  y  ein  Minimum.  Ein  Maximum 
kann  also  nur  eintreten,  wenn 

(4.)  x^  —  2a3  =  0, 

oder 

X  =  ay2 ,         y  =  «K  4. 

Es  wird  nämlich  für  diese 
Werthe 

F^(x,y)=^S(y^-ax) 

(5.)  {  =  Sa^p2>  0, 

-Pii(^,y)=  6^  =  6af2  >0; 
da  J^  und  i^j  gleiches  Vorzeichen  haben,  so  ist  y  =  a^T  ein 

Das  Maximum  von  x,  dem  ein  ausser ster  Punkt  Pi  der 
Curve  entspricht,  findet  man  in  ähnlicher  Weise,  und  zwar  sind 
die  Coordinaten  dieses  Punktes 

(6.)  x^=aYi,    yx=a}f2. 

Die  hier  behandelte  Curve  hat  den  Namen  „Folium  Cartesii^. 

Aufgabe  2.   Man  soll  den  höchsten,  bezw.  den  tieften  Punkt 
der  Ellipse  (Fig.  64) 
(7.)  F(xj  y)  =  a,irc2  +  2a^.^xy  +  a^^y^  +  033  ==  0 

bestimmen. 

AuflSsung.    ffier  ist  ^i»  ^ 

(8.)  F^{x,  y)  =  2(ai^a:+a,2y)  =  0 

für 


(9.) 


_       «11 


y  =  — 


:r. 


»12 


Dies  giebt  mit  Eücksicht  auf 
Gleichung  (7.) 

(10.)  «11(011022— «^2>^  =  — 0^2033, 

oder 


310  §  75.    Uebungs-Beispiele. 


(11.)        x=±^W,    wobei  IV ^y  —  ^i^^^ 

ist.    Die  Grösse  W  wird  sicher  reell,  denn  Gleichnng  (7.)  stellt 
bekanntlich  nnr  dann  eine  reelle  Ellipse  dar,  wenn 

«ii«»  — «^2>0  nnd  «11033  <0 

ist.    Ans  den  Gleichungen  (9.)  nnd  (11.)  folgt  dann 

(12.)  y  =  T  JT. 

Femer  ist 

(13.)  Jli  =  2a,i,  E,  =  2(a,,x+a,,y)  =  ^  ^(^^^22-a\,)W ^ 

«11 

also 

(U.)  FuF^^T  4(aiia22  —  o^^j)  W. 

Für  das  o Wa  Vorzeichen  wird  daher  y  ein  Minimum^  weil 
dann  JFJi  nnd  i^  ungleiches  Vorzeichen  haben;  für  das  untere 
Vorzeichen  dagegen  wird  y  ein  Maximum^  weil  dann  i^i  nnd 
i^  gleiches  Vorzeichen  haben. 

Dieses  Besnltat  wird  durch  Figur  64  bestätigt. 


j 


IX.  Abschnitt. 

Yertanschung  der  Abhängigkeit  der  yeränder- 

lichen  Grössen. 

§  76. 

Bildung  der  Grössen  p  und  q,  wenn  x  und  y 

Functionen  von  t  sind. 

(VergL  die  Formel  -  Tabelle  Nr.  92.) 

Ist  y  eine  (entwickelte  oder  nicht  entwickelte)  Function  von  ar, 
so  ist  es  häufig  von  Vorfheil,  x  als  eine  Function  einer  dritten 
Veränderlichen  t  auszudrücken.  Dann  wird  nämlich  auch  y 
eine  Function  von  t 

Beim  Kreise  ist  z.  B. 

(1.)  a:2  +  y2  — a2  =  0,     oder    y^zfa^  —  x\ 

Setzt  man  nun 
(2.)  X  =  acos^,    so  wird    y  =  asin^. 

Bei  der  Ellipse  ist 

(3.)        &2^2  +  ö2y2  —  a2j2 -:  0,    odcr    y  =  ^ya^—x^\ 

setzt  man  hier  wieder 

(4.)  x  =  acos^,    so  wird    y  =  Jsin^. 

Sind  die  Gleichungen 

(5.)  ^^<f{t\    y  =  rp(t)    . 

gegeben,  so  kann  man  umgekehrt  durch  Elimination  von  i  eine 
Gleichung  zwischen  x  und  y  herleiten,  aus  der  man  erkennt, 
dass  man  auch  in  diesem  Falle  y  als  eine  Function  von  x  be- 
trachten darf. 


312  §  76.    Bildung  der  Grössen  p  und  ^  u.  s.  w. 

Es  sei  z.  B. 

(6.)  z  =  a{t  —  sin^),    y  =  a(l  —  cosf), 

dann  wird 

(7.)  acos^  =  a  —  y,     asin^  =  Y^ay  — •  y'^^ 

(8.)  t  =  arccosf^      ^\ 

folglich  ist 

(9.)  x  =  a  arc  cos  y        ^j  —  y  2ay  —  y^. 

Es  ist  nun  die  Frage,  in  welcher  Weise  man  die  Grössen 
p  nnd  ;  bilden  kann,  wenn  die  Abhängigkeit  zwischen  x  nnd  y 
durch  die  Gleichungen  (5.)  gegeben  ist. 

Hier  wird 

(10.)      Jx  =  (p(t  +  J()  —  q>(t),     Jy=:tp(t  +  Jt)  —  xp(t), 

also 

xp{t  +  Jt)  —  ifj(t) 

Jx'^  9)(^  +  ^f)  —  9)(0  ""  (p{t  +  Jt)  —  g){t)' 

Jt 

oder,  wenn  ^^  und  deshalb  auch  ^2:  und  ^/y  unendlich  klein 
werden, 

dy 

(11.)  ^^p^t^^'E. 

^      ^  dx      ^        q>'{t)       dx 

dt 

Dieses  Resultat  hätte  man  auch  aus  Formel  Nr.  35  der 
Tabelle  finden  können.  Danach  ist  nämlich,  wenn  man  u  mit  t 
yertauscht, 

dx~'  dtdx'^^  ^^    g>*(t)  "  9>\t) 

In  derselben  Weise  kann  man  jetzt  auch 


§  77.    Uebungs-Beispiele.  313 

finden,  denn  es  ist,  wenn  man  in  Gleichung  (11.)  y  mit  p  ver- 
tauscht, 

dp 

dp_Tt  _  <f'(W{t)-xp'{t)q>-{t) 

dt 

oder 

dx  d^       dy  d^x 

_  <P'{tw(t)  —  tp*(t)^''(t)  _didfi~diap^ 

\dt) 

Diesen  Ausdruck  schreibt  man  noch  bequemer  in  der  Form 
,  dh/  _  dxd^y—dyd^ 

wobei  man  sich  aber  bewusst  bleiben  muss,  dass  auf  der  rechten 
Seite  dieser  Gleichung  x  und  y  als  Functionen  von  ^  zu  be- 
trachten sind,  dass  also 

dx  =  q>'  (t)  dt,     d^x  =  9)"  (t)  dt\ 

dy  =  \p'  (t)  dt,     dhf  =  \p''  (t)  dt^ 
ist. 

Dieses  Verfahren  kann  man  noch  fortsetzen,  um  die  höheren 

Ableitungen  von  y  nach  x  zu  ermitteln.    So  ist  z.  B. 

dq 

'^  dx^      dx       dx 

dt 

U.  s.  w. 

§  77. 

Uebungs-Beispiele. 

Aufgabe  1.    Man  soll  die  Grössen  p  und  q  bUden,  wenn 
gegeben  ist 

(1.)  x  =  7  +  t^,    y  =  3  +  ^  — 3^*. 

AuflSsung.    Aus  den  Gleichungen  (1.)  folgt 

(2.)  dx  =  2t  dt,      dy  =  (2t—  12^)  dt, 

(8.)  d^x  =  2dt^,      cPy  =  (2  —  36  t^)dt^; 


814  §  77.    Üebnngs-Beispiele. 

deshalb  wird 

Aufgabe  2.    Man  soll  die  Grössen  p  und  ;  bilden,  wenn 
gegeben  idt 

(6.)  a:  =  a(f — sin<),      y  =  ö(l  —  cos^- 

AuflSsung.    Aus  den  Gleichnngen  (6.)  folgt 

(7.)  cfe  =  ö(l  —  COS<)rff,       dy=^aWitdt^ 

(8.)  rf^  =  asin^rf^,  cPy  =  acos^rf^^j 

deshalb  wird 

oder 

(9a.)  /^  =  ^(|)- 

Femer  ist 

^dxePy—dycPx  _  a\<:mt—\)dt^ 
*  ""  di»  ""  a«(l  —  cos tfdt'^ ' 

oder 

(10.)  q  =  -  ^  ^ 


a(l  — cosO^ 


asin^d) 


Dieses  Besoltat  hätte  man  auch  durch  Differentiation  von 
Gleichung  (9  a.)  finden  können.    Es  ist  nämlich 

dp dp  dt 

^      dx       dt  dx 


dp 


e^Ctg(i) 


dt  dt 

2sm 


'"•(I) 


§  77.    Uebungs-Beispiele.  315 


und  nach  Gleichung  (7.) 

J*.  1 

dx  ' 


folglich  ist 


^  — 

4asin^(|) 

Aufgabe  3. 

gegeben  ist 
(11.) 

Man  soll  die 
x^  ctg^, 

1  Grössen  p  und  q 
y  =  sin^^. 

bilden,  wenn 

Auflösung. 

Aus  den  Gleichungen  (11.)  folgt 

(12.)                dx 
also 

dt 

rfy  =  ^mHojoBtdty 

(13.) 

dy 

—  3sin4^cos<. 

Femer  ist 
dp 

dp  dt 
dt  dx 

=  (—  12sin8^  cos2^  +  3sin5^)  (—  sin^O» 
oder 

(14.)    q  =  3sin*<(4cos2^  —  sin«^)  =  3sins<(4  —  Ssin^Q. 

Aufgabe  4.    Man  soll  die  Grössen  p  und  q  bilden,  wenn 
gegeben  ist 

(15.)      X  =  a(mcos/ —  cosm^),  y  =  a(msin^  —  sinm^). 

Auflösung.    Aus  den  Gleichungen  (15.)  folgt 

(16.)  dx  =  ma{ —  sin<  +  mimt)dt^    dy  =  wa(cos^  —  CO^fnt)dty 

oder,  wenn  man 

(17.)  m  —  1  =  »,    fn  +  l  =  / 

setzt, 

dx  =  2masin(  — )cos(^)d<, 
(16  a.)  l  ^y      ^^ 

dy  =  2wasin(^jsinf^- jrf^. 


316  §.  77.    Uebungs-Beispielö. 

\ 

also 

Femer  ist 

dp  l  dx      ^       ,  /nf\      /lt\ 

ri9  ^         a-  ^-  ^  .  ^  -  ^ 


4masm 


^(1)^'(f) 


^^    Aufgabe  5.    Man  soll  die  Grössen  p  und  ;  bilden,  wenn 

gegeben  ist 

(20.)  X  =  a(cos^  +  ^sin^),    y  =  a(sin^  —  ^cos^). 

Auflösung.    Hier  ^^d 
(21.)  dx  =  a^cos^rf^,    dy  =  a^sin^rff, 

(22.)  P-%  =  ^'^ 

(23.)  rf/>  =  -4i.    ?  =  I^=-Ar/ 

Aufgabe  6.    In  der  Gleichung 

(24.)  x^  —  ay^O 

ist  X  die  unabhängige  Veränderliche.    Im  Yerlaufi^  einer  analy- 
tischen Untersuchung  wird  es  nothwendig,  durch  die  Gleichung 

(25.)  x^^ 

die  Grösse  t  als  unabhängige  Veränderliche  einzuftthren.  Welche 
Form  nimmt  dadurch  die  Gleichung  (24.)  an? 

Auflösung.    Zunächst  ist 

dx  .  ^  dt  . 
-57  =  c*  und  ^-  =  e-* 
dt  dx 

folglich  wird 

^"^^'^  dx^  dt  dx"  dt  "^    ' 

so  dass  die  Gleichung  (24.)  übergeht  in 


§  78.    Yertaaschung  der  Function  mit  dem  Argument.  317 

oder 

(27.)  |-«y  =  o. 

Aufgabe  7.    In  der  Gleichung 

wird  die  Grösse  t  als  unabhängige  Veränderliche  eingeführt  durch 

die  Gleichung 

(29.)  a:  =  arctg^. 

Welche  Form  nimmt  dadurch  die  Gleichung  (28.)  an? 

Auflösung.    Aus  Gleichung  (29.)  folgt 

(30.)  tga:  =  ^     -^=i  +  tg2:r=l  +  ^2/ 

dx  li         dt 


m  i.=t=t5=*(i  +  «'). 


dx       dt  dx       dt 


w  '=l=ll=[S('+'')+l-^']('+")-- 


Setzt  man  diese  Werthe  in  die  Gleichung  (28.)  ein,  so  er- 
hält man 

§(1  +  ^2)1,.  g.2f](l+^'^)+arctg^y^(l  +  <2)  +  (i  +  ^2)  =  o, 
oder,  wenn  man  die  Gleichung  durch  1  +  ^  dividirt, 
(34.)  (1  +  <2)  §  +  (2t  +  yaxctgO§  +  1  =  0. 


[ 


§  78. 

Behandlung  des  Falles,  In  welchem  y  die  unabhängige 

Veränderliche  wird. 

(Vergl.  die  Formel-Tabelle  Nr.  93  and  94). 

Ein  besonderer  Fall  in  der  Yertanschung  der  nnabhängigen 
Veränderlichen  x  mit  einer  anderen  ^  ist  der,  wo  ^  gleich  y 


318        §  78.    Vertaoschung  der  FuncUoii  mit  dem  Argument, 

wird,  d.  h.  wo  die  Grosse  y  zur  unabhängigen  Veränderlichen 
gemacht  wird. 

Dieser  Fall  konunt  z.  B.  vor,  wenn  man  bei  Corven  die 
Ordinate  y  als  unabhängige  Veränderliche  ansehen  wOl. 

Nach  Formel  Nr.  92  der  Tabelle  ist 

dy  dx  dhf      dy  d^x 

(\\  dy_'^        ,    dkf      li  dfi~dt  dfl 

^  *^  dx       dx  dx^  /d£\? 


\dt) 


dt 

Diese  Gleichungen  bleiben  auch  noch  richtig,  wenn  man 
(2.)  y^i 

setzt;  dann  wird  aber 
/Q  \  dx  ^dx       cPx  __  d^x       dy  ^  d^  __ 

Die  Gleichungen  (1.)  gehen  daher  über  in 


W 


dy 

Dem  entsprechend  findet  man  durch  Vertauschung  von  x 
mit  y 

d^ 
.   .  dx^l 1^       d^x  __         dx^ q^ 

^  '^  ^'^^"p^      dy^^       /f^Y~~^* 

dx  \dx/ 

Aus  dem  Werthe  von  ;  kann  man  durch  Differentiation 
auch  den  Werth  von  r  finden.    Es  ist  nämlich 

(6)  r  =  ^  =  ^^, 

^   ^  dx      dy  dx 

dq^       dydy^         W/  ,       ___ 

dy  /^V  ^^       — 

\dy)  dy  * 

folglich  wird 


dy_  1 


: 


§  79.    Uebungs-Beispiele.  319 

ri\  r  =,  ^  -  _  «^y  ^y"      \dyv 

und  dem  entsprechend 

In  dieser  Weise  kann  man  mit  der  Bildung  der  höheren 
Ableitungen  fortfahren. 


§  79. 

Uebungs-Beispiele. 

Aufgabe  1.    In  der  Gleichung 

('•)      (^+-)iS+'(i)*-'='> 

ist  X  die  unabhängige  Veränderliche;  man  soll  die  Gleichung  so 
umformen,  dass  y  die  unabhängige  Veränderliche  wird. 

Auflosung.  Setzt  man  in  die  Gleichung  (1.)  die  Werthe  von 
I  und  g  nach  den  Gleichungen  (4.)  des  vorheigehenden  Para- 
graphen  ein,  so  erhält  man 

dy   \dy)  \dy) 


oder 


/o\  (     \     \d^^  X      dx     /<foV      /> 

(2-)  -(^  +  '*>^^+^^-U)=«- 

Aufgabe  2.    In  der  Gleichung 

ist  X  die  unabhängige  Veränderliche ;  man  soll  die  Gleichung  so 
umformen,  dass  y  die  unabhängige  Veränderliche  wird. 


320  §  79.    Uebungs-Beisptele. 

Auflösung.    Setzt  man  wieder  für  ^  und  ^  ihre  Werthe 
ein  9  so  erhält  man 

~''7d^'^  7d£^     y~"' 

W        \dy) 

oder 

Aufgabe  3.    Man   soll    die    ersten   drei   Ableitungen   von 
X  =  arc  sin  y  bilden. 

Auflösung.    Hier  ist 

(5.)       y  =  sina:,     p  =  coSa:,     y  =  —  sina;,     r  =  —  COSa:, 

folglich  wird  nach  den  Formeln  Nr.  94  der  Tabelle 

{a^       da;_     1        d^x  _  SJüx      d^x  _  cos^a:  +  Ssin^a; 
dy^  cosx^    dy^  "~  cos^^r'    dy^ "~         cos^a: 


X.  Abschnitt. 

Untersuchung  von  Curren, 
die  auf  ein  rechtwinkliges  Goordinaten-System 

bezogen  sind. 

§80. 

Tangenten  und  Normalen. 

(Vergl.  die  Formel-Tabelle  Nr.  95—101.) 

Es  sei 

die  Gleichung  einer  Curve  (Fig.  65),  auf  welcher  der  beliebige 
Punkt  P  die  Coordinaten  x  und  y  haben  möge. 

Legt  man  nun  in  diesem 
Punkte  eine  Tangente  TP  an 
die  Curve  und  bezeichnet  man 
den  Winkel,  welchen  diese 
Tangente  mit  der  positiven 
Richtung  der  X-Axe  bildet, 
wieder  mit  a,  so  ist  nach 
Formel  Nr.  16  der  Tabelle 


Fig.  65. 


(2.)     tg«  =  ^=/'(4 


dx 

Ist  nun  die  Gleichung  der  Tangeidte 

(^•)  y*  =zmx*  +  fi, 

wobei  die  laufenden  Coordinaten  mit  x'  und  y'  bezeichnet  sind, 
weil  a:  und  y  die  Coordinaten  des  Berührungspunktes  P  sein  soUen,' 
so  ist  auch,  da  die  Tangente  durch  den  Punkt  P  gehen  muss' 

Stegemann- Kiepert,  DiflFerential-Heclmting.       *  gl 


322  §  80.    Tangeoitea  und  Noimaleii. 

folglich  wird 

(4.)  y'  —  y=:fn(p!^—x). 

Ausserdem  ist  bekanntlich 
folglich  wird 

(5.)  j^_y  =  g(^_:,). 

Die  gerade  Linie  PN,  welche  jan  Berührungspunkte  auf 
der  Tangente  senkrecht  steht,  heisst  Normale.  Deshalb  ist  ihre 
Gleichung 

(6.)  y-y  =  -|(^-^). 

Die  Abschnitte  der  Tangente  und  der  Normale,  welche 
zwischen  der  Abscissen-Axe  und  dem  Berührungspunkte  P  liegen, 
also  die  Strecken  TP  und  PN,  heissen  auch  kurzweg  Tangente, 
beziehungsweise  Normale.  Man  bezeichnet  sie  durch  T  und  N. 
Die  Projectionen  TQ  und  QN  dieser  Abschnitte  auf  die  Abscissen- 
Axe  nennt  man  Subtangente  und  Subnormale  und  bezeichnet 
sie  durch  St  und  Sn. 

Es  ist  daher 
(7.)  T=TP,     N=PN, 

(8.)  St  =  TQ,     Sn  =  QN. 

Hieraus  findet  man  ohne  Weiteres 
(9.)  Sn  =  y\%a  =  y^, 

(10.)  Ä^  =  yctga  =  y^, 


§  81.    Anwendung  auf  einzelne  Curven. 


323 


Die  beiden  letzten  Gleichungen  kann  man  noch  etwas  ein- 
facher schreiben.  Haben  die  benachbarten  Curvenpunkte  P  und 
P\  (vergl.  Fig.  19  auf  Seite  73)  bezw.  die  Coordinaten  ar,  y  und 
X  +  Jx^  y  +  Jy^  SO  ist  nach  dem  pythagoräischen  Lehrsatze 

oder,  wenn  die  Punkte  P  und  P^  einander  unendlich  nahe 
rücken,  und  wenn  man  die  unendlich  kleine  Sehne  PP^  durch 
ds  bezeichnet, 

(13.)  ds^  =  dx^  +  dy^, 

(-)  (iy='+(S)'  (D'-+(i)- 

Setzt  man  diese  Werthe  in  die  Gleichungen  (11.)  und  (12.) 
ein,  so  erhält  man 


(14.) 


TU  ^^ 


^  dy 


(2.) 


Fig.  66. 


§81. 

Anwendung  auf  einzelne  Curven. 

Aufgabe  1.    Die  Gleichung  einer  Parabel  (Fig.  66)  sei 
(1.)  y2==9^. 

man  soll  für  den  Punkt  P,  der 
die  Abcissse 

hat,  die  Subnormale,  Subtan- 
gente,  Normale  und  Tangente 
berechnen. 

Auflösung.    Aus  Gleichung 
(1.)  folgt 

2ydy  =  ^dx^ 
oder 

^^  9_ 
dx      2y 


Für  X  gleich  4  erhält  man  also,  wenn  man  nur  den  oberen 
Theil  der  Curve  berücksichtigt, 


21 


324 


(3.) 


§  81.    Anwendung  auf  einzelne  Ourven. 


j,.  =  36,      y  =  6,     |  =  |, 


folglich  wird 

(5.)    .5«=QiV=y|  =  |, 


9        25      c^^ 


cfo       5. 


"^■^16       Iß'     dx       ^'     dy      3' 


^.=  rQ  =  y|=8, 


Fig.  67. 


(6.)    iyr=Piyr=y|  =  f,      r=rP=y|=io. 

Aufgabe  2.    Ein  Ereis  (Fig.  67)  ist  durch  die  Gleichung 

(7,)  a;2  +  y2  ^  25 

gegeben;    man    soll   für    den 
Punkt  P  mit  der  Abscisse 

a:  =  —  3 

die  Grössen  Sn,  St,  N  mH  T 
berechnen. 

Auflösung.    Aus  Gleichung 
(7.)  folgt 

2ar  cfe  +  2y  dy  =  0, 
oder 


(8.) 


dy  X 

e£r  y 


Für  a;  gleich  —  3  erhält  man  also,  da  die  Ordinate  von  P 
positiv  ist, 

(9.)  y^  =  25-9=16,         y  =  4,     |  =  |, 

folglich  wd 

(11.) 


(12.) 


Ä„  =  y|  =  3, 
i.=  y|=5, 


o^  (fe       16 

*rfy      8 


§81.    Anwendung  auf  einzelne  Ourven.  325 

Die  Normale  muss,  wie  auch  aus  Sn  =  QN  =  3  folgt,  durch 
den  Mittelpunkt  0  des  Kreises  hindurcligehen,  d.  h.  der  Punkt 
N  fällt  mit  0  zusammen. 

Aufgabe  3.    Man  soll  Subnormale,  Subtangente,  Normale 
und  Tangente  für  die  Parabel 
(13.)  y2  ==  2px 

berechnen.    (Vei^L  Fig.  66.) 

Auflösung.    Aus  Gleichung  (13.)  folgt 

2ydy=z  2p  dx, 
oder 


also 


(IT- +(!)'= '+g='-^ 


2 


^^^■^       dx      y^P^y^  dy-dxdy-p^P  ^y- 


Dies  giebt 


(16.) 


(17.) 


'  dy      p         p 
N=PN  =  y^  =  ypnT^ 


In  den  Gleichungen  (16.)  sind  die  folgenden  Sätze  aus- 
gesprochen: 

Satz  1.     Die  Subnormale  ist  bei  der  Parabel  constant. 

Satz  2.  Die  Subtangente  ist  bei  der  Parabel  doppelt  so 
gross  wie  die  zugehörige  Absdsse. 

Diese  beiden  Sätze  fahren  zu  einer  sehr  einfEichein  Construc- 
tion  beliebig  vieler  Punkte  der  Parabel.  Beschreibt  man  näm- 
lich um  den  Brennpunkt  F  (vergl.  Fig.  66)  einen  Kreis  mit  dem 


326  §  81.    Anwendung  auf  einzelne  Curven. 

beliebigen  Halbmesser  TF=  J2V  =  a:  + 1- und  macht  OQ=TO, 

so  schneidet  die  Gerade,  welche  durch  Q  parallel  zur  Y-Axe 
gezogen  wird,  den  Kreis  in  zwei  Punkten  P  und  P*  der  Pa- 
rabel. Dabei  sind  TP  und  TP*  die  Tangenten  und  PN  und 
PiV  die  Normalen  in  den  Punkten  P  und  P*. 


Auch  die  Gleichungen  von  Tangente  und  Normale  lassen 
sich  jetzt  ohne  Weiteres  angeben.  Allgemein  ist  die  Gleichung 
der  Tangente 


also  hier 


y^-y=Tx^^-^^^ 


y'— y  =  ~(^— ^), 


oder 

(18.)  y^^  —  y'^pix'  —  x). 

Berücksichtigt    man    noch,    dass    nach    Gleichung    (13.) 
jp-  gleich  2fx  ist,  so  geht  Gleichung  (18.)  über  in 

(18a.)  W=P{^'^^\ 

Die  Gleichung  der  Normale  ist  allgemein 


also  hier 


dx 


'1: 

oder 

(19.)  y(a:'  —  rr)  +  f{y'  —  y)  =  0. 

Aufgabe  4.    Man  soll  Subnormale,  Subtangente,   Normale 
und  Tangente  für  die  Ellipse 
(20.)  J2a;2  +  aY  —  €fih^  =  0 

berechnen,    (Vergl.  Fig.  68.) 

Auflösung.   Aus  Gleichung  (20.)  folgt  durch  Differentiation 

2V^xdx  +  2a^ydy  =  0, 


§  81.    Anwendung  auf  einzelne  Curven. 


327 


oder 

Löst  man  noch  die 
Gleichung  (20.)  nach 
y  au^  so  erhält  man 


Fig.  es. 


(22.)y=±-y55=^, 

folglich  wird,  wenn 
man  nnr  das  obere 
Vorzeichen  berück- 
sichtigt, 


(23.) 


X 


dx  a  y^jp. — x^ 


(iy-+(iy= 


a4  _  qIx^  +  IH'^ 


2-r2 


e^'X 


a2(a2_a;2)' 


(240    :z:  = 


a\a^  —  x^)      ' 

wobei  die  Excentricität  der  Ellipse,  nämlich  die  Grösse  y«2 — j2 
mit  e  bezeichnet  worden  ist.    Dies  giebt. 

cfe ds  dx ya^ — e^^ 

dx      öVa^ ^ '     dy      dx  dy  hx 

folglich  ist 

(25.)  >S«=QiV=y|^=-*^,  >S<=  TQ  =  y^  =  -f^=f'. 

^  dx  a^  ^  dy  x 

In  der  letzten  Gleichung  ist  der  folgende  Satz  enthalten: 

Bei  allen  Ellipsen  mit  derselben  grossen  Axe  2a  gehören  zu 
gleichen  Ahsdssen  gleiche  Subtangenten. 

Diesen  Satz  kann  man  anwenden,  imi  in  dem  Punkte  P 
einer  Ellipse,  auch  wenn  sie  nicht  gezeichnet  vorliegt,  wenn  nur 
die  grosse  Axe  bekannt  ist,  die  Tangente  zu  construiren. 

AuflSsung.  Man  beschreibe  über  der  grossen  Axe  als  Durch- 
messer einen  Ereis,  welcher  von  der  Ordinate  des  Punktes  P 
in  einem  Punkte  P  getroffen  wird.  Legt,  man  nun  im  Punkte 
P  an  den  Kreis  eine  Tangente,  welche  die  grosse  Axe  im 
Punkte  T  schneiden  möge,  dann  ist  TP  die  gesuchte  Tangente, 


328 


§.  81.    Anwendung  auf  einzelne  Curven. 


weil  der  Kreis  und  die  Ellipse  für  die  Punkte  P'  und  P  die- 
selbe Subtangente  TQ  haben  müssen. 

Femer  ist 


iV=PJ^=v^=*J^5^, 


(26.) 


dx 


a' 


ax 


Die   Gleichung   der    Tangente    wird    mit   Bücksicht   auf 
Gleichung  (21.) 


oder 


ah/y*  —  ahf^  +  h^xa^  —  b^x^  =  0. 

Nun  ist  aber  nach  Gleichung  (20.) 

daher  erhält  man  durch 
Addition  der  beiden  letz- 
ten Gleichungen 

V^xx*  -f  ahfy^  =  am^^ 

oder  l 

N     \A*')  ^:2  +"72  —  ■'■• 


Fig.  60. 


a 


J2 


Die    Gleichung    der 
Normale  wird 


y' 


— y  =  S(^'-^X 


}ßx 


oder 

oder 

(28.) 


V^xy* — V^xy — cfl-yoif  -|-  a^xy  =  0, 
a^yx^  —  ly^xy*  —  e^xy  =  0. 


(29.) 


In  ähnlicher  Weise  findet  man  für  die  Hyperbel  (Fig.  69) 

/p2  —  fjfi 


Sn^QN  =  ^^y 


ü' 


St^TQ^ 


X 


§  81.    Anwendung  auf  dnzelne  Curven. 


329 


(30.) 


Die  Gleichung  der  Tangente  ist  bei  der  Hjrperbel 

y.^H  ^2  ^2    —  ^» 

und  die  Gleichung  der  Normale 

(32.)  «V^'  +  b^xy'  —  e^a-y  =  0. 

Aufgabe  5.    Man  soll  Subnoimale,  Subtangente,  Normale  und 
Tangente  fflr  die  Sinuslinie 
(33.)  y  =  sina: 

berechnen.    (VergL  Fig.  70.) 

Fig.  70. 


.  Auflösung.    Aus  Gleichung  (33.)  folgt 


34.) 


^  =  cosa:. 
dx 


Dies  giebt 

$.  =  — Vl  +  C0S2;r, 
rfy       C0S2:  ^ 


deshalb  wird 

(36.)   Sn^y-^^  sina;  cosa-, 


da 


(87.)     iV  =  y  ^  =  sina-VT+cöPr,     T  =  y-j-  =  tgaryi+COSV 


330 


§  81.    Anwendung  auf  einzelne  Corven. 


Aufgabe  6.    Man  soll  Subnormale,  Snbtangente,  Normale 
und  Tangente  fär  die  ExponentiaUinie 
(38.)  y  =  ö» 

berechnen.    (Vergl.  Fig.  71.) 


Fig.  71. 


Auflösung.    Ans  Gleichung  (38.)  folgt 


(39.) 


f^  — 


ds 


dx 


=  «*.       :j:  =  Vr+ 


dx 


e 


i2x 


dy       <F^^^^    ' 


dies  giebt 

(40.)  Ä»=y$=<^=y2,     ^=y^=l. 


dx 


(41.) 


Aus  den  Gleichungen  (40.)  folgt  der  Satz: 

Die  Suhtangente  ist  hei  der  ExponentiaUinie  comtant, 

Aufgabe  7.    Man  soll  Subnormale,   Subtangente,  Normale 
und  Tangente  für  die  gemeine  Kettenlinie 


(42.) 


all! 
=  9V 


+  « 


) 


berechnen.    (Vergl.  Fig.  72.) 

Auflosung.  Man  kann  zunächst 
die  Gleichung  der  gemeinen  Ketten- 
linie  noch  auf  dne  andere  Form 
bringen.    Es  ist  nämlich 

y2  _  «2  =  ^ (ö*^  +  2  +  <?"  V-  «^ 


? 


0 


0    X 


OA^a. 


=  ^(.^-r^), 


§  81.    Anwendung  auf  einzelne  Curven. 


331 


±yy5^i^=j(.^-..  0. 


also 

(43.)  ^r.        -  -2 

Durch  Addition  der  Gleichungen  (42.)  und  (43.)  erhält  man 

y  ±  Yy^  —  ö^  =  o^ 


X 

a 


oder 

(44.) 


X 


=  a\(l 


Hierbei  gilt  das  obere  oder  das  untere  Speichen,  jenachdem 
z  positiv  oder  n^ativ  ist. 

Der  Kürze  wegen  möge  in  dem  Folgenden  vorausgesetzt 
werden,  dass  x  positiv  ist,  dann  findet  man  aus  Gleichung  (42.) 
durch  Differentiation 


(45.) 


|=i(.^_r^)=i>^;w=tg«. 


(Ö^-+(S)^-+K^--^+«"') 


2^ 
a 


=jV"+2+« 


^=i( 


X 


e^  +  e 


x\2 
a 


-y. 


also 

Dies  giebt 


(47.) 


W 

"  dy        Yyi  _  «2 


y 


(48.)     N=PN=y^  =  ^,      T=TP=y^  =  - 

^     '  '  dx       a  "  dy      Vyi «2 

Aus  Gleichung  (45.)  ergiebt  sich  die  Construction  der  Tan- 
gente in  einem  Curvenpunkte  P,  auch  wenn  die  Curye  nicht 
gezeichnet  vorliegt,  in  folgender  Weise. 


332 


§  81.    Anwendung  auf  einzelne  Curven. 


Man  beschreibe  über  QP  als  Durchmesser  einen  Kreis 
(Fig.  72)  und  trage  von  Q  ans  die  Sehne  QS  gleich  a  ab,  dann 
ist  die  Gerade  PS^  welche  die  X-Axe  im  Punkte  T  schneiden 
möge,  die  Tangente  im  Punkte  P,  denn  es  wird 

tg  QTP  =  igSQP  =  Ig  =  15!E£?  =  tga. 

Aufgabe  9.  Man  soll  die  Gleichungen  der  gemeinen  Cycloide 
aufteilen.    (Vergl.  Fig.  73.) 

Auflösung.  Wenn  ein  Kreis  auf  einer  geraden  Linie  rollt, 
ohne  zu  gleiten,  so  beschreibt  jeder  Punkt  der  Peripherie  dieses 
Kreises  eine  gemeine  Cycloide. 


Um  ihre  Gleichungen  zu  bestimmen,  mache  man  die  Gerade 
OX  (Fig.  73),  auf  welcher  der  Kreis  rollt,  zur  X-Axe  und  lege 
die  r-Axe  durch  denjenigen  Punkt  0,  in  welchen  der  die  Cy- 
cloide erzeugende  Punkt  filllt,  wenn  der  rollende  Kreis  in  diesem 
Punkte  die  X-Axe  berührt. 

Rollt  der  Kreis,  von  dieser  Anfangslage  ausgehend,  fort, 
bis  sein  Mittelpunkt  na^h  M  und  der  erzeugende  Punkt  nach  P 
gelangt,  so  ist  P  ein  Punkt  der  Cycloide  mit  den  Coordinaten 

(49.)  OQ^x    und     QP=y. 

Ist  femer  B  der  Berührungspunkt  des  Kreises  um  Jf ,  so 
nennt  man  den  Centriwinkel  PMB  den  Walzungswinkel ;  er 
wird  gemessen  durch  die  Länge  t  des  Kreisbogens,  der  in  einem 
Kreise  mit  dem  Halbmesser  1  demselben  Centriwinkel  entspricht. 
Wenn  man  also  den  Halbmesser  des  rollenden  Kreises  a  nediit, 
so  ist  der  Bogen 


§  81.    Anwendung  auf  einzelne  Curven.  333 

(50.)  PB  =  at. 

Dieser  Bogen  muss  aber  der  Strecke  OB  gleich  sein,  auf 
welcher  der  Kreis  fortgeroDt  ist,  um  aus  der  Anfangslage  in  die 
neue  Lage  zu  kommen.    Es  ist  also  auch 

(51.)  OB  =  at; 

femer  ist 

QB  =  PD  —  awit, 
und  deshalb 
(52.)  x=^OQ-OB—QB^  a{t  —  sint). 

Da  ausserdem 

BM=:a    und    DM=acost 
ist,  so  wird 

(53.)        y=QP^BD  =  BM—  DM  =  a(l  —  cos/). 

» 

Aus  den  Gleichungen  (52.)  und  (53.)  kann  man  noch  die 
Grösse  t  eliminiren.  Man  erhält  dadurch,  wie  in  §  76  (Gleichung 
(9.))  gezeigt  wurde, 

(54.)  a;  =  aarc  cos  y         M  —  y2at/ — y\ 

Bei  der  Untersuchung  der  Cydoide  ist  es  aber  bequemer, 
von  den  beiden  Gleichungen 

x  =  a{t  —  sin/),    y  =  a(l  —  cos/) 
auszugehen. 

Aufgabe  10.  Man  soll  Subnormale,  Subtangente,  Normale 
und  Tangente  für  die  Cycloide 

(55.)  x  =  a{t  —  sin/),    y  =  a(l  —  cos/) 

berechnen.    (Vergl.  Fig.  73.) 

Auflosung.    Aus  den  Gleichungen  (55.)  folgt  durch  Differen- 
tiation 
(56.)  di=a(l  —  cos/)rf/,     dy==asin/rf/, 

und  daraus  durch  Division 

dx      l-cos<  2sin» 


■<i) 


834  §  81.    Anwendung  auf  einzelne  Curven. 

oder 

(57.)       s='^m)=*?«' 

wo  a  der  Winkel  ist,  welchen  die  Tangente  im  Punkte  P  mit 
der  positiven  Bichtung  der  X-Axe  bildet. 

Aus  Gleichung  (57.)  ergiebt  sich  zunächst,  dass 

(58.)  a  =  90ö  — |- 

ist.    Nun  ist  der  Winkel  PCB  (Fig.  73.)  als  Peripheriewinkel 
halb  so  gross  wie  der  Centriwinkel  PJfB,  folglich  ist 


und 


2^PCB^^ 


^  P  TÄ  =  90  0  —  P  (75  =  90  0  —  4  =  a. 


Verbindet  man  also  den  höchsten  Punkt  C  des  Kreises  um 
M  mit  dem  erzeugenden  Punkte  P,  so  erhält  man  die  Tangente 
der  Cycloide  im  Punkte  P. 

Femer  ist 


^^  =  y'^  =  <'^—^^^)^'^{^ 


=  2asin2(|.)ctg(|)  =  2asin(|)c    (|) 

oder 

(59.)  8n  =iamit=  PD=  QB. 

Die  Normale  geht  also  durch  den  Punkt  £,  in  dem  der 
Kreis  um  Jf  die  X-Axe  berührt. 

Dieses  Resultat  ist  schon  eine  Folge  des  vorhergehenden, 
weil  der  Winkel  CPB  als  Peripheriewinkel  im  Halbkreise  ein 
rechter  ist,  und  die  Normale  auf  der  Tangente  im  Berührungs- 
punkte senkrecht  steht. 

(60.)  'S^  =  y^  =  «(l-cos^)tg(|) 

=  2asin^(|)tg(|) 


§  81.    Anwendung  auf  einzelne  Curven. 


as5 


also 


ds 

dx 


^(1) 


ds       ds    dx 
dy      dx    dy 


COS 


(0 


dies  giebt 


(61.)   iy=-p^=y^=-^;;"'-=2asm(i) 


(62.)       T=2'P  =  y^=«il:=^=2asm(|)tgQ. 


rfy 


COS 


(ö 


Aufgabe  11.  Man  soll  die  Gleichungen  der  gemeinen  Epi- 
cycloiden  und  Hjrpocydoiden  herleiten. 

Auflösung.  Wenn  ein  Kreis  mit  dem  Halbmesser  a  auf  einem 
festen  Kreise  mit  dem  Halbmesser  na  rollt,  ohne  zu  gleiten,  so 
beschreibt  jeder  Punkt  auf  dem  umfange  des  rollenden  Kreises 
eine  gemeine  Epicydoide  oder  Hypocydoide,  jenachdem  die  Be- 
rührung von  Aussen  oder  von  Iimen  stattfindet 

Findet  die  Berührung  zunächst  von  Aussen  statt  (Fig.  74) 
so  mache  man  den  Mittelpunkt 

V\if   74. 

0  des  festen  Kreises  zum  Null- 
punkt  und  lege  die  X-Axe 
durch  deiyenigen  Punkt  A^  in 
welchem  der  die  Curve  erzeu- 
gende Punkt  der  Berührungs- 
punkt der  beiden  Kreise  wird. 
Liegt  dann  beim  Weiterrollen 
des  beweglichen  Kreises  um  M 
der  Berührungspunkt  in  JS,  so 
nennt  man  Winkel 

AOB  =  t 
den  Wälzungsmnkel  des  festen  und  PMB  den  Wälzungstoinkel 


3S6  §  81.    Anwendung  auf  einzelne  Curven. 

des  rollenden  Kreises,  wobei  P  ein  Punkt  der  Curve  ist.  Dann 
wird  ^       _ 

AB  =  PB, 

oder,  weil  AB  zum  Centriwinkel  t  und  zum  Halbmesser  na 
gehört, 

PB=^ÄB=:ina.t=^a.nt. 
Daraus  folgt,  dass  Winkel 

PMB  =  rd    und    PCB  =  ^ 

ist.  Verbindet  man  noch  0  mit  P  und  bezeichnet  die  Strecke 
OP  mit  r,  den  Winkel  AOP  mit  y,  so  folgt  aus  dem  Dreieck 
OPM  durch  Anwendung  des  Sinussatzes, 

(63.)  OP :  MP  =  sin  OMP :  sin  MOP, 

(64.)  OP :  0 Jfef  =  sin  03f P :  sin  OPM, 

oder 

(63a.)  r :  a  =  sin [nf) :  sin(<  —  y), 

(64a.)  r :  (»  +  1)  a  ==  sin(w<) :  sin(n^  +  ^  —  tf). 

Dies  giebt,  wenn  man  w  +  1  mit  m  bezeichnet, 

(65.)       rsin(<  —  9))  =  asm(»^), 

(66.)       r  sin  (fn<  —  ^)  =  ma  sin  («^), 

oder 

(65a.)    rsin^cosy  —  rcos^siny  =  asin(n<), 

(66  a.)    rsin(m^)  cosy  —  rcos(m^)  siny  =  masm(ni). 

Die  rechtwinkeligen  Coordinaten  des  Punktes  P  sind 
OQ  =  a;  =  rcosy  und  QP  =  y  =  rsiny, 
folglich  gehen  die  Gleichungen  (65  a.)  und  (66  a.)  über  in 

(67.)  a:sin^        —  ycos^       =  asin(»^), 

(68.)  X  sin  (mt)  —  y  cos  (mQ  =  ma  sin  (nt), 

also 
x[m{mt)  cos^  —  cos(iw^)  sin^]  =  ami{nt)  [mcos^ —  cos(m^)], 

y  [sin  (mt)  cost  —  cos(m^)  sin^]  =  asin(w^)  [wsin^  —  sin(w<)], 

oder,  weil 

sin  {mi)  cos  t  —  cos  (tni)  sin  ^  =  sin  {mt  —  ^)  =  sin(«^) 
ist, 


§  81.    Anwendung  auf  einzelne  Curven. 


337 


(69.)  x:=  a[tncost  —  cos  {frU)]j 

(70.)  y  =  a[msin^  —  sm(m^)]. 

Dies  sind  die  Gleichungen  der  Epicycloiden. 

In  ähnlicher  Weise  findet  man  die  Gleichungen  der  Hypo- 
cycloiden.  Wendet  man  nämlich  in  Figur  75  die  entsprechenden 
Bezeichnungen  an  wie  in  Figur  74,  so  findet  man  wieder  aus  dem 
Dreieck  OFM  durch  Anwendung  des  Sinussatzes 

(71.)  OP:  MP=^smOMP:  sin  MOP, 

(72.)  OP :  O-S/  =  sin  OMP :  sin  OPM. 

In  dem  vorliegenden  Falle  Fig.  ts. 

ist  wieder 

AB=^PB, 

oder 

PB  zrz  na  .t^=^  a  .nt, 

wenn  man  den  Wälzungswinkel 
AOB  des  festen  Kreises  mit 
t  bezeichnet.  Der  Wälzungs- 
winkel PMB  des  rollenden 
Kreises  ist  daher  nt.  Indem 
man  wieder  OP  mit  r  und 
Winkel  -4  OP  mit  y  bezeichnet, 
gehen  daher  die  Gleichungen  (71.)  und  (72.)  über  in 

(71  a.)  r :  a  =  sin(n^) :  sin(^  —  y), 

(72a.)  r:{n  —  l)a  =  sin(n<) :  sin(»^  — 1+  ^). 

Dies  giebt,  wenn  man  in  diesem  Falle  n  —  1  mit  m  be- 
zeichnet, 
(73.)         rsin(<  —  y)  =  asm(nt\ 


(74.) 
oder 
(73  a.) 

(74  a.) 


rsm(m^  +  y)  =  mami(nt), 


rsin^  cosy  —  r  cos^  siny  =  asin(«<), 

rBm(nU)  cosy  -f-  rcos(m^)  siny  =  wasin(»<), 

also,  wenn  man  wieder  die  rechtwinkeligen  Cioordinaten  des 
Punktes  P  durch  die  Gleichungen 

Stegemazm-Kiepert)  Düferential-Beolmimg. 


22 


dsa* 


§  81.    Anwendung  auf  einzelne  Curven. 


arsin(mO  +  ycos(m^)  =  wasin(n^), 


X  =  rcoB%    y  =  rsiny 
einfuhrt, 

(75.) 
(76.) 

also 

x\wi{int)  cos^  +  cos  {mt)  sin^]  =  asm(«^)[mcos^  +  cos(m^)], 

y[sm(wi^)cos^+cos(m^)sm^]  =  asin(n^)[wism^  —  sin(m^)], 

oder  weil 

sin(m<)cos^+  cos(m<)sin^  =  sin(m  +  1)^  =  sm(»<) 
ist, 

(77.)  a;  =  a  [mcos  ^  +  cos(m<)], 

(78.)  y  =  a  [msin  ^  —  sin  {m()\. 

Ein  besonderer  Fall  der  Epicycloiden  ist  die  Cardioide 
(vergl.  Fig.  76),  deren  Oleichungen  man  aus  den  Gleichungen 
(69.)  und  (70.)  erhält,  indem  man  n  =  l,  also  m  =  2  setzt. 
Dies  giebt 

(79.)  X  =  a[2cos^  —  COS  (2/)], 

(80.)  y  =  a  [2  sin<  —  sin  (2 1)]. 

Der  feste  und  der  rollende  Ereis  haben  in  diesem  Falle 
denselben  Halbmesser  a. 


Fig.  76. 


Fig.  77. 


Ein  besonderer  Fall  der  Hypocychiden  ist  die  Astroide  (vei^l. 
Fig.  77),  deren  Gleichungen  man  aus  den  Gleichungen  (77.)  und 
(78.)  erhält,  indem  man  n  =  4,  also  m  =  3  setzt.    Dies  giebt 


§  81.    Anwendung  aut'  einzelne  Corven.  339 

(81.)  a:  =  a[3C0S^  +  C0S(3^)], 

(82.)  y  =  a[3sin^  —  sin(30]• 

Da  bekanntlich 

cos  (3^  =  4  cos3/  —  3  cos  ty 

sin(30  =  3sin^  — 4sm3^ 
ist,  so  gehen  die  Gleichungen  (81.)  und  (82.)  über  in 
(81a.)  ar  =  4  a  cos^^,  (82  a.)    y  =  4  a  sin'^. 

Aufgabe  1^.  Man  soll  Subnormale,  Subtangente,  Normale 
und  Tangente  für  die  Epicydoide 

(83.)    X  =  a[mcos^  —  cos{mt)],    y  =  a[msin<  —  sin(fn^] 
berechnen.    (Vergl.  Fig.  74.) 

AuflSsung.  Aus  den  Gleichungen  (83.)  erhält  man  durch 
Differentiation,  wenn  man  m+  l  =  n  +  2  mit  l  bezeichnet, 

(84.)  dx  =  fna[ —  sin^  +  sin(w^)] dt  =  2masinf  ^jcosf - j dt, 

(85.)  dy  =  ma[ci9S^ — C0S(w^)]c?^  =  2masinf ^jsin(-jeß, 
und  daraus  durch  Division 

(86.)  |=.s.  =  tg(D=m+,) 

oder,  wenn  man  mit  h  eine  ganze  Zahl  bezeichnet, 

nt 
(86a.)  a=-y  +  t±h7t. 

Daraus  folgt,  dass  die  Gerade  PC,  welche  die  X-Axe  im 
Punkte  T  schneiden  möge,  Tangente  der  Ourve  im  Punkte  P 
ist,  denn  Winkel  NTC  ist  als  Aussenwinkel  des  Dreiecks  TCO 
gleich  Winkel 

nf 

TCO+  COT=^  +  t, 

also  gleich  a.  Da  der  Winkel  CPB  als  Winkel  im  Halbkreise 
ein  rechter  ist,  so  muss  PB  die  Normale  im  Punkte  P  sein. 
Dies  giebt  den  Satz: 

Die  Tangente  im  Curvenpunite  P  schneidet  den  rollenden 
Kreis  zum  zweiten  Male  in  einem  Punkte  (7,  welcher  mit  dem 

22* 


340  §  81.    Anwendung  auf  einzelne  Curven. 

BerührunffSpunkte  B  auf  einem  Durchmesser  liegt;  oder  die 
Normale  des  Punktes  P  geht  durch  den  Punkt  Bj  in  welchem 
der  rollende  Kreis  den  festen  Kreis  berührt. 

(87.)    ».  =  ,|=,t,(D.   «  =  i,|  =  j,cm); 

also 

.  ds 1  ds ds^    dx 1 

^^   '      di ""       7ä\'  '^~  dx"dy~  ~~ß\ 

folglich  wird 

=  «^  =  _JL_,      T  =  y^=      y      . 

(2)  ^^k) 


(89.)       iV=y^  =  -^,      T^y^ 

cos'     *  ^ 


Aufgabe  13.    Man  soll  Subnormale,  Subtangente,  Normale 
und  Tangente  für  die  Hypocycloiden 

(90.)    X  =  a[fncos /  +  cos(w^)],    y  =  a  [wsin ^  —  sin(w^)] 

berechnen.    (Vergl.  Fig.  75.) 

Auflösung.    Aus  den  Gleichungen  (90.)  erhält  man   durch 
Differentiation,  wenn  man  hier  m  — 1  =  «  —  2  mit  /  bezeichnet, 

(91.)  di=ma[— sin ^ — Wi{mt)\dt  ==  — 2wasinf  ^jcos^- jrf^, 

(92.)  dy  =  ma  [cos t  —  COS (mt)]  dt=^2ma  sin  (  ~  jsinf — j* , 
und  daraus  durch  Division 

(,3.)  |=.,.  =  _m)=_m_,) 

oder,  abgesehen  von  einem  Vielfachen  von  tt, 

(93a.)         a  =  TT  — —  +  t,    oder    -^  —  ^  =  tt  —  a. 

Daraus  folgt,  dass  die  Gerade  PC,  welche  die  X-Axe  im 
Punkte  T  schneiden  möge,    Tangente  der  Curve  im  Punkte  P 


§  81.    Anwendung  auf  einzelne  Curven.  341 

ist,  denn  der  Dreiecks^^inkel  CTO  ist  gleich  dem  Anssenwinkel 
TOB  ( oder  —  j>  weniger  dem  anderen  Dreieckswinkel  CO  T 
(oder  t\  also 

fit 

CTO^^  —  t^zn^a. 

Da  dei-  Winkel  CPB  als  Winkel  im  Halbkreis  ein  rechter 
ist,  so  muss  PB  die  Normale  im  Punkte  P  sein. 

Man  erhält  daher  hier  denselben  Satz  wie  bei  der  Epi- 
cycloide. 

(94.)   Sn  =  y% yü(^  St  =  yf^  =  -y^^; 

also 

^^^•^  di^  7lf{     ^=  + 


/lt\       dy        '    .    /lt\ 

"^k)  ^(2) 


wobei  das  Vorzeichen  dadurch  bestimmt  ist,  dass  s  für  kleine 
Werthe  von  t  zunimmt,  während  x  abnimmt,  dass  also  dx  und 
ds  entgegengesetztes  Zeichen  haben.    Dies  giebt 

(96.)        iV=y^  = y—,    T  =  y^=-y-- 

^(2)  ^(2) 

Für  die  Jstroide  wird 

»  =  4,    w  =  3,    /  =  2, 


also 


(97.) 


Idy 
-^=:—tgt,     Sn=:—ytgt,    St  =  —yctgt, 


dx 


cos^  sin^ 


Aufgabe  14.    Man  soll  die  Gleichungen  der  Kreisevolvente 
herleiten.    (Vergl.  Fig.  78.) 


342 


§  81.    Anwendung  auf  einzelne  Curven. 


Auflösung.  Die  Kreisevolvente  enteteht  durch  Abmckelnng 
eines  Fadens  von  einem  Ej*eise,  wobei  der  Endpunkt  des  ge- 
spannten Fadens  die  Curve  durchläuft.    Es  sei  JS  der  Punkt, 

Fig.  78.  in    welchem   der   Faden 

den  Ej'eis  verlässt,  dann 
ist  der  gespannte  Faden 
BP  die  Tangente  des 
Ej'eises  im  Punkte  B^  und 
es  wird  die  Gerade 

BP—BA  =  at, 

wenn  A  der  Endpunkt  des 
au%ewickelten  Fadens, 
a  der  Halbmesser  des 
Kreises  und  t  der  Winkel 

AOB  ist.    Diesen  Winkel  nennt  man  auch  hier  den  Wälzung s- 

loinkeL 

Macht  man  den  Mttelpunkt  0  des  Kreises  zum  An£angs- 
punkt  der  Coordinaten,  legt  die  X-Axe  durch  den  Punkt  Ä  und 
zieht  durch  B  die  Gerade  BC  parallel  zur  F-Axe  und  durch 
P  die  Gerade  PD  parallel  zur  X-Axe,  so  wird 

OQ  =  x=ÖC+  CQ=  OC+DP, 
QPz=y=CB  —  DB, 

oder,  weil  auch  Winkel  DBP  gleich  t  ist, 

(98.)  X  =  a(cos<  +  ^sin^),    y  =  a(sin^  —  ^cos^). 

Aufgabe  15.  Man  soll  die  Subnormale,  Subtangente,  Normale 
und  Tangente  der  Kreisevolvente  berechnen.    (VergL  Fig.  78.) 

AuflSsung.  Aus  den  Gleichungen  der  Kreisevolvente,  näm- 
lich aus  den  Gleichungen  (98.)  folgt 

(99.)  dx  =  atiM&tdt^     dy  =  at^mtdtj 

und  daraus  durch  Division 


(100.) 


^=:tfira  = 


dx 


tga  =  tg^. 


Dies  giebt  den  Satz:  Die   Tangente  TP  im  Curvenpunkte 
P  ist  dem  entsprechenden  Kreishalbmesser  OB  parallel^  und  der 


§  82.    Asymptoten  einer  Curve.  343 

den  Kreis  im  Punkte  B  berührende  Faden  BP  ist  Normale  der 
Kreisevolvente,    Ferner  wird 

(101.)       (|Y = 1  +  tg^  =  _!-,,  1=0., 


(102.) 


ds  ^ds    dx  ^    1      COS<  _     1 
dy^dx    rfy  ~  cos^*  sm^""  sin^' 
(103.)  Sn=QNz=  ytgt,     St—TQ  —  yctgt, 

(104.)  N^PN  =  '^^      T=TP  =  ^,^ 


§82. 

Asymptoten  einer  Curve. 

(VergL  die  Formel-Tabelle  Nr.  102.) 

Erklärung.  Eine  Tangente,  deren  Bertihrangspunkt  unend- 
lich fem  liegt,  heisst  eine  Asymptote  der  Curve. 

In  diesem  Falle  ist  die  Formel  Nr.  95  der  Tabelle,  welche 
die  Gleichung  der  Tangente  angiebt,  nämlich 

nicht  mehr  anwendbar,  weil  die  Differentiation  dann  nicht  mehr 
ausgeführt  werden  kann,  denn  x  und  y  (oder  wenigstens  die 
eine  von  diesen  beiden  Grössen)  werden  unendlich  gross.  Da- 
gegen führen  die  folgenden  algebraischen  Untersuchungen  zum 
Ziele. 

Es  sei 

(1.)      f(x)  =  oa;*  -f-  «lÄ^-i  4-  a2a;*-2  -f- . . .  +  a^^^  x  +  a„, 

dann  wird  in  der  Algebra  gezeigt,  dass  es  einen  (reellen  oder 
complexen*))  Werth  von  x  geben  muss  —  er  heisse  x^  — ,  für 
welchen  f{x)  =  0  wird,  wobei  man  x^  eine  Wurzel  der  Gleichung 
/(a;)  =  0  nennt.    Es  gilt  also 

Satz  1.     Jede  algebraische  Gleichung  besitzt  eine  Wurzel. 


*)  Unter  einer  complexen  Grösse  versteht  man  eine  Zahl  von  der 
Form  a  +  by^^. 


344  §  82.    Asymptoten  einer  Curve. 

Ist  a?i  eine  Wurzel  der  Gleichung  f{x)  =  0,  so  wird 

Subtaraürt  man  die  Gleichungen  (1.)  und  (2.)  von  einander, 
so  erhalt  man 

oder  -nach  Formel  Nr.  12  der  Tabelle 
(3 a.)  f(x)  ^[x  —  x^) [a(a^i  +  x^x"'-'^  +  x^'^x"'-^  +  ...  +  x^""-^) 

+  öj  {a^^  +  :ria:'*-3  +  Xi^x""^  +  . . .  +  a:i*»-2) 

+ 

Bezeichnet  man  die  ganze  rationale  Function  {n  —  1)*«** 
Grades  in  der  eckigen  Klammer  mifi{x\  so  wird  daher 

wobei 

Damit  ist  der  folgende  Satz  bewiesen: 

Satz  2.     /.s<  x^  eine  Wurzel  der  Gleichung  f{x)  =  0,  so  ist 
f{x)  durch  den  Factor  x  —  x^  ohne  Rest  theilbar. 

Nach  Satz  1  hat  jetzt  auch  die  Gleichung  (n — 1)**^ 
Grades /i (a;)  =  0  eine  Wurzel,  die  X2  heissen  möge;  dann  ist 
nach  Satz  2 

(5.)  /i  {x)  =z(x  —  X2)f2  (X)  , 

wobei 

eine  ganze  rationale  Function  {n  —  2)****  Grades  ist.     Ebenso 
findet  man  die  Gleichungen 

(6.)  /j {x)  =  (x—x^)f^ (x)  =  {x—x^)iax'"-^+d^af"^  +  . . .  +  c?n-3), 

(7.)  fz  («)  =  (^  — ^4)/4  (^)  =  (^— a?4)  (ö^**^  +  e^x""-^  +  • . .  +  ^n-4), 
(8.)  /»-2(«)  =  {X  —  Xn^\)fn-\  (x)  =  {x  —  Xfir-i)  {OX  +  A), 

k 

(9.)  fn-\{x)  =  a{x  —  :rn),  wobei  a;«  =  —  - 


§  82.    Asymptoten  einer  Curve.  345 

ist.  Multiplicirt  man  die  Gleichungen  (4.)  bis  (9.)  mit  einander 
und  hebt  die  Factoren 

auf  beiden  Seiten  fort,  so  erhält  man 

(10.)  f{x)  ss:a(x X^)(X X2)(x X^)  .  .  .  (x Xn). 

Daraus  folgen  die  Sätze: 

Satz  3.  Jede  ganze  rationale  Function  n**^  Orades  läset 
eich  in  n  lineare  Factoren  (d.  h.  Factoren  ersten  Grades)  zer- 
legen. 

Satz  4.    Jede  Gleichung  w****  Grades  hat  genau  n  Wurzeln. 

Aus  Gleichung  (10.)  ersieht  man  nämlich,  dass  f{x)  =  0 
wird  für  die  n  Werthe 

X  ^~"  Xa  •       X  — ^  Xty  .       X  —  M/ß.    •  •  •    X  ^^  Xfi» 

und  dass  f{x)  für  keinen  anderen  Werth  von  x  verschwinden 
kann.  Denn  wäre  f{x)  =  0  für  ar  =  iCn+i,  wobei  Xn^\  von  x^^  x^, 
x^j...xn  verschieden  sein  soll,  so  würde  aus  Gleichung  (10.)  folgen 

(11.)   a(Xn^i X^)  (Xn^l  —  X2)  (Xn-^-i  —  ^^3)  •  •  •  (^n+l  —  ^n)  =  0. 

Dies  ist  aber  ein  Widerspruch,  denn  nach  Voraussetzung 
sind  sämmtliche  Factoren  dieses  Productes  von  0  verschieden. 

Lässt  man  die  Voraussetzung  a  ^  0  fort,  so  folgt  aus  der 
Gleichung  (11.),  dass  a  =  0  sein  muss,  und  dass  sich/(a:)  auf 
eine  rationale  ganze  Function  {n  —  1)^*"  Grades 

a^x^-^  +  a^x^"^  +  . . .  +  öfn-i  X  +  an 

reducirt,  welche  fär  mehr  als  n  —  1  Werthe  von  x  verschwindet 
Daraus  würde  man  wieder  schliessen,  dass  auch  «1  =  0  seii^ 
muss.    Indem  man  diesen  Schluss  wiederholt,  findet  man 

Satz  5.  Verschvnndet  die  ganze  rationale  tknction  n*^ 
Chrades 

f(x)  =  ax*"  +  a^x""'^  +  . . .  +  «n-ia:  +  »n 
für  mehr  als  n  verschiedene  .Werthe  von  x,  so  müssen  sämmt- 
liche Coefßdenten  a,  a^,  ^9  •  •  •  (^n-u  ^n  gleich  0  sein. 

Es  ist  nicht  ausgeschlossen,  dass  unter  den  t) Wurzeln  x^^ 
X2,... Xn  einer  Gleichung  n^^  Grades  auch  etliche  einander 
gleich  sind.    Ist  z.  B.  x^  =  x^,  so  wird  nach  dem  Vorstehenden 


846  §  82.    Asymptoten  einer  Curve. 

(12.)     f{x)  =  [x  —  x,)^Mx), 

(13.)   fix)  =  2 (^ - x,)f^ {x)  +  (x  —  x,Yf'i{x) 

=  {x  —  Xi)  [2/2  {x)  +  {x  —  a:i)/'2(a;)]  =  {x—Xi)^{z), 

d.  h.  x^  ist  dann  aach  eine  Wurzel  der  Gleichung 

fix)  =  0. 

Dieses  Besultat  kann  man  noch  yerallgemeinem.  Ist  x, 
eine  a-&che  Wurzel  von/(a;)  =  0,  ist  also 

X\   —  •C2  ""~  »^3  "~  •  •  •  ——  «2/0;) 

SO  wird  nach  dem  Vorstehenden 

(14.)     f{x)  =  {x-x,Yfa{x\ 

(15.)   /'  {x)  =  a{x  —  x,)^^fa  {x)  +  {x  —  x^)  «/'„  {x) 

^{X-  X.y-^  [afa{x)  +  {X-  X,)ra{x)\ 

^{x  —  x^Y-^g>{x). 

Dies  giebt 

Satz  6.  Ist  x^  eine  a-ftushe  Wurzel  der  Okichung  f{x)^=^0^ 
so  ist  Xi  eine  (a  —  1) 'fache  Wurzel  der  Gleichung  f*{x)  =  0, 
eine  (a  —  2) -fache  Wurzel  der  Gleichung  /"(a;)  =  0,  . . .  und 
eine  einfache  Wurzel  der  Gleichung  f^^-^^{x)-=^^. 

Ein  besonderer  Fall  hiervon  ist  der,  dass 
wird,  dann  reducirt  sich  die  Gleichung  w^**  Grades  auf 

(16.)  f{x)  —  ax^  +  a^sf"^  +  . . .  +  On-«^«  =  0 

und  hat  die  «-fache  Wurzel  ä  =  0. 

Setzt  man  «  =  7,  so  geht  die  Gleichung /(^r)  =  0  über  in 

oder,  wenn  man  die  ganze  Gleichung  mit  ^  multipUcirt,  in 
(17.)  anf  +  «n-i^-^  +  ...  +  a^t+a^O. 

Jeder  Wurzel  ^«  dieser  Gleichung  entspricht  eine  Wurzel 

xa  =  —  der  Gleichung  f(x)  =  0.    Wenn  nun 

a  =  0,     «1  =  0,     «2  =  0,...  a«-!  =  0 


§  82.    Asjmaptoten  einer  Curve.  347 

ist,  so  reducirt  sich  Gleichung  (17.)  auf 

(17  a.)  «H.^  +  «n-i  ^'»-^  +  . . .  +  ««<**  =  0 

und  hat  die  «-fache  Wurzel  ^  =  0,  folglich  werden  in  diesem 

Falle  «Wurzeln  der  Gleichung /(ar)  =  0  unendlich  gross. 

Die   Bestimmung  der .  Asymptoten    einer  Curve   mit    der 
Gleichung 
(18.)  F{x,  y)  =  0 

möge  nun  auf  den  Fall  beschränkt  werden,  wo  F(xj  y)  eine 
ganze  rationale  Function  n***^  Grades  ist.  Dann  beachte  man 
zunächst,  dass  die  Asymptote  eine  gerade  Linie  ist,  deren 
Gleichung  die  Form 

(19.)  Aa^  +  By'  +  C=0 

haben  muss.    Ist  f  <  0,  so  erhält  man  hieraus 

(19  a.)  y'  =  mx'  +  (a^ 

und  ist  .4<0,  so  erhält  man 

(19b.)  x'  =  ly'  +  X, 

wobei 

(20.)  ^  =  -5'       ^--A  =  m 

ist.  Wird  -B  =  0,  so  ist  die  Gerade  parallel  zur  F-Axe  und 
hat  die  Gleichung 

x'  =  X, 
während  die  Gleichung  (19  a.)  nicht  benutzt  werden  kann.    Wird 
^  ==  0,  so  ist  die  Gerade  parallel  zur  X-Axe  und  hat  die 
Gleichung 

y'  =  /*, 
während  die  Gleichung  (19  b.)  nicht  benutzt  werden  kann. 

Damit  die  Gerade  (19  a.)  oder  (19  b.)  durch  den  Curven- 
punkt  P  mit  den  Coordinaten  x  und  y  hindurchgeht,  muss 

y  =  mx  +  [i  und  x  =  ly  +  X, 
oder 

(21.)  m  =  y-^  und  /  =  i-^ 

XX  y     y 


348  §  82.    Asymptoten  einer  Ourve. 

sein,  wobei  zunächst  angenommen  ist,   dass  der  Punkt  P  im 
Endlichen  liegt.    Eückt  aber  P  in's  Unendliche,  so  wird 

(2la.)  »»  =  lim(|-^)=M(|)        . 

(21b.)  /=lim('---)=lim('-\ 

Um  nun  die  Grössen  lim(- j  bezw.  lim(- j   zu    berechnen, 

beachte  man,  das  x  und  y  die  Coordinaten  eines  CiK^ri^^/^punktes 
sind,  dass  man  diese  Grössen  also  aus  der  GMchung  der  Curve, 

nämlich  aus 

F{x,y)  =  0 

berechnen  muss.    Zu  diesem  Zwecke  ordne  man  F{x^  y)  so,  dass 
(22.)         F{x,y)  =  Z7„  +  CTn-i  +  . . .  +  Z7i  +  CTo  =  0 
wird,  wobei 

alle  Glieder  der  «^^  Dimension, 

alle  Glieder  der  {n  —  1)****  Dimension, 

ÜJ  =  Äy  +  i^x 

die  Glieder  der  ersten  Dimension  enthält,  und  Uq  eine  Constante  ist. 
Dividirt  man  jetzt  die  Gleichung  (22.)  durch  af^,  so  wird 

w  5= <!)"+ ».(ir+<ir+-+-<i)+  «• 

nur  noch  von  ~  abhängig  sein.    Dagegen  wird 

(-)  %-'= J[<r + Kr + Kr +-+h- 

Lässt  man  jetzt  x  unendlich  gross  werden,  so  ist 

lim(|)=«», 
und  wenn  m  -eine  endliche  Grösse  ist, 

lim%l  =  0. 


i 


§  82.    Asymptoten  einer  Curve.  349 

Ebenso  werden   die    Grössen  lim— ^,... lim— ^,  lim—? 

gleich  Oy  so  dass  sich  die  Gleichung  (22.)  bei  der  Ausführung 
der  angegebnen  Operationen  auf 

(25.)  lim -^  =  aw»  +  aiin*"^  +  «2*'»**""^  +  •  •  •  +an-im  +  an  =  0 
x^ 

reducirt. 

Die  n  Wurzehi  dieser  Gleichung  entsprechen  n  Eichtungen, 
in  denen  unendlich  ferne  Punkte  der  Curve  liegen. 

Eine  Curve  nf^  Grades  hat  daher  n  unendlich  ferne  Punkte 
und  deshalb  auch  n  Asymptoten,  von  denen  aber  einige  imaginär 
sein  könneny  dem  Umstände  entsprechend,  dass  die  Gleichung  (25.) 
imaginäre  Wurzeln  haben  kann. 

Wenn  in  Gleichung  (25.)  der  Coefficient  von  »»•»,  nämlich 
flf,  gleich  0  wird,  so  reducirt  sich  der  Grad  der  Gleichung  (25.) 
und  somit  auch  die  Anzahl  ihrer  Wurzehi,  nicht  aber  die  An- 
zahl der  Asymptoten.  Es  wurde  ja  schon  vorher  darauf  hinge- 
wiesen^  dass  die  Gleichungsform 

y*  =  mx*  +  /i* 
für  die  Asymptote  nicht  immer  verwendbar  sei.     Dieser  Fall 
tritt  ein,  wenn  a  gleich  0  ist. 

Dividirt  man  nämlich  die  Gleichung  (22.)  durch  y*,  lässt 

dann  y  unendlich  gross  werden  und  beachtet,  dass  üm(-j  =  / 

ist,  so  erhält  man  • 

Wird  jetzt  a  gleich  0,  so  hat  diese  Gleichung  die  Wurzel 

m         ' 
und  die  entsprechende  Asymptote  steht  auf  der  X-Axe  senk- 
recht.   Ist  auch  a^  gleich  0,  so  lässt  sich  in  Gleichung  (26.) 
auf  der  linken  Seite  der  Factor  /^  abtrennen,  d.  h.  die  Gleichung 
hat  die  Wurzel 

/=0 


350  §  82.    Asymptoten  einer  Ourve. 

zwei  Mal,  so  dass  zwei  Asymptoten  auf  der  X-Axe  senkrecht 
stehen.    XJ.  s.  w. 

Nachdem  man  ans  der  Gleichung  (25.)  einen  Werth  von 
m  (oder  ans  der  Gleichnng  (26.)  einen  Werth  von  l)  bestimmt 
hat,  kennt  man  erst  die  Richtung  der  Asymptote 

y*  =  fnx'  +  gi; 

nm  ihre  Lage  vollständig  zu  erhalten,  mnss  man  noch  den  zu- 
gehörigen Werth  von  [ju  (bezw.  X)  an&nchen. 

Zu  diesem  Zwecke  bestimme  man  die  Punkte,  in  denen  die 
Curve  von  der  Geraden  geschnitten  wird.  Für  die  Coordinaten 
eines  solchen  Punktes  gelten  die  Gleichungen 

F(xj  y)  =  0    und    y^r^mz  +  fA 

gemeinschaftlich,  also  auch  die  Gleichung 

(27.)  F(x,  mx  +  fjL)  =  0. 

Diese  Gleichung  enthält  nur  noch  die  eine  unbekannte  x 
und  lässt  sich,  da  sie  höchstens  vom  n*^  Grade  ist,  auf  die  Form 

(27 a.)    F(x,mx  +  /i*)  =  Fa:«  +  V^a^-^  +  V,^-^  +  . . . 

bringen.    Wie  die  Coeflftcienten  F,  Fj ,  F^ , . . .  gebildet  sind, 
ergiebt  sich  aus  der  Betrachtung  der  Ausdrucke 

17n(a;,  mx  +  ^),  TJ^xix^  mx  +  ^),     Un^i{x,  ma:  +  /i*), . . . , 

in  welche  die  Grössen  ?7„,  CT^-i,  U,^i , . . .  übergehen,  wenn  man 
y  gleich  mx  +  ii  einsetzt.    Es  ist  nämlich 

Un{x^  mx  +  (a)  = 
a(mx  +  fj^y  +  a^x{mx  +  ^)*»-"i  + . . .  +  an^^x^"^  (mx  +  /t*)+ö^n^ 
=  (am^  +  a^m*^-^  +  . . .  +  On^im  +  a«)a?" 
+  fjt  [nam**-^  +  {n  —  1)  a^m*^"'^  +  . . .  +  2an-2»»  +  «n-ila^""^ 

+ 

J7n-i  (a?,  mx  +  [i)=i 
h{mx  +  iaY"^  +  hYx{mx  +  iif"^  +  . . .  +  hn-isf^^^{mx  +  fi) 

=  (Jm'»-^  +  iim*-2  +  . . .  +  J„_2»»  +  in-l)iC**~^  + 

Daraus  folgt 
(28.)      F=  am**  +  a^m^^^  +  •  •  •  +  an-\fn  +  «•*, 


§  82,    Asymptoten  einer  Curve.  351 

(29.)     Fi  =  filnam"^^  +  (n  —  l) a^m*"^  +  . . .  +  a»-i] 
+  {bm^-^  +  h^m^-'^  +  . . .  +  in-am  +  Jn-i), 

Da  nuib  der  Werth  von  m  bereits  so  bestimmt  ist,  dass 
Gleichung  (25.)  befriedigt  wird,  so  ist  schon  deshalb 

r=o, 

d.  h.  die  Gleichung  (27  a.),  nämlich  die  Gleichung 

hat  bereits  eine  Wurzel 

oder  mit  anderen  Worten,  die  Gerade 

y*  =  mx*  +  f* 

geht  bereits  durch  einen  unendlich  fernen  Punkt  der  Curve, 
welchen  Werth  auch  ii  haben  mag. 

Damit  sie  aber  die  Curve  in  diesem  Punkte  berührt,  muss 
man  ^i  so  bestimmen,  dass  auch  noch  eine  zweite  Wurzel  der 
Gleichung  (27  a.)  unendlich  gross  wird.   Dies  geschieht,  wenn  man 

(30.)  Fl  =  0 

macht,  indem  man 

^     *^       ^     ^      nam''-^  +  (»  —  \)a^m^'-'^  +  . . .  +  «n-i 
setzt. 

Die  Eegel,  welche  sich  aus  dieser  Untersuchung  für  die 
Behandlung  von  Beispielen  ergiebt,  ist  daher  folgende: 

Man  dividirt  Vn  durch  x""  und  erhält  dadurch,  dass  man 
UmT— )  gleich  m  setzt,  die  Gleichung  (25.),  nämlich 

lim-~  =  am^  +  a^;»**-*  +  a^m^-'^  +  . . .  +  «n-i»»  +  «n  =  0. 

X 

Ist  m  eine  Wurzel  dieser  Gleichung,  so  setzt  many=ma:+/i* 
in  die  Gleichung 

F{x,y)  =  0 

ein ,  von  der  man  aber  nur  die  Glieder  17»  +  D^i  braucht, 
dividirt  durch  x'^"^  und  lässt  dann  x  unendlich  gross  werden. 


352  §  82.    Asymptoten  einer  Ourve. 

Dies  giebt  eine  Gleichung  ersten  Grades  für  die  Bestimmung 
von  lA. 

Man  hätte  auch  x  mit  y  und  in  Folge  dessen  m  mit  l  und 
fi  mit  X  vertauschen  können,  um  die  Gleichung  der  Asymptoten 
in  der  Form 

zu  erhalten.  Diese  Vertauschung  ist  sogar  nothwendig,  wenn 
eine  oder  mehrere  Asymptoten  der  F-Axe  parallel  sind,  d.  h.  wenn 

flf  ==  0,    «1=0,.... 

Eine  Modiflcation  der  gegebenen  Regel  tritt  nur  ein,  wenn 
die  Gleichung  (25.)9  nämlich 
f{m)  =  am»  +  öim"-^  +  a^m''-^  -f  . . .  +  «n-i  i»  +  ««  =  0, 

gleiche  Wurzeln  hat,  d.  h.  wenn  unter  den  Asymptoten  etliche 
zu  einander  parallel  sind;  dann  wird  nach  den  vorstehenden 
Sätzen  aus  der  Algebra  auch 

f'(m)  =  «a7»«-^+(«— l)aim«-2+(»— 2)a2W»-3  +  ..-  +  an-i=0. 

Der  Werth  von  f*  ist  deshalb  entweder  nach  Gleichung 
(31.)  unendlich,  d.  h.  die  zugehörigen  Asymptoten  rücken  in's 
IFnendliche,  oder  es  wird  auch 

In  diesem  Falle  wird  Fj  gleich  0  für  jeden  beliebigen  Werth 
von  fjb,  so  dass  man  den  Werth  (oder  vielmehi^  die  beiden 
Werthe)  von  fi  erhält,  indem  man 

^2  =  0 

setzt.  Ist  auch  V2  für  jeden  Werth  von  f*  gleich  0,  und  gilt 
dasselbe  für  Fg, . . .  Fa-i  (nicht  aber  für  F«),  beginnt  also  die 
Entwickelung  von  F{x,  mx  +  fjt)  nach  fallenden  Potenzen  von  x 
mit  FjjX*^«,  so  bestimme  man  [ju  so,  dass  auch 

F«  =  0 
wird.    Dies  ist  dann  eine  Gleichung  a*®»  Grades  von  /i*,  dem 
Umstände  entsprechend,  dass  a  Werthe  von  m  einander  gleich 
sind,   die   aber  zu  a   verschiedenen    (zu   einander  parallelen) 
Asymptoten  gehören. 

Am  besten  wird  der  Anfanger  diese  Angaben  durch  die 
Ausfährung  an  einigen  hier  folgenden  Beispielen  verstehen. 


§  83.    Anwendungeii  auf  einzelne  Ourven. 


353 


§  83. 

Anwendungen  auf  einzelne  Curven. 

Aufgabe  1.    Man  soll  die  Asymptoten  der  Hypt 

(1.)  V^x^  —  ahP'  —  aW  =  0 

bestimmen.    (Vergl.  Mg.  79.) 

Auflösung.    Hier  ist  n  gleich  2  und 


(2.) 
(2  a.) 

also 

(3.) 


X' 

U. 


X' 


=  J2 


«'© 


Umii|  =  J2  — «2^2=0, 


5  =  00  ^ 


a 


JPig.  79. 


Die    Gleichung    der    einen 
Asymptote  ist  daher 


(4.) 


y'  =  ~^'  +  ^. 


Um  auch  noch  den  Werfli 
von  [b  zu  bestimmen,  setze  man  y 

gleich  -  a;  +  ^  in  die  Gleichung  (1.)  ein. 


a 


Dadurch  erhält  man 


J2a.2  _  J2a:2  —  ^dblbX  —  «2^2  _  a2j2  —  Q, 


und  wenn  man  durch  x  dividirt, 


(5.) 


—  2a5/i*  — 


«2^2  +  ^2J2 


X 


=  a 


Lässt  man  jetzt  x  unendlich  gross  werden,  so  folgt  hieraus 
(6.)  — 2aJffr  =  0,    oder    ffr  =  0. 

Die  Gleichung  der  ersten  Asymptote  ist  daher 

(7.)  y'  =  *^'; 


a 


ebenso  findet  man  für  die  zweite  Asymptote  die  Gleichung 

(8.)  y'  =  --a:'. 


a 


Stegexnaxm- Kiepert,  Bifferential-Beclmang. 


23 


354:  §  83.    Anweaiduiigen  auf  einzelne  Ourven. 

Aufgabe  2.    Man  soll  die  Asymptoten  der  Parabel 

(9.)  y2  —  2pa;  =  0 

bestimmen. 

Auflösung.    Hier  ist  wieder  n  =  2  und 

(10.)  ^  =  ^'        lim^  =  m*  =  0, 

also 

(11.)  f»i  =  0,    ^  =  0. 

Für  beide  Asymptoten  findet  man  eine  Gleichnng  von  der 
Form 
(12.)  y'  =  /*; 

Um  die  zugehörigen  Werthe  von  /ü  zu  finden,  setzt  man 
y  =  /i  in  die  Gleichung  (9.)  ein  und  erhält 

(13.)  ffi  =  2px^    f*i  =  +  ySpi,    /*2  =  —  K2p^. 

Lässt  man  jetzt  x  in's  Unbegrenzte  wachsen,  so  wachsen 
auch  f^i  und  ^^2  in's  Unbegrenzte,  d.  h.  die  beiden  Asymptoten 
rücken  in's  Unendliche. 

Aufgabe  3.    Man  soll  die  Asymptoten  der  Curve 

(U.)  «3  +  y3_3aÄy  =  0 

bestimmen.   (VergL  Fig.  80.) 

Auflösung.  Bei  dieser  Curve,  welche  man  FoKum  Cartesü 
nennt,  ist  n  gleich  3  und 

(15.)      5'=^-  +  ©' 

(15a.)       lim^  =  l+«»»  =  (l  +  »»)(l— »»  +  m!«)  =  0, 

also 

l  +  iVE  l—iVE 

mi=  — 1,     W2= — ^^— J     f»3=  — ^-^— 

Die  beiden  imaginären  Werthe  von  m  brauchen  nicht  be- 
rücksichtigt zu  werden ;  die  einzige  reelle  Asymptote  erhält  man, 
wenn  man  m  gleich  —  1  setzt.    Dadurch  wird 


§  83.    Anwendungen  auf  einzelne  Curven. 


355 


und  die  Gleichung  (14.)  geht  für  diesen  Werth  von  y  über  in 

(16.)  ^lAX^  —  Sgi^x  +  gi^  +  Sax*^  —  Safjbx  =  0. 

Indem  man  diese  Gleichung  durch  x^  dividirt,  findet  man 
3/1*  +  Sa ^ r- +  T5  =  0. 


X 


X 


X' 


Wenn  jetzt  x  unendlich  gross 
wird;  so  erhält  man 

(17.)         3/1*  +  3a  =  0, 
oder 

Die   Gleichung    der    reellen 
Asymptote  ist  daher 

(18.)        y'^  —  x*  —  a, 

oder 

(18a.)    x'  +  y'  +  a^O. 


Aufgabe  4.    Man  soll  die  Asymptoten  der  Curve 

(19.)  x^  —  3ay2  _  a3  =  0 

bestimmen.   (Vergl.  Fig.  81.) 

Auflösung.    Hier  ist  n  gleich  3  und 

U^  ^  x^  —  Sxy^  =  1  -  3  r^ Y » 
x^  x^  \x/ 

also 


(20.) 


lim^  =  l  —  3m2  =  o,     m—±~ 
x^  '  |/3 


Da  m  die  Tangente  des  Winkels  a  ist,  den  die  Gerade 

y  =  mx  +  fl 

mit  der  positiven  Richtung  der  X-Axe  bildet,  und  da 

1 


tg30<>  = 


n 


ist,  so  bilden  die  beiden  Asymptoten,  welche  den  gefundenen 
Werthen  von  m  entsprechen,  bezw.  die  Winkel  +30®  und  — 30® 
mit  der  positiven  Richtung  der  X-Axe. 

23* 


866 


§  83.    AnTvendimgeni  auf  einzelne  Cnrven. 


Setzt  man  nun 
in  die  Gleichung  (19.)  ein,  so  findet  man 

(21.)  x^  —  x^  —  2a:  V  Yz  —  ^x^Jk^  —  a^  =  0, 

oder 

Wenn  jetzt  x  unendlich  gross  wird,  so  folgt  hieraus 
(22.)  —  2ii*y3  =  0,    oder    iii  =  0. 

Die  erste  Asymptote  hat  daher  die  Gleichung 

(23.)  y'l/3==n;'. 

Ebenso  findet  man  für  die  zweite  Asymptote  die  Gleichung 

(24.)  y']/3  =  — «'. 

um  noch  die  dritte  Asymptote  zu  erhalten,  bilde  man 


U^  ^  x^  —  %xy^  -  /"£ Y  _  8  (^ 

y3  yS  \y)  \y) 


Dies  giebt 


(25.) 


lim^'  =  /3  — 3/==0. 

y3 


(26.) 


Die  drei  Wurzefai  dieser  Gleichung  sind 

/=:  +  y3,    /  =  — 1/3,    1=0. 

^•^  Wie  man  ohne  Weiteres 

Y  erkennt,  führen  die  beiden  ersten 

Werthe  auf  die  schon  bekann- 
ten Asymptoten;  dagegen  liefert 
/  =  0  eine  dritte  Asymptote. 
Man  muss  daher 

a;  =  i 
in  die  Gleichung  (19.)  einsetzen 

und  erhält  dadurch 

^3  _  3Ay2  _  ^3  =  0, 

oder 

l,_3;i_lL=:0. 


r 


T 


§  83.    Anweaadungen  auf  eiiusßlne  Cunren.  357 

LSast  man  jetzt  y  unendlich  gross  werden,  so  folgt  hieraus, 
dass 

(27.)  A  =  0 

wird,  und  dass  die  dritte  Asymptote  die  Gleichung 

(28.)  x'  =  0 

hat.    Dies  ist  aber  die  Gleichung  der  F-Axe. 

Aufgabe  5.  Man  soll  die  Asymptoten  der  Curve 
(29.)  x(x^  —  a2)  —  2y(y2  —  a^)  —  Sxy^  —  a^  =  0 
bestimmen.    (Vergl.  Fig.  82.) 

AuflSsung.    Hier  ist  wieder  n  gleich  3  und 

U,  ^  x^-2y^-3ay^  ^  ^      ^/yy       ^ /yy 
x^  x^  \x/  \x/ 

also 

(30.)  lim  -|  =  1  —  3m2  —  2m3  =  (1  +  m)  (1  +  m)  (1  —  2m)  =  0. 

Die  3  Wurzeh  dieser  Gleichung  sind  daher 
(31.)  ^1=  — 1,      w,  =  — 1,      »15  =  +  -. 

Bei  dieser  Curve  findet  man  zwei  parallele  Asymptoten, 
weil  zwei  Werthe  von  m  einander  gleich  sind,  um  die  zuge- 
hörigen Werthe  von  /a  zu  finden,  setze  man 

y  =  —x  +  fi 

in  die  Gleichung  (29.)  ein.    Dadurch  erhSlt  man 

x(x^^ä^)+2{x''fA)(x^-  2A*a;+ A*2-a2)^  Sxiafl"  2fttr+A*^)  -  a»= 0, 

oder 

(32.)  (—  3a2  +  3a*2)  ^j  _  2^3  +  2a  V  —  a»  =  0. 

Indem  man  diese  Gleichung  durch  x  dividirt  und  x  dann 
unendlich  gross  werden  lässt,  findet  man 
(33.)  —  3fl2  +  3^2  =  0,    oder    /i*  =  ±  a. 

Die  beiden  entsprechenden  Asymptoten  haben  daher  die 
Gleichungen 

(34.)  y'  =  —  a:'  +  a    und    y*  =  —  x*  —  a. 


358  §  83.    Anwendungen  auf  einzelne  Curven. 

Für  die  dritte  Asymptote  hat  man 

1      . 

in  die  Gleichung  (29.)  einzusetzen.    Dadurch  erhält  man 


(35.) 


Indem  man  diese  Gleichung 
durch  x^  dividirt  und  dann  x 
unendlich  gross  werden  lässt, 
findet  man 
(36.)  /*  =  0, 

so  dass  die  dritte  Asymptote 
-^die  Gleichung 

(37.)  2y'  =  a^ 

besitzt. 


Aufgabe  6.    Man  soll  die 
Asymptoten  der  Curve 

(38.)  xy^  —  x  +  2y'-l  =  0 

bestimmen.    (Vergl.  Fig.  83.) 

Auflösung.    Hier  ist  wieder  n  =  3  und 


x^        \xj 


lim— 1=^2  =  0,    mi  =  0,    ^2  =  0,    m^  =  <x). 
x^ 

Die  Gleichungen  der 
drei  Asymptoten  haben 
daher  die  Form 

(39.)  y'  =  ^1,  y'  =  f*2, 

x'^L 

Dabei  findet  man  (ii 
'^  und  /ii2>  indem  man  y=/t* 
in  die  Gleichung  (38.)  ein- 
setzt.   Dies  giebt 

a:/i2_a:  +  2/i*— 1  =  0, 

oder 


§  83.    Anwendungen  auf  einzelne  Chirven. 


359 


X 

und  für  lim  Ä  =  00 

(40.)  /i*2  =  1, 

(41.)  f^i  =  +  1,     /*2  =  —  1. 

Ebenso  findet  man  A,  indem  man  a:  =  A  in  die  Gleichung 
der  Curve  einsetzt.    Dadurch  erhält  man 

(42.)     iy2_i  +  2y— 1  =  0,  oder  A  +  ^  — ^^  =  0, 

und  für  lim  y  =  00 

(43.)  A  =  0. 

Die  Gleichungen  der  drei  Asymptoten  sind  daher 
(44.)  •     y  =  +  l,    y'  =  — 1,    ^'  =  0. 

Aufgabe  7.    Man  soll  die  Asymptoten  der  Curve 
(45.)  xy*^  +  xhf  —  a^  =  0  ^ig,  84. 

bestimmen.    (Vergl.  Kg.  84.) 

Auflösung.  In  ähnlicher 
Weise  wie  bei  den  vorher- 
gehenden Aufgaben  findet  man 
hier  drei  Asymptoten  mit  den 
Gleichungen 


(46.) 


|y'  =  o,    y'  = 

l  a:'  =  0. 


=  — X' 


Aufgabe  8.    Man  soll  die 
Asymptoten  der  Curve 

(47.)  ;r3  +  :ry2_aÄ;2  +  ay2  =  0 

bestimmen.    (Vergl.  Fig.  85.) 

Auflösung.    Hier  werden    zwei  Asymptoten  imaginär,  weil 
aus  der  Gleichung 

lim  5  =  lim  (l  +  g)  =  1  +  m2  =  0 

folgt,  dass 

m^  =  +  i,    ^2  =  ^  e,     W3  =  00 


360 


§  83.    Anwendnngea  auf  dnzelne  Corven. 


Fiff.  86. 


wird.  Die  dritte  Asymptote  ist  reell 
und  steht  auf  der  X-Axe  senkrecht. 
Dabei  findet  man  ans  Gleichung  (47.), 
indan  man  x  =  l  setzt, 

;t3  +  Ay2  —  aX^  +  ay^  =  0, 

oder 

i3  _  aX^ 
X  +  a  +  - 


T 


=  0. 


Dies  giebt  für  lim  y  =  oo 
(48.)  A  =  — a; 

die  einzige  reelle  Asymptote  hat  daher  die  Gleichung 
(49.)  z*  +  a^0. 

Die  Gleichung  (47.)  kann  man  auf  die  Form 


(50.) 


,  xY^fl^ 


y=± 


X' 


a  +  X 


bringen,  woraus  man  erkennt,  dass  die  X-Axe  eine  Symmetrie- 
Axe  der  Curve  ist,  und  dass  die  Curve  zwischen  der  Asymptote 
x'  =  —  a  und  der  Geraden  x'  ^  +  a  Hegt.    Aus 

dy .      «2  —  (IX  —  ^2 


(51.) 


dx  {a  +  x)ya^  —  x^ 


==tga 


folgt,  indem  man  x  =  o  setzt,  dass  die  beiden  Tangenten  im 
Nullpunkte  die  Winkel  +  45<^  und  — 45®  mit  der  positiven 
Richtung  der  X-Axe  bilden. 

Aufgabe  9.  Man  soll  die  Gleichung  der  Cissoide  des  DioAles 
bestimmen.    (Yergl.  Fig.  86.) 

Auflösung.  Die  Cissoide  des  Diokles  entsteht,  indem  man 
an  eüien  Ereis  mit  dem  Halbmesser  a  zwei  parallele  Tangenten 
mit  den  Berfihrungspunkten  0  und  A  legt,  von  0  aus  eine  be- 
liebige Secante  zieht,  welche  den  Ereis  zum  zweiten  Male  im 
Punkte  C  und  die  andere  Tangente  im  Punkte  B  schneiden  möge, 
und  von  B  aus  die  Sehne  OC  rückwärts  auf  der  Secante  ab- 
trägt, so  dass 

PB=OC 

wird,  dann  ist  P  ein  Punkt  der  Cissoide. 


§  83.    Anwendungen  auf  ein2selne  Curven. 


861 


Bezeichnet  man  den  Winkel  AOP 
mit  q>  und  die  Strecke  OP  mit  r,  so 
findet  man  aus  den  rechtwinkligen 
Dreiecken  OÄB  und  OCÄ 


Fig.  ae. 


(52.) 

also 

(53.) 

oder 
(53  a.) 


0B  = j     OC=2acosg), 

cosy  ^' 

OP=r—OB—OC 

= (1  —  COS^O)), 

cosg)^  ^^' 

_  2asin^y 


coS9> 
Daraus  folgt,  da 
OQ  =  rcos9),  QP=rsüi9) 
ist, 

(54.)  ;r  =  2«smV,    y  =  ^^- 

Indem    man    aus    diesen    beiden 
Gleichungen  q>  eliminirt,  erhält  man 

(55.)        x^  +  xy*^  —  2ay^  =  0. 

Aufgabe  10.  Man  soll  die  Asymptoten  der  Cüssoide  bestimmen. 

AuflSsung.  Schon  aus  der  Entstehung  der  Cissoide  ergiebt 
sich,  dass  die  Ereistangente  AB  (veigl.  Fig.  86)  eine  Asymptote 
der  Cissoide  sein  muss.  Dasselbe  Resultat  findet  man  auch  aus 
der  Rechnung.    Es  ist  nämlich 


lim 


^5=C+S)=^+"'=^' 


(56.) 

also 

(57.)  mj  =  +  t,    ^2  =  — «,    W3  =  00 , 

d.  h.  zwei  Asymptoten  sind  imaginär,  nur  die  dritte  ist  reell 
und  steht  auf  der  X-Axe  senkrecht.  Dabei  findet  man,  iadem 
man  rz;  =  A  in  die  Gleichung  (55.)  einsetzt, 

;t3  +  iy2  _  2ay2  =  0,   oder   A  — 2a  +  -3  =  0. 


362 


§  84.    Concavität,  Convexität,  Wendepunkte. 


Dies  giebt  für  lim  y  =  oo 
(58.)  A  =  2a ; 

folglich  hat  die  reelle  Asymptote  die  Gleichung 
(59.)  x'  =  2a. 


§  84. 

Concavität,  Convexität,  Wendepunkte. 

(Veirgl.  die  Formel-Tabelle  Nr.  103  und  104.) 

Erklärung.  Legt  man  in  einem  Punkte  P  an  eine  Curve 
die  Tangente,  so  heisst  die  Curve  in  diesem  Punkte  P  nach 
oben  concav,  wenn  die  dem  Berührungspunkte  P  benachbarten 
Curvenpunkte  oberhalb  der  Tangente  liegen.    (Vergl.  Fig.  87.) 


Fig.  87. 


Fig.  88. 


Dagegen  ist  die  Curve  im  Punkte  P  nach  oben  convex 
(vergl.  Fig.  88),  wenn  die  dem  Berührungspunkte  P  benachbarten 
Punkte  unterhalb  der  Tangente  liegen. 

Wenn  endlich  die  Curve  im  Punkte  P  von  der  Concavität 
in  die  Convexität  übergeht  (vergl.  Fig.  89),  oder  wenn  die  Curve 


Fig.  89. 


Fig.  90. 


§  84.    Concavität,  Convexität,  Wendepunkte*  363 

im  Punkte  P  aus  der  Convexität  in  die  Concavität  übergeht 
(vergl.  Fig.  90),  so  heisst  der  Punkt  P  ein  Wendepunkt.  Die 
Tangente  in  einem  solchen  Punkte  heisst  Wendetangente.  Bei 
einer  Wendetangente  muss  daher  die  Curve  auf  der  einen  Seite 
des  Berührungspunktes  oberhalb^  auf  der  anderen  Seite  des  Be- 
rührungspunktes unterhalb  der  Tangente  liegen,  wobei  natürlich 
nur  die  benachbarten  Theüe  der  Curve  in  Frage  kommen. 

Die  Gleichung  einer  Curve  (Fig.  87)  sei 

(1.)  y  =/(^), 

und  die  Curve  sei  in  der  Nähe  des  Punktes  P  nach  oben 
concavj  dann  ist  nach  der  vorstehenden  Erklärung 

T^P^==Q^P2  —  CkT2>0 
und  auch 

riPi  =  QiPi  — Qi2\>0, 

wobei  Pi  und  P2  die  dem  Berührungspunkte  P  benachbarten 
Punkte  mit  den  Absdssen  x  —  a  und  x  +  a  sind,  und  wo  die 
Schnittpunkte  der  Ordiaaten  Q^P^  und  Q2P2  ^^  der  Tangente 
Ti  und  T2  heissen. 

Nun  ist  nach  Formel  Nr.  49  der  Tabelle 
(2.)     Q,P,=/(;.  +  a)=/(^)+Äa+/::(£+®f0^2; 

ausserdem  wird 

(3.)     Q2T2-^QP+S^T^^f{x)+'^a, 

weü  in  dem  rechtwinklichen  Dreieck  PS2T2 

S2T2  =  PS2  •  tgS^PT^  =  atga  =  af'(x) 

ist.  Durch  Subtraction  der  Gleichungen  (2.)  und  (3.)  von  ein- 
ander erhält  man  daher 

(4.)  T2P2  =  Q2  A  —  Q2  ^2  =  ^/''  (x  +  0a). 

In  ähnlicher  Weise  findet  man 
(5.)     Q,P,=/(._«)=/(.)_«a+-»ZI^)... 


364  §  84.    Concavität,  Convezität,  Wendepunkte. 

(6,)     Q^T,  =  QP-T,S^  =f(x)  --^  a , 

(7.)     TiP,  =  QiPi  -  Ol  ri  =  ^f"(x  -  0,a). 

Damit  die  Gurve  nach  oben  concav  ist,  müssen  far  hin- 
reichend kleine  Werthe  von  a  die  Strecken  TjA  und  r^P, 
posüive  Bichixmg  haben.  Das  ist  nur  möglich,  wenn/"(a;+®a) 
und/"(a;  —  ©1«)  beide  i^owtft?  sind. 

Unter  der  Voraussetzung,  dass/"(a:)  für  die  betrachteten 
Werthe  von  x  stetig  ist,  muss  deshalb  auch  f*\x)  positiv  sein, 
und  umgekehrt:  ist /"(a:)  positiv,  so  werden  auch/"(a;+  @a) 
und  /"  {x — ©1«)  fär  hinreichend  kleine  Werthe  von  a  positiv  sein. 

Die  Ourve  ist  daher  im  Punkte  P  nach  oben  concav,  wenn 
(8.)     •  S^-^''^^)^^- 

Die  Gleichung  einer  Curve  (Fig.  88)  sei  wieder 

y  =/(^), 
die  Curve  sei  jetzt  aber  üi  der  Nähe  des  Punktes  P  nach  oben 
convex,  dann  ist  nach  d^  vorstehenden  Erklärung 

T2P2=Q2P2—QiT^<^ 
und  auch 

T,P,^Q,P,  —  Q,T,<0, 

wobei  dieselben  Bezeichnungen  angewendet  sind  wie  in  Fig.  87. 
Daraus  ergiebt  sich  genau  ebenso  wie  vorhin 

(9.)  r^Pj  =  jf'ix  +  @a),      T,P,  =  ^f-(x-0,a). 

Damit  die  Curve  nach  oben  convex  ist,  mfissen  für  hin- 
reichend kleine  Werthe  von  a  die  Strecken  T^P^  und  2\Pi 
negative  Eichtung  haben.  Das  ist  nur  möglich,  wenn  f**{x+&a) 
vaiäf"{x  —  ©1«)  beide  negativ  sini. 

Unter  der  Voraussetzung,  dass/"(a;)  für  die  betrachteten 
Werthe  von  x  stetig  ist,  muss  deshalb  auch/"(a;)  negativ  sein, 
und  umgekehrt:  ist/"(a;)  negativ,  so  werden  auch/"(a;-J-0a) 
und/"(a; — ®ia)  für  hinreichend  kleine  Werthe  von  a  negativ  sein. 


§  84.    Concavität,  Convexität,  Wendepunkte. 


365 


(10.) 


Die  Curve  ist  daher  im  Punkte  P  nach  oben  conveXj  wenn 


In  dem  yorhergehenden  sind  die  Fälle,  wo 

/"(a:)  =  0    oder   /"(a;)  =  oo 

wird,  ausgeschlossen  worden.  Beide  Fälle  können  im  Allgemeinen 
nur  für  einzelne  Werthe  von  x  eintreten.  Ist  x  ein  solcher 
Werth,  so  hat  man  noch  die  Vorzeichen  Yon  f"(x  —  ä)  und 
f(x  +  a)  für  hinreichend  kleine  Werthe  von  a  zu  untersuchen 
und  danach  die  folgenden  8  Fälle  zu  unterscheiden: 

L/''(^)  =  0,   f''{x  —  a)>0,    nx  +  a)<0. 

In  diesem  Falle  geht  die  Curve  im  Punkte  P  (vergl. 
Fig.  89)  von  der  CJoncavität  zur  Convexität  über.  Dasselbe 
gilt  auch,  wenn 

n./"(ic)  =  oo,   f"ix—a)>Oj   /"(a:+ö)<0  (vergLFig.  89). 

Wird  dagegen 

m.f"(x)=0,     r{x  —  a)<%   /''(^+a)>0  (vergl.  Fig.  90), 

oder 

IV./"(^)  =  oo,   f**{x  —  a)<0,   /''(a;+a)>0  (vergl.  Fig.  90), 

so  geht  die  Curve  von  der  Convexität  zur  Concavität  über. 

In  allen  diesen  Fällen  heisst  der  Punkt  P  ein  Wendepunkt^ 
weil  sich  die  Curve  von  der  Concavität  zur  Convexität  oder  von 
der  Convexität  zur  Concavität  wendet. 

Ist  aber 

(a;  — a)>0, 

(vergl.  Fig.  91), 
oder 

(a:  — a)>0, 

(vergl.  Fig.  91), 

so  ist  die  Curve  unmittelbar  vor  dem 

Punkte  P  und  ebenso  unmittelbar  nach 

dem  Punkte  P  nach  oben  concav;  sie  hat  daher  im  Punkte  P 

keinen  Wendepunkt. 


^r/-(a:)  =  o,  /-i 
}der 

y  r{x  +  a)>o  (1 


Fig.  9t 


366  §  84.    Concavitat,  Convexität,  Wendepunkte. 

« 

Ist  endlich 

Vn./"(a:)  =  0,   r(x  —  a)<0,    /"(a:+a)<0  (vergl.  Fig.  92), 
oder 
Vm.  f"{x)  =  00 , /'' (^  —  a)< 0,    /'' {x+a) < 0  (vergL Fig. 92), 

SO  ist  die  Gurve  munittelbar  vor  dem  Punkte  P  und  ebenso 

munittelbar  nach  dem  Punkte  P  nach 
Pig.  02.  oben  convex,   so  dass  auch  hier  der 

Punkt  P  kein  Wendepunkt  ist. 

Daraus  ergebt  sich  jetzt  die  all- 
gemeine Begel  für  die  Au&uchung  der 
etwaigen  Wendepunkte  einer  Curve 

y  =A^y ' 

Man  ermittele  die  Wetthe  von  x, 
für  welche  f"(x)  gleich  Null  oder  un- 
endlich gross  wird.  Ist  x  ein  solcher  TVerth,  so  untersuche  man 
das  Vorzeichen  von  f**{x  —  a)  und  von  f^^ix-^d)  für  hin- 
reichend Meine  Werthe  von  a.  Man  erhält  dann  einen  Wende- 
punktj  wenn  entweder 

f"{x  —  a)>0     und  f''(x+a)<0, 

oder  wenn 

f"{x  —  a)<0    und  f"(x  +  a)>0; 

und  zwar  geht  die  Curve  im  ersten  Falle  in  diesem  Wendepunkte 
von  der  Concavität  zur  Convexität  und  im  zweiten  Falle  von  der 
Convexität  zur   Concavität  über. 

Haben  dagegen  f''(x  —  a)  und  /"  (x  +  a)  für  hinreichend 
kleine  Werthe  von  a  dasselbe  Zeichen,  so  ist  der  Punkt  kein 
Wendepunkt. 

Bemerkung. 

Es  möge  hierbei  noch  besonders  hervorgehoben  werden,  dass  sich 
die  vorstehenden  Betrachtangen  nur  auf  Pankte  der  Curve  beziehen, 
welche  im  Endlichen  liegen. 


§  85.    Anweadongeii  auf  dnzeliie  GurvBiu 


367 


Fig.  93. 


§  85, 

Anwendungen  auf  einzelne  Curven. 

Aufgabe  1.    Man  soll  die  etwaigen  Wendepunkte  der  Curve 

(1.)  y  =  h  +  {c  —  xY^f{x) 

bestimmen.    (Vergl.  Fig.  93.) 

Auflösung.    Aus  der  Gleichung  (1.)  folgt 
(2.)  r{x)^-Kc-x)\ 

(3.)         f**(x)=  +  %{c  —  x). 

Aus  Gleichung  (3.)  erkennt  man, 
dass  es  keinen  endlichen  Werth  von 
X  giebt,  für  den  f*'{x)  ==  oo  wird. 
Dagegen  wird/''(a;)  =  0  für 

(4.)  a;  =  c. 

Der  Punkt  P,  dessen  Abscisse 
gleich  c  ist,  kann  also  möglicher  Weise 
ein  Wendepunkt  sein.  Um  darüber  zu 
entscheiden,  beachte  man,  dass 

(5.)       /"(c  — a)  =  +  6a>0,    /"(c  +  «)  =  — 6a<0 

ist.  Es  findet  also  im  Punkte  P  ein  Uebergang  von  der  Con- 
cavität  zur  Convexitat  statt.  Folglich  ist  P  ein  Wendepunkt 
(Vergl.  Fig.  93.) 

Aufgabe  2.    Man  soll  die  etwaigen  Wendepunkte  der  Curve 

(6.)  y^b+{x  —  cY^f{x) 

bestimmen.    (Vergl.  Fig.  94.) 

Auflösung.  Aus  Gleichung  (6.) 
folgt 

(7.)  f\x)=    4.{x-c)\ 

(8.)  /''(^)  =  12(rp  — c)2. 

Auch  hier  giebt  es  keinen  endlichen 
Werth  von  a?,  für  welchen  f'*{x)  =  oo 
wird.    Dag^en  wird  /"  (a:)  =  0  für 

(9.)  X  =:  C. 


Pig.  Ö4. 


«   p  « 


■<>■ 


<   ä  ü* 


368 


§  85.    Anwendungen  auf  einzelne  Cnrven. 


Ffir  diesen  Werth  von  x  kann  man  möglicher  Weise  einen 
Wendepmikt  erhalten,    um  darüber  zn  entscheiden,  bilde  man 

(10.)/"(c  — a)=  +  12a2>0  nnd  /"(c  +  a)=  +  12ö2>0, 

folglich  ist  die  Curve  auf  beiden  Seiten  des  betrachteten  Punktes 
P  nach  oben  concav,  so  dass  dieser  Punkt  kein  Wendepunkt 
sein  kann.    (Vergl.  I^.  94.) 


Aufgabe  3.    Man  soll  die  etwaigen  Wendepunkte  der  Curve 

(11.)  y  =  f»  -  ft  fF=^'  =/(^) 

bestimmen.    (VergL  Fig.  95.) 

Auflösung.    Aus  Gleichung  (11.)  folgt 

(12.)  f{x)  =  -^{x-c)    \ 


(13.) 


/"(^)=  +  g(^-^)    *  = 


ßb 


25y(x  —  c)^ 


Hieraus  erkennt  man,  dass  f"{x)  tSoc  keinen  endlichen  Werth 
von  X  gleich  Null  wird,  dagegen  wird 

(14.)  /"(a;)=oo    ftr    x  =  c. 

Fig.  96.  Dieser  Werth  von  x  kann  also  mög- 

licher Weise  einen  Wendepunkt  liefern. 
Um  darüber  zu  entscheiden,  bilde  man 

(15.)    /-(c-a)  =  -^>0 

25  Vo» 
und 

(15a.)/-(c  +  a)  =  -4->Ö. 

25  Vö» 

'^   wobei  man  b  als  positiv  vorausgesetzt 

hat.     Die  Curve   ist    also  zu  beiden 

Seiten  des  betrachteten  Punktes  P  nach  oben  concav;  der  Punkt 

P  ist  daher  Aein  Wendepunkt  der  Curve,  sondern,  wie  man  aus 

Figur  95  ersieht,  eine  Spitze. 


§  85.    Anwendungexi  auf  emzelne  Curven. 


369 


Aufgabe  4.    Man  soll  die  etwaigen  Wendepunkte  der  Curve 

(16.)  y  =  m  —  by{x—cy  ==f{x) 

bestinunen. 

Auflösung.    Aus  Gleichung  (16.)  folgt 

(17.)  /'(^)  =  _^(.:_c)~^, 

(18.)  /-(^)=  +  g(.:_c)"*  = 


6J 


2by(x  —  cy 

Auch  hier  wird  f'*{x)  für  keinen  endlichen  Werth  von  x 
gleich  Null,  dagegen  wird 
(19.)  f''(x)=oo    für    x  =  c. 

Um  zu  entscheiden,  ob  dieser  Werth  ^ig.  96. 

von    X    wirklich    einen    Wendepunkt 
liefert,  bilde  man 

ßb 


/"(c-a)^ 


und 


25Va7 


<  0 


25  y«'' 


Daraus  erkennt  man,  dass  im  Punkte  P  mit  den  Goordinaten 

(20.)  a:  =  c,     y  =  m 

eine  Wendung  von  der  Convexität  zur  Concavität  stattfindet, 
dass  also  der  Punkt  P  ein  Wendepunkt  ist.    (Vergl.  Fig.  96.) 


b\b—x)        .,  . 


Aufgabe  5.    Man  soll  die  etwaigen  Wendepunkte  der  Curve 

(21.) 

bestinunen. 

Auflösung.    Durch  Differentiation  folgt  ans  Gleichnng  (21.) 

(22.) 


•^    ^^~         (a;2  +  52)2        ' 
.,,,  ^  _  —  2&'(a;»  —  Sbx^  —  3b^z  +  b^) 


(23.) 

Stegemaim- Kiepert,  Differential-Beohn-aiig. 


24 


370 


§  85.    Anwendungen  auf  einzelne  Curven. 


Hier  kaim/'^(^)  für  keinen  endlichen^  reellen  Werth  von  x 
nnendlich  gross  werden.    Dagegen  wird /'^^r)  gleich  Nnll,  wenn 

(24.)  «»  —  34ir2  —  3Ä2jr  +  js  =  (a;  +  J)  [x'^  —  ^hx  +  Ä2)  =  o 

wird.    Die  Werthe  von  «,  für  welche  möglicher  Weise  ein 
Wendepunkt  eintritt,  sind  daher 

(25.)       x^  =  —l,    rc2  =  6(2  —  ^3),    a^,  =  Ä(2  +  ^3), 

welche  beziehungsweise  den  Werthen 


(26.) 
entsprechen. 


y,  =  +  J,     y,  =  i(l+y3),     y3=|(l-V3) 


FiflT.  97. 


<-'  { X 


Da  a;2  +  J2  far  reelle  Werthe  von  x  ünmer  positiv  ist,  so 
braucht  man  nur  zu  untersuchen,  ob 

(27.)  {x^  +  V^Yf\x)  =  —  ^h\x  +  h)  («2  _  4  Ja;  +  J2)  =  jpT(a;) 

für  die  angegebenen  Werthe  von  x  das  Vorzeichen  wechselt. 
Zunächst  ist  für  hinreichend  kleine  Werthe  von  a 

JF(—  Ä  —  ö)  =  +  2aJ2(6 J2  +  6öÄ  +  a») >  0, 
J  +  a)  =  —  2aJ2(6Ä2  —  6aJ  +  «2)  <o; 

deshalb  ist  der  Punkt  P^  mit  den  Coordinaten  x^^  y^  ein 
Wendepunkt,  in  welchem  die  Curve  von  der  Concavität  zur 
Convexität  übergeht. 

Femer  ist  für  hioreichend  kleine  Werthe  von  a 

.     .   r  jF(2ä— äVs— a)=— 2aJ2(3J-.jyi"_o)(2Äy3+a)<0, 

l  jF(2ä— Äl/3+a)  =  +  2aJ2(3J_ jyä  +  a)  (2iy1k-a)> 0, 

folglich  ist  auch  der  Punkt  P^  mit  den  Coordinaten  x^^  y^wa 
Wendepunkt,  in  welchem  die  Curve  von  der  Convexität  zur 
Concavität  übergeht. 


§  85.    Anwendongoa  auf  einzelne  Ourven. 


371 


Endlich  ist  noch  für  hinreichend  kleine  Werthe  von  a 

.      .  /  F(2i+iy^~a)=  +  2aJ2(3i  +  J)/3  — a)(2iV3— a)>0, 

\  F(2i+il/3+a)==— 2ai2(35  +  iy3  +  a)(2iy3  +  a)<0, 

folglich  ist  der  Punkt  P^  mit  den  Goordinaten  x^^  y^  gleichfidls 
ein  Wendepunkt,  in  welchem  die  Curve  von  der  Goncavität  zur 
Conyexit&t  übergeht. 

Es  ist  dabei  noch  zu  beaditen,  dass  die  drei  Wendepunkte 
Pj,  P2,  P3  in  einer  geraden  Linie  liegen,  weil 

(31.)       ^ii3fi  —  y%)  +  ^2(^3 —yi)  +  ^ijfx—yi)  =  0 

wird.    (Vergl.  Kg.  97.) 

Aufgabe  6.  Man  soll  untersuchen,  in  welchen  Punkten  die 
Parabel  nach  oben  concavy  und  in  welchen  Punkten  sie  nach 
oben  convex  ist. 

Auflösung.   Die  Gleichung  der  Parabel  ist  ^^ar-  ^ 

(32.)  y^=z2px;  r 

daraus  folgt 


(33.) 


dy^p^       cPy  __      p^ 


dx 


cfo2 


d^  0 
Für  positive  Werthe  von  y  wird  ^ 

negativ,  und  för  negative  Werthe  von  y  wird 


dhf 

Cfe2 


positiv.    Die  obere  Hälfte  der  Curve  ist 


daher   nach  oben  convex,  und  die  untere 

Hälfte  ist  nach  oben  conoav.    Einen  Wendepunkt  besitzt  die 

Curve  nicht,  da  ^  für   endliche  Werthe  von  y  niemals  ver- 
schwinden kann. 

Aufgabe  7.  Man  soll  untersuchen,  in  welchen  Punkten  die 
Ellipse  und  die  Hyperbel  nach  oben  concav,  und  in  welchen 
Punkten  sie  nach  oben  convex  sind. 

Auflösung.    Die  Gleichung  der  Ellipse  ist 

(34.)  b^x^  +  a  V  —  a^^  =  0 ; 

24* 


372 


§  85.    Anwendungen  auf  einzelne  Oorven. 


daraus  folgt 
(86.) 


^ W£  ^_ *i. 


dx 


cPy 


Auch  hier  wird  ^  negativ 

für  positive  Werfhe  von  y  und 
positiv  für  negative  Werfhe  von  y. 
Die  obere  Hälfte  der  Curve  ist 
^  daher  nach  oben  convex  und  die 
untere  Hälfte  der  Curve  ist  nach 
oben  concav.    Einen  Wendepunkt 

dh/ 

besitzt  die  Curve  nicht,  da  -^ 

für  endliche  Werthe  von  x  und 
y  niemals  verschwinden  kann. 

In   ähnlicher   Weise  erhält    man   bei   der  Hyperbel    die 
Gleichungen 

(36.)  J2^2  _  ^2y2  _  a2J2  —  0, 

/Q7  \  ^  —  J.  *^^  ^^  —  ^     ^^ 

^     '^  dx  dh/ '      dx^  ay 

und  kann  daraus  dieselben  Schlüsse  ziehen  wie  bei  der  Ellipse. 

Aufgabe  8.    Man  soll  die  Wendepunkte  der  Sinmlinie  be- 
stimmen.   (Vergl.  Fig.  100.) 

Auflösung.    Die  Sinuslinie  hat  die  Gleichung 
(38.)  y  =  siuic; 

Fig.  100. 
Y 


daraus  folgt 
(39.) 


dy 
dx 


-^  =  COSar, 


dx^ 


=  —  sma*. 


§  86.    Berührang  (oder  Osculation)  n^^  Ordnung. 


373 


Die  Curve  ist  daher  nach  oben  convex,  wenn  0<a?<7r, 
2n:<a;<37r, ..,  allgemein,  wenn 

2n7t<x<{^n  +  l)7t 
ist;  und  die  Curve  ist  nach  obai  cancav,  wenn 

(2n  +  l)7r<  x<(2n  +  2)n 

ist,  wobei  n  eüie  positive  oder  negative  ganze  Zahl  bedeuten 
soll.    Ein  Wendepunkt  tritt  ein,  wenn 

ist;   die  zugehörigen  Werthe  von  y  sind  sämmtlich  gleich  0, 
d.  h.  die  Wendepunkte  liegen  aUe  in  der  X'Axe. 


§  86. 

Berührung  (oder  Osculation)  n*^  Ordnung. 

(Vergl.  die  Formel-Tabelle  Nr.  105.) 

Erklärung.     Zwei  Curven  VW  und  RS  (Fig.  101)  mit  den 
Gleichungen 
(1.)  y-fi^)    und    y  =  g{x), 

haben  in  dem  ihnen  gemeinschaftlichen  Punkte  P  eine  Berührung 
(oder  Osculation)  n*^  Ordnung,  wenn  für  den  zugehörigen  Werth 
von  X  nicht  nur 
(2.)  fix)  =  g(x) 

isty  sondern  ausserdem  auch  noch 

(30     r{x)^g*{x),   f'{x)  =  g-{x\...ß-\x)^g(-){x). 

Mit  welchem  Rechte  diese  Er- 
klärung aufeestellt  worden  ist,  er-  t 
sieht  man  aus  dem  folgenden  Satze: 

Zwei  Curven 

y=/(^)    ^^^   y  =  ^(^)j 

welche  im  Punkte  P  eine  Berührung 
fjf*r  Ordnung  haben,  schmiegen  sich 
in  diesem  Punkte  enger  an  einander 
an  als  an  jede  andere  Curve,  mit 
der  sie  im  Punkte  P  keine  Berührung  "^ 
von  gleich  hoher  Ordnung  haben. 


Fig.  101. 


374  §  86.    Berahnmg  (oder  Osculaiion)  m<m-  Ordnung. 

Beweis.    Nach  Formel  Nr.  49  der  Tabelle  ist 

^     »!     "   ^        (»+!)!  ' 

gleichviel  ob  h  positiv  oder  negativ  ist.    Ebenso  wird 

(5.)     Q^P',=g{x  +  h)  =  g{x)  +  ^h+^h-^  +  ... 

+     «!    '^   +        (« + 1)!      "     ' 
folglich  ist,  wdl  nadi  Yoranssetznng  die  GMdnmgen  (2.)  und 
(3.)  gdten, 

iP^P'^=g{x  +  h)—f{x  +  h) 

Da  h  eine  beliebig  kleine,  positive  oder  negative  Grösse  ist, 
so  wird  -Pi-P*!  eine  beliebig  kleine  Grösse  von  der  (n  +  1)*~ 
Ordnung. 

Wenn  man  nun  mit  diesen  beiden  Curven  noch  eine  dritte 

Curve 

y  =  SP(a;) 
zusammenstellt,  welche  mit  der  Curve 

y=/(^) 

im  Punkte  P  nur  eine  Berührung  von  der  m***  Ordnung  hat, 
wobei  m  <n  vorausgesetzt  wird ,  so  ist  fOr  iesD.  betrachteten 
Werth  von  z 

(7.)   fix)  =  9>{x),   f'{x)  =  9'{x),...    /(-)(«)  ^y'-'C^), 
aber 

(8.)  /<-+»  (x)  %.  y (-+»(a;), 

SO  dass  für  hinreichend  kleine  Werthe  von  h  auch 

ist.    Man  findet  dann  in  ähnlicher  Weise  wie  vorhin 

g,(x  +  h)—fix  +  h) 
(9.) 


!g)(x -t  n) —j  {X  + 


(«+i)(a;  +  0jÄ) —/("+»)(«  +  @ih)]. 


§  87.    Anwendungen  auf  einzelne  Curven.  875 

Diese  Differenz  wird  nur  beliebig  klein  von  der  {m  +  !)*•'' 
Ordnung,  weil  der  Ausdmck  in  der  eckigen  Klammer  eine  end- 
liche (von  Null  verschiedene)  Grösse  ist.    Deshalb  wird 

(10.)  P.P^,  =  g(x  +  h) -fix  +  h)<9{x  +  h) ^f{x  +  Ä), 

d.  h.  die  Curven  y=f{x)  und  y  =  g{x)  schmiegen  sich  im 
Punkte  P  enger  an  einander  an  als  die  Curven  y  ^f(x)  und 

y=^9>(x). 

§87. 

Anwendungen  auf  einzelne  Curven. 

(VergL  die  Formel -Tabelle  Nr    106  und  107.) 

Aufgabe  1.  Man  soll  durch  den  Punkt  P  einer  Curve  mit 
der  Gleichung 

(1-)  y  =/(^) 

eine  gerade  Linie  legen,  welche  mit  der  Curve  eine  Berührung 
von  möglichst  hoher  Ordnung  hat. 

Auflösung.    Die  Gleichung  der  geraden  Linie  sei 

(2.)  y'  =  mx'  +  fi^ 

wobei  die  laufenden  Coordinaten  mit  x*  und  y'  bezeichnet  sind,^ 
weQ  die  Coordinaten  des  Berührungspunktes  x  und  y  heissen 
sollen.    Damit  nun  die  Gerade  durch  den  Punkt  P  geht,  muss 

(3.)  y  =^f(x)  z=imx  +  fi 

sein.  In  diesem  Falle  ist  also  ff{x)  gleich  mx  +  fij  so  dass  die 
Gleichung /'(a:)  =  ^'(a:)  hier  die  Form  hat 

(4.)  I  =  ». 

Man  hat  hier  nur  aber  die  beiden  Grössen  m  und  [a  zu 
verfugen,  und  zwar  sind  diese  Grössen  schon  durch  die  Gleichungen 
(3.)  und  (4.)  vollständig  bestimmt,  denn  es  wird 

(5.)  m  =  ^    und     /i*  =  y  —  mx=:y  —  ^jr  ' 

so  dass  die  Gleichung  (2.)  äbergeht  in 

(6.)  y._y  =  |(,._,). 


376  §  87.    Anwendungen  auf  einzelne  Ourven. 

Dies  ist  aber  die  Gleichung  der  Tangente. 

Die  Tangente  ist  daher  diejenige  Gerade,  welche  sich  im 
Punkte  P  der  Curve  am  engsten  anschmiegt.  Da  ausserdem 
jede  Gerade  in  allen  ihren  Punkten  dieselbe  Eichtung  hat,  so 
giebt  die  Tangente  in  dem  betrachteten  Punkte  die  Eichtung 
der  Curve  an. 

Aus  dem  Vorstehenden  erkennt  man  auch,  dass  die  Tangente 
mit  der  Curve  im  Allgemeinen  nur  eine  Berührung  erster  Ord- 
nung hat.  Man  kann  aber  sogleich  die  Bedingung  angeben,  unter 
welcher  die  Berührung  eine  Berührung  von  der  zweiten  Ordnung 
wird.    Es  ißt  hier  nämlich 

(7.)  g{x)  =  mx  +  lA,    g*{x)  =  m,     g*\x)  —  0, 

folglich  muss  auch 

(8.)  /"(^)  =  0 

sein,  damit  die  Berührung  höher  als  von  der  ersten  Ordnung  ist. 

Diese  Bedingung  ist  nur  for  einzelne  Punkte  der  Curve 
erfüllt,  und  zwar  sind  diese  Punkte  (nach  Formel  Nr.  104  der 
Tabelle)  Wendepunkte,  wenn  /"  (x)  für  den  betrachteten  Werth 
von  X  das  Vorzeichen  wechsdt. 

Aufgabe  2.  Man  soll  die  Gleichung  emes  Kreises  bestimmen, 
der  im  Punkte  P  mit  der  Curve 

(9.)  y  =/(^) 

eine  Berührung  von  möglichst  hoher  Ordnung  besitzt. 

Auflösung.  Ein  Ereis  mit  dem  Eadius  q  hat  bekanntlich 
die  Gleichung 

(10.)  {x  -  S)2  +  (y  -  riY  —  p2  =  0, 

wobei  ^  und  ^  die  Coordinaten  seines  Mittelpunktes  sind.    Iiöst 
man  die  Gleichung  in  Bezug  auf  y  auf,  so  erhält  man 

(10a.)  y  =  fl  ±  yQ^  —  {x  —  i^Y  =  g{x). 

In  der  Gleichung  des  Kreises  kommen  also  drei  willkürliche 
Constante  |,  ^  und  q  vor,  über  die  man  so  verfugen  kann,  dass 
drei  Bedingungen  erfüllt  sind.  Deshalb  ist  es  möglich,  die  drei 
Gleichungen 


§  87.    Anwendungen  auf  einzelne  Curven.  377 


(11.)           fix)  =  ffix)  =  fi±yQ^-(x-  ?)»  =  y, 
(12.)     /-(»)=^'(^)=Ty^,I.~Lg)2=-^' 
(13.)    f"(x)  =  ff"(x)=  T ^ j  =  —  /-^Lrö*^ 

durch  passende  Bestimmung  von  $,  ^  und  q  zu  beMedigen. 
Dabei  sind  x  and  y  die  Gootdinaten  des  Berührungspunktes. 
Aus  den  Gleichungen  (12.)  und  (10.)  findet  man 

(14.)         x  —  l^  =  —  (ji/-^)f'ix), 

(15.)  (}^  =  {x-  ?)2  +  (y  -  ,)2  =  (y  _  ,)2[1  +/'  (xy] , 

SO  dass  Gleichung  (13.)  übergeht  in 

■^    ^  ^  y  — ^ 

Deshalb  ist 

(16.)      y-^=-^-j^' 

(n.)  ._S  =  _(y-,i^-(.)  =  M^fflZ:(l). 

folglich  wird 


3. 


(20)     ,^^^i±ts^)ni. 

Wenn  man 

P  =  ^  statt  /'(:r)  und  y  =  0-  statt /''(a:) 

schreibt,  so  erhält  man  mit  Bücksicht  auf  Formel  Nr.  99  der 
Tabelle 


*)  lieber  die   Bildung  dieser  Ableitungen  vergleiche  man  §  73, 
Aufgabe  2. 


378 


§  87.    Anweoidtmgeii  auf  einzelne  Corven 


(21.) 


s  = 


MV 


9  = 


^  ?  ^  ? 


(1 + p')i     ,  W 


Hierbei  wird  man  for  ^  das  obere  oder  das  untere  Vor- 

ds 
zeichen  wäMen,  jenachdem  ;  mit  ^   gleiches   oder  entgegen- 
gesetztes Vorzeichen  hat,  damit  q  selbst  positiv  wird. 

Da  X  nnd  y  die  Coordinaten  des  Berährongspnnktes  sind, 
so  mögen  die  laufenden  Coordinaten  des  Kreises  mit  x'  und  y' 
bezeichnet  werden,  so  dass  er  die  Gleichung 

(22.)  {x'  —  ^y  +  (y'-vy  —  Q^  =  0 

hat  Man  nennt  diesen  Kreis  den  Oscuiationskreta  oder  den 
JSrümmungskreis;  er  hat,  wie  aus  dem  Vorhergehenden  folgt, 
im  Allgemeinen  nur  eine  Berührung  von  der  zweiten  Ordnung 
mit  der  Curve.  In  besonderen  Punkten  der  Curve  kann  aber 
auch  eine  Berührung  höherer  Ordnung  mit  dem  Krümmungs- 
kreise stattfinden.    Die  Bedingung  dafür  ist 


(23.) 


/."(.)=/"(.)=_fci). 


Sind  X  und  y  Functionen  emer  dritten  Veränderlichen  ^, 
also 

(24.)  x  =  if{t\    y^xp(t\ 

so  gehen,  mit  Bücksicht  auf  die  Formeln  Nr.  92  der  Tabelle, 
die  Gleichungen  (21.)  über  in 


§  87.    Anwexkdtmgen  auf  einzelne  Cuiven. 


379 


(25.) 


|  =  x- 


v  =  y  + 


Q=± 


/^Y 

dy 

W 

dt 

z  — 

ds^dy 

dz 

d^ 

dy 

d^z 

dx  dPy  —  dy  d^x ' 

dt 

dP 
/ds\^ 

dt 
dz 

<Ä2 

\di) 

dt 

y  + 

dfßdx 

dz 

dhf 

dy 

d^~ 

dxd^  —  dy  d^' 

dt 

dfi 
/ds' 

dt 

rf<2 

U> 

; 

-1- 

ds^ 

dz 

d^ 

dy 

d^z~ 

'^  dxd^  —  dydhi 

dt 

dt^ 

dt 

dp' 

Aufgabe  3.    Man  soll  eine  Parabel  bestimmen,  deren  Axe 
zur  F-Axe  parallel  ist,  und  welche  im  Punkte  P  mit  den  Coordi- 
naten  a;  =  a,  y  =  a  mit  der  Curve 
(26.)  «V  —  ^3 

eine  Berührnng  von  möglichst  hoher  Ordnung  hat. 

AuflSsung.    Hier  ist 

/««N       ^,_£f      dy_^      d^_6x      d^_± 
K^^')      y-^2'     dx^  a^'     dx^^a'^'     dx^  "  a^' 

Die  Gleichung  einer  Parabel,  deren  Axe  ^ur  Y-Axe  parallel 
ist,  hat  die  Form 

(28.)  Ax^  +  2By*  +  2Ci  +  2>  =  0. 

Man  kann  hier  also  über  die  drei  Grössen  -^j  -t>  -j  pas- 

^      JIjl      ^1 

send  verfugen,  so  dass  für  ^r  =  a 

/«..N      i  dy*      dy      ^      dM      ^       ^ 


dx'^       dir* 


a 


dx       dx 

wird.    Dies  giebt  zunächst 

(30.)     Aa^  +  2Ba  +  2  Ca  +  2>  =  0, 

(31.)     A{x'^  —  a^)  +  2B{y*  —  a)+2C{x  —  a)^Q, 

(32.)    Ax  +  B^  +  C  =  0,    oder    Aa  +  %B+  (7=0, 


380 


§  87.    Anwendungen  auf  einzelne  Curven. 


(33.)     A  +  B^  =  0,    oder     ^  +  —  =  0. 
Daraus  folget 

(34.)  6B  =  —  Aa,     2C=  —  Aa, 

(35.)  S(x^  —  a^)  —  a(j/  —  d)  —  Sa(x  —  ä) 

oder 

(35  a.)  Sx{z  —  a)  =  a(y'  —  a). 


=  0, 


Nach  Gleichung  (6.)  in  §  86  war 

Ist  also  n  gerade,  so  wechselt  PiP'j  mit  A  sein  Zeichen, 
und  ist  n  ungerade,  so  bleibt  das  Zeichen  von  i^i^i  unverändert, 
wenn  auch  h  sein  Zeichen  wechselt;  d.  h.  die  beiden  Curven 
schneiden  sich,  wenn  die  Ordnung  der  Berührung  gerade  ist, 
und  die  beiden  Curven  schliessen  einander  ein,  wenn  die  Ord- 
nung der  Berührung  ungerade  ist. 

Ein  Beispiel  hierfür  liefert  bereits  die  Tangente  einer  Curve. 
Im  Allgemeinen  ist  die  Berührung  nur  von  der  ersten  Ordnung, 
dann  liegen  alle  dem  Berührungspunkt  benachbarten  Gurven- 
punkte  auf  derselben  Seite  der  Tangente.  Ist  aber  die  Berührung 
von  der  zweiten  Ordnung,  so  ist  der  Berührungspunkt  ein 
Wendepunkt  der  Curve  und  die  Tangente  ist  eine  Wendetan- 
gente,  welche  die  Curve  im  Berührungspunkte  schneidet.  (Vergl. 
Fig.  89  und  90  auf  Seite  362.) 

Ein    zweites    Beispiel    liefert    der    Osculationskreis    oder 
Fig.  lOB.  Erümmungskreis,    der    sich 

einer  Curve  im  Punkte  P 
möglichst  eng  anschliesst. 
Im  Allgemeinen  wird  die 
Berührung  (nach  Angabe  2) 
von  der  zweiten  Ordnung  sein. 
Dann  wird,  wie  Figur  102 
im  Punkte  P  zeigt,  der  Kreis 
die  Curve  schneiden.  Nur 
ausnahmsweise  ist  die  Beruh- 


§  88.    Krümmung  der  Curven.  381 

ning  von  der  dritten  Ordnung.  So  ist  z.  B.  in  den  Scheiteln  der 
Ellipse,  wie  später  gezeigt  werden  soll,  die  Berührung  zwischen 
Krämmungskreis  und  Curve  von  der  dritten  Ordnung;  deshalb 
schliessen  Ereis  und  Curve  in  diesen  Punkten  einander  ein. 

§  88. 

Krümmung  der  Curven. 

(VergL  die  Formel-Tabelle  Nr.  106  und  107.) 

Der  Kreis  hat  in  allen  seinen  Punkten  dieselbe  Krümmung^ 
und  zwar  ist  die  Krümmung  um  so  grösser,  je  kleiner  der 
Badius  q  des  Kreises  ist.  Man  setzt  daher  die  Krümmung 
eines  Kreises  gleich  dem  reciproken  Werthe  des  Badius,  also 

gleich  — 

Bei  anderen  Curven  ist  die  ILrümmung  in  verschiedenen 
Punkten  eine  verschiedene.  Um  sie  zu  messen,  wird  man  die 
Curve  mit  demjenigen  Kreise  vergleichen,  welcher  sich  in  dem 
betrachteten  Punkte  unter  allen  Kreisen  am  nächsten  an  die 
Curve  anschmiegt. 

Es  giebt  nändich  für  jeden  Punkt  P  einer  beliebigen  Curve 
unendlich  viele  Kreise,  welche  die  Curve  im  Punkte  P  berühren. 
Unter  diesen  Kreisen  giebt  es  jedoch,  wie  in  §  86  gezeigt  wurde, 
einen,  der  sich  an  die  Curve  näher  anschmiegt  als  alle  anderen. 
Diesen  Kreis,  der  den  Badius  q  haben  möge,  nennt  man  den 

Kriimmungskreis.  und  —  nennt  man  die  Krümmung  der  Curve 

in  dem  betrachteten  Punkte. 

Der  Werth  von  q  und  ebenso  die  Werthe  der  Coordinaten 
S  und  fi  des  Krümmungsmittelpunktes  wurden  bereits  in  §  87 
berechnet.    (Vergl.  die  Formeln  Nr.  106  und  107  der  Tabelle.) 

Der  Krümmungskreis  kann  aber  auch  in  folgender  Weise 
erklärt  werden.    Die  Gleichung  des  Kreises 

enthält  drei  willkürliche  Constante  ?,  17,  9,  welche  man  so  be- 
stimmen kann,  dass  der  Kreis  durch  drei  gegebene  Punkte  P, 
Pi,  P2  hindurchgeht.    Dies  giebt  die  drei  Bedingungsgleichungen 


382  §  88.    ExttmmoBg  der  Gorrea. 

(la.)         «»-2|a;  +  g»  +  y2_2fly  +  fl»  — ^2  =  0, 
(2.)  «,»  —  25ar,  +  P  +  yi«  —  2fly,  +  ^^  —  ?*  =  0, 

(3.)  «2»  — 2ga52  +  S2  +  y22_2,yj  +  , 2  —  ^2=0. 

Indem  man  die  Gleichmigen  (la.)  and  (2.)  bezw.  von  den 
Gleichmigen  (2.)  und  (3.)  subtrahirt,  findet  man  hieraus 

(4.)    V  — «'  — 2S(a5i— «)  +  y,«  — y»  — 2i/(y,— y)  =  0, 
(5.)  ajjJ  — V  — 2S(a^  — a;,)  +  yj*  —  J/i*  —  2^(y2  —  yj  =  0, 
oder,  wenn  man  Gleichung  (4.)  durch  x,  —  x  und  Gleichung  (5.) 
durch  «2  —  «1  dividirt, 

(4a.)        a;i+«  — 2§  +  (y, +  y  — 2i/)^i^  =  0, 


1 


(5a.)        «2  +  a:i  — 2S  +  (y2  +  yi  — 2^)^ — ^  =  0. 
Aus  diesen  Gleichungm  folgt  durch  Subtraction 
(6.)  a:,_x-(y,  +  y-2,)2LIZl  +  (y^+y^_2,)^ZZ^  =  0, 

oder,  wenn  man 

(y2  +  yi-2fl)|^-(y,+yi-2,)|5|  =  o 
addirt, 
(6a.)  a=,-^  +  (y2-y)|=|+(y2+y,-2,)(g5|-^)=0. 

Diese  Gleichungen  gelten,  wo  auch  die  Punkte  P,  P^ ,  P^ 
liegen  mögen.    Nimmt  man  sie  auf  der  Curve  an  und  setzt 

(7.)  x^=^  X  +  Jxj    X2=^x  +  2Jx, 

so  gelten  die  Gleichungen 

(8.)        y=/(^),    yi=^Ax  +  Jx),    y2  =/(^  +  2^2?), 

und  die  Gleichungen  (4  a.)  und  (6  a.)  gehen  über  in 

(9.)     2:c  +  ^^-2S  +  (yi+y-2i?)ı^ZL£(£)  =  o, 

(10.)  2Jx  +  [fix  +  2Jx)  _/(:,)J&+^ZL/M 

+  (y,+y,_2,)/(£±^ÄzÄt^^ 


§  88.    Krümmung  der  Gurven.  383 

oder,  wenn  man  die  letzte  Gleichung  durch  2Jx  dividirt,  in 
(10a.)  1  I  /(^+2^^)-/(^)  f{x+Jx)  -fix) 

^  2Jx  Jx 

+ i(y2+yi — 2^)  ^^^-^ —     X^        /-^>^v^  =  0. 

Nun  ist  aber  für  lim  ^2;  =  a 

limy2  =  Mniyi  =y; 
sodann  ist  nach  Formel  Nr.  15  der  Tabelle 

und  ebenso,  wenn  man  Jx  mit  2^:r  vertauscht, 

endlich  ist  nach  Formel  Nr.  44  a  der  Tabelle 

Deshalb  erhält  man  aus  den  Gleichungen  (9.)  und  (10a.), 
wenn  die  Punkte  P,  /\  und  P^  einander  unendlidi  nahe  rficken, 
so  dass  sich  Jx  dem  Grenzwerthe  0  nShert, 

(11.)  ix-t)  +  i3f-fi)rix)  =  0, 

(12.)  1  +/'  ix)^  +  (y  —  fi)f'ix)  =  0. 

Aus  diesen  Gleichungen  findet  man  wieder  in  üeberein- 
stimmung  mit  den  Gleichungen  (16.),  (17.)  und  (18.)  in  §  87 

2>^  Krümmungskreis  kann  also  auch  erklärt  werden  ab 
der  Kreisj  welcher  durch  drei  unendlich  nahe  Punkte  der  Ourve 
hindurchgeht 

Dieser  Satz  ist  nur  ein  besonderer  Fall  des  allgemeüien 
Satzes,  dass  zwei  Curyen  n  +  1  unendlich  nahe  Punkte  gemein- 
schaftlich haben,  wenn  sie  eine  Bertthinmg  n^^  Ordnung  besitzen. 


384  §  89.    Anwendimgen  auf  einzelne  Gurven. 

§  89. 

Anwendungen  auf  einzelne  Curven. 

Aufgabe  1.    Man  soll  den  Erünunungskreis  für  die  Parabel 

(1.)  y2  =:  2ax 

bestimmen,*) 

Auflösung.    Aus  Gleichung  (1.)  folgt 
,  s  —  !^  —  «         —  ^.  — . ?L  ^  — . f! 

^  '^  ^  ^  dx^  y^      ^  '~  dx^  y^  dx  y^' 

Setzt  man  diese  Werthe  in  die  Formeln  Nr.  106  und  107 
der  Tabelle  ein,  so  findet  man 

a^  +  y2     n  /       •73\  /i2  _L  «y2 

y2  y 

oder 

(4.)  §  =  a:  H =1  a  +  Sx; 


y\     ay  a 


'~^^     y2     \    «V     ^  a* 

oder 

,  giy  — güy  — y8  _       y». 


o2  «2 


(g2  +  y2)l  /     y»\  _      (g»  +  yi')i 
yä        \      ay      "•■         g2 


Für  den  Scheitel  der  Parabel  wird  y  gleich  0,  folglich  ist 
in  diesem  Punkte 

(7.)  p  =  +  a,     5  =  a,  ^  =  0.  ^ 

In  dem  Scheitel  hat  auch  der  Erfimmungskreis  mit  der 
Parabel  eine  Berührung  von  der  dritten  Ordnung.  Es  wird  hier 
nämlich 


*)  In  dieser  Aufgabe  ist  der  Parameter  der  Parabel  mit  a  be- 

zeichnet,  während  p  hier  und  in   den  folgenden  Aufgaben  gleich  JK 

ax 

sein  solL 


§  80*.    AnwandungeQ  auf  dnzelne  Curven.  SB5!^ 

(8.)  ^..,.,  =  g=^|=-^,. 

und  mdk  GMehimg  (23.)  in  §  87 

^"M  -  -  «eH^-g)  _  3(a' +  y»)»  («' +  y')  •  <»*' 

^  ^  ^~        (y  — ?)*  ~        a* .  a .  (a»  +  y?)  V 
oder 

Daraus  folgt 

nft^  öl)-?^      (a2  +  y2)y5  ,,2  4,y2, 

deshalb  wird  für  lima:  =  0,  limy  =  0 

(11.)      iimÖL)=»i,    oder    lim/^''(2:)  =  limy'"(a:)/ 

ffr     \X) 

Die  Parabel  hat  daher  im  Scheitel  mit  dem  zugehörigen 
ErümmungBkreise  eine  Bertthnmg  von  der  dritten  Qrdnimg. 

Aufgabe  2.    Man  soll  den  Erömmnngskreis  für  die  Ellipae 

(12.)  b^x^  +  a2y2  _  a2J2  —  o 

bestimmen. 

Auflösung.    Ans  Gleichung  (12.)  findet  man 

(^^•)         te;  •= ^  +^  = — sy— 

Setzt  man  diese  Werthe  in  die  Formeln  106  und  107  der 
Tabelle  ein,  so  erhält  man 

ia?2  +  a4y2) 


^ ""  ^  aV^        V     ahf)  \       J*  / ""  ^  a* J2 

Mit  Bücksicht  auf  Gleichung  (12.)  ist  aber 
(15.)        h^x^  +.  oy •=?  J2(a*.  —  «2^;^>  ==  «?(i*  +  ^y), 
folglich  wird 

Stegemazm-Kiepert,  DifferentuJ-Bedmimg.  25 


386'  §  89.    Anwendungen  auf  einzelne  Curven. 

(16.)    5  =  ^ — '—^, — "=-sr' 

oder  nach  Gleichung  (15.) 

(17.;     fl  — y j4        —       j4 ' 

(1^-)      ?  =  ± ^V V i^/  ""  ^ S^i^ 

Femer  ist 

Bb^x 


(19.)        /'"(:r)  =  - 


«V^ 


Bh^^x 


(JU.;  ^    ^a;;^         (y  — i?)*  aV(J*a;2+ay) 

Daraus  folgt 

f'"{x)  __  Bb^x  oVH^^^^  +  gy)  _  ^^^^  +  gy 

also  fiira:=±a,  y  =  0  wird 

(22.)  -^j  =  1,    Oder  f'"(x)  =  ^-'(4 

Auch  für  a?  =  0,  y  =  ±  6  wird 

(22a.)  /'''(:c)  =  ^'"(:c)  =  0. 

In  den  vier  Scheitelpunkten  der  Ellipse  findet  daher  eine 
Berührung  von  der  dritten  Ordnung  mit  dem  zugehörigen 
Krfimmungskreise  statt.    (Vergl.  Fig.  102.) 

Dabei  wird 
(23.)  ^  =  +^lffir  x  =  0 

und 
(24.)  e  =  ±—  fury  =  0. 

Aufgabe  3.    Man  soll  den  Erümmungskreis  für  die  Hyperbel 

(25.)  b^x^  —  a2y2  _  a^^  =  0 

bestimmen.     . 


§  89.    Anwendungen  auf  einzelne  Ourven.  887 

AuflSsung.  Die  Bechnungen  gestalten  sich  hier  genau 
ebenso  wie  in  der  vorhergehenden  Aufgabe,  man  hat  nur  +  Ifl 
mit  — i^  zu  vertauschen.    Dadurch  erhält  man  wieder 

(26.)     1  =  -^,       n^—V'        g  =  +         aV      - 

genau  so  wie  bei  der  Ellipse,  hier  ist  aber  e^  gleich  a^  +  6^^ 
während  bei  der  Ellipse  e^  gleich  a^  —  V^  war. 

Aufgabe  4.  Man  soll  den  Krümmungskreis  für  il(d  Ketten- 
linie 


(27.)  y     2 

bestimmen. 


=jO  "+'''") 


Auflosung.    Aus  Gleichung  (27.)  folgt  mit  Bücksicht  auf  die 
Formeln,  welche  in  §  81,  Aufgabe  7  entwickelt  worden  sinc^, 


(2«.)  q 


(30.) 


^  =  i(/  +  ."»)=y. 


Setzt  man  diese  Werthe  in  die  Formeln  Nr.  106  und  107 
der  Tabelle  ein,  so  erhält  man 

(31.)  g  =  a;  — i^.i-i =  a;  — «^i-i- , 

(32.)  ?  =  y  +  ^2-y  =  2y, 

Es  war  aber  auch  die  Normale 

(84.)  ^=y^  =  ^ 


dx       a 


26* 


3£[8  §  89.    Anweadiingen  auf  einzelne  Corvexi. 

(vergl.  G:}eiphang,(480  auf  Seite  881),  folglich  ist  der  Ejräimmmgs- 
radius  bei  der  Ke;tt^iliiue,  der  zngßhörigea  Nonnale  gleich;  er 
hat  aber  die;  entgegengesetzte  Bichtung,  wie  man  schon  ans 
Gleichung  (82.)  erkennt. 

Aufgabe  5.    Man  soll  den  Erämmungskreis  für  die  Cykhide 
(86.)  x^a{t  —  Wit\    y  =  a  (1  —  COS^) 

bestimmen. 

A|iflS8|^ng.    Aus  den  Gleichungen  (85.)  folgt  durch  Differen- 
tiation 

(36.)        dx  =  a(l  —  cos^)cÄ,      dy  =  asin^  cÄ, 

(87.)       d^x  =  asm^ .  dfl^  dh/=zacoBt.  dfij 

(88.)        Ä2  =  cfe2  +  rfy2  =  2a2(l  —  cos^^^  =  4a2sin2(|^d^, 

(88a.)      ds  =  2asm  T- j  cß, 

(89.)  dxd^  —  dydh!  =  —  a2  (1  —  cos^)  dfi  =  —  2a2sm2  {^\  dt\ 

Dies  giebt  nach  Formel  Nr.  106  und  107  der  Tabelle 

4a2sin2^-yasin< 

|  =  a: =q(<  — sip^)  +  2asm<, 

—  2a2sin2(~j 

od.^ 

(40.)  ?  =  a(^  +  siÄO; 

4a2sin2  ^|-^  •  a(l  —  cos^ 

«7  =  y  + ^^ jrr =  a(l  —  cosQ  —  2a(l  —  cos^), 

—  2a2sin2(M 

oder 

(41.)  fl  =  —  a(i  —  cosO  =?..—  y ; 

8a3sin3(i) 

(42.)  p  =  ± ^  =  T  4asin(i) 

-2a2sia2(y  ^^^ 


§  89.    Anwendungen  auf  dnzelne  Curveti. 


8Ö9 


Nun  war  aber  (nach  GMchnng  (61.)  in  §  81)  die  Normale 

(43.)  JV=y^=2a8iil(^), 

folglich  ist  der  Krümmungshalbmesser  doppelt  so  gross  tote  die 
Normale, 

Noch  etwas  schneller  kommt  man  auf  folgende  Weise  zum 
Ziele.    Ans  den  Gleichungen  (36.)  findet  man 


du         shit  .  /t\ 

^  =  i  =  i3:^<-«H2> 

_dh/  _dp    dt  _  1 

^       dx^      dt    dx 


2sin^(0  2asin2/0        *«sin*(0 


(S/--^— '(l)=4:y 


?  =  a;  + 


os(i)-  4asin*(|) 

4asin*(5-) 

-4asin*(|)     _ 
?  =  ± tt: — =  +  4asin(^2/ 


=  a(#  +  sin#), 


cmt), 


*'(9 

Diese  Eesultate 
werden  durch  Figur 
103  bestätigt. 

Ist  nämlich  M  der 
Mittelpunkt  des  Erflm- 
mungskreises  für  den 
Punkt  P,  so  wird 


Fig.  103. 


390  §  49.    AnwexkduDgen  auf  einzehie  Gurven. 

PM=2PB, 
odei* 

PB  =  EM. 

Daraus  folgt 

A  BKM&  BQP, 
und  deshalb 

i7  =  irjf  =  — JOr=  — QP  =  — y; 

BK=z  QB=PD  =  awit, 

also 

g=  OQ  +  2QB  =  a{t  —  Wit)  +  2a^t 

=  a(t  +  sin^). 

Aufgabe  6.    Man  soll  den  Krömmungskreis  der  Astroide 
(44.)  X  =  acos%    y  =  asin^ 

bestimmen. 

AuflSsung.    Aus  den  Gleichungen  (44.)  folgt  durch  Differen- 
tiation 

(45.)      di  =  —  3acos^  sin^ .  cÄ,    rfy  =  Sasin^^  cos^ .  rf^, 
(46.)  ^  =  |  =  -tg<. 

(47.)  jr  —  ^^j—       cos2<*<fo      3acos<<sm<' 


w   (iy=i+^^=i+*«''=E^ 


cos^^ ' 

(48a.)        ^  =  -^,- 

Dies  giebt  nach  den  Formeln  Nr.  106  und  107  der  Tabelle 
(49.)  5  =  a; 2>( :)3acos^^sin^=  acos^  +  3acos<  sin^^ ; 

(50.)  fi=y^ 2^-3acos*<sin^  =  3acos2^sin<  +  asm^; 

(51.)  ß=  ±  ^^  •  3acos^^sin^  =  q=  3asin^ cos^. 

cos^ 


§  89.    Anwendmigen  auf  emzelne  Cnrvem.  '391 

Aufgabe  7.    Man  soll  den  Kränunungskreis  für  die  Gnrye 

(52.)  X  =  3^^     y^St  —  fi 

bestünmen. 

AuflSsung.    Ans  den  Gleichungen  (52.)  folgt  durch  Differen- 
tiation 

(53.)  dx  =  ßtdtj      dy  =  3(1  —  t^)dt^ 

(54.)  d^x  —  %dfi,    dh/  =  —  %tdfi, 

(55.)  cfe2  =  di2  +  dy^  ==  9(1  +  2fi  +  t^)  dt^  =  9(1  +  ^2)2^^2^ 

(55a.)  rfÄ  =  3(l +  ^)flf^, 

(56.)  dxd^  —  rfy  d2^  =  —  18  (1  +  t^)dt\ 

Setzt  man  diese  Werthe  in  die  Formehi  Nr.  106  und  107 
der  Tabelle  ein,  so  erhält  man 

._^       9(1  +  ^^)^3(1-^2)^  3 

^-^  -18(1  +  ^2)        -3^  +2(1-^^ 

oder 

(57.)  5  =  |(i  +  2^2_^4). 

?=y+_i8(i  +  ^2)=^^-^^-^^a  +  ^^)> 

oder 

(58.)  n  =  —  4**; 

Aufgabe  8.    Man  soll  den  Erflmmungskreis  der  Epicykloide 

(60.)      rr  =  a(m  cos  ^  —  COS  w^) ,    y  =  a  (msin^  —  sinm<) 
bestimmen. 

Auflösung.    Aus  den  Gleichungen  (60.)  folgt  durch  Differen- 
tiation, wenn  man  wieder  m  —  1  =  ;«,  w+l  =  /  setzt, 

(61.)    dx  =  ma{ — Wit+Wimt)dt  =  2wäisin(^ jcosfr-jcft, 
(62.)    dy  =  ma(cos^ — COSw^) dt  =  2 wasinf— j sin f — j eÄ, 


302  §  89.    Anwendongeii  auf  eiazolne  Cwfifok. 


it) 

fRA.\  _^_^     dt  _    l  1 


COS 


««'(I)    2».*.(DC08(D 


/ 


4  ma  sin(— j  cos^f- j 

Setzt  man  diese  Werthe  in  die  Formeln  Nr.  106  und  107 
der  Tabelle  ein,  so  erhält  man 


^  4wa  .   /lt\  .   /nt\ 


=  a(mcos^  —  cosw^)  H — j-  (cosrn^  —  cosO, 
oder,  wenn  man 

fßti  \                                      2a      na 
(65.)  a j  =  —  =  a^ 

setzt, 

(66.)  S  =  öj  (mcos^  +  cosm^) ; 


,  Ama  .    /nt\       /lt\ 


=  a(msin^  —  WLmt)  H — r-  (sinm^  —  mi) , 

oder 

(67.)  47  =2=  a^  (msin<  +  sinm^). 

Endlich  wird 
(68.)  ,=  ±i|fsin(D. 

Aus  Figur  74  auf  Seite  335  erkennt  man,  dass 
(69.)  P5  =  2asin(^ 

wird,  folglich  ist 

(70.)  ^^^J1.PB  =  ^J^.PB. 

^         l  n  +  2 

Daraus  ergiebt  sidi  eine  sehr  einfache  Construction  des 
Krümmungstuittelpunktes. 


§  89.    Anwendtmgen  auf  einzehiedirven.  398 

Aufgabe  9.    Man  soll  den  Krfimmungskreis  dar  Hypocykhide 
(71.)      X  =  a(incos^  +  cosm^),    y  =  a(wsin^  —  sinm^ 
bestimmen. 

AuflSsung.  Wenn  man  hier  m  +  1  mit  n  und  m  —  1  mit  / 
bezeichnet,  so  wird  in  ähnlicher  Weise  wie  bei  der  vorhergehen- 
den An^be 

(72.)  dx  =  —  2masin  f  — )  cosf^- jrfi^, 

(7B.)  rfy  =  +  2inasin(— jsin(~jefö, 


(74.) 


^__     /ft\  ds  _  1 

dx^       ^\2/  dx'^  /«V 


:(75.)  ^=+ L__; 

4masin  (^  jcos»^- j 


na 


dies  gfiebt,  w^nn  man  -j-  mit  a^  bezeichnet, 

(76.)  S  =  %  (^cos<  —  cos  w^) , 

(77.)  ^  =  «1  (msin^  +  sinm^), 

(78.)  ^  =  q:*f?sm(D=?p.PÄ   (Vgl. Fig. 75.) 

Aufgabe  10.     Man   soll   den    Erömmungskreis   der  Ereis- 
evolvente 

(79.)  X  =  a(cos<  +  ^sin^),    y  =  a(sin<  —  ^cos^) 

bestimmen. 

Auflösung.    Durch  Differentiation  der  Gleic^fmgen  (79.)  er- 
hält man 

(80.)  dx  =  a^cos^ .  dt^     dy  ==  a^sin^ .  Ä, 

(»1-'   " = I = ^'.    %-^i' 


394     §  90,    Die  ErOxninimgsmittelpuiiktB-Giirven  oder  Evoluten. 

Setzt  man  diese  Werthe  in  die  Formeln  Nr.  106  und  107 
der  Formel-Tabelle  ein,  so  wird 

(83.)  5  =  a:  —  a^sin^  =  acos^, 

(84.)  4?  =  y  +  ö^cos^  =  asin^, 

(85.)  Q^  ±at. 

Daraus  ergiebt  sich,  dass  der  Punkt  JS,  in  welchem  der 
abgewickelte  Faden  den  Kreis  verlässt  (Fig.  78),  der  Eriim- 
mungsmittelpunkt  ist. 


§  90. 

Die  KrOmmungsmittelpunkts-Curven  oder  Evoluten. 

Wenn  man  sich  die  Erflmmungskreise  zu  sämmtlichen  Punkten 
P,  Pi,  P2J  •  •  •  ^^r  Curve  construirt  denkt,  so  wird  durch  die 
zugehörigen  Erflmmungs-Mittelpunkte  3f,  Jf^,  M2, . . .  eine  neue 
Curve  bestimmt,  welche  man  die  SsümmungsmütelpunktS' Curve 
der  gegebenen  Curve  nennt.  Durchläuft  also  ein  Punkt  die  ur- 
sprüngliche Curve,  so  durchläuft  sein  Erämmungsmittelpunkt  die 
Ernmmungsmittelpunkts- Curve.  Um  die  Gleichung  derselben 
zu  finden,  braucht  man  nur  aus  den  drei  Gleichungen 

(1.)  y=/(^)    oder    P(ir,y)  =  0, 

(2.)  5  =  ,_(1±£^, 

(3.)  ,  =  y+l±£' 

die  Grössen  x  und  y  zu  eliminiren,  dann  erhält  man  die  gesuchte 
Gleichung  zwischen  |  und  9. 

Sind  X  und  y  als  Functionen  einer  dritten  Veränderlichen  t 
gegeben,  so  werden  auch 

/^\    V  ds^dy  j  .  ds^dx 

Functionen  von  ^,  so  dass  die  Erümmungsmittelpunkts- Curve 
schon  durch  diese  beiden  Gleichungen  üi  zweckmässiger  Form 
gegeben  ist,  da  man  zu  jedem  Werthe  von  t  die  zugehörigen 
Werthe  von  5  und  i?  findet. 


§  90.   Die  Krüminuiigsmittelpuiikts-Ourven  oder  Evoluten.        395 


Um  die  Beziehungen  leichter  zu  erkennen,  welche  zwischen 
der  ursprünglichen  Curve  und  der  Krünunungsmittelpunkts-Curve 
bestehen,  ersetze  man  die  Curve  zunächst  durch  ein  Polygon 
PP^  P2  P3 . . .  mit  lauter  gleichen,  beUebig  kleinen  Seiten  (vergl. 
Fig.  104),  dessen  Ecken  P,  P^,  P2, . . .  auf  der  Curve  liegen. 
Dann  kann  man  die  Mit-  -^^  ^q^ 

telpunkte  M,  M^,  M^^ . . . 
der  Kreise  finden,  die 
durch  je  drei  auf  einander 
folgende  Punkte  P  gehen, 
indem  man  die  Seiten  des 
Polygons  halbirt  und  in 
den  Mittelpunkten  B,  Jß^, 
^2?  •  •  •  Lothe  JRM,  A-^u 
RiM2i . . .  auf  den  Seiten 
des  Polygons  errichtet. 

Eücken  die  Punkte 
P,  Pj ,  P2, . . .  einander 
immer  näher,  so  geht  das  Polygon  PP^  P2 . . .  in  die  ursprüng- 
liche Curve  und  das  Polygon  MM^M^,..  in  die  Krümmungs- 
mittelpunkts- Curve  über.  Dabei  werden  die  Geraden  PP^, 
P1P2,  P2P3, . . .  Tangenten  der  ursprünlichen  Curve,  weil  sie 
zwei  unendlich  nahe  Curvenpunkte  mit  einander  verbinden,  und 
die  darauf  senkrecht  stehenden  Geraden  RM^  -Bi-ä^i,  ^2-8/2,  •  •  • 
werden  Normalen  der  ursprünglichen  Curve.  Die  Gerade  R^M^ 
geht  aber  auch  durch  If,  die  Gerade  R^M^  geht  auch  durch 
-Sfj ,  u.  s.  w.  Da  nun  auch  die  Punkte  M^  M^^  -äfj , . . .  ein- 
ander unendlich  nahe  rücken,  so  sind  die  Geraden  RM^  Rx^u 
R^M^y...  gleichzeitig  Tangenten  der  Krümmungsmittelpunkts- 
Curve,  und  man  erhält 

Satz  1.  Die  Normalen  der  ursprünglichen  Curvie  sind  Tan- 
genten der  Krümmungsmittelpunkts' Curve. 

Dabei  folgt  aus  der  Congruenz  der  Dreiecke  RMP^  und 
RiMP^^  dass 

JB3f  =  R^M 
ist.    Ebenso  wird 

R^M^^zR^M^,    ÄjJkfi  =  ^-äf2,    R^M^:=R^M^, 


396     §  dO.    Die  KrfltmtmngsmittelpniiktB-OurTOn  ocler  Evolateo. 

DaratiB  ergeben  sich  die  folgenden  Gleichungen 

Ifii  jfi  —  RM  =  ^  Jfj  —  Ä,  jf  =  JOf,, 
JBjJfj  —  Äi  if,  =  Äjlfj  —  ÄjJfi  =  X-Wj, 

Ans  diesen  Gleichnngen  folgt  durch  Addition 
(6.)    R„Mtt—RM=^  MMi + 3fi  Ar2+Ä2Ä,+ . . .  +  lf„_i  Ma. 

Eücken  die  Punkte  P,  P^,  Pj , . . .  einander  unendlich  nahe,  so 
gehen  £ Jf,  üj  M^ ,  i22-3f2) ...  in  die  Eriimmungshalbmesser  q,  q^  , 
^21...,  und  das  Polygon  M]U^M2M^...  geht  in  den  Bogöi  er 
der  Krflmmungsmittelpunkts-  Cftrve  über.  Bezeichnet  man  daher 
den  Unterschied  zweier  benachbarten  Ejummungshalbmesser  mit 
dg  und  die  entsprechende  unendlich  kleine  Seite  des  Polygons 
JtOfjJfjJfs...  mit  rfc,  so  wird  da  der  unendlich  kleine  Zu- 
wachs des  feogens  er,  und  .die  Gleichungen  (5.)  und  (6.)  erhalten 
die  Form 

(5  a.)  dQ=:d(T^ 

(6a.)  Qa  —  Q=^(f, 

wobei  <T   der    Bogen    der   KWliimiungsmittelpunkts-Curve   ist, 
welcher  zwischen  den  beiden  Krümmungsradien  q  und  Qa  liegt. 
Darin  sind  die  folgenden  Sätze  ausgesprochen: 

Satz  2.  Die  unendlich  Heine  Chrösse^  um  welche  sich  der 
Krümmungshaibmesser  einer  Curve  ändert^  ist  gleich  der  entsprechen- 
den Aenderung  des  Bogens  der  JSriimmungsmiitelpunitS'Ourve. 

Satz  3.  Die  Differerhz  zweier  Krümmungshalbm^ser  ^a 
und  Q  giebt  die  Länge  des  Bogens  a  der  KrümmungsmittelpunM^' 
Curve  zwischen  q  und  Qa» 

Aus  diesen  beiden  Sätzen  folgt,  dass  die  ursprüngliche  Curve 
aus  der  EMmmungsmittelpunkts-Curve  durch  Abwickelung  (oder 
Aufwickelung)  eines  Fadens  entsteht.  Denkt  man  sich  nämlich 
zunächst  um  das  Polygon  MM^il2M^...Ma  einen  vollkommen 
biegsamen,  aber  nicht  dehnbaren  Faden  gelegt,  dessen  Endpunkt 
sich  in  JR  befindet,  so  beschreibt  der  Endpunkt  des  Fadens  zu- 
nächst einen  Kreisbogen  RR^^  weil  MB  und  MB^  gleich  lang 


§.  90.    Die  Krüi^muDgsmittelpuiikts-Curveii  oder  Evoluten.       397 

sind,  und  aus  der  gebrochenen  Linie  M^MR  wird  die  gerade 
Linie  M^R^.  Dann  beschreibt  der  Endpunkt  des  Fadens  einen 
Kr^bQgen  R^Rii  und  aus  der  gebrochenen  Linie  M^MiRi  wird 
die  gerade  Linie  M^Ri'i  ^«  s.  w. 

Backen  die  Punkte  P,  Pi,  P2, . . .  einander  unendli9h  nahe, 
so  fallen  die  kleinen  Kreisbögen  üjßi,  R^R^^...  mit  der  ur- 
sprünglichen Gurve  zusammen,  und  man  erhält 

Satz  4.  Die  ursprüngliche  Curve  entsteht  durch  Abtoicieltmg 
der  KrümmungsmittelpunitS'  Curve. 

Man  nennt  deshalb  auch  die  Erömmungsmittelpunkts-Curve 
gewöhnlich  die  Evolute  und  die  ursprüngliche  Curve  die  Evol- 
vente. 

Ba  die  Länge  des  Fadens  noch  beliebig  ist,  so  folgt  hieraus, 
dass  bei  der  Abwickelung  des  Fadens  unendlich  viele  Curven 
entstehen.    (Vergl.  Fig.  105.)    Dies  giebt 

Satz  5.  Jede  Curve  hat  eine  eimig,e  Evolute^  aber  zu^  jeder 
als  Evolute  angenommenen  Curve  gehören  unendlich  viele  Evol- 
venten. 

Diese  Sätze  ergeben  sich  auch  durch  Rechnung  aus  den 

Gleictaingw 

(7.)  |  =  ._(kl^    ond   ,  =  y+^^ 

Da  y  durch  die  Gleichung 

y  ==/(«) 

als  Function  yor  x  erklärt  ist,  so  sind  auch  die  Grössen 

und  deshalb  auch^  und^^  Functionen  von  x.  Durch  Diffieren- 
tUition  n^  X,  findet  man ,  daher  aus  dien  Gleichuogen .  (7,) 

rr,.     dS    \       qH^+Bp^)—p{l+p^)r  _—Bp^q^+p(l-{-p^)r 

^^'^   di^^~ ^T" "  T^  ' 

(9)     ^?^j,   I    2pq^-(l  +P^)r  ^Spq^-{1  +  p^)r 

^    '      dx        ^  y2  y2j 

Indem  man  diese  be|d^  Gleichungen  durch  einander  dividirt, 
findet  man 


398       §  90.    Die  Krümmungsmittelpunkts-Ourven  oder  Evoluten. 


'       *^  d§  p  dy 

Ist  alBQ  wie  gewöhnlich  a  der  Winkel,  den  die  Tangente 
TP  in  irgend  einem  Punkte  P  der  Curve  y=f{x)  mit  der 
positiven  Bichtung^  der 
X-Axe  bildet,  und  ß  der 
Winkel,  welchen  die  Tan- 
gente MN  der  Erüm- 
mungsmittelpunkts  -  Curve 
in  dem  zugehörigenPunkte 
M  mit  der  positiven  Eich- 
tung  der  X-Axe  bildet,  so 
ist  (Fig.  105) 

und   deshalb   nach   Glei- 
chung (10.) 


(11.) 


tg/y  =  -t^  =  tg(900+a). 


d.  h.  die  beiden   Tangenten    TP  und  MN  bilden  (hinreichend 
verlängert)  einen  rechten  Winkel  mit  einander. 

Die  Gerade  PM  steht  aber  als  Krümmungshalbmesser  eben- 
falls senkrecht  auf  der  Tangente  TP,  sie  muss  daher  mit  MN 
zusanunenMlen,  da  es  durch  den  Punkt  M  nur  eine  Gerade 
giebt,  welche  auf  TP  senkrecht  steht.    Dies  giebt  wieder 

Satz  1.  Die  Normalen  der  ursprünglichen  Curve  sind  zu- 
gleich Tangenten  der  Krilmmungsmittelpunkts-Gurve. 

Indem  man  die  Gleichungen  (8.)  und  (9.)  in's  Quadrat  er- 
hebt und  addirt,  findet  man 


dx^  q^ 


(12.) 

und  wenn  man  die  Gleichung 


§  91.    Anwendungea  auf  einzelne  Ourven.  399 

differentiirt,  erhält  man 

^     '^  dx       '~  q^ 

Setzt  man  jetzt  wieder  das  Bogenelement  der  Eriimmimgs- 
mittelpmikts-Curve 

(14.)  yWTdi^  =  dfs, 

so  findet  man  ans  den  Gleichungen  (12.)  und  (13.) 

(15.)  rfc  ==  ±  dq. 

Dies  giebt 

Satz  2.  Die  unendlich  kleine  Crrösse,  um  welche  eich  der 
Krümmungshalbmesser  einer  Curve  ändert,  ist  gleich  der  entsprechen- 
den Aenderung  des  Bogens  der  KrümmungsmiUelpunkts-  Curve. 

Ans  diesen  Sätzen  ergeben  sich  dann  ohne  Weiteres  auch 
die  Sätze  3,  4  und  5  in  derselben  Weise  wie  oben. 

§  91. 

Anwendungen  auf  einzelne  Curven. 

Aufgabe  1.    Man  soll  die  Evolute  der  Parabel 

(1.)  y^^2ax 

au&uchen. 

Auflösung.  Nach  den  Gßeichungen  (4.)  und  (5.)  in  §  89  wird 
für  die  Parabel 

(2;)  t  =  a  +  ^,    '  =  -& 

folgUch  ist 

oder 

(3.)     27ai?2  =  8(1  —  a)\    oder  ,n=±  ^^^"""Ve^g— «)> 

Da  fi  nur  reelle  Werthe  haben  kann,  wenn 

t — ö^O,    also    ?^a 

ist,  so  beginnt  die  Curve  in  emem  Punkte  S  auf  der  X-Axe, 
welcher  den  Abstand  a  vom  Scheitel  hat.    Sie  erstreckt  sich 


400 


§  91.    Anwendungen  auf  einzelne  Ourven« 


von  da  in  zwei  znr  X-Axe  symmetrisch  gelegenen  Zweigen  bis> 
ins  Unendliche.    (Vergl.  Fig.  106.) 

Aus  Gleichung  (3.)  folgt  durch  Differentiation 

Für  5  =  a  wird  also  der 
Winkel  a  gleich  0,  d.  h.  die  beiden 
Zweige  b^iibren  im  Punkte  S  die 
X-Axe,  so  dass  die  Curve  im 
Punkte  S  eine  Spitze  hat. 

Im  Uebrigen  hat  -4    da£»elbe 

'Vorzeichen  wie  i?,  der  Curven- 
zweig  über  der  X-Axe  steifft  daher 
und  der  unter  der  X-Axe  /alü 
beständig. 

Femer  findet  man  aus  Glei- 
chimg  (4.)  durch  nochmalige  Diffe- 
rentiation 

^.      4[2,(g-a)-(g-a)»|] 

oder  mit  Bücksicht  auf  die  Gleichungen  (8.)  und  (4.) 

<P^_  72afi^ß  —  g)  —  16  (S  —  ay  _  2(S  — o) 
rf|2 ""  '         81  aV  9a7 

Also  auch  ^  hat.  dasselbe.  Vorzeich^  wie  9,  d.  h.  der 

obere  Zweig  der  Curve  ist  nach  oben  concav^  und  der  untere 
Zweig  der  Curve  ist  nach  oben  conpex. 
Für  a?  =  4a  wird  y^  =  Sa^,  und 
für  5  =  4a  wird  ^2  =  ga^, 

folglich  wird  die  Parabel  in  den  Punkten^  mit  den  Coordinaten 
a;  =  4a,  y  =  ±  2a  yT  von  ihrer  Evolute  geschnitten. 

Aufgabe  2.    Man  soll  die  Evolute  der  EUipse 


(5.) 


Ä^»+.aV^a?Ä»  =  0,.  oder    ^ +-^  =  1 


(6.) 

aofmcheB.    (Vexgl.  Elg.  107.) 


§  91.    Anwendtmgen  auf  einzelne  Oorven. 


401 


AiillBsung.    Nach  den  Gleichungen  (16.)  nnd  (17.)  in  §  89 
wd  for  die  Ellipse 


(7.) 

und     ^  = ^> 

oder      • 

J3                 «2 

aJso 

Setzt  man  diese  Werthe  in  die  Gleichung  (6.)  ein,  so  erhält  man 

Da  die  Ellipse  die  beiden  Goordinaten-Azen  zu  Symmetrie- 
Ax&a  hat,  so  gilt  dasselbe  auch  von  ihrer  Evolute. 

Pfir  «7  =  0  wird  g  =  +  — ^ 


und  für  ?  =  0 


n 


JDadnrch  erhalt  man  die  vier  Schnittpunkte  S^,  iS^,  S^,  S^ 
der  Evolute  mit  den  Cioordinaten-Azen,  und  zwar  sind  diese 
Punkte  wieder  Spitzen  der  Curve,  weil 


e 


e' 


^^^a^    mid    ^»^p 

sein  muss,  und  weil  die 
Curvenzweige  in  den  ange- 
gebenen Punkten  die  X-Aze, 
bezw.  die  F-Axe  berühren. 

Man  kann  übrigens  diese 
Punkte  auch  leicht  constnii- 
ren,  indem  man  von  dem 
Punkte  C  mit  den  Coordi- 
naten  (Fig.  107) 

rc  =  a,    y  =  i 

Stegemann- Kiepert,  Differential-BechxiTUQg:. 


26 


402 


§  91.    Anwendungen  auf  einzelne  Ourven. 


anf  die  Gerade  AB  mit  der  Gleichnng 

—  4-  —  =  1 

welche  durch  die  beiden  Scheitel  A  und  B  der  Ellipse  hindurch- 
geht, em  Loth  fällt.    Dieses  Loth,  welches  die  Gleichuig 

(9.)  .  h{tf  —  h)  =  a{af  —  a) 

hat,  schneidet  die  X-Aze  in  einem  Punkte  S^  mit  den  Coordinaten 

a         ^ 

und  die  F-Axe  in  einem  Punkte  S^  mit  den  Coordinaten 


x^  —  Q, 


e' 


y=-r 


Aufgabe  3.   Man  soll  die  Evolute  der  Hyperbel 

^^'  ^^'  (10.)  i2a:2-aV-a262«0, 

oder 

— _y!— 1 

»2      J2  -  ^ 
au&uchen. 

AufIBsung.  In  ähn- 
licher Weise  wie  bei  der 
vorhergehenden  Au%abe 
findet  man  hier 


(11.) 


@/-@/-- 


Man  untersuche  die  Eigenschaften  und  die  Gestalt  dieser 
Curve. 


Aufgabe  4.    Man  soll  die  Evolute  der  Kettentinie 


a 


(12.)    y  =  J\^«»+e     «),    oder    VyJ  — a2=|(e» 

aoMchoi. 


-.-) 


§  91.    Anwendungen  auf  einzelne  Gurven. 


403 


Auflösung.    Nach  den  Gleichungen  (31.)  und  (32.)  in  §  89 
wird  für  die  Eettenlinie 


(18.)  |  =  .-yV^,      ,  =  2y. 

oder  mit  Rücksicht  auf  die  Gleichungen  (12.) 

e'-e     '),       f,  =  a(e'  +  e    i). 


Somit  sind  $  und  tj  als  Func- 
tionen einer  dritten  Veränderlichen^  ^j^ 
X  dargestellt,  so  dass  man  die  Gurve 
punktweise  construiren  und  ihre 
Eigenschaften  untersuchen  kann. 
(Vergl.  Fig.  109.) 

Da    man    die    Gleichung    der 
Eettenlinie  auf  die  Form 


Fig.  109. 

rr 


X 


=  ai(y±}^zif!) 


bringen  kann,  so  ergiebt  sich  aus 

den  Gleichungen  (13.)  auch  eine  Gleichung  zwischen  5  und  i?, 

nämlich 


g  ^  ^^A ± v?^ — ^«^   ^y? 


2  — 4a2 


4« 

Aufgabe  5.    Man  soll  die  Evolute  der  Cykloide 
(15.)  ic  =  a(^  —  sinQ,    y=a{X  —  cosO 

au&uchen. 

Auflösung.    Nach  den  Gleichungen  (40.)  und  (41.)  in  §  89 
wird  fftr  die  Cykloide 
(16.)  g  =  a(^  +  sinO,     7  =  —  a(l  —  cos^. 

Diese  Gleichungen,  welche  zur  Construction  und  Unter- 
suchung der  Evolute  wohl  geeignet  sind,  haben  einige  Aehn- 
lichkeit  mit  den  Gleichungen  der  Cykloide  selbst,  ja  man  kann 
sogar  zeigen,  dass  die  Evolute  gleichfalls  eine  Cykloide  ist. 
Dies  geschieht,  indem  man  ein  neues  Coordinaten- System  ein- 

26* 


404 


§  91.    AnwenduBgea  aof  eüuselne  Gurven. 


f&brt,  dessen  Abscissen-Axe  O'X'  parallel  ist'znr  X-Axe,  und 
dessen  Qrdinaten-Axe  O'y  parallel  ist  zur  F-Axe  (Pig.  110). 
Dabei  soll  der  neue  Anfiangspunkt  O*  eine  solche  Lage  haben,  dass 

(17.)  5'  =  a7r  +  5,     V  =  2a+^ 

wird.    Dadurch  gehen  die  GMchnngen  (16.)  fiber  in 
(18.)  l»  =  a{n  +  t  +  smO,    n'  =  «(1  +  cosO. 

Fig.  110. 


Setzt  man  jetzt  noch 
(19.)  t  =  1f  —  nj    also    ^  =  7r  +  <, 

so  wird 
(20.)  sin^  =  —  sin^ ,    cos  ^  =  —  cos^' , 

und  die  Gleichungen  (18.)  gehen  aber  in 

(21.)  g'  =  a(^  — sin^,     ^'  =  a(l  — COS^. 

Diese  Gleichungen  stinunen  genau  überein  mit  den  Glei- 
chungen (16.);  es  sind  nur  die  Buchstaben  x^  y,  t  bezw.  vertauscht 
mit  §',  fj'j  fj  d.  h.  die  gemeine  Cyüoide  ist  ihrer  Evoltde  congruerd. 

Nach  dem  Vorstehenden  ist  also  die  Cykloide  OPHA 
(Pig.  110)  eine  Evolvente  der  beiden  halben  Cykloiden  OB  und 
BA.  Befestigt  man  in  B  einen  biegsamen,  aber  nicht  dehn- 
baren Faden  und  legt  ihn  um  die  halbe  Cykloide  BMO^  so  wird 
das  Ende  0  die  Cykloide  OPHA  beschreiben,  wenn  man  zu- 
nächst den  Faden  von  dem  Bogen  BMO  abwickelt  und  dann 
auf  den  Bogen  BA  aufwickelt,  bis  das  Ende  des  Fadens  in  d^n 
Punkte  A  anlangt.  . 


§  91.    Anwendungen  auf  einzelne  Curven. 


405 


Daraus  findet  man  auch  leicht  die  Länge  des  CykLoiden- 
bogens  OB^  denn  die  Länge  des  Fadens,  der  auf  diesen  Bogen 
au^ewickelt  werden  kann,  ist 

(22.)  6B  =  HB  =  4a. 

Der  Bogen  OB  ist  aber  congruent  dem  Bogen  HÄ^  und  HA 
ist  die  Hälfte  der  ganzen  Cykloide,  folglich  ist 

(23.)  OPHA  =  8a. 

Der  Bogen  der  ganzen  Cykloide  ist  daher  8 -mal  so  lang 
tote  der  Halbmesser  des  die  Cykloide  erzeugenden  Kreises. 

In  der  Integral -Rechnung  wird  die  Länge  des  Gykloiden- 
bogens  durch  eine  andere,  allgemein  verwendbare  MeÜiode  ^- 
mittelt  werden. 

Aufgabe  6.    Man  soll  die  Evolute  der  Astroide 
(24.)  X  =  acos^,    y  =  asin^^ 

au&uchen. 

Auflosung.  Nach  den  Gleichungen  (49.)  und  (50.)  in  §  89 
wird  für  die  Astroide 

=  acos%  +  3a  cos^  sin%, 

3a  cos2^  sin<  +  asin^^. 


(25.) 


1^  =  3( 


Diese  Gleichungen  stellen, 
wie  sogleich  gezeigt  werden 
soll,  wieder  eine  Astroide  dar, 
die  aus  der  gegebenen  entsteht, 
indem  man  a  mit  2a  vertauscht 
und  die  Coordinaten-Axen  um 
einen  Winkel  von  45^  dreht 
Zwischen  den  neuen  und  den 
alten  Cioordinaten  eines  Punktes 
bestehen  bei  einer  solchen 
Drehung  der  Axen  bekanntlich 
die  Gleichungen 


Fig.  111. 


(26.) 


{ 


r  =  100845«  +  ifan45«, 

?'  =  —  San  450  +  9C0S45*, 


406  §  91.    AnweiidimgeEi  auf  emzelne  Corven. 

oder,  weil  cos 45^  und  sin 45^  beide  gleich  —=:  sind, 

(26a.)  1/2.^  =  5  +  7,  1/2  .  7'  =  —  g  +  ?. 

In  diesem  Falle  erhält  man  deshalb 

.     V    I  >^.  ?'  =  a(cos»^  +  3cos2^ sin^  +  Scos^sin^/  +  sm^^) 
\  =  a(cos^  +  sm<)^ 

.     .    I  y2 .  i  =  a(sm»^  —  3sin2^  cos^  +  Ssin^cos^^— cos«<) 
\  =  a(sin^  —  cos^^ 

Da  aber 

cos^  +  sin^ 


cos(^  —  45<^)  =  cos^cos45^  +  sin^  sin45^  = 
sin(^  —  45^)  =  sin^  cos45^  —  cos^  sin45^  = 


}/2 

sin^  —  cos^ 


ist,  so  wird 

.     V  f  (cos^  +  sinO^  =  2  y2  .  cos»(^  —  45«), 

l  (sin^  —  cos^)3  =  2  V^.  sin3(^  —  45»). 

Bezeichnet  man  noch  t  —  45«  mit  ^,  so  gehen  die  Glei- 
chungen (27.)  und  (28.)  aber  in 

(30.)  V  =  2ö  cosV,    i  =  2a  sinV. 

Hieraus  erkennt  man  die  Richtigkeit  der  oben  ausgesprochenen 
Behauptung. 

Aufgabe  7.  Man  soll  die  Evolute  der  Epicykloide 
(31.)  a;  =  a(mcos^  —  cosw^),  y  =  a(msin^  —  sinm^) 
aufiuchen. 

AuflSsung.    Nach  den  Gleichungen  (66.)  und  (67.)  in  §  89 
wird  für  die  Epicykloide 

(32.)    ?  =  ai  (mcos^  +  cosf»^),    17  =  a^  (wsin^  +  sinm^), 
wobei 

/QQ  \  na  n 

(88.)  «.  =  -  =  _j-^a 

ist.   Diese  Gleichungen  siad  den  Gleichungen  der  ursprünglichen 
Cnrve  so  Shnlich,  dass  die  Vermuthung  nahe  liegt,  die  Evolute 


§  91.    Anwendungen  auf  einzelne  Curven. 


407 


sei  [eine  den  EpicykLoiden  verwandte  Curve.  Durch  Transfor- 
mation der  CoordJnaten  kann  man  diese  V ermuthnng  bestätigen. 
Dreht  man  n&mlich  die  Coordinaten-Axen  nm  den  Winkel  t?,  so 
sind  die  nenen  Coordinaten  eines  Punktes  bekamitlich  durch  die 
Gleichungen 

(34.)        g'  =  gcost?  +  fjwiVj    'tf  =  —  gsint?  +  ^cost? 

gegeben.    In  dem  vorliegenden  Falle  erhält  man  daher 

5'  =  ai[f»(cos^cosü  +  sin^sint?)  +  (cosw^cost?  +  sinw^sint?)], 

vf  =  ai[w( — cos^sint?  +  sin<cost?)  +  ( — cosm^sint?  +  sinm^cost?)], 

oder 

5'  =  Ol  [mcos(^  —  t?)  +  cos(m^  —  t?)], 

t?)  +  sin(m<  —  t?)]. 

Setzt  man  nun 


(35.)        |r  =  «iimcos(«- 


(86.) 


7t 


t?  =  —    und    t  — 1?  =  ^, 


n 


so  wird,  da  m  =  »  +  1  ist, 


7t 


n 


also 

cos  {mt  —  t?)  =  —  cosm^, 

sin(m<  —  t?)  =  —  sinm^. 

Deshalb  gehen  die  Glei- 
chungen (35.)  aber  in 

(37)  p'=^(^^s^— ^sm^O) 
1 1]^  =  aj  (msin^ — sinw^). 

Die  Evolute  ist  also  tvieder 
eine  Epicykloide  derselben  Art^ 
nur  die  Dimension  hat  sich  in 
dem  VerhäUniss  von  n  +  2  zu 
n  verkleinert,  und  die  Richtung 


Fig.  iia 


7t     ^  7ir\ 

der  Azen   hat  sich   um   den    Winkel  —  1  oder j  gedreht. 

(VergL  Fig.  112.) 


408  §  91.    Anwendongea  auf  ftinateliw  Ganren. 

Jetzt  kann  man  auch  leicht  die  Länge  des  EpqrkliOidfin- 
Bog^is  berechnen.  In  Figor  112  entsteht  der  Bogßn  AB  durch 
Abwickebing  des  Bogens  AC^  folglich  muss  der  Bogen  AC  die- 
selbe Länge  haben  wie  die  Gerade  OB.    Nun  ist  aber 

CB=OB'-  00=(»  +  2)a ^a 

^       •    ^         n  +  2 

__^{n  +  l)a  _^{n  +  l)a^ 
#»  +  2     ""  n 

Deshalb  wird 
(38.)  ^-0  =  1^1+^^.,       i5  =  i(^±l)a. 

Ist  n  eine  ganze  Zahl,  so  besteht  die  Gurre  aus  2n  Bögen, 
welche  AB  congruent  sind;  der  Um£ang  Z7der  ganzen  Epicykloide 
wird  dann  8(w  +  l)a. 

Ist  z.  B-,  der  Figur  112  entsprechend,  «  =  3,  so  wird 
(38a.)  AB=^^         J7=  32a. 

Aufgabe  8.    Man  soll  die  Evolute  der  Hypocykhide 
(39.)        a;  =  a(mcos^  + cosm^),   y  =  a(wsin^  —  sinmQ 
au&uchen. 

AufiBsung.  Nach  den  Gleichungen  (76.)  und  (77.)  in  §  89 
wird  für  die  Hjrpocykloide 

(40.)    g  =  Oj (mcos^  —  cosfirf),    1?  =  «1  (msin^  +  sinm/)^ 

wobei 

ist.    Durch  Drehung  der  C!oordinaten-Axen  um  den  Winkel  v 
findet  man  in  diesem  Falle 
(42 )  1  5'  =  «1  [wcos(^  —  t?)  —  cos(w^  + «?)], 

\fl*=za^  [insin(^  —  t?)  +  sin(w^  +  t?)]. 
Setzt  man  jetzt  wieder 

(43.)  t?Ä—    und    t  —  v  =  t'^ 

n 

SO  wird,  da  hier  m^n  —  1  ist, 


§  91.    Anwendungen  auf  einzelne  Ourven.  409 

t  =  f  -{ ,        mt  +  V  =  mf  +  TT, 

cos(f»^  +  v)  =  —  coBmf,    sm(nd  +  o)  =  —  sinm^'. 
Deshalb  gehen  die  Gleichungen  (42.)  über  in 
(44.)  S'  =  «1  (wcos^  +  coBmf)^    fj'  =  a^(mwif  —  sinm^')- 

Die  Evolute  ist  also  tcieder  eine  Hypocykloide  derselben  Art^ 
nur  die  Dimension  hat  sich  in  dem  Verhältniss  von  n  —  2  zu  n 
verffrössert,  und  die  Richtung  der  Axen  hat  sich  um  den  Winkel 

—  gedrehte 

Auch  hier  kann  man  sehr  leicht  die  Länge  des  Bogens 
berechnen  und  findet,  ähnlich  wie  bei  der  vorigen  Angabe, 
wenn  n  eine  ganze  Zahl  ist,  dass  der  Umfang  der  ganzen 
Hypocykloide 

(45.)  J7=8(»  — l)a 

ist. 

Als  Beispiel  kann  hier  die  Astroide  dienen,  welche  man 
für  den  Fall  »  =  4  erhält.    (Vergl.  Fig.  111.) 

Aufgabe  9.    Man  soll  die  Evolute  der  Kreisevolvente 
(46.)  X  =  a(cos^  +  twit\    y  =  a(sin^  —  ^cos<) 

aufeuchen.    (VergL  Fig.  78  auf  Seite  342.) 

Auflösung.  Schon  aus  der  Entstehung  der  Ereisevolvente 
durch  Abwickelung  eines  Kreises  kann  man  schliessen,  dass 
dieser  Ereis  die  Evolute  sein  muss.    (Vei^l.  Satz  4  in  §  90.) 

Dieser  Schluss  wird  auch  durdi  die  Rechnung  bestätigt, 
denn  nach  den  Gleichungen  (83.)  und  (84.)  in  §  89  wird  fiir 
die  Kreisevolvente 

(47.)  |  =  acos^,  ^  =  asin^, 

also 

(48.)  P  +  n"^  «^ 

und  dies  ist  die  Gleichung  des  Kreises,  durch  dessen  Abwicke- 
lung die  Kreisevolvente  entstanden  ist. 


XI.  Abschnitt. 


Untersnehnng  Ton  Cnnren,  welche  anf  ein 
Polarcoordinaten-System  liezogen  sind. 

§  92. 

Tangenten  und  Normalen. 

(Vergl.  die  Fonnel-TabeUe  Nr.  108—113.) 

Bei  der  Bestunmuiig  der  Lage  eines  Punktes  dnreli  Polar- 

coordinaten  ist  eine  G^ade  OX  gegeben  and  auf  dieser  Geraden 

Fig.  118.  ein  Punkt  0;   den  Punkt   0  nennt 

man  den  Nullpunkt  oder  den  Pol,  und 
die  Gerade  OX  nennt  man  die  An- 
fangsricktung    oder    die   Polar -Axe 
des  Coordinaten-Systems. 

Ist  nun  ein  Punkt  P  beliebig 

gegeben,  so  nennt  man  die  positive 

Strecke  OP  =  r  den  Badius  vector  und  den  Winkel  y,  welchen 

OP  mit  der  Anfangsricbtung  bildet,  das  Argument  des  Punktes 

P.    (Vergl.  Fig.  113.) 

Durch  die  Lage  des  Punktes  P  sind  daher  die  beiden 
Ooordinaten  r  und  g>  gegeben,  und  umgekehrt:  Durch  die  beiden 
Ooordinaten  r  und  fp  ist  die  Lage  des  Punktes  P  gegeben, 

Macht  man  0  zum  Anfangspunkte  eines  rechtwinke%en 
Coordinaten-Systems  und  die  Anfengsrichtung  OX  zur  X-Axe, 
so  ist  der  Uebergang  von  rechtwinkeligen  Ooordinaten  zu  Polar- 
coordinaten,  wie  man  ohne  Weiteres  aus  der  Figur  erkennt, 
gegeben  durch  die  Gleichungen 

(1.)  a;  =  rcosy    und    y  =  rsin5p. 


§  92.    Tangenten  und  Normalen. 


411 


Fig.  U4. 


Daraus  folgen  dann  die  Gleichungen 
(2.)  r  =  y^r^  +  y2    und    y  =  arctg^^Y 

welche  den  Uebergang  von  Polarcoordinaten  zu  rechtwinkeligen 
Coordinaten  vermitteln. 

Ist  nun  zwischen  r  und  qt  eine  Gleichung  von  der  Fomt 

(3.)  Jl(r,5p)  =  0,    oder    r=/(5p) 

gegeben,  so  entspricht  dieser  Gleichung  eine  Curve. 

Auf  einer  solchen  Curve  (Fig.  114)  seien  P  und  P^  zwei 
benachbarte  Punkte,  deren  Coordinat^  mit  r,  9),  bezw.  mit 
r  +  A* ,  5p  +  rfy  bezeichnet  werden 
mögen,  wobei  durch  die  Bezeichnung 
sogleich  ausgedrückt  werden  soll, 
dass  die  beiden  Punkte  einander  be- 
liebig nahe  rücken  dürfen.  Beschreibt 
man  dann  um  0  mit  dem  Halb- 
messer OP  gleich  r  einen  Kreisbogen, 
welcher  den  Radius  vector  OP^  im 
Punkte  Q  treffen  möge,  dann  ist 

(4.)  OPy^  =  r'\'  dr, 

also 

Od  =  r,         QPy^  =  rfr, 

(5.)  QP^rdg>. 

Wenn  die  Punkte  P  und  Pj  einander  unendlich  nahe  rücken, 
so  darf  man  das  kleine  rechtwinke%e  Dreieck  PQPi  als  gerad- 
linig betrachten  und  erhält  nach  dem  pythagoräischen  Lehrsatze 

PP^'^  =  PQ^  +  aPl^ 

oder,  wenn  man  den  unendlich  kleinen  Bogen  PP^  wieder  mit 
ds  bezeichnet, 

(6.)  ds^  =  rfr2  +  r2rfy2. 

Femer  ist 


(7.) 


^  ^  »  QPi        dr 


Der  Winkel  QPiP  ist  der  Winkel,  den  die  Gerade  PiP 
mit  dem  Badius  vector  OPi  bildet;  räckea  aber  die  Punkte  P 


<  o  ■*        ■* 


J     f.    , 


412 


§  92.    Tangenten  und  Normalen. 


und  Pi  einander  unendlich  nahe,  so  wird  P^P  die  Tangente  der 
Curve  im  Punkte  P  (oder  Pj),  und  der  Radius  vector  OP^  fiUlt 
mit  OP  zusammen.  Bezeichnet  man  also  den  Winkel,  welchen 
die  Tangente  im  Punkte  P  mit  dem  Radius  vector  OP  bildet, 
mit  /ti,  so  wird  nach  Gleichung  (7.) 


(7  a.) 


tg^ 


rd(p 

SS  — ^— —  . 


dr 


Fig.  U6. 


Nennt  man  den  Winkel,  den  die  Tangente  mit  der  positiven 

Richtung   der  X-Axe    bildet, 
wieder  a,  so  ist,  wie  man  ohne 
Weiteres  aus  Fig.  115  erkennt, 
a  =  5p  +  |ii, 

tg«  =  tg(5P  +  li) 

__  tgy  +  tg/ti 
1  — tgytg/i* 

rdg) 


^9  + 


dr 


1  — tg9P 


rdg) 
dr 


oder,  wenn  man  Zähler  und  Nenner  mit  cosy .  dr  multiplicirt, 
(8.) 


smo) .  rfr  +  rcoso) .  rfo) 

tga  =  — ^     ,     .         j' 

cosy.ar — rsmg>.dg) 


Durch  den  üebergang  von  rechtwinkeligen  Coordinaten  zu 
Polarcoordinaten  werden  die  in  den  Gleichungen  (6.)  und  (8.) 
enthaltenen  Resultate  bestätigt.  Da  r  durch  Gleichung  (3.)  als 
Function  von  g>  erklärt  ist,  so  muss  man  auch 

X  =  rcos^p,        y  =  rsiny 

als  Functionen  von  g>  betrachten  und  erhält  durch  Differentiation 

dx        dr 
dg> 


=  ^cos^p  —  rsm^p 


oder 
(9.) 


dy        dr    . 

{cfe  =  cosy  .dr  —  rsmg>  .rfy, 
dy  =  sin^p  .  dr  +  rcos^p .  dg>. 


§  92^  Tangenten  nnd  Normalen.  413 

Erhebt  man  diese  beiden  Gleichungen  in's  Quadrat  und  ad- 
dirt  sie,  so  findet  man  wieder  wie  in  Gleichung  (6.) 

durch  Division  erhält  man  in  Uebereinstimmung  mit  Gleichung  (8.) 

^  —  f      —  siny .  dr  +  rcosy .  rfy 
cfe"^^     ""cosy.rfr  —  rsin9>.c?9> 

In  einem  beliebigen  Punkte  P  der  Curve  seien  die  Tangente 
und  die  Normale  gezogen  (Kg.  115),  welche  die  im  Punkte  0 
auf  dem  Eadius  vector  OP  errichtete  Senkrechte  bezw.  in  den 
Punkten  T  und  iV  treffen  mögen.    Man  nennt  dann 

NP  die  Polar-Normale  {N\ 

NO  die  Polar-Sulnormdle  {Sn\ 

PT  die  Polar- Tangente  (T), 

OT  die  Polar- SuhtangerUe  (St). 

Bezeichnet  man  den  Complementwinkel  von  fi  mit  v,  so  er- 
kennt man  aus  Figur  115,  dass  v  auch  der  Complementwinkel 
von  ONP  ist    Deshalb  wird 

4:0NP^(i, 
und  man  erhält  mit  Rücksicht  auf  Gleichung  (7  a.) 

(10.)  NO  =  Sn=^^; 

OT       OT 

(11.)  or=-y<  =  rtg/*  =  ^; 

]^=^o^+öP=(^y+r.=(0, 


4U 


§  93.    Anwendungen  auf  einzelne  Ourven. 


(12.) 


(13.) 


NP=N  = 


— ; 


tg/*  =  igPNT  = 


PT 

NP' 


PT^T^Nig,^^.'^ 


rds 
dr 


§  93. 

Anwendungen  auf  einzelne  Curven. 

Aufgabe  1.    Man  soll  Subnonaale,  Subtangente,  Nonaale  und 
Tangente  far  die  Archimedische  Spirale 

(1.)  r  =  aq) 

berechnen. 

AuflSsung.    Die  Archimedische  Spirale  entsteht,  indem  eine 
gerade  Linie  sich  um  einen  ihrer  Punkte  0  dreht,  während  ein 

anderer  Punkt  P  auf  ihr  mit 
gleichmässiger  Geschwindigkeit 
fortrückt.  Dadurch  ist  es  auch 
leicht,  die  Curve  punktweise  zu 
construiren.  (Vergl.  Fig.  116.) 
Aus  Gleichung  (1.)  folgt  nun 


Fig.  116. 


(2.)        Ä«  =  ^  =  a, 

d.  h.  die  Si4bnormale  ist  in  allen 
Punkten  der  Curve  constant; 
deshalb  kann  man  in  jedem  be- 
liebigen Punkte  der  Curve  sehr  leicht  Tangente  und  Normale  con- 
struiren, auch  wenn  die  Curve  nicht  gezeichnet  vorliegt.  Femer  ist 


(3.) 


tgA* 


rdg> r 


dr 


a 


9P, 


Für  9)  gleich  0  wird  auch  r  gleich  0  und  f*  gleich  0,  d.  h. 
die  Curve  geht  durch  den  Anfangspunkt  des  Coordinaten-Systems 
und  die  Tangente  in  diesem  Punkte  der  Curve  fällt  mit  der 
Anfangsrichtung  zusammen. 


§  93.    Anwendung^  auf  einzelne  Curven. 


415 


(4.) 


ar 


a 


also 

(5.) 
(6.) 


(0=(0  +  ^^  =  «^+^^  =  -'(^  +  ^^)' 


ds 


rqi'=^a 


Fig.  117. 


Aufgabe  2.    Man  soll  Subnormale,   Subtangente,  Normale 
und  Tangente  f&r  die  hgperboliscAe  Spirale 

(7.) 
berechnen, 

AufIBsung.  Beschreibt 
man  um  den  Anfangs- 
punkt 0  eine  Schaar  von 
Kreisen  und  schneidet 
auf  ihnen,  von  der 
Anfangsrichtung  (Polar- 
Axe)  an  gerechnet,  Bö- 
gen von  gleicher  Länge 
a  ab,  so  ist  der  geo- 
metrische Ort  der  End- 
punkte, wie  man  aus  t 
Gleichung  (7.)  erkennt, 
eine  hyperbolische  Spi- 
rale.   (Vergl.  Fig.  117.) 


Aus  Gleichung  (7.)  folgt 


(7  a.) 
also 

(8.) 
(9.) 
(10.) 


r  -=.  a^ 


— 1 


dr  r^ 


tg^ 


rdg> a  


dr 


9 


ar 


=  — a. 


416  §  93.    Anwendangeoa  auf  einzelne  Gnrven. 

Bei  der  hyperbolischen  Spirale  ist  also  die  Subtangente 
constant;  deshalb  kann  man  Air  jeden  beliebigen  Punkt  der  Corve 
sehr  leicht  Tangente  und  Normale  constmiren. 

Femer  ist 
also 

Für  g>  gleich  0  ist  r  unendlich  gross;  man  kann  aber  auch 
dann  noch  die  Tangente  an  den  zugehörigen  Curvenpiuikt  legen, 
obgleich  er  unendlidi  fem  ist.  Eine  Tangente,  deren  Berühmngs- 
punkt  unendlich  fem  liegt,  heisst  bekanntlich  Asymptote.  Die 
Asymptote  der  hyperbolischen  Spirale  ist  die  Gerade,  welche 
man  im  Abstände  a  parallel  zur  Anfangsrichtung  legen  kann. 
Denn  r  fällt  für  g>  gleich  0  in  die  Anfangsrichtung,  die  Sub- 
tangente also  in  die  Gerade,  welche  im  AnfangEqpunkte  auf  der 
Anfangsrichtung  senkrecht  steht,  und  ihre  Länge  ist  nach 
Gleichung  (10.)  gleich  — a. 

Aufgabe.  3.  Man  soll  Subnormale,  Subtangente,  Normale 
und  Tangente  der  parabolischen  Spirale 

(13.)  r^  =  d^g> ,    oder    r  =  a}/y  =  aqr 

aufeuchen. 

Auflösung.    Aus  Gleichung  (13.)  felgt 

/^Ä.\  o         dr       a      -l      a^ 

(!*•)  ^"  =  ^  =  2''        -2F' 

(15.)  tgM  =  r^  =  5  =  2y; 

deshalb  'wird  ebenso  wie  bei  der  Archimedischen  Spirale  - 

rs=o,    i*=0  &!  y>  =  0. 

(16.)  ^<  =  -^  =  _  =  2r<|D, 


§  93.    Anwendimgen  auf  täxatia»  Curvan. 


417 


(17.) 
(18.) 


''-^-^y^'+^-iy^^+^' 


T  =  Ntgfi  r=z—ya^  +  4r4  =  a  Vy  (1  +  4y2). 


ä^ 


Aufgabe  4.    Man  soll  Subnormale,  Subtangente^  Normale 
und  Tangente  der  allgemeinen  Spirale 

(19.)  r  =  ay" 

au&uchen. 

AuflSsung.    Aus  Gleichung  (19.)  folgt 
(20.)       Sn  =  j-  =  nag>'"'\ 

(21.)     tg^  =  !a^  =  SP,        ' 


dr 


n 


(22.) 
(23.) 


of  =  — T —  = j 


7» 


d% 


Fig.  118. 


(24.)         T  =  iVtg/it  =  ^  y«2  +  y2  ==  Iyn2+y2. 

Man  erkennt,  dass  in  dieser  Aufgabe  die  ersten  drei  Auf- 
gaben   als    besondere 
Fälle   enthalten    sind, 
wenn  man  bezw. 
/e=  +  l,      72  =  —  1, 

setzt. 

Aufgabe  5.  Man  soll      i^ 
Subnormale,     Subtan-  —t 
gente.    Normale    und    \ 
Tangente  für  einen  be- 
liebigen Punkt  der  &- 
garitiimischen  Spirale 

(25.)     r  =  ^^^ 
berechnen. 

Stegemaan  -  Kiepert,  Differential-BeohBung. 


27 


418  §  d3.  Anwendungen  auf  einzelne  Curven. 

Auflösung.    Aus  Gleichung  (25.)  folgt 
(26.)  Sn=^j-=  a^  =  ar. 

Die  Subnormale  ist  oho  dem  Radius  vectar  proportionalj 
deshalb  beschreibt  der  Endpunkt  iV^  der  Subnormale  eine  Gurre, 
welche  der  ursprunglichen  Curve  ähnlich  ist.    (Vergl.  Fig.  118.) 

Femer  ist 

(27.)  tg^  =  ?|?  =  |,     ^  =  arctg(l) 

der  Winkel  fs,  den  eine  hdiehige  Tangente  mit  dem  zugehöriffen 
Madiics  vector  bildet,  ist  also  constant. 

(28.)  St^'^^L, 

^     ^  dr         a 

folglich  ist  auch  die  Subtangente  dem  Radius  vector  proportionalj 
so  dass  auch  der  Endpunkt  T  der  Subtangente  eine  Gurre  be- 
schreibt, welche  der  urspränglichen  Gurve  ähnlich  ist,  (Vergl. 
Fig.  118.) 


(iy=''+(0='^<'+»'). 


also 

(30.)  T=Ni^,  =  ^-^.^  =  LYrT^.. 

Es  sind  daher  auch  Normale  und  Tangente  selbst  dem 
Radius  vector  proportional. 

Aufgabe  6.  Man  soll  Subnormale,  Subtangente^  Normale  und 
Tangente  der  Gurve 

(31.)  r^i=i  a"^  cos  (wy) 

au&uchen. 

AuflSsung.  Da  in  Gleichung  (31.)  die  Grösse  m  noch  un- 
endlich viele  Werthe  haben  darf,  so  sind  in  dieser  Gleichung 
unendlich  viele  Gurven  inbegriffen,  von  denen  einzelne  hervor- 
gehoben werden  mögen. 

I.    m  =  1.    Die  Gleichung  der  Gurve  ist 

(32.)  r  =  a  cos  y,    oder    r^  =  ar  cos  y , 

also,  wenn  man  zu  rechtwinkeligen  Goordinaten  übergeht, 


§  93.   Anwendungen  auf  einzelne  Curven. 


419 


(32  a.)  x^  +  y^  =  ax, 

und  dies  ist  die  Gleichung  eines  Kreises  mit  dem  Halbmesser 


a 


Fig.  ue. 


o 


-9  dessen  Mittelpunkt  die  Coordioaten 

hat.    (Vergl.  Fig.  119.) 

n.    w  =  —  1.    Die  Gleichung 
der  Curve  ist 

(33.)  r"^  =  a-^cosy, 

oder 

rcosy  =  a, 

also,  wenn  man  zu  rechtwinkeligen 

Coordinaten  übergeht, 

(33  a.)  x  =  a. 

Dies  ist  die  Gleichung  einer  Geraden ,  welche  im  Abstände 
a  parallel  zur  F-Axe  gezogen  ist.    (Vergl.  Fig.  119.) 

m.    m  =  2.    Die  Gleichung  der  Curve  ist 

(34.)    r2  =  a2  cos  (2y) ,    oder   r *  =  a^  (r^  cos V  —  r^  sin V)j 

also,  wenn  man  zu  rechtwinkeligen  Coordinaten  übergeht, 

(34  a.)  (a:2  +  y2)2  —  ^^2(^2  _  y2). 

Dies  ist  die  Gleichung' der  Lemniscate,  einer  Curve,  deren 
Gestalt  man  sehr  leicht  aus  den  Gleichungen  (34.)  und  (34  a.) 
erkennen   kann.      Zunächst 


folgt  aus  Gleichung  (34.), 
dass  die  Curve  innerhalb 
eines  Kreises  mit  dem  Halb- 
messer a  liegen  muss,  d^nn 
es  ist  r^a.  (Vergl.  Fig. 
120.)  Aus  Gleichung  (34  a.) 
erkennt  man  sodann,  dass 
die  Coordinaten -Axen  Sym- 
metrie-Axen  der  Curve  sind, 
weil  nur  die  Quadrate  von 
X  und  y  in  der  Gleichung 
vorkommen. 


Fig.  120. 


27' 


420  §  93.  Anwendimgen  auf  einssetae  Cuttccl. 

Für  9)  =  0  wird  r  =  a;  wächst  g>,  so  wird  r  kleiner  und 
nimmt  ab  bis  zu  r  =  0,  wenn  der  Winkel  y  =  45®  geworden 
ist.  Liegt  y  zwischen  45  ®  und  90  ®,  so  wird  r^  negativ ,  r  selbst 
also  imaginär;  deshalb  liegt  kein  reeller  Punkt  der  Cnrve 
zwischen  der  Geraden  OB  mit  der  Gleichung  y  =  rr  und  der 
y-Axe. 

IV.  m  =  —  2.    Die  Gleichung  der  Curve  ist 
(35.)  r-*  =  a-2cos(29)),    oder    r2cos(2y)  =  a^, 
also 

(35  a.)     r^cos^y  —  r^sin^  =  a^,    oder    z^  —  y^^a\ 

Dies  ist  die  Gleichung  der  gleicJ^eitigen  Hyperbel.  (VergL 
Fig.  120.) 

V.  m  =  +  |.    Die  Gleichung  der  Curve  ist 

(36.)  r*  =  a*cos^|\    oder     r  =  acos^^^^  ]; 

daraus  folgt 

2r2  =  2arcos2f  2  j:=:  ar{l  +  cosy)  ^=z  ar  +  arcoSf), 

(37.)  2r2  —  ax=i  ar, 

4r*  —  4Äir2  +  ä^x^  =  a  V^  =  a^ar^  +  ay  ^ 
oder 

(36  a.)  4  (a:2  +  y2)  (3^2  4.  y2  _  o^;)  =-  «2y2, 

Dies  ist  die  Gleichung  der  Cardioide.  um  die  Ueberein- 
Stimmung  dieser  Curve  mit  der  bei  den  Epicykloiden  als  Cardi- 
oide bezeichneten  Curve  nachzuweisen,  setze  man 

(38.)  2r=a(l  — cosO, 

dann  folgt  aus  Gleichung  (37.) 

(39.)  2a:  =  —  a  cos  ^(1  —  COSt), 

(40.)  2y  =  V4r2  _  4-^2  ==  asin <(1  —  cos  t). 

Transformirt  man  noch  die  Coordinaten,  indem  man 

4a:'  =  a  —  4a: 

setzt)  so  erhält  man 

4a:'  =  a(l  +  2cos^  — 2cos2^)  =  a(2cos<  — C0S2^), 


,.- .   f4a:'  =  a(l  +  2cos^- 
*^  \  4y==a(2sin^  — 2si 


2sin^cosO  =  a(2sin<  —  sin2^). 


§.  98.    Anwendungen  auf  einzelne  Ourven.  421 

Diese  Gleichungen  gehen  in  die  damals  aufgestellten 
Gleichungen  der  Cardioide  über,  wenn  man  a  mit  4a  vertauscht. 
(Vergl.  Fig.  76  auf  Seite  338.) 

VI.    w  =  —  \.    Die  Gleichung  der  Curve  ist 
(42.)  r  *  =  a  *cosf2Y    oder    rcos2^^j=a, 

2rcos2f  ^j  =  r  +  roosy  =  2a,  oder  r  =  2a  —  z, 

r^  =z  x^  +  y^  =  4a2  —  4aic  +  x^, 
also 
(42a.)  y2  =  4a2  —  4aa:  =  4a(a  —  x). 

Dies  ist  die  Gleichung  einer  Parabel,  deren  Axe  die  X-Axe 
ist,  und  deren  Scheitel  die  Coordinaten  a:  =  a,  y  =  0  hat. 

Allgemein  folgt  aus  der  Gleichung  (31.) 


also 


f43.)         Sn^  —  ^       g'^sinCmy)  ^  _]/^^^^ 


oder 

(^aa.)  ^  =  -^=^^^  =  -^^^^^^ 

(44.)  tg/t  =  ^  =  —  ctgCmy) 

=  Ctg(7r  —  m(f)  =  tg^my  —  ^\ 

folglich  ist 

^A^^  ,   (2Ä+l)7r 

(45.)  (A  +  i^ ^-^^  =  wty» 

wobei  A  eine  ganze  Zahl  ist,  auf  deren  Werth  es  nicht  an- 
kommt.   Dies  giebt  den  Satz: 

Der  Winkel^  den  der  Badius  vecior  mit  der  Normale  hildety 
ist  m-mal  so  gross  fvie  der  Winkel,  den  er  mit  der  Anfangs- 
richtung iildet. 


422    §  94.  JSrüininiuigskreis  und  Krümmuiigsinittelpuiikts-CarveQQ. 
(46.)  Ä^  =  !:^=:_rctg(my), 

(±7^  TV"— —  — -^—  — ?^— 

^     '^  ""  rfy  ""  r~-^ ""  cos(w9)) ' 

(48.)  T=mgfi  = r    ^ 


sin(my) 
§  94. 

KrOmmungskreis  und  KrOmmungsmittelpunkts-Curven. 

(Vergl.  die  Formel -Tabelle  Nr.  114.) 

Ist  die  Gleichung  einer  Curve  in  Polarcoordinaten  gegeben, 
so  kann  man  inuner  den  Badius  vector  r  als  eine  Function  vom 
Argumente  9  betrachten;  deshalb  sind  auch 

(1.)  X  =rcosg)    und    y  =  rWLg) 

Functionen  von  9),  so  dass  man  durch  Differentiation  die  fol- 
genden Gleichungen  erhält 

^.         dx       dr 
/«\  dy        dr    .        , 

,    ,  d^x       rfV  dr    . 

(*•)         rf^  =  5^  *^'»'  -  %  ^9'  -  »-cos?», 

,    s  ef^        dV    .  dr 

^7  ^  <fa  <Py        dy  d^ 2j_9/^^V ^ 

Vertauscht  man  in  den  Formeln  106  und  107  der  Tabelle  t 
mit  y,  setzt  die  hier  gefundenen  Werthe  ein  und  multiplicirt  in 
den  Brüchen  Zähler  und  Nenner  mit  dip^^  so  erhält  man 


(8.) 


§  95.    Anwendungen  auf  einzelne  Ourven.  423 

Jj.  _  ds^  (r  COS  (f)  dg)  +  dr .  siny) 

§  -  rcosy  —  ^^2^^2  +  2rfr2  — rdV)cf9)' 

\             .        .    cfe2( — rsincprfo)  +  rfr .  cosw) 
I  4!/  =  rsm9)H ^^ ^  ^    ^ 


(9.)  ?  —  ±  (^2rfy 2  +  2rfr2  —  rdV)  dg> 

Wenn  man  in  diesen  Gleichungen  den  Werth  von  r  als 
Function  von  9)  einsetzt,  so  sind  ^  und  fj  als  Functionen  der  dritten 
Veränderiichen  9)  dargestellt,  was  für  die  Untersuchung  der 
Krimimungsmittelpunkts-Gurve  oder  Evolute  ausreicht.  Man  kann 
aber  auch  noch  g)  aus  den  beiden  Gleichungen  (8.)  eliminiren  und 
erhält  dadurch  eine  Gleichung  zwischen  ^  und  fj. 

WiU  man  noch  die  Evolute  in  Polarcoordinaten  darstellen, 
so  hat  man  in  dieser  Gleichung  zu  setzen 

(10.)  .5  =  r'  cosy' ,     fi=.  r*  siny'. 


§  95. 

Anwendungen  auf  einzelne  Curven. 

Aufgabe  1.    Man  soll  den  Erämmungskreis  der  Archimedi- 
schen Spirale 

(1.)  r  ==  ag 

bestimmen.     (Vergl.  Fig.  116  auf  Seite  414.) 

Auflösung.    Aus  Gleichung  (1.)  folgt 

(2.)  dr  =  ad(p,     dV  =  0, 

also 

(3.)  (fc2  ==  rMtp'^  +  dr^  =  a\l  +  (p^)d(p\ 

(4.)  r2rfy2  4.  2ö?r2  —  reiV  =  a%2  +  (p^)dg>\ 

Setzt  man  diese  Werthe  in  die  Formeln  114  der  Tabelle 
ein,  so  erhält  man 

^                         a2(l  +  aß) .  afcpcoscp  +  sincp) 
|  =  a5PC0Sy ^ a^2  +  9^) ^' 

,    d^Ci  +  aß) .  a( —  (p%m(p  +  coscp) 
n  =  aysrny  +  -5^ ^   a'(2+V)    


494  §  95.    Anwendttngen  aof  ejxunbie  Oarvea. 

oder 

,  .  fc  _  g[y cosy  —  (1  +  y^)siny] 

W  5~  2  +  9)2  ' 

/ßx                   „      a[yfflny  4-(l  +  y2)co8y] 
(60  ^  = 2T?2 ' 

^'  ^  ^       =^      2  +  9?2 

Aufgabe  2.    Man  soll  den  Eräminfmgskreis  der  allgememeti 
Mirale 

(8.)  r  =  oy* 

bestunmen. 

AiiflSsung.    Aus  GHeichuiig  (8.)  folgt  durdi  Diffef^eirtifttion 

deshalb  ist 

(10.)  Cfo2  —  y2rfy2  _^  rf^2  =:  a2y2H-2(,j2  4.  ^2)  ^2^ 

(11.)    r^rfyi  +  2dr^  —  riV  =  a2y'^2  [^„  +  1)  +  9)2]rfy2. 

Setzt  man  diese  Werthe  in  die  Formeln  Nr.  114  der  Tabelle 
ein,  so  erhält  man 

,.^v  ^  _  n[roosy  —  (n2  +  y«)ay'*-^siny] 

^^^•^  *  ~  n(«  +  1)  +  y2  ' 

, .    V                    n[rsiny  +  (^^-j,  y2^  ay*"^  cos tp] 
^^^'^  ' " n(n+i)  +  y2  ' 

(14)        .^±f5C::!^L+s^. 

^  ^  ^       "^    n(«  +  1)  +  y2 

Aufgabe  3.    Man  soll  den  Efimmungskreis  und  die  Evolute 
der  lofforithmischen  Spirale. 

(15.)  r  =  /^ 

bestimmen.    (Vergi.  Fig.  118  auf  Seite  417.) 


§  95.  Anwendungen  auf  einzelne  Ourven.  425 

AufIKsung.    Aus  Gleichung  (15.)  folgt  dorch  Differentiation 

(^«•)         5y^^    •«  =  '*'•'    5^  =  ''5y  =  «'"' 

deshalb  ist 

(17.)  Ä«  =  r2rf5p2  +  rfy.2  =  ^2(1  +  a2)rfy2^ 

(18.)  r^dg)^+2dr^—r<Pr  =  r^(l+2a^—a^)dg)^:=:r'^(l+a^)d^^. 

Setzt  man  diese  Werthe  in  die  Formeb  Nr.  114  der  Tabelle 
ein,  so  erhält  man 

,   r2(l  +  a*) .  r( —  sin«?  +  acosa?) 
^  =  '^9  +  -^ Uil  +  a^)  ' 

oder 

(19,)       g  =  —  ar  sin  y,       ^  =  +  «rcosy. 


(20.)        Q^±'^^=±ryT+TK 

Es  war  aber  (nach  §  93,  Gldchimg  (29.))  auch  die  Normale 

da 


(21-)  ^-=^  =  ^^1  +  «', 

folglich  ist  der  Krümmunffshalbmesser  gleich  der  Polar-NormcUe. 
Der  Erttmmungsmittelpunkt  fällt  daher  in  Figur  118  mit  JV 
zusammen. 

Nach  den  Gleichungen  (19.)  wird 

(22.)  5  =  —  ay^     iy  =  or. 

Hieraus  erkennt  man  schon,  dass  die  Evolute  wieder  eine 
ioffarithmtsche  Spirale  ist,  bei  der  aber  die  Dimensionen  a-mal 
so  gross  sind  wie  bei  der  gegebenen.  Gleichzeitig  sind  auch 
noch  die  Coordinaten-Axen  um  einen  Winkel  von  90®  gedreht. 
Durch  Einfährung  von  Polarcoordinaten  kann  man  sogar  zeigen, 
dass  die  Evolute  der  gegebenen  Curve  ähnlich  und  ausserdem 
auch  congruent  ist. 

Bezeichnet  man  die  Polarcoordinaten  der  Evolute  mit  r'  und 
9',  so  ist  bekanntlich 

(23.)  r'2  =  g2  +  ,2,    tg9)'  =  |, 


426  §  95.    Anwendungen  auf  einzelne  Curven. 

folglich  wird  in  diesem  Falle 

(24.)  r'2  =  a2^2^     tg(/?' =  —  ctgy  =  tg(9) +0 

oder 

(24a.)        r'  =  ar,    y'  =  SP  +  2  '      SP  =  9'  —  2  ' 
also 

a(p  «('P'— t) 

(25.)  r*  =  ar^ae      =ae    ^        ^% 

7t 

lr'  =  la+ay'  —  a— > 
oder,  wenn  man  \a  mit  a  bezeichnet, 

(26.)  r^  =  e        ^       \ 

Dreht  man  die  Polar-Axe  um  den  Winkel »  so  dass 

a       2 

wird,  so  geht  Gleichung  (26.)  über  in 
(27.)  r'  =  /^". 

Aufgabe  4.    Man  soll  den  Krümmungskreis  und  die  Evolute 
der  Lemniscate 

(28.)  r2  =  a2cos(2y) 

bestimmen.    (Vergl.  Fig.  121.) 

AuflSsung.    Durch  Differentiation  folgt  aus  Gleichung  (28.) 

(29.)  r  j-  =  —  a2sin(2y)  =  —  r^tg{2g)), 

und  wenn  man  diese  Gleichung  nochmals  differentürt, 

Deshalb  wird 
oder 


(31.)  Ä2  =  ^  cf(^2. 


§  95.    Anwendungen  auf  einzelne  Ourven. 


427 


Ferner  findet  man  aus  Gleichung  (30.) 
\dg>)        ^dg)^         \d(f)       LW/  #^J 

K0— 0- 


folglich  ist  bei  der  Lemniscate 

(32.)  .2+2(g^)-rg^  =  3(^)=: 


3a* 
r2 


Setzt  man  diese  Werthe  in  die  Formeln  Nr.  114  der  Ta- 
belle ein,  so  erhält  man 

dr 
d(p 

dr 


oder 


(33.) 


5  =  rcosy  —  ^(rcosy  +  -j-'  siny  J5 


=  rsin^)  +  \l —  rsin^)  +  -j-  •  cosyY 


n 


I  5  =  -l"-  [2cos(2y)cos5P  +  sin  (2^))  sin  y]  =  -^-^ — ^> 
[  ^  =  J:  [2cos(2sp)sinsp  — sin(29p)cossp]  =  —  ?f-^J£, 


/«-  \  ,    M  ds         ,    a^ 


Fig.  12L 


folgt 


Ans  den  Gleichungen  (33.) 


(35.) 


i 


/3r|\ 
*^«9'  =  (2^) 


i 


cos V  +  sinV  =  (^)   Ö* +  /)=!, 


I 


cosV  —  sinV  =  (^)   (1*  —  /)=  cos {2<p)  -  ^ 


428  §  95.    Anwendungen  auf  einzelne  Curven. 

folglich  ist 

(37.)  9(5*  +  fi^y  (?*  —  /)  =  4a2, 

Den    beiden    Scheiteln  A^   und  A^  der  Lenmiscate  ent- 
sprechen die  Spitzen  S^  und  S^  der  Evolute,  wobei 

(88.)  «'20=0/^1=10. 


XII.  Abschnitt. 

Theorie  der  Determinanten. 

§  96. 

Einleitung. 

Fär  viele  Untersuchmigen  in  der  höheren  Mathematik  ge- 
währt die  Anwendung  der  Determinanten  eine  wesentliche  Er- 
leichterung, einerseits  dadurch,  dass  die  Rechnungen  kürzer 
werden,  andererseits  dadurch,  dass  die  Resultate  eine  übersicht- 
lichere und  leichter  zu  merkende  Form  erhalten. 

Deshalb  soll  hier  ein  kurzer  Abriss  der  Determinanten- 
Theorie  eingeschaltet  werden. 

Auf  die  Ausdrücke,  welche  man  Determinanten  nennt,  ist 
man  durch  die  Auflösung  von  n  linearen  Gleichungen  mit  n 
unbekannten  geführt  worden.    Sind  z.  B.  die  beiden  Gleichungen 

a^^xi  +  ai2X2  =  ci, 

mit  den  beiden  Unbekannten  xi  und  X2  gegeben,  so  findet  man 
bekanntlich  durch  Elimination 


(1.)  { 


,     V  01022 C2ai2  Ci(hl  +  02011 

(2.)  Xi  =  J  X2-=  • 

«11022 «12021  O11O22  Ol2<*21 

Den  gemeinschaftlichen  Nenner  dieser  beiden  Ausdrücke, 
nämlich  die  Grösse 

(3.)  J  =  ÖI1O22 Ol2«21  = 

«21  «22 

nennt  man  die  Determinante  ^  welche  zu  den  GoefKcienten  der 
beiden  Gleichungen  (1.)  gehört.    Diese  Determinante  wird  daher 


430  §  96.    Einleitniig. 

auch  SO  geschrieben,  dass  man  die  Coefflcienten  in  derselben 
Reihenfolge  wie  in  den  gegebenen  Gleichungen  au&chreibt  und 
zwischen  zwei  senkrechte  Striche  einschliesst. 

Sind  drei  lineare  Gleichungen 

<H\!^i  +  0822:2  +  d^Z  =  C3 

gegeben,  so  findet  man  bei  der  Auflösung  für  die  drei  Unbe- 
kannten a:i,  Z2y  xz  Werthe,  welche  den  gemeinschaftlichen  Nenner 

(6w)  -^  =  Oll  {a^Oz» (hsßZ^)  +  «12  («28081  —  Ö21Ö83) 

+  Ö18(ö21032 Ö22Ö31) 

haben.    Diesea  Nenner  schreibt  man  wieder  in  der  Form 


(5  a.)  ^  = 


011Ö12Ö18 

021 Ö22  «28 
«81  ^  Ö33 

wobei  die  Goefflcienten  der  gegebenen  Gleichungen  zwischen  zwei 
senkrechte  Striche  eingeschlossen  sind.  Aus  Gleichung  (5.)  er- 
kennt man,  dass 

ist,  wobei  sich  die  Summation  über  alle  Permutationsformen 
a  ß  Y  der  Zahlen  12  3  erstreckt ,  und  wobei  das  Vorzeichen 
( — 1)^  gleich  +  1  oder  — 1  ist,  jenachdem  die  Permutations- 
form €iß  Y  aus  12  3  durch  eine  gerade  oder  ungerade  Ang^ftM 
von  Vertauschungen  von  je  2  Zahlen  hervorgeht.  Demnach  sind 
die  Glieder 

auC^OzZ  j       0^1205230^81  j       <^\Z<H\0'Z2 

mit  dem  Vorzeichen  +  zu  nehmen,  weil  die  Reihenfolge  der 
zweiten  Indices 

123,         231,         312 
bezw.  durch  0,  2,  2 

solche  Vertauschungen  von  je  2  Zahlen  aus  der  Permutationsfonn 
12  3  hervorgehen.  Vertauscht  man  nämlich  in  1  2  3  die  Zahlen 
1  und  2  mit  einander,  so  erhält  man  2  13,  und  vertauscht  man 
dann  die  Zahlen  1  und  3  mit  einander,  so  erhält  man  2  31. 


§  97.    ]raiBBig;  einer  Determmante  n*^  Ordnung.  431 

y^i;auscht  man  in  1  2  3  die  Zabkn  1  und  3,  so  erhält  man  3  2  1, 
und  vertauscht  man  dann  die  Zahlen  1  wd  2,  so  erhält  man 
312. 

Die  Glieder 

011023032)       0120^210^33)       0^13^22031 

dagegen  sind  mit  dem  Vorzeichen  —  zu  nehmen,  weil  die  Per- 
mutationsformen 

132,        213,        321 

aus  1  2  3  durch  eüie  einzige  solche  Vertauschung  hervorgehen ; 
vertauscht  man  nämlich  in  1  2  3  die  Zahlen  2  und  3,  so  erhält 
man  13  2,  vertauscht  man  in  1  2  3  die  Zahlen  1  und  2,  so  er- 
hält man  2  13,  und  vertauscht  man  in  1  2  3  die  Zahlen  1  und  3, 
so  erhält  man  3  21. 


§  97. 

Bildung  einer  Determinante  n*"^  Ordnung  aus  n^ 

Elementen. 

(Vergl.  die  Formel-TabeUe  Nr.  115). 

In  ähnlicher  Weise  möge  jetzt 

«11  «12  .  .  .  «in 

=  2( —  1)    Ctict^2ß^Sy  •  •  •  ^ny 


(1.)     j  = 


^21  ^2  •  •  •  ^2n 


Öfnl  ^n2  •  •  •  Clnn 

erklärt  werden.  Die  n^  Grössen  au,  ai2,...a«n  heissen  Ele- 
mente der  Determinante;  die  Determinante  J  selbst  ist  eine 
Summe,  bei  der  jedes  Glied  das  Product  von  ;» Elementen  ist. 
Dabei  enthält  ein  solches  Product  aus  jeder  Zeile  (Horizontalreihe) 
und  aus  jeder  Colonne  (Verticalreihe)  ein  und  nur  ein  Element. 

Für  das  Vorzeichen  ( —  1)^  gelte  folgende  Kegel :  Heissen 
die  ersten  Indices 

12S.  ..n 
und  die  zweiten 

cc  ß  y . . .  p, 


432  §  98.    Einige  Sätze  am  der  Foimiitatioiislebxe. 

SO  ist  aßr ..  .V  eine  Fermutationsfoim  der  Zahlen  1  2 3 ... n. 
Ist  dann  a  von  1  verschieden,  so  yertausche  man  a  mit  1.  Ist 
in  der  dadurch  entstandenen  Permutationsfonn  die  zweite  Zahl 
von  2  verschieden,  so  vertausche  man  sie  mit  2  und  feübre  so 
fort,  bis  die  Reihenfolge  der  Zahlen  die  natürliche  ist.  Wenn 
nun  X  die  Anzahl  dieser  Vertauschungen  ist,  so  wird  das  Vor- 
zeichen des  zugehörigen  Gliedes  ( —  1)^. 

So  ist  z.  B.  für  die  Permutationsform  3  14  2  diese  Zahl  l 
gleich  3,  und  zwar  erhält  man  nach  einander  die  Formen 

314  2,       134  2,       124  3,       123  4. 

Für  die  Permutationsform  3  2  5  14  ist  X  wieder  gleich  3, 
und  zwar  erhält  man  nach  einander  die  Formen 

32514,   12534,   12354,   12345.   , 

Die  Summation  erstreckt  sich  über  alle  Permutationsformen 
aßy .  ..V  der  Zahlen  1  2 3  ... n,  folglich  ist  die  Anzahl  der 
Glieder  gleich  w!  =  1.2.3...w. 

Dies  kann  man  auch  so  zeigen.  Nimmt  man  ein  beliebiges 
Element  der  ersten  Zeile  ai»^  so  giebt  es  n  mögliche  Fälle,  weil  a 
dabei  nWerthe  haben  darf.  Da  ß  von  a  verschieden  sein  muss,  so 
giebt  es  bei  der  Auswahl  von  a^ß  aus  den  Elementen  der  zweiten 
Zeile  nur  noch  n  —  1  mögliche  Fälle.  Deshalb  giebt  es  bei  der 
Auswahl  von  a^„  a^ß  im  Ganzen  n(n  —  1)  mögliche  Fälle. 
Ebenso  erkennt  man,  dass  für  die  Auswahl  von  a^  aus  den 
Elementen  der  dritten  Zeile  nur  n  —  2  mögliche  Fälle  und  des- 
halb für  die  Auswahl  von  a^a^i^^zy  ^  Ganzen  n{n — l){n — 2) 
mögliche  Fälle  vorhanden  sind. 

Indem  man  so  weiter  fortfährt,  findet  man  das  oben  ange- 
gebene Eesultat. 

§  98. 

Einige  Sätze  aus  der  Permutationsiehre. 

Erklärung.  Das  Permutiren  besteht  in  dem  Au&uchen  aller 
Stellungen,  welche  ^Elemente  a,b,c,...i,l  einnehmen  k&nneii. 
Jede  solche  Stellung  nennt  man  eine  Permutatumsform. 

Die  Anzahl  der  Permutationsformen  bei  2  Elementen  a  und  h 
ist  1.2  =  2!,  nämlich  a  b  und  h  a.    Tritt  ein  drittes  Element 


i 


§  98.    Einige  Sätze  aus  der  Permutationslehxe.  43  3 

c  hinzu,  so  kann  man  aus  jeder  dieser  beiden  Permutationsformen 
drei  bilden,  z.  B.  aus  6  a  die  drei  Formen 

cb  a^         b  c  a,         b  a  c, 

indem  man  <?  an  die  erste,  die  zweite  und  die  dritte  Stelle  setzt. 
Die  Anzahl  der  Permutationsformen  bei  3  Elementen  a,  J,  c  ist 
daher  gleich  1.2.3  =  3!. 

Tritt  ein  viertes  Element  d  hinzu,  so  kann  man  aus  jeder 
dieser  3!  Permutationsformen  vier  bilden,  z.  B.  aus  iac  die 
vier  Formen 

dbac,       bdac,       badcy       bacd, 

indem  man  d  an  die  erste,  zweite,  dritte  und  vierte  Stelle  setzt. 
Die  Anzahl  der  Permutationsformen  bei  4  Elementen  ist  daher 
gleich  1.2.3.4  =  4!. 

Indem  man  so  fortfahrt,  findet  man 

Satz  1.  Die  Anzahl  der  Permutationsformen  bei  n  Ele- 
menten ist  »!  =  1 .  2  .  3  . . .  w. 

Vertauscht  man  nur  zwei  Elemente  mit  einander,  so  nennt 
man  diese  Vertauschung  eine  Transposiüon. 

Satz  2.  Von  zwei  beliebigen  Permutationsformen  P^  und  P^ 
kann  die  eine  am  der  anderen  durch  fortgesetzte  Transposition 
hergeleitet  werden. 

Beispiele.  Die  Permutationsform  eabdc  kann  durch  3 
Transpositionen  in  die  Form  abcde  übergeführt  werden,  und 
zwar  erhält  man  der  Reihe  nach  die  Formen 

eabdc,      aebdc,       abedc,       abcde. 

Die  Permutationsform  fgacdeb  kann  durch  5  Transposi- 
tionen in  die  Form  abcdefg  übergeführt  werden,  und  zwar  er- 
hält man  der  Reihe  nach  die  Formen 

fgacdeb  y        agfcdeb,        abfcdeg, 
abcfdeg,        abcdfeg,         abcdefg. 

Aus  diesen  Beispielen  erkennt  man  das^Ver&hren,  das  ganz 
allgemein  zum  Ziele  führt.  Es  ist  aber  zu  beachten,  dass  man 
eine  Permutationsform  P^  in  eine  andere  P^  in  mannigfacher 
Weise  durch  Transpositionen  überführen  kann,  und  dass  die  An- 

Stegemazm-Kiepert,  Differential-Bechnxmg.  28 


434  §  d8.    Einige  Sätze  aus  der  PermutatioDsIehre. 

zahl  der  verwendeten  Transpositionen  noch  unendlich  viele  Werthe 
besitzt.    Dabei  gilt  aber  der  folgende 

Satz  3.  Kann  man  P^  in  P^  überführen^  das  eine  Mal 
durch  X,  das  andere  Mal  durch  ia  Transpositionen  ^  so  ist  X — fi 
stets  eine  gerade  Zahl. 

Beweis.    Es  sei 

(1.)  -F=  (i  -  a)  (c  — a)  (rf—  a)  . . .  {k  —  a){l—  ä) 

müL{c  —  b) {d—  l)...{k  —  h)  \l  —  h) 
mal(rf  —  <?)...(*  —  c)  (l — c) 


mal  (/  —  k). 

Bei  der  Bildung  dieses  Productes  hat  man  jedes  Element 
von  allen  folgenden  subtrahirt  und  die  so  entstandenen  Diffe- 
renzen mit  einander  multiplicirt.  Es  soll  nun  untersucht  werden, 
wie  sich  die  Grösse  F  ändert,  wenn  man  zwei  Elemente,  z.  B. 
q  und  s  mit  einander  vertauscht.  Alle  Differenzen,  in  denen  q 
und  s  gar  nicht  vorkonmien,  bleiben  unverändert.  Ist  femer  p 
irgend  ein  Element,  das  den  beiden  Elementen  q  und  s  voran- 
geht, so  geht  bei  der  Vertauschung  von  q  mit  s  das  Product 
{q  — p)  {s  —p)  in  {s  — p)  (q  — p)  über  und  behält  denselben 
Werth*  Steht  das  Element  r  zwischen  q  und  5,  so  geht  das 
Product  (r  —  q)  (s  —  r)  in  (r  —  s)  {q  —  r)  über  und  behalt 
gleichfalls  denselben  Werth.  Folgt  endlich  das  Element  t  den 
beiden  Elementen  q  und  «,  so  geht  das  Product  {t — q)  {t  —  s) 
in  {t  —  s)  {t  —  q)  über  und  behält  auch  denselben  Werth.  Nur 
durch  den  Factor  s  —  q^  welcher  bei  der  Vertauschung  von  q 
mit  s  m  q  —  s  übergeht,  wird  das  Vorzeichen  von  2^  geändert, 
während  der  absolute  Betrag  von  F  derselbe  bleibt. 

Die  Grösse  F  ändert  daher  nur  das  Vorzeichen^  wenn  man 
zwei  Elemente  mit  einander  vertauscht. 

Ebenso  kann  man  zeigen,  dass  F  bei  jeder  weiteren  Trans- 
position zweier  Elemente  nur  das  Vorzeichen  ändert.  Entsteht 
Fx  aus  F  durch  X  Transpositionen,  so  ist  daher 

(2.)  i^,  =  (-  ifF 


§  98.    Einige  Sätze  aus  der  Permutationslehre.  435 

Bezeichnet  man  also  die  Werthe  von  JFJ  welche  den  Per- 
mutationsfonnen  P^  und  Pj  entsprechen,  mit  J\  und  i^,  und 
geht  Pj  in  P^  über,  das  eine  Mal  durch  i,  das  andere  Mal  durch 
lA  Transpositionen,  so  gelten  die  beiden  Gleichungen 

(3.)  F^  =  {-lfF,     und     P2  =  (— lyi?; 

daraus  folgt 

(4.)  (— i/ =  (— 1)/",    oder    A  =  ji*±2w?, 

wobei  2w  eine  beliebige  gerade  Zahl  ist. 

Um  zu  bezeichnen,  dass  die  Permutationsform  P  (z.  B. 
1  2 3 . . . j»)  in  Pj  (oder  aßy ...p)  durch  i  Transpositionen 
übergeführt  wird,  schreibt  man 

(^•)  -©=Cr/.:::> 

Satz  4.  Geht  P  in  P^  über  durch  X,  und  geht  P^  in  P^ 
über  durch  (i  Transpositionen,  so  geht  P  in  Pj  durch  ^  +  /t*  d:  2m? 
Transpositionen  über.    Ist  also 

(6.)  .=(;_)     M=(;;> 

so  wird 

'  Der  Beweis  folgt  unmittelbar  daraus,  dass  P  in  P2  über- 

geht, wenn  man  zuerst  P  in  P^  und  dann  P^  in  P^  überfuhrt. 

i  Der  Satz  lässt  sich    ohne  Weiteres  verallgemeinem;  es 

ist  z.  B. 

Satz  5.  Dien\  Permutationsformen  von  n Elementen  lassen 
sich  durch  die  Transposition  zweier  Elemente  paarweise  grup- 
piren. 

Beweis.  Durch  die  Transposition  zweier  Elemente,  z.  B. 
der  beiden  Elemente  a  und  J,  geht  die  beliebige  Permutations- 
form Pj  in  Pj  über,  wobei  Pj  und  P2  von  einander  verschieden 
sind,    ist  nun  die  Permutationsform  Qi  von  Pj  und  P2  ver- 

28* 


436  §  99.    Eigenschaübeoi  der  Determinanten. 

schieden,  so  geht  0^  durch  die  Vertauschmig  von  a  mit  b  in 
Q2  über,  wobei  Q2  von  Qj  und  auch  von  P^  und  P2  ver- 
schieden ist.  Wäre  nämlich  Q2  identisch  mit  P^  (bezw.  mit 
Ps),  so  mttsste  Q^  identisch  sem  mit  P2  (bezw.  mit  P^). 
Ist  femer  die  Permutationsform  E^  von  P^,  P2,  Qi,  Q2  ver- 
schieden, so  geht  B^  durch  die  Yertauschung  von  a  mit  b  in 
JB2  über,  wobei  iS2  von  iZi  und  auch  von  P^,  Pj,  Qi,  Q2  ver- 
schieden ist. 

So  kann  man  fortfahren,  bis  die  sämmtlichen  Permutations- 
form^  erschöpft  sind. 

§  99. 

Eigenschaften   der  Determinanten. 

(Vergl.  die  Formel-TabeUe  Nr.  116—119.) 
Satz  1.    Zwei  Olieder  (oder  Tenne) 

(1.)  Ti  =  (—  l/i  a,^^  ögft  «3yi  •  •  •  <^ny^ 

und 

(2.)  2^2  =  (—  1/2  a^^  a^  a^^^  . . .  a^^^ 

haben  gleiches  oder  entgegengesetztes  Zeichen  ^  jenachdem  die 
Transpositionszahl 

(3.)  ?  =  ("^J'''    -"O 

gerade  oder  ungerade  ist. 

Beweis.    Es  ist 


2  _/«i^iyi--^i\ 
^^"Vl  2  S...nr 


.     _  /«2  ß2Y2-  •  -  >'2\  _  /  1     2     3  ...»  \ 

~~\1   2  3...n/""  \a2  /^2  ^2 . . .  ^2/ 
folglich  ist 

(3a.)  ^  =  Ai  +  A2  ±  2«^. 

Sind  ^  und  ^  beide  gerade  oder  beide  ungerade,  haben 
also  T^  und  T^  gleiches  Zeichen,  so  ist  q  gerade.  Wenn  da- 
gegen von  den  beiden  Zahlen  X^  und  )^  die  eine  gerade  und 
die  andere  ungerade  ist,  wenn  also  T^  und  T^  entgegengesetztes 
Zeichen  haben,  so  ist  q  ungerade. 


§  99.    Eigezischaften  der  Determinanten.  437 

Satz  2.  Die  Determinante  J  hat  ebenso  viele  positive  wie 
negative  Glieder» 

Beweis.  Wenn  die  beiden  Permutationsformen  a^  ßin*" ^x 
und  oL^ß^Yi'"  ^2  dnrch  eine  einzige  Transposition  in  einander 
übergehen,  wenn  also  A  =  1  ist,  so  haben  nach  Satz  1  die 
Glieder  7\  und  Tg  entgegengesetztes  Vorzeichen.  Da  man  nun 
durch  eine  Transposition  alle  Pennutationsfonnen  paarweise 
gruppiren  kann,  so  kann  man  auch  die  sämmtlichen  Glieder  der 
Determinante  paarweise  gruppiren,  so  dass  bei  jedem  solchen 
Paare  das  eine  Glied  positiv  und  das  andere  negativ  ist. 

Ordnet  man  in 

(4.)  T=(—  l/  a^^  «2/5  «3y  •  •  •  ^ny 

die  Factoren  anders,  so  geht  T  über  in 

(4a.)  r  =  (—  l)^a/„^  a^ß^  aj^^ . . .  a,^^. 

Dabei  folgt  aus 

W«i  ^9ß\  ^Ayi  •  •  •  ^ivj 
dass  auch 

(tL\  _^/12S...n\_/a  ß  r  "*y\ 

^  '^  ^'^\fffh...i)'^\a,ß,ri...yj 

ist.    Ausserdem  ist 
Deshalb  erhält  man 

\«i  A  ri  • .  •  »'i/ 

/f</h...l\/123...n\/aß  y  • .  •  >' \  .   „ 

Vl2  3...»/"^V«/»r...»'/"*'Vai/»iri...»'i/^       ' 
oder 

(7  a.)  Q  =  ii  +  l  +  [i±2w  =  X±2v, 

(8-)  (-l)e=(-l/. 

Dies  giebt 


438 


§  99.    Eigensabaften  der  Determinanteii. 


Satz  3.  Sind  in  dem  Gliede  T  die  Factoren  beliebig  ge- 
ordnet ^  80  ist  das  Vorzeichen  von  T  gleich  ( —  1)^,  wobei  q  die 
Transpositianszahl  zwischen  den  ersten  und  den  zweiten  In- 
dices  ist. 

Jetzt  möge  die  Determinante  Ji  aus 

flu  fll2  fll3  •  •  •  flln 
Ö21  022  fl28  •  •  •  fl2n 
flai  fl32  fl33  •  •  •  fl3n 


(9.) 


J  = 


flwl  fln2  fln3  •  •  •  fl«n 

hervoi^ehen,  indem  man  die  ZeQen  beliebig  mit  einander  und 
ebenso  die  Golonnen  beliebig  mit  einander  vertauscht,  so  wird 

^/a  ^/ß  fl/y  •  •  •  fl/y 
^ga  ^gß  ^gy  "  *  «- 


(10.) 


^1  = 


'gy 


flu«,   fl 


ha  ^hß  ^hy  '  •  '  ^hy 


^la  ^Iß  ^ly  '  "  ^ly 

wobei  fg  h...l  und  aßy...y  irgend  zwei  Permutationsformen 
der  Zahlen  12  3...»  sind. 

Die  beiden  Determinanten  J  und  J^  enthalten  dann,  abge- 
sehen vom  Vorzeichen,  genau  dieselben  Glieder;  denn  ein  be- 
liebiges Glied  von  J^  ist 

(11.)  T,^(-ira^a,<^gß,^Hy,' 

wobei 


a 


lyt^ 


(12.) 


1^1» 


ist.    Das  entsprechende  Glied  in  J  heisst 
(13.)  T  =  (-  1)9  a^„^  a^ß^  a^^  . . ,  a 

wobei  nach  Satz  3 
(14.)  p  =  //^Ä..-^) 

die  Traospositionszahl  zwischen  den  ersten  und  zweiten  Indices 
ist.    Bezeichnet  man  jetzt 


§  99.    Eigensabaften  der  Determinanten.  439 

mit  A,  so  wird 
folglich  wird 

(16.)  Ti  =  (-i)^r, 

und  da  diese  Gleichung  für  alle  Glieder  der  Determinanten  J^ 
und  J  gilt,  so  erhält  man 

(17.)  J^  =  (—  1)^J. 

In  dieser  Gleichung  ist  der  folgende  Satz  enthalten: 

Satz  4.  Vertauscht  man  in  einer  Determinante  J  die  Zeilen 
heliebig  mit  einander  und  die  Colonnen  heliehig  mit  einander^  so 
geht  die  Determinante  in  sich  selbst  überj  multipUdrt  mit  ( — 1)^, 
wobei  X  die  TranspositionszaJU  zioischen  der  neuen  Aufeinander- 
folge f  g  h  . .  .1  der  Zeilen  und  der  neuen  Aufeinanderfolge 
a  ß  y  . .  ,v  der  Colonnen  ist. 

Hieraus  ergiebt  sich  als  besonderer  Fall 

Satz  5.  JEüne  Determinante  ändert  nur  ihr  Vorzeichen, 
wenn  man  zwei  Zeilen  oder  zwei  Colonnen  mit  einander  ver- 
tauscht. 

Hat  eine  Determinante  J  zwei  identische  Zeil^  oder  zwei 
iOäitische  Colonnen,  so  ändert  sich  J  nicht,  wenn  man  diese 
beiden  identischen  Reihen  mit  einander  vertauscht.  Anderer- 
seits erhält  aber  nach  Satz  5  die  Determinante  bei  dieser  Ver- 
tauschung das  entgegengesetzte  Vorzeichen,  folglich  wird 

(18.)  J  =  —J,    oder    2^  =  0. 

Dies  giebt 

Satz  6.  Eine  Determinante  mit  zwei  identischen  Zeilen  oder 
mit  zwei  identischen  Colonnen  ist  gleich  Null. 

Satz  7.  Eine  Determinante  ändert  ihren  Werth  gar  nicht, 
wenn  man  die  Zeilen  zu  Colonnen  und  die  Colonnen  zu  Zeilen 
ma^ht. 


440 


§  100.    Zerlegung  der  Determinanten. 


'ny 


"yn' 


Beweis.  Die  Yertauschiing  der  Zeilen  mit  den  Colonnen 
entspricht  einer  Yertauschimg  der  ersten  Indices  mit  den  zweiten, 
so  dass  die  Determinante 

(19.)  J  =  2(—  if  a^^a^ßO^  ...  a, 

bei  dieser  Yertauschnng  übergeht  in 

(20.)  ^1  =  2(—  if  a„,  a^2  V  •  •  ^' 

Die  beiden  Determinanten  J  und  J^  enthalten  aber  genau 
dieselben  Glieder,  nur  sind  die  Factoren  der  einzelnen  Glieder 
in  J  nach  den  ersten  und  in  J^  nach  den  zweiten  Indices 
geordnet. 

Aus  diesem  letzten  Satze  erkennt  man,  dass  jeder  Satz, 
welcher  sich  auf  die  Zeilen  einer  Determinante  bezieht,  in 
gleicher  Weise  auch  von  den  Colonnen  einer  Determinante  gilt. 
Um  beide  Fälle  zusammenzu&ssen,  möge  in  den  folgenden  Para- 
graphen der  Ausdruck  ^Reihen^  ebenso  für  die  Zeüm  wie  für 
die  Colonnen  gebraucht  werden. 


§  100. 

Zerlegung  der  Determinanten. 

(VergL  die  Formel-Tabelle  Nr.  120—124.) 

Zieht  man  aus  der  Determinante 


(1.)  ^= 


«11  «12  Ö13  .  .  .  öin 
Ö21  «22  Ö23  .  .  •  Ö^n 
0^31  0^32  Ö33  •  •  •  ^3n 


=  2(—  1)^01«  a^  a^...  a^^ 


Oni  ^«12^3  •  •  •  ÖJfm 

alle  Glieder  heraus,  die  mit  an  multiplicirt  sind,  so  erhält  man 

(2.)     2{—  ifa^^  a^  «sy  •  •  •  ^ny  =  «11  ^(—  i)^^2ß  «sy  •  •  •  <^ny, 

wo  sich  die  Summation  auf  alle  Permutationsformen  ß  r  •-*  ^ 
der  Zahlen  2  3  ...  n  erstreckt,  während  X  die  zugehörige  Trans- 
positionszahl ist.  Der  Factor  von  «n  in  Gleichung  (2.)  —  er 
heisse  «n  —  ist  daher 


§  100.    Zerlegung  der  Determinanten. 


441 


(3.) 


«11  = 


0^22  ^23  •  •  •  ^n 
Ö?32  Ö533  .  •  •  Ö3n 


^n2  Ön3  •  •  •  ^nn 

er  ist  also  eine  Detenninante  (n  —  1)^''  Ordnung,  die  aus  J 
entsteht,  indem  man  die  erste  Zeile  und  die  erste  Golonne 
fortlässt. 

Vertauscht  man  in  ^  die   erste  Zeile  mit  der  zweiten, 
so  wird 

0^21  Ö522  0^23  •  •  •  ^n 
du  «12  Ö13  •  •  .  din 
Ö31  «32  Ö33  .  •  .  Ö3n 


(4.) 


=  —J. 


^nl  (h%2  Ö?i»3  •  •  •  ^nn 

Bei  dieser  Determinante  wird  in  gleicher  Weise  wie  vorhin 
der  Factor  von  021  eine  Determinante  (n  —  l)'**"  Ordnung,  welche 
durch  Fortlassen  der  ersten  Zeile  und  ersten  Golonne  aus  der 
vorstehenden  Determinante  hervorgeht;  folglich  ist  der  Factor 
CC21  von  021  in  der  ursprünglichen  Determinante  J 


(5.) 


«21  =  — 


«12  Ö13  .  .  .  öin 
0^2  Ö33  .  .  .  a^ 


^n2  ^n3  •  •  •  ^nn 

und  geht  aus  J  hervor,  indem  man  die  zweite  Zeile  und  die 
erste  Golonne  fortlässt  und  das  Zeichen 

(6.)  -  1  =  (-  1)^+^ 

davorsetzt. 

In  ähnlicher  Weise  findet  man  den  Factor  von  «31,  «41, . . . 
allgemein  den  Factor  «/i  von  a^i.  Vertauscht  man  nämlich  die 
f^  Zeile  mit  der  (/— 1)'*»,  dann  mit  der  (/— 2)*«*  und  so 
weiter,  bis  die  Reihenfolge  der  Zeilen  (bezw.  der  ersten  Indices) 

/,  1,  2,  .../— i,/+i,  ...  n 

geworden  ist,  so  geht  bei  diesen  / —  1  Vertauschungen  J  in 
( — ly-^J  über,  und  das  Element  a/i  steht  an  erster  Stelle. 
Daraus  folgt,  dass  der  Factor  von  a/i  in  J,  nämlich 


442 


§  100.    Zerlegong  der  Determinantein. 


(7.) 


«/i  =  (- 1)^-' 


ö^/-l,  2  öfy— 1, 8  •  •  •  öf/-i,  n 


Öfn2       ^nS     •  •  •      ®nn 

aus  J  hervorgeht,  indem  man  die  /'*  Zeile  und  die  erste  Colonne 

forüässt  nnd  das  Zeichen 

(8.)      ^  (_  i)/-i  =  (_  i)/+i 

hinznfiigt. 

Vertauscht  man  jetzt  in  -^  die  r*'  Colonne  mit  der  (r — 1)*^, 
dann  mit  der  (r  —  2)'**  und  so  weiter,  bis  die  Reihenfolge  der 
CJolonnen  (bezw.  der  zweiten  Ihdices) 

r,  1,  2, . . .  r  —  1,  r  +  1, .  ,»n 

geworden  ist,  so  geht  J  in  ( — ly-^J  über;  jetzt  kann  man 
den  Factor  u/r  von  a/r  in  gleicher  Weise  finden,  wie  vorhin 
den  Factor  a/i  von  a/i.    Daraus  folgt  dann,  dass 


(9.)       a,r  =  (-  iy+- 


«11 


ö^l,  r— 1       ö^l,  r+ 1     • 


öln 


Ö/-I-1,  1  .  .  .  0/4-1,  r-l  05/4-1,  r+1  •  •  •  ö/4_i, « 


Ä«l     ...     öJn,  r— 1      ^n,  r+1 


a, 


nn 


aus  J  entsteht,  indem  man  die  y**  Zeile  und  r'*  Colonne  fort- 
lässt  und  den  Factor  (—  iy+'-  hinzufügt. 

Diese  Factoren  a/r  heissen  „  Unterdeterminanten  {n  —  1)*^ 
Ordnung  von  J^  und  können  auch  noch  auf  die  folgende  Form 
gebracht  werden.  Durch  /—  1  Vertauschungen  können  die 
Zeilen  (bezw.  die  ersten  Indices) 

1,  2,  3.../— l,/+l,/+2,...n 

in  die  Beihenfolge 

/+1,  1,  2,  3,.../— l,/+2,...;j 

gebracht  werden.    Durch  weitere  / —  1  Vertauschungen  erhält 
man  die  Eeihenfolge 

/+l,/+2,  1,  2,.../— l,/+3,...;j. 


§  100.    Zerlegung  der  Determinanten.  443 

So  kann  man  fortfahren,  bis  man  dm-ch  {n — /)(/ — 1) 
Vertauschnngen  die  „cyilische^^  Reihenfolge 

f+l,f+2,..,n,  1,  2,.../-l 

erhält.  Ebenso  gelangt  man  durch  (n  —  r)  (r  —  1)  Ver- 
tauschnngen der  Colonnen  (bezw.  der  zweiten  Indices)  zu  der 
cyAlüchen  Seihenfolge 

r  +  1,  r  +  2, . . .  w,  1,  2, ...  r  —  1. 
Durch  diese  Vertauschungen  ist  a/r  mit 

( l)(n-y)  (/-l)  4-  (n^r)  (r-l)  —  (_  l)n  (/+r)  -  2n  -/  (/-l)  -r  (r-1) 

==  ( —  !)••  (Z+r) 

multiplicirt,  denn  2n,  /(/ —  1)  und  r  (r  —  1)  sind  gerade  Zahlen. 
Deshalb  wird  das  Vorzeichen  von  «/r 

( l)n  (/+r)+/4-r  —  (_  l)(n-f  1)  CZ+r), 

Dies  giebt 

^/-hl.  r-\-i  ö^-f  1,  r+2  •  •  •  ^/+U  r— 1 
^/+2,  r+1  Ö/+2,  r+2  •  •  •  ^/+2,  r— 1 


(10.)  a/r  =  (— iy"+*^(-^+'"^ 


a/_l,  r+l  Ö5/— 1,  r+2  •  •  •  Ö/-.1,  r-l 

Ist  w  ungerade ,  also  n  +  1  gerade ,  so  sind  daher  alle  diese 
Unterdeterminanten  mit  dem  positiven  Vorzeichen  zu  nehmen. 

Beachtet  man,  dass  jedes  Glied  der  Determinante  J  ein 
und  nur  ein  Element  der  ersten  Colonne  enthält,  so  findet  man, 
dass 

(11.)  J  =  «11  «11  +  021  «21  +  «31^31  +  .  .  .  +  önittnl 

sein  muss;  denn  es  sind  erstens  alle  Glieder  von  J  durch  [die 
Summe  auf  der  rechten  Seite  von  Gleichung  (11.)  erschöpft, 
weil  jedes  Glied  ein  Element  der  ersten  Colonne  als  Factor 
enthalten  muss,  und  zweitens  kommt  in  dieser  Summe  jedes 
Glied  nur  einmal  vor,  weil  kein  Glied  zwei  Elemente  der  ersten 
Colonne  als  Factoren  enthalten  kann. 

Ebenso  kann  man  die  Determinante  J  nach  den  Elementen 
der  r*«*»  Colonne  zerlegen  und  erhält 

(12.)  ^  =  öirOfir  +  (l2rCt2r  +  dSr^CSr  +  •  •  •  +  ^nr^nr' 


444 


§  100.    Zerlegung  der  Determinanten. 


Es  sei  w  =  3,  also 


J  = 


Beispiel. 

«11  »12  «13 

<Hl  0^2  0^23 
Ö31  ©82  Ö33 


dann  ist 

J  =  «11 


Ö22  Ö523 
Ö32  Öf33 


«21 


«12  «13 
0^32  Ö33 


+  «31 


«12  «13 
Ö22  0^23 


oder,  wenn  man  die  cyMsche  Anordnung  der  Unterdetenninanten 
benutzt, 


j  =  «11 


«22  0^3 
0^32  Ö33 


+  «21 


0^32  0^33 
012  Öfi3 


+  «31 


«12  «13 
«22  «23 


=  öii  («22033 «23  0^32)  +  0^21  (0^32  0^13 ÖJ33  012)  +  ^2,1  {P'Vl  <hz «13  022). 

Da  sich  J  nicht  ändert,  wenn  man  die  Zeilen  mit  den 
Colonnen  vertauscht,  so  findet  man  in  gleicher  Weise  eine  Zer- 
legung von  J  nach  den  Elementen  einer  beliebigen  Zeile  und 
zwar  wird 

(13.)         J  =  aji öc/i  +  a/2(Xj2  +  (^/scc/s  +  . .  .+  a/ncc/n. 

Ordnet  man  z.  B.  für  tj  =  3  die  Determinante  nach  den 
Elementen  der  zweiten  Zeile,  so  erhält  man 


J  =           «21 

«12  «13 
«32  «33 

+  «22 

«11  «13 
«31  «38 

«23 

«11  «12 
«31  «32 

oder  bei  cyklischer  Anordnung 

J  =  021 

«32  «33 
«12  «13 

+  «22 

«33  «31 
«13  «11 

+  «23 

«31  «82 
«11  «12       * 

Ist  s  von  r  verschieden,  und  vertauscht  man  in  Gleichung 
(12.)  die  Elemente  «ir,  «2r9  >  •  »(^nr  niit  «i«,  (hg,  •  •  •  «n«,  so  erhält 
man 

(14.)  Ji  =  «i,air  +  «2«a2r  +  «3*a3r  +  «n«anrj 

WO  Ji  gleichfalls  eine  Determinante  ist,  welche  aus  J  hervor- 
geht, indem  man  die  Elemente  der  r^^  Colonne  durch  die  Ele- 
mente der  «*•**  Colonne  ersetzt.  Dadurch  wird  aber  Ji  eine 
Determinante,  in  welcher  die  Elemente  der  r*^  und  der  «*^ 


§  101.    Auflösung  linearer  Gleichungen.  445 

Colonne  identisch  sind.  Deshalb  wird  J^  nach  Satz  6  in  §  99 
gleich  Null,  und  Gleichung  (14.)  geht  über  in 

(14  a.)  öl«air  +  (h»0t2r  +  aztUzr  +  anaf^nr  =  0, 

wenn  r  ^  «  ist. 

Ist  femer  g  von  /  verschieden,  und  vertauscht  man  in 
Gleichung  (13.)  die  Elemente  a/i,  a/2, . . .  a/n  niit  a^,  Ugi,...  agn, 
so  erhält  man 

(15.)  ^2=  agiCtfi  +  0^205/2  +  (^gZCt/Z  +  •  •  •  +  «^«/n, 

WO  J2  gleichfalls  eine  Determinante  ist,  welche  aus  J  hervor- 
geht, indem  man  die  Elemente  der  /*^  Zeile  durch  die  Elemente 
der  g**^  Zeile  ersetzt.  Dadurch  wird  aber  J2  eine  Determinante, 
in  welcher  die  Elemente  der  /^**»  und  der  g*^  Zeile  identisch 
sind.  Deshalb  wird  J2  nach  Satz  6  in  §  99  gleich  Null,  und 
Gleichung  (15.)  geht  über  in 

(15a.)        agiUfi  +  a^oLf2  +  ag^a^  +  • . .  +  «^  o/h  =  0, 

wenn/^^  ist. 


§  101. 

Anwendung  auf  die  Auflösung  von  n  linearen  Gleichungen 

mit  n  Unbelcannten. 

(Vergl.  die  Formel-Tabelle  Nr.  125.) 

Sind  n  lineare  Gleichungen  mit  n  Unbekannten: 

flu  ^1  +  fli2^2  +  .  . .  +  flm  ^»  =  ^Ij 

,    021  ^1  +  fl22  ^2  +  .  .  •  +  fl2n^  =  ^2? 
(1*/ 

flnl^l  +  fln2  ^2  +  •  .  .  +  <h»i^n  =  <?n 

gegeben,  so  findet  man  2:1,  indem  man  die  erste  Gleichung  mit 
«11,  die  zweite  Gleichung  mit  «21, . . .  die  w**  Gleichung  mit  «ni 
multiplicirt  und  alle  Gleichungen  addirt.  Der  Coefficient  von 
x^  wird  dann  nach  Formel  Nr.  121  der  Tabelle  (für  r  =  1) 

(2.)  «11  «11  +  fl21  «21  +  .  •  .  +  flnl  «nl  =  -^j 

während  der  Coefficient  von  x^^  wenn  s  von  1  verschieden  ist, 
nach  Formel  Nr.  123  der  Tabelle  (für  r  =  l)  gleich 


446 


§  101.    Auflösung  liaearer  Gleickungea. 


(3.)  auctii  +  a2aa2i  +. . .+  «nt««!  =  0 

ist.    Man  erhält  daher  bei  der  Addition 

eine  Gleichung,  aus  der  sich  Xi  unmittelbar  ergiebt,  wenn  man 
auf  beiden  Seiten  durch  J  dividirt. 

Ebenso  leicht  findet  man  den  Werth  von  Xr,  indem  man 
die  Gleichungen  (1.)  bezw.  mit 

Öf  Ir  j    CC2r  )  •  •  •  ^nr 

multiplicirt  und  dann  addirt.  Ist  s  von  r  verschieden,  so  wird 
bei  der  Addition  der  Coefflcient  von  x,  nach  Formel  Nr.  123  der 
Tabelle 

(5.)  öl»air  +  (hMCC2r  +-  •  •+  (^nsCCnr  =  0; 

nur  der  Coefflcient  von  Xr  wird  nach  Formel  Nr.  121  der 
Tabelle 

(6.)  (^irCtir  +  Ö2ra2r  +.  .  .+  €inr  CCnr   =  ^j 

folglich  erhält  man  bei  der  Addition 


(7.) 


J.  Xr  =  CiUir  +  C2a2r  +•  .  .+  CnOCw-. 


Wenn  man  in  der  Determinante 

die  Elemente  der  r*^  Colonne  air,  a2r,...anr  durch  die  Grössen 
ci,  C2, . . .  Cn  ersetzt,  so  erhält  man 

deshalb  kann  man  Gleichung  (7.)  auch  schreiben,  wie  folgt: 


(7a.) 


«11  ai2  . . .  ain 

^1  <^2  •  •  «  Ö2n 

•  Xf  — 

ö^nl  Ön2  .  •  •  ö^n» 

öll  .  .  .  öi,r— 1  Cl  ^l,r-fl  •  •  •  ÖiH 
021  ...  ^,  r— 1  ^2   Ö2,  r+1  •  •  •  Ö2n 


öfil  •  •  •  Ö^n,  r— 1  ^n  ^5«,  r-fl  •  •  •  (^nn 


um  ^r  selbst  zu  finden,  muss  man  noch  die  beiden  Seiten 
der  Gleichung  (7.)  oder  (7a.)  durch  J  dividiren,  was  nur  unter 
der  Voraussetzung  geschehen  darf,  dass  J  von  Null  verschieden 
ist.  Was  geschieht,  wenn  ^  =  0  ist,  möge  einer  späteren 
Untersuchung  vorbehalten  bleiben. 


§  102.    y€i:em&cliimgen  bei  Ausrechnung  der  Determinanten.  447 

§  102. 

Vereinfachungen  bei  Ausrechnung  der  Determinanten. 

(Vergl.  die  Formel- Tabelle  Nr.  126—132.) 

Satz  1.  Wenn  alle  Elemente  einer  Beihe  bü  auf  eines  a/r 
verschtoindeny  so  ist  die  Determinante  diesem  einen  Elemente  a/t 
gleich,  mtUtiplicirt  mit  der  ztigehörigen  Unterdeterminante  {n — 1)**^ 
Ordnung  a/r.    ' 


So  ist  z.  B. 


J  — 


Ai  0    Ci 

Aa  0    Ca 


=  B, 


Ä,  Ci 
-^8  Ca 


Der  Beweis  des  aUgemeinen  Satzes  ergiebt  sich  immittelbar 
aus  der  Zerlegung  der  Determinante  nach  den  Elementen  der 
betreffenden  Eeihe« 

Satz  2.  Eine  Determinante  kann  auf  den  nächst  höheren 
Grad  gebracht  werden,  wenn  man  eine  Zeile  und  eine  Colonne 
einschiebt,  das  den  beiden  eingeschobenen  Meihen  gememschafU 
liehe  Element  +  1  setzt  und  die  übrigen  Elemente  der  einen 
eingeschobenen  Reihe  gleich  0  macht.  Die  übrigen  Elemente  der 
anderen  eingeschobenen  Meihe  sind  ganz  beliebig. 


Es  ist  z.  B. 


(1.) 


ÖU  «12  ...  «in 

021  «22...  Ö2n 

= 

öfnl  an2  .  •  .  ann 

1  ?1     ?2    •.•§»! 

0  öii  012  •  •  •  am 
0  «21  «22  •  •  •  «2h 

0  «Ml  «n2  •  •  •  «im 


wobei  die  Grössen  ?i,  ?2,  • . .  ?J  noch  ganz  beliebig  sind. 

Der  Beweis  des  Satzes  folgt  unmittelbar  aus  der  Anwen- 
dung von  Satz  1.  Stehen  die  beiden  eingeschobenen  Eeihen  am 
Eande  der  Determinante,  wie  in  dem  angegebenen  Beispiele,  so 
nennt  man  das  Verfahren  y,Rändem  der  Determinante.^ 


448    §  102.   Vereiii&chungein  bei  Ausreclmmig  der  Determinanten. 


(2.) 


=  At  B<t  Cz  D4. 


Satz  3.  Verschtoinden  aUe  Elemente  auf  der  einen  Seite 
einer  Dioffonalej  so  reducirt  sich  die  Determinante  auf  das  erste 
bezw.  auf  das  letzte  Glied. 

Es  ist  z.  B. 

Ai  B,  Ci  D, 

0    0  CsA 
0    0    0  I>4 

Der  Beweis  folgt  aus  der  wiederholten  Anwendung  von 
Satz  1. 

Satz  4.  Haben  sämmtliche  Elemente  einer  Seihe  einen  ge- 
meinsamen Factor j  so  kann  man  denselben  vor  die  Determinante 
setzen. 

Es  ist  also  z.  B. 


(3.) 


du  •  •  •  ma\r  .  • .  a\^ 

a^x  • .  •  ma^r  •  •  •  ^a 

Oni  .  .  .  manr  •  •  •  ^nn 


=  m 


a\x , .  •  a\r  •  •  •  ^lA 

^21  •  •  •  ^2r  •  •  •  ^2n 


öni  .  .  .  af^r  •  .  .  öj 


'tun 


Der  Beweis  folgt  aus  der  Zerlegung  der  Determinante  nach 
den  Elementen  der  betreffenden  Eeihe. 

Durch  die  Anwendung  dieses  Satzes  kann  man  in  vielen 
Fällen  eine  Determinante  auf  eine  andere  mit  kleineren  Zahlen 
i^educiren.    So  ist  z.  B. 


12    9  15 

16     7  10 

8  13  25 


=  3.4.5 


13  1 
4  7  2 
2  13  5 


Satz  5.     Sind  die  Elemente  einer  Reihe  denen  einer  paral- 
lelen Reihe  proportional^  so  ist  die  Determinante  gleich  Null. 

Es  ist  z.  B. 


=  0. 


Ai  mAi  d 
(4.)  A2  mAi  O2     =  w 

Aq  mAz  Ca 

Der  Beweis  des  Satzes  folgt  aus  Satz  4  und  Formel  Nr.  118 
der  Tabelle. 


Ai  Ai  C\ 

A2  A2  Ci 

As  As  Cs 


§  102.    Yerem&chungeii  bei  Ausredmung  der  Detorminanten.  449 

Saiz  6.  Sind  die  Elemente  einer  Heike  Aggregate  von 
gleich  viel  Gliedern  y  so  ist  die  Determinante  gleich  der  Summe 
mehrerer  Determinanten ,  welche  man  aus  der  ursprünglichen 
erhäUj  indem  man  die  einzelnen  Theüreihen  einsetzt 

Es  ist  z.  B. 


(5.) 


-^1  +  J^i?  Ci,  X>i, . . . 

^2  "t"  '^2>  ^25   -^25  •  •  • 

— 

Ji.^  C/|  JJ^  •  •  • 
^2  ^2       2  *  *  * 

+ 

jBi  (7i  Dl . . . 

x)2  v/2  -^2  *  *  * 

-4»  +  -Bnj    C»,  2)nj  •  .  • 

-^n  CnDn  •  •  . 

Bn  Cn  Dn  .  .  • 

Der  Beweis  des  Satzes  folgt  aus  der  Zerlegfung  der  Deter- 
minante nach  den  Elementen  der  betreffenden  Beihe. 


Satz  7.  Eine  Determinante  ändert  sich  nicht  y  wenn  man 
zu  den  Elementen  einer  Reihe  ein  beliebiges  Vielfache  von  den 
Elementen  einer  parcdlelen  Reihe  addirt. 


(6.) 


Es  ist  also  z.  B. 

«11  «12  .  •  .  öl» 
021  (3^2  •  •  •  0^2» 


öf»l  Ö„2  •  •  •  (^^ 


öu  +  möir,     Ö12  .  .  .  öln 
«21  +  ^Wa2r,     «22  .  .  •  Ö2» 

«nl  +  ^flW,  On2  .  .  .  On» 


Der  Beweis  folgt  aus  der  Verbindung  der  Sätze  5  und  6. 

In  welcher  Weise  die  vorstehenden  Sätze  benutzt  werden 
können^  mögen  die  folgenden  Beispiele  zeigen. 

1)  Es  ist 


1^1  —  ^)  Vi—y^ 
1^1— ^>  Vi—Vs 


1  x^ 

Vi 

1 

«1 

yi 

0    X^            X<iy    t/i  - 

-Vi 

^ 

—  1 

—  «2 

— y2 

0    Xi—  Xsy    Vi  - 

-Vi 

—  1 

a% 

ys 

1  ^1  Vi 

1    X2  1/2 

• 

1    «3    VS 

Stegemann-Kiepert,  Differential-Bechnang. 


29 


450 


§  103.    Mulüplicatlon  der  Determinanten. 


2)  Es  ist 


1 
1 
1 
1 


^1 
^2 

^4 


^2 

y3 
y4 


^ 
^ 


1  ar^ 


0  a?! 
0  a?! 


yi 
^2?  yi 

^3j  Vi 

^4j  yi 


y3>  ^1 


«2 
«3 


— ^4j  yi— y4J  ^1  — 


1  a:i   yi  2r, 


1  ^2  y2  ^ 
1  ^3  y3  ^ 

1  x^  y^  «4 


§103. 

Multiplication  der  Determinanten. 

(Vergl.  die  Fonnel-Tabelle  Nr.  133.) 


(1.) 

wobei 
(2.) 


Es  sei 


«11  «12 

All  Ji2 

Cu  C12 

,     5  = 

J2I  ^22 

,        C  = 

«21  «22 

7 

/ 

C21  C22 

{Cii  = 
C21  = 


=  öu  Jii  +  ai2ftl2,       ^12  =   0^11*21  +  »12*22, 
021*11  +  022*12,       ^22  =  «21*21  +  «22*22, 


dann  soll  gezeigt  werden,  dass 

(3.)  A.B=:C 

ist.    Es  wird  nämlich  nach   den   Sätzen  der  vorhergehenden 
Paragraphen 

«11*11  +  «12*12,    «11*21  +  «12*22 
«21  *11  +  «22  *12  ,    «21  *21  +  «22  *22 

«11*11,  «11*21     ,     «11*11,  «12*22 
«21*11,  «21*21  «21*11,  «22*22 

«11  «11       ,     1      T         «11  «12 


c  = 


+ 


=  *11* 


11  «'21 


«21  «21 


+  *11  *22 


«21  «22 


«12*12,  «11*21 
«22*12,  «21*21 

«12  «11 


+ 


+  *12* 


21 


«22  «21 


«12*12,     «12*22 
«22*12,    «22*22 

«12  «12 


+  *12*22 


«22  «22 


Da  nun  aber  die  Determinanten  mit  zwei  identischen  Colonnen 
gleich  Null  sind,  so  wird 


J 


§  103.    Multiplication  der  Detenumanten. 


451 


(4.)      C=bnbn 
=  A.B. 


an  «12 

+  ^nhi 

0120^11 

— 

^11^12 

0^21  Ö22 

0220^21 

«21  ÖJ22 

(511^22 ^12*21) 


Es  ist 


Beispiel. 


a, — i 
b,    a 


c,  — d 

d,  c 


ac  +  Jflf,  ad  —  bc 
bc  —  arf,  hd  +  ac 


(5.) 

oder 

(5a.)  («2  +  i2)  (c2  +  rf2)  =  {ac+bdy  +  {ad  —  bc)\ 

Dies  giebt  den  Satz:  Midtiplicirt  man  die  Summe  zweier 
Quadrate  wieder  mit  der  Summe  zweier  Quadrate,  so  lässt  sich 
das  Product  gleichfalls  als  die  Summe  zweier  Quadrate  darstellen. 

In  ähnlicher  Weise,  wie  vorhin  Determinanten  2^^  Ordnung 
mit  einander  multiplicirt  worden  sind,  kann  man  auch  Determi- 
nanten n**»*  Ordnung  mit  einander  multipliciren.    Es  sei  jetzt 


(6.)     A  = 


«11  «12  .  .  .  a\n 
Ö21  0^2  •  •  •  öJ2n 

Ö5nl  Ö5n2  •  •  •  ^nn 


,B= 


^Il5l2  .  .  .  bin 
^21  022...  b2n 


bnl bn2  •  .  .  bnn 


,c= 


^11  ^12  • . .  Cm 

^21^22  .  .  .  C2n 


^nl  <?n2  •  .  •  Cnn 


wobei 

(7.)  C/r  =  ö/l  bri  +  a/2*r2  +  ...  +  «/«  b^n 

sein  möge.  Der  Kürze  wegen  soll  Gleichung  (7.)  in  der  Form 
(7a.)  c/r  =  ^«  ö/a  bra ,  oder  c/r  =  2ß  a^ß  b^ß,...  oder  c^r  =  2*^  a^y  bry 
geschrieben  werden,  wobei  die  Summationsbuchstaben  a,  ß,...v 
die  Werthe  1  bis  w  durchlaufen.    Dadurch  erhält  man 

^"^^la  *i«  j  ^^«1/5  *2^  j  • . .  -^"«1,.  *, 


(8.) 


C7  = 


ny 
ny 


oder,  wenn  man  die  Determinante  nach  den  Theilcolonnen  zerlegt 

^2a*ia?   ^2ßhßi  •  •  .  «21'*« 


(9.)    C=:2'^2ß...2y 


'ny 
^ny 


^nahai    a^ß  *2  /•?  •  •  •  ^ny^ny\ 


29» 


452 


§  103.    MultipliGation  der  Determinaiiteii. 


wobei  a,  /?,...  V  alle  Werthe  von  1  bis  »  durchlaufen,  so  dass 
die  Summe  im  Ganzen  »*  Glieder  enthält.  Die  Gleichung  (9.) 
kann  jetzt  aber  auch  in  der  Form 

^ia^i/5  •  •  •  öJiy 
^2a  ^2/5  ••  •  ^y 


(9a.)    C  =  2b^a  *2Ä  •  •  •  * 


ny 


(^m.»»(lm.fl  •  •  »C^, 


"na'^nß 


ny 


geschrieben  werden,  wobei  das  Summenzeichen  verlangt,  dass 
a,  ß^...v  einzeln  alle  Werthe  von  1  bis  n  anndmien.  Man 
darf  sich  aber  darauf  beschränken ,  dass  a,  ß,...y  lauter  ver- 
schiedene Werthe  haben,  weil  in  Gleichung  (9a.)  die  Determi- 
nante der  a  verschwindet,  sobald  von  den  Indices  a,  ß ...v  zwei 
einander  gleich  sind.  Man  braucht  daher  in  Gleichung  (9  a.) 
die  Summation  nur  über  die  n\  Permutationsformen  aß  ...v  der 
Zahlen  12...»  zu  erstrecken.  Nun  ist  aber,  wenn  aß ...v  eine 
Permutationsform  der  Zahlen  12...»  ist. 


(10.) 


^la^ip  .  •  .  öjy 


^2a^2p  •  •  •  ^' 


2y 


^na^nß •  •  • ^ 


ny 


=  (_!)* 


^11  ^12  •  •  •  ^1« 
^21  ^22  •  •  •  ^» 

^nl  ^n2  •  •  •  ^nn 


=  (-1)*-*, 


wobei 

(11-)  ^=(l2...J 

ist,  folglich  geht  Gleichung  (9  a.)  über  in 

(12.)  0==  A.2{—  1)^*1«  Jaj} . . .  *ni.  =  ^  •  -B. 

Dies  giebt  den  Satz: 

Zwei  Determinanten  n*^  Ordnung  werden  mit  einander  mtdti- 
plicirty  indem  man  die  Elemente  der  f*^  Zeile  der  ersten  De- 
terminante mit  den  Elementen  der  r*^  Zeile  der  zweiten  De- 
terminante muUiplicirtf  diese  n  Producte  addirt  und  aus  den  so 
erhaltenen  n'^  Summen  eine  neue  Determinante  bildet. 

Da  man  in  jeder  der  beiden  Determinanten  A  und  B  die 
Zeilen  mit  den  Colonnen  vertauschen  darf,  so  kann  e>  auch  die 
folgenden  Werthe  erhalten: 


§  104.  Homogene,  lineare  Gleichungen  mit  n  Unbekannten.      453 

(13.)  Cfr  ^  a/i  Jir  +  dj^i^r  +  ♦  •  •  +  ö/»i  JiWj 

oder 

(14.)  Cfr  =  «1/Jrl  +  öyJr2  +  •  •  •  +  öJ^/^Srn, 

oder 

(15.)  C/r  =  Ci/Jir  +  (Hs^lr  +  •  •  •  +  O^nf^wr- 


§  104. 

Homogene,  lineare  Gleichungen  mit  n  Unbekannten. 

Sind  n  lineare  Gleichungen  mit  n  Unbekannten 

(öiii2?i  +  012^^2  +  . . .  +  ^m^M  =  Ci, 
(h.\X\  +  ^2^2  +    .  .  .   +  ör2n^n  =  ^2? 

l  önl^^l  +  ««23^2  +   .  .  .  +  «nn^n  =    ^n 

gegeben,  so  wird  nach  Formel  Nr.  125  der  Tabelle 

(2.)  J  .Xr  =  Cittir  +  C2a2r  +  .  .  .  +  C^^wr  ^ 

Lässt  man  jetzt  die  Gf^rössen  ci,  C2, . . .  <?„  immer  kleiner 
werden  nnd  schliesslich  ganz  verschwinden,  so  erhält  man  die 
Gleichungen 

«uaJi  +  ai2Ä?2  +   .  .  .  +  ^in^n  =  0, 
021^1  +  Ö22i??2  +   .  .  .   +  ^2»^«!  =  0, 


(3.) 


Diese  linearen  Gleichungen  heissen  homogen.  Aus  den 
Gleichungen  (3.)  findet  man  in  diesem  Falle 

(4.)  ^ .  a:r  =  0  flir  r  =  1,  2,  3, . . .  w. 

Wenn  man  nun  weiss,  dass  die  Gleichungen  (3.)  auch  für 
solche  Werthe  von  xx^  0^2, .. .  Xn  gelten,  die  nicht  sämmtlich  gleich 
Null  sind,  so  folgt  aus  den  Gleichungen  (4.),  dass 

^  =  0 
sein  muss.    Dies  giebt  den  Satz: 


454  §  105.    Anwendungen  auf  einzelne  Aufgaben. 

n  lineare^  homogene  Gleichungen  mit  n  Unbekannten  können 
für  nickt  verschwindende  Werthe  der  Unbekannten  nur  dann 
gleichzeitig  bestehen,  wenn  die  Determinante  J  der  Coefßcienten 
gleich  0  ist. 


§  105. 

Anwendungen  auf  einzelne  Aufgaben. 

Aufgabe  1.  Man  soll  die  Bedingung  finden,  dass  drei  Gerade 
9u  ff2j  9z  durch  einen  Punkt  gehen. 

Auflösung.    Man  kann  die  Gleichungen 
(1.)    ^,fl;+5iy+Ci  =  0,  A^x+B^y+C^  =  %  A^x+B^y+C:^=  0 
der  drei  Geraden  g^ ,  g^,  g^  homogen  machen,  indem  man 

einsetzt  und  dann  die  Gleichungen  mit  x^  multipliciii;.    Dadurch 
gehen  die  drei  Gleichungen  (1.)  über  in 

iA^x^  +  B^x^  +  Cia-3  =  0, 

(3.)   I  ^2^1  +  B^x^  +  C^x^  =  0, 

\  A^x^  +  ^33:2  +  C^x^  =  0. 

Dabei  darf  man  noch  für  x^  jeden  beliebigen  Werth  setzen. 
Ist  z.  B.  ä:3  =  1,  so  wird 

rcj  =  a;,  3^2  =  y. 

Da  also  die  drei  linearen,  homogenen  Gleichungen  (3.) 
gleichzeitig  gelten  sollen  für  Werthe  von  ^^1,0:25  ^5  ^6  w^lA 
alle  drei  gleich  Null  sind,  so  muss  die  Determinante  der  Coefft- 
denten  verschwinden.  Die  Bedingung  dafür,  dass  die  drei 
Geraden  durch  einen  Punkt  gehen,  ist  daher 

(4.)  A^B^C^     =  0. 

A^B^  C3 

Aufgabe  2.  Man  soll  die  Bedingung  finden,  unter  welcher 
vier  Ebenen  e^,  62,  €3,  €4  durch  einen  Punkt  gehen. 


§  105.    Anwendungen  auf  einzelne  Aufgaben. 


455 


(5.) 


Auflösung.    Man  kann  die  Gleichimgen 

f  Aiz  +  Biy  +  Ciz  +  A  =  0, 
A^z  +  Büf  +  Cjz  +  I>2  =  0, 
A^z  +  B^y  +  C^z  +  A  =  0, 
l  AtZ  +  Biy  ■\-CiZ  +  D^  =  0 
der  vier  Ebenen  e^,  ej,  «3,  e«  homogen  machen,  indem  man 


(6.) 


x^  x^  x^ 


(7.) 


einsetzt  nnd  dann  die  Gleichungen  mit  x^  moltiplicirt.    Dadurch 
gehen  die  Gleichungen  (5.)  über  in 

'  A^x^  +  B^X2  +  Cix^  +  2^1^:4  =  0, 

A^x^  +  B^X2  +  C^x^  +  D^x^  =  0, 
.  A^x^  +  -043:2  +  Cj^x^  +  D^x^  =  0. 

Da  diese  linearen,  homogenen  Gleichungen  gleichzeitig  gelten 
sollen  für  Werthe  der  Unbekannten  x^^  X2^  x^^  x^^  die  nicht  alle 
vier  gleich  Null  sind,  so  muss  die  Determinante  der  Cioefficienten 
verschwinden.  Die  Bedingung  dafür,  dass  die  vier  Ebenen  durch 
einen  Punkt  gehen,  ist  daher 

A^  B^  Cj  A 

A2  x>2  C2  D2 

A,B,C,D, 


(8.) 


=  0. 


Aufgabe  3.    Man  soll  die  Bedingung  finden,  unter  welcher 
drei  Punkte  P^,  P2>  -^s  üi  einer  Geraden  liegen. 

AuflSsung.    Hat  die  Gerade  die  Gleichung 

(9.)  Ax  +  By+C—% 

so  liegen  die  drei  Punkte  P^,  P2,  P3  auf  dieser  Graden,  wenn 

'  Ax,  +  By^+  C=0, 
(10.)  {  Ax2  +  By2+  C=0, 

^Ax^  +  By^+  C=(i 


456 


§  105.    Anwendimgen  auf  einzelne  Aufgaben. 


ist.  Hierbei  sind  x^^  y^ ;  x^,  yi\  ^,  ^3  die  gegebenen  Goordinaten 
der  Punkte  P^,  P^  -P3,  während  die  drei  Grössen  A^  B,  C  noch 
unbekannt  sind.  Man  hat  also  drei  lineare,  homogene  Glei- 
chungen mit  den  drei  unbekannten  A,  B,  C.  Da  diese  ünbe- 
kamiten  nicht  alle  drei  gleich  Null  sein  dürfen,  so  können  die 
Gleichungen  (10.)  nur  dann  gleichzeitig  gelten,  wenn  die  Deter- 
minante der  Coeffidenten  verschwindet.  Die  Bedingung,  unter 
welcher  die  drei  Punkte  in  gerader  Linie  liegen,  ist  daher 


(11.) 


^1  Vi 

1 

^  y2 

1 

^  ys 

1 

=  0. 


Aufgabe  4.    Man  soll  die  Bedingung  finden,  unter  welcher 
vier  Punkte  P^,  P2,  P3,  P4  in  einer  Ebene  liegen. 

Auflosung.   Hat  die  Ebene  s  die  Gleichung 
(12.)  Ax  +  By+Cz  +  D^O, 

so  liegen  die  vier  Punkte  Pj,  Pj,  P3,  P4  in  dieser  Ebene,  wenn 

Ax^  +  By^  +  föi  +  2>  =  0, 
.^^.  .  Ax^  +  By^+  Cz^  +  D  =  0, 

^  Ax^  +  By^  +  Cz^  +  D^Q, 
•^4  +  -By*  +  C&4  +  D  =  0 

ist.  Hierbei  sind  x^,  y^  z^ ;  arj,  y2 ^2'^  ^,  ya? «3 ;  ^4?  y4  ^4  di©  g^®- 
benen  Goordinaten  der  Punkte  Pj,  Pj,  P3,  P4,  während  die  vier 
Grössen  -4,  -B,  (7,  D  noch  unbekannt  sind.  Man  hat  also  vier 
lineare,  homogene  Gleichungen  mit  den  Unbekannten  -4,  -B,  C,  2>. 
Da  diese  unbekannten  nicht  alle  vier  gleich  Null  sein  dürfen, 
so  können  die  Gleichungen  (13.)  nur  dann  gleichzeitig  gelten, 
wenn  die  Determinante  der  Coefficienten  verschwindet.  Die  Be- 
dingung, unter  welcher  die  vier  Punkte  in  einer  Ebene  liegen, 
ist  daher 

x^  yi  «1  1 

X2  y^  ^2  1 

a^  y3  ^  1 

rc4  y4  z^  1 


(14.) 


=  0. 


§  105.    AnweadongeiL  auf  einzelne  Au%aben. 


457 


Aufgabe  5.    Man  soll  den  Ereis  bestimmen,  der  durch  drei 
gegebene  Punkte  Pj,  P^^  P^  hindurchgeht. 

Auflösung.    Hat  der  gesuchte  Ereis  die  Gleichung 

(150  (^  — ?P  +  iy—nf-Q''  =  0, 

so  geht  der  Ereis  durch  die  drei  gegebenen  Punkte,  wenn 

(16.)         a:j2_2ja:i  +?24.y^2_2^,  +^2  — p2  =  o, 
(17.)        ^2^— 2?:r2  +  ?2  +  ya'  — 2^2  +  ly^  — p^  =  0, 

(18.)  fl^2_  2J^3  +  §2  +  y32_  2^3  +  ^2_p2  =  0 

ist.  Diese  drei  Gleichungen  mit  den  drei  unbekannten  S,  ^  und 
Q  sind  nicht  linearer.  Zieht  man  aber  die  Gleichungen  (17.) 
und  (18.)  von  Gleichung  (16.)  ab,  so  erhält  man  zwei  lineare 
Gleichungen 

(19.)  I  ^^^^  ~  ^2^^  "*"  ^^^^  ~  ^^^"^ "  ^*^  —  ^^  +  yi^ — y2^ 

l  2(:ri— ar3)?  +  2(yi— y3)^  =  rci2_^2  4.y^2_y^2 

mit  den  beiden  unbekannten  §  und  17.  Indem  man  noch  der 
Eärze  wegen 

(20.)    Xi^  +  y,'^  =  r,\    x^^  +  y^^^r^^,    a^s^  +  ya^  =  ^32 
setzt,  findet  man  durch  Auflösung  der  Gleichungen  (19.) 


(21.) 


(22.) 


^1  —  ^2>  Vi  —  Vi 

a^i — ^,  Vi — y% 

^1 — ^)  Vi — Vi 

^1— «8J  Vi — Vi 


.1  = 


n  = 


n^- 


n' 


Xa 


^2^  yi  —  y2 
— n^  yi— ya 

—  ^2? 


r,2  — ro2 


Xa 


^j  ^1^  — ^3 


Die  Determinanten,  welche  hier  auftreten,  kann  man,  wie 
schon  in  §  102,  Seite  449  gezeigt  wurde,  umformen  und  erhält 
dadurch 


(21  a.) 


/ 


(22  a.) 


1  «i  yi 

1  »-i^  yi 

1  «2  Vi 

.1  = 

1  r^"-  y-L 

1  «s  ys 

1  »-s«  yj 

1  «1  »1 

1  «1  ri» 

1  iBj  yj 

•?  = 

1  «2  ''2* 

1  «3  ya 

1  ^  r^^ 

458 


§  lOd.    Anweadungen  auf  einzeliie  Aufgaben. 


Wird 


1  ^1  yi 

«1  yi  1 

1  «2  ya 

= 

«2  ya  1 

1  ^  ys 

^  ys  1 

=  0, 


so  werden  ?  und  ^  unendlich  gross,  d.  h.  der  Mittelpunkt  des 
Kreises  ruckt  in's  Unendliche,  und  die  drei  Punkte  Pi,  P2,  P3 
li^en  in  gerader  Linie,  wie  schon  in  Aufgabe  3  gezeigt  wurde. 

Der  Werth  von  q^  ergiebt  sich  aus  Gleichung  (16.),  oder 
(17.),  oder  (18.),  indem  man  die  gefundenen  Werthe  von  ?  und 
^  einsetzt. 

Aufgabe  6.  Man  soll  die  Kugelfläche  bestimmen,  welche 
dui'ch  vier  gegebene  Punkte  Pj,  Pj,  P3,  P4  hindurchgeht 

AuflSsung.    Hat  die  KugeMäche  die  Gleichung 

(23.)        (x—^y  +  (y  —  ny  +  (^— C)'^  — ?2  =  0, 

so  findet  man  die  Werthe  von  g,  iy,  C  in  ähnlicher  Weise  wie 
bei  der  vorhergehenden  Aufgabe  die  Werthe  von  ?  und  ^,  und 
zwar  erhält  man,  wenn  man  der  Kürze  wegen 

;^  +  y3'  +  ^3'  =  ^3^     x^  +  y^-^  +  z.-^^r,^ 


(24.) 

setzt, 


1^3' 


(25.) 


1  a;,  yi  z^ 

1  X2   Vi   «2 

1  2:3  ys  «3 

.1  = 

1  Xi  yi  «4 

(26.) 


1  Xi   yi  zi 

1  X2   1/2   «2 
1  a^  ys  «3 

1 

1  Xi   y4  «4 

(27.) 


1  a:i  yi  «i 

1  ^2  y2  ^2 

1  a:3  ^3  «3 

1  a:4  y4  «4 


.c  = 


1 
1 
1 
1 

1 
1 
1 
1 

1 
1 
1 


r%^  y3  % 

^4^   ^4  ^4 

a^2    ''-^ 

^3    ''3''  ^ 


2"   ^2 

r.2 


a:. 


^4^ 


^1  yi  ^1^ 

^2  y2  ^2* 

^3  y3  ^3' 

1  :r4  y4  r^^ 


§  105.    Anwendungen  auf  einzelne  Aufgaben. 


459 


Wird 


1  x^  yi  z^ 

1  a:2  y2  «2 

1    ^3    ^3    ^ 

=  — 

1  x^  y^  «4 

^1  yi  ^1  1 

^2  ^2  ^2  1 

^3  ys  ^  1 

^4  ^4  ^4  1 


=  0, 


SO  werden  ?,  ^,  C  unendlich  gross,  d.  h.  der  Mittelpunkt  der 

Kugel  rückt  in's  Unendliche,  und  die  vier  Punkte  Pj,  P^^  P3,  P4 

liegen,  wie  schon  in  Aufgabe  4  gezeigt  wurde,  in  einer  Ebene. 

Den  Werth  von  q  findet  man  schliesslich  aus  der  Gleichung 

(28.)  {x,  -  1)2  +  (y,  -  rif  +  (;.,  -  If  =  ^2. 


Zweiter 

Functionen  von  mehreren  unabhängigen  Veränderlichen. 


XIII.  Abschnitt. 

Differentiation  der  Functionen  von  mehreren 
Yon  einander  unabhängigen  Yeränderlichen. 

§  106. 

Differentiation  einer  Function 
von  zwei  von  einander  unabliängigen  Veränderliclien. 

(VergL  die  Formel  -  Tabelle  Nr.  134.) 

In  derselben  Weise,  wie  in  §  1  (Seite  3)  Functionen  von 
einer  Veränderlichen  erklärt  wurden,  kann  man  auch  Functionen 
von  zwei  (oder  mehr)  Veränderlichen  erklären. 

Demncich  heisst  eine  veränderliche  Grösse  z  eine  Iknctian 
der  beiden  Veränderlichen  x  und  y  für  a^  <  a;  <  Oj,  ^i  <  y  <  ^2? 
wenn  Jedem  Werthsysteme  x,  y  in  den  angegebenen  Intervallen 
ein  oder  mehrere  Werthe  von  z  nach  einem  bestimmten  Gesetze 
zugeordnet  sind. 

Hier  möge  nur  der  Fall  in  Betracht  gezogen  werden,  wo 
dieses  Gesetz  durch  eine  Gleichung  zwischen  x^  y,  z  gegeben  ist. 

Besteht  nämlich  zwischen  drei  veränderlichen  Grössen  Xj 
y,  z  eine  Gleichung,  so  wird  man  zweien  von  ihnen,  z.  B.  x  und 
y,  beliebige  Werthe  beilegen  können;  dadurch  wird  dann  z  die 
Wurzel  einer  Gleichung  mit  constanten  Coefficienten,  so  dass  z 
nur  noch  eine  Anzahl  ganz  bestimmter  Werthe  haben  darf. 


§  106.    Functionen  von  zwei  Veränderliclien.  461 

Bei  dieser  Anschauungsweise  sind  also  x  und  y  die  unab- 
hängigen Veränderliche,  während  z  eine  von  x  und  y  abhängige 
Veränderliche  oder  eine  Function  von  x  und  y  ist. 

Man  kann  sich  die  Gleichung  zwischen  x,  y  und  z  deshalb 
auf  die  Form 

(1.)  z  =f(x,  y) 

gebracht  denken  und  erkennt,  dass  die  Veränderungen  von  z 
auf  dreifache  Art  hervorgerufen  werden  können,  nämlich 

1)  indem  sich  x  allein  ändert, 

8)      „        „    X  und  y  gleichzeitig  ändern. 

Den  Unterschied  zwischen  diesen  drei  Fällen  kann  man  sich 
am  leichtesten  durch  ^e  geometrische  Deutung  der  Gleichung 
(1.)  als  eine  Fläche  im  Baume  klar  machen.  Bleibt  y  constant, 
so  liegen  die  Flächenpunkte  mit  den  Coordinaten  x,  y,  z  alle  in 
eiuOT  Ebene,  welche  zur  ZX- Ebene  parallel  ist  und  die  Fläche 
in  einer  Curve  schneidet.  Auf  dieser  Curve  kann  dah^  der 
Flächenpunkt  P  nur  fortschreiten,  wenn  a;  als  die  einzige  Ver- 
änderliche und  y  als  Constante  betrachtet  wird. 

Ebenso  kann  der  Flächenpunkt  P  nur  auf  einer  Curve  fort- 
schreiten, welche  in  einer  zur  FZ- Ebene  parallelen  Ebene  liegt, 
wenn  man  y  als  einzige  Veränderliche  und  x  als  Constante  be- 
trachtet. 

Sind  aber  x  und  y  beide  veränderlich,  so  kann  der  Flächen- 
punkt auf  der  Fläche  nach  allen  beliebigen  Richtungen  fort- 
schreiten. 

Betrachtet  man  zunächst  nur  x  als  veränderlich  und  y  als 
constant,  so  kann  man  z  wie  eine  Function  der  einzigen  Ver- 
änderlichen X  behandeln  und  auch  ebenso  differentiiren.  Man 
bezeichnet  dann  aber,  wie  schon  in  §  69,  Seite  293  hervorgehoben 

dz 
wurde,  den  Diflferential- Quotienten  nicht  mit  -j-j  sondern  mit 

dz 

3~9  so  dass  man  erhält 

dx 

(2.)  ^  =  ^f(x  +  Jx,y)-f(^,t^) , 

■  OX       joi^O  ^^ 


462  §  106.    Functionen  von  zwei  Veränderlichen. 

Betrachtet  man  sodann  nur  y  als  veränderlich  und  x  als 
constant^  SO  findet  man  in  derselben  Weise 

(3.)  |i  =  ^fJai±M:z£M) . 

^  oy    J!f=o  ^y 

Diese  Grössen  werden  die  partiellen  Ableitungen  von  z  nach 
X  und  nach  y  genannt. 

Dem  entsprechend  nennt  man  die  Aenderung,  welche  z 
dadurch  erleidet,  dass  sich  nur  2;  um  die  Grösse  Jx  ändert,  die 
partielle  Zunahme  von  z  in  Bezug  auf  x  und  bezeichnet  sie  mit 
Jxz.    Es  ist  also 

(4.)  z  +  JxZ  ^f{x  +  Jx^  y), 

oder,  wenn  man  hiervon  die  Gleichung  (1.)  subtrahirt, 

(5.)  J^  =/(.  +  Jx,y)  -fix,y)  ^fJ£±^^l^Lzf^Ml  j,. 

Ebenso  nennt  man  die  Aenderung,  welche  z  dadurch 
erleidet,  dass  sich  nur  y  um  die  Grösse  Jy  ändert,  die  partielle 
Zunahme  von  z  in  Bezug  auf  y  und  bezeichnet  sie  mit  J^, 
Es  ist  also 

(6.)  z  +  Jyz  =f{x,  y  +  Jy\ 

oder,  wenn  man  hiervon  die  Gleichung  (1.)  subtrahirt, 

(7.)  J^  ^fi.,y  +  Jy)  -fi.,y)  ^fJM±J^lllf(Ml  jy, 

Lässt  man  jetzt  die  Grössen  Jx  und  Jy  unendlich  klein 
werden,  indem  man  sie  durch  ihre  Differentiale  dx  und  dy 
ersetzt,  so  werden  auch  die  entsprechenden  Aenderungen  von  2, 
nämlich  Jgfi  und  J^^  unendlich  klein  und  heissen  dann  die 
partiellen  Differentiale  dxZ  und  dyZ  von  z.  Dabei  folgt  aus  den 
Gleichungen  (5.)  und  (7.) 

(8.)        d^  =Jim^-^(^  +  Jx,y)-f{x,y)  ^^  ^  g  ^^^ 

(9.)      dyz  =  ian/(^,y  +  ^y)  -/(^,y)  ^     |i  ^ 

^   '  ^     ^y=o  ^y  "       dy    " 

Wenn  sich  dag^ien  :r  tun  ^;e  nnd  gleichzeitig  y  vaa  ^y 
ändert,  so  nennt  man  die  entsprechende  Aenderung  von  z  die 


i 


§  106.    Functionen  von  zwei  Veränderliclien.  463 

vollständige  oder  totale  Zunahme  von  z  und  bezeichnet  sie  mit 
Jz,    Es  wird  also 

(10.)  z  +  Jz  =f{x  +  Jx,y  +  Jy), 

oder,  wemi  man  hiervon  die  Gleichung  (1.)  subtrahirt, 

(11.)  Jz  =f{x  +  Jx,y  +  Jy)  —f(x,  y\ 

wobei   Jx  und  Jy  von   einander    unabhängige  Grossen  sind. 
Aus  Gleichung  (11.)  folgt  nun  weiter 

Jz  —fix  +  Jx,y  +  Jy)  —fix,  y  +  Jy) 

+A^,y  +  ^y)—A^jy), 

oder,  wenn  man  y  +  Jy  der  Kürze  wegen  mit  y^  bezeichnet, 

!Jz  =zf{x  +  Jx,y^)  —f(x,y^)  +f(x,y  +  Jg)—f{x,y) 
_f{x-\-Jx,y^)—f{x,y^^^     f{x,y-\'Jy)'-f{x,y) 
Jx  Jy  ^' 

Lässt  man  jetzt  wieder  Jx  und  Jy  unendlich  klein  werden, 
so  wird  auch  Jz  unendlich  klein  und  geht  in  das  vollständige 
oder  totale  Differential  von  z  über,  welches  man  mit  dz  bezeichnet. 
Da  nun 

^jBssO  J^  ^^ 

2ija/(^>  y  +  ^y)  — /(^>  y)  ^  ^/(^>  y) 

^sf=o  Jy  Qy 

und  limyi  =  y  wird,  so  geht  die  Gleichung  (12.)  über  in 

(13.)  äz  =  ^^  ä.  +  M^  dy, 

oder 

(14.)  dz  =  -^dx  +  ^dy. 

Es  gilt  also  der  Satz: 

Das  totale  Differential  ist  gleich  der  Summe  der  partiellen 
Differentiale, 

Derselbe  Satz  ist  auch  in  §  69,  Gleichung  (16a.)  ausge- 
sprochen; damals  handelte  es  sich  aber  um  eine  Function 

y  =/(«j  ^) 


464  §  107.    Angaben. 

von  zwei  veränderlichen  Grössen  u  nnd  t?,  die  nicht  von  einander 
unabhängig^  sondern  beide  wieder  Functionen  von  einer  Ver- 
änderlichen X  waren. 


§  107. 

Aufgaben. 

öz   öz 
Aufgabe  1.    Man  soll  die  Wei'the  von  ^,  ^  und  dz  er- 
mitteln für 
(1.)  z  =  xh/\ 

Auflösung.  Die  partielle  Ableitung  nach  x  bildet  man,  indem 
man  x  als  veränderlich  und  y  als  constant  betrachtet;  und  die 
partielle  Ableitung  nach  y  bildet  man,  indem  man  y  als  veränder- 
lich und  X  als  constant  betrachtet.    Deshalb  ist 

(2.)  I  =  3.V,  I  =  2.^, 

dz  dz 

(3.)  (fe  =  ^  ü+  ^  dy  =  Zx'hp'dx  +  2xhfdy. 

dz    dz 
Aufgabe  2.    Man  soll  die  Werthe  von  ^j  ^  und  dz  er- 

mitteh  für 

(4.)  «  =  y2  gin  -j.^ 

Auflösung.    Hier  findet  man  in  ähnlicher  Weise  wie  vorhin 

^^•^  Tx  ^  y^^^^'  ^  =  2ysma:, 

(6.)  dz  =  y^cosxdx  +  2yäJixdy, 

dz    dz 
Aufgabe  3-    Man  soll  die  Werthe  von  ^j  ^  und  dz  er- 
mitteln für 

(7.)  «  =  y3  +  4tx^  +  2x\ 

Auflösung. 

dz  dz 

(8.)         gj  =  ^ + 6^*'     ä^  =  3y'  +  **'' 

(9.)  <fe  =  (8a;y  +  exi)dx  +  (3f  +  Ax^)dy. 


§  106.    Functionen  von  mehreren  Veränderliclien.  465 

öz    öz 
Aufgabe  4.    Man  soll  die  Werthe  von  -i^j  ^  und  dz  er- 
mitteln für 

(10.)  z  =  e^sic^x  +  x\  ly. 

Auflösung. 

(11.)     ^-  =  -7==  +  2a;.ly,  ^- =  «yarcsina:  H , 

(12.)     (fe  =^-y=L=  +  2a; .  ly  j<fa  +(es'arcsina;  +  — jrfy. 


§108. 

Differentiation  der  Functionen  von  melirerm  von 
einander  unabliängigen  Veränderliclien. 

(Vergl.  die  Formel-Tabelle  Nr.  135  und  136.) 

Das  in  §  106  angedeutete  Verfahren  lässt  sich  ohne  Weiteres 
auf  E\inctionen  von  drei  oder  von  mehr  von  einander  unab- 
hängigen Veränderlichen  fibertragen.  Ist  z.  B.  z  eine  Function 
von  drei  Veränderlichen,  ist  also 

(1.)  z—f(u,  ü,  w\ 

so  kann  man  zunächst  die  partiellen  Ableitungen  bilden,  indem 
man  setzt 


(2.) 
(3.) 


dz  _  i:_  /(^  +  ^^,  P>  ^)  —f{^,  ^>  ^) . 

__^    ^—    Hill  .  7 

dz  _  ,..„/(«,  t>  +  ^g,  to)— /(«,  p,  to) 

w         ^v=0  -^^ 


(4-) 


Ö2  _  ,.      /(«,  P,  tg  +  ^to)  — /(«,  V,  W) 

^    — —  um  j 

Aus  den  drei  partiellen  Zunahmen  von  z^  nämlich  aus 

erhält  man  sodann,  indem  man  Ju^  Jv,  Jw  durch  die  Differentiale 
rfw,  dt?,  rf«^?  ersetzt,  die  drei  partiellen  Differentiale  von  «,  nämlich 

Stegemazm-Kiepert,  Differential-Beolmimg.  30 


466 


§  108.    Functionen  von  mehreren  Veränderlichen. 


(6.) 


d^^^du,     d^  =  -^dv,     d^^-^duy. 


Ist  endlich  Jz  die  Aendening  von  z^  wenn  sich  gleichzeitig 
u  mn  Ju,  V  um  Jv,  w  um  Jw  ändern,  ist  also 

z  +  Jz  =y  (u  +  Ju,  V  +  Jvj  w  +  Jw\ 
so  wird 

(7.)       Jz  ^=^fiu  +  Ju^  V  +  z/t?,  w?  +  ^w)  — /(«'j  ^j  ^)j 

oder 

(7  a.)  l       +fi'^i  v+Jvj  w+Jw)  — f(u,  V,  w+Jw) 
+f{u,v,w  +  Jw)  — /  (u,  V,  w). 

Bezeichnet  man   der  Eüi*ze  wegen  v  +  Jv  mit  v^    und 
to  +  Jw  mit  w^ ,  so  kann  man  diese  Gleichung  auf  die  Form 

Ju 


(7b.) 


+ 


f{u,  V  +  Jv,  w^)  —f{u,  t?,  fC^) 

Jv 


Jv 


f(u,  v,w  +  Jw)  —f{u,  V,  w)  ^^ 

Jw 


bringen.    G^ht  man  jetzt  zur  Grenze  über,  indem  man  Ju,  Jv . 
und  Jw  durch  die  enteprechenden  Differentiale  du,  dv,  dw  ersetzt, 
so  wird 

limt?i  =  V,    limt^i  =  w, 

und  Jz  geht  über  in  das  volhiändige  (oder  totale)  Differential 
von  z,  nämlich  in 

(8.)  dz  =  ^f^Y:  ""^  ^» + ^-^^Y'  ""^  d^ + ^^^V:  ""^  ^«'. 

oder 


du 


dv 


dw 


(8  a.) 


dz  =^  s-du  +  s- dv  +  -j—  dw. 
au  dv  dw 


Auch  hier  gilt  also  der  Satz: 

Das  totale  Differential  ist  gleich  der  Summe  der  partiellen 
Differentiale, 


§  108.    Functionen  von  mehreren  Veränderlichen. 


467 


Es  sei 

(9.) 

dann  wird 


(10.) 


Beispiel. 

z  =  t?2^sinw  +  e"^ .  \u\ 


Qz  e*" 

du  u 

-sp  =  2vwWiu^ 

dz_ 
dw 


=  D^sinw  +  e^Au^ 


also 

(11.)  dz  =(t?2w?coswH — Vw  +  2«?w?sin«e/t?  +  (t?2sinw  +  ö«'.lw)rfw?. 

In  derselben  Weise  kann  man 

(12.)  Z  =^f(u^U2,...Un) 

nach  jeder  der  n  Veränderlichen  einzehi  differentüren,  indem  man 
die  anderen  Veränderlichen  als  comtant  betrachtet  So  erhält 
man  die  partiellen  Ableitungen.  Multiplicirt  man  dann  noch 
mit  dem  Differential  der  betreffenden  Veränderlichen,  so  sind 
die  Producte  die  partiellen  Differentiale  von  «,  nämlich 

•  (13.)         duZ  =  ^du, ,    d^^Z  -=-g^du^,  .  .  .  ö«„^  =  -£.  dUn. 

Das  vollständige  (oder  totale)  Differential  ist  dann  wieder 
gleich  der  Summe  der  partiellen  Differentiale^  also 

(14.) 


dz  =  ^du^  +  ^du^^. .  .  +  ^du.. 


Dabei  ist  zunächst  die  Voraussetzung  gemacht,  dass  die  n 
Veränderlichen  u^,u2...un  von  einander  unabhängig  sind.  Der 
Beweis  für  die  Eichtigkeit  der  Formel  (14.)  lässt  sich  aber  auch 
leicht  auf  den  Fall  übertragen,  wo  u^,  U2,...un  sämmtlich 
Functionen  von  einer  Veränderlichen  t  sind. 

In  diesem  Falle  sind  jedoch ,  wie  für  w  =  2  schon  in  §  69 
gezeigt  wurde,  die  Differentiale  du^,  du^^.^.dun  nicht  mehr 
von  einander  unabhängige  Grössen;  es  fo^  vielmehr  aus  den 
Gleichungen 

30* 


468 


§  106.    Functionen  von  mehreren  Veränderlichen. 


(15.) 

dass 


W,  =  yi(0,   «2=  y2(0>  •  •  •  «n=  9n(t\ 


(16.)      rf«!  =  9>i(t)dtj  du2=^  VaXO^^j  •  •  •  **»  =  9n{t)cU 

wird.    Deshalb  darf  man  in  diesem  Falle  die  beiden  Seiten  der 

Gleichung  (14.)  dnrdi  dt  diyidiren  and  erhält  anf  diese  Weise 


(17.) 


dz dz^  du^       dz  dt^  u-  ^^  ^^" 

ä""5«^  dt      du^^  dun'dt' 


Die  Formel  (14.)  bleibt  sogar  noch  richtig,  wenn  u^, 
W2J . .  •  «n  wiederum  Functionen  von  m  Veränderlichen  ^i,  ^, . . .  ^ 
sind,  wenn  also 

«1=  yj(^i,  ^,  ...^), 


(18.) 


[  «n=  yn(^i,  ^,  .  .  .  ^m). 


Setzt  man  nämlich  diese  Werthe  in  die  Gleichung  (12.)  ein, 
so  wird 

(19.)  ^  =  i^^l,^,...^m) 

eine  Function  von  ^i,  ^, . . .  4i  und  deshalb,  der  Formel  (14.)  ent- 
sprechend, 

(20.)  <^  =  W,'^^i  +  ^^+-  +  ^<^^' 

Ebenso  folgt  aus  den  Gleichungen  (18.) 

(21.)  rf««=|.rf.,+^-d^,  +  ...  +  ^«^. 

für  a  =  1, 2, 3, ...  w.  Nun  ist  aber  nach  Gleichung  (17.),  wenn 
man  zuerst  t^,  dann  ^2>  •  •  •  endlich  ^m  als  die  einzige  Veränder- 
liche betrachtet, 

dz_  _  dz  du^        dz  du^  ,  ,    dz^  dun 

dt^  '^  dü^ 'di^       dü^  di[  dui,  dt^ ' 

dz^  _^  dz  öf*!        dz  dui  dz_  dun 

(22.)     {   di^'^  di^'di^'^  dü^'dt^'^''''^  du^'dt^' 


dz  __  dz  ö«i         dz  du2  .    dz^  dun 

Mn'"  dtTidÄn       "du^^      "'      dun  dt„, 


§  109.    Wiederholte  Differentiation.  469 

Multiplicirt  man  diese  Gleichungen  bezw.  mit  dt^ ,  (/^, . . .  dtm 
und  addirt  sie,  so  erhält  man  mit  Rücksicht  auf  die  Gleichungen 
(20.)  und  (21.) 

§  109. 

Wiederholte  Differentiation  einer  Function  von  melireren 

Veränderliclien. 

(Veigl.  die  Formel-TabeUe  Nr.  137.) 

Der  Kürze  wegen  bezeichnet  man  gewöhnlich  die  partiellen 
Ableitungen  durch  Indices.    Ist  z.  B. 

(1.)  z  =f(u,  V,  w), 

so  setzt  man 

Nun  sind  ft(uyV,w),  f2{u,v,w),  f^{u^v,w)  im  Allgemeinen 
wieder  Functionen  von  u,  v,  w,  die  man  nochmals  nach  den 
einzelnen  Veränderlichen  difierentüren  kann.  Dadurch  erhält 
man,  wenn  man  die  Ableitungen  wieder  durch  Indices  andeutet, 

Es  giebt  also  im  Ganzen  9  zweite  partielle  Ableitungen 
einer  Function  von  3  Veränderlichen. 

Die  Werthe  dieser  Ableitungen  sind  aber  nicht  sämmtlich 
von  einander  verschieden,  sondern  es  soll  sogleich  bewiesen 
werden,  dass 

f/12  (W,  !?,  tt?)  = /21  (W,  t?,  W?), 
/l3K«',«^)=/3l(«,«?1«^), 
/23(«,t?,W?)=/32(w,  «?,«?) 

wird.   Zum  Beweise  genügt  es,  dass  man  sich  zunächst  auf  eine 
Function  mit  zwei  Veränderlichen  beschränkt.    Es  sei  jetzt  also 


470  §  109.    Wiederholte  Differentiation. 

(4.)  ^=/(^,y), 

und 

(5.)  SP  (y)  =/(^  +  Äj  y)  — /(^j  y)  > 

also 

(6.)  9>(y  +  *)=/(^  +  Ä,y  +  A)— /(a:,y  +  *). 

Nun  ist  nach  dem  7ay/or'schen  Lehrsatze 

(7.)  sp(y  +  *)  —  y  (y)  =  9*{y  +  ©*),-  '^^ 

odei',  wenn  man  die  Werthe  aus  den  Gleichungen  (5.)  und  (6.) 
einsetzt, 

(7  a.)  f{x  +  h,y  +  k)  —f(x,  y  +  Ä)  —f(x  +  Ä,  y)  +/(:r,  y)  = 
[/2(^  +  Ä,  y  +  0>i)  — /2(^,  y  +  ®k)\ .  *. 

Setzt  man  dagegen 

(8.)  xp  {x)  =  f(x,  y  +  *)  -/(o:,  y), 

also 

(9.)  xp{x  +  Ä)  =/(a:  +  Ä,  y  +  A)  — /(a;  +  Ä,  y), 

so  folgt  aus  dem  Tay/or'schen  Lehrsatze 

(10.)  \p{x  +  Ä)  —  Xp{x)  =  \i>\x  +  ©lÄ)  .  Ä, 

oder,  wenn  man  die  Werthe  aus  den  Gleichungen  (8.)  und  (9.) 
einsetzt, 

(10a.)  fix  +  Ä,  y  +  >i)  —fix  +  Ä,  y)  —fix,  y  +  *)  +/(^,  y)  = 

[/i(^  +  ©lÄ,  y  +  *)  — /i  (^  +  ©lÄ,  y)] .  Ä. 

Durch  Zusammenstellung  dieser  Gleichung  mit  Gleichung 
(7  a.)  erhält  man 

1  [/2  (^  +  Ä,  y  +  0*)  - /2  (^,  y  +  0*)] .  >^, 

oder,  wenn  man  auf  die  beiden  Grössen  in  den  eckigen  Klam- 
mem nochmals  den  Tay/or'schen  Lehrsatz  anwendet, 

(12.)  /i2  ix  +  ©lÄ,  y  +  ©2*) .  hk  =/2i  (:r  +  ©3*,  y  +  ©*)  •  ä*. 

Dabei  sind  h  und  A  hinreichend  kleine,  aber  sonst  beliebige 
Grössen.    Deshalb  ist  auch 

(13.)      /12  ix  +  ©lÄ,  y  +  ©2*)  =/2i  (5:  +  (^3^,  y  +  0*). 

Lässt  man  jetzt  h  und  >??  gleich  Null  werden,   so  erhält 
man 


§  109.    Wiederholte  Differentiation.  471 

(14.)     fni^,y)=Ad^,y),    oder    -^  = -^. 

Dies  giebt  den  Satz: 
Wenn  man  eine  JFhnction 

«  =/(^j  y) 

zuerst  partiell  nach  x  und  dann  partiell  nach  y  differentiirt^  so 
findet  man  dasselbe  jResultat,  welches  man  finden  vmrdcy  wenn 
man  zuerst  partiell  nach  y  und  dann  partiell  nach  x  differeniiirt; 
oder  mit  anderen  Worten:  Die  Reihenfolge^  in  welcher  man  die 
partiellen  Diff'erentiationen  ausführt^  ist  gleichgültig. 

Dieser  Satz  lässt  sich  natürlich  verallgemeinem,  nicht  nur 
auf  die  zweiten  partiellen  Ableitungen  von  Functionen  mit  be- 
liebig vielen  Veränderlichen,  sondern  auch  auf  höhere  partielle 
Ableitungen.    Setzt  man  nämlich 

(15.)  Uii(^.y)=-ö^=ö^'  ^^^(^'y)=-ör"ö^' 

^   ,      ,      ^ W         d^x     .  ,      .       ^Wy)      d^z 
Uix,  y)  =  -^^  =  ^—,f,^(a:,y)  =  -^  =  -^,, 

so  erhält  der  eben  ausgesprochene  Satz  die  Fassung 

(16.)  — 5 —  =  — 5 — >    Oder    >>  ^    =  -s—n-' 

^     '^  öy  ox  oxoy        oyox 

Bezeichnet  man  in  entsprechender  Weise  mit  ^  ^^  ^  den 

Ausdruck,  welchen  man  erhält,  indem  man  z  zuerst  m-mal 
partiell  nach  x  und  dann  n-mal  partiell  nach  y  differentiirt,  so 
gUt  die  Gleichung 

^     '^  dx'^dy        dxdydx  ~  dydx"^^ 


472  §  110.    üebnngs-Au^abeDL 

und  wenn  num  in  ähnlicher  Weise  fortfährt, 

Ebenso  wird  für 
gezeigt,  dass 

^m+M+i»^  ^m4^^^^  ßm-^9^Pg 


(19.) 


Qm+n-^p^  ffin-{-ti+p^  Qm-^n-\-pg 

dt^dib^dv^       dv^dto^dt^       dto^dv^dt^ 


§  110. 

Uebungs- Aufgaben. 

d^;?        d^;?         d^2 

Aufgabe  1.    Man  soll  die  Werthe  von  ^-^j  5-3-'  ^  ^  1 
3-=  ermitteln  für 

(1.)  ;?  =  xh/^  —  3xM/  +  ay*. 

Aufldsung.    Durch  Differentiation  erhält  man 

(2.)     ^  =  2xy^—12x^  +  y^,    ^  =  3a; V  —  3a:*  +  4^^ 
,   ,     ,      Ö^2  =  2y3_36.^y,  _- =  6^^  _  12.S  +  4y3, 

^  =  6^»  -  12:^3  +  4y3^      _  =  6^2y  +  i2a:y2. 

Hierdurch  wird  auch  bestätigt,  dass 

d^z    ^    a^g 
dxdy       dydx 

d^z      d'h       d^z 
Aufgabe  2.    Man  soll  die  Werthe  von  ^>  ö~ö"'  öJTö"* 

3-5  ermitteln  für 
öy2 

(4.)  z  =  sinx .  ly  +  e»' .  la;. 


§  111.    Vollständige  Differentiale  höherer  Ordnung.  473 

Auflösung. 

(5.)  g-  =  cosa:.ly  +  -,  g.  =  _+,v.l,:, 

:5-ö  =  —  sina; .  \y  —  -r-j     -5—3-  = » 

ö«^:         cosa;  ,    e^                     d^z            siüx  ,     „   , 
=  —TT  +  — '  :är5  = o-  +  ^^  •  1^- 


(6.) 


dydx         y  x  dy^  y 

Auch  hier  wird  wieder 

d^z    ___    d^z 
dxdy  "~  dydx 


§  111. 

Vollständige  Differentiale  hfiherer  Ordnung. 

(Vergl  die  Formel-Tabelle  Nr.  138.) 

Es  sei  wieder 

eine  Function  von  zwei  unabhängigen  Veränderlichen,  dann  wird 
nach  Formel  Nr.  134  der  TabeUe 

(2.)  rf^  =  |frf:r+|e^ 

das  erste  yoUständige  Differential  von  z.  Dabei  sind  dx  und 
dy  zwei  von  einander  und  auch  von  x  und  y  unabhängige^ 
unendlich  kleine  Grössen. 

Unter  dem  zweiten  vollständigen  Differential  von  z  versteht 
man  nun  das  vollständige  Differential  des  ersten  vollständigen 
Differentials  und  bezeichnet  es  mit  dh. 

Um  cP^j  zu  bilden,  braucht  man  also  nur  in  Gleichung  (2.) 
z  mit  dz  zu  vertauschen.    Dadurch  erhält  man 

(3.)  d^  =  d{d.)  =^~^d.+  ^)  dy. 

Weil  nun  aber  dx  und  dy  von  x  und  y  unabhängig  sind, 
so  findet  man 


474  §  111.    Vollständige  Differentiale  höherer  Ordnung. 

/  d(dz)        d^z   ,      ,      d^z     , 

Multiplicirt  man  diese  Gleicliimgen  bezw.  mit  dx  und  dy 
und  addirt  sie  dann,  so  erhält  man 

(5.)  ^  =  grf.2  +  2^cforfy  +  |^«^y^. 

Wenn  man  auf  der  rechten  Seite  dieser  Gleichung  überall 
dH  mit  dz^  vertauscht,  so  wird  die  rechte  Seite  ein  vollständiges 
Quadrat,  nämlich 

Diesen  Umstand  benutzt  man,  um  die  Gleichung  (5.)  aut 
eine  einfachere  Form  zu  bringen;  man  schreibt  nämlich 

'dz  .     .   dz  ,  \(2) 
dy 
wobei  der  eingeklammerte  Exponent  (2)  bedeutet,  dass  man  den 

dz  dz 

Ausdruck  ^  efo  +  ^  dy  wirklich  in's  Quadrat  erheben ,   dann 

aber  überall  dz*^  mit  d'^z  vertauschen  soll. 

Man    sagt    bei    der  Ausführung  dieses  Verfahrens,   dass 

dz  dz 

•^dx  +  -^  dy  symbolisch  in's  Quadrat  erhoben  werde. 

Ebenso  versteht  man  unter  dem  dritten  vollständigen  Diffe- 
rential von  z,  nämlich  unter  d^z  das  erste  vollständige  Diffe- 
rential des  zweiten  vollständigen  Differentials.    Es  ist  also 

Nun  ist  aber  nach  Gleichung  (5.) 

d(<Pz)  ,       ö'«  ,  „  ^  „    d^z     ,  »  ,   ^     dH     ,   ,  , 

d(d^)  d^z  dh  d^z 


(5a.)  d^z^i^Jx  +  ^^d^ 


§  111.    Vollständige  Differentiale  höherer  Ordnung.  475 

folglich  ist 

oder,    wenn   man   wieder   die   symbolische   Bezeichnungsweise 
benutzt, 

(9a.)  d3,=(^grf^+grfy^^'. 

Auch  hier  bedeutet  der  eingeklammerte  Exponent  (3) ,  dass 

öz  dz 

man  -^  dx  +  -^dy  zuerst  wirklich  in  die  dritte  Potenz  erheben 

und  dann  überall  dz^  mit  d^z  vertauschen  soll. 

So  kann  man  fortfahren  und  findet  für  das  m*''  vollständige 
Differential 

(10.)  '^^ = (I  '^  + 1  ^yj^ 

dz  dz 

wobei  man  also  -^  dx  +  -^dy  m  die  mf*  Potenz  erheben  und 

dann  dz"^  mit  d'^z  vertauschen  soll. 

Die  Eichtigkeit  dieser  Formel  für  einen  beliebigen  Werth 
von  m  wird  durch  den  Schluss  von  n  auf  n+  1  bewiesen. 
Gilt  nämlich  die  Gleichung  (10.)  für  m  =  »,  so  wird  nach  dem 
binomischen  Lehrsätze 

Dabei  ist  A  =  »  —  k  und  das  Summenzeichen  2  deutet  an, 
dass  k  alle  Werthe  von  0  bis  w  durchlaufen  soll.    Es  wird  dann 

Ersetzt  man  die  Glieder  auf  der  rechten  Seite  dieser  beiden 
Gleichungen  durch  die  entsprechenden  in  der  symbolischen  Dar- 
stellung, so  erhält  man 


476  §  111.    Vollständige  Differentiale  höherer  Ordnung. 


(13.) 


und 


2  G)^'^"*"'V= 


(14.) 


Indem  man  die  Gleichungen  (12.)  addirt,   erhält  man  auf 
der  linken  Seite 

(16.)  «^&+5gÖ^,  =  ^,„ 

auf  der  rechten  Seite  dagegen,  wenn  man  d^^-^h  mit  d:^+^  ver- 
tauscht, mit  ßäcksicht  auf  die  Gleichungen  (13.)  und  (14.) 

(-»(r>+|'^)(r>+|*)"=(r>+|*r. 

folglich  ist  unter  Anwendung  der  symbolischen  Bezeichnungsweise 

(dz  dz     V«+i) 

Gilt  also  die  Gleichung  (10.)  für  m  =  »,  so  gilt  sie  auch 
für  m  =  n+  1. 

Was  in  dem  Vorhergehenden  für  eine  Function  von  zwei 
unabhängigen  Veränderlichen  gezeigt  worden  ist,  kann  man  in 
ähnlicher  Weise  auch  für  Functionen  mit  n  unabhängigen  Ver- 
änderlichen zeigen.    Dadurch  findet  man  für 

(18.)  Z  =f{u^,  t^,  .  .  .  Un) 

zunächst  in  Uebereinstimmung  mit  Formel  Nr.  136  der  Tabelle 
(19.)  dz  =  -^ —  du4  +  -^r—  du<i+  . . .  +  -5 —  ^^n 

und  durch  wiederholte  Differentiation 


(20.) 


§  111.    YoUstämdige  Difierentiale  höherer  Ordnving.  477 


Bei  dem  ersten  vollständigen  Differential  von  z  war  es 
gleichgültig,  ob  die  Veränderlichen  u^^U2^,..Un  von  einander 
unabhängig  sind  oder  nicht,  denn  man  erhielt,  auch  wenn  u^^ 
«2, . . .  «*n  sämmtlich  Functionen  von  einer  Veränderlichen  t  oder 
von  mehreren  Veränderlichen  ^,  t^^.,tm  waren, 

dz  =  ^^du,+ l^du,  +  . . ,  +  ^Ju.. 

Bei  den  höheren  vollständigen  Differentialen  aber  bleiben 
die  Gleichungen  (20.)  nur  dann  richtig,  wenn  ti^,  t/2, . . .  Un  von 
einander  unabhängig^  oder  wenn  sie  lineare  Functionen  von 
neuen  unabhängigen  Veränderlichen  ^1,  ^ . . .  C  sind.  Ist  z.  B. 
wieder 

(21.)  z  =/(a;,  y) 

und  sind 

beide  Functionen  einer  neuen  Veränderlichen  ^,  so  erhält  man 
zunächst 

(22.)  dz  =  ^^dx+^£dy. 

Hierbei  sind  aber  dx  und  dy  nicht  mehr  von  einander  un- 
abhängige Grössen,  sondern  es  ist 

(23.)  dx  =  q>\t)dt^     dy  ==  xp'{t)dt. 

Deshalb  kann  man  auch  die  Gleichung  (22.)  auf  die  Form 

^"^^'^  dt  "  dxdt  '^  dydt 

/7       /5       r5 

bringen.    Da  z  und  _,  Ii?,  rf, ...  als  Functionen  der  einzigen 

dt    dx   dy 

Veränderlichen  t  anzusehen  sind,  so  erhält  man  durch  nochmalige 

Differentiation  nach  t 


478 


§  111.    Yollständige  Differentiale  höherer  Ordnung. 


(25.) 


(£) 


d(-\ 

dz         \dy/dy      dz  d^x       dz  d^ 
__  .j 57—37  +  sz-jj^  +  3:: 


dt     dt   '       dt    dt    '  dx  dt^  ^  dy  dt^ 

Nun  ist  aber  nach  Gleichung  (24.),  indem  man  z  bezw.  mit 

s-  oder  mit  3-  vertauscht, 
dx  oy  ' 


«D 


(26.) 


d 


dt 

'dz 


_dh_dx        d^z   dy 
"■  örr2  dt  ■•■  dxdy  dt ' 


w_ 


dh  dx^      d^z  dy 


dt  dxdy  dt    '   Öy2  jt' 

folglich  geht  die  Gleichung  (25.),  wenn  man  wieder  die  sym- 
bolische Bezeichnungsweise  anwendet,  über  in 

dh 
dfi 


(27.) 


(dz^dx      dz_dy\^^     dz 
dxdt^  dydt)   "^  dx 


dhi       dz  d^y 
'dfi'^dy'df 


Indem  man  beide  Seiten  der  Gleichung  mit  dt^  multiplicirt, 
giebt  dies 

(27a.)         .^.  =  (|rf.  +  |rfy)\|.P.  +  |<;V 

Diese  Gleichung  unterscheidet  sich  also  von  der  Gleichung 

(5  a.)  auch  äusserlich  dadurch,  dass  auf  der  rechten  Seite  noch 

dz  dz 

die  Glieder  ^d^x  +  ^dh/  hinzugetreten  sind. 

Ist 

(28.)  z  =/(«j,W2)-.-«^«)5 

und  sind 

(29.)  Wi  =  q)^(t\     U2  =  9)2(0?  .-'Un=9>n  (t) 

sämmtiüch  Functionen   einer  neuen  Veränderlichen  t,   so  findet 
man  in  ähnlicher  Weise 


(30.) 


dz  =:  -?;—  dui  +  ^ —  dti2  +  .  • .  + 


ÖWj 


du2 


dUn 


n> 


§  111.    Vollständige  Di&ranüale  höherer  Ordnang.  479 

d^z  =(  -Ji —  du,  +  Ti —  du,,  +  . . .  +  Q     dun  I 

wobei 

J    rfwj=  9)1^  {t)dt^      du2=^  q)2*  {t)dt, . . .      dUn  =  g)n(t)dt^ 
^^^'^  {  cA/i=  q)i'X^)dfi,    dh^=:^2''(t)dt^, . . .    dh^n^  <pn\t)dt\ 

Man  erkennt  aus  den  letzten  Gleichungen  leicht,   unter 
welcher  Bedingung  die  Grössen 

oder 


■j     ,.» ? 


verschwinden.    Dies  geschieht,  wenn 

(33.)         «1  =  a^t  +  Ji,     ^2  =  ^2^  +  *2>  •  •  •  ^«=  ^«^  +  ^n 

lineare  Functionen  von  t  sind.    Dann  wird  nänüich 

.  ^.  du4  du<i  dun 

(34.)  ^  =  «„         -^  =  «2,...         ^  =  «» 

und 


In  diesem  Falle  ist  also  meder 


(36.)  d^=(ß^^du,+  §^^  du,  +  ...  +  ^Jun^ 


(2) 


oder 


Gerade  dieser  Fall  wird  aber  in  dem  Folgenden  in  Betracht 
kommen. 

Gelten  die  Gleichungen  (33.),   so  findet  man  jetzt  auch 
ebenso  wie  früher 

.      V         d^z  __/dz  du^        dz  du^    ,  \    ^^  dUf^^ 

^^^'^        dt^  ~\d^^~df  '^  diT^W  '^  ' ' '  '^  d^n~dt)  ' 


480  §  112.    Differentiation  simultaner  Gleichnngen. 


(39.) 


d^z  __  /  Ö«  du^         dz  du^  \    ^^  du^^^ 

dt^  "^  \ßu^  dt        du2   dt   "*"'••  "^  gj^  "^y 

/dz  dz        ^  dz      \C~) 


§112. 

Nicht  entwickelte  Functionen  einer  Veränderlichen, 
gegeben  durch  simultane  Gleichungen. 

(VergL  die  Formel-Tabelle  Nr.  139.) 

Es  kommt  häufig  vor,  dass  y  und  z  als  Functionen  der 
einen  Veränderlichen  x  gegeben  sind  durch  zwei  Gleichungen 

(1.)  F{x,  y,z)  =  0    und     G  {x,  y,  z)  =  0, 

welche  gleichzeitig  bestehen  und  deshalb  simuUan  genannt  werden. 

Jede  der  beiden  Gleichungen  für  sich  allein  würde,  geo- 
metrisch gedeutet,  einer  Fläche  entsprechen;  gelten  sie  aber 
gleichzeitig,  so  können  ihnen  nur  die  Goordinaten  derjenigen 
Punkte  genügen,  welche  auf  beiden  Flächen  liegen,  d.  h.  die 
Gleichungen  (1.)  stellen  zusammen  die  Schnittcurve  der  beiden 
Flächen  dar. 

Eliminirt  man  aus  den  Gleichungen  (1.)  die  Veränderliche 
z^  so  erhält  man  die  Gleichung 

(2.)  S^(a:,y)  =  0,    odei"    y=f{x). 

Dies  ist  die  Gleichung  eines  Cylinders,  welcher  die  Schnitt- 
curve in  die  XF-Ebene  projidrt.  Eliminirt  man  aber  aus  den 
Gleichungen  (1.)  die  Veränderliche  y,  so  erhält  man  die  Gleichung 

(3.)  ^"(3:,  z)  =  0,    oder    z-=^g  (x). 

Dies  ist  die  Gleichung  eines  Cylinders,  welcher  die  Schnitt- 
curve in  die  XZ-Ebene  projidrt.  Da  die  Baumcurve,  welche 
durch  die  beiden  Gleichungen  (1.)  erklärt  wird,  auf  diesen  beiden 
Cylindem  liegt,  so  ist  sie  auch  die  Schnittcurve  dieser  beiden 
Cylinder  oder  wenigstens  ein  Theil  davon,  denn  die  Cylinder 
können  möglicher  Weise  auch  noch  Punkte  gemeinsam  haben, 
die  nicht  auf  der  gegebenen  Curve  liegen. 

Es  kommt  hier  gar  nicht  auf  diese  geometrische  Deutung 
an,  es  sollte  viehnehr  die  vorstehende  Untersuchung  nur  Zeigen, 


j 


§  112.    BifTerentiation  simultaner  Gleichuiigen.  481 

dass  man  y  und  z  als  Functionen  der  einzigen  unabhängigen 
Veränderlichen  x  betrachten  darf.  Deshalb  ist  es  auch  möglich, 
y  und  z  als  Functionen  von  x  zu  dififerentüren ,  und  zwar  kann 

man  ^  und  ^  auch  berechnen,  ohne  die  Gleichungen  (2.)  und 

(3.)  wirklich  zu  bilden. 

,  Dies  geschieht,  iadem  man  auf  die  Gleichungen  (1.)  die 
Ee^eln  anwendet,  welche  in  Formel  Nr.  136  der  Tabelle  aus- 
gesprochen sind,  wobei  man  aber  in  diesem  Falle  die  drei  Ver- 
änderlichen «1,  «2,  ^3  bezw.  mit  ar,  y,  z  und  die  unabhängige  Ver- 
änderliche ^,  von  der  u^^  u<^^  i^  abhängig  sind,  mit  x  vertauschen 
muss.    Dadurch  erhält  man 

dF^  dFdx      dFdy      dFdz  _ 
dx       dx  dx      dy  dx       dz  dx         ' 

dF  ÖF  dF 

oder,  wenn  man  wieder  ^  niit  -Fi,  ^  mit  ^j  3-  nüt  F3  be- 
zeichnet, 
(4.)  J,+i5*  +  i5g  =  „. 

Ebenso  findet  man 

(5.)  G.  +  e,|  +  Ö3j  =  0. 

Aus  diesen  beiden  Gleichungen  ergiebt  sich  jetzt  sehr  leicht 
durch  Elimination 

^""'^  dx'' F^G^—F^G^    ™^     dx^  F^G^—F^G^ 

Mit  demselben  Bechte,  mit  welchem  in  dem  Vorstehenden 
^  als  die  unabhängige  Veränderliche  betrachtet  wurde ,  kann 
man  auch  y  als  die  unabhängige  Veränderliche  ansehen.  Da- 
durch werden  x  und  z  Functionen  von  y,  und  man  erhält  in 
Ueberelnstimmung  mit  den  Gleichungen  (6.) 

.        dx  _F^G^  —  F^G^  dz  _F,G^-F^G, 

^'•^    dy^F,G,-F,G,    ™^     dy'  F,G,-F,G, 

Stegemann- Kiepert,  DifferentiaL-Beohnxmg.  31 


482 


§  112.    DifFereatiation  simultaner  Gleichungen. 


Macht  man  ;;  zur  unabhängigen  Veränderlichen,  so  erhält 
man 

dx  _  E,G,-F^Gt         ,     dy  _  F,Gi  - F,G, 
^^'^    dz  ~  FiGi—F^G^  dz  ~  FiG^  —  F^Gi' 

Man  kann  die  G^leichongen  (6.),  (7.)  and  (8.)  zosammen- 
£Btssen  in  der  Formel 

(9.)  dx :  dy :  dz  =  F^G^  —  F^Gi-.  F^G^  —  F, Gj :  F^G^  —  F^Gi, 

oder 


F,F, 

• 

-F,  -Fl 

• 

F,F^ 

G^G^ 

• 

G»e, 

• 

GyGi 

(9a.)        dx:dy:dz=: 


üebungs- Beispiele  für  diese  Formeln  finden  sich  bei  den 
geometrischen  Anwendungen  der  folgenden  Paragraphen. 


XIV.  Abschnitt. 

Anwendungen  auf  die  analytische  Geometrie 
der  Ebene  und  des  Baumes. 

§  113. 

Bestimmung  der  Tangenten  und  der  Normalebenen  bei 
einer  Curve  im  Räume. 

(Vergl.  die  Formel-Tabelle  Hr.  140—143.) 

Aufgabe  1.  Man  soll  das  Bogeaelemeat  ds  euer  Carve  im 
Räume  bestiinmeD  und  die  Cosinusse  der  Winkel  a,  ß,  y  berechnen, 
welche  ds  mit  den  positiven  Eichtungen  der  Coordinaten-Aiea 

bildet. 

AuflSsung.     Es  seien  F  und  P,  zwei  benachbarte  Punkt« 
auf  der  Curve  mit  den  Coordinaten  x,  y,  z  bezw. 
(1.)  x^=z-\-  dx,    yi=y+dy,    z^  =  z  +  dz, 

wo  wieda:  die  Bezeichnungen  dx,  p.    ^^ 

ify,  dz  andeuten  sollen,  dass  die 
Punkte  P  und  P^  einander  un- 
endlich nahe  rücken  dürfen. 

Legt  man  jetzt  durch  die 
Punkte  P  und  P,  Ebenen  pa- 
rallel zu  den  drei  Coordinaten- 
Ebenen  (vergl.  Fig.  122),  so  erhält 
man  ein  rechtwinkeliges  Parallel- 
epipedon  mit  den  Seitenkanten  dx, 
dy,  dz  und  der  Diagonale 
(2.)  PP,  =  ds. 

Da  die  Gerade  PP,  mit  dem  Bogen  PP,  zusammeniäUt, 
wenn  die  Punkte  PundP^  einander  unendlich  nahe  rücken,  so 

31  • 


484       §  113.    Bestimmung  der  Tangenten  und  Normalebenen. 

nennt  man   ds  das   Bogendement  und  erhält  nach  bekannten 
Sätzen  aus  der  Stereometrie 

(3.)  *2  —  dx^  +  rfy2  +  efe2. 

Femer  ergiebt  sich  ohne  Weiteres  aus  der  Figur,  dass 

,    V  dx  ^       dy  dz 

(4.)  cosa  =  ^,     «»'»  =  i'     «>sy  =  ^ 

ist,  wobei  a,  ß^  r  ^^  Winkel  sind,  welche  d%  mit  den  positiven 
Richtungen  der  Coordinaten-Axen  bildet. 

Aufgabe  2.    Eine  Baumcurve  sei  durch  die  Gleichungen 

(5.)  F{x,  y, ;?)  =  0,     G  (x,  y,  ;r)  =  0 

gegeben;  man  soll  im  Curvenpunkte  P  mit  den  Coordinaten  a;,  y,  z 
ihre  Tangente  bestimmen. 

AuflSsung.  Die  Gleichungen  einer  geraden  Linie  im  Räume 
schreibt  man  gewöhnlich  in  der  Form 

(6.)  x'  =-mz'  -\'  fjb^     y'  =  nz*  +  v. 

Dies  seien  also  auch  die  Gleichungen  der  gesuchten  Tan- 
gente, wobei  die  laufenden  Coordinaten  mit  x\  y',  zf  bezeichnet 
werden  mögen,  weil  a:,  y,  r  die  Coordinaten  des  Berührungs- 
punktes P  sind.  Damit  die  Tangente  durch  diesen  Punkt  P 
geht,  müssen  die  Gleichungen 

(7.)  ar  =  m;5  -f  f*,     y  =  n^  -f-  v 

gelten,  folglich  erhält  man  für  die  Tangente  die  Gleichungen 

(8.)  a^  —  x  =  m(z'  —  z),     y'  —  y  =  n{z'  —  z). 

Um  auch  noch  die  Coefßcienten  m  und  n  zu  bestimmen, 
beachte  man,  dass  die  Tangente  auch  durch  den  Cnrvenpunkt 
P'  hindurchgehen  muss,  welcher  dem  Punkte  P  unendlich  nahe 
liegt  und  deshalb  die  Coordinaten 

(9.)  x*  =:  X  +  dx,     y'  =  y  -{-  dyj     z'  :=^  z  +  dz 

hat.    Setzt  man  diese  Werthe  in  die  Gleichungen  (8.)  m,  so 

erhält  man 

(,l(k)  dx  =  mäz,    dy  =  mfe, 

oder,  indem  man  durch  dz  dividirt  und  Formel  Nr.  189  der 
Tabelle  berücksichtigt, 


§  113.    Bestimmimg  der  Tangenten  und  Normalebenen.        485 

1,11.;  ^  -  dg  -  F^Q^  _ F^Q^'      "~dz~  FiG^—F-iGi 
Die  Tangente  im  Punkte  P  hat  daher  die  Gleichungen 

(12.)  a^'-a,==^(z'-z),     y' -y  =  f^(z' -z), 

oder 

Gewöhnlicli  schreibt  man  diese  Gleichungen  in  der  Form 

,      V  X* — X y* — y z'  —  z 

^     '^  dx  dy  dz 


oder 


,t 


Uöa.;     F^Q^_F^Q^-  F^Q^_F^G^'-  F^G^_F^Q^' 

Aufgabe  3.  Man  soll  die  Ebene  bestimmen,  welche  im 
Curvenpunkte  P  mit  den  Coordinaten  x,  y,  z  auf  der  Curve 
senkrecht  steht. 

Auflösung.  Die  Gleichung  einer  Ebene,  welche  durch  den 
Punkt  P  hindurchgeht,  ist 

(14.)  A{x'  —  x)  +  B{y'  —  y)+  C(z'  —  z)  =  0. 

Damit  diese  Ebene  auf  einer  Geraden 

x'  =  mz*  +  (A,  y*  z=znz*  -\-  V 

senkrecht  steht,  muss  nach  bekannten  Sätzen  aus  der  analyti- 
schen Geometrie  des  Raumes 

(15.)  ^  =  C '       ^^'C 

sein.  In  dem  vorliegenden  Fall  ist  aber  die  Tangente  die 
Gerade,  welche  auf  der  gesuchten  Ebene  senkrecht  stehen  soll, 
folglich  gehen  die  Gleichungen  (15.)  mit  Rücksicht  auf  die 
Gleichungen  (11.)  über  in 

/^«r    N  dx      A  dy      B 

^1^*-)  Tz=-c'      Tz=-C' 

so  dass  man  für  die  gesuchte  Ebene  die  Gleichung 


486  §  114.    Üebmigs-Au%aben. 

(16.)  {z'  —  x)dx  +  (y'  —  y)dy+(z'—  z)dz  =  0, 

oder 

(16a.)   mG3  —  FiGi)ix'  —  x)  +  (i^3<?i  — J;Gs)(y'-y) 

+  mG^  —  F^Gi){z'-z)  =  0 

erhält.    Diese  Ebene  heisst  die  Normalebene  der  Baoincnrve  im 
Punkte  P. 


§  114. 

Uebungs-Aufgaben. 

Aufgabe  1.    Der  Kegel 

^2             y2             Z^   _ 

ai  "^42        c2 

schneidet  die  Kugel 

^2  +  y2  +  ^2  — ^2  =  0 

in  einer  Eaumcurve ;  man  soll  die  Tangente 

und  die  Normal 

ebene  dieser  Curve  im  Punkte  P  bestimmen. 

Auflösung.    Hier  ist 

(!•)      ^=S  +  F-$'          G^x^  +  t^ 

«2         »-2, 

folglich  wird 

(2.)              r^-a^'          ^«-*^'        ^^  = 
l  G,  =  2x,          Gj  =  2y,         G,  = 

22 
C2' 

2z, 

also 


3.) 


Ä2      •      c2  J2^2 

4a:2J       4a» 4ax 

c2         a^  c^a^ 


i?G,-p,G,  =  -^-:^  =  -S(«»  +  .«), 


J'.G,-F,G,=^_^  =  -^(..-J.). 


Dies  giebt  nach  Formel  Nr.  142  der  Tabelle  fBr  die  Tan- 
gente die  Gleichungen 

(A\        ^'^\^  —  ^)  _       c»a V — y) aa&2(g'  — z) 

^  '^  y2(i2  +  c2)  ~        2a;(c2  +  a«)  ~        a!y(a2  —  5«)  ' 


§  114.    Uebungs-Aiifeaben.  487 

oder 

fö  )       i  ^^^"^  "^  ^^^^^"^^  —  x)==—  a2(J2  +  c^)g (^'  _  z), 

\  C2(a2  —  J2)y  (y-  _  y)  =:  +  ^2(^2  +  a^^z{z'  —  z). 

Aus  den  Gleichungen  (3.)  folgt  sodann  nach  Formel  Nr.  143 
der  Tabelle  für  die  Normalebene  die  Gleichung 

oder 

(6.)  a2y;j(62+c2)(a;'— ir)— 62^(c2+a2)  (y'-y)-c2a;y(a^J2)(2:i_2;)=0, 

oder 

(6a.)  a2(Ä2  +  c'^)yzx*  —  b^{c^  +  a^)zxy*  —  c\a^  —  h^)xyz'  =  0. 

Aufgabe  2.    Die  Schraubenlinie  hat  die  Gleichungen 

(7.)  a:2  +  y2_e,2==o    und    y  — ^tg0)=O; 

man  soll  die  Tangente  und  die  Normalebene  im  Cnrvenpunkte 
P  bestimmen. 

Auflösung.    Hier  ist 

(8.)  1^=  :r2  +  y2  —  a2,      G  =  y  —  x\%  0), 

folglich  wird 

(9.)         j;  =  2:r,  -F2  =  ^y,     jPs^O; 

(10.)      Gi  =  -tg(i)G2=l,     Ö3  =  -7[l  +  tg2(i)], 

oder  mit  Bäcksicht  auf  die  Gleichungen  (7.) 

(loa.)    ö,=-|,     (?,  =  l,     G3  =  -5(l+g)  =  -g. 

Dies  giebt 


(11.) 


i^3Ö,  -  P1G3  =  +  ^  =  — , 


<?a:  c 

„  2v2       2a2       2a2c 

Die  Gleichungen  der  Tangente  sind  daher  nach  Formel 
Nr.  142  der  Tabelle 


488  §.  114.    Uebuiigs-Au%abeii. 

cx{x*  —  x) cx{y* —  y) cx{z* — z) 

20^?       ""       202^       ■"      2a2c      ' 
oder 

(12.)       x^-x  =  -\(z^-z),     y'-y=.^{z'-z). 

Die  Gleichung  der  Normalebene  wird  nach  Formel  Nr.  143 
der  Tabelle 

cx   ^  ^  ^    ex   ^        ^^         ex    ^  ^         ' 

oder 

(13.)  y{x'  —  x)  —  x{y*  —  y)  —  c{z*  —  «)  =  0, 

oder 

(13  a.)  yx*  —  xy*  —  c[z*  —  xj)  =  0. 

Aufgabe  3.    Die  Kugel 

a:2  +  y2  +  22_r2  =  0 

wird  von  dem  Cylinder 

x^  —  ra;  +  y2  =  0 

durchbohrt;  man  soll  die  Tangente  und  Normalebene  der  Schnitt- 
curve  im  Punkte  P  mit  den  Coordinaten  x^  y,  z  bestimmen. 

Auflösung.    Hier  ist 

(14.)  JF=:a;2  +  y2  +  2j2_y.2,       G  —  x'^  —  TX  +  y\ 

folglich  wird 

(15)  f-fl=2^'  i^2  =  2y,       ^3  =  2^, 

\G,=  2x  —  r,     G^  =  2y,      G^  =  0, 

(F^G,—F,G:,=^-4.yz, 

(16.)         I  -F3  Gl  —  Fl  G3  =  4cxz  —  2rz, 

{  F,G2-F2G,  =4.xy  —  4xy  +  2yr=:2ry; 

dies  giebt  nach  Formel  Nr.  142  der  Tabelle  fiir  die  Tangente 
die  Gleichungen 

(17.)  — - —  =  -7^ — ^  = ? 

^      ^  — 2y;5       z{2x  —  r)  ry 

oder 

(18.)  1    r{x*-x)=^  —  2z(z^  —  z), 


§  115.    Tangenten  und  Tangentialebenen.  489 

Die  Gleichung  der  Nonnalebene  wird  nach  Formel  Nr.  143 
der  Tabelle 

(19.)     2yz(x'  —  x)  —  (2x  —  r)z{y' —  y)  —  ry  {z'  —  r)  =  0, 

oder 

(19  a.)  2  yzx'  —  (2x  —  r)  zy'  —  ryz'  =  0. 

§  115. 

Tangenten  und  Tangential- Ebenen  an  eine  beliebige 

krumme  Fläche. 

(Vergl.  die  Formel-Tabelle  Nr.  144  und  145.) 

Eine  gerade  Linie  heisst  eine  Tangente  der  Fläche 

(1.)  F{x,y,z)  =  ^    oder    z=f(x,y\ 

wenn  sie  durch  zwei  unendlich  nahe  Funkte  der  Fläche  hin- 
durchgeht, 

Aufgabe  1.    Man  soll  die  Bedingung  finden,  dass  die  Gerade 

(2.)  x*  =  mz*  +  fi,     y'  =  nz'  +  p 

die  Fläche 

« =/(^j  y) 

im  Flächenpunkte  F  mit  den  Coordinaten  x,  y,  z  berührt. 

Auflösung.  Die  laufenden  Coordinaten  der  geraden  Linie  sind 
mit  x\  y',  z'  bezeichnet  worden,  weil  x,  y,  z  die  Coordinaten 
des  Berührungspunktes  F  sind.  Damit  nun  die  Gerade  durch 
diesen  Berührungspunkt  F  hindurchgeht,  müssen  die  Gleichungen 

(3.)  X  ==^  mz  -\-  fi,     y  ■=:  nz  -Y-  V 

gelten.    Daraus  folgt 

(4.)  x^  —  x^=m{z*  —  z\     y*  —  y  ^=  n (z*  —  z). 

Irgend  ein  Flächenpunkt  P',  welcher  dem  Punkte  F  be- 
nachbart ist,  hat  die  Coordinaten 

(5.)  x'  =  x-)r^x^     y'=^y+^y^     z'  =  z+Jz=f{x+Jx,y+Jy), 

wobei  noch  Jx  und  Jy  ganz  beliebig  und  von  einander  unab- 
hängig sind.  Damit  nun  die  Gerade  auch  durch  diesen  Punkt 
P'  hindurchgeht,  müssen  die  Gleichungen 

(6.)  ^/x  =  mJz    und    ^y  =  m^z 

befriedigt  werden. 


490  §  115.    Tangenten  und  Tangentialebenen. 

Lässt  man  jetzt  Jx  und  Jy  unendlich  klein  werden,  indem 
man  sie  bezw.  durch  dx  und  dy  ersetzt,  so  rückt  der  Punkt  P* 
dem  Punkte  P  unendlich  nahe.  Dann  wird  auch  Jz  unendlich 
klein,  und  zwar  geht  Jz  über  in 

(7.)  rf^  =  grfa:  +  |rfy. 

Dadurch  nehmen  die  Gleichungen  (6.)  die  Form  an 

Dies  giebt 

(9.)  «|d.+(„|-l)rfy  =  0. 

dz 
Multiplicirt  man  Gleichung  (8.)  mit  w^-»  Gleichung  (9.) 

dz 
mit  1  —  ^  77~ '  so  erhält  man  durch  Addition  und  Fortlassung 

des  Factors  dy 

(10.)  ^_+^__l  =  0. 

Ist  diese  Bedingung  erfüllt,  so  geht  die  Gerade  durch  zwei 
unendlich  nahe  Punkte  der  Flache,  d.  h.  sie  ist  eine  Tangente 
derselben. 

Wenn  die  Gleichung  der  Fläche  in  der  Form 

F(x,y,z)=^0 
gegeben  ist,  so  erhält  man,  indem  man  y  als  constant  ansieht, 

/i  1  \         dF     BF  dz      ,,        ,        17    ,    i:t  Ö2J       ^ 

und  indem  man  x  als  constant  ansieht, 
also 


J 


§  115.    Tangenten  und  Tangentialebenen.  491 

Deshalb  geht  die  Gleichung  (10.)  über  in 
(14.)  F^m  +  F^n  +  1^3  =  0. 

Aufgabe  2.    Die  Gleichung  einer  krummen  Fläche  sei  wieder 

(15.)  F{x,y,z)  =  0,     oder    z^fix.y); 

man  soll  durch  den  Punkt  P  mit  den  Cioordinaten  x^  y,  z  eine 
Tangentialebene  legen. 

Auflösung.  Da  in  Aufgabe  1  die  Grössen  dx  und  dy  von 
einander  unahhängig  sind,  so  giebt  es  unendlich  viele  Tangenten 
der  Fläche  im  Punkte  P.  Davon  kann  man  sich  auch  dadurch 
überzeugen,  dass  man  in  den  Gleichungen  (10.)  und  (14.)  den 
Werth  von  m  noch  beliebig  annehmen  darf,  während  man  dann 
den  Werth  von  n  aus  dieser  ^Gleichung  berechnen  kann.  Es 
wird  nämlich 

(16.)  n  =       ^        = ^ 

dy 

Setzt  man  diesen  Werth  von  «  in  die  Gleichungen  (4.)  ein, 
so  erhält  man 

(17.)  x'  —  x  =  m(z*—z),     ^(y'  —  y)=(l  —  m-£^{z*  —  z), 

oder 

(17a.)  x^—x  =  m(z*—z),     F^(y^  —  y)  =  —  (F,m+F^)(z^  —  z). 

Diese  Gleichungen  stellen  also  eine  Tangente  im  Flächen- 
punkte P  dar,  welchen  Werth  auch  m  haben  mag.  Eliminirt 
man  jetzt  aus  diesen  beiden  Gleichungen  m,  so  erhält  man 

(180  ^'-^=  pjx'-x)  +  p^(y'-y), 

oder 

(18a.)        F,  {x'  —  x)  +  F^(i/*  —  y)  +  F^(z'  —  z)  =  0. 

Dies  sind  zwei  verschiedene  Formen  für  die  Gleichung  einer 
Ebene,  in  welcher  alle  Tangenten  liegen,  die  im  Punkte  P  an 
die  Fläche  möglich  sind.  Man  nennt  diese  Ebene  daher  die 
Tangentialehene  der  Fläche  im  Punkte  P. 


492 


§  115.    Tangenten  und  Tangentialebenen. 


Fig.  128. 


Die  Gleichung  der  Tangentialebene  findet  man  auch  in 
folgender  Weise.  Der  Flächenpunkt  P  habe  wieder  die  Coor- 
dinaten  x^  y,  z.    Lässt  man  jetzt  ^  um  ^;r  wachsen,  während 

y  unverändert  bleibt,  so  gelangt 
man  vom  Punkte  P  zu  einem 
benachbarten  Flächenpunkte  P] 
(Fig.  123),  dessen  Coordinaten 

x^^x  +  Jx,    y^^y 
und 

zi=z  +  J^  =/(^  +  ^a;,  y) 

sind.  Lässt  man  dagegen  y  um 
Jy  wachsen,  während  x  con- 
stant  bleibt,   so   gelangt  man 

vom  Punkte  P  zu  einem  dritten   Flächenpunkte  P2  mit  den 

Coordinaten 

X2  =  x^     y2  =  y  +  ^y,    Z2  =  z  +  Jyz  =f(x,  y  +  Jy). 

Durch  diese  drei  Punkte  P,  P^ ,  P^  ist  eine  Ebene  bestimmt, 
deren  Gleichung 

(19.)  Ax*  +  %'  +  C^'  +  D  =  0 

heissen  möge.  Auch  hier  sind  die  laufenden  Coordinaten  der 
Ebene  mit  xf^  y\  z*  bezeichnet  worden,  weil  x^  y,  z  die  Coordi- 
naten des  Punktes  P  sind.  Die  Gleichung  dieser  Ebene  kann 
man  noch,  indem  man  durch  C  dividirt,  auf  die  Form 

(20.)  z'  =  ax*  +  by'  +  c 

bringen.  Damit  nun  die  Ebene  durch  den  Punkt  P  geht,  muss 
die  Gleichung 

(21.)  z  =^  ax  +  by  +  c 

gelten,  folglich  wird 

(22.)  z'  —  z  —  a(x'  —  x)  +  b(y'  —  y). 

Damit  die  Ebene  durch  die  Punkte  P^  und  P^  hindurch- 
geht, muss  die  Gleichung  (22.)  auch  fiir  die  Coordinaten  dieser 
Punkte  befriedigt  werden.  Dadurch  erhält  man  die  beiden 
Gleichungen 

J^z  =  aJx    und     J  yZ  =  bJy^ 


§  116.    Uebungs-Aufgaben.  498 

oder 

(23.)  »  =  f,        »  =  ^. 

Lässt  man  jetzt  Jx  und  Jy  unendlich  klein  werden,  indem 
man  sie  durch  ihre  Differentiale  dx  und  dy  ersetzt,  so  rücken 
die  Punkte  P^  und  P2  dem  Punkte  P  unendlich  nahe,  und  die 
Gleichungen  (23.)  gehen  über  in 

rc^A  \  dz         ,       dz 

(24.)  a  =  ^,       J  =  ^, 

SO  dass  die  Gleichung  (22.)  die  Form 

(25.)  ,    z'-z  =  p^iz'-x)  +  ^{y'-y) 

annimmt,  welche  mit  Gleichung  (18.)  übereinstimmt. 

Der  Sinn  dieser  zweiten  Herleitung  ist  folgender: 
Die  geraden  Linien  PP^  und  PP2  werden  Tangenten  der 
Fläche,  wenn  die  Punkte  Pj  und  P2  dem  Punkte  P  unendlich 
nahe  rücken.  Die  Ebene  PP^P^  ist  also,  wenn  man  Jx  und  Jy 
unendlich  klein  werden  lässt,  durch  zwei  Tangenten  des  Punktes 
P  hiQdurchgelegt.  Da  aber  aUe  Tangenten  eines  Flächenpunktes 
P  in  derselben  Ebene,  nämlich  in  der  Tangentialebene,  liegen, 
so  ist  diese  Ebene  die  Tangentialebene. 

Die  Gleichung  der  Tangentialebene  wird  illusorisch,  wenn 
(26.)  Pi  =  0,     1^2  =  0,     Ps  =  0. 

In  diesem  Falle,  welcher  allerdings  nur  ausnahmsweise  ein- 
treten kann,  liegen  die  Tangenten  des  Flächenpunktes  P  nicht 
mehr  sämmtlich  in  derselben  Ebene. 

§  116. 

Uebungs  -Aufgaben. 

Aufgabe  1.    Ein  EUipsoid  ist  durch  die  Gleichung 

gegeben;  man  soll  im  Flächenpunkte  P  mit  den  Coordinaten 
x^  y,  z  die  Tangentialebene  bestimmen. 


494  §  116.    Uebungs-Aufgaben. 

AufIBsung.    Hier  ist 

*  A  2 

also 

(2.)  ^i""^'      ^2— -^J      ^3—-^' 

deshalb  wird  nach  Fonnel  Nr.  145  der  Tabelle  die  Gleichung 
der  Tangentialebene 

.  .  x{x*—x)      y{y'—y)  ,  z{z'  —  z) _ 

^^•>>  «2      +  — p—  +  — ^r-  -  ö, 

oder,  wenn  man  die  Gleichungen  (1.)  und  (3.)  addirt, 

Aufgabe  2.  Ein  elliptisches  Paraholoid  ist  durch  die  Gleichung 
(5.)  x'^  +  ahp'  —  2pz  —  0 

gegeben;  man  soll  im  Flächenpunkte   P  mit  den  Coordinaten 
X,  y,  z  die  Tangentialebene  bestimmen. 

Auflösung.    Hier  ist 

-fla:,  y,  2?)  =  a;2  +  a^y^  _  2^2:, 

also 

(6.)  F,^2x,     F^  =  2ahf,    F,^—2p, 

deshalb  wird  nach  Formel  Nr.  145  der  Tabelle  die  Gleichung 
der  Tangentialebene 

(7.)  x{x*  —  x)  +  ahf{y'  —  y)  —p{z*  — ;?)  =  0, 

oder,  wenn  man  die  Gleichungen  (5.)  und  (7.)  addirt, 
(8.)  XX*  +  ahfy*  —p{z'  +  z)^  0. 

Ist  z.  B. 

;r  =  3,    y  =  4,     also    2pz  =  ^  +  16a2, 
so  geht  die  Gleichung  (8.)  über  in 
(8  a.)  ^x*  +  8a  Y  =  2pz*  +  9  +  16  a^. 


§  117.    Theorie  der  Enveloppen. 


495 


§  117. 

Theorie  der  Enveloppen. 

(Vergl.  die  Formel  -  Tabelle  Nr.  146.) 

Ist  eine  Gleichung  zwischen  a:,  y  und  w,  nämlich 

(1.)  F{x,  y,  w)  =  0 

gegeben,  so  stellt  diese  Gleichung  für  jeden  constanten  Werth 
von  u  eine  Curve  dar.  Da  es  aber  unendlich  viele  Werthe  von 
u  giebt,  so  entspricht  der  Gleichung  (1.)  eine  ganze  Schaar  von 
Curven.    So  entspricht  z.  B.  der  Gleichung 

eine  ganze  Schaar  von  concentrischen  Kreisen,  da  der  Halb- 
messer u  noch  unendlich  viele  Werthe  haben  darf.    Der  Gleichung 


X' 


+ 


r 


=  1 


entspricht  eine  Schaar  confocaler  Ellipsen  und  Hyperbeln. 
Der  Gleichung 

F(x,  y,  w)  =  (:r  —  w)2  +  (y  —  y 62  _  ^^2)2  _  «2  ==  0  , 

entspricht  eine  ganze  Schaar  von  Kreisen  (vergl.  Fig.  124),  denn 
für  jeden  Werth  von  u  er- 
hält man  einen  Kreis,  dessen 
Mittelpunkt  die  Coordinaten 


Fig.  124. 


hat.  Zwischen  ?  und  ly  be- 
steht daher  die  Gleichung 

?2  +  iy2  _  J2  =  0, 

d.  h.  der  Mittelpunkt  M  des 
Kreises  durchläuft  selbst 
wieder  einen  Kreis,  welcher 
mit  dem  Halbmesser  b  um 
den  Anfangspunkt  0  der 
Coordinaten  beschrieben  ist. 

Die  Grösse  u  nennt  man 
dabei  den  (variablen)  Parameter, 

Sind  nun  u  und  u^=:u  +  Ju  zwei  benachbarte  Werthe 
von  u,  so  giebt  die  Zusanmienstellung  der  beiden  Gleichungen 


OM^h,   0A"=|,  NM-=-ri. 


496  §  117.    Theorie  der  Enveloppen. 

(2.)  JF{x,y,u)^0    und     F{x,y,u^)  =  0 

die  Schnittpunkte  der  beiden  entsprechenden  Curven. 

Die  Goordinaten  dieser  Schnittpunkte  genügen  daher  auch 
den  beiden  Gleichungen 

(3.)    I{x,y,u)^0     und     ^^»y>«  +  ^j)-i^(^,y,«)  ^  q. 

Lässt  man  jetzt  Ju  unendlich  klein  werden,  so  gehen  diese 
Gleichungen  über  in 

(4.)  H^,y,u)=:0    und     ^^I|pü)  =  o, 

Gleichungen,  welche  die  Schnittpunkte  der  Curve  F(z,  y,  w)  =  0 
mit  einer  unendlich  nahen  Curve  geben. 

Durch  Elimination  von  u  aus  diesen  beiden  Gleichungen 
erhält  man  eine  Gleichung  zwischen  x  und  y  allein,  nämlich 

(5.)  S(x,y)^0, 

welche  den  geometrischen  Ort  aller  Schnittpunkte  von  Je  zwei 
unendlich  nahen  Curven  der  gegebenen  Ourvenschaar  darstellt. 

Die  Curve  wird  die  einhüllende  Curve  oder  die  Enveloppe 
genannt,  da  sie  die  sämmtlichen  Curven  der  gegebenen  Curven- 
schaar  einhüllt.    Es  gilt  nämlich  folgender  Satz : 

Die  Enveloppe  ha;t  in  den  Punkten^  welche  sie  mit  einer 
der  Curven 

F{x,  y,  w)  =  0 

gemein  hat,  auch  die  Tangente  mit  dieser  Curve  gemein. 

Zum  Beweise  dieses  Satzes 
betrachte  man  drei  benachbarte 
Curven  C,  C^,  C^  des  gege- 
benen Curvensystems  (vergl. 
Fig.  125),  welche  den  Werthen 
u,  u^y  u^  des  Parameters  ent- 
sprechen. Ein  Schnittpunkt  der 
Curven  C  und  Ci  heisse  P. 
Dieser  Schnittpunkt  gehe  m  den 
Punkt  Pj  über,  wenn  die  Curve  C  in  Ci  und  die  Curve  Ci  in  Cj 
übergeht  Die  Punkte  Pund  P^  liegen  also  beide  auf  der  Curve  C^ 
und  rücken  einander  unendlich  nahe,  wenn  die  Werthe  k,  u^j  u^ 


§  117.    Theorie  der  Enveloppen.  497 

unendlich  wenig  von  einander  verschieden  sind,  d.  h.  wenn  die 
Curven  C,  C,,  C2  einander  unendlich  nahe  rücken.  Gleichzeitig 
rücken  die  Punkte  P  und  P^  auf  die  Curve  mit  der  Gleichung 

S{x,  y)  =  0, 

weil  sie  Schnittpunkte  von  je  zwei  unendlich  nahen  Curven  der 
gegebenen  Curvenschaar  sind.  Deshalb  ist  die  Verbindungslinie 
dieser  unendlich  nahen  Punkte  P  und  P^  eine  Tangente  der 
Curve  Ci  und  gleichzeitig  auch  der  Curve 

S{x,  y)  =  0. 

Damit  ist  bewiesen,  dass  die  beiden  Curven  im  Punkte  P 
(oder  in  dem  unendlich  nahen  Punkte  P{)  eine  gemeinsame 
Tangente  haben,  dass  sie  sich  also  im  Punkte  P  berühren. 

Was  von  Ci  gilt,  gilt  ebenso  von  jeder  beliebigen  Curve 
der  gegebenen  Curvenschaar.  Es  ist  also  hiermit  bewiesen,  dass 
die  Curve 

S{x,y)  =  0 

sämmtUche  Curven  des  gegebenen  Curvensystems  berührt;   sie 

ist  daher  die  UmhüUungscurve  oder  Enveloppe, 

Dasselbe  Eesultat  findet  man  auch  durch  Eechnung.    Die 

Gleichung 

S(x,  y)  =  0 

kann  man  nämlich  aus  den  Gleichungen  (4.)  dadurch  herleiten, 
dass  man  den  Parameter  u  als  Function  von  x  und  y  darstellt, 
indem  man  die  Gleichung 

— ^^^^^^^  =  0  auf  die  Form  u  =  g)(x,  y) 

bringt,  und  dass  man  sodann  diesen  Werth  von  «<  in  die 
Gleichung 

F{x,  y,u)  =  0 

einsetzt.    Dies  giebt  also 

(6.)  S  (x,  y)  =  F{x,  y,u)    für    w  =  y  (x,  y), 

dS_dF     dFdu^ 
ox      dx      du    dx 

dF     öFdu 
dy       du    dy 

Stegemann  -  Kiepert,  Differential-Rechnung.  32 


(7.) 


498  §  117.    Theorie  der  Enveloppen. 

Da  nun  aber  für  den  betrachteten  Punkt  P  mit  den  Coor- 

dinaten  x.  y 

dF      ^ 

du 
ist,  so  gehen  die  Gleichungen  (7.)  über  in 

dS_dF  dS_dF 

folglich  hat  nach  Formel  Nr.  88  der  Tabelle 

dS  öF 

dy dx  dx 


(8.) 


dx ""       dS  ÖF 


dy  dy 

in  dem  betrachteten  Punkte  P  für  beide  Curven  denselben 
Werth,  d.  h.  die  beiden  Curven  haben  in  diesem  Punkte  die- 
selbe Tangente. 

Es  ist  allerdings  noch  hervorzuheben,  dass  die  Elimination 
von  u  aus  den  Qleichungen  (4.)  durchaus  nicht  immer  die 
Gleichung  einer  reellen  Curve  liefert. 

Dies  folgt  schon  daraus,  dass  nicht  jede  Schaar  von  gleich- 
artigen Curven  eine  Umhüllungs- Curve  besitzt.  Bei  den  con- 
centrischen  Kreisen 

a;2  »|_  y2 ^2  :=  0 

z.  B.  schneidet  kein  Ereis  den  anderen  in  einem  reellen  Punkte, 
folglich  giebt  es  flir  diese  Curvenschaar  auch  keine  Umhällungs- 
Curve. 

Ebensowenig  haben  die  einander  benachbarten  confocalen 
Ellipsen 

^2  ./2 


oder  die  einander  benachbarten  confocalen  Hyperbeln 

rc2  «/2 

+  Ä2^  =  l     (-a*<«<-i2) 


reelle  Schnittpunkte  mit  einander  gemein,  folglich  giebt  es  auch 
bei  dieser  Curvenschaar  keine  UmhttUungs-Curve. 


§  118.    Uebungs-Aufgaben.  499 

Dagegen  schneidet  jeder  der  E[reise 
(9.)       F{x,  y,  u)  —  {x  —  uy  +  {y  —  Yb^  —  u^f  —  «2  =  0 

den  folgenden  in  zwei  reellen  Punkten.    Deslialb   giebt  es  in 
diesem  Falle  eine  Umhällungs-Curve.    Dabei  wird 

(10.)  ^^(|>y>^)  =  _2(^— w)  +  2(y— ]/P=:^)         "         =  0. 
Aus  den  Gleichungen  (9.)  und  (10.)  folgt 

y  _  ]/jyzr^  =  £zi!fyj2_^2  =  £yj2_t^2  _  yjTzrSi, 

oder 

(11.)  y  =  ^|/P^=:^,     ^  =  !<*±fl), 


a:2  = 


_u^(b±ay 
b^ 


^  _  a:2(52_^2)  __  (b^—u^){b±ay 

^    ""  W2  -  J2  ' 

folglich  ist 

(12.)  a;2  +  y2  —  (J  +  a)2. 

Nimmt  man  in  diesen  Gleichungen  das  obere  Zeichen,  so 
erhält  man  einen  Kreis  mit  dem  Halbmesser  b  +  a,  und  nimmt 
man  das  untere  Zeichen,  so  erhält  man  einen  Kreis  mit  dem 
Halbmesser  b  —  a.  Die  Umhüllungscurve  zer^t  also  bei  diesen 
Beispiele  in  zwei  concentrische  Kreise.    (Vergl.  Fig.  124.) 


§  118. 

Uebungs  -Aufgaben. 

Aufgabe  1.  Ein  System  von  geraden  Linien  (Fig.  126)  sei 
durch  die  Bedingung  bestimmt,  dass  die  zwischen  den  Goordi- 
naten-Axen  liegenden  Abschnitte  derselben  die  constante  Länge 
c  haben.  Man  soll  die  Gleichung  ihrer  Umhällungs-Curve  auf- 
stellen. 

AuflSsung.  Es  seien  OA  3=  a  und  OB  =  b  die  Abschnitte, 
welche  die  Gerade  auf  den  Coordinaten-Axen  abschneidet,  dann 
ist  bekanntlich  ihre  G-leichung 

32* 


I  118.    Uebuugs-Aufgabec 


oder 


+  ^-1  = 


:0, 


bx  +  ay  —  ai  =  0. 

Der  Abschnitt  AB  der  Geraden  zwischen  den  beiden  Coor- 
dinaten-Axen  ist  daher  gleich  Ya'^  +  6^.    Hat  also  dieser  Ab- 
schnitt die  constante  Länge  c,  and  setzt  man 
(2.)  a  =  — ccosw, 

so  wird 
(3.)  b  =  csinu. 

Die  Gleichung  der  Geraden  AB  geht  dadurch  über  in 
(4.)  F(z,y,u)  =  aisin«  —  ycosu  +  csinwcos«  =  0. 

Fig.  las.  Fig.  1^. 


Wie  man  ohne  Weiteres  si^t,  ist  dabei  u  gleich  dem 
Winkel  a,  welchen  die  Gerade  AB  mit  der  positiTen  Eichtang 
der  X-Axe  bildet. 

Um  die  Enveloppe  dieser  Schaar  gerader  Linien  zu  finden, 
bUde  man 

(5.)    — -^  ^'  "^  =  arCOSM  +  ysin«  +  c(cos*u  —  sin*«)  =  0. 

Multiplidrt  man  die  Gl^chungen  (4.)  und  (5.)  bezw.  mit 
sin«  and  cosu,  so  erhält  man  durch  Addition 


§  118.    Üebungs-Auligabeii.  501 

Multiplicirt  man  sie  dagegen  bezw.  mit  — cosw  mid  sinw, 
so  findet  man  durch  Addition 

(7.)  y  =  csin% 

Die  Gleichungen  (6.)  und  (7.)  geben  die  Coordinaten  des 
Schnittpunktes  der  dem  Werthe  u  entsprechenden  Geraden  mit 
der  unendlich  nahen.  Dieser  Punkt  ist  daher  auch  ein  Punkt 
der  Umhüllungs-Curve.    Die  Gleichungen 

(8.)  a:  =  —  ccos^,    y  =  csin% 

stellen  also  die  Umhüllungs-Curve  dar,  wenn  u  alle  Werthe  von 
0  bis  2  TT  durchläuft.    Man  kann  aber  aus  diesen  Gleichungen 

auch  den  Parameter  u  eliminiren.    Erhebt  man  sie  nämlich  zur 

2 
Potenz  -?  so  erhält  man 

4  4  4-1 

x^  =  +  c^  cos%,    y^  =  +  c^  sin%, 

und  wenn  man  diese  Gleichungen  addirt, 

(9.)  ^*  +  y*  =  c* 

Dies  ist  die  Gleichung  der  Umhüllungs-Curve,  und  zwar 
ist  diese  Curve  unter  dem  Namen  „Asiroide^^  bekannt.  (Vergl. 
Fig.  127.) 

Aufgabe  2.    Es  ist  durch  die  Gleichung 

( 10.)       JF(a;,  y,  u)  =  a:cos(3w)  +  ysin(3w)  —  acosu  =  0 

eine  Schaar  von  geraden  Linien  gegeben;  man  soll  die  von  ihnen 
eingehüllte  Curve  bestimmen.    (Vergl.  Mg.  129.) 

Aufifisung.    Hier  wird 
(11.)  — Q  ^'  ^^  =  —  SxsmiSu)  +  SycoB(Su)  +  asinw  =  o. 

Eliminirt  man  aus  diesen  Gleichungen  y,  bezw.  a;,  so  er- 
hält man 

n2  ^  j  Sx  =  a[3coswcos(3w)  +  sinw  sin (3«)], 

\  3y  =  a  [3  cos w  sin  (Su)  —  sin  w  cos  (3w)]. 
Nun  ist  aber 

cosw  cos  (3«)  +  sin  w  sin(3t^)  =  cos(2w), 

2C0SW  cos(3w)  —  cos(4w)  +  cos(2w); 


502 


§  118.    Uebungs-Aufgaben. 


(14.) 


femer  ist 

cosM  sm(3w)  —  sinw  cos(3w)  =  sm(2tt), 

2C0SW  sin  (3m)  =  sin(4w)  +  8in(2w), 
folglioli  wird 

.      .  j  3x  =  a[cos(4w)  +  2cos(2w)], 

l  3y  =  a[sin(4w)  +  2siii(2w)]. 

Setzt  man  a  =  3a^  und  2u  =  t  +  tv,  so  wird 
j  cos(2w)  =  —  cos^,  sin(2tt)  =  —  sin^, 
\  cos(4t«)  =  +  cos(2^),  sin(4M)  =  +  sin(2<), 

und  die  Qleichungen  (13.)  gellen  ttber  in 

(15.)   a;  ==  —  aj  (2 cos^  —  cos 2^),    y  =  —  a^  (2Bmt  —  sin2^). 

Dies  sind  bekanntlich  die  Gleichungen  der  Cardioide.  Die 
Cardioide  war  ein  besonderer  Fall  der  Epicykloiden,  welchen 
man  erhält,  wenn  der  Halbmesser  des  festen  Kreises  dem  Halb- 
messer des  rollenden  Kreises  gleich  ist.  Durch  die  vorliegende 
Angabe  findet  man  also  eine  andere  Erzeugungsweise  der  Car- 
dioide, die  sich  dann  auch  so  verallgemeinem  lässt,  dass  man 
jede  beliebige  Epicykloide  (oder  Hypocykloide)  erhält. 

Die  Gleichung  (10.) 
stellt  nämlich  eine  Gerade 
dar  (vergl.  Figur  128), 
welche  durch' die  beiden 
Punkte  Pj  und  P^  mit 
den  Coordinaten 

x^  =  acos(2«), 

yi  =  asin(2e*) 
und 

x<^  =  acos(4t<), 

y2  =  asin(4w) 

hindurchgeht,  denn  diese 
Werthepaare  von  x  und  y 
beMedigen  die  Gleichung 
(10.).    Nun  wird  aber 


Fig.  laB. 


^.^-""^ 

1^ 

\ 

h 

0 

c 

'i      <■ 

1 

1 

(16.) 


X, 


+  yi«  =  a2    und    aj2»  +  y22  =  aJ, 


§  118.    Uebmigs-Aufgaben. 


503 


Fig.  129. 


d.  h.  die  Punkte  P^  und  Pj  liegen  beide  auf  einem  Kreise,  der 
mit  dem  Halbmesser  a  um  den  Anfangspunkt  0  der  Coordinaten 
beschrieben  ist.  Dabei  sind  die  Winkel,  welche  die  Halbmesser 
OPi  und  OP2  mit  der  X-Axe  bilden,  nämlich 

^X0P^  =  2u,    4:XOP2  =  4w  =  2^XOPi. 

Wenn  sich  also  der  Parameter  u  verändert,  so  bewegen 
sich  die  Punkte  Pj  und  Pj  beide  auf  diesem  Kreise  fort,  der 
Punkt  P2  aber  doppelt  so  schnell  wie  der  Punkt  P^. 

Dies  giebt  folgende  Erzeugung  der  Cardioide: 

Bewegen  sich  auf  einem  Sreis  zwei  Punkte  Pj  und  P^  sOj 
dass  P2  doppelt  so  schnell  läuft  wie  P^,  so  umhüllt  die  Gerade 
P^P^  eine  Cardioide.    (Vergi.  Fig.  129.) 

In  ähnlicher  Weise  können  auch  die  anderen  Epicykloiden 
erzeugt  werden,  wenn  der  Punkt  P^  auf  dem  Kreise  m-mnl  so 
schnell  fortschreitet  wie  der  Punkt  Pj. 

Dabei  war  bisher  vor- 
ausgesetzt, dass  die  Punkte 
Pi  und  P2  den  Kreis  in 
gleicher  Eichtung  durch- 
laufen. Wenn  sie  aber  den 
Kreis  in  entgegengesetzter 
Sichtung  durchlaufen,  so  um- 
hüllt die  Gerade  P1P2  eine 

,5  HypocyMoide^ . 

Man  kann  sich  in  fol- 
gender Weise  von  dem  Vor- 
stehenden durch  Zeichnung 
überzeugen.  Man  theile  den 
umfang    eines    Kreises    in 

eine  Anzahl  gleicher  Theile.  (Vergl.  Fig.  129.)  Es  sei  z.  B. 
diese  Anzahl  gleich  48.  Dann  bezeichne  man  die  Theilpunkte 
der  Reihe  nach  durch  die  Nummern 

0,  1,  2,  3,  4, . . .  47,  48, 
wobei  der  Punkt  48  mit  dem  Punkte  0  zusammenfällt.    Jetzt 
verbinde  man  die  Punkte 

1  und  2,    2  und  4,    8  und  6, . . . 
allgemein  k  und  2k  durch  gerade  Linien.    Auf  diese  Weise  er- 


504 


§  118.    Uebimgs- Aufgaben. 


hält  man  48  Tangenten  der  Cardiotde,  und  zwar  wird  man 
daraus  die  Gestalt  der  Cardioide  sicherer  gewinnen,  als  wenn 
man  die  Curve  punktweise  construirt  hätte. 

Verbindet  man  dagegen  die  Punkte  A  und  mk  durch  Gerade, 
so  erhält  man  eine  andere  EpicyAloide,  welche  der  Zahl  m  ent- 
spricht, mit  grosser  Genauigkeit  als  die  Enoeloppe  ihrer  Tan- 
genten. 

In  ähnlicher  Weise  kann  man  auch  die  HypocyJdoidm  als 
Enveloppe  ihrer  Tangenten  zeichnen.  In  diesem  Falle  wird  es 
zweckmässig  sein,  die  Anzahl  der  Theilpunkte  auf  dem  Kreise 
etwas  grösser  anzunehmen. 

Aufgabe  3.  Es  ist  eine  Schaar  concentrischer  Ellipsen  ge- 
geben, deren  HalbaKen  mit  den  Coordinaten-Axen  zusammenfallen 
und  die  constante  Summe  c  haben;  man  soll  die  Gleichung  der 
Enveloppe  bestimmen.    (Vergl.  Fig.  130.) 

Auflösung.    Die  Gleichung  einer  Ellipse  mit  den  Halbaxen 

a  und  b  ist 

Fig.  130.  b'^x^  -f-  a2y2  —  a^jfl  =  o. 

^^  Da  aber    die   Axen 

veränderliche  Länge  und 
die  constante  Summe  c 
haben  sollen,  so  setze  man 

a  =  w  und  Ä  =  c  —  u. 

Dadurch    wird     die 
Ifli  Gleichung  der  gegebenen 
Curvenschaar 

{ll.)F{x,y,u)  =  {c-^uYx^ 

Hieraus  folgt  durch 
partielle  Differentiation 
nach  u 

(18.)      —  2 (c  —  u)x^  +  2uy^  —  2u(c  —  u)  {c  —  2u)  =  0, 

oder,  wenn  man  mit  — -  multiplicirt, 

(18  a.)       {c  —  u)ux^  —  uY  +  w^c  —  u){c  —  2m)  =  0. 


§  118.    Üebungs-Aufgaben. 


505 


man 

oder 
(19.) 


Indem  man  die  Gleichungen  (17.)  und  (18a.)  addirt,  findet 

{c  —  u)cx^  —  (c  —  w)«3  =  0 , 


U' 


a:2  ==  — ,       a;-  = 


<9      ,     _    


Setzt  man  diesen  Werth  von  x^  in  die  Gleichung  (17.)  ein, 


so  folgt 
(20.) 


l_g— ^ 


3 


Deshalb  wird 


F^ 


(21.) 


i        i         ^ 

a^^  +  r  =  c  % 


d.  h.  die  Enveloppe  ist  wieder  eine  Astroide. 

Aufgabe  4.    Es  ist  eine  Schaar  von  Parabehi  durch  die 
Gleichung 
(22.)  F{x,  y,  u)  =  4c(y  —  ux)  +  (1  +  u^)x^  =  0 

gegeben;  man  soll  ihre  Enveloppe  bestimmen.    (Vergl.  Fig.  131.) 
Auflösung.    Hier  ist 


(23.) 


du 


Dies  giebt  a:  =  0,  oder 

2c 


(24.)    w  = 


X 


Setzt  man  diesen 
Werth  von  «  in  die 
Gleichung  (22.)  ein, 
so  erhält  man  für  die 
Enveloppe  die  Glei- 
chung 

(25.)a:2+My-c)==0. 

Die  Enveloppe  ist 
also  wieder  eine  Parabel.  Ausserdem  schnöiden  sich  alle  Para- 
beln der  gegebenen  Schaai*  im  Punkte  0,  welcher  als  ein  Theil 
der  Enveloppe  zu  betrachten  ist. 


506 


§  119.    Doppelpunkte  und  isolirte  Punkte. 


Aufgabe  5.     Es  ist  eine  Schaar  von  Kreisen  durch   die 
GleichaBg 

(26.)  F{x,  y,  u)  =  {x  —  u)^  +  y2^2up+p^  =  0 

gegeben;  man  soll  die  Enveloppe  bestimmen.   (Yergl.  Fig.  132.) 
AuflStung.    Hier  ist 

(27.) 


oder 

(28.) 


m^  =  -2i.-u)-2p  =  0, 


x  =  u  — p. 


Tig.  182. 


Setzt  man  diesen 
Werth  von  :r  in  die  Glei- 
chung (26.)  ein,  so  wird 

(29.)  y=±V2p(«— ^). 

Die  Gleichungen  (28.) 
und  (29.)  geben  die  Schnitt- 
punkte des  Kreises,  der 
dem  Parameter  u  ent- 
spricht, mit  dem  unend- 
lich nahen.  Diese  Schnitt- 
punkte werden  erst  reell, 
wenn 
(30.)        u^p; 

die  Kreise  selbst  dagegen  werden  schon  reell,  wenn 

(31.)  2u  ^p. 

Indem  man  schliesslich  noch  u  aus  den  Gleichungen  (26.) 
und  (28.)  eliminirt,  erhält  man  die  Gleichung  der  Enveloppe, 
nämlich 
(32.)  y2  =  2px. 

Dies  ist  die  Gleichung  einer  Parabel. 

§  119. 

Doppelpunkte  und  isolirte  Punkte. 

(Vergl.  die  Formel -Tabelle  Nr.  147.) 

Wenn  eine  Curve,  deren  Gleichung 
(1.)  F{x,  y)  =  0 

sein  möge,  2-mal  durch  denselben  Punkt  hindurchgeht,  so  nennt 


§  119.    Doppelpunkte  und  isolirte  Punkte. 


507 


Fig.  133. 


man  diesen  Punkt  einen  Doppelpunkt  der  Curve.    So  hat  z.  B. 
das  Folium  Cartesü  mit  der  Gleichung 

^3  _|-  y3  —  Saxy  =  0 

im  Nullpunkte  einen  Doppelpunkt.   (Vergl.  Fig.  80  auf  Seite  355.) 
Ebenso  hat  die  Lemniscate  mit  der  Gleichung 

r2  =  a2cos(29p), 
oder 

(a:2  +  y2)2  _  a2(a;2_y2)  —  0 

im  Nullpunkte  einen  Doppelpunkt.    (Vergl.  Fig.  120  und  121 
auf  Seite  419  und  427.) 

Um  nun  zu  untersuchen,  für  welche  Werthe  von  x  und  y 
eine  Curve  einen  Doppelpunkt  hat,  braucht  man  nur  zu  beachten, 
dass  in  einem  Doppelpunkte  nicht  eine^  sondern  zwei  Tangenten 
an  die  Curve  möglich  sind,  denn  man  kann  an  jeden  der  beiden 
Curvenzweige,  welche  durch  den 
Doppelpunkt  hindurchgehen,  eine 
Tangente  legen.  (Vergl.  Fig.  133.) 
Streng  genommen  giebt  es  sogar 
in  einem  Doppelpunkte  unendlich 
viele  Tangenten,  wenn  man  von 
der  Erklärung  ausgeht,  dass  jede 
Gerade,  welche  zwei  unendlich 
nahe  Punkte  der  Curve  mit  ein- 
ander verbindet,  eine  Tangente  der  Curve  ist.  Danach  würde 
Jede  Gerade,  welche  man  durch  den  Doppelpunkt  legt,  als  eine 
Tangente  au^efasst  werden  können.  Hier  soll  aber  nur  die 
Verbindungslinie  von  zwei  unendlich  nahen  Punkten,  welche  auf 
demselben  Zweige  der  Curve  liegen^  als  eine  Tangente  angesehen 
werden. 

Ist  nun  F{x^y)  eine  eindeutige  Function  von  x  und  y,  so 
gUt  dasselbe  von 

(2.)  F,i.,y)  =  ^^     und     P,(..y)  =  :^; 

es  wird  also  für  jedes  Werthepaar  a;,  y  die  Richtungstangente 


508  §  119.    Doppelpunkte  und  isolirte  Punkte. 

im  Allgemeinen  nur  einen  einzigen  Werth  haben,  so  dass  der 
zugehörige  Curvenpunkt  nur  ein  einfacher  Punkt  sein  kann. 

Nur  in  dem  besonderen  Falle,    wo   Fi(x,y)  und  F^^x^y) 
beide  gleich  0  sind,  erhält  der  Ausdruck  für  tga  die  unbestimmte 

Form  — ;  dann  kann  also  tga  möglicher  Weise  mehr  als  einen 

Werth  haben.  Die  Methode,  welche  in  §  58  zur  Berechnung 
von  Ausdrucken  angegeben  wurde,  welche  an  der  Grenze  die 

Form  jr-  annehmen,  führt  hierbei  in  folgender  Weise  zum  Ziele. 

Bezeichnet  man  wieder  die  zweiten  partiellen  Ableitungen  durch 
Indices,  so  folgt  aus  Gleichung  (3.),  indem  man  Zähler  und 
Nenner  einzeln  diflferentürt, 

,.     dy           ,.     ^^^+^^^i 
lim-r-  =  —  lim r- 

fiir 

also,  wenn  man  nach  Einsetzung  der  in  Betracht  kommenden 
Werthe  von  x  und  y  das  Zeichen  limes  fortlässt, 

oder 

(4.)  ü,  +  2i,.|  +  Ji(|;  =  0, 

oder 

(4a.) 


dx  2^2 


Dasselbe  Eesultat  findet  man  auch,  indem  man  die  Gleichung 
(5.)  ^^  =  i=;(,,y)  +  j.^(,,y)|  =  0. 

nochmals  nach  x  differentiirt';  dann  erhält  man  nämlich 


(6.) 


oder 


§  119.    Doppelpunkte  und  isolirte  Punkte.  509 

dx  dy       dx 


,6.)  i,.  +  2^„|+^|)'+i?S  =  »- 

(P'U 

Aus  dieser  Gleichung  bestimmt  man  im  Allgemeinen  ^; 

gilt  aber  die  Voraussetzung 

(7.)  i^,  =  0,     1^2  =  0, 

so  erhält  man  wieder 

(8.)  P»  +  2F,,  I  +  i^,,(|y  =  0, 

oder 


/o  „  ^                    dy  _  -  J;2  ±  yPn^  —  Fn  F^^ 
^^*-)  Tx F^ 

Hieraus  erkennt  man,  dass  unter  der  gemachten  Voraus- 
setzung -j-  zwei  Werthe  erhält,  dass  es  also  in  dem  betrachteten 

Punkte  zwei  Tangenten  an  die  Curve  giebt,  deren  Richtungen 
durch  die  Gleichung  (8  a.)  bestimmt  sind. 

Diese  Untersuchung  giebt  daher  den  Satz: 

Ist  der  Punkt  D  mit  den  Coordinaten  Xj  y  ein  Doppelpunkt 
der   Curve,  so  müssen  die  drei  Gleichungen 

(9.)  F(x,y)  =  0,     F,(x,y)^0,     F,(x,y)  =  0 

gleichzeitig  befriedigt  werden* 

Die  beiden  Werthe  von  -^j  welche  man  aus  der  quadra- 
tischen Gleichung  (8.)  erhält,  sind  reell^  wenn 
(10.)  Fn^  —  J^uF22>0; 

sie  sind  dagegen  imaginär^  wenn 

(11.)  F,^^-FuF^2<0. 


510 


§  119.    Doppelpunkte  und  isolirte  Punkte. 


In  dem  ersten  Falle  erhält  man  einen  eigentlichen  Doppel- 
punkt mit  zwei  reellen  Tangenten,  in  dem  zweiten  Falle  aber 
sind  die  Tangenten  imaginär. 

Ein  Beispiel  möge  zeigen,  wie  die  Curve  in  dem  Doppel- 
punkte beschaffen  ist,  jenachdem  der  erste  oder  der  zweite  Fall 
eintritt.    Es  sei  nämlich 

(12.)  F{x,  y)  =  y^  —  (iT  —  a)\x  —  J)  =  0, 

oder 

(12a.)  F{x,  y)  =  y'^  —  x^  +  (2a  +h)x'^  —  (a^  +  2ab)x  +  a^h  =  0, 

dann  wird 

fF\  (^5  y)  =  —  3ir2  +  (4a  +  2b)x  —  (a^  +  2a6) 
z={x  —  a){—^x  +  a  +  2ft), 

(14.)        j;i  =  —  6ä: -f  (4a  +  2J),     i^2  =  0,     i^22  =  2. 
Für  a:  =  a,  y  =  0  werden  also  die  drei  Gleichungen 

-F(^,y)  =  o,   j;(^,y)  =  o,   i^2(^,y)  =  o 

beMedigt,  und  man  erhält 

^11  =  — 2(a  — J),     J;2  =  0,     1^22  =  2. 
Deshalb  wird  nach  Gleichung  (8  a.) 


(16.) 


%=±V^. 


Fig.  134. 


Ist  a  >  5,  so  wird  ya —  b 
reell;  man  kann  in  diesem  Falle 
nicht  nur  die  Tangenten  in  dem 
Doppelpunkte  D  mit  den  Coordi- 
naten  :r  =  a,  y  =  0  zeichnen,  son- 
dern es  ergiebt  sich  auch  aus  der 
Gleichung  (12.),  oder  aus  der 
Gleichung 

(126.)  y=  ±{x  —  a)Yx^^ 

leicht  die  Gestalt  der  Curve.    Sie 
ist  symmetrisch  zur  X-Axe,  und 

y  wird  für  Werthe  von  x,  die  kiemer  als  h  sind,  imaginär,  d.  h. 

die  Curve  liegt  rechts  von  der  Geraden,  welche  man  durch  den 


§  120.    Uebungs- Aufgaben. 


511 


Punkt  B  mit  den  Coordinaten  ar  =  J,  y  =  0  parallel  zur  F-Axe 
ziehen  kann.  Diese  Gerade  wird  von  der  Curve  im  Punkte  B 
berflhrt;  und  zwar  gehen  von  B  aus  zwei  symmetrische  Zweige 
der  Curve,  welche  sich  im  Doppelpunkte  D  schneiden,  so  dass 
die  Curve  zwischen  B  und  D  eine  Schleife  bildet  (Vergl. 
Fig.  134.) 

Ist  dagegen  a<6,  so  folgt  aus  der  Gleichung 

y  =  ±  (^  —  ö)  yx  —  h^ 
dass  der  Punkt  D  mit  den  Coordinaten  a:  =  a,  y  =  0  wieder  ein 
Punkt  der  Curve  ist.  Für  alle  Werthe  von  x  aber,  die  entweder 
kleiner  als  a  sind,  oder  die  zwar  grösser  als  a,  aber  kleiner 
als  h  sind,  wird  y  imaginär,  so  dass  auch  hier  die  Curve  eigent- 
lich erst  mit  dem  Punkte  B  beginnt,  dessen  Coordinaten  a:  =  6, 
y  =  0  sind.  Der  Punkt  D  ist 
daher  in  diesem  Falle  ein  isoHrter 
Punkt  oder  „Einsiedler^.  Ein 
solcher  isolirter  Punkt  ist  daher 
auch  als  ein  Doppelpunkt  anzu- 
sehen, in  dem  sich  zwei  imaginäre 
Curvenzweige  schneiden.  Deshalb 
werden  in  diesem  Falle  auch 
die  beiden  Tangenten  imaginär. 
(Vergl.  Fig.  135.) 

Für 


Fig.  135. 


0 


X 


b — a 


3        -^       -       3        ^      3 

hat  die  Curve  zwei  Wendepunkte 
W^  und  ^2?  wie  man  durch  die 
früher  angegebenen  Methoden  leicht  bestätigen  kann. 

§  120. 

Uebungs -Aufgaben. 

(Vergl.  die  Formel -Tabelle  Nr.  147.) 

Aufgabe  1.  Man  soll  beweisen,  dass  beim  Iblium  Cartem 
der  Nullpunkt  ein  Doppelpunkt  ist,  und  soll  die  Richtung  der 
beiden  Tangenten  in  diesem  Punkte  bestimmen.  (Vergl.  Fig.  136.) 


512 


§  120.    Uebungs-Aufgaben. 


Auflösung.    Hier  ist 


(1.) 


F(x,  y)  =  a;3  +  y3  —  Saxy  =  0, 

also 


F^(x,y)=^Sx^  —  Say, 


(2.)     I 

(3  )     I    ^"  "^  ^^'  -^^2  =  —  3a, 
1  i^22  =  6y- 

Für    a:  =  0,    y  =  0    werden 
die  drei  Gleichungen 

F(x,y)  =  0, 

Fi(x,y)  =  0,  F^(x,y)  =  0 

gleichzeitig  befriedigt,  folglich  ist 
der  Nullpunkt  ein  Doppelpunkt.  Um  in  diesem  Doppelpunkte 
die  Richtung  der  Tangenten  zu  bestimmen,  setzt  man  die 
Werthe  von  JJi,  jFJ2?  ^2  üi  die  Formel  Nr.  147  der  Tabelle  ein. 
Dies  giebt 


'    <^y  ^^^^-Fn±  Y^n'-FnF,^ 


(4.) 


i 


dx 


22 


_         Sa  ±  Yda^  —  Sßxy 
""  x=o  6y 


Nimmt  man  in  dieser  Gleichung  das  obere  Zeichen  und 
setzt  a:  =  0,  y  =  0,  so  erhMt  man 

(4a.)  tg«!  =  00 . 

Nimmt  man  dagegen  das  untere  Zeichen,  so  erhält  tga  zu- 
nächst die  unbestimmte  Form  —  •    Um  den  Grenzwerth  dieses 

unbestimmten  Ausdrucks  zu  erhalten,   multiplicire  man  Zähler 

und  Nenner  des  Bruches  mit  a  +  Yä^  —  4ay.    Dadurch  erhält 
man 

""""  2x 


oder 
(5.) 


=  0, 


«,  =  90»,     «2  =  0«, 


§  120.    TJebungs-Aufgaben.  513 

d.  h.  ,dte    beiden    Coordinaten  -  Axen    sind    Tangenten    in   dem 
Doppelpunkte  der  Curve, 

Aufgabe  2.  Man  soll  beweisen,  dass  bei  der  Lemniscate  der 
Nullpunkt  ein  Doppelpunkt  ist,  und  soll  die  Richtung  der  beiden 
Tangenten  in  diesem  Punkte  bestimmen.    (Vergl.  Fig.  137.) 

Auflösung.    Hier  ist 

(6.)     '      F{x,  y)  =  x^  +  2a:2y2  +  y4  _  0^2^:2  +  «2^2^^  o, 

also 

(7.)  F,{x,y)  =  ^^+^xy^—2a%     F^(x,y)  =  ^h/+^y^+2a^, 

(8.)  I^ii  =  12^^+4y2— 2«^    i^i2  =  8^,    1^22  =  4^:2+ 12y2+2a2. 

Für  x  =  Oj  y  =  0  werden 
die  drei  Gleichungen 

E,(x,y)  =  0 

gleichzeitig  befriedigt,  folglich 
ist  der  Nullpunkt  ein  Doppel- 
punkt. Um  die  Richtung  der 
beiden  Tangenten  in  diesem 
Punkte  zu  bestimmen,  beachte  man,  dass  für  x^=0,  y  =  0 

(9.)  F,,  =  —  2a2,     F,2  =  0,     F^^  =  +  2a2 

wird.    Dies  giebt  nach  Formel  Nr.  147  der  Tabelle 

(10.)    ^=tg«  =  ^^i±Jffl!Em?  =  ±i, 

dx  x'22 

also 

(11.)  «,  =  +  45«,     «2  =  — 45«, 

d.  h.  die  beiden  Tangenten  im  Nullpunkte  halbiren  die  Winkel, 
welche  die  Coordinaten-Axen  mit  einander  bilden. 

Durch  fortgesetzte  Diflferentiation  der  Gleichung 

JPl(^,y)  =  0 

erhalt  man  der  Reihe  nach  unter  Anwendung  der  symbolischen 
Bezeichnungsweise  die  Gleichungen 

^^^•^  dx  ^  dy  dx-  ^' 

Stegexnann-Kiepert,  Differential-Recliimng.  3a 


514  §  120.    Uebungs-Aufgaben. 

...x  /dF      dFdyf>         /  d^F        d^Fdy\d^      dFdh/_ 

Bei  einfachen  Curvenpunkten  findet  man 

aus  Gleichung  (12.)  die  Grösse  ^9 

r  n  (13.)     „  „         ^5? 

ist  aber  der  Punkt  ein  Doppelpunkt,  so  wird 
SF      _ ,      V       ^     dF      _  ,      . 

dann  redudren  sich  die  Gleichungen  (13.)  und  (14.)  auf 

^^*^'    \^  "^  dy  dx)    ^  \dxdy  "*■  dy^  di)d^~^' 
oder 

(Üb.)   p.,+8i^,,,|+8i^,,,(|y+i^,,,(iy 


+ 


Da  die  Gleichung  (12.)  zur  Berechnung  von  ^  ülusorisch 

wird,  liefert  die  Gleichung  (13a.)  die  beiden  Werthe  dieser 
Grösse,  und  aus  der  Gleichung  (14  a.)  findet  man  dann  die  zu- 
gehörigen Werthe  von  ^• 

Für  die  Lemniscate  wird  z.  B. 
(15.)     -Fui  =  24:c,     l^m  =  8y,     1^22  =  8^,     1^222  =  24y, 
Ausdrucke,  welche  für  a:  =  0,  y  =  0  sämmtlich  verschwinden. 
Mit  Bäcksicht  auf  die  Gleichungen  (9.)  und  (10.)  geht  daher  ia 
diesem  Falle  die  Gleichung  (14  b.)  über  in 


§  121.    Mehrfache  Punkte.  515 

(16.)         3(0  +  a^|)g  =  0,  oder  ±3«Ä  =  o. 

Die  Werthe  von  ^  sind  also  beide  gleich  Null.    Daraus 

folgt,  dass  die  beiden  Curvenztoeige  der  Lemniscate,  welche  sich 
in  ihrem  Doppelpunkte  schneiden,  gleichzeitig  Wendepunkte  sind. 
(Vergl.  Fig.  137.) 


§  121. 

Mehrfache  Punkte. 

(Vergl.  die  Formel-TabeUe  Nr.  148.) 

Wenn  für  ein  Werthepaar  x,  y  nicht  nur  die  Gleichungen 
befriedigt  werden,  sondern  ausserdem  auch  noch  die  Gleichungen 

so  ist  es  nicht  mehr  möglich,  die  Werthe  von  ^  nach  den  An- 
gaben der  Formel  Nr.  147  der  Tabelle  zu  berechnen;  dann 
reducirt  sich  aber  die  allgemein  geltende  Gleichung 

m  /gj^,  dFdy^^)  /d^F  d^Fdy\dh,  dFdh,_ 
^  ^^  \dx  ■*■  dy  dx)  ■*■  \dxdy  "^  öy^  dx)  dx'^  "^  dy  dx^  " 
auf 

oder 

(2a.)    P,, + 3i^., I + 3P.,,(|y + p,,,(|y = 0. 

Diese  Gleichung  ist  in  Bezug  auf  -j-  vom  dritten  Grade 

und  liefert  daher  drei  Werthe  dieser  Grösse.  In  dem  zugehörigen 

Curvenpunkte  giebt  es  daher  drei  Tangenten  der  Curve,  woraus 

man  schliessen  kann,  dass  drei  Aeste  der  Curve  durch  diesen 

Punkt  hindurchgehen. 

Ein  solcher  Curvenpunkt  heisst  daher  ein  dreifacher  Punkt 

der  Curve. 

33* 


516  §  121.    Mehrfache  Punkte. 

Sind  auch  die  driäen  partielleii   Ableitungen  von  F{x^y^ 
sämmtlich  gleich  Null,   so  kann  man  auch  aus  der  Gleichung 

(2a.)  noch  nicht  die  Grösse  —^  berechnen;  dann  gilt  aber,  wie 

man  durch  nochmalige  Differentiation  der  Gleichung  (1.)  erkennt, 
die  Gleichung 

welche  vier  Werthe  von  •—  liefert.    Der  betrachtete  Punkt  ist 

ax 

dann  ein  vierfacher  Punkt  der  Curve,  denn  es  giebt  in  diesem 

Punkte  vier  Tangenten  an  die  vier  verschiedenen  Zweige  der 

Curve,  welche  durch  diesen  Punkt  hindurchgehen. 

In  dieser  Weise  kann  man  fortfahren  und  kommt  schliess- 
lich zu  dem  folgenden  Resultate: 

Sind  die  ri^  partiellen  Ableitungen  van  F(x,  y)  die  ersten^ 
welche  nicht  sämmtlich  verschmnden  j  so  findet  man  aas  der 
Gleichung 

n  Werthe  von  -^j  denen  n  Tangenten  in  dem  betrachteten  Punkte 

an  n  verschiedene  Zweige  der  Curve  entsprechen.     Der  Punkt 
heisst  dann  ein  n-f acher  Punkt  der  Curve. 

Beispiel. 

Es  sei 

(5.)  F{x,  y)  =  {x^  +  y2)3  _  y(y2  _  3^2)  =  0 

die  Gleichung  der  Curve,  dann  wird 

F{x,  y)  =  a;6  +  3^V  +  ^Y  +  y^  —  y^  +  ^% 
j    j;  =  6:r^  +  lary  +  6icy4  +  6:cy, 
*  *^  l    i^2  =  6^V  +  12Ä:2y3  +  6y&  —  3y2  +  Zx'^, 

i  F^^  ==  30a:*  +  36rc2y2  +  ßy*  +  ^y, 
(7.)  I  Fn  =  24a:3y  +  24a:y3  _|.  g^^ 


li^22  = 


^x^  +  36a:V  +  30y*  —  6y, 


§  122.    Spitzen  oder  Rückkehrpunkte. 
JJn  =  120^»  +  72^2,     F,,^  =  12xhf  +  24y3  +  6, 


517 


(8.)      P"^  = 

1  -^122  =  24a:3  +  ^2xy\ 

Für  a:  =  0,  y  =  0  werden 
die  6  Gleichungen 

jF=  0,      -Fl  =  0,      Ji  =  0, 

befriedigt,  folglieh  ist  der  Null- 
punkt em  dreifacher  Punkt,  in 
welchem  man  die  Sichtung  der 
drei  Tangenten  aus  Gleichung 
(2.)  findet,  indem  man 

■^111  =  0,    -F112  =  ö, 
einsetzt.    Dies  giebt 


i^222  =  72a:2y+120y3_6. 


(8  a.) 


•«S-<S)'=». 


oder,  wenn  man  die  drei  Wurzeln  dieser  Gleichung  mit  tgcci, 
tga2,  tgaj  bezeichnet, 

(9.)  tga,  =0,     tga2  =  +V3;     tga3  =  — >/3, 

(10.)  at=0^       «2  =  60^  03  =  120«. 

(Vergl.  Fig.  138.) 


§  122. 

Spitzen   oder   Rückkehrpunkte. 

(Vergl.  die  Formel-Tabelle  Nr.  149.) 

In  Formel  Nr.  147  der  Tabelle,  nämlich  in  der  Gleichung 

dx  2^2 

welche  die  Richtung  der  beiden  Tangenten  in  einem  Doppel- 
punkte lieferte,  kann  es  vorkommen,  dass 

(2.)  j;2^-j;,  1^22  =  0 

wird.     Dann  sind  die  beiden  Werthe  von  -j-  einander  gleich^ 


(10 


518  §  122.    Spitzen  oder  Rückkehrpunkte. 

d.  h.  die  beiden  Tangenten  fallen  in  eine  zusammen.  Durch 
den  betrachteten  Paukt  gehen  daher  zwei  Zweige  der  Corve, 
die  sich  gegenseitig  berühren.  Hierbei  werden  im  Allgemeinen 
die  beiden  Cnrvenzweige  nur  auf  der  einen  Seite  des  betrachteten 
Punktes  reell  sein,  während  sie  auf  der  anderen  Seite  imaginär 
werden.    Ist  z.  B. 

(3.)  y  =  sp(^)  ±  (^— ö)  VvK^ 

wobei  ^{x)  und  rp{x)  rationale  Functionen  sein  mögen,  die  für 
x^a  nicht  unendlich  gross  werden,  so  ist 

(4.)  #  =  9'{x)  ±  2V>(^)  +  {^n-). 

äx  2y\}){x) 

Aus  Gleidumg  (3.)  findet  man  andererseits  durdi  Fort- 
schafüing  des  Wurzelzeichens 

(5.)  F{x,  y)=[y-(p  (x)]^  -(x-  a)hf,  (x)  =  0, 

/ß  )   mx,y)  =  —2\ff—(p{x)]q>'(x)—2(x—a)tp(x)—ix—a)hpXx), 

\F^{x,y)=  +  2[y-q>{x)l 

(F,,  =  +  2q>'{xf  —  2[y  —  5P(ar)]5P"(a;)  -  2^t>{x) 
(7.)  )  —Hx  —  a)rf,'(x)  —  (x-a)^tp"ix), 

\Fi^  =  —  2g>'(x),    Pj2=  +  2. 

Deshalb  erhSlt  man  &t  x  =  a 
(8.)    y^9ia),    F{x,y)  =  0,    F,(x,y)=zO,    Fi(x,y)  =  0; 
(9.)    F,i  =  2g>'{ay  —  2tp{ä),    Fi^  =  —  2(p' (a),    F^=  +  2. 

Ans  den  Gleichung^  (8.)  folgt,  dass  der  Punkt  mit  den 
Coordinaten  x^a,  y  =  g)(a)  ein  Doppelpunkt  ist,  und  ans  den 
Gleichungen  (9.)  ergiebt  sidi,  dass  für  diesen  Doppelpunkt 

(10.)  tg«  =  I  =  -F..±y^^-FnF^.  =  ^,(,)  ±  yi^). 

Dasselbe  Resultat  findet  man  noch  leichter  aus  Gleichung  (4.). 

Wenn  sich  nun  der  Factor  x  —  a  von  der  Function  tfß(x) 
absondern  lässt,  so  dass  für  :r  ==  a 

(11.)  F,^^  —  F,,  i^22  =  4V^(«)  =  0 

wird,  so  fallen  die  beiden  Tangenten  im  Doppelpunkte  der  Curve 

in  eine  zusammen,  und  die  Curve  selbst  hat  in  dem  Doppelpunkte 


§  122.    Spitzen  oder  Rückkelirpunkte.  519 

eine  Spitze,   wenn   xff(x)  mit  x  —  a  zugleich  das  Vorzeichen 
wechselt.    Wird  z.  B. 

\p{x)>0  &Lr  x<a    und    ilj(x)<0  ^  x>a, 

wobei  (vom  Vorzeichen  abgesehen)  nur  hinreichend  kleine  Werthe 
von  X  —  a  in  Betracht  kommen  sollen,  so  sind  die  beiden  Werthe 

von  y  und  von  -~  nur  dann  reell,  wenn  x^a  ist;  sie  werden 

imaginär,  wemi  x>a  ist.    Wird  dagegen 

ifß(x)<0  t&r  x<a    und    ifj(x)>0  tiir  x>a, 

so  sind  die  beiden  Werthe  Y(m  y  und  von  ^  nur  dann  reell, 


wenn  x^a  ist;  sie  werden  imaginär  fm  x<a. 

Die  beiden  Curvenzweige  haben  daher  in  dem  Doppelpunkte 
dieselbe  Tangente  und  endigen  in  diesem  Punkte,  so  dass  der 
eine  Curvenzweig  als  die  Fortsetzung  des  anderen  betrachtet 
werden  muss.  Ein  solcher  Punkt  heisst  demgemäss  eine  Spitze 
oder  ein  Rückkehrpunkt  der  Curve,  und  die  zugehörige  Tangente 
heisst  Rückkehrtangente. 

Eine  Spitze  ist  gewissermassen  der  Uebergang  von  einem 
eigentlichen  Doppelpunkte  zu  einem  isolirten  Punkt«,  ebenso  wie 
eine  quadratisdie  Gleichung  mit  zwei  gleichen  Wurzehi  den 
Uebergang  bildet  von  einer  quadratischen  Gleichung  mit  zwei 
reellen  Wurzeln  zu  einer  mit  zwei  imaginären  Wurzeln. 

So  liefert  das  in  §  119  gewählte  Beispiel 

F{x,y)^y^  —  {x  —  ay{x  —  h)=^0 

einen  eigentlichen  Doppelpunkt^  wenn  a>  J,  einen  isoUrten  Punkt, 
wenn  a<b,  und  eine  Spitze,  wenn  a  =  J  ist.  In  der  That, 
dann  wird 

(12.)  F{x,  y)  =  y2  _  (^  _  af, 

(13.)  F,{x,y)  =  —  Hx-ay,    F^{x,y)  =  2y, 

(14.)  JJi=  — 6(^  — a),     J;2  =  0,     i^22  =  2, 

folglich  ist  für  ;i:  =  a,  y  =  0 

(15.)  Fix,y)^0,    F,{x,y)=:0,    F^{x,y)^0 

und 

(16.)  i^i2^--Fiii^22  =  0. 


520 


§  122.    Spitzen  oder  Rückkehrpunkte. 


Hier  kann  die  Gleichung  der  Curve  auch  in  der  Form 
(17.)  y  =  ±(x  —  ä)  Yx  —  a 

Fig.  139.  geschrieben  werden;  dies  giebt  dann 


(18.) 


dx       —  2  ^ 


a. 


und  man  erkennt,  dass  y  nur  reell 
ist,  wenn  x^a^  und  dass  far  x  =  a 
die  beiden  Tangenten  der  Curve  mit 
der  X-Axe  zusanmienfellen.  Der 
Punkt  S  mit  den  Coordinaten  a;  =  a, 
y  =  0  ist  daher  eine  Spitze  der 
Curve.    (Vergl.  Fig.  139.) 

Andere  Beispiele  für  das  Auftreten  von  Spitzen  liefern  die 
Eptcykhiden  und  HypocyMoiden  ^  ^insbesondere  die  Cardioide 
und  die  Astroide;  femer  die  Evoluten  oder  Krümmungsmittel' 
punktS'Curven, 

Gewöhnlich  wird  von  den  beiden  Zweigen  einer  Curve, 
welche  in  einer  Spitze  zusammentreffen,  der  eine  nach  oben 
concav  und  der  andere  nach  oben  convex  sein,  so  dass  die  ge- 
meinsame Tangente  ztoischen  beiden  hegt,  wie  z.  B.  bei  der 
Evolute  der  Parabel  (Fig.  106  auf  Seite  400),  der  Ellipse  (Fig. 
107  auf  Seite  401)  und  der  Hyperbel  (Fig.  108  auf  Seite  402). 
Diese  Spitzen  nennt  man  Spitzen  erster  Art.  Es  können  aber 
auch  die  beiden  Zweige,  welche  in  einer  Spitze  zusammen- 
treffen, auf  derselben  Seite  der  gemeinsamen  Tangente  liegen. 
Es  sei  z.  B. 

(19.)  y  =  x^±  x^, 

oder 

(19a.)  F{x,  y)=:y^  —  2xhf  +  a:*  —  a;^  =  0. 

Hier  wird 
(20.)  F^  {x,  y)  =  —  4rcy  +  4a;3  —  bx\     F^  {x,  y)  =  2y  —  2x\ 
(21.)  JJi  =  _  4y  +  12a;2  —  20^:^,     F^^  =  —  4a:,     F^^  =  2. 

Für  a:  =  0,  y  =  0  verschwinden  F{x^  y),  F^ (a:, y),  F>^{x^  y),- 
folglich  ist  der  Nullpunkt  ein  Doppelpunkt    Dabei  wird 


(22.) 


tg 


§  122.    Spitzen  oder  Bückkehrpunkte. 
dx  F22  ' 


521 


d.  h.  die  Tangenten  an  die  beiden  Curvenzweige  in  diesem 
Doppelpunkte  fallen  mit  der  X-Axe  zusammen.  Deshalb  hat  die 
Gurve  in  diesem  Doppelpunkte  eine  Spitze.  Dass  der  Nullpunkt 
wirklich  eine  Spitze  ist,  erkennt  man  aus  Gleichung  (19.),  weil 
y  imaginär  ist,  sobald  x  negativ  wird. 
Femer  folgt  aus  Gleichung  (19.) 


(23.) 


dy__ 
dx 


=  2x-\-  ^x^i 


5 
2 


3 


Fig.  140. 


Das  doppelte  Vorzeichen  in  den  Gleichungen  (19.)  und  (23.) 
entspricht  dem  Umstände,  dass  jedem  Werthe  von  x  zwei  Werthe 
von  y,  also  auch  zwei  Punkte  der  Curve  zugeordnet  sind. 

Im  Nullpunkte  fallen  diese 
beiden  Punkte  zusammen  und 
gleichzeitig  auch  die  beiden  Tan- 
genten. So  lange  a;  <  l  ist,  liegen 
auch  beide  Zweige  der  Curve  über 
dieser  gemeinsamen  Tangente, 
nämlich  über  der  X-Axe,  weil 
beide  Werthe  von  y  positiv  sind. 
Für  kleine  Werthe  von  x,  d.  h. 

64 
für  x<^r^  werden   sogar   beide 


225 


dh/ 


Werthe  von  -r^  positiv ,  d.  h.  beide  Zweige  der  Curve  sind  in 

der  Nähe  der  Spitze  nach  oben  concav;  erst  für 

64       .  ,   dV  15, y- 

4 


X  = 


225 


^^  S  =  2-^y^  =  o, 


d.  h.  der  untere  Curvenzweig  hat  in  dem  zugehörigen  Punkte 
einen  Wendepunkt  W,  in  dem  er  sich  von  der  Concavität  zur 
Convexität  wendet. 

Eine  solche  Spitze  nennt  man  eine  Spitze  zweiter  Art  oder 
Schnabel- Spitze.     (Vergl.  Fig.  140.) 


XV.  Abschnitt. 

Herleitnng  und  Anwendnngen  der  Taylor'schen 
Reihe  für  Functionen  Yon  mehreren 

Yeränderlichen. 

§  123. 

Die  Taylor'sche  Reihe  für  Functionen  von  melireren 

Verändeiiiclien. 

(Vergl.  die  Formel-Tabelle  Nr.  150.) 

Es  sei 

(1.)  ^  =/(^,  y) 

eine    Function    von    zwei  Veränderlichen,    dann   kann    man 
fix  +  Ä,  y  +  A)  in  ähnlicher  Weise  nach  Potenzen  von  h  und  k 
entwickln,  wie  früher  (§  30  und  31)  f{x  +  h)  nach  Potenzen 
von  Ä  entwickelt  wurde. 

Man  findet  diese  Entwickelung  sehr  leicht,  indem  man  zunächst 

ht  statt  Ä,    kt  statt  k 

schreibt  und  f{x  +  ht^y  +  kt)  nach  Potenzen  von  t  entwickelt. 
Dies  geschieht  nach  der  ilf a<;  -  Xaz^rm'schen  Beihe  in  folgender 
Weise.    Man  setze 

(2.)  x  +  kt  =  u,    y  +  kt=v,   f(u,v)  =  F(t\ 

dann  wird  nach  Formel  Nr.  51  der  Tabelle,  wenn  man  /  mit 
F  und  X  mit  t  vertauscht, 

(S.)  m^F{0)  +  ^F'iO)  +  ^r\0)  +  ...+  ^F(-m  +  E. 

Bei  der  Bildung  von  -PCO»  ^'(0>  •  •  •  ^^^^>ss  man  beachten, 
dass  für  diese  Rechnung  t  die  einzige  Veränderliche  ist,  während 
x^  y,  A,  k  constant  bleiben,  dass  also 


§  123.    Die  Taylor'sche  Rdhe.  523 

^  •''  dt  -^'  dt-" 

wird.    Dadurch  erhält  man  nach  Formel  Nr.  138  der  Tabelle 

i.i/j\      «[/(«» »)      dfdu      dfdv      df ,    ,  df  , 


(5.) 


dt  du  dt       dv  dt       du  "Sv 


-«==^=(i*+f*)' 


h-'(')=^^>=(^*+H' 


Die  Formel  Nr.  138  der  Tabelle  ist  hier  anwendbar,  weil 
M  und  V  lineare  Functionen  von  t  sind.    Fflr  <  =  0  wird 

folglich  ist 

F(Q)=f(x,y), 


(7.) 


/df{x+0ht,y+0kt)        df{x+  @ht,  y  +  Q^O  A^^+^^ 
\  öa:  "^  dy  )       ' 

Setzt  man  diese  Werthe  in  die  Gleichung  (3.)  ein,  so  er- 
hält man 

(8.)  F{t)  =/(:r  +  ht,y  +  kt)  = 


^n\\dx^^  dyV   ^      ' 


524  §  123.    Die  Taylor'sche  Reihe. 

wobei 


<»+l 


\\  dx  dy  )      ' 


Setzt  man  schliesslich  t  gleich  1,  so  geht  diese  Grleichung 
über  in 

(/(.+*,j,+i)-/(..y)4{^4+|*)+^^4+|i)°'+... 

wobei 

^     '^  (»+!)!  V  dx  dy  )      ' 

In  den  vorstehenden  Gleichungen  ist  wieder  von  der  symboli- 
schen Bezeichnnngsweise  Gebrauch  gemacht,  nach  welcher  z.B. 

(10.)  {  Vö^     +  dy  V  ^dx^^  +  ^dxdy^^  +  öj^^  ^ 
l  =  /ii  (^5  y)Ä2  +  2/i2(a:,  y)ÄÄ  +/22 (a:,  y)*^ 

wird.    Die  Grösse  0  liegt  dabei  immer  zwischen  0  und  +  1. 

Diese  Art  der  Entwickelung  lässt  sich  ohne  Weiteres  auf 
Functionen  von  drei  oder  von  mehr  Veränderlichen  übertragen. 
So  ist  z.  B. 

Aus  der  Tay/or'schen  Reihe  für  Functionen  mit  mehreren 
Veränderlichen  lässt  sich  dann  auch  die  Mac-Laurtn'scäe  Reihe 
herleiten.  So  braucht  man  z.  B.  bei  Functionen  mit  drei  Ver- 
änderlichen nur 


§  124«    Homogene  Functionen.  525 

x  =  0,     y  =  0,     z:=  0 

ZU  setzen  und  dann 

X  statt  Ä,    y  statt  i^    z  statt  / 

zu  schreiben,  um  die  Function  nach  steigenden  Potenzen  von 
X,  y  und  z  zu  entwickehi. 

§  124. 

Homogene  Functionen. 

(Vergl.  die  Fonnel-TabeUe  Nr.  151.) 
Eine  Ikinction 

(1.)  z  =/(iri,  a:2, .  . .  Xfi) 

mit  n  Veränderlichen  x^,  X2j  . , .  Xn  heisst  eine  homogene  fUnction 
jj^ten  Grades^  wenn  sie  sich  durch  Multiplicaiian  der  sämmüichen 
Veränderlichen  mit  ein  und  demselben  Factor  t  in  sich  selbst  ver- 
wandelt^ multiplicirt  mit  der  m*^*  Potenz  dieses  Factors, 

Eine  homogene  Funtion   m*^  Grades  wird   daher  erklärt 
durch  die  Gleichung 

(2.)  f(tx^j  tX2,  ...  ton)  =  ^/(^i,  X2,...  Xn). 

So  ist  z.  B. 

f{x,  y,  z)  =  x^  —  2xh/  +  4y2j2  —  7xyz 
eine  homogene  Function  dritten  Grades  von  x,  y,  z; 

z^       2x^  +  z^ 

/(^j  yj  z)  =  x^  +  Sxy  +  — -i— 

X  y 

und 

yx^  —  «2 
sind  homogene  Functionen  zweiten  Grades  von  x,  y^  z; 

-,  V X  +  y  y  +  g      ,      z  +  X 

ist  eine  homogene  Function  nullten  Grades  von  x,  y,  z, 

Satz  1.     Dividirt  man  eine  homogene  Function  m****  Grades 
durch  die  m^  Potenz  einer  ihrer  Veränderlichen  j  z.  B.  durch 


526  §  124.    Homogene  Funcüoiien. 

iCn"*,  so  wird  der  Quotient  nur  von  den  n  —  1  Verhältnissen  der 
übrigen  Veränderlichen  zu  dieser  einen  abhängen  ^  d.  h.  der 
Quotient  ist  noch  eine  Function  von  n  —  1  Veränderlichen 

X^       X>2  Xn—l 

9  >  •  •  • 

Xn      Xn  Xn 

Beweis.    Nach  Voraussetzung  ist 
setzt  man  in  dieser  Gleichung  t  =  —  ?  so  erhält  man 

(^\  f(Xx,X2^..'Xn-uXn)  __  ^/fl. ,  ^,...£^,l\ 

Xn  \^n     ^n  ^n  / 

Satz  2.  Aus  einer  nicht  homogenen  Rcnction  mit  n  —  1 
Veränderlichen  €p(u^,  t^,»..  Wn— i)  kann  man  eine  homogene 
Function  m*^  Chrades  mit  n  Veränderlichen  machen^  indem  man 

X\  X^  Xn — 1 

U^  =  -^J    ^2  =  -^?  •  •  •  Un^l  =  

Xn  Xn  Xn 

setzt  und  die  Function  mit  Xn^  multiplicirt. 

Beweis.    Vertauscht  man  in 

Xi  mit  tx^y  X2  mit  tx2,...xn  mit  txn,  so  geht  Gleichung  (4.) 
über  in 

t^Xn'^g)(^i  ^'  •  •  '^  )  =/(^^l>  ^2J  •  •  --^»X 
\Xn      Xn  Xn  / 

folglich  wird 

f(tX^,  tX2,  .  .  .  tXn)  =  ^/(^l,  iC2,  .  .  .  a^n). 

Dabei  ist  der  Grad  m  noch  beliebig.  Man  kaun  diesen 
Satz  benutzen;  um  Gleichungen  zwischen  x,  y  oder  zwischen 
X,  y,  z  homogen  zu  machen,  wodurch  ihre  Behandlung  für 
viele  Zwecke  bequemer  wird.    Ist  z.  B.  dje  Gleichung 

(5.)       011^:2  +  2ai2xy  +  a^^y^  +  2aizx  +  2a23y  +  033  =  0 

gegeben,  so  setze  man 

X4  Xo 

X  =  -^?     y  =  — =• 
x^  ^3 


\ 


§  124,    Homogene  Functionen.  527 

und  multiplicire  mit  a^\     Dadurch  erhält  man  eine  homogene 

Gleichung  zweiten  Grades  mit  drei  Veränderlichen  aj^,  arj,  x^^ 

nämlich 

(6.)  aiia:i2+2ai2a:irc2+ö22a?2^+2ai3a^i  2:3+20235:23:8+0882^8^  =  0. 

Indem  man 

x^  =  1,     also     a:i  =  a:,     X2  =  f/ 

setzt,  kann  man  dann  jederzeit  von  den  homogenen  Gleichungen 
zu  den  nicht  homogenen  zurückkehren. 

Satz  3.  Die  ersten  partiellen  Ableitungen  einer  homogenen 
Function  m*^*^  Grades  sind  sämmtlich  homogene  Functionen 
(m  — iy*~  Grades. 

Beweis.    Bezeichnet  man,  wie  gewöhnlich, 

so  folgt  aus  der  Voraussetzung,  nämlich  aus  der  Gleichung 
durch  partielle  Differentiation  nach  xa 

JaytXij  tX2j  •  .  •  *Xn)  •  t  =  ^ja\X\^  X^j  •  •  •  Xnjy 

oder 

(7.)  fa  (^Ij  iX2,...  tXn)  =  t^'^fa(x^i  X^,  .  .  .  Xn), 

d.  h.  fa(x^,x2,...xn)  ist  eine  homogene  Function  (m — !)*•" 
Grades,  wobei  a  die  Werthe  1,  2, . . .  n  haben  dar£ 

In  derselben  Weise  kann  man  zeigen,  dass  jede  zweite 
partielle  Ableitung  von  einer  homogenen  Function  m^*^  Grades 
eine  homogene  Function  (m  —  2)*«'*  Grades,  allgemein,  dass  jede 
partielle  Ableitung  r*«"»  Grades  eine  homogene  Function  {m — r)**"* 
Grades  ist. 

Setzt  man 

(8.)  toj  =  Wi,       tX2  =  U2,..,tXn  =  fhi, 

SO  geht  die  Gleichung  (2.)  über  in 


528 


§  124.    Homogene  Functionen. 


Differentiirt  man  diese  Grleichung,  indem  man  ^  als  die  ein- 
zige Veränderliche  ansieht,  so  erhält  man  nach  Fonnel  Nr.  138 
der  Tabelle 

oder  für  ^  =  1 

y  1  (^1 J  -^2^  •  •  •  ^n)  •  ^1  4"  y  2  V*^!  J  ^2j  •  •  '  •^♦*/  •  ^2  "T"  •  •  • 

Dies  kann  man  noch  einfacher  schreiben,  indem  man 
setzt;  dann  erhält  man  nämlich 


(10.) 


dz  ,       dz  dz  __ 


Beispiel. 

Es  sei 

(11.)  2=  aixX^*^+2a^2XiX2+(H2X2'^+2axzXiXz-\-2a2zX^xz+azzXz\ 
und 

dann  findet  man 


(12.) 


oz       ^,  ,  ,  . 

-^—  =  2(aiia;i  +  «12^:2  +  «13^:3), 

ÖXi 


dz 


^—  =  2{a2\Xi  +  a225;2  +  «23^3)? 
öx^ 


1x2 
dz 


(13.)  l 


-^  =  2(a3ia;i  +  «32^2  +  «33^3); 


X\  TT-  +  X2  -5—  +  0:3  -ä^  =  2X\(axxX\  +  «123^2  +  <^nXz) 


dxx 


dxi 


dx: 


+  2X2(021X1  +  «22^2  +  023^3) 
+  2^:3  («31^1  +  032^^2  +  033^3) 

=  2z. 


\ 


§  124.    Homogene  Functioiien.  529 

Wenn  man  beachtet ,  dass  3—  >  s—  ?  •  •  •  5—  wieder  homo- 

OX^      0X2  äXn 

gene  Functionen  (m  —  l)*«'  Ordnung  sind,  so  folgt  aus  Gleichung 

dz 
(10.),  indem  man  z  mit  -5—  und  m  mit  m —  1  vertauscht, 

OXa 

Ö2^  Ö2;j  _^?5_-/  IN   Ö^ 

^^Ö^Tö^  "^""^^  +  . . .  +  ^n-g^^  -  (m— 1;^, 

Ö2;2:        ,  dh        ^  .02^/  .X    ^r 

Multiplicirt  man  diese  Gleichungen  bezw.  mit  x^^  x^^ .  ..Xn 
und  addirt  sie,  so  erhält  man  unter  Anwendung  der  symbolischen 
Bezeichnungsweise  und  mit  Rücksicht  auf  Gleichung  (10.) 

In  dieser  Weise  kann  man  fortfahren  und  findet 

{lb.)\x^-^  +^2g^+---+^ng£j    =?m(7»— l)...(m  — r+l);?. 

Durch  diese  Formeln  kann  man  die  Gleichung  der  Tangente 
einer  ebenen  Curve  und  die  Gleichung  der  Tangentialebene  einer 
Fläche  vereinfachen. 

Es  sei  z.  B. 

(16.)  y^fix\    oder    i^a:,y)  =  0 

die  Gleichung  einer  Curve  »****  Grades,  so  erhält  man  nach 
Formel  Nr.  95  der  Tabelle  für  die  Tangente  die  Gleichung 

oder 

(17.)  F,{x,y){x*  -x)  +  F2{x,y){y'  -y)^(i. 

Macht  man  jetzt  aber  die  Gleichungen  (16.)  und  (17.) 
homogen,  indem  man 

Stegemann -Kiepert,  Differential  -  Bechnnng.  *^ 


530  §  124.    Homogene  Functionen. 

^      '  ^  ^  ^  ^ 

setzt  und  beide  Gleichungen  mk  x^^  multiplicirt,  so  gehen  die- 
selben über  in 

(19.)  ^"^~-'  ^)  =  ^(^i'  ^^'  ^)  =  ^' 

(20.)  (?i  (ar'i  —  rrO  +  Q^  {x\  —  x^  =  0. 

Nun  ist  aber  nach  Grleichung  (10.) 
(21.)  ffj  ÄTi  +  »2^  +  G^3^3  =  nO(x^,  X2,  x^)  =  0, 

folglich  erhält  man  durch  Addition  der  Gleichungen  (20.)  und 
(21.)  für  die  Tangente  die  Gleichung 

(22.)  G^X\  +  G2«'2  +  »3^3  =  0. 

Indem  man  zum  Schlüsse 

x^  =  1,    also    xi  =  Xj  X2  =  y,  x\  =  a;',  ic'2  =  y* 
setzt,  gehen 

»(arijiCj,  a^a),  G^,  G^ 

bezw.  in 

l^(a:,  y),  J;,  2^2 

über.  Diese  Form  für  die  Gleichung  der  Tangente  ist  ein£a^her 
als  die  bisher  benutzte,  denn  die  Gleichung  (17.)  ist  in  Bezug 
auf  X  und  y  vom  n*^  Grade,  während  die  Gleichung  (22.)  nur 
vom  {n  —  1)^^  Grade  ist. 

Beispiel. 

Macht  man  die  Gleichung  der  Ellipse   homogen,   so   er- 
hält man 
(23.)  G{x^,  X2J  x^)  =  b^x^^  +  a^x<^  —  a^b^x^^  =  0, 

folglich  wird 

(24.)         (?i  =  ib^x^ ,     (?2  =  2a^ ,     G3  =  —  ^a^b'^x^ , 

so  dass  man  fär  die  Tangente  die  Gleichung 

(25.)  b^x^x\  +  a^x^x^  —  aVflx^^  =  0 

findet,  die  für  a^  =  1  in 

(25  a.)  b'^xx'  +  ahfyt  —  a^b^  =  0 

übergeht. 


§  124.    Homogene  Functionen.  531 

Man  erkennt,  dass  das  hier  allgemein  erläuterte  Verfahren 
bei  den  in  §  81  behandelten  Aufgaben  bereits  Anwendung  ge- 
funden hat. 

Ist 

(26.)  F{x,y,z)^0 

die  Gleichung  einer  Fläche  n*^  Grades,  so  hat  nach  Formel 
Nr.  145  die  Tangentialebene  im  Flächenpunkte  P  die  Gleichung 

(27.)  F, {x'  —  x)-\-  F^iy^  —y)  +  F,(z^  —  z)  =  0. 

Macht  man  die  Gleichungen  (26.)  und  (27.)  homogen, 
indem  man 

Xa  Xn  Ä?q  -  X*4  ,  X*ci  ,  X\ 

x^    "^       x^  x^  x^     ""         x^  x^ 

setzt  und  beide  Gleichungen  mit  x^"^  multiplicirt ,  so  gehen  die- 
selben über  in 

(26a.)         x,^f(%  %  J)  =  G{x,, x^, x,, ^4)  =  0, 

(27a.)    Gl {x\  —  x^)  +  G^ {x^^  —  x^)  +  G^(x'^  —  x^)  =  0. 

Nun  ist  aber  nach  Gleichung  (10.) 

(28.)  G^x^  +  G2X2  +  G^x^  +  G^x^  =  nG{x^,  X2,  x^,  x^)  =  0, 

folglich  erhält  man  durch  Addition  der  Gleichungen  (27  a.)  und 
(28.)  für  die  Tangentialebene  die  Gleichung 

(29.)  G^x\  +  G^x\  +  G^x\  -f  G^x^  =  0. 

Indem  man  zum  Schlüsse 

x^  =  1,     also     a?!  =  :r,  a:2  =  y,  ^«^  =  «, 

x\  =  a;',  x\  =  y',  x\  =  z* 

setzt,  gehen 

bezw»  in 

F{x,  y,  z\  F^,  F^,  F3 

über.    Diese  Form  für  die  Gleichung  der  Tangentialebene  ist 

einfacher  als  die  bisher  benutzte,  denn  die  Gleichung  (27.)  ist 

in  Bezug  auf  a:,  y,  z  vom  rf^  Grade,  während  die  Gleichung 

(29.)  nur  noch  vom  (n  —  l)*««*  Grade  ist. 

34* 


532  §  125.    Maxima  und  Minima. 

Beispiel. 

Macht  man  die  Gleichung  des  Ellipsoids 

f!  +  y!  +  £!_i  =  o 

«2  -t-  j2  -1-  ^2       ^      " 


2         ^2         ^«2 


homogen  ,  so  erhält  man 

(30.)       0{x,,x^,x,,x,)  =  ^  +  y  +  ^- V  =  0, 
folglich  wird 

(31.)       Gi  =  5-.     Ö2  =  ^'     ©3  =  ^    G,  =  -2x„ 
SO  dass  man  für  die  Tangentialebene  die  Gleichung 
(32.)  f^  +  ?^+^_.,2  =  o 

findet,  die  für  3:4  =  1  in 

xx'      vv*      zz* 

Übergeht. 

Man  erkennt,   dass  auch  diese  Vereinfachung  bereits   in 
§116  zur  Anwendung  gekommen  ist. 

§  125. 

Maxima  und  Minima  der  Functionen  von  zwei 

Verändeiiichen. 

(Vergl.  die  Formel -Tabelle  Nr.  152.) 

Es  sei 

(1.)  ^  =/(^,  y) 

eine  stetige  Function  der  beiden  von  einander  unabhängigen 
Veränderlichen  x  und  y;  man  nennt  dann  z  ein  Maximum^  wenn 

wird  fttr  hinreichend  kleine,  im  üebrigen  aber  beliebige,  positive 
oder  negative  Werthe  von  h  und  k.  Dagegen  nennt  man  z  ein 
Minimum^  wenn 

wird.  Um  die  Werthe  von  x  und  y  zu  bestunmen,  für  welche 
z  ein  Maximum  oder  Minimum  wird,  muss  man  also  untersuchen, 
für  welche  Werthe  von  x  und  y  die  Differenz 


§  125.    Maxima  und  Minima.  533 

(2.)  J  =f{x  +  Ä,  y  +  *)  — /(^,  y) 

beständig  negatk^  bezw.  beständig  positiv  ist. 

Zu  diesem  Zwecke  entwickelt  man  //  mit  Hülfe  des  Taylor'- 
sehen  Lehrsatzes  nach  steigenden  Potenzen  von  h  und  *,  wobei 
vorausgesetzt  wird ,  dass  f{x,  y)  und  die  vorkommenden  Ablei- 
tungen davon  für  die  betrachteten  Werthe  von  a:  und  y  stetig 
und  endlich  sind.  Dann  erhält  man  nach  Formel  Nr.  150  der 
Tabelle. 

(3.)     /(^  +  Ä,  y  +  *)=/(^,y)+(§^Ä  +  ^A)+Ä, 
wobei 

(4.)  Ä  =  2TV di  ^  9^  / 

mit  h  und  k  zugleich  unendlich  klein  wird  von  der  zweiten 
Ordnung  und  deshalb  mit  [A,  k\  bezeichnet  werden  möge.  Aus 
Gleichung  (3.)  folgt  daher 

(5.)  ^  =/iÄ  +/2A  +  [h,  k\. 

Ist  /i  von  Null  verschieden,  so  kann  man  A  =  0  und  h  so 
klein  machen,  dass  die  Glieder  der  zweiten  Dimension  [ä,  ÄJ2 
ihrem  absoluten  Betrage  nach  kleiner  werden  als/jA,  so  dass  J 
dasselbe  Vorzeichen  hat  wie  fxh.  Deshalb  wechselt  aber  J  mit 
h  zugleich  das  Zeichen,  ist  also  weder  beständig  negativ y  noch 
beständig  positiv.  Daraus  folgt,  dass  f(x,  y)  nur  dann  ein  Maxi- 
mum oder  MiniTTfinTTi  werden  kann,  wenn 

(6.)  /i  ix,  y)  =  0 

ist.  Die  Nothwendigkeit  dieser  Bedingung  erkennt  man  schon 
daraus,  dass  f{x,  y)  ein  Maximum  bezw.  ein  Minimum  bleiben 
muss,  wenn  man  y  als  unveränderlich,  also  :r  als  die  einzige  Ver- 
änderliche betrachtet.  Wie  nun  f{x)  nur  flir  Werthe  von  x  ein 
Maximum  oder  Minimum  werden  konnte,  für  welche  f'{x)  =  0 
wurde  (vergl.  Formel  Nr.  79  der  Tabelle),  so  kann  hier/(a:,  y) 
nur  für  Werthe  von  x  und  y  ein  Maximum  oder  Minimum 
werden,  flir  welche  die  Gleichung  (6.)  befriedigt  ist. 

Ebenso  kann  man  jetzt  aber  auch  zeigen,  dass 

(7.)  /2(^,y)  =  o 


534  §  125.    Maxima  und  Minima. 

sein  muss.  Aus  den  Gleichungen  (6.)  und  (7.)  findet  man  dann 
die  Werthe  von  x  und  y,  fär  welche  möglicher  Weise  ein 
Maximum  oder  Minimum  von/(a:,  y)  eintritt. 

Ob  für  die  so  geftmdenen  Werthepaare  von  x  und  y  wirk- 
lich ein  Maximum  oder  MiniTnimri  eintritt,  darüber  entscheidet 
in  vielen  Fällen  schon  der  Charakter  der  Angabe,  wie  das  fol- 
gende Beispiel  zeigen  möge. 

Aufgabe.  In  der  Ebene  seien  beliebig  viele  Punkte  Pi, 
P2?  •  •  •  -Pn  mit  den  Coordinaten  x^^y^\  x^^y^\>..  iCn,  y^  gegeben; 
ihre  Massen  seien  bezw.  Jfi,  Mi^  ^ .  ,Mn\  man  soll  die  Coordinaten 
eines  Punktes  P  finden,  so  dass  die  Summe 


M^  .  PP^     +  Jf  2  .  PP2    +  .     .  +  Jf  „  .  PPn 

ein  Minimum  wird. 


(8.)  |/(^'y)=^iK- 

also 

l/2(^,y)  =  2J/,(y-yO 


Auflösung.     Hier  ist  die  Function,   welche  ein  Minimum 
werden  soU, 

+  3f„[(^  — ^n)2  +  (y  — yn)2], 
also 

+  23/20-^2)  +  ...  + 2itfn(y—yn). 

Indem  man 

/i(^,y)  =  0    und  /2(^,y)  =  0 
setzt,  findet  man 

(!() )  ,    ""  ""  ü/i  +  3^2  +  .  .  .  +  ^n         ' 

Jfiyi  +  M^y^  +  . . .  +  Mnyn 
y  M^  +  M^^-  ...  +  Mn 

Da  bei  dieser  Angabe  sicher  ein  Punkt  vorhanden  ist, 
welcher  die  Eigenschaft  des  Minimums  besitzt,  und  da  man  nur 
ein  einziges  Werthepaar  von  x  und  y  findet,  fär  welches  die 
beiden  nothwendigen  Bedingungen  erAillt  sind,  so  muss  dieses 
Werthepaar  das  Minimum  liefern. 


§  125.    Maxima  und  Minima.  535 

So  einfach  ist  aber  die  Entscheidung  im  Allgemeinen  nicht. 
Dagegen  findet  man  für  alle  Fälle  die  folgenden  Regeln. 

Sind  die  Bedingungsgleichnngen  (6.)  und  (7.)  befriedigt,  so 
findet  man  durch  die  Entwickelung  nach  der  Tayfor'schen  Reihe 

(11.)  ^  =  ^  (/iiÄ2  +  2/i2M  +/22*2)  +  [Ä,  kl, 

wobei  der  Rest 

n2^  E^  1  /df(x+0A,y+@k)^      df{x+0h,y+0k) ^\') 
^     '^  3!  \  dx  dy  ) 

mit  [Ä,  ÄJ3  bezeichnet  worden  ist,  weil  er  mit  h  und  k  zugleich 
unendlich  kleiu  von  der  dnttm  Ordnung  wird.    Setzt  man 

(13.)  /u  Ä2  +  2/12  hk  +  /22  ^2  =  9)  (Ä,  k) , 

so  ist  die  Entscheidung  darüber,  ob  f{x,  y)  für  die  gefundenen 
Werthe  von  x  und  y  ein  Maximum  oder  Minimum  wird,  darauf 
zurückgeführt,  ob  die  homogene  Function  zweiten  Grades  9>{h,k) 
beständig  negativ^  oder  ob  sie  beständig  positiv  ist.  Wenn  näm- 
lich y(Ä,  k)  beständig  positiv  oder  beständig  negativ  ist,  so  kann 
man  die  Werthe  von  h  und  k  so  kleiu  machen,  dass  in  dem 
Ausdrucke  für  //  die  Summe  der  Glieder  zweiter  Dimension, 
d.  h.  iy(^>*)>  grösser  ist  als  die  Summe  der  Glieder  dritter 
Dimension  [A,  k\.  Ist  also  (p  (h,  k)  beständig  negativ,  so  ist  dann 
auch  J  beständig  negativ,  und  f(x,  y)  wird  ein  Maximum-,  ist 
dagegen  (p{h,k)  beständig  positiv^  so  ist  auch  //  flir  hinreichend 
kleine  Werthe  von  h  und  k  beständig  positiv,  und  f(x,  y)  wird 
ein  Minimum.  Kann  aber  <p{h,k)  positive  und  negative  W&r^% 
annehmen,  so  wird  f{x,  y)  weder  ein  Maximum  noch  ein  Minimum. 

Die  homogene  Function  zweiten  Grades  (p{h,k)  heisst  eine 
deßnite  Form,  wenn  sie  für  alle  Werthe  von  h  und  k,  die  nicht 
beide  gleich  Null  sind,  entweder  beständig  positiv  oder  beständig 
negativ  ist. 

Um  darüber  zu  entscheiden,  ob  (p{h,k)  eine  deßnite  Form 
ist,  bilde  man 

ip{h,k)  ./h  -=  f ii'' h'^  +  2fn  f, , Ak +f, 2^ k^  +  (/nf 22  -/i22)/t2; 
dies  giebt 

(14.)         9)(Ä,  k)  =  i-  [(/,,Ä  +fnky  +  (/n/22  -AüWl- 


586  §  125.    Maxima  und  Minima. 

Damit  dieser  Ausdnick  für  ^  =  0  positiv  ist,  muss  zunächst 
(15.)  /ii  >  0 

sein;  damit  femer  gt(h^  k)  auch  positiv  ist,  wenn  man 

/iiÄ+/i2*==0,     oder    *  =  — 4^ 

setzt,  muss  ausserdem 

(16.)  /11/22— /i22>0 

seiQ.  Diese  beiden  Bedingungen  (15.)  und  (16.)  sind  nothwendig, 
sie  sind  aber  auch  hinreichend  \  denn  wie  man  auch  h  und  k 
bestimmen  mag,  9)(A,  k)  ist  dann  immer  positiv^  so  lange  h  und 
k  nicht  beide  gleich  Null  sind.  In  diesem  Falle  wird  f{x^  y) 
ein  Minimum.  Ebenso  findet  man,  dass  9>{h,k)  beständig  ne- 
gativ ist,  wenn 

(17.)  /u<0    und  /ii/22— /i22>0 

ist,  und  zwar  sind  auch  hier  dies  die  nothtoendigen  und  hifi- 
reichenden  Bedingungen.  In  diesem  FaUe  wird  f{x^y)  ein 
Minimum, 

Ist  dagegen 
(18.)  /ii/22  — /i22<  0, 

so  ist  9>(h,k)  keine  deßnüe  Form,  JXnä  f(x,g)  wird  weder  ein 
Maximum   noch   ein   Minimum,    denn   for   A;  =  0   hat   g>{h,k) 

gleiches  Vorzeich«!  mit  /n,  fiir  A  =  — -^^  aber  sind  die  Vor- 

/12 

zeichen  von  9{h,k)  und/n  ungleich. 

Ist  endlich 
(19.)  /ii/22— /i22  =  0, 

so  wird  nach  Gleichung  (14.) 

(20.)  y  (Ä,  A)  =  i-  (/iiÄ  +fi2ky 

immer  dasselbe  Vorzeichen  haben  wie/n;  nur  in  dem  Falle,  wo 

(21.)  /iiÄ+/i2/fe  =  0,     oder     k=z—^ 

/12 

ist,  wird  ^{h,k)  =  0  und  kann   deshalb  nicht  mehr  über  das 

Vorzeichen  von  J  entscheiden.    Für  diesen  besonderen  Werth 


§  125.    Maxima  und  Minima.  537 

von  k  muss  also  noch  das  Vorzeichen  von  J  untersucht  werden, 
indem  man 

J^f(x  +  h,y  -f^-f{x,  y) 

nach  steigenden  Potenzen  von  h  entwickelt.  Da  man  es  hierbei 
nur  mit  einer  einzigen  Veränderlichen  h  zu  thun  hat,  so  ist 
diese  Entwickelung  verhältnissmässig  einfach  und  beginnt  mit 

denn  unter  den  gemachten  Voraussetzungen  verschwinden  die 
Glieder  erster  und  zweiter  Dimension. 

Der  weitere  Verlauf  der  Untersuchung  ist  dann  in  ähnlicher 
Weise  zu  fuhren  wie  bei  Functionen  mit  einer  Veränderlichen. 
Ist  nämlich  C^<0,  so  wechselt  J  mit  h  das  Vorzeichen,  so 
dass  weder  ein  Maximum  noch  ein  Minimum  eintreten  kann, 
Ist  aber  (7=0,  so  tritt  ein  Minimum  ein,  wenn  /u  und  B 
beide  positiv  sind,  ein  Maximum^  wenn  fn  und  D  beide  negativ 
sind.  Haben  aber/n  und  D  verschiedenes  Vorzeichen,  so  tritt 
weder  ein  Maximum  noch  ein  Minimum  ein. 

Ist  endlich  auch  D  gleich  Null,  so  muss  man  in  ähnlicher 
Weise  die  folgenden  Glieder  der  Reihenentwickelung  untersuchen. 

Die  vorstehenden  Umformungen  sind  unter  der  Voraus- 
setzung durchgeführt  worden,  dass  /n  <  0  ist.  Fällt  diese  Vor- 
aussetzung fort,  so  wird  im  Allgemeinen  weder  ein  Maximum 
noch  ein  Minimum  eintreten. 

Ist  nämlich 
(22.)  /ii  =  0,   /laSO,    /22<0, 

so  wird 

i  (p{h,k)^2fnhk+f^2k^ 
(23.)  \  1  , 

l  /22 

Für  Ä  =  0  hat  daher  y  (A,  k)  mit  f^  gleiches  Vorzeichen 

fiir  Ä  =  — "~—  dagegen  sind  die  Vorzeichen  von  9>(hj  k)  und 
yi2 

^22  ungleich. 


538  §  125.    Maxima  und  Minima. 

Ist  ferner 

(24.)  /n  =  0,    /,2§0,    /22  =  0, 

SO  wechselt 

(25.)  (p{h,k)  —  2fnhk 

mit  h  (und  ebenso  mit  k)  das  Vorzeichen.  Wenn  also  die  Vor- 
aussetzungen (22.)  oder  (24.)  gelten,  kann  weder  ein  Maximum 
noch  ein  Minimum  eintreten. 

Der  Fall  . 

(26.)  /uSO,     /i2  =  0,     /22=0,    ' 

giebt 

/11/22  — /i22  =  0 

und  ist  schon  oben  ausführlich  behandelt  worden. 

In  ähnlicher  Weise,  indem  man  nämlich  die  Indices  1  und 
2  mit  einander  vertauscht,  kann  man  den  Fall 

(27.)  /ii  =  0,    /i2  =  0,    /22SO 

untersuchen. 

Es  bleibt  daher  nur  noch  der  Fall  übrig,  wo 

(28.)  /l1  =  0,     /l2=0,     /22  =  0 

ist    Dann  wird 

oder 

(29.)  6^  =/,iiÄ3  +  3/112*2*  +  3/mAA2  +f^k^  +  6[Ä, k]^. 
Damit  J  beständig  dasselbe  Vorzeichen  hat,  muss  zunächst 

(30.)  /lll  =  0,     /il2=0,     /i22  =  0,     /222  =  0 

sein.  Sind  diese  4  Bedingungen  nicht  aUe  erfüllt,  so  tritt  also 
weder  ein  Maximum  noch  ein  Minimum  ein. 

Sind  sie  aber  erfüllt,  so  muss  man  noch  untersuchen,  ob 

(-J-  *  +  -^  *)  beständig  dasselbe  Vorzeichen  hat.   Diese  Unter-        - 

suchung,  die  übrigens  nur  in  äusserst  seltenen  Fällen  erforder- 
lich sein  wird,  ist  so  schwierig,  dass  sie  hier  übergangen 
werden  muss. 

Im  Allgemeinen  wird  man  schon  mit  der  folgenden  Regel 
auskommen: 


■\ 


§  126.    Geometrische  Deutung.  539 

z  =^f{x^  y)  wird  ein  Minimum^  wenn 

(3iO/i(^,y)  =  o,  /2(^,y)  =  o,  /ii>o,  /11/22  — /is^  >  o ; 

und  z  '=-f{x^  y)  wird  ein  Maximum^  wenn 

(32.)/i(^,y)  =  0,  /2(^,y)  =  0,   /ii<0,   /11/22— /i22>0; 

dagegen  wird  z  =zf{x^  y)  weder  ein  Maximum  noch  ein  Minimum, 
wenn  zwar 

(33.)  /i  (x,  y)  =  0,    /2  {x,  y)  =  0,     aber   f,,f^^  — /la^  <  0. 

Die  Voraussetzungen,  dass  f{x,  y)  mit  den  hier  auftretenden 
partiellen  Ableitungen  stetig' mA  endlich  sei,  hätte  man  noch 
etwas  einschränken  können,  indem  man  für  den  Eest  der 
Tay/oj^'schen  Eeihe  (in  ähnlicher  Weise  wie  bei  den  Functionen 
von  einer  Veränderlichen)  eine  andere  Form  eingeführt  hätte. 


§  126. 

Geometrische  Deutung  der  vorhergehenden  Unter- 
suchungen.^) 

Die  vorstehenden  Untersuchungen  werden  anschaulich,  wenn 
man 

(1-)  ^  =/(^j  y) 

als  Gleichung  einer  Fläche  aufifasst.  Nach  Formel  Nr.  145  der 
Tabelle  hat  dann  die  Tangentialebene  im  Flächenpunkte  P  mit 
den  Coordinaten  x,  y,  z  die  Gleichung 

(2.)  ,^_^=:^(;,'_^)  +  |(y'_y). 

Sind  nun  die  Bedingungen 
erfallt,  so  reducirt  sich  die  Gleichung  (2.)  auf 

(4.)  z*  —  z  =  ^, 


^)  Der  Leser,  welcher  mit  der  analytischen  Geometrie  des  Baumes 
noch  nicht  vertraut  ist,  kann  diesen  Paragraphen  überschlagen,  ohne 
dass  der  Zusammenhang  gestört  wird. 


540  §  126.    G^metrische  Deutong. 

cL  h.  die  Tangefdialebene  im  Punkte  P  wird  parallel  zur  X  Y- 
Ebene.    Setzt  man  jetzt  noch 

(5.)  ar'  =ss  a:  +  Ä,     y*  =iy  +  k^     also     Ä  =  ar'  —  x,    k  =  y*  —  y, 

SO  kann  man  die  Gleichung  der  Fläche  auf  die  Form 

(6.)  ^  =/(^',  yO  =  ^  + 1  (/ii*'  +  2/12M  +/«F)  +  [Ä,  k\ 

bringen.  Deshalb  wird  z*  —  z  mit  h  und  k  zugleich  unendlich 
klein  von  der  zweiten  Ordnung.  Sind  nun  h  und  k  wirklich 
beliebig  klein  und  so  bestimmt,  dass  z*  —  z  einen  constanten 
Weiüh  /  beibehält,  so  ist 

(7.)  '  z'—z  =  l 

die  Gleichung  einer  Ebene,  welche  der  Tangentialebene  im  Punkte 
P  parallel  ist  und  ihr  beliebig  nahe  liegt.  Für  den  Durch- 
schnitt dieser  Ebene  mit  der  Mäche  findet  man  aus  Gleichung 
(6.),  unter  Vernachlässigung  der  beliebig  kleinen  Grössen  dritter 
Ordnung, 
(8.)  /iiA2  +  2/ioA>fe  +/22*2  =  2/, 

oder 

(8a.)  /li  {a^  —  xf  +  2/12  {x'  —  x){y'—  y)  +/22  (y'  —  y)^  =  2/. 

Diese  Gleichung  stellt  einen  kleinen  Kegelschnitt  dar, 
welcher  die  dem  Flächenpunkte  P  entsprechende  „Lidicatrix"^ 
genannt  wird;  und  zwar  ist  bekanntlich  die  Curve  eine  Ellipse, 
wenn 

(9.)  /11/22— /i22>0 

wird.  Damit  aber  diese  Ellipse  reell  ist,  müssen  fn  (und  ebenso 
/22)  mit  /  gleiches  Zeichen  haben. 

Dies  entspricht  ganz  und  gar  der  Anschauung.  Ist  näm- 
lich der  Punkt  ein  tiefster  Punkt,  dann  muss  in  Gleichung  (7.) 
die  Grösse  /  einen  positiven  Werth  haben,  weil  die  Tangential- 
ebene nur  bei  einer  kleinen  Parallelverschiebui^  nach  oben  die 
Fläche  in  einer  kleinen  ellipsenartigen  Curve  schneiden  kann, 
d.  h.  es  müssen  die  Bedingungen 

(10.)  /ii>0    und  /,i/22  — /122  >  0 

befriedigt  sein. 


§  126.    Geometrische  Deutung.  541 

Ist  der  Punkt  P  ein  höchster  Punkt,  so  muss  in  Gleichung 
(7.)  die  Grösse  /  einen  negativen  Werth  haben,  weil  die  Tangen- 
tialebene nur  bei  einer  kleinen  Parallelverschiebung  nach  unten 
die  Fläche  in  einer  kleinen  ellipsenartigen  Curve  schneiden  kann, 
d.  h.  es  müssen  die  Bedingungen 

(11.)  /u<0    und  /11/22— /i22>0 

befriedigt  werden.    In  beiden  Fällen  nennt  man  den  Punkt  P 

elliptisch. 

Die  Gleichung  (8  a.)  stellt  dagegen  eine  Hyperbel  dar,  wenn 

(12.)  /ll/22-/i22<0, 

gleichviel,  ob  /  positiv  oder  negativ  ist.  Die  Schnittcurve  der 
Fläche  mit  jeder  Ebene,  welche  zur  Tangentialebene  parallel 
ist  und  ihr  sehr  nahe  liegt,  hat  dann  in  der  Nähe  des  Flächen- 
punktes P  die  Gestalt  einer  kleinen  Hyperbel^  was  nur  dadurch 
möglich  wird,  dass  die  Fläche  im  Punkte  P  sattelförmig  ist. 
Li  diesem  Falle  nennt  man  den  Punkt  P  hyperbolisch  und 
erkennt,  dass  P  weder  ein  höchster  noch  ein  tiefster  Punkt  der 
Fläche  sein  kann. 

Die  dem  Flächenpunkte  P  entsprechende  Indicatrix  ist 
also  eine  EUipse^  wenn 

sie  ist  eine  Hyperbel^  wenn 

/11/22  —M  <  0. 

Von  besonderem  Interesse  ist  der  Fall,  wo 
(13.)  /ii/22  — /122  =  0,    oder  /n/22=/i22 

wird;  dann  kann  man  die  Gleichung  (8a.)  auf  die  Form 

fn\x*  —  xf  +  2/i,/i2(^'  -^)iy'-  y)  +fi2Hy'  —  yy  =  2fni 

bringen  und  erhält,  indem  man  auf  beiden  Seiten  dieser  Gleichung 
die  Quadratwurzel  auszieht, 

(14.)         Mx'  -  x)  +My'  —  y)  =  ±  V^ÄI 

Die  Indicatrix  zerfällt  daher  in  diesem  Falle  üi  zwei  pa- 
raUele  Gerade.  Ein  solcher  Flächenpunkt  entspricht  ün  Allge- 
meinen weder  einem  Maximum  noch  einem  Minimum  von  z, 
wie  folgendes  Beispiel  zeigen  möge. 


542 


§  126.    Greometrische  Deutung. 


Es  rotire  eine  Parabel  mit  der  Gleichung 

(15.)  2p{z  —  c)  =  (x  —  ay 

um  die  Z-Axe  (Fig.  141),  dann  hat  die  Rotationsfläche  die 
Gleichung 

(16.)  2p  (z  —  c)  =  (|/a:2  +  y2  _  a)\ 


Fig.  141. 


(17.) 


(18.) 


Bezeichnet  man  der  Kürze  wegen  Yx^  +  y^  mit  r,  so  wird 

dr X      dr y 

dx      r       dy      r 


^  =/(^>  y)  =  c  + 


2p 


Um  einen  höchsten  oder  tiefeten  Punkt  P  der  Fläche  auf- 
zufinden, muss  man  seine  Goordinaten  x,  y,  z  so  bestimmen,  dass 
ausser  der  Gleichung  (18.)  noch  die  beiden  Gleichungen 

(19.)      M.^y)^t^^o,    /,(.,y)  =  01^  =  0 

beMedigt  werden.    Dies  geschieht,  indem  man 

(20.)     a;=acost?,    y  =  asint?,    also    r  =  a  und  «  =  c 

selzt,  wobei  der  Winkel  v  noch  beliebig  ist.    Nun  ist  aber 


§  127,    Maxima  und  Minima.  543 

,      .        ^         r^  —  ay^       ^         axy      ^         r^  —  ax^ 

(21.)     /»  =  -p^'   /'^  =  ^'    /^  =  -^j:5-' 
oder  für  die  Coordinaten  des  Punktes  P 

(22.)        /ii  =  -^'    f''^—^ — '    f'^^~' 
(23.)  /11/22  — /122  =  0. 

Der  Punkt  P  ist  hier  kein  tiefeter  Punkt,  denn  er  liegt  auf 
dem  Kreise,  welchen  der  Scheitel  der  Parabel  bei  der  Eotation 
beschreibt,  so  dass  es  allerdings  Punkte  in  seiner  unmittelbaren 
Nachbarschaft  giebt,  welche  dieselbe  Coordinate  z  haben  und 
deshalb  mit  P  in  gleicher  Höhe  liegen.  Aus  dem  vorstehenden 
Beispiele  erkennt  man  auch,  dass  ein  Flächenpunkt  P  durchaus 
nicht  immer  ein  tiefeter  Punkt  ist,  wenn  seine  Tangentialebene 
zur  xy- Ebene  parcMel  ist,  und  wenn  die  Schnittcurven  der 
Fläche  mit  allen  durch  P  gelegten  verticalen  Ebenen  nach  oben 
concav  sind. 

Verschiebt  man  die  Tangentialebene  im  Punkte  P  um  die 
kleine  Grösse  /  nach  oben,  indem  man 

(24.)  zr=zc  +  l 

setzt,  so  schneidet  diese  Ebene  aus  der  Fläche  zwei  concen- 
trische  Kreise  mit  den  Gleichungen 

(25.)     x^  +  y^^{a  +  Y^l)^  und  a:2  +  y^  =  {a  —  Y^t)^ 

aus.  Die  Indicatrix  besteht  in  diesem  Falle  also  aus  zwei  pa- 
rallelen Linien,  da  in  hinreichender  Nähe  des  Punktes  P  die 
beiden  Kreise  mit  ihren  Tangenten  zusammenfallen. 


§  127. 

Maxima  und  Minima  der  Functionen  von  drei  oder  mehr 

unabhängigen  Veränderlichen. 

(Vergl  di©  Formel  -TabeUe  Nr.  153  und  154.) 

Bei  Functionen  von  drei  oder  mehr  unabhängigen  Veränder- 
lichen gestaltet  sich  die  Untersuchung  ganz  ähnlich  wie  bei 
Functionen  von  zwei  Veränderlichen.    Soll  z.  B. 


544 


§  127.    Maxima  und  Minima. 


(1.)  ^  =/(^,  Vj  «) 

ein  Maximum  oder  Minimum  werden,  so  muss 
(2.)  J  =f(x  +  h,f/  +  i,z  +  l)—f(x,y,z) 

für  alle  hinreichend  kleinen,  positiven  oder  negativen  Werthe 
von  A,  ^,  /  bei  einem  Minimum  beständig  positiv  und  bei  einem 
Maximum  beständig  negativ  sein.  Aus  der  Entwickelung  nach  der 
Taylor'achßn.  Beihe  findet  man,  dass  dies  nur  möglich  ist,  wenn 

(3.)      /i(^,y,«)  =  o,  /i  (ar,  y, «)  =  0,  /3(^,y,«)  =  o 

ist.  Sind  diese  drei  Bedingungen  erfüllt,  so  folgt  weiter  aus  der 
Entwickelung  nach  der  Tay/or'schen  Beihe,  dass  für  hinreichend 
kleine  Werthe  von  A,  A,  /  die  Differenz  J  dasselbe  Zeichen 
hat  wie 

(4.)    y (Ä,  i,  t)  =^UK^  +  2/i2Ä>fe  +/22*2  +  2/,3A/+  2/23 A/+/33/^, 

es  sei  denn,  dass  diese  Function  y  (A,  A,  /)  gleich  Null  wird  fiir 
Werthe  von  A,  A,  /,  die  von  Null  verschieden  sind.  Die  Ent- 
scheidung, unter  welchen  Bedingungen  y(A,A,Z)  eine  definite 
Form  ist,  d.  h.  die  Entscheidung  darüber,  ob  ^>  (A,  h^  t)  bestandig 
positiv  bezw.  beständig  negativ  ist,  ergiebt  sich  durch  eine 
Umformung  von  y  (A,  A,  /)  unter  Anwendung  der  Determinanten- 
theorie. 

Es  seien  die  Grössen  2>i,  X>2,  2>3,  «31,  «32,  «33»  A',  k%  A" 
durch  die  folgenden  Gleichungen  erklärt: 


(5.)      D,=fn,    A  = 


/11/12 


ö.= 


(6.)      «31  = 


«32  = 


(7.)      A'  =  Ä 


«31 
«33 


/,         k*  =  k 


«32 
«83 


l, 


fnfnfvz 
fnfi2 

f2i/i2 

A"  =  A' +•$?*', 


«33  = 


=  Di, 


dann  wird  nach  den  Formeln  Nr.  122  und  124  der  Tabelle 

(B.)  -Ö3  =/31  «31  +y32  «82  +y33  «33  j 

(9.)  /ll  «31  +/l2  «82  +/l3  «33  =  0, 

(10.)  /*2l  «31  +/22  «32  +/23  «33  =  0. 


§  127.    Meuüma  und  Miniiua.  ^^ 

Bringt  man  also  die  Gleichung  (4.)  auf  die  Fonn 
(4a.)  y  (Ä,  i,  t)  =  h(f,,h  +/12A  +fizl) 

+  k{fi\h  +/22^  +f^t) 

und  setzt,  den  Gleichungen  (7.)  entsprechend, 

«88  «88 

SO  erhält  man 

y  (Ä,  A,  /)  = 
•  17 

*(/ii*'  +/i2*0  H (/uasi  +/l2a82  +/l8a88) 

«83 

AI 

+  A(fiih'  +/22*0  +  ---(/2ia31  +/22a32  +/2aa8d) 

«38 

/2 

+  /(/siÄ'  +/82*0  +  — ■  (/aiaai  +/82a32  +/88a88). 

«88 

Dies  giebt  mit  Eücksicht  auf  die  Gleichungen  (8.),  (9.)  und 
(10.)  (p{h,k,l)  = 

h{fnh*  +/12AO  +  A(/21  A'  4/22^60  +  /(/81Ä'  +/82A0+^t 

oder  y  (Ä,  A,  t) 

=  h\f,,h  +f,^k  +f,,t)  +  k^ifnh  +/22A  +/82/)  +  ^ 

=  Ä'(/iiÄ'  +/i2*0  H C/uaai  +/i2a32  +/i8a88) 

«38 

>t'/  />g/2 

+  *'(/2lÄ'  +/22*0  H (/21«31  +/22«32  +/23«83)  +  -JT  1 

«88  ^2 

also 

(11.)        y(A,  A,  /)  =/nA'2  +  2/12Ä'  A'  +/22Ä'2  4.  :^. 

Jetzt  ist  noch,  wie  schon  in  §  125  gezeigt  wurde, 
folglich  wird 

(12.)  (f  (Ä,  Ä,  /)  =  A  Ä"2  +  g  A'2  +  g  /2. 

Stegemann- Kiepert,  Düferential-Beohnang.  35 


ft46  §  127.    Mazima  und  Mhuma. 

Damit  dieser  Ansdrack  beständig  posiUv  ist|  damit  also 
f{x^  y,  z)  ein  Minimum  wird^  mfissea  die  drei  Bedisgimgeii 

(13.)  A>0,    -D2>0,    A>o 

erf&llt  sein;  und  damit  ^(A,  kj  t)  he9tändig  negativ  ist,  damit  also 

/(^i  y> «)  öin  Maximum  wird,  müssen  die  drei  Bedingmiigen 

(14.)  A<0,    1>2>0,    A<0 

erfüllt  sein. 

In  fthnUcher  Weise  findet  maq,  dass 

(15.)  u  =/(a?i,  a%j, . . .  a:«) 

0m  3fmtme«m  trtrd^,  toenn  die  ersten  partiellen  Ableitungen 
/i(a?i,  a%i, . . .  a:»),  /2(äi,  a:2>  •  •  •  ^n), .  •  ./n(a^ij  a^2>  •  •  •  i«^»)  sämmtUch 
gleich  Null  eindy  und  wenn 

(16.)  A>0,     -D2>0,     2>3>0,...-Dii>0. 

Dabei  ist 


(17.)  D«  = 


für  a  =  1,  2, . . .  n. 


y«!  ya2 . .  »Jaa 


Dagegen  toird  u  ein  Maximum,  wenn  die  ersten  partiellen 
Ableitungen  von  /(x^ x^j.  ••Xn)  wieder  sämmUich  gleich  Nully 
und  wenn  die  Determinanten  D^  mit  gereutem  Index  sämmüich 
positiv  und  die  mit  ungeradem  Index  sämmüich  negativ  sind. 

Sind  nämlich  für  ein  Werthsystem  x^^ x^,... xn  die  ersten 
partiellen  Ableitungen /i,/2,.../»  sämmtlich  gleich  Null,  so 
wird 

(18.)       J  =/(i^l  +*l)  ^2+^2,  .  .  .  Xn+h^  — f{^U  ^2>  •  •  •  ^n) 
=  ly  (*!>  Ä2j  •••*»)  +  [*1J  *2»  •  •  •  ^nja, 

wobei  die  Bezeichnungen  den  firüheren  entsprechend  gewählt 
sind.  Die  Differenz  J  wird  für  hinreichend  kleine  Werthe  von 
A|,  A29  •  •  •  ^»  beständig  positiv  oder  beständig  negativ  seia«  wenn 
die  homogene  Function  zweiter  Ordnung 


§  127.    Maidma  und  Minima.  547 

(19.)    y(Äi,  Äj, . . .  An)  =  h^ifnh  +/l2Aa  +  . . .  +/i»Än) 

+  Jh{f%\hi  +/22A2  +  .  .  .  +/2nÄn) 

+ 

+  A»(/«iÄi  +/n2Ä2  +  .  .  .  +/fMiÄn) 

eine  deßnite  Form  ist.  Bezeichnet  man  wieder  die  ünterdeter- 
minanten  von  2>n  mit  cxu, ..  .awn,  so  erhSlt  man  nach  den 
Formehi  Nr.  122  und  124  der  Tabelle 

(20.)  Dn  =/nianl  +/n2an2  +  .  .  •  +/fmann, 

(21.)  /rl  «nl  +/r2  ««2  +  .  .  •  +/m  «^n  ==  0  fOT  r  <  #». 

Daraus  folgt,  wenn  man 


(22.) 


setzt, 


j  hi  =  Ä'i  +  -^  An,      Ä2  =  Ä'2  +  -^  An,  .  .  . 


Of«n  CCn» 


y(Äi,  Ä2,  .  .  .An)  = 
*l(/n  Ä'i  +/12  Ä'a  +  .  .  .  +/l.  n-1  Ä'n-l) 

+  -r^C/ll  a»l  +/12  an2  +  .  .  .  +/ln  »fMi) 
öfnH 

+  Ä2(/2l  Ä'i  +/22  Ä'2  +  .  .  .  +  A  «-1  Ä'n-l) 

+  — C/21  «nl  +y22  ««12  +  •  •  •  +y2nann) 

+ 

+  Än(/nl  Ä'i  +/n2  Ä'2  +  .  .  .  +/n,n-l  Ä'n-i) 

+  ■- —  \fni  «nl  +yn2  «n2  +  •  •  •  4"^«»»  a»n)j 

oder,  wenn  man  nach  den  Grössen  Ä'i,  Ä'2, .  •  •  ^'n-i  ordnet  und 
die  Gleichungen  (17.),  (20.)  und  (21.)  berücksichtigt, 

(23.)   9p(Äi,  Ä2,  .  .  .  An)  =  Ä'i  (/iiÄi  +/12Ä2  +  .  .  .  +/l»Än) 

+  ^'2(^21^1  +^22^2  +  .  .  .  +y2nAn) 

+ 

+  Ä'n-l(/n-l,lAi  +/ii-.l,2Ä2  +.  .  ./n-l,nAn) 

Indem  man  die  Substitutionen  (22.)  noch  einmal  anwendet, 

findet  man 

36* 


548  §  128.    Angaben. 

5p(Äi,  Äa, . , .  A^)  = 
h\{fuh\  +fnh*2  +  . . .  +/i,n-iÄ'«-i) 

+  Ä'2(/2lÄ'l  +/22Ä'2  +  .  .  .  +/2.n-lÄ'n-l) 

+ C/21  »nl  +^22ai»2  +  .  •  •  +y2naiMi) 

+ 

+  Ä'n-l(y«— l,lÄ'i  +yn-l,2Ä'2  +  •  •  •  +yn-l,n— lÄ'«— 1) 

+  (y»-l.l«nl  +yn— l,2«n2  +  •  •  •  +yn— l,i»«ni») 

oder  mit  Eäcksicht  anf  die  Gleichungen  (21.) 

(24.)      ff  (Äi,  Ä2,  .  .  .  An)  =  y  (Ä'i,  Ä'2,  .  .  .  Ä'n-l,  O)  +  -^  Ä„2. 

Da  nun  hierbei  die  homogene  Function  zweiten  Grrades 
9>(A^,  Ä^2, . . .  A'n-i,  0)  nur  noch  n  —  1  Veränderliche  enthält,  so 
kann  man  diese  Function  in  ähnlicher  Weise  auf  die  Form 

y  (Ä"i,  h\  .  .  .  Ä"n-2,  0,  0)  +  ^  (Ä'n-l)2 

bringen  und  so  fortfahren,  bis  man  erhält 

(25.)  y  (Äi,  Ä2,  .  .  .  An)  = 

^  ^  IJi  ^  "^  JLfn-2  ^-'n— 1 

Aus  dieser  Darstellung  ergeben  sich  dann  ohne  Weiteres 
die  oben  aufgeführten  Sätze. 


§  128. 

Aufgaben. 

Aufgabe  1.    Man  soll  die  Werthe  von  x  und  y  bestimmen, 
für  welche 

(1.)  z  =f(x,  y)^x'^  +  xy  +  y^  —  5x  —  4iy  +  10 

ein  Maximum  oder  Minimum  wird. 


§  128.    Au^abeiL  549 

AufiSsung.    Hier  ist 

(2.)        /i(a:,y)=:2ar  +  y  — 5,    Mx,y)  -  x  +  2y  —  4:, 

(3.)  /ii  =  2,    /l2=l,    /22  =  2. 

Die  beiden  ersten  partiellen  Ableitungen  /i(a:,  y)  und  /«(a:,  y) 
verschwinden  nur  für 

(4.)  :r=2,     y  =  1, 

und  zwar  wird  z  für  diese  Werthe  von  x  und  y  ein  Minimum^  weil 

(5.)  /ii  =  2>0,    /11/22  — /i22  =  3 > 0. 

Aufgabe  2.  Man  soll  die  Zahl  a  so  in  drei  Thefle  theilen, 
dass  ihr  Product  ein  Maximum  wird. 

AufiSsung.  Bezeichnet  man  zwei  von  diesen  Theilen  mit 
X  und  y,  so  wird  der  dritte  a  —  x  —  y,  und  das  Product,  welches 
ein  Maximum  werden  soll,  ist 

(6.)      z  =/(«,  y)  =  xy{a  —  x  — ^y)  =^  axy  —  xhf  —  xy'^. 

Daraus  folgt 

(7.)   f\{x,y)^ay  —  2xy  —  y'^,    fi{x^y)^  ax  —  x^  —  2xy, 

(8.)       /ii  =  —  2y,    /i2  =  a  —  2a;  —  2y,   /22  =  —  2a;. 

Da  die  Werthe  a;  =  0,  oder  y  =  0  hier  nicht  in  Betracht 
kommen  können,  wie  schon  aus  der  Natur  der  Angabe  hervor- 
geht, so  erhält  man,  indem  man  /i  (a;,  y)  und  f^  (x,  y)  gleich  Null 
setzt,  die  Gleichungen 

(9.)  a  —  2a;  —  y  =  0,     a  —  a;  —  2y  =  0, 

welche  nur  fiir 

(10.)  x=|,       y  =  | 

befriedigt  werden.    Da  für  dieses  Werthepaar 

(ll.)/u=«y<0,/i2=-|,/22  =  -Y./ll/22-/l22==|'>0, 

so  tritt  ein  Maximum  ein. 

Dieser  Angabe  kann  man  auch  die  folgende  Fassung  geben: 
Von  einem  rechtwinkligen  Parallelepipedon  ist  die  Summe  aller 
Kanten  gleich  4a;  wie  gross  müssen  die  einzelnen  Kanten  sein^ 
damit  das  Volumen  ein  Maximum  wird? 


550  §  laa.    Au^abea. 

Aus  der  vorstehenden  Lösung  sieht  man,  dass  das  recht- 
winklige ParaUelepipedon  mit  möglichst  grossem  Volumen  ein 
Würfel  ist. 

Aufgabe  3.  Man  soll  unter  allen  Dreiecken  sait  gegebenem 
Um&Dge  da^enige  ermittehi,  welches  den  grössten  Stächen*' 
Inhalt  hat 

Auflösung.    Der  Elächeninhalt  dnes  Dreiecks  ist  bekanntlich 

(12.)  F—  yu{u  —  a)(u  —  b)(u  —  c), 

wenn  man  die  Seiten  mit  a,  b,  c  und  den  Umfang  mit  2u  be- 
zeichnet.   Setzt  man  aber 

(13.)  u  =  3in,     a  =  a:,     i  =  y, 

so  wird 

(14.)  c  =^  ßm  —  X  —  y,     u  —  c  =^  x  +  y  —  3m, 

(15.)  2^  =  Sm(Sm  —  x)  (3m  —  y){x-\-y  —  3m), 

also 

•^^"^'^^  ^^^'^^^~^^  (3m  — y)(a:  +  y  —  3m) 
(^^•)   ^  ^xhf  +  xy'^  —  %m{x^'\'ZTy  +  y^) 

+  18m2(a:  +  y)  — 27ma. 
Da  F  mit  f{x^  y)  zugleich  ein  Maximum  wird,  so  bilde  man 
/i(rp,  y)^2xy'\-y'^  —  %m{2x  +  3y)  +  ISm» 
=  (3m  —  y)  (6m  —  2x  —  y), 

(18  )      K^  ^^'  ^^  =  a:2  +  2ay  —  3m(3a:  +  2y)  +  ISm^ 

l  =  (3m  —  a:)  (6m  —  a:  —  2y). 

Da  die  Summe  aller  drei  Seiten  gleich  6m  ist,  und  da  jede 
Seite  kleiuer  sein  muss  als  die  Summe  der  beiden  anderen  SeiteUi 
so  muss  jede  der  Seiten  kleiner  sein  als  3m.  Deshalb  dfirfen  in 
fx(x,y)  und/2(a:,  y)  die  Factoren  3m  —  y  bezw.  3m  —  x  nicht 
gleich  0  seiu,  so  dass  man  vielmehr 

(19.)  6m  —  2a:  —  y  =  0,     6m  —  a:  —  2y  =  0, 

oder 

(20.)  a;  =  2m,     y  =  2m 

setzen  muss.    Für  diese  Werthe  von  x  und  y  tritt  auch  imkr 
lieh  ein  Maximum  eia,  denn  es  ist 


(17.)      I 


§  128.    Aufgaben. 


551 


(21.)  /,!  =  2y  —  6m  =  —  2»»<  0, 

(22.) /i2  =  2a;  +  2y— 9m  =  — m,   /22  =  2a:  — 6iw  =  —  2iw, 

(23.)  /i,/22  —M  =  3m2  >  0. 

Unter  ajlen  Dreiecken  mit  gleichem   Umfange  hat  also  das 
gleichseitige  den  grössten  Inhalt. 

Aufgabe  4.  Von  einem  Dreieck  sind  die  Coordinaten  der 
Eckpunkte  Pj,  P^,  P3,  nämUch  x^  y^;  x^,  y<i\  a^,  ys  gegeben; 
man  soll  die  Coordinaten  eines 
Punktes  P  finden,  dessen  Ab- 
stände von  den  Ecken  eine 
möglichst  kleine  Summe  haben. 
(Vergl.  Fig.  142.) 

Auflosung.  Die  Abstände 
des  Punktes  P  von  den  Ecken 
seien  «t>*2>*3j  nnd  die  Winkel, 
welche  diese  Linien  mit  der 
positiven  Eichtung  der  X-Axe 
bilden,  seien 

2i.XS,P=(p,,    2j,XS^P=<p^^    2f:XS^P==g>^, 

dann  wird 


(24 


■'{ 


«1  =  y(.^  —  a^i)' + (y  —  yl)^  ^2  =  Vi^  —  ara)»  +  (y  —  yj)«, 

«»  =  y(^  — ai,)»+(y-y3)>, 
und  es  ist 

(2S.)  /(«,  y)  =  «1  +  »2  +  «j 

die  Function,  welche  ein  Minimom  werden  soll.    Nun  ist  für 
a  =  1, 2, 8 

dsa  X  —  Xu 


x  —  x„ 


(26.) 


Ö^       y(^  — a;„)2  +  (y  — y„)2  «« 


=  C0S5P„, 


dSa 


y—Va 


^y     Vi—^af  +  iy-ya^-^"^-^^"' 


folglich  muss  man  setzen 


552  §  128.    Ai]%ab«Du 

(27.)  /i  (xj  y)  =  cosyi  +  cosyj  +  cos  ^3  =  0, 

(28.)  /2  (x,  y)  =  sinyi  +  sm9>2  +  sinys  =  0. 

Aus  diesen  Gleichungen  findet  man 
(29.)       sin(yi  —  9>2)  =  sin(y2  —  ^s)  =  sto(y3  —  ^x)- 
Aus  der  Figur  erkennt  man,  dass 

^2  —  yi  =  ^  P1PP2,    9^2  —  9^3  =  ^  (180«  -  Psi'A), 

^3  -  yi  =  ^  (1800  _  p^pp^) 

ist,  folglich  wird  Gleichung  (29.)  beMedigt,  wenn  man 

(30.)  ^  P1PP2  =  ^  P%PPz  =  ^  Ai'i'i  =  1200 
macht,  was  nur  in  dem  Falle  geschehe  kann,  wo  die  Dreiecks- 
wiDkel  alle  drei  kleiner  als  120  0  sind.  Dieses  Resultat  stimmt 
mit  der  Lösung  überein,  welche  in  §  57  (Seite  257 — 260)  von 
dieser  Au%abe  gegeben  wurde.  Dort  sind  auch  ausser  der 
Construction  des  Punktes  P  bereits  die  Bedingungen  erläutert 
worden,  unter  welchen  der  Punkt  P  die  verlangte  Eigenschaft 
des  Minimums  besitzt.  Um  aber  die  in  §  125  au^efimdene 
Methode  eiozuüben,  beachte  man,  dass 

^cosy«  __  sin2y„  ff  cos  y«  _      sin  y «  cos  y g 

dx       "     Sa     ^  dy      ^               Sa 

ffsiny« sin y et  cos y«  ffsiny«  __  cos^y« 

dx     ^              Sa         '  dy      ^      Sa 

wird.    Deshalb  ist 

(31.)  «iMs/ii = «2«8  sin2yi+«8*i  sin2y2+«i«2  sin^8>  0, 

(32.)  «1*2*3/12 = — *2*3  siny  1  cosy  1 — *8«i  siny 2  cosy 2— *i«2  siny 3  cosy s, 

(33.)  *i*2«8/22  =  «2*8COs2yi+*8«i  cos2y2+«i«2  cos^ys, 

«l«2«8(/u/22 f\%^)  = 

*i  sin2(y2— y8)+*2Sin2(y3—  yi)  +*8  sin2(yi — y«), 
oder 

(84.)      /„/,-/,,.  =  sinM20»(^+^  +  ^)>0, 

folglich  wird/(a:,  y)  ein  Minimum. 

Aufgabe  5.    In  einen  Kreis  mit  dem  Badius  r  soll  ein  Vier* 
eck  eingeschrieben  werden,  welches  den  gegebenen  Winkel  a 


j 


§  128.    Au^bea» 


553 


enthält;  wie  gross  sind,  die  Seiten  des  Vierecks,  wenn  der 
Flächeninlialt  ein  Maximum  wird?    (Vergl.  Fig.  148.) 

AuflBsung.  Bezeichnet 
n^an  die  Winkel  ÄDB  und 
BDC  bezw.  mit  x  und  y, 
und  die  Winkel  BAD  und 
BCD  bezw.  mit  a  und  y, 
so  ist  bekanntlich 

Y  =  180«  —  «, 

also 

.g^  .{AB^  2rsina:, 

'^  \  5C=:2rsiny, 

(86.)      ^^  =  2rsin(y+r), 

^  \  DA=^  2rsin(a:4-a);    • 
folglich  wird  der  doppelte  Flächeninhalt  des  Vierecks 

2JP=  4r2sina:sin(a;  +  a)sina  +  4r2siny  sin(y  +  r)siny, 

also,  da  man  den  constanten  positiven  Factor  4r2sin  u  fortlassen 
darf, 

(87.)        /(ir,  y)  =  sina:  sin(a:  +  «)  +  siny  sin(y  +  y)- 
Dies  giebt 

(88.)  /i  {x,  y)  =  sm(ar  +  a)cosa;  +  COS(a;  +  a)wi.x  =  sm(2:r  +  a), 
(89.)  fi{x,  y)  =  sm(y  +  y)cosy  +  cos(y  +  y)smy  =  sin(2y  +  y). 

Deshalb  ^ird 

/i  («,  y)  =  0  fttr  2a;  +  «  =  180«, 
/,(ar,  y)  =  0  fÖr  2y  +  r  =  1800, 


(40.) 


a:=90»-|  =  |.     y=900-|=|. 


Die  Diagonale  AC  muss  daher  die  Winkel  a  und  ^^  in  den 
Eckpunkten  A  und  (7  halbiren;  dabei  gehen  die  Gleichungen 
(85.)  und  (86.)  über  in 


^-B==2rsin^j 


a 


BO  =  2rsin  ^ 


&54         §  129.    MaTima  uod  Mininift  mit  NebenbedüigimgaL 

DA  =  2rsin^|.  +  «)  =  2rsm|-» 

folglich  wird 

(41.)  AB  =  ^Z>,     C5  =  CD. 

Der  FlächeDiDlialt  wird  für  die  angegebenen  Werihe  von  x 
und  y  wirklich  ein  Maximum,  denn  es  ist 

/ii(^>  y)  =  2cos(2a;  +  «)  =  —  2  <  0, 

/i2  =  0,   /22  =  2cos(2y4-r)  =  — 2, 

/11/22  — /122  =  +  4  >  0. 

§  129. 

Maxima  und  Minima  mit  Nebenbedingungen. 

Bisher  war  immer  die  Voraussetzung  gemacht  worden,  da£» 
in  der  Function 

(1.)  u  =/(a:i,  X^,...  Xn), 

welche  ein  Maximum  oder  Minimum  werden  soU,  die  n  Veränder- 
lichen von  einander  unabhängig  sind.  Das  wird  aber  bei  den 
wenigsten  Aufgaben  der  Fall  sein.  Soll  man  z.  B.  die  Zahl  a 
so  in  drei  Thefle  theflen,  dass  das  Product  dieser  Theile  ein 
Maximum  wird,  so  ist  die  Function,  welche  ein  Maximum 
werden  soll, 
(2.)  u=:xyz, 

wo  zwischen  den  drei  Veränderlichen  die  Bedingungsgleichung 

(8.)  X  +  y  +  z  =  a 

besteht.  Diese  Angabe  wurde  in  dem  vorhergehenden  Para- 
graphen so  gelöst,  dass  man  aus  Gleichung  (3.)  den  Werth  yon 
9  berechnete  und  in  die  Gleichung  (2.)  einsetzte. 

Dadurch  erhält  man 

(4.)  u  —  xy  (or-^x  —  y)  =f(x,  y) , 

also  eine  Function,  welche  nur  noch  die  beiden  unabhängigen 
Veränderlichen  x  und  y  enthält. 


§  199.    Maxinia  und  Minima  mit  Nebenbedingongeiu  555 

In  ähnlicher  Weise  kann  man  häufig  zum  Ziele  kommen. 
Soll  z.  B.  in  die  Ellipse 

ein  Dreieck  PiAA  ^^  möglichst  grossem  Flächeninhalte  ein- 
beschrieben werden,  so  hängt  die  Function 

(5.)      2F=  x^(j/2  —  ys)  +  ^2(y3  —  yi)  +  ^3(yi — y2), 

welche  ein  Maximum  werden  soll,  von  sechs  Veränderlichen 
^i>  Vii  ^2  5  y2;  ^j  ya  *b-  Diese  sind  aber  nicht  von  einander 
unabhängig,  sondern  sie  müssen  den  drei  Gleichungen 

(6.)    b%^+ah/^^=:a^^,     }flx^-\-ahl^=:aV)^,     J2^2+^2y^2=:a242 

genügen,  damit  die  drei  Punkte  Pi,  Pji  A  a^  der  Ellipse  Kegen. 
Jetzt  kann  man  aber  aus  den  Gleichungen  (6.)  die  Werthe  von 
yij  y2  5  y%  b^zw.  als  Functionen  von  x^^  x^^  x^  ausrechnen  und 
in  den  Ausdruck  für  2F  einsetzen.  Dann  hat  man  nur  noch 
eine  Function  von  drei  unabhängigen  Veränderlichen  x^,  X2,  x^, 
welche  ein  Maximum  werden  soll. 

In  den  meisten  Fällen  wird  aber  eine  derartige  Elimination 
viel  zu  umständlich  sein,  als  dass  man  an  ihre  Ausführung 
denken  könnte.  Dagegen  führt  die  folgende  Methode  im  All- 
gemeinen viel  leichter  zum  Ziele. 

Es  sei  wieder 

(7.)  u  =/(a;i,  X2^...  Xn) 

die  Function,  welche  ein  Maximum  oder  Minimum  werden  soll. 
Dabei  seien  die  n  Veränderlichen  x^,x2,. ,.  Xn  den  m  Bedingungs- 
gleichungen 

(  V\  (^1)^2j  .  .  .:ZJn)  =  0, 
(8.)  \   Vi  (^1>  ^2)  •  •  •  ^n)  =  0, 

'  SP«(^lj^2J---^n)  =  0 

unterworfen,  wobei  aber  m<n  sein  muss.  Da  nur  solche 
Werthe  von  x^^x^^.^.Xn  in  Betracht  kommen,  für  welche  diese 
Gleichungen  (8.)  befriedigt  werden,  so  ist  es  gleichgültig,  ob  man 
das  Maximum  bezw.  das  Minimum  der  Function  f{x^,  a^, . . .  x^ 
oder  der  Function 


556  §^  129.    Maxlnift  und  Minima  mit  NebenbedingmigeTi. 

(9.)        I  "'^^^^'  ^^'  "  •  ^*'*  =/(^l'  ^2  •  •  •  ^ti)  +  ^l9>l(^>  ^2J  • .  •  ^*) 

1  +  ^5P2  (^1)  ^2  •  •  •  ^t»)  +  .  •  •  +  ^9>m(Xu  ^2>  •  •  •  ^w) 

aufisacht,  wenn  man  anch  für  ^i,  Aj, . . .  ^i  noch  gwz  beliebige 
Grössen  einsetzt.  Um  nun  die  Werthe  von  x^,  x^^...xn  zu  jOnden, 
für  welche  F{x^^ x^,... Xn)  ein  Maximum  oder  Minimum  wird, 
mnss  man  wieder 

(10.)  J  =  JP(a?i  +  Äi,  a%j  +  Ä2, . . .  ar»  +  An)  —  F(x^  arj, . .  •  a:») 

nach  Potenzen  von  A^,  Aj . . .  A»  entwickeln.  Dies  geschieht  nach 
der  Tay/or'schen  Beihe,  nnd  zwar  erhalt  man 

(11.)      J^F^h,+F^h^  +  ...  +  Fnhn  +  [Äi,  A2,  .  .  .Än]2, 

wobei  die  ersten  partiellen  Ableitungen  von  F(x^,  X2,.,.xn)  nach 
a:i,a:2,...a:nbezw.  mit  J^,i^,...i^  und  der  Best  mit  [Ai,Ä2,...Äj2 
bezeichnet  sind.  Damit  nun  F{x^, x^^. . , o^n)  ein  Minimum  wird, 
muss  J  für  alle  zulässiffen,  hinreichend  kleinen  Werthe  der 
Grössen  A^ ,  Aj)  •  *  •  ^«>  beständig  positiv  sein,  und  damit  F(xi  ,x2j...Xn) 
ein  Maximum  wird,  muss  J  Air  alle  zulässigen,  hinreichend 
kleinen  Werthe  der  Grössen  A^,  Ä2 . . .  A»  beständig  negativ  sein. 
Hierbei  muss  man  aber  beachten,  dass  nur  solche  Werthe  yon 
Ai ,  A2, . . .  An  zulässig  sind,  für  welche  die  Gleichungen 

9\{^\  +  A^, a^  +  A2, . . .  ar„  +  An)  =  0, 

(12.)  /    9^2  (^1  +  Ai,  2^  +  A2,  .  .  .  ÄJn  +  An)  =  0, 

9m{Xi  +  Ai  arj  +  A2, . . .  :2;n  4-  An)  =  0 

befriedigt  sind.  Von  den  n  Grössen  A^,  A^, ...  An  sind  daher  nur 
n  —  m,  z.  B.  Am+i,  A«4.2,...An  vnUkürlich,  während  sich  die 
Werthe  der  m  übrigen  (Äi,A2,  . . .  A^)  aus  den  m  Gleichungen 
(12.)  ergeben.    Bezeichnet  man  jetzt 

d€pa{x^^Xt,...Xn)         .. 

W^ ^^  5P«/J, 

wobei  «  alle  Werthe  yon  1  bis  iw  und  ß  alle  Werthe  von  1  bis 
n  annehmen  darf,  so  kann  man  die  m  Grössen  A^,  ^2?  •  •  •  ^  so 
bestimmen,  dass  die  m  linearen  Gleichungen 

Fi  =/i  +  ^SPll  +  ^^21  +  .  .  .  +  K^(pm\  =  0, 
(13.)  j    "^  "^f^  "^  ^1  yi2  +  A2SP22  +  .  •  .  +  ^m9>m2  =  0, 

Fm  ^=fm  +  ^l  (pim  +  ^5P2m  +  .  .  .  +  ^9>mm  =  0 


§  129.    Maxima  und  Minima,  mit  Nebenbedingungen.  557 

befriedigt  werden.    Dadurch  geht  die  GMchang  (11.)  über  in 

(14.)   J  =  J^m+l  ^+1  +  •ßi+2Ä»i+2+  .  .  *  +  i^Än  +  [Äj,  Aj,  .  .  .  A»]^. 

Da  nun  K^\^  Am+2, ...  An  willkürlich  sind,  so  kann  man 

A»^.2  =  0, . . .  Ä„  =  0 
setzen,  so  dass  sich  die  Grösse  J  auf 
(15.)         J  =  i^iÄ^^-i  +  [Ai,  A2, . . .  A,»+i,  0, . . .  0]2 

reducirt.  Macht  man  jetzt  A^+i  hinreichend  klein,  so  werden  auch 
Ai,  A2 . . .  Am  beliebig  klein.  Wäre  also  JPm+i  von  Null  verschieden, 
so  könnte  man  Am^.i  so  klein  machen,  dass,  vom  Vorzeichen 
abgesehen,  i^m+i  ^+1  grösser  würde  als  [A^,  A^, . . .  Am+i,  0, . . .  0]2, 
dass  also  J  dasselbe  Vorzeichen  hat  wie  i^^-iAm+i.  Diese 
Grösse  wechselt  aber  das  Vorzeichen  zugleich  mit  Am+i,  folglich 
kann  nur  dann  ein  Maximum  oder  Minimum  eintreten,  wenn 

ist.    In  derselben  Weise  kann  man  zeigen,  dass  auch 

im+2  =  0, . . .  i^  =  0 

sein  muss.  Dies  giebt  zur  Bestimmung  der  n  Grössen  x^^ 
^2>  •  •  •  ^»  ausser  den  m  Gleichungen  (8.)  noch  die  n  —  m 
Gleichungen 

(16.)      ^    ■'m-h2=ym4-2+^yi,m4-2  +  ^2y2,m+2+...  +  ^mym,i»+2=  0, 
'  Fn=fn  +  ^iyin+  ^2^21»  +  •»•'+  ^»9>«n  =  0. 

Bei  der  Herleitung  wurden  allerdings  die  m  Gleichungen 
(13.)  zur  Berechnung  der  m  Grössen  Aj,  ^2,...^»  und  die  n 
Gleichungen  (8.)  und  (16.)  zur  Berechnung  der  n  Grössen 
x^ ,  X2, . . .  oTn  benutzt.  Man  ist  aber  natürlich  an  diese  Reihenfolge 
in  der  Ausfuhrung  der  Eechnungen  nicht  gebunden,  sondern  hat 
nach  dem  Vorhergehenden  im  Ganzen  m  +  n  Gleichungen,  näm- 
lich die  Gleichungen 


558  §180.    Aii%*lMii. 


(17.) 


die  gerade  zur  Berechnmig  der  m  +  »  Unbekannte  ^i, ^,...Am, 
2:1,  2:29 .. .  x^  ausreichen. 

Auf  diese  Weise  findet  man  alle  Werthsysteme  der  n  Ver- 
änderlichen, fOr  welche  möglicher  Weise  ein  Maximum  oder 
MiniTniiTn  eintreten  kann.  Ob  dann  fHr  ein  so  gefundenes  Werth- 
sjrstem  mrHich  ein  Maximum  oder  Minimum  eintritt,  geht  in 
vielen  F&llen  schon  aus  der  Natur  der  Aufgabe  hervor.  Des- 
halb möge  hier  die  etwas  weitläufige  Entwickelung  eines  allge- 
mein gültigen  Kriteriums  übergangen  werden. 


§  130. 

Aufgaben. 

Aufgabe  1.  Es  soll  das  grösste  rechtwinklige  Parallelepi- 
pedon  gefunden  werden,  das  einer  Kugel  mit  dem  Radius  r  un- 
beschrieben werden  kann. 

Auflösung.  Da  der  Mittelpunkt  des  Parallelepipedons  zu- 
gleich auch  der  Mittelpunkt  der  Engel  sein  muss,  so  ist  der 
Durchmesser  der  Ku^el,  nämlich  2r,  eine  Diagonale  des  Paral- 
lelepipedons. Nennt  man  also  drei  an  einander  stossende  Kanten 
X,  y,  z,  so  wird 

(1.)  V  —f(x,  y,  z)  =  xyz 

die  Function,  welche  ein  Maximum  werden  soll,  und 

(2.)  tp{x, y,  2)  =  a:^  +  y2  4-  ^2  —  4r*  =  Q 

ist  die  Bedingung,  welche  zwischen  den  drei  Veränderlichen 
stattfindet.    In  diesem  Falle  wird  deshalb 
(3.)      F{x,  y,  z)  =f-{-X<p  =  xyz  +  l{x^  +  y2  +  ^2  _  4^2)^ 
(4.)  F^—yz  +  2Xx  =  %  JF2=««  +  2;iy  =  0,  i^  =  ay  +  2A«  =  0. 


§•130.    Aufgaben. 


56d 


Dies  giebt 

(5.)  _2;i=i^=:^  =  ^, 

also  mit  Bücksicht  auf  Gleichung  (2.) 

(6.)  x^  =  y^  =  z^  =  ^,    oder    a:  =  y  =  2r  =  yy8. 

Der  Würfel  ist  daher  das  grösste  rechtwinklige  Paralldepi- 
pedon,  welches  der  Kugel  einbeschrieben  werden  kann. 

Aufgabe  2.    Es  soll  das  grösste  rechtwinklige  Parallelepi- 
pedon  gefimden  werden,  welches  dem  Ellipsoid 


(7.) 


&2 


X''        V*        z 

^  +  I;  +  --1  =  0 


2 
C2 


einbeschrieben  werden  kann. 


Auflosung.    In   ähnlicher  Weise  wie  bei  der  vorigen  Auf- 
gabe findet  man  hier  für  die  Seitenkanten  die  Werthe 


(8.) 


2a 


2b 


.=^V3,  y=f  yä, 


=  |V8. 


Aufgabe  3«    Unter  allen  Eegehi  mit  gleichem  Volumen  V 
denjenigen  zu  finden,  welcher  die  kleinste  Oberfläche  hat. 

Auflösung.  Der  Eadius  der 
Grundfläche  sei  ^r,  die  Höhe  sei 
y,  und  die  Seitenkante  sei  z  (yergl. 
Pig.  144);  dann  wird  die  Gesammt- 
oberfläche 

f{x^  y,  z)  =  x^Tt  +  xzn 
=  n{x*^  +  «^). 


(9.) 


Dies  ist  die  Function,  welche 
ein  Minimum  werden  soll.  Zwischen 
Xj  y  und  z  bestehen  dabei  noch 
die  Bedingungsgleichungen 

F=^,         ^2  +  y2  =  ^2 


560  §  lao.    Au^bem 

oder 

1  9>2  («,  y,  ^)  =  «2  +  y2  _  ;,2  ==  0. 

Dies  giebt 

(11.)  F{x,y,z)  =  ^(:r2+a?;?)+ ^1  (8  V—x^ny)+h, {pfl-{.y^—z^) , 

(JPi  (a?,  y,  a;)  =  7r(ar  +  z)  —  2i^nxy  +  2^2^;  =  0, 
J^2(«,y,«)=  — Ai7rar2     4- 2^5^  =  0, 

J^  {x^  y,  2?)  =  yra:  —  ^X^z  =  0* 

Durch  Auflösung  dieser  Gleichungen  findet  man 

(13.)  ^  =  5'      ^""^'      :r2  +  2a-;r  +  ^2  =  2y2, 

oder 

(14.)  x  +  z  =  yy¥. 

Mit  Rücksicht  auf  die  Gleichungen  (10.)  erhält  man  daher 

z^  —  x^  +  y'^  =  2y^  —  2y2xy  +  x\ 
oder 

(15.)  y  =  2x^2,     3  F=  2a?n  1/2, 

also 

(16.)  :r]/^=  y^,  y  =  2"^,  ;.]/2  =  ^x\ß=  3"^. 

Die  Gesammtoberfläche  dieses  Kegels  ist  dann 

(17.)  0  =  4a:%  =  2^97%. 

Aufgabe  4.  Von  einem  Viereck  sind  die  yier  Seiten  a,  &,  c,  ef 
gegeben,  wie  gross  müssen  die  Winkel  sein,  damit  der  Flächen- 
inhalt ein  Maximum  wird?    (Vergl.  Fig.  145.) 

Auflösung.    Ist  AB  CD  das  gesuchte  Viereck  und  setzt  mau 

4:  ABO  =  X,    4:  ADC  =  y, 
so  wird 

2AABC=^  aJsin^r,    2A-4X>C  =  crfsiny. 

Hätte  das  Viereck  einen  einspringenden  Winkel,  z.  B.  bei 
/>],  so  könnte  man  seinen  Flächeninhalt  jPum  das  Stück  AD^CD 


§  180.    Aufgaben; 


561 


grösser  machen,   ohne  die  Länge  *"»«  ^^ 

der  Seiten  zu  ändern.     Deshalb 

können,   wenn   i^  ein  Maxirnnm 

werden  soll,  einspringende  Winkel 

nicht  Torkonunen,  so   dass  man 

erhält 

(18.)  2  JP=/(ir,  y) = akwiz+cdm.y. 

Dies  ist  die  Function,  welche 
ein  Maximum  werden  soll;  dabei 
sind  aber  x  und  y  nicht  von  ein- 
ander unabhängig,  denn  nach  dem 
Cosinussatz  wird 

A&  =  a2  +  J2  _  2ab  cosa;, 

ÄC^  =  c2  +  d^  —  2crfcosy, 
also 
(19.)  9)  (x,  t/)=z  a^+  b^  —  2ab  cosa:  —  c^  —  cP  +  2crfcosy  =  0. 

Setzt  man  daher 

F(^^  y)  =/(^j  y)  +  ^9  (^.  y) , 

so  erhält  man 

f  F^ (x,  y)  =  oÄcoSiT  +  2aJ^sina:  =  0, 

[  i^  {x^  y)  =  cdcoBy  —  2cdl  siny  =  0, 
oder 

(21.)  cosar  +  2Asina?  =  0,    cosy  —  2Asiny  =  0, 

und  wenn  man  X  eliminirt, 

(22.)  siny  cosa;  +  sina:  cosy  =  sin(a;  +  y)  =  0. 

Da  die  Winkel  x  und  y  beide  grösser  als  0^  und  beide 
kleiner  als  180^  sein  müssen,  so  kann  diese  Gleichung  nur  be- 
friedigt werden  fiir 

(23.)  x  +  y=  180^ 

Wenn  von  einem  Viereck  die  vier  Seiten  gegeben  mid^  so 
ist  also  der  Flächeninhalt  dann  ein  Maximum,  wenn  das  Viereck 
einem  Kreise  einbeschrieben  ist, 

Stegemaim- Kiepert,  Differential-Seolmiuig.  3^3 


(20.) 


562 


§  130.    Au^beiL 


Den  Werth  von  x  findet  man  jetzt  ohne  Weiteres  ans 
Gleichung  (19.),  weil  cosy  gleich  —  cosa?  ist.    Dies  giebt 
(24.)  a2  +  ft2_,2_ep 

2(a*  +  crf) 

Aufgabe  5.    Auf  einer  Ellipse  mit  der  Gleichung 
(25.)  5p  {x^  y)  =  J2^2  ^a^yi_  fjfl^fl  —  0 

sind  zwei  Punkte  P^  und  P^  gegeben;  man  soll  auf  der  Ellipse 

j-ig  140.  einen  dritten  Punkt  P 

p  V  bestimmen,  so  dass  der 

Flächeninhalt  des  Drei- 
^'  ecks  Pi  Pi  P  möglichst 

gross    wird.      (VergL 
Kg.  146.) 

Auflösung.  Bezeich- 
net man  die  Goordina- 
ten  der  Punkte  P^ ,  Pj, 
P  bezw.  mit  x^^  y\\ 
^j  y2;  ^)  y»  so  wird 
bekanntlich  der  dop- 
pelte Flächeninhalt  des  Dreiecks  P1P2P 

(26.)    2P=  X  {yx—t/i)  +  y  (^^2  —  x^)  +  ^1  ^2  —  ^2^1  =/(^>  y)- 

Dies  ist  die  Function,  welche  ein  Maximum  werden  soll. 
Zwischen  den  beiden  Veränderlichen  x  und  y  besteht  dabei  noch 
die  Gleichung  (25.),  da  der  Punkt  P  auf  der  Ellipse  liegen  soll. 
Deshalb  ist  hier 

^      ^^      \  +;i(J2^2  4.a2y2_a2J2)^ 


(28.) 


{ 


^1  (^jy)  =  yi  — y2  +  2^*^^  =  0, 

-'^2  (^j  y)  =  ^2  —  ^1  +  2Aa2y  =  0. 

Dies  giebt  durch  Elimination  von  X 

(29.)  i^  (ar^  _  x^X+  «2  (y^  —y^y=z  0. 

Da  die  Punkte  P^  und  Pj  auch  auf  der  Ellipse  liegen, 
gelten  die  Gleichungen 

V^x^^  +  ahf^^  —  aVy^  =  0     und     V^x^  +  ah)^  —  d^lP-  =  0, 


so 


§  lao.    Au^ben.  568 

folglich  ist  auch 

(30.)  i2  (^^2_  ^^2)  +  d>  (yi^  -  y^')  =  0 ; 

d.  h.  die  Gleichung  (29.)  wird  befriedigt  fllr 

(31.)  X  =  ^-|-^,  y  =  2L^J^ 

und  stellt  deshalb  einen  Durchmesser  dar,  welcher  die  Sehne 
Pi  P2  halbirt.  Nennt  man  die  Endpunkte  dieses  Durchmessers 
P  und  P*,  so  haben  diese  beiden  Punkte  die  verlangte  Eigen- 
schaft des  Maximums,  denn  nach  der  Lehre  von  den  conjugirten 
Durchmessern  sind  die  Tangenten  in  P  und  P'  zu  P^P<i  parallel. 
In  dem  Dreieck  P1P2P  (und  ebenso  in  dem  Dreieck  P1P2P') 
ist  deshalb  die  Höhe  grösser  als  in  einem  jedem  Dreiecke  P^Pc^P*^ 
welches  dieselbe  Grundlinie  P1P2  hat,  dessen  Spitze  P"  aber 
auf  der  Ellipse  dem  Punkte  P  (bezw.  dem  Punkte  P')  benach- 
bart liegt. 

Aufgabe  6.    In  eine  Ellipse  soll  ein  möglichst  grosses  Drei- 
eck P1P2P3  einbeschrieben  werden.    (Vergl.  Fig.  147.) 

Auflösung,      Diese  Fig.  u?. 

Aufgabe  lässt  sich  un- 
mittelbar auf  die  vor- 
hergehende zurückfüh- 
ren ,  indem  man  z.  B. 
die  Punkte  P^  und  P2 
als  gegeben  ansieht 
und  den  Punkt  P3  sucht. 
P3  muss  dann  auf  der 
Verlängerung  des  Halb- 
messers OP3  liegen, 
welcher  P1P2  halbirt. 

Ebenso  muss  die  Verlängerung  von  OP^  die  Gerade  P2P3,  und 
die  Verlängerung  von  OP2  die  Gerade  P3P1  halbiren,  d.  h.  der 
Mittelpunkt  0  der  Ellipse  ist  gleichzeitig  der  Schwerpunkt  des 
gesuchten  Dreiecks  P^P^P^. 

Da  in  jedem  Dreieck  der  Schwerpunkt  die  di'ei  Halbirungs- 
transversalen  im  Verhältniss  von  1  :  2  theilt,    so  kann  man  ein 

36* 


564  §  130.    Au^ben. 

solches  Dreieck  P\P2P%  constriiiren,  indem  man  auf  der  EUipse 
einen  Punkt  P^  beliebig  annimmt,  den  Halbmesser  OP^  über  O 
bis  Ni  verlängert,  so  dass 

(32.)  P^O^  20 N^ 

wird,  nnd  durch  N^  eine  Parallele  zu  der  Tangente  im  Pnnkte 
Pi  zieht;  dann  schneidet  diese  Parallele  die  Ellipse  in  zwei 
Punkten  P^  nnd  Ps?  so  dass  das  Dreieck  P1P2PS  seinen  Schwer- 
punkt in  0  hat.  Dabei  sind  nach  der  Lehre  von  den  conjugirten 
Durchmessern  die  Coordinaten  des  Punktes  N^ 

^i^^2  +  ^       yi  _  »2  +  ys> 
2        2    '      2         2 

folglich  gelten  die  Gleichungen 

(88.)  a:i  +  3-2  +  ^3  =  0    und    yi  +  y2  +  ya  =  0. 

Da  bei  dieser  Construction  der  Punkt  Pj  noch  ganz  be- 
liebig auf  der  Ellipse  angenommen  werden  durfte,  so  findet  man 
hierdurch  unendlich  viele  Dreiecke,  von  denen  aber  sogleich  ge- 
zeigt werden  soll,  dass  sie  alle  gleichen  Flächeninhalt  haben. 
Der  doppelte  Flächeninhalt  des  Dreiecks  P1P2P3  wird  nämlich 
mit  Eücksicht  auf  die  G^leichungen  (33.) 

(34^   f  2^=^i(y2  — y3)  +  ^2(y3  — yi)  +  ^(yi— y2) 
t      =3(0:1^2— ^2yi)- 

Da  die  Punkte  P^  und  Pj  auf  der  Ellipse  liegen,  gelten 
die  Gleichungen 

(35.)     b^x.'^x^^  +  «^yi^ya^  +  «^*^  (^1^2^  +  ^2^1*)  =  «'**• 
Femer  hat  die  Tangente  im  Punkte  P^  die  Gleichung 

folglich  ist  die  Gleichung  der  G^eraden,  welche  man  durch  N^ 
parallel  zu  dieser  Tangente  legt, 

(36.)  2lflx^x'  +  2a2yiy'  +  d?V^  =  0. 

Da  diese  Gerade  durch  den  Punkt  P2  hindurchgeht,  so  wird 
(37.)         4J*:ri2^2  +  ^a^V^x^x^y^y^  +  ^a^y^^y^  =  a^h\ 


§  130.    Aufgaben. 


565 


Fig.  14a 


oder  mit  Eficksicht  auf  Gleichung  (85.) 

oder 

(38.)    4  [x^y^  —  ar^yi)^  =  3«2i^     2  {x^y^  —  x^y^)  ^  abYs. 

Dies  giebt 

(39.)  ^^  SabyW. 

Der  Flächeninhalt  ist  also  unabhängig  von  der  Lage  des 
Punktes  P^,  so  dass  es  unendlich  viele  Dreiecke  P1P2-P3  giebt, 
welche  gleichen  Inhalt  besitzen,  und  welche  grösser  sind  als  alle 
übrigen  der  Ellipse  einbeschriebenen  Dreiecke. 

Aufgabe  7.  In  eine  Eugel  mit  dem  Halbmesser  a  soll  ein 
Cylinder  mit  möglichst  grosser  Oberfläche  einbeschrieben  werden. 
(VergL  Fig.  148.) 

Auflösung.  Bezeichnet  man 
die  Halbmesser  der  Grundkreise 
mit  X  und  die  Höhe  des  Cylin- 
ders  mit  y,  so  wird  die  Ober- 
fläche 

(40.)     F=  2x^7t  +  2xTty, 
also 

(41.)     f(x,y)  —  x^  +  xy, 

wobei  noch  zwischen  x  und  y  die 
OMchung 

(42.)  9)  {x,  y)  =  4a;2  +  y2  _  4^2  —  0 

besteht.    Daraus  folgt 

^(^5  y)  ==/(^,  y)  +  ^y  (^»  y)» 

-Fl  («,y)  =  2a:  +  y  +  8Aa;  =  0, 

ar  +  2Ay  =  0, 
2a:y  +  y^  — 4:^2  =  0, 


(43.) 
(44.) 


|-p;(^,y)  = 
li^2(^,y)  = 


(45.) 

oder 
(45  a.) 

(46.) 


(^  +  y)2  =  5a;2,    y  =  :r(— 1±]/5), 
a:2  (10  HF  2^5)  =  4a2, 


566  §  130.    Aufgaben. 


(47.)  -  =  |l/l±^'y  =  -|/lT^' 

(48.)         fix,  y)  =  x{x  +  y)^  x^^^  ^  (l/ö  ±  1). 


um  den  grösseren  Werth  von  /  (x,  y)  zu  erhalten ,  muss 
man  also  in  den  vorstehenden  Gleichungen  das  obere  Zeichen 
nehmen. 

Aufgabe  8.    Durch  den  Mittelpunkt  O  eines  EUipsoids 

(49.)  y^  (^,  y,  ^)  =  g  +  |!  +  f!  _  1  =  0 

ist  eine  Ebene 

(50.)  5p2  (^j  y^z)=i  Ax^  By  -{-  Cz  =  0 

gelegt;  man  soll  dieAxen  der^von  dieser  Ebene  ausgeschnittenen 
Ellipse  bestimmen. 

Auflösung.  Verbindet  man  einen  beliebigen  Punkt  P  der 
Schnittcurve  mit  O,  so  wird 

(51.)  OP  =/  (x,  y,  z)^x^  +  y^  +  z\ 

wobei  die  Veränderlichen  x^  y,  z  den  Gleichungen  (49.)  und  (50.) 
genügen  müssen.  Unter  diesen  Halbmessern  OP  ist  die  grosse 
Halbaxe  ein  Maodmum  und  die  kleine  Halbaxe  ein  Minimum. 
Man  findet  daher  die  beiden  Axen,  indem  man  die  Werthe  von 
x^  y,  z  bestimmt,  für  welche  /  (ic,  y,  z)  ein  Maximum  oder  Mini- 
mum wird.    Hierbei  ist 

(52.)  F{x,  y,  z)  =/  +^1^1  +  ^9)2j    ' 

(53.)  Fi  =  2x-\--^  +  AX^  =  0, 

(54.)  i?j  =  2y  +  ?^  +  5^2  =  0, 

(55.)  i^3  =  22  +  ^  +  (7^  =  0, 

also 


§  130.    Aufgaben.  567 

Mit  Rücksicht  auf  die  Gleichungen  (50.)  und  (49.)  folgt 
hieraus 

A^a^  B'^h'^  (72^2    ^ 

V^"^-)  a^  +  l^  +  W+\  '^  c^  +  i^  "  ^' 

Aus  Gleichung  (57.)  findet  man  die  beiden  Werthe  von  ^i 
und  aus  Gleichung  (58.)  die  zugehörigen  Werthe  von  ^2.  Indem 
man  diese  Werthe  von  l^  und  A2  in  die  Gleichungen  (56.)  ein- 
setzt,  erhält  man  schliesslich  die  gesuchten  Werthe  von  x^  y,  z. 


XVI.  Abschnitt. 

Theorie  der  complexen  Grössen. 

§  131. 

Erklärung  der  complexen  Grössen. 

(Vergl.  die  Fomel-Tabelle  Nr.  155—163.) 

Bekanntlich  fahrt  schon  die  Auflösung  der  quadratischen 
Gleichungen  häufig  auf  imaginäre  Wurzeln.    Ist  z.  B. 

a;2  +  6a:  +  13  =  0, 

SO  wird 

X—  •-3±)/^^  =  — 3±2«, 

wobei  y  —  1  mit  i  bezeichnet  worden  ist.   Aus  )/ —  1  =  t  folgt 

(1.)        t2  =  — 1,     |3  =  — t,     *4=  +  l,     i^^  +  i,.... 

Es  ist  nicht  nur  von  grossem  Vortheil,  imaginäre  Grössen  in  die 
Bechnung  einzuführen,  sondern  es  steUt  sich  sogar  bei  vielen 
Untersuchungen  die  Nothwendigieit  heraus,  mit  solchen  Grössen 
zu  rechnen.  Da  die  Bezeichnung  ^^imaginär^^  leicht  die  falsche 
Vorstellung  erwecken  könnte,  dass  die  Eechnung  mit  imaginären 
Grössen  unzulässig  sei,  nennt  man  dieselben  gewöhnlich  zum 
Unterschiede  von  d^  reellen  Grössen  complexe  Grössen  und 
kann  zeigen,  dass  sich  alle  Rechnungen  mit  ihnen  in  derselben 
Weise  ausfuhren  lassen  wie  mit  reellen  Grössen.  Ihre  allge- 
meine Form  ist 

a  +  ly  —  1    oder    a  +  W, 

wobei  a  und  b  reelle  Grössen  sind,  a  heisst  der  reelle  TheU 
und  b  der  Factor  des  imaginären  Theils.  Ist  der  reelle  Theil 
einer  complexen  Grösse  gleich  0,  so  heisst  sie  rein  imaginär. 


§  131.    ErkläruDg  der  complexen  Grössen.  569 

Wie  die  reellen  Grössen  ans  den  beiden  Einheiten  + 1  und 
—  1  gebildet  sind,  so  werden  die  complexen  Grössen  aus  den 
vier  Einheiten 

+  1,  —  1,  +  *,  —  i 
gebildet.  Auf  die  so  erklärten  Grössen  kann  man  ohne  Weiteres 
die  Eegeln  der  Addition,  Subtraction,  Multiplication  und  Divi- 
sion, wie  sie  fflr  reelle  Grössen  gelten,  anwenden.  Das  Eesultat 
dieser  Operationen  ist,  wie  sogleich  gezeigt  werden  soll,  wieder 
eine  Grösse  von  der  Form  A  +  Bi.  Daraus  folgt  dann  die 
Berechtigung^  mit  complexen  Grössen  ebenso  zu  rechnen,  wie  mit 
reellen. 

I.  Addition.  Complexe  Grössen  werden  addirt,  indem  man 
die  reellen  Theile  zu  den  reellen  und  die  Factoren  der  imaginären 
TheUe  zu  den  Factoren  der  imaginären  Theile  addirtj  also 

(2.)  (a  +  hi)  +  (c  +  dt)  =  (a  +  c)  +  (J  +  d)i. 

Das  Eesultat  hat  wieder  die  Form  A  +  Bi. 

II.  Subtraction.  Zwei  complexe  Grössen  werden  von  ein- 
ander suhtrahirty  indem  man  die  reellen  Theile  und  die  Factoren 
der  imaginären  Theile  von  einander  subtrahirt,  also 

(3.)  {a  +  bi)  —  {c  +  di)  =  (a  —  c)  +  (b  —  d)i. 

Das  Eesultat  hat  wieder  die  Form  A  +  Bi. 

III.  Multiplication.  Zwei  complexe  Grössen  werden  mit  ein- 
ander multiplidrtj  indem  man  jeden  Theil  des  einen  Factors  mit 

jedem  Theile  des  anderen  Factors  muüiplicirty  also 

(4.)  {a  +  bt)  (c  +  di)  =  ac  +  bei  +  adi  +  bdi^ 

=  (ac  —  bd)  +  (ad  +  bc)i. 
Auch  hier  hat  das  Eesultat  die  Form  A  +  Bi. 

In  dem  besonderen  Falle,  wo  c=a,  d= — b  ist,  erhält  man 
(5.)  (a  +  bi)  (a  —  bi)  =  a2  +  b\ 

Hier  ist  das  Eesultat  sogar  eine  positive  reelle  Grösse. 

Zwei  solche  complexe  Grössen,  die  sich  nur  durch  das  Vor- 
zeichen des  imaginären  Theiles  von  einander  unterscheiden, 
heissen  conjugirt;  es  gelten  für  sie  die  folgenden  Sätze: 


670  §  131.    Erklärung  der  compleoLen  Grosseo. 

1)  Die  Summe  zweier  conjugirt  camplexen  Grössen  ist  reeü: 

(6.)  (a  +  hi)  +  (a  —  b%)  =  2a. 

2)  Die  Differenz  zweier  can/uffirt  complexen  Grössen  ist 
rein  imaginär: 

(7.)  (a  +  bi)  —  (a  _  W)  =  2bi. 

3)  Das  Product  zweier  conjugirt  complexen  Grössen  ist  reeü 

und  positiv: 

(a  +  bi)(a  —  bi)  =  a^  +  b\ 

Dieses  Product  heist  nach  Gauss  die  Norm  von  a  +  bi  und 
ebenso  die  Norm  von  a  —  bi.  Um  die  Norm  einer  complexen 
Grösse  zu  bezeichnen,  setzt  man  ein  N  vor  dieselbe;  es  ist  also 

(8.)  N{a  +  bt)  =  N{a^  bi)  =  a»  +  b\ 

Die  Quadratwui'zel  aus  der  Norm,  mit  positivem  Vorzeichen 
genommen,  heisst  der  Modul  oder  (nach  Weierstrass)  der  ab- 
solute Betrag  der  complexen  Grösse.  Das  Zeichen  dafür  ist  ein 
vorgesetztes  M  oder  zwei  senkrechte  Striche,  von  denen  die 
complexe  Grösse  eingeschlossen  wird,  also 


(9.) 


j  M(a  +  bi)  =  \a  +  bi\  =  +  Ya^  +  b^, 
\  M{a  —  bt)^\a—bi\^  +  yWT^\ 
Aus  der  Gleichung 


XX  1       a  —  bi  a  —  bi 

^^^')  a  +  bi"  {a  +  bi){a  —  bi)  ""  «2  +  j2 

folgt  der  Satz: 

4)  Der  reciproke  Werth  einer  complexen  Grösse  ist  gleich 
ihrer  conjugirten^  dividirt  durch  die  Norm. 

IV.  Division.  Bei  der  Division  complexer  Grössen  multi- 
plicirt  man  Zähler  und  Nenner  mit  der  zum  Nenner  conjugirten 
Grösse,  dann  hat  man  nur  noch  durch  eine  reelle  Grösse,  nämlich 
nur  durch  die  Norm  des  Nenners  zu  dividiren.    Dies  giebt 

.      .  c  +  di (c  +  di)  (a  —  bi) ac  +  bd       ad —  bc  , 

(^^•)  74rw""(a+ W)(a  — W)""  a^  +  i^  +  «2  +  ^2  *• 

Auch  hier  hat  das  Eesultat  die  Form  A  +  Bi. 

Da  eine  Potenz  mit  ganzzahligem  Exponenten  em  Product 
ist,  so  kann  man  auch  eine  complexe  Grösse  potenziren.  Es 
wird  also 


%  182.    Einige  Sätze  über  complexe  Grössen.  571 


§  182. 

Einige  Sätze  Ober  complexe  GrBssen.    Moi  vre 'sehe 

Formein. 

(Vergl.  die  Formel-Tabelle  Nr.  164—169.) 

Da  eine  rein  imaginäre  Grösse  die  Quadratwurzel  aus  einer 
negativen  Zahl  ist,  so  kann  eine  reelle  Grösse,  welche  von  0 
verschieden  ist,  niemals  einer  rein  imaginären  Grösse  gleich  sein. 
Ist  also 

(1.)  a  +  W=0, 

so  mässen  a  und  h  einzeln  gleich  0  sein.    Dies  giebt 

Satz  1.  Sind  zwei  complexe  Grössen  einander  gleich^  so 
müssen  die  reellen  Theile  und  ebenso  auch  die  Faktoren  der 
imaginären  Theile  einander  gleich  sein. 

Beweis.    Aus 

(2.)  a  +  W  =  c  +  di 

folgt 

(3.)  (a  +  ht)  —  {c  +  di)  —  {a  —  c)+{b  —  d)i=iO. 

Dies  giebt  aber 
(4.)         a  —  c  =  0,     h  —  rf=0,     oder    a  =  c,     b  =  d. 

Jede  Gleichung  zwischen  complexen  Grössen  umfasst  daher 
zwei  Gleichungen  zwischen  reellen  Grössen. 

Die  complexen  Grössen  lassen  sich  auch  noch  in  einer  etwas 
anderen  Form  darstellen«    Setzt  man  nämlich 


(5.)  I  a  +  W|  =  +  ya2  +  i2  =  r, 

so  wird  r^a  und  r  ^ 5,  folglich  kann  man  zwischen  0  und  2n 
(bezw.  zwischen  0®  und  360®)  einen  Winkel  y  so  bestimmen,  dass 


n 

90«     „     180^ 

n 

r 

180«     „     270«, 

n 

» 

270«     „     360«, 

n 

572  §  132.    Einige  Sätze  über  complexe  GrössexL 

(6.)  cosy  =  —  >      srny  =  — 

wird.    Dabei  liegt  der  Winkel  q> 

zwischen    0«  und    90«,  wenn  a>0,  i  >0, 

a<0,  i>0, 
a<0,  i<0, 
ö>0,  J<0. 

Dieser  Winkel  ^  heisst  das  Argument  der  complexen  Grösse 
a  +  hi.    Durch  Einfahrung  dieser  Bezeichnungen  wird 

(7.)  a  '\-  bi:=ir  (cosy  +  i  sin 9)). 


Multiplicirt  man  jetzt  die  complexen  Grössen  r^  (cos  y ,  +  tsin^pi ) 
und  rj  (cosyj  +  t  sin  9)2)  mit  einander,  so  erhält  man 

Ir^  (cos^i  +  t  sinyi) .  r^  (cosy2  +  **siny2)  = 
^1  ^2  [(cos  y  1 COS5P2 —  sin  y  isin5p2) + 1  (siny?!  0089)2 + cosy ,  sin5p2)] 
=  r^r^  [cos  (^1  +  ^2)  +  ♦  sin  {tp^  +  yj)]- 

Diese  nach  Moivre  genannte  Formel  giebt 

Satz  2.  Complexe  Grrössen  werden  mit  einander  multiplicirt^ 
indem  man  ihre  absoluten  Beträge  mit  einander  multipUcirt  und 
ihre  Argumente  addirt. 

Dieser  Satz  lässt  sich  ohne  Weiteres  auf  Producte  von  drei 
oder  mehr  Factoren  übertragen;  es  ist  also 

ri(cos9)i+tsinyi) .  ^2(0039)2  +  *  sin9)2)  •  ^3  (cos  9)3  +  «sin y^) 

1^2^3  [COS(yi  +  y2  +  SP3)-|-»Sto(yi  +  9>2  +  SPs)]- 

Sind  die  Factoren  alle  einander  gleich,  so  erhält  man 
(10.)        [r  (COS9)  +  i  siny)]»*  =  r~  [cos  (»y)  +  t  sin  (»5p)]  :;       -^^ 

und  damit 

Satz  3.  Eine  complexe  Grösse  wird  potenzirt,  indem  man 
den  absoluten  Betrag  potenzirt  und  das  Argument  mit  dem  Potenz- 
exponenten  multiplicirt. 

Für  r  =  1  geht  die  Gleichung  (10.)  über  in 

cos  (nq))  +  «sin  (ny)  =  (cosy  +  « siny)*  = 


(9.)    /^»(«^^T 
l        ='•1 


§  132.    Einige  Sätze  über  complexe  Grössen.  578 

cos*5p —  f  ^  jcos«-2y sin^y  +  ( ^)cos**~V  sin^y — h  ... 

+  t  f  ^  jcos**~V  siny  — (    jcos**-^9)  sin^  H ...  . 

Dies  giebt  mit  Eücksicbt  auf  Satz  1 
(11.)  cos(n9))=cos'*9) — C^^  — h. . ., 

(12.)     sin  (ng>)  =f  ^  jcos'*-^  siny— f  ^  jccs^-V  sin^yH .... 

Durch  diese  Formeln,  in  denen  das  Multiplicationstiieorem 
der  trigonometrischen  Functionen  ausgesprochen  ist,  lassen  sich 
Qjo^in^)  und  sin(n^)  als  rationale  Functionen  von  cosjp  und  sin 9) 
darstellen. 

Es  wird  z.  B.  für  w  =  5,  wenn  man  noch  die  Kelation 
cos^jp  +  sin^y  =  1  anwendet, 

cos  (55p)  =  cos^y  — 10  cos^y  sinV  +  5  cosy  sinV 

=  16  cos^y  —  20cos^y  +  5  cosy, 
sin  (5  5p)  =  5  cos^  siny  — 10  cos^jp  sin^jp  +  sin^y 

=  16  sin^y  —  20  siQ^y  +  5  siny. 

Für  die  Division  zweier  complexen  Grössen  erhält  man  jetzt 
r^  (cosy^  +^'sinyt)  _  r^  (cos y^  + 1  sin  y^)  (cos  ^2  —  ^  sin (p^ 
r^  (cos  ^2  +  *  süi  ^2) "~  ^2  (cosy2  +  *  siny2)  (cos  5P2  —  *  sin  (p^ 
__r^  (cosyt  cosy2+sinyi  siny2)  + 1  (sin  y^  cosy2 —  cosy^  siny2) 
^  r^  C0S^y2  +  SÜi2y2 

oder 

/-.«\  /•i(cosyi +*'sinyi)      ^1  r      /  \  •    •  •    /  m 

(!»•>  4(008  yU^sinS  =  t  f^«  ^^^  -  f'^^  +  '  ^  (^>  -  ^^)]- 
Daraus  folgt 

Satz  4.  Complexe  Gfrössen  werden  durch  einander  dwidirt, 
indem  man  die  absoluten  Beträge  durch  einander  dividirt  und 
die  Argumente  von  einander  suhtrahirt. 

Der  Satz  3  macht  es  jetzt  auch  möglich,  aus  einer  complexen 

Grösse  die  »*•  Wurzel  auszuziehen.    Unter  yr  (cos  y  +  t  sin  y) 
versteht  man  nämlich   eine  Grösse,   deren  ;^*•  Potenz    gleich 


574      §  1B3.     Geometrische  DarsteUung  der  complexen  Grössen. 

r  (cos  9)  +  « siny)  ist.    Diese  Eigenschaft  besitzt  für  ganzzahlige 
Werthe  von  h  die  complexe  Grösse 

(14.)  ^  =  yV[o.(SH^)+.«n(2±i*2)} 

denn  es  wird  nach  Gleichung  (10.) 

^♦»  =  r  [cos  (y  +  2Ä7r)  +  i  sin  {tp  +  2Ä7r)], 

oder,  weil 

cos(9)  +  ^Att)  =  COS5P  und  sin (y  +  2Ä7r)  =  siny 

ist, 

(15.)  ^•*  ==  r  (cos  9P  +  *  siujp). 

Dies  giebt 
(16.)  f r (cosy +«smy)  =  v7[cos(J^i^)  +.sm(^^i^)] 

Dabei  erhält  man  für  die  w*®  Wurzel  aus  einer  complexen 
Grösse  im  Ganzen  n  von  einander  verschiedene  Werthe,  wenn 
man  der  ganzen  Zahl  h  die  Werthe  0,  1,  2, . . .  n — 1  beilegt. 

Damit  ist  bewiesen: 

Satz  5.  Aus  einer  complexen  Grösse  wird  die  Wurzel  ge- 
zogen^ indem  man  sie  aus  dem  absoluten  Betrage  zieht  und  das 
Argument  durch  den  Wurzel-Exponenten  dividirt. 

Gleichzeitig  sind  hiermit  auch  die  Potenzen,  deren  Exponent 
eine  gebrochene  Zahl  ist,  ebenso  für  complexe  Grössen  erklärt 
wie  für  reelle,  indem  man 

(17.)  A^  =  \r^P=(\/A)p 

findet. 

§  133. 

Geometrische  Darstellung  der  complexen  Grössen. 

Wie  man  die  reellen  Grössen  durch  Punkte  oder  Strecken 
in  einer  geraden  Linie  geometrisch  darstellen  kann,  so  kann  man 
die  complexen  Grössen  durch  Punkte  oder  Strecken  in  einer  JEbene 
darstellen.    Dabei  soll  der  folgende  Grundsatz  gelten: 

Zwei  Strecken  sind  einander  gleich^  wenn  sie  gleiche  Länge 
und  gleiche  Richtung  hohen. 


§  133.    Geometrische  DarsteUung  der  complezen  Grössen«      575 


Fig.  149. 
T 


Jl 


(J 


+1 


Fig.  150. 


Dann  bezeichne  man  mit  + 1  eine  Strecke ,  deren  Länge 
gleich  1  ist,  und  deren  Eichtung  parallel  ist  zur  positive 
Eichtimg  d^  X-Axe.  Mit  +i  dagegen  bezeichne  man  eine 
Strecke,  deren  Länge  auch  gleich  1  ist,  deren  Eichtung  aber 
parallel  ist  zur  positiven  Eichtung  der  F-Axe.    (Vergl.  Fig.  149.) 

Damit  ist  natürlich  noch  nicht  ge- 
sagt, dass  +  i  dieselbe  Bedeutung  habe 
wie  in  den  vorhergehenden  Paragraphen, 

dass  nämlich  i  gleich  Y  —  1  sei;  es 
sollen  vielmehr  die  hier  folgenden  Un- 
tersuchungen zunächst  ganz  unabhängig 
von  den  vorhergehenden  geführt  werden. 
Demnach  werde  hier  die  complexe  Grösse 
a  +  hi  durch  eine  Strecke  OP  erklärt, 
welche  den  Anfangspunkt  der  Coordinaten  0  und  einen  Punkt 
P  mit  den  Coordinaten  OQ  =  a^  QP  =  h  verbindet.  (Vergl. 
Fig.  150.)  Man  gelangt  nämlich  vom 
Punkte  0  aus  zum  Punkte  P,  indem 
man  a  Einheiten  in  der  Eichtung  der 
X-Axe  und  b  Einheiten  in  der  Eichtung 
der  F-Axe  durchläuft,  oder  indem  man 
zuerst  b  Einheiten  in  der  Eichtung  der 
F-Axe  und  dann  a  Einheiten  in  der 
Eichtung  der  X-Axe  durchläuft. 

So  entspricht  jeder  complexen  Grösse  a  +  bi  ein  Punkt  P 
in  der   Ebene  und  jedem    Punkte    P   eine    complexe  Grösse 
a  +  bi.    Durch  die  Gleichungen 
(1.)     a  =  rcosy,    b  =  rsiny,    a  +  W  =  r{co^(p  +  isin^)) 

kann  man  auch  Polarcoordinaten  einführen.  Dabei  heisst  r  der 
absolute  Betrag  der  Strecke  OP,  weil  ihre  Länge  gleich  r  ist,  und 
der  Winkel  y  heisst  das  Argument  der  complexen  Grösse. 

Die  so  erklärten  complexen  Grössen  kann  man  nun  durch 
Addition,  Subtraction,  Multiplication  und  Division  mit  einander 
verbinden,  indem  man  dieselben  Eegeln  anwendet,  welche  für 
reelle  Grössen  gebräuchlich  sind;  und  zwar  geschieht  das  in 
folgender  Weise: 


576       §  133.    Geometarisclie  DarsteUung  der  compleoLen  GröBseiL 


Fig.  151 


0 


P 


I.  Addition.    Will  man  die  Addition  zweier  reellen  Grrossen 

geometrisch  ausführen,  so  trägt  man  auf  einer  Geraden,  z.  B. 

auf  der  X-Axe  vom  Anfangspunkte  0  aus  eine  Strecke  OP  ab, 

welche  der  einen  Grösse  entspridit, 
und  darauf  vom  Punkte  P  aus  eine 
zweite  Strecke  PÄ,  welche  der  an- 
deren Grösse  entspricht.  Dadurch 
erhält  man  eine  Strecke  OB,  welche 

die  Summe  der  beiden  gegebenen  Grössen  geometrisch  darstellt. 

In  welcher  Reihenfolge  man  die  beiden  Strecken  auf  einander 

folgen  lässt,  ist  dabei  gleichgültig. 

Genau  ebenso  kann  man  zwei  complexe  Grössen  a^  +  bii 
und  «2  +  hh  welche  durch  die  Strecken  OF^  und  OP2  geome- 
trisch  dargestellt  sind,   addiren    (vergl.  Fig.  152).    Man  macht 
Pig  152^  zu  diesem  Zwecke  den  Punkt 

Pi  zum  Anfangspunkte  einer 
Sü'ecke  Pi-B,  welche  der 
Strecke  OP^  gleich  ist,  d.  h. 
welche  mit  OP^  gleiche  Länge 
und  gleiche  Sichtung  hat.  Da- 
durch erhält  man  ein  Parallelo- 
gramm OP^RP^,  in  welchem 
der  Punkt  ü,  bezw.  die  Diago- 
nale OR  die  Summe  der  beiden 
gegebenen  Strecken  OP^  und  OP2  ist. 

Da  die  Seite  P^R  der  Seite  OP^  gleich  und  parallel  ist, 
so  hätte  man  auch  P^  zum  Anfangspunkte  einer  Strecke  P^R 
machen  können,  welche  der  Strecke  OP^  gleich  ist,  und  wäre 
zu  demselben  Punkte  R  gekommen. 

Wie  man  sehr  leicht  aus  Figur  152  nachweisen  kann,  sind 
dabei  die  Coordinaten  des  Punktes  R  gleich  a^+a^  und  Äi-fi^, 
so  dass  er  in  der  That  der  complexen  Grösse 

(2.)         («1  +  b^i)  +  («2  +  *2*J  =  («1  +  «2)  +  (*i  +  *2)* 

entspricht. 

In  dieser  Gonstruction  ist  der  Satz  vom  Parallelogramm  der 
Kräfte  enthalten.    Versteht  man  nämlich  unter  OP^  und  OP^ 


§  133.    Geometrische  Darstellung  der  complexen  Grössen.        577 


zwei  Kräfte  mit  demselben  Angriffspunkte  0,  so  haben  sie  mit 
der  Diagonale  OR  des  Parallelogramms  OP^BP^  gleiche 
Wirkung.    Dabei  sind 

a^  und  ii         die  Componenten  von  OP^^ 

^2      »       ^2  ?)  »  w       ^-M> 

«1   +  «2      „       *!  +  ^2     J9  M  »       Ö-S- 

Die  Componenten  der  resultirenden  Kraft  findet  man  also, 
indem  man  die  Einzelkräft)e  in  ihre  Componenten  zerlegt  und 
die  gleichgerichteten  Componenten  addirt. 

II.  Subtraction.  Da  eine  Grösse  von  der  anderen  subtrahirt 
wird,  indem  man  die  entgegengesetzte  Grösse  addirt,  so  kann 
man  die  Subtraction  auf  die  Addition  zurückfiihren  und  findet 

(3.)      (ai  +  b^i)  —  («2  +  *2*)  =  («1  +  *iO  +  {—<h  —  h^l 

=  («1  —  «2)  +  (*i  —  ^2)  *'• 

III.  Multiplicatlon.  Für  reelle  Grössen  gilt  die  Regel:  Das 
Prodicct  A .  B  entsteht  aus  B  wie  A  aus  der  Einheit.  Dieselbe 
Regel  kann  man  auch  bei  der  Multiplicatlon  zweier  complexen 
Grössen  r^  (cos 9)1  +  tsin^i)  und  rjCcos^j  +  «sin 9)2)?  welche  den 
Strecken  OP^  und  OP^  entsprechen,  anwenden. 

Hat  der  Punkt  E  (Fig.  153)  '^^'  ^^' 

die  Coordinaten  a  =  1  und  i  =  0, 
so  entsteht  die  Strecke  OP^  aus 
der  Einheit  O JB,  indem  man  durch 
0  eine  Gerade  legt,  welche  mit 
OE  den  Winkel  y^  bildet,  und 
auf  dieser  Geraden  die  Länge  der 
Einheit  (OJE)  r^-mal  abträgt. 
Ebenso  findet  man  das  Product 
der  beiden  Strecken  OP^  und  OP2, 
indem  man  durch  den  Anfangs- 
punkt 0  eine  Gerade  legt,  welche 
mit  der  Geraden  OP^  den  Winkel  y^  bildet,  und  auf  dieser 
Geraden  die  Länge  von  OP^  (also  r<^  r^-mal  abträgt.  Dadurch 
erhält  man  einen  Punkt  Ä,  welcher  dem  Producte  der  beiden 
complexen  Grössen  entspricht. 

Stegemann- Kiepert,  Differential-Rechn\ing. 


37 


578      §  133.    Geometrische  Daistellung  der  complexen  Grössen. 

Durch  den  Umstand,  dass  die  beiden  Dreiecke  OEP^  und 
OP^It  einander  ähnlich  sind,  wird  auch  die  Construction  des 
Punktes  JR  verhältnissmässig  einfach.  Man  mache  zu  diesem 
Zwecke  das  Dreieck  OE'P*^  dem  Dreieck  OEP^  congruent  und 
ziehe  P^B  parallel  zu  E'P^,  Dabei  hat  die  Strecke  OB  nach 
Construction  die  Länge  r-^r^  und  bildet  mit  der  positiven  Richtung 
dOT  X-Axe  den  Winkel  y^  +  ^2)  so  dass  man  erhält 

.^      1  ^i(^^S9i  +  isin^j) .  rjCcos^a  +  iwi^^ 

\  =  n  ^2[«>s(yi  +  9)2)  +  i^{(px  +  SPa)]- 

Es  gilt  also  auch  hier  der  Satz:  Complexe  Ghrössen  werden 
mit  einander  muUiplicirt  ^  indem  man  die  ahaoluten  Beträge  mit 
einander  mtUtiplicirt  und  die  Argumente  addirt. 

In  dem  besonderen  Falle,  wo 

TV  7t 

ri  =  l,    ^2  =  1,    SPi=-2'     ^2  =  ^ 

ist,  geht  die  Gleichung  (4.)  über  in 
(5.)  «2  =  _  1. 

Damit  ist  bewiesen,  dass  die  complexen  Grössen  j  welche  in 
diesem  Paragraphen  geometrisch  erklärt  tourden^  mit  den  früher 
betrachteten  identisch  sind. 

IV.  Division.  Da  die  Division  die  Umkehrung  der  Multipli- 
cation  ist,  so  liegt  in  der  eben  angegebenen  Construction  aach 
die  Anleitung  zur  Division  complexer  Grössen«  Soll  man  nämUch 
die  den  Strecken  OB  und  OP^  entsprechenden  complexen 
Grössen  durch  einander  dividiren,  so  macht  man  wieder  das 
Dreieck  OP^B  (Fig.  153)  ähnlich  dem  Dreieck  OEP^ ,  so  dass 
Pj  und  E  homologe  Punkte  sind.  Die  Strecke  OP2  entspricht 
dann  dem  gesuchten  Quotienten,  und  es  gilt  der  Satz :  Complexe 
Grrössen  werden  durch  einander  dividirt,  indem  man  die  abso- 
luten Beträge  durch  einander  dividirt  und  die  Argumente  von 
einander  subtrahirt. 

Man  kann  die  Sätze  über  Addition  und  Multiplication  aus- 
dehnen auf  Summen  von  beliebig  vielen  Summanden  und  auf 


§  134.    Vier  Sätze  über  die  absoluten  Beträge. 


579 


Producte  mit  beliebig  vielen  Factoren.    Soll  man   z.  B.   die 
Strecken 

«1  +  *i«,     «2  +  hh  .  -  «n  +  bni 
addiren,  so  erhält  man  für  die  Summe  der  beiden  ersten  Strecken 
einen  Punkt  Ä^  ™t  den 
Coordinaten  a^  +  Oj  uiid 
Jj  +  ijj   flu"  die  Summe 
der  drei  ersten  Strecken 
einen  Punkt  iJj  mit  den* 
Coordinaten  «i  +  «2  +  03 

und  ^1  +  *2  +  *3;  Mi  die- 
ser Weise  kann  man  fort- 
fahren, bis  man  einen 
Punkt  Bn  mit  den  Coor- 
dinaten ai  +  «2  +  ...  +  an 
und  ij  +  *2  + . . .  +  *n  er- 
hält, welcher  der  Summe  entspricht.  Ist  das  Polygon 
OPiÄjJBs '  ..Bn  geschlossen,  so  dass  der  letzte  Punkt  J2„  mit 
dem  Anfangspunkte  0  zusammenfällt,  so  ist  die  Summe  gleich 
NuU;  die  Bedingung  flir  einen  geschlossenen  Streckenzug  ist 
daher 
(6.)  2(a  +  bi)^0. 


§  134. 

Vier  Sätze  über  die  absoluten  Beträge. 

Satz  1.  Der  absolute  Betraff  der  Summe  zweier  compUxen 
Grössen  ist  {gleich  oder)  kleiner  als  die  Summe  der  absoluten 
Beträge  und  {gleich  oder)  grösser  als  die  Differenz  derselben. 

Beweis.  Die  Summe  der  beiden  complexen  Grössen 
r^  (cos 9)1  -f  tsin^i)  und  r2 (cos 9^2  +  «sin 9)2)  ist 

(r^cosyt  +  ^2^089)2)  +  «(^iSin^i  +  r2siny2); 
der  absolute  Betrag  dieser  Sunmie  wird  daher 


V^i^  +  ^2^  +  2rir2COS(9)i  —  y,)- 


37 


580  §  134.    Vier  Sätae  über  die  absoluten  Beträge. 

Dieser  Ausdruck  erhält  seinen  grö&sten  Werth,  nämlich  den 
Werih  r^  +  ^2?  wenn  cos(yi  — y^)  =  +  1  wird;  den  kleinsten 
Werth  dagegen,  nämlich  den  Werth  \r^ — r^\^  erhält  er,  wenn 
cos(5Pi  —  ^2)  =  —  1  wird.    Deshalb  ist 

(1.)     I  ri  —  ^2  I  ^  Vr^^  +  ra^  +  2r^r^  cos(yi  —  9P2)  ^  n  +  r^. 

Damit  ist  der  Satz  bewiesen. 

Viel  einfacher  gestaltet  sich  der  Beweis  mit  Hülfe  der  geo- 
metrischen Darstellung;  denn  da  ist  dieser  Satz  identisch  mit 
dem  Satze:  In  einem  Dreiecke  OP^R  (Fig.  152)  ist  die  Seite 
OR  kleiner  als  die  Summe  und  grösser  als  die  Difi^erenz  der 
beiden  anderen  Seiten  OP^  und  P^R. 

Satz  2.  Der  absolute  Betrag  der  Differenz  zweier  com- 
plexen  Grössen  ist  {gleich  oder)  kleiner  als  die  Summe  der 
absoluten  Beträge  und  (gleich  oder)  grösser  als  die  Differenz 
derselben. 

Beweis.  Man  kann  die  Differenz  auch  als  eine  Summe  auf- 
fassen, indem  man  die  Grösse,  welche  subtrahirt  werden  soll, 
mit  dem  entgegengesetzten  Vorzeichen  versehen,  addirt.  Deshalb 
folgt  dieser  Satz  schon  aus  dem  vorhergehenden  Satze. 

Man  kann  somit  den  Satz  1  auch  ohne  Weiteres  ausdehnen 
auf  die  Summe  oder  Differenz  beliebig  vieler  Grössen. 

Satz  3.  Der  absolute  Betrag  des  Productes  zweier  complexen 
Grössen  ist  gleich  dem  Product  der  absoluten  Beträge, 

Der  Beweis  des  Satzes  folgt  aus  der  Gleichung 

(2 )      I  ^^  (cosy?!  +  esin^i) .  r^  (cos^a  +  «sinyj) 

Satz  4.  Der  absolute  Betrag  des  Quotienten  zweier  com- 
plexen Grössen  ist  gleich  dem  Quotienten  der  absoluten  Beträge. 

Auch  hier  folgt  der  Beweis  unmittelbar  aus  der  Gleichung 

/•.(coscpi  +  *sincpi)      ^1  r     /  \  ,    •  •  /  \i 


\tz 


§  135.    Unendliche  Reihen  mit  complexen  Gliedern.  581 

§135. 

Unendliche  Reihen  mit  complexen  Gliedern. 

(Vergl.  die  Formel-Tabelle  Nr.  74  und  75.) 
Eine  unendliche  Seihe 

K  +  V)  +  («1  +  *!*)  +  («2  +  hi)  +  .  .  -J 

bei  der  die  eit%zelnen  Glieder  complexe  Grössen  sind,  heisst  con- 
verffentj  wenn  die  reellen  Theile  und  die  Factoren  der  imaginären 
TheÜe  für  sich  zwei  convergente  Reihen  bilden  ^  wenn  also  die 
Reihen 

^  =  «0  +  «1  +  «2  +  •  •  •? 
*0  +  *1   +  *2  +  •••? 

converffent  sind;  und  zwar  heisst  sie  unbedingt  convergent,  wenn 
A  und  B  unbedingt  coiivergente  Reihen  sind.  Ihre  Summe  wird 
sich  dann  derselben  Grenze 

(2.)  S^A  +  Bi 

nähern,  wie  man  auch  die  Glieder  der  Reihe  anordnen  mag. 
Auch  hier  gilt  der  bereits  in  §  48  bewiesene  Satz: 
Eine  Reihe  mit  complexen  Gliedern  ist  unbedingt  convergent, 

wenn  die  Summe  der  absoluten  Beträge  convergirt 

Beweis.    Ist 

(3.)     ro  =  [öo  +  VIj     ^1  =  kl  +  *i«1,     ^2  =  |a2  +  M  j  •  •  •  ? 

SO  convergirt  nach  Voraussetzung  die  Reihe 

^0  +  Tj  +  r2  . . . . 
Nun  ist  aber 

^0  ^  KIj      ^1  ^  My      ^2  ^  hl>  •  •  •  J 

folglich  sind  die  Reihen 

l«ol+|öil  +  KI+---, 

l*o|  +  |*l|  +  |52|+... 

erst  recht  convergent,  d.  h.  die  Reihen 

«0  +  «1  +  ö^  +  . . .    und    Jo  +  *i  +  *2  +  •  •  • 
sind   nach  Formel  Nr.  74   der   Tabelle  unbedingt  convergent. 
Deshalb  gilt  auch  dasselbe  für  die  Reihe 

K  +  *o*)  +  («1  +  *iO  +  i^2  +  hi)  + 


582  §  135.    Unendliche  Reihen  mit  complexen  Gliedern. 

.  Der  Wortlaut  dieses  Satzes  stimint  genau  überein  mit  dem 
letzten  Satze  in  §  48  (S.  213,  vergl.  auch  Formel  Nr.  74  der. 
Tabelle);  dort  handelte  es  sich  aber  um  Reihen  mit  positiven 
und  negativen  reeUen  Gliedern,  während  hier  die  einzelnen 
Glieder  complexe  Grössen  sind. 

Auch  der  Satz,  welcher  in  §  49  für  die  Multiplication  zweier 
unbedingt  convergenten  Reihen  mit  reellen  Gliedern  bewiesen 
wurde,  lässt  sich  jetzt  auf  Reihen  mit  complexen  Gliedern  über- 
tragen.   Dieser  Satz  lautet: 

Sind 

.      U  =^  Uq  +  U^  +  IC2  +  .  .  ,      und       V=:Vq+V^+V2  +  ... 

zwei  unbedingt  convergente  Reihen    (deren    Glieder  jetzt   auch 
complex  sein  dürfen),  und  ist 

Wq  ==  UqVq  , 

W2  =  Wo  ^2  +  ^1^1  +  "2«^0> 


^n  =  Wot?«  +,Wit?»_i  +  .  .  .+  Wn-lt?i  +  UnVQ, 

SO  ist  auch  die  Reihe 

^0  +  ^1  +  ^2  +  •  •  • 
unbedingt  convergent,  und  ihre  Summe   W  ist  gleich  dem  Pro- 
dukte UV  der  Summen  der  beiden  ersten  Reihen, 

Beweis.    Nach  Voraussetzung  sind  die  Reihen 

l«o|  +  I  wi  I  +  I  «^2 1  +  •  •  •  und  I  t?o  I  +  I  t?i  I  +  I  «?2 1  +  •  •  • 
convergent.  Bezeichnet  man  ihre  Summen  bezw.  mit  TP  und  P, 
und  mit  W*  die  Reihe,  welche  durch  Multiplication  der  beiden 
Reihen  TP  und  V*  entsteht,  so  kann  man  in  diesen  drei  Reihen 
die  Summen  U'ny  V'n,  W*n  der  n  ersten  Glieder  absondern  und 
findet  ebenso  wie  in  §  49,  dass 

'  U*n  V'n—  W'n-=  K-l|  •  K-l|  +  (K-2|  •  |e?n-l|  +  K-l|  •  |«?«-2|)  +  •  -  • 

+  (|Wi|.|t?n-l|  +  N.K-2|  +  ...  +  K-2|.|ü2|  +  K-l|-K^ 
=  |Wn-lt?n-l|  +  (|Wn-2«?n-l|  +  |w„-it)n-2|)  +  •  •  • 

für  hinreichend  grosse  Werthe  von  n  beliebig  klein  wird;  folg- 
lich wird  nach  den  Sätzen  des  vorhergehenden  Paragraphen  der 
absolute  Betrag  von 


§  136.    Function  einer  complexen  Veränderlichen.  583 

+  (Wit?n-1  +  tt2^«~2  +  .  .  .  +  Wn-2«^2  +  Un^[V\) 

erst  recht  beliebig  klein,  denn  der  absolute  Betrag  einer  Summe 
Ist  kleiner  als  die  Summe  der  absoluten  Beträge.    Es  wird  daher 

limTr^=:lim?7„F'n=  UV. 

n  =sQo  n  =00 

Dabei  ist  auch  w?o  +  ^1  +  ^^2  •  •  •  unbedingt  concergentj  denn 
ersetzt  man  die  Grössen  Wo?  ^ij  ^2>  •  •  «j  ^oj  ^d  «^2>  •  •  •  durch  ihre 
absoluten  Beträge,  so  verwandeln  sich  die  Grössen  w^^  w^^w^,.., 
in  lü'o,  w\,  w*2, . . .,  und  es  wird 

Jetzt  ist  die  Eeihe  w'q+  w\+w\+  . . .  convergent,  folglich 
ist  die  Reihe 

I  «^0 1  +  I  «^1 1  + 1  «^2 1  +  . . . 

erst  recht  convergent. 

§136. 

Functionen  einer  complexen  Veränderlichen. 

(Vergl.  die  Formel-TabeUe  Nr.  170.) 

Da  man  die  Operationen  der  Addition,  Subtraction,  Multi- 
plication  und  Division  bei  complexen  Grössen  in  derselben  Weise 
ausfähren  kann  wie  bei  reellen,  so  kann  man  auch  ganze  und 
gebrochene  rationale  Functionen  von  einer  complexen  Veränder- 
lichen 

(1.)  z  =  x  +  yt 

bilden.    Eine  solche  Function  kann  immer  auf  die  Form 

(2.)       /  (z)  =f{x  +  yi)  —  9>  (x,  y)  +  ixp  {x,  y)  =  u  +  vi 

gebracht  werden,  wenn  man  die  Operationen,  welche  durch  die 
Bildung  der  Function  gefordert  werden,  wirklich  ausführt. 
Dabei  sind  <f  (x,  y)  und  xp  {x,  y)  wieder  rationale  Functionen  der 
beiden  Veränderlichen  x  und  y,  die  nur  reelle  Grössen  enthalten. 
Auch  irrationale  Functionen  von  x  +  yi  kann  man  bilden, 
da  es  möglich  ist,  bei  jeder  complexen  Grösse  n  Werthe  der 
Wurzel  n^^  Grades  anzugeben.  Ausserdem  kann  man  noch 
transcendente  Functionen  von  x  +  yi  durch  convergente  Reihen 
erklären.    Beispiele  hierzu  bieten  die  Reihen 


584  §  136.    Function  einer  complezen  VeranderlichecL 

1  o.  ^  +  y*'  o.  (^ + y*')^  4.  (^ + y»)^ . 

^■*'       1!      ■*■       2!        "^        3!       ■*■•••' 
1!  3!       "^        5!  ■*■•••' 

A  2!       ■*■        4!  ■*■••• 

u.  s.  w.,  welche  bezw.  in  ^,  sin^r,  cos  z  übergehen,  wenn  y  gleich 
0  wird.  Diese  Beihen  sind  anch  convergent,  weil  die  Summe 
der  absoluten  Beträge  convergirt.  Auf  die  so  gebildeten  Func- 
tionen lassen  sich  ohne  Weiteres  alle  Erklänmgen  nnd  Sätze 
ausdehnen,  welche  in  der  Differential-Bechnung  für  Functionen 
mit  einer  reeUen  Veränderlichen  gegeben  worden  sind;  dabei  ist 
natürlich 

(3.)        dz^:^  dx  +  idy,     df{z)-=^d{u-\-  vi)  =  dw  +  idv^ 

SO  dass  man  es,  abgesehen  von  dem  Factor  i,  auch  hier  nur 
mit  den  Differentialen  reeller  Grössen  zu  thun  hat. 

Bemerkenswerth  sind  hier  aber  noch  die  folgenden  Formeln : 

Man  kann/(«)  als  Function  der  beiden  Veränderlichen  x 
und  y  betrachten  und  erhält  deshalb 

dx  dz     ^'       dy  dz      dy 

oder 

Dies  giebt 

oder  mit  Bücksicht  auf  Gleichung  (2.) 
/« \  du  ,   .dv   ,  .du      dv 

also 

.  du^dv     öw_ dv 


1 


§  137.    Zusammenhang  der  Functionen  e",  smx  und  cos  2;.      585 

§  137. 

Zusammenhang  der  Exponential-Function  mit  den 
trigonometrischen  Functionen. 

(VergL  die  Formel-Tabelle  Nr.  171—179.) 

Es  sei  eine  Function  /  (2:)  erklärt  durch  die  Gleichung 

(1.)  /(^)=i+n  +  lT+lT  +  '--' 

wobei  z  jetzt  auch  complexe  Werthe  x  +  yi  haben  darf. 

Multiplicirt  man  diese  Beihe  mit 
(2.)  /(^^)=i+iL+|i+|!+..., 

so  erhält  man 

(3.)  f{z)  ,f{z^)  =  w?o  +  «^1  +  «^2  +  •  •  M 

wobei  nach  Formel  Nr.  75  der  Tabelle 

Z  +  Zx 


w^ 


=  1,    «'1=11  +  1!^ V. 


^~  2!"^  1!'  l!"*"  2!  -  2!  ~      2!        ' 

'*'"      „!^  („_!)!    i!  +  („_2)!     2!^' 

~       »! 
wird.    Deshalb  ist 

Beschränkt  man  z  und  «i  auf  reelle  Werthe,  so  wird 
und  die  Gleichung  (4.)  giebt  die  bekannte  Relation 

(5.)  e« .  e«i  =  <9»+«i. 


586      §  137.    Zusammenhang  der  Functionen  e*,  sin  2:  und  coso:. 

Man  bezeichnet  nun  die  durch  Gleichung  (1.)  erklärte  Func- 
tion/(xj)  auch  dann  noch  mit  ^  und  nennt  sie  Exponential-Ikmc- 
tion,  wenn  z  beliebige  complexe  Werthe  annimmt,  obgleich  dann 
z  kein  eigentlicher  Exponent  mehr  ist.  Es  ist  also  bei  dieser 
Erweiterung  des  Begriffes  die  Function  ^  nicht  mehr  als  eine 
Potenz  aufzufassen,  sondern  als  die  Reihe 

z        z        z 

Wie  aber  soeben  gezeigt  wurde,  gilt  auch  dann  noch  die 
Gleichung  (5.),  in  welcher  das  Additionstheorem  der  Exponential- 
Function  ausgesprochen  ist. 

Um  zu  untersuchen,  welchen  Sinn  c*  für  complexe  Werthe 
von  z  hat,  setze  man  zunächst  :r  =  0,  also  z  =  y^;   dann  wird 

(6.)    r    ~V       2!^4!      6!+       '')^\l\      3!^5!      +"7 
I      ==cosy  +  tsiny. 

Ebenso  findet  man  für  «  =  —  yi. 
(7.)  e-y^  =  cos  y  —  i  siny. 

Daraus  folgt 

.^ .                                ev'  +  e-y'       .            ev'  —  e'V^ 
(8.)  cosy  = 2 '  smy= -. 

Setzt  man  jetzt  z-=ix  +  yi,  so  wird  nach  Gleichung  (5.) 
(9.)  ^y*  =  e^ey*  =  ^  (cosy  +  *  siny). 

Aus  diesen  Beziehungen  ergeben  sich  auch  mit  grosser 
Leichtigkeit  die  Moivr e^^chen  Formeln  (vei^L  die  Formel- 
TabeUe  Nr.  165  bis  169).    Die  Gleichung 

kann  nämlich  auch  in  der  Foim 

(10.)  (cos  yi  +  tsinyi)(cosy2+*siny2)  =  cos(yi  +y2)+*sin(yi  +92) 
geschrieben  werden.  Dies  bestätigt  Formel  Nr.  165  der  Tabelle. 
Femer  ist 

1  1 


(11.)      e^^^*  =  cosy2  —  esmy2  = 


cos  9^2 +  *  sin  9)2      0^2» 


§  137.    Zilsammeiüiaiig  der  Functionen  c«,  sina;  und  cobx,      587 

also 

(12.) =  ef^'  .  e  -  ^2»-  =  e(<Pi-'f 2)» , 

oder 

Dies  bestätigt  Formel  Nr,  168  der  Tabelle. 

Durch  wiederholte  Anwendung  des  Addüionstheorems  ergiebt 
sich  das  MuUiplicatiomtheorem  der  Exponential-Function,  das  in 
der  Gleichung 

(14.)  {e'f'Y  =  e"^' 

ausgesprochen  ist.  Diese  Gleichung  enthält  aber  zugleich  auch 
das  MuMiplicaiiomtheorem  der  trigonometrischen  Functionen, 
denn  sie  kann  auch  in  der  Form 

(cosy  +  isiny)'*  =  cos(wy)  +  tsin(/iy) 

geschrieben  werden  und  liefert  dann  die  Formeln  Nr.  167  der 
Tabelle,  nämlich 


cos(»y)  =  cos**y  — (9)cos*'~V  sin^y 


(15.)  } 


+  Cv\  cos^-^y  sin^y h  • . . , 


sin(wy)  =(    j  cos**-^9)sin9)  — f    jcos"~V  sinV 


+ 


Besonders  zu  beachten  ist  es  noch,  dass  aus  Gleichung  (6.) 
für  y  =  27r,  47r, . . .  2h7t 

(16.)  e^^  =  1,     ö*^*"  =  1,     ö^*^«  =  1 

folgt,  wenn  h  eine  beliebige  positive  oder  negative  ganze  Zahl 
ist.    Femer  wird  deshalb 

(17.)  g»+2Am  --  ^  ^  ^2A7f  —  ^^ 

Die  Exponential-Function  hat  also  die  Eigenschaft,  dass 
sich  ihr  Werth  gar  nicht  ändert,  wenn  man  die  Veränderliche  z 
um  ein  Vielfaches  von  2n%  vermehrt.  Man  nennt  deshalb  27vi 
eine  Periode  der  Exponential-Function  und  ^  selbst  eine  perio- 
dische Function.    In  ähnlicher  Weise  sind  auch  die  trigonometri- 


588      §  137.    Zusammenliang  der  Functionen  e'^,  sirx  und  cosx. 

sehen  Functionen  periodische  Functionen,  und  zwar  ist  ihre 
Periode  27r,  denn  sie  ändern  ihren  WerÜi  gar  nicht,  wenn  man 
den  WerÜi  der  Veränderlichen  um  ein  Vielfaches  von  2n  vermehrt. 


Setzt  man  der  Kürze  wegen 

(18.)  ö^*  =  C0S5P  +  tsiny  =  w,    ^r-V*  =  cosy  —  tsingp  =  v, 
so  wird 

Iw  +  t?  =  2COS9),    u  —  ü  =  2ism^,    UV  =  1, 
w«  +  t?«  =  ^(pi  +  e-*^*  =  2cos(m5p), 
u^  —  ü»  =  e«»y«'  —  e-^V*  =  2^sin(m9)). 

Nach  dem  binomischen  Lehrsatze  erhält  man  dann 

oder,  wenn  man  auf  der  rechten  Seite  dieser  Gleichung  je  zwei 
Glieder  mit  einander  vereinigt,  von  denen  das  eine  ebenso  weit 
vom  Anfange  wie  das  andere  vom  Ende  absteht, 

{U  +  t?)2»  =  (m2«  +  v^)  +C^^^^«e?(w2«-2  +  ^2n-2) 
+  Q^\  U^V\U^-^  +  t?2n-4)  ^      _ 

Dies  giebt  mit  Eücksicht  auf  die  Gleichungen  (18.)  und  (19.) 
2^«  (cos  y  )^'»  =  2  cos  (2w5p)  +  Q^  2  cos  (2»  —  2)  y 

(20.)    !  +(^2^)2cos(2»  — 4)y +  ... 


+ 


C-0^-(^'+D 


1 


§  137.    Zusammenhang  der  Functionen  e^,  sinx  und  cosa:.     589 

Ebenso  findet  man 

^    J2cos(2»— l)y +  ... 

Bildet  man  jetzt  in  ähnlicher  Weise 

+  (^^) w2^2(«^2n-4  +  tp2n-4)  +  .  _ 

+  (_  l)«-^(^  ^     ^^n-l^n-l  (e^2+^2)  +  («  l)«^^^^Vü«, 

SO  findet  man  mit  Rücksicht  auf  die  Gleichongen  (18.)  und  (19.) 
(—  ly  22»  (siny)2«  =  2  cos  (2^9))  —  ^^f*^2  cos  (2w  —  2)  y 

2  J2cos(2«  — 4)y h... 

Dagegen  wird 

(„_t,)2«+l  =  (mI»+1— »2"+l)— (^^"■'"^)mp(m2»-1  —  »2«-!)  +  —  .  .  . 
+  (—  1)"(^'*  ^  ^)«"t)»(M— »). 

Beräcksichtigt  man  jetzt  wieder  die  GMchungen  (18.)  und 
(19.)  und  diyidirt  beide  Seiten  der  Gf^Ieichung  durch  i,  so  erhält 
man 

(_l)«22«+i(sin9.)2"+»  = 


(23.) 


2sin(2w  +  l)?»  — (     ^  ^)2sin(2«  —  l)y  +  — . . . 
(  +  (-l)»-'(f +J)28in(3y)  +  (-l)«(2"+l)2sin<p. 


590  §  138.    Loguithmen  der  complexeii  Grössen. 

Bernttrinuigreii. 

1.  Dem  Anfänger  wird  dringend  «mpfohlen,  diese  Formeln  durch 
Zahlenbeispiele  einznttben,  also  die  Aasdritoke  für  cos^qp,  sin^,  eos^ 
sin^,  COB^,  sin^, . . .  wirklich  tu.  bilden. 

2.  Die  vorstehenden  Formeln  finden  in  der  IntQgral-Bechnnng  eine 
wichtige  Anwendung. 


§  138. 

Logarithmen  der  complexen  Grössen. 

(Vergl.  die  Formel -Tabelle  Nr.  180  und  181.) 

Nach  Gleichung  (9.)  des  vorhergehenden  Paragraphen  war 

(1.)  ß*+y*'  =  ö* .  ey*  =  ^  (cosy  +  isiny)  =  «  +  vi, 

wo 

(2.)  u  =  e*cosy,    V  =  ö*siny 

reelle  Grössen  sind.  Hierbei  waren  x  und  y  ganz  beliebige 
Grössen.  Man  kann  aber  auch  die  Gleichung  (1.)  befriedigen, 
wenn  die  Grössen  u  und  v  beliebig  g^eben  sind,  denn  aus  den 
Gleichungen  (2.)  folgt  dann 


(3.) 


^2«  =  «2  +  v^,    oder    x  —  ^  1(«2  +  t?2)^ 
I  tgy  =  ^j  oder    y  =  arc tgQj, 


wobei  man  aber  den  Werth  von  y  so  bestimmen  muss,  dass 

0<y<  — )    wenn    w>0,  f?>0, 

y<y<^,        „        u<  0,  «?>0, 

7r<y<  — j       „         w<0,  ü<0, 

—  <y<2nr,       „        «>0,  »<0 
ist,  damit  die  Gldchimgen  (2.)  befriedigt  werden. 


§  1B9.    Zusammenhang  der  Functionen  \x  und  arctgo;.         591 

Für  reelle  Grössen  war  niin  der  natürliche  Logarithmus 
einer  Zahl  a  der  Exponent,  zu  welchem  die  Basis  e  erhoben 
werden  muss,  damit  man  a  erhält,  d.  h.  aus  der  Gleichung 

^"  =  a    folgte    u  =  la. 

Man  erkennt  aus  dem  Vorstehenden,  dass  man  diese  Er- 
klärung jetzt  ohne  Weiteres  auf  complexe  Grössen  ausdehnen 
kann^  indem  man  aus  Gleichung  (1.)  die  Gleichung 

(4.)  X  +  yt=^  l(w  +  vi) 

ableitet.  Dabei  tritt  aber  der  äusserst  bemerkenswerthe  Umstand 
ein ,  dass  der  Logarithmus  von  u  +  vi  unendlich  viele  Werthe 
haben  kann,  denn  nach  Formel  Nr.  175  wird  for  ganzzahlige 
Werthe  von  h  auch 

(5.)  ^-\ryi+2hni  =zu  +  vi. 

Dies  giebt 

(6.)  l(u  +  vi)  =  X  +  yi  +  2hni. 

Liegt  y  zwischen  — tv  und  +  tt,  so  nennt  man  x  +  yi 
den  Hauptwerth  von  l(w  +  vt).  Aus  diesem  gehen  alle  übrigen 
Werthe  von  l(w  +  t?t)  durch  Addition  eines  ganzzahligen  Viel- 
fachen von  27ti  hervor. 

Aus  der  Gleichung 

(7.)  ö^*  =  COSTT  +  iänn  =  —  1 

folgt  z.  B. 

(8.)  1(—  1)  =  Tri  +  2hni  =  (2Ä  +  1)^». 


§  139. 

Zusammenhang  der  Functionen  \x  und  arctga?. 

(VergL  die  Formel-Tabelle  Nr.  182.) 

Nach  Formel  Nr.  59  der  Tabelle  istftir— l<a:<+l 

{  \H     \      \       ^        x^    .    x^       x^    . 

(!•)  '  2  3  1 

X  X^         Z^         X* 


'i'-^)-     1        2        3 


also 


592  §  140.    Auftreten  complexer  Wurzeln  einer  Gleichung. 

<^-)       '(lil)=<f+f+T+-> 

Damals  war  x  eine  reelle  Grösse;  jetzt  gelten  aber  die  znr 
Herleitüng  dieser  Beihenentwickelong  nothwendigen  Voraos- 
setzungen  anch  noch,  wenn  x  eine  complexe  Grösse  ist,  deren 
absoluter  Betrag  kleiner  als  1  bleibt.  Setzt  man  z.  B.  x  =  gn^ 
wo  g)  eine  reelle  Grösse  zwischen  —  1  und  +  1  sein  möge,  so 
erhält  man 

(«•)    •(l^)=Kf-¥+¥-l^+— •)• 

Dies  giebt  aber  nach  Formel  Nr.  65  der  Tabelle 


§  140. 

Auftreten  complexer  Wurzeln  einer  Gleichung. 

In  §  82  war  bewiesen  worden,  dass  jede  Gleichung  «**" 
Grades  n  Wurzeln  hat,  und  dass  sich  die  ganze  rationale 
Function  «***  Grades  f{x)  auf  die  Form 

(1.)  fix)  =  (x  —  x^)f,(x)  =  (x—x,)(aai^''  +  b^x^-^  +  ...+bn-0 

bringen  lässt,  wenn  x^  eine  Wurzel  der  Gleichung 

(2.)  f{x)  =  ax*^  +  a^x^-^  + . . .  +  a„-ia:  +  «n  =  0 

ist.    Daraus  ergiebt  sich  der  folgende  Satz: 

Sind  die  Coefßcienten  einer  Gleichung  n*^  Grades  f{x)  =  0 
sämmüich  reeß,  und  ist  x^:=g  +  hi  eine  Wurzel  dieser  Gleichung^ 
so  muss  auch  g  —  hi  eine  Wurzel  derselben  sein. 

Beweis.    Nach  Voraussetzung  ist 

(3.)         Ax)  =  (x-x,)Mx)=:(x-g-ht){P+Qi), 

wobei  X  als  eine  reelle  Grösse  betrachtet  werden  möge,  daun 
wird 

(4.)  (x^g-h{){P+Qt)==[(x-g)P+Qh]  +  [{x—g)Q—Ph]i, 

(5.)  (x-g+ht){P-Qt)^[{x-g)P+Qh]--[(x-g)Q—Ph]i. 


§  140.    Auftreten  complexer  Wurzeln  einer  Gleichung.  593 

Nun  ist  aber 

(6.)  {x^g  —  hi){P+  Qi)  ^f{x) 

reeUj  folglich  muss 

(7.)  {x  —  g)Q  —  Ph  =  0 

sein,  d.  h.  {x  —  g)Q  —  Ph  muss  fiär  alle  Werthe  von  x  gleich 
Null  sein.    Daraus  erkennt  man  nach  Gleichung  (5.),  dass  auch 

(8.)  ix  — 9  +  ht)  {P  —  Qt)  ^f{x) 

wird.  Die  complexen  Wurzeln  einer  Gleichung  rtf^  Grades  mit 
reellen  Goeffldenten  treten  also  paarweise  auf,  so  dass  jeder 
compleKen  Wurzel  die  conjugirte  Grösse  als  eine  zweite  Wurzel 
der  Gleichung  isugeordnet  ist. 

Dies  gilt  auch  noch,  wenn  x^^ g  +  hi  eine  mehrfache 
Wurzel  der  Gleichung  ist;  denn  man  kann  in  derselben  Weise 
wie  oben  zeigen,  dass/(a;)  durch  {x  —  g  +  htf  theilbar  sein  muss, 
wenn/(a:)  durch  {x  —  g  —  h%f  theilbar  ist. 

^d  die  Goefficienten  der  Gleichung  n*^  Grades  sämmtlich 
reell,  und  ist  n  eine  ungerade  Zahl,  so  muss  mindestem  eine 
Wurzel  der  Gleichung  reell  sein. 


Stegemami-Kiepert,  Differential-Bechnnng.  3g 


Tabelle 

der  wiehtigsten  Formell  ans  d«r  Differential-Rechiiiuig. 


, .    ,.    sin« 

1.)    hm  -—  =  1.  [§  4,  GL  (5.)] 

2.)    lim(X±  r)  =  limX±limF.  [§  5,  Gl.  (i.)] 

3.)    liin(X .  Y)  =  limX .  lim  F.  [§  5,  Gl.  (2.)] 

4,)    liinf^^)=  j^^'  wenn  lim  X  2  0  ist.  [§  5,  Gl.  (3.)] 

5.)    Eine  Function 

y  =/(^) 

heisst  fiir  einen  Werth  von  x  stetig,  wenn  die  Differenz 

mit  den  positiven  Grössen  d  und  e   zugleich  unendlich  klein 
wird.  [§  8.] 

7-)    G)  +  G-l)  =  CD  (§9,  GL  (2.)] 

8-)    G)  =  C-1ä)  [§9,aL(3.)] 

Die  Formel  Nr.  8  gilt  nur  unter  der  Voraussetzung,  dass 
n  eine  positive,  ganze  Zahl  ist 


Tabelle  der  wichtigsten  Formeln.  595 

9.)  ii+xr=i+(^y+(^y+... 

[§  9,  GL  (4.)  und  Gl.  (6.)] 
10.)     (a  +  by  =  a»  +  (^\ «»-«  b  +  (2)«""^  42  + . . . 

[§  9,  GL  (7.)  und  §  29,  Gl.  (5.)] 

Bei  den  Formeln  Nr.  9  und  10  wird  vorausgesetzt,  dass  m 
eine  positive  game  Zahl  ist. 

11.)     S=A  +  Ap-\-Ap^  +  ...-\-  Ap^^=  ^ (^ "P") .  [§  10,  GL (2.)] 

IIa)    Ist  jö  ein  positiver  oder  negativer  ächter  Bruch,  und  wird 
n  unendlich  gross,  so  ist 

S=^A  +  Ap  +  Ap'^  +  Ap^  +  ...—  iZZZ'    [§  10,  GL  (5.)] 
12.)     a;i*»-i  +  xx^''-'^  +  x^x.*""'^  +  .  •  .  +  x^'-^x.  +  af"-^  =  ^^  ~^- 

^  Xi  —  X 

[§  10,  GL  (3.)  und  (4.)] 

13.)    e  =  limfl  +  -Y=  lim/SA:  +  limÄik', 

WO 

«^/*  =  i  +  rr  +  ¥!  +  ir+-+i!' 

IJ^-^»' < TTi-  [§  11.  GL  (2.),  (5.),  (6.)  und  (10.)] 


n  =  ao 


iklk 


14.)    «  =  i  +  i-  +  i-  +  i-  + 


•  •  . 


1!^  2!   •    3! 

=  2,718281828459 [§11,  GL  (12.)  und  (13.)] 

38* 


596  Tabelle  der  wiohtiggteii  Formeln. 

15.)    Die   Ableüung  (der  Differential -Quotient)  ^er  stetigen 
Function  y  =f{x)  ist 

dy  ^  df(x)         ..  _  ^f{x  +  Jx)  -fix)  ^  ^f{x,)  -fix) 

dx         dx  Jxtao  ^x  ^_c     2| — X 

=  lim  ^—^-  [§  12,  GL  (5.),  (5a.),  (5b.)  und  (6.)] 

16.)    Ist  a  der  Winkel,  welchen  die  Tangente  einer  Cnrye  mit 
der  positiven  Richtung  der  X-Axe  bildet,  so  wird 

wobei  y  =fix)  die  Gleichung  der  Curve  und  x^  y  die  Cioordi- 
naten  des  Berfihrungspuidsi^s  sind.  [§  13,  GL  (3.)] 

17.)    -^^'  =  J-  [§14,Gl.(la.)l 

18.)    ^^  =  ^^-  [§  14,  GL  (2a.)] 

.^\    diu^-v)       du   ,   dv 

1«-)    -V^=^  +  ^-  [§14.GU3.)] 

^^  X    diu  —  v)      du      dv 

2^)    "^^^  =  ^-^'  [§14,  GL  (4.)] 

21.^    ^i^)  =  ma--i.  (§  15'  ^1-  (ö.)  und  GL  (9.);  §  17,  GL  (8.); 

^       cfa  §  21,  GL  (17.),  (22a)  und  (26.)] 

^«N    d(\ogx)       log^.     di\x)       1 

^^•^    "^  =  "f~'     "fc^^r*  [§  18,  GL  (9.)  und  (9a.)l 

\x 
23.)    loga:  =  jy^  =  la; .  loge.  [§  18,  GL  (13.)  und  (14.)] 

^  - .    dißSix) 

24.)       \fo    '  =  COSa:.  (§  19,  GL  (8.)] 

r.r  \    ^'(cosa:) 

25.)    -^^-^  =  —  sm:r.  [§  19,  GL  (15.)] 

2^^    ^^^  =  -  ^  =  -  (1  + CteH  [§  20.  Gl.  (12.)] 


I 

Tab^e  dw  wichtigsten  Fotmän.  59^7 

.     d(uo)  du    .       dv 

2^-)  -kr  =  «wü:  +  ^:^-  [§  21,  gl  (6a;)] 


m 


(2r  cir  dx 

du<     ,  rfwo    .          ,                          du 

,,     .                   ^  [§  21,  Gl.  (160] 

^^*-^    "^  "=  '^'^~^'  t§  21,  GL  (17.),  (22.)  und  (26.)] 

3^^      äV^^_^^^  [§  21,  GL  (27.)] 

^10      ^i^=^^p^-  [§  21,  GL  (27.), 

32.)     JL__  =  ___.  [§21,01.(28.)] 

j/^\       rfw  dv 

33.)      Afz;^    ^^            ^ .  [§  21,  GL  (34  a.)] 
dx                ©2 

34.)      dy  =  df{x)  =/'  (o;)  rfo;.  [§  22,  GL  (7.)] 

35.)      fet 

y  =/  W    lind    w  =  5P  (a:), 
so  wird 

rfw  =  q)\x)dx,     dy  =/*  (w)rfw  ■=^f*{u)(p\x)dx^ 

oder 

J=/'(w)y'(rt:)==^^.     [§22,  GL  (6.),  (6a.) und (8.)] 

36.)      Aus  a:  =  y  (y)  folgt  ^=  ~^.                       [§  24,  GL  (4.)] 

37.)      f[(«J^M_         1_.  [§  24,  GL  (8a.)]. 

38.)      ^(a^CCOS:r)_             1  [§  24,  GL  (12a.)] 

39.)      1(5^  ^j^^.  f§  24,  GL  (16a.)] 


f 


598  Tabelle  der  wichtigsten  Formeln, 

£(arCCtg^^_      1  "  [§  24,  GL  (20a.)] 

^  dx  1  +  a;2 

41.)      '^("^«^^)  =      /         .  [§  24,  Gl.  (24  a.)] 

rf(arc  cosecx)  ^ 1  [§  24,  Gl.  (28a.)] 

43.)      ^^  =  a*la,      ^  =  c».  [§  24,  GL  (32  a.)  und  (33.)] 

[§  26,  GL  (2.)  und  (3.)] 
44a.)  /-(;r)=lim-^(^  +  ^^^)-y(^  +  ^^>+-^H  [§26.  GL (7.)] 

45.)      «Py  =  rf(rfy)  =/"(a;)rfa;2, 
dV  =  «/(dV)  =f"'{o^)dx\ 

df'y  ■=■  d(d^-^y)  =/(»)(a;>fo;".  [§  26,  GL  (11.)  bis  (14.)] 

46.)      2  =/"'(a^)-  [§  26,  GL  (14a.) 

,       ^"C«  ±  «>)  ^  ^  +  gÜ.  [§  27,  Angabe  11.] 

wenn  «  =  ^  (a;),     »  =  i/>  (a;)  ist.  [§  27,  Angabe  12.] 

49.)   f(z+h)  =/(^)  ^--^^  Ä  +-^)  ÄH . . .  +-^A«+Ä, 
wobei 

Die  Grössen  ®i,  ©j?  ®3  liegen  zwischen  0  und  1. 

[§  31,  Gl.  (31.)  und  (32.),  §  36,  Gl.  (3  a.)  und  (15.)] 


Tabelle  der  wichtigsteiii  FormeliL  599 


+''-^— «)-  +  Ä, 


50.)      f{x)  =/(a)  +-'-^  (X  -  a)  +-'-^  (a:  _  «)2  +  . . . 

(«  +  i)i 


=  ^  {/<"'  [a+02(«-«)]  -/<*'(«)}  (^  -«)• 


Die  Grössen  ®i,  ®2>  ®3  liegen  zwischen  0  und  !• 

[§  31,  Gl.  (33.)  und  (34.);  §  36,  GL  (5.)  und  (17.)] 
51.)  /(.)  =/(«)  +/^  .+»,,+...  +/JÄ)  ^  +  Ji, 
wobei 

Die  Grössen  @],  @2>  ®3  liegen  zwischen  0  und  1. 

[§  32,  GL  (1.)  tind  (2.) ;  §  36,  GL  (7.)  und  (19.)] 


Z     .    X^    .    Z^    .     X* 


[§  33,  GL  (6.)] 


52.)    [^=1+-  +  -  +  ^+^+.... 

53^   «*_i  .  £l^  .  fiMi  +  fiMl  +  f^ä^V 

53.)     a   -1+    jj    +—^^+      ^j       +      ^,     +.... 

[§  33,  GL  (9.)] 

54.)     änx=^-f^  +  ^-^  +  -....  [§34,GL(5.)] 

55.)      cosz=l_|5  +  f5  — !?  +  —...•  [§  34,  GL  (10.)] 

2!       4!       6! 

In  den  Formeln  52  bis  55  darf  x  jeden  beliebigen  endlichen 
Werth  haben. 

56.)  {i+xr=i+(^y+Qy^+(^^y^+... 

für  —  1  <  .r  <  +  1.  [§37,  Gl.  (19.)  und  (20.)] 


«00  Tab«Ue  der  wiolitfgate»  FonwiliL 

57.)    {a+by  =  «^+(^)<^->*4(2  V"'*'+(7)""~'**+— 

für  1*1  <|a|.  B37,  GL(31.)1 

58.)    (a+ by  =  i-+  (7)«*^'  +(  2  )"**"~'+(3  )'''*^''*"  * " " 

f!ir|Ä|>|a|.  [§  37,  GL  (32.)] 


X       ar*  .  a;'      x* 


59.)     l(l  +  x)  =  j  —  -^  +  j  —  j  +  —  ... 

für  — 1  <  a;^  +  1.  (§38,  Gl.  (8.)} 

60.)     I2  =  i  —  i  +  ~i +  —....  |§  38,  GL  (8».)] 

X  ^  O  4 

61.)    l(a+y>=la  +  ^  — -l^  +  i^— i!^  +  — ... 
'      ^    '  '^  '  a       2a*       3a'      4a* 

fBr|y|<|a|.  [§  38,  OL  (9.)] 

62.)     l(«  +  l)  =  la  +  l-^+^_^  +  _.... 

[§  38,  GL  (9a.)] 

63.)      l(y  +  .)  =  ly  +  2[^^+^^+^-^^+...] 

filr  —1  <-s-4 <  +  1-  [§  38,  GL  (12.)] 

64.)     l(y+l)  =  ly+2[^+^^^+^^^,+  ...} 

[§  38,  GL  (12a.)) 

•Z7  X  X  X ' 

65.)    arctgaj  =  -— -  +  -  —  -  +  — ... 

für  — l<a;<  +  1.  {§  42,  GL  (4.)] 

66.)    ^=1  — i+i  —  i+l -+—      . 

^    4  3^5       7^9       11^ 

[§  43,  GL  (1.)  ond  §  47,  BeLspiel  2  auf  Seite  209.] 

»  4%  GL  (14.)] 

«8.)    7=  ^(s  — §753+5755— +--)—(239'"  039»''' "••  7* 

(§  43,  GL  (28.)] 


Tabelle  der  wichtigsten  Formeln.  601 

69.)arcsm^=:^  +  ^3+274^  +  2TiT67+--- 

für  —  l<:r <  +  1.  [§  44,  Gl  (3.)J 

70.)  Eine  Beihe  mit  lauter  positiven  Gliedern  convergirt^  wenn 
von  einer  bestinunten  Stelle  ab  eine  der  folgenden  Bedingungen 
erfallt  ist: 


m.  „(i-!^)£,>i. 


[§  46,  Satz  3,  5  und  10.] 


71.)  Eine  Reihe  mit  lauter  positiven  Gliedern  diver girt,  wenn 
von  einer  bestimmten  Stelle  ab  eine  der  folgenden  Bedingungen 
erfiUlt  ist: 

L^^^^l, 

n 


n.  }/«„  ^  1, 


[§  46^  Satz  4,  6  and  11.] 


72.)  Eine  B.eihe  mit  positiven  und  negativen  GUedera  con- 
vergirt,  wenn  die  Summe  der  absolute»  Beträge  eonvei^irt. 

[§  47,  vergl.  auch  Formel  Nr.  74.] 

78.)  Eine  altemirende  B.eQie  convergirt,  w«m  der  absolute 
Betrag  der  einzelnen  Glieder  immer  kleiner  und  schliesslich  un- 
endlich kleiu  wird.  [§  47.] 

74.)  Eine  B.eihe  ist  unbedingt  convergent,  wenn  die  Summe  der 
absoluten  Beträge  convergirt.  [§  48  und  135.] 

75.)    Sind 

cr=  «^  +  t^j  +  «2  +  . . .    und    F=  vq  +  Vi  +  ©2 . . . 
zwei  unbedingt  convergente  Beihen,  und  ist 


602  Tabelle  der  wichtigsten  Formeln. 


Wn  =  UQVn  +  Wi«?n-1  +  .  .  .  +  Un-iV^   +  Wn«?o> 

SO  ist  auch  die  Reihe 

«<?0  +  «^l  +  ^2  +  •  •  • 

unbedingt  convergent,  und  ihre  Sunune  W  ist  gleich  dem  Pro- 
ducte  UV  der  Summen  der  beiden  ersten  Reihen.    [§  49  u.  I3ö.] 

76.)  Eine  Potenzreihe  convergirt  unbedingt  fiir  alle  Werthe  von 
X,  deren  absoluter  Betrag  kleiner  ist  als  die  positive  Grösse  x^j 
wenn  von  eiaer  bestimmten  Stelle  ab 

ist,  wobei  ff  eine  bestimmte  endliche  Grösse  bedeutet.        [§  50.] 

77.)  Wenn  die  Grössen  a^,  »i,  «2>  %>  •  •  •  positiv  sind  und  eine 
bis  in's  unendlich  Kleine  abnehmende  Reihe  bilden,  so  ist  die 
Reihe 

i«o  +  ^1  COSa:  +  02  C0S(2a:)  +  a^  C0S(3a:)  +  . . . 

convergent  für  alle  Werthe  von  x,  welche  von  0,  ±  27r,  ±47r, . . . 
verschieden  sind;  und  die  Reihe 

^Oo — a^  COSa:  +  a^  C0S(2a:)  —  %  COS (3a;)  H ... 

ist  convergent  für  alle  Werthe  von  x,  welche  von  ±  n,  ±  Sn, 
±  OTT . . .  verschieden  sind.  [§^51.] 

78.)  Wenn  die  Grössen  Jj,  52>  ^3>  •  •  •  positiv  siad  und  eine  bis 
in's  unendliche  Kleine  abnehmende  Reihe  bilden,  so  siad  die 
Reihen 

*!  sinx  +  Ja  sin(2a;)  +  ^3  sin (3a:)  +  b^  sin(4a:)  +. . . 
und 

Jj  Wix  —  62  sin(2a:)  +  b^  sin  {Bx)  —  b^  sin(4a;)  H ... 

fiir  alle  Werthe  von  x  convergent.  [§  51.] 

79.)  Um  die  Werthe  von  x  zu  bestimmen,  fiir  welche /(a;)  ein 
Maximum  oder  Minimum  wird,  bestimme  man  die  Werthe  von 
X,  fiir  welche  f\x)  gleich  Null  wird.  Ein  solcher  Werth  sei  x, 
und  ß''\x)  sei  die  erste  spätere  Ableitung,   welche  fiir  diesen 


Tabelle  der  wichtigsten  Formeln.  603 

Werth  von  x  nicht  verschwindet;  dann  ist/(a;)  ein  Maximum^ 
wenn  n  gerade  mAf^^\x)  negativ  ist;  ß^  ist  ein  Minimum^ 
wenn'  n  gerade  und  f^^\x)  positiv  ist.  Dagegen  tritt  weder  ein 
Maadmum  noch  ein  Minimum  eiuy  wenn  n  ungerade  ist.     [§  54.] 

80.)     Ist 

SO  wird  für  alle  Werthe  von  x^   für  welche  P(x)  verschwindet, 

^^""^^Qi^)  [§  56,  Gl.  (3.)] 

81.)  lim^  =  hm^-r^S 

wenn 

if[a)  =  0,     if\a)  =  0, . . .  if^''-\a)  =  0, 
/[«)  =  0,    f\a)  =  0, . . .  /<«-^)(a)  =  0 ;  [§  58,  Gl.  (12.)] 
oder  wenn 

y(a)  =  00,     <f*(a)  =  00, . . .  y^'»—^)(a)  =  oo, 

f{a)  =  00,    f\a)  =  00, . .  ./(»*-^)(a)  =  oo.  [§  60,  Gl  (12.)] 

82.)     Ist 

z  =  F{u,  v\ 

so  wird 

dz  ,.      i^(«  +  Juy  v)  —  Fiuj  v)  „  f 

du  ju^o                 ^^                         1  \  »   /j 

dz  ,.      F{Uy  V  +  Jv)  —  F(u,  o)  TP  r      \ 

[§  69,  Gl.  (5.)  und  (6.)] 
83.)     Ist 

z  =  F(u,  v), 

und  sind  u  und  v  beide  Functionen  von  x,  so  wird 


cfe dz  du      dz  dv 

dx     du  dx      dv  dx 


oder 


dz  =  ^4-  d^+  —  d^'    [§  ß^>  ^1-  (1^0  ^-  (Iß  «-)] 

84.)  ^)_1^       Irf.^  [§  69,  GL  (24.)] 

dx  u  dx      V  dx 


Ö04  Tabdle  der  wichtigsten  Formeln. 

-d^^-uTx-Tdb^'  [§  69,  Gl.  (26.)] 

86.)  ^  =  t,t.-ig  +  ^,..i^.g.        [§  69,  GL  (28.)] 

87.)    J&i  z  =  F{x,  y)  und  y  =f{x),  so  wird 

& ģ       ^  rfy 

dx^  dx       dydx^ 
oder 

,  dz        y  ,        dz       y 

88.)    Ist  JP(a:,  y)  =  0,  SO  wird 

dy  F.  (x.  y) 

91.)    Ist  JFl[rc, y)  =  0,  SO  wird  y  ein  Maximnm  oder  Minimum, 
wenn 

ist,  und  wenn   F^  mit  i^^i  gleiches,  bezw.  entgegengesetztes 
Zeichen  hat.  [§  74.] 

92.)   Ist  rr  =  y(^),  y  =  xp{t\  SO  wird 

_d^  _  9*{tW{t)  —  tp'(t)^"{t)  _  dxdhf  —  rfycPa: 
*'~rfa:2"~  y'(^)3  ""  dx^ 

[§  76,  GL  (11.),  (12.)  und  (12  a.)] 


[^  72,  GL  (2a.)] 


Tabelle  der  wichtigsten  Formeln.  605 

93)      «  =  ^=J-,    ^  _  ^  _         rfy2 
'^     ^      dx      dx     ^      dx^  /dx^^ 

__dhf  _^       äy'dy^~     \dy^) 

<3?y      i>'     c^2  ~"       p^^     ^^  "p 

[§  78,  €H.  (5.)  und  (8.)] 

95.)   Gleichung  der  Tangente: 

2^'  —  y  =  ^  (^'  —  ^)-  I§  80,  Gl,  (5.)] 

96.)   Gleichung  der  Normale: 

y  ""2^  =  — ^(^  — ^)-  [§  80,  Gl.  (6.)] 

97.)    SubnormaJe  (Sn)  =  y  ^-  [§  80,  GL  (9.)] 

98.)   Subtangente  (St)  =  y^.  [§  go,  Gl.  (lo.)} 

99.)      (fe2  —  ^^2  ^  ^y2^ 

100.)   Nonoaks  W  =  y  J-  [§  80,  GL  (14.)] 

101.)   Tangente  (r)  =  y~  (§  80,  öl  (14.)] 

102.)   Die  Asymptoten  i/'  =  mx'  +  ii  einer  Cnrve 

F(x, y)  =  Un{x,  y)  +  £r„_i(a;,  y)+ . . .  +  D;(ar,  y)  +  CT,  =  0 
findet  man,  indem  man  die  n  Werthe  von  m  ans  der  GUdchung 
lim  Unjx^  _  ]jp^  «»y"  +  «»lay«-^  +  0,3:^-=^  +  •  •  •  +  g»a;» 

=  am»  +  «jOT"-!  +  a^m^^  + . . .  4.  «„  =  0 


606  Tabelle  der  wichtigsten  Formeln. 

ausrechnet  und  darauf  aus  der  Gleichung 

lim-^(^>"^  +  ^)  =  0 

^mM      1 
«asoo  ««^ 

die  zugehörigen  Werthe  von  f*  bestimmt. 

Siad  a  Werthe  von  m  einander  gleich,  so  findet  man  die 
a  zugehörigen  Werthe  yon  fA  aus  der  Gleichung 


«SSdO 


a;*-« 


In  ähnlicher  Weise  erhält  man  durch  Vertauschung  von  x 
mit  y  auch!  die]  Asymptoten,  wenn  die  Gleichung  derselben 
die|[Form  x*  =ily'  +  X  hat.  [§  82.] 

103.)   Eine  Curve  y  =  f(x)  ist  nach  oben  concav  oder  convex, 

jenachdem  -^  =/"  (x)  grösser  oder  kleiner  als  Null  ist. 

[§  84,  GL  (8.)  und  GL  (10.)] 

104.)  Ein  Wendepunkt  tritt  ein,  wenn  für  den  zugehörigen 
Werth  von  x 

2,=f"(.)  =  0,    oder   g  =/"(.)  =  00 

wird  und  ausserdem  das  Zeichen  wechselt.  [§  84.] 

105.)  Zwei  Curven  y  ^f(x)  und  y  =  g(x)  haben  im  Punkte  P 
eine  BeiUhrung  (oder  Osciüation)  von  der  «**"  Ordnung,  wenn 
für  den  zugehörigen  Werth  von  x 

f{^)  =  9{^\   /'(^)  =  /(^),    r{x)^g-{x)...ß-){x)  =  gi-){x). 

[§86.1 

106.)  Der  Mittelpunkt  des  Erümmungskreises  hat  die  Coordinaten 


=  ,_(L±.£^=^_ 


9  i 

,    l+i>'  ,  \dx) 

v  =  y+  —^  =  y  +  ---' 

oder 


Tabelle  der  wichtigsten  Formeliu  607 


(cfoV  dy 
Tt)  11 


l^x-^     --   7  ^   ^x "^^^ 


dx  d^        dy  d^x  dxdh/  —  dydhc 

HIß  ~  dt  dfi 

\dt)  dt  .  ds^dx 


dx  d^ dy  dh^       ^       dxdhf — dyd^x 

'didfi~'di'dP 

[§  87,  GL  (21.)  und  (25.);  §  88.] 

107.)   Der  Halbmesser  des  Erimunimgskreises  ist 

oder 

\dt)  ds^ 


dx  dhj        dy  iPx  dxd^  —  dydh^ 

diW  ~  dilfi 

[§  87,  GL  (21.)  und  (25.);  §  88.] 

108.)    efo2  —  Jr^  +  r^d^\  [§  92,  GL  (6.)] 

109.)    Nennt  man  den  Winkel,  den  eine  Tangente  mit  dem  zu- 
gehörigen Radius  vector  bildet,  /a,  so  ist 

rdo) 

tg^  =  -^-  [§  92,  GL  (7a.)] 

df 

110.)   Polar-Subnormale  {Sn)  =  -j--  [§  92,  GL  (10.)] 

111.)   Polar-Subtangente  (St)  =  rtgji*  =  ^^-        [§  92,  Gl.  (li.)] 

ds 
112.)    Polar-Normale  (N)  =  ^.  [§  92,  GL  (12.)] 

113.)    Polar-Tangente  (T)  ^N.tgfi=:  ~  [§  92,  GL  (13.)] 

114.)   Der  Jtfittelpunkt  des  Krümmungskreises  hat  die  Coordi- 
naten 


606 


Tabelle  der  wichtigsten  Fonneln. 

^  ^  .,.r^..      ds\rQmq>dip  +  dr ,  siny) 
^  ""  '^       (^2rfy2  +  2dr'^  —  r€Pr)dip' 

und  der  Halbmesser  des  E^rfimmuBgskrdses  ist 

Cfo3 


(^=± 


(r2rfy2  +  2rfr2  —  rdh')d^ 


•  [§  94,  GL  (8.)  und  (9.)] 


115.) 


J  = 


021 082  •  .  •  ^'2« 


=  -:?(—  l)^ai«Ö2^a3y  .  .  .  Onr 


WO 


\12S...n/ 


die  Transpositionszahl  zwischen  den  Permutationsfonnen 
aßY...v  und  12  3...^  ist,  und  wo  sich  die  Sununation  über 
alle  n !  Permutationsfonnen  aßY...v  der  Zahlen  1  2  3 ... ;» 
erstreckt.  [§  97,  GL  (i.)] 


116.) 


^Jtt  ^Jß  ^jy  '"  <^/y 

^gn  %?  ^gy  ' '  *  ^gy 


ctj.fi  cth^i  . . .  a 


«Ä«  ^hß  ^hy 


hy 


dj^  Ctm  di^   .  .  .  O 


na  ^Iß  '*iy 


ly 


=  (- 1/ 


«11  0^12  Ö13  .  .  .  a\n 
«21  Öf22  ^28  .  .  •  02» 
Ö31   Ö32  Ö83  .  .  .  Ö8n 

ö^nl  Ö5n2  Ö^nS  •  •  •  ^nn 


WO 


[§  99,  Satz  4.] 


117.)   Entsteht  Ji  aus  J  durch  Vertauschung  zweier  parallelen 
Beihen,  so  ist 

^1  =  —  ^.  [§  99,  Satz  5.] 

118.)    Sind  die  Elemente  zweier  parallelen  Beihen  der  Deta-- 
minante  identisch,  so  ist 

-^  =  0.  [§  99,  Satz  6. 


Tabelle  der  wichtigsten  Foimeiln, 


609 


119.) 


Oll  Osi . . .  a»i 
^12  ^ha  •  •  •  ^n2 

^In  ^n  •  •  •  ö^nn 


etil  «12  •  •  •  ö^in 
^21  ^22  •  •  •  02» 

ö^nl  Ön2  •  •  •  ö^n» 


[§  99,  Satz  7.] 


120.)   Ist  Ofr  der  Coefflcient  von  a/r  in  -^,  so  ist 


«/r  =  (—  1)^+»' 


ö^/— 1, 1  .  .  .  ö/_i,  ,.«1  Of^i^  r+i 


•  •  • 


a, 


=  ( —  l)(n+l)  (/+r) 


ö^ti  ...  Ön,  r— 1   ö»,  r+1   .  .  . 

^/+1,  r+1  Ö/+1,  r+2  .  .  .  Ö/+1,  r-1 
«/f2,  r+1  Ö/+2,  r+2  .  .  .  Ö/+2,  r-1 


fM» 


121.) 
122.) 
123.) 

124.) 
1250 


Ö/-1,  r+1  «/-l,  r+2  .  .  .  «/-l,  r-1 

[§  100,  GL  (9.)  und  (10.)] 

J  =  airttir  +  Ö2ra2r  +  .  .  .  +  »«rOnr.  [§  100,  GL  (12.)] 

^  =  ö/i  a/1  +  ö/2a/2  +  . . .  +  »AÄ/n.  [§  100,  GL  (13.)] 

ö^i»air  +  Ö2«a2r  + . . .  +  0«««^  =  0  fttr  r^s. 

[§  100,  GL  (14a.)] 
ö^i«/!  +  «^20/2  +...+  agna/n  =  0  für/^^. 

Sind  die  Gleichungen 

fl^u  i2^i  +  «12^2  +  . . .  +  öl«  a;»  =  Ci, 
«21  a:i  +  «22  ^2  +  . . .  +  a2«a;n  =  C2, 


ö^nl^l  +  Ön2  a^2  +  •  .  .  +  ^n^n  =  C» 

gegeben,  so  wird  unter  der  Voraussetzung,  dass  die  Determi- 
nante J  der  Coefficienten  von  Null  verschieden  ist, 

J.  Xr  =  CiUil  +  C2a2r  +  .  .  .  +  CnOL^r^ 

oder 


öu  «12  . . ;  öm 

Ö21  «22...  Ö2n 


•  •c7r  ^^^ 


«11  .  .  .  öl,r-l  Ol  ai,r+l .  .  .  «in 
«21  ...  «2,  r-1  C%  02,  r+1 .  .  .  «2» 


ö^ni  ö„2  •  »  .  ö^n» 
Stegemaim-Eiepert^  Bifferential-Beohniing 


ö^l  .  .  .  öJn,  r-1  C^  ort,  r+1 .  .  .  «„„ 

[§  101,  GL  (7.)  und  (7  a.)] 
39 


610 


Tabelle  der  widitigsten  Foxmeiln. 


126-) 


1270 


128.) 


129,) 


130.) 


«11  «12  »18  .  .  .  <hn 
0  022  (h9  •  •  •  ^hn 
0    082  Ö88  .  .  •  CI9»      =  ö^ii 

0    €fn%(lmS  •  •  •  <hm 


022  ^  •  •  •  (hn 
0]|2  033  •  .  •  Osi^ 

OnjOnS  •  •  •  (htn 


[§  102,  Satz  1.] 


»11  «12  ...  (hn 
Ö21  «22  •  •  •  O2» 

ö»l  «n2  .  •  •  Onn 


Oll  Ö12  O18  .  .  .  Ol« 
0  O22  028  .  .  •  ^M 
0    0    088  .  •  *(hH 

0    0    0    ...Onn 

Oll  .  .  .  WOir  .  .  .  Oin 
O21  •  .  •  fna^r  .  •  •  02n 

Oni  •  .  •  fna,ir  .  .  ,  Omm 


1  bl     b2    •  •  •  b n 
0  Oll  O12  •  .  .  Ol» 
0  O21  O22  •  .  .  02M 

0  Oni  0|i2  •  .  .  (hm 


[§102,  Satz  2.)] 


=  aii022088  . . .  o»»    [§  102,  Satz  3.] 


=  m 


Oll  .  .  .  Oir  .  .  .  Oin 
O21  •  •  •  02r  •  •  •  O2» 


0»i  •  •  .  dfff  ,  .  .  Ohm 

[§  102,  Satz  4.] 

mOi2  O12  •  .  •  Ol» 


I72O22  O22  •  .  •  02h 


mO|i2  0»2  .  .  .  (hm 


=  0. 


[§  102,  Säte  5.] 


131.) 


A^  +  Su  0^,  2>i, , . . 

A2  +  -B2>  ^2j   -^2>  •  •  • 

— 

2  ^2       2  *  *  * 

+ 

5i  (7i  Dj . . . 

x^2  ^2  "^2  *  *  * 

An+Bn,    Cn,I>n,... 

•"n  (^n-^n  •  •  • 

-ß»  CnDn  .  •  • 

132.) 


Oll  O12  • . .  Ol» 

O21  022  . . .  02» 

0»i  0»2  .  .  •  O»» 


[§  102,  Satz  6J 

Oll  +  ^»irj    O12  .  .  •  Ol» 

O21  +  ma^  O22  • .  •  Oa» 


o»i  +  muf^^  o»2  . . .  ihm 

[§  102,  Satz  7.] 


Tabelle  der  Tviobtigston  Formeln. 


611 


188.) 


011012..  -Om 

«21  «22  •  .  •  «2n 

• 

*llSl2.  .  .  bin 
^21  ^22  •  •  .  b%n 

Cii  Ci2  .  .  .  Cin 
©21  C22  .  .  .  C2n 

^lO»2«  •  •C^n 

bni  ftn2  •  •  •  bnn 

i 

I 

ö»iCn2.  .  *Ctm 

WO 

oder 
oder 

oder 


^A  =  «/l  bri  +  O/^b,^  +  .  .  .  +  a/n  imi 
C/r  =  a/iÄir  +  a/^bir  +  ♦  •  •  +  C^/nbnry 

0fr  =  «v^rl  +  Öyftr2  +  .  .  .  +  C^bm^ 


0fr  =  Oi/*ir  +  (hfb^  +  .  . .  +  a^bnr. 

t§  103,  Gl.  (7.)  und  (12.)  bis  (15.)] 
134.)  .Ist 

«  =/(^,  y) 

eine  Function  von  zwei  von  einander  unabhängigen  Veränder- 
lichen X  und  y,  so  wird 

135.)    Das  partielle  Differential  einer  Function 

in  Bezug  auf  ua  ist  gleich  der  partiellen  Ableitung  von  z  nach 
Ua^  multiplicirt  mit  dua^  also 


Ott  25  =  -5 —  diwa. 


[§  108,  GL  (18.)] 


136.)    Das  voUständige  (oder  totale)  Differential  von 
ist 

und  zwar  gleichviel,  ob  t^i,  t^, .  • .  u«  von  einander  unabhäogig 
sind,  oder  ob  t^,  t^, . . .  Un  selbst  wieder  Functionen  von  einer 

89* 


612  Tabelle  der  wichtigstea  Formehu 

oder  von  mehreren  Veränderlichen  sind.  Wenn  z.  B.  ui,  c^, .  • .  t4 
sämmtlich  Fnnctionen  einer  Veränderlichen  t  sind,  so  kann  man 
anch  schreiben 

dz dz  dwj  ,   dz  du2   .        I    ^^  ^^* 

Ä  " dü^'df  "^ 'Su^'dF  "^ *  ""^  dün  dt 

[§  108,  GL  (14.),  (17.)  und  (23.)] 

\dxj         \dyj       ,^^      d^  d^z 

— 3 —  =  — h      >    Oder    3—5-  =  n  n  ' 
oy  ox  dxoy      oyox 

oder 

/uC^j  y)  =/2i(^,  y).  [§  109,  Gl  (14.)  u.  ae.)] 

138.)    Ist 

und  sind  die  Veränderlichen  t^i,  t^, .  • .  t^n  von  einander  tmaft- 
hänyiff^  so  ist 

-         /dz   .     ^    dz    ,      ^  ,    dz   ,    \^^ 

Diese  Formel  bleibt  noch  richtig,  wenn  t^^,  ti2, .  • .  t^  lineare 
Functionen  einer  Veränderlichen  t  sind,  wenn  also 

dann  kann  man  anch  schreiben 

d^z  _/  dz  du^        dz  du^    .  1    ^^  dun\'^^ 

'df^^Xdü^'df'^dü^  'W^  "^'^dun^/ 
/dz  dz       .  dz      V~) 

[§  111,  GL  (20.)  und  (39.)] 

139.)    GMten  die  Gleichungen 

F{x^  y,z)  ^0     und     O  (x,  y,  2)  =  0 

gemeinschaftlich,  so  wird 

dx:dy:dz:=^  F, G3  —  -F3 öj :  -F3 »i  —  ^1 Ö3  :  F^ O^  —  F^O^. 

[§  112,  GL  (9.)] 

140.)  ds^  —  dx^  +  dy^  +  dz\  [§  113,  GL  (3.)] 

- --  V  dx  a      dy  dz 

141.)  ^^^^"^X'      ^'^^"^^       COSr  =  ^j 


Tabelle  der  wichtigsten  Formeln.  613 

WO  a,  ß,  r  die  Winkel  sind,  welche  das  Bogenelement  ds  mit  den 
positiven  Bichtongen  der  Coordinaten-Axen  bildet. 

[§  113,  Gl.  (4.)] 

142.)    Sind 

F(x,  y,  «)  ==  0     und     0(x,  y,z)  =  0 

die  Gleichungen  einer  ßaumcurve,  so  hat  die   Tangente  im 
Curvenpunkte  P  mit  den  Coordinaten  x,  y,  z  die  Gleichungen 

X* — X y* — y z* — z' 

dx  dy  dz 


oder 


X*  —  X y*  —  y       


J^Gs — F^O^      F^Gr\ — -^6^3       •'^^2 — ^2^\ 

{[§  113,  GL  (13.)  und  (13a.)] 

143,)    Gleichung  der  Normalebene 

{x*  —  x)dx  +  iy*  —  y)dy  +  (z*  —  z)dz  =  0, 
oder 

{^F^G,-F^G^){x'-x)  +  {F,G,-F,G^W-y) 

+  {F^G^—F^G^){z*—z)  ==  0. 

[§  113,  GL  (16.)  und  (16  a,)] 

144.)    Die  Gerade 

x'  —  a;  =  m{z*  —  «),     y*  —  y  =  n{z*  —  z) 

ist  eine  Tangente  der  Fläche 

■^^C^, y» «)  =  0,    oder    z=f{x,y\ 

wenn 

Qz          öz 
F^m  +  F^n  +  l^j  =  0,     oder;    w^  +  n-^ 1  =  0. 

[§  115,  GL  (10.)  und  (14.)] 

145.)    Die  Tangentialebene  der  Fläche 

F{x,y,z)  =  0,    oder    z=f(x,y) 

hat  die  Gleichung 

F,(x'—x)  +  F^{y'  —  y)  +  F^(z*—z)  =  0, 
oder 

z'  —  z-  —  (x'-x^4-^(v*—v)    [§115,  GL  (18.), 
z        z-Q^[x        ^;  +  ^(y        ^^-   (18a.)  und  (25.)] 


614  Tabelle  der  wichtigsteii  Formeln. 

146.)    Die  Enveloppe  der  Gurvenschaar 

erhält  man  durch  Elimination  von  u  aus  den  Gleichungen 

F{x,y,u)r^O     und    ^^gj^  ^^  =  0.  [§  117J 

147.)    Hat  die  Curve  F{x^  y)  =  0  im  Punkte  D  mit  den  Coor- 
dinaten  rr,  y  einen  Doppelpunkt^  so  müssen  die  drei  Gleichungen 

F{x,y)  =  0,    -F,(:r,y)  =  0,     F^{x,y)  =  0 

gleichzeitig  befriedigt  werden.    Die  beiden  zugehörigen  Werthe 

von  ^  findet  man  dann  aus  der  Gleichung 

oder 

rfy  _  —  -Fii  ±  V  Jti»  —  -Fii  -F« . 

tfrr  JF22 

und  darauf  die  zugehörigen  Werthe  von  ^  aus  der  Gleichung 

/dF      dFdy>S^)         /d^F       d^Fdy\(ßy_^ 
\dx  "^  dy  dx)    "^     \ß^  "*"  öy^  cfe/cfe«  '"' 

[§  119,  GL  (7.),  (8.)  und  (Sa.);  §  120,  Gl.  (14a )] 

148.)  Hat  die  Curve  F{x,  y)  =  0  im  Punkte  D  mit  d^n  Coordina^ 
ten  x,  y  einen  dreifachen  Punkt,  so  müssen  die  sechs  Gleichungen 

F^Q,    i^i  =  0,    i^2  =  0,    l?li  =  0,    JFi2  =  0,    J?22  =  0 

gleichzeitig  befriedigt  werden.    Die  drei  zugehörigen  Werthe 

von  ^  findet  man  dann  aus  der  Gleichung 

dF     dFdySi^^ 

^  +  ^i)  =«•  t§  m,  GL  (2.)] 

149.)  Hat  die  Curve  F(x^  y)  =  0  im  Punkt  D  mit  den  Coor- 
dinaten  x,  y  eine  Spitze  (einen  BUcJkiehrpunkt),  so  mfissen  die 
vier  Gleichungen 

F(x,  y)  =0,  F^{x,  y)  =  0,  F<,  {x,  y)  =  0,  und  -F122— JI1JF22  =  0 

gleichzeitig  befriedigt  werden.  [§  122,  GL  (2.)] 


(: 


1 


Tabelle  der  wichtiestem  Formeln. 


615 


150.)   /(.+Ä,  y+k)  =/(.,  y)+(%k+ 1*)+|-,(|  Ä+f  Af 

1  /df       df  V*> 
«!\öa;        dt/  /         ' 

WO 

[§  123,  GL  (8a.)  und  (9a.)] 

151.)  z  =/(ari,  a:2, . . .  x^ 

heisst  eine  homogene  IkjtncHon  rnf^  Grades^  wenn 

/(äTj,  äTj,  . . .  Ar»)  =  ^(a:i,  arj, . . .  a:«); 

dann  wird 

dz  dz  dz 

Xa  -k h  ^2  ST"  +  •  •  •  +  ^»  ^ —  =  ^^) 


Öa:.] 


dXn 


+  X2 


dz 


\    •  •  •    \    Xn 


dx2  "  *  dXnJ 


dz  \(2) 

K —  1    =  m  ( m — 


m  (m — 1)  z, 


[§  124,  Gl.  (2.),  (10.)  und  (14.)] 

152.)    «=/(ir,  y)  wird  ein  Minimum,  wenn 

/i(^,y)  =  0,    /2(a:,y)  =  0,    /u>0,    /11/22— /i22>0; 
jp  =y  (iT,  y)  wird  ein  iifcmmtim,  wenn 

/i  (^1  y)  =  0,  /2  (rr,  y)  =  0,    /u<  0,   /u/22  — /122 >  0; 
z  =f{x,  y)  wird  dagegen  weder  ein  ]\Iaximnm  »ooÄ  ein  Minininni^ 
wenn  zwar 

/i(^,y)  =  0,   /2(a;,y)  =  0,    aber  f^^f^^—fi^^KO. 

[§  125,  GL  (31.)  bis  (33,)] 

153.)    u^=f{xyy,z)  wird  ein  Minimum,  wenn 

/i(^»yi«)  =  0,    f2{x,y,z)  =  0,   fs(x,y,z)^0, 

und  wenn 

/11/12/13 
>0,  2>3  = 


A=/ii>0,  2>2  = 


^21/22 


u^=Lf{x,y,z)  wird  ein  Maximum,  wenn 


>0; 


616 


Tabelle  der  wiclitigsteii  Formeln. 


und  wenn 

1>1<0,     2>2>0,     A<0.     [§  127,  Gl.  (3.),  (13.)  und  (14.)] 

154.)    u  =/(a?i,  ÄTj, . . .  i2?n)  wird  ein  Minimum  wenn 
und  wenn 

A>o,    A>o,   A  >o,...i>n>o, 

wobei 

^21  j^22  •  •  «^2« 


2>«  = 


•  •  •  • 


w  =jf  (a?!,  ajj, . . .  a:n)  wird  ein  Maximum,  wenn  wieder 

und  wenn 

n+1 


n 


l>2r~i<0,    Ar>0  für  r  =  1,2,  ...-oder 


[[§1270 


155.)     {a  +  K)+(c  +  di)  =  (a  +  c)+(i  +  rf)t.       [§  131,  GL  (2.)] 
156.)     (a  +  bi)—(c  +  di)  =  {a  —  c)+(i  —  d)i.       [§  131,  GL  (3.)] 

157.)     (a  +  hi)  (c  +  di)  =  (ac  —bd)+{ad  +  bc)i.   [§  131,  GL  (4.)] 


158.)     (a  +  bi)  (a  —  bi)  =  a^  +  b\ 
159.)     N(a  +  bi)  =  N(a  —  bi)  =  a^  +  b^. 
160.)     |a+  W|  =  |a— W|=  +|/a2+62. 
1  a — W 


161.) 


a  +  bi      a^+b^ 


[§  131,  GL  (5.)] 
[§  181,  Gl.  (8.)] 
[§  181,  GL  (9.)] 

[§  131,  GL  (10.)] 
[§  181,  GL  (11.)] 


1  ß9  ■>    c  +  di ac  +  bd       ad  —  bc  , 

163.)    (a  +  W)"  =  p— (2)0— » J2  +  /")a— 464_  +  . .  .1 


[§  181,  GL  (12.)] 


Tabelle  der  wichtigsteii  Formeln.  617 


r  =  +  yä^+b^,    COSy  =  -,     sina)  =  -•    [§  132,  GL  (5.),  (6.)  u.  (70] 


164.)  a  +  W  =  r(coS5p  +  »siny), 

wobei 

b 

165.)    r^  (cos^)!  +  « sinyi) .  rj  (0039)2  +  i^g>2)  == 

r^rj  [cos(9)i  +  9)2)  +  esm(yi  +  9P2)].  [§  132,  GL  (8.)] 

166.)    [r(cos9P  +  « smy)]**  =  r^  [cos(«y)  +  f  sm(ny)]. 

[§  132,  GL  (10.)] 

167.)    cos (ng>)  =  cos*y  —(Z)  cos»-^^)  sin^ y 

sin(»9))  =  ^^jcos^^V  siny  — ^^^cos^-^  sin^  +  —  .... 

.  .       ,  [§  132,  GL  (11.)  und  (12.)] 

169.)    fr((X)sy+tsiny)=j^[cos(S^i^ 

wobei  Ä  eine  beliebige  ganze  ZaM  ist.  I§  132,  GL  (16.)] 

170.)    Ist  /(«)  =/(ir  +  yi)  =  u  +  vi  eine  Function  der  com- 
plexen  Veränderlichen  x  +  yi^  so  wird 

du      dv     du         dv 

Wx^Wy^    Wy'^^'-Tx  C§  136,  GL  (7.)] 

171.)    ey^  =  cosy  +  t  siny,    er-y*  =  cosy  —  i  siny. 

[§  137,  GL  (6.)  und  (7.)] 

172.)    cosy  =  -^ — ,  siny  =  ^—^ —  [§  137,  GL  (8.)] 

173.)  e«+y*  =  e*  (cos y  +  e  sin  y).  [§  137,  GL  (9.)] 

174.)  c2A7ri  =  1,  Y^renn  h  eine  ganze  Zahl  ist.  [§  137,  GL  (16.)] 

175.)  e-+2Am  =  ^,  wenn  h  eine  ganze  Zahl  ist.  [§  137,  GL  (17.)] 
176.)                                 22-(cos9))2»*  = 

2  cos {2ng))+  (  ^p  Cj0^(2n  —  2)^+  (T)^  cos(2;^—  4)  9+ 

'••+(;,!!  1)2  C0S(2y)+  (^^'*)-  [§  137,  GL  (20.)] 


528  Tabelle  der  wiclitigsteii  FormeM. 

177  \  2**+*  (cos  9))^**+^  = 

'    2cos(2n  +  l)y+("*;^>cos(2n-l)9)  + 

...+(^_+l)2.C0S(3y)+f'*;^')2C0Sy.  U§137.  Gl.  (21.)] 

178.)  (_i)»22«(8in9))»»  = 

2cOB(2«<p)-f;)2co8(2«-2)y +f;)2cos(2«-4)y- + 

. . . + (-i)-C!:i>-(^^) + ^-<i}  ''  "'•  '^-  ^"^ 

179.)  (_i)»2^«+Xffln9)r+*  = 

2sm(2«  +  1)  y-f  "+')2sm(2«-l)9  +  - 

^"       ^'  [§  137,  GL  (23.)] 

180.)    Aus  der  Glfflchimg  .  ,  „i   • 

^i  =  „  +  «•  folgt  1(«  +  »0  =  a;  +  y»  +  2Ä^t. 
Dabei  ist  h  eine  beliebige  positive,  oder  negative  ganze  Zahl  und 

a:=i-l(««  +  e'),    y  =  arctgu) 

tu 

tmd  zwar  ist 

0<y<Y    *"^    ">^'    *'^^' 

§!L<y<2;r„      «>0,    «<0. 
^  [§  188,  ÖL  (1.),  (3.)  ond  (6.)] 

,  ,        ^^     •  l§  138,  GL  ^.)1 

181.)    1(-1)  =  (2A+1)^»-  >5 

/1  -I-  m\         •        *  [§  139.  GL  (4.)] 

182.)    l(i^)=2*arctgy.  19      .       V    J 


Druckfehler- Verzelchniss, 


Seite    9,  Z.  3  v.  u«  lies  dass  statt  das. 
«    22,  Z.  1  y.  u.    „    folgHch  statt  foglich.